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Die anderen Thesen des Prager Linguistenkreises

LINGUISTICA BRUNENSIA 58, 2010, 1–2 Bohumil Vykypěl Die anDeren Thesen Des Prager LinguisTenkreises 1. einleitung Nach der kommunistischen Machtübernahme in der Tschechoslowakei im Fe­ bruar 1948 wurde bekanntlich die Tätigkeit des Prager Linguistenkreises (PLK) – durch „Destruktion und Selbstdestruktion“ (Míšková 2003) – schrittweise be­ schränkt, bis sie völlig aufhörte. Dieses Kapitel sowie die ganze Geschichte der tschechoslowakischen Linguistik unter der kommunistischen Herrschaft warten seltsamerweise immer noch auf ihre gründliche Beschreibung. Aus allgemeiner Sicht interessant und offensichtlich auch typisch ist die Tatsache, dass die Beherr­ schung der tschechoslowakischen Sprachwissenschaft durch die Kommunisten wie überhaupt die Beherrschung des öffentlichen Raumes schrittweise war, so dass wir beispielsweise in den ersten nach dem kommunistischen Umsturz er­ schienenen Jahrgängen der Zeitschrift des PLK Slovo a slovesnost noch ein Ne­ beneinander von strukturalistischen und marxistisch konformen Texten inden. Ein Ereignis, das in diese Anfangsphase des kommunistischen Regimes fällt, als noch manches erlaubt war, war die Teilnahme von Mitgliedern des PLK am 6. internationalen Linguistenkongress, der vom 19. bis 24. 7. 1948 in Paris statt­ fand. Der PLK legte hier sogar gemeinsame Antworten auf die den Kongressteil­ nehmern gestellten Fragen vor. Pavel Novák schrieb in seiner inspirativen Skizze der Nachkriegsgeschichte der tschechischen Linguistik Folgendes: „Na Vi. (první poválečný) mezinárodní sjezd lingvistů v paříži (1948) sice zaslal plk ještě kolektivní teze (tj. – jak bylo tehdy zvykem – odpovědi na otázky položené organizátory sjezdu) – vedle odpovědí individuálních. Z účasti však už sešlo. [An den Vi. (den ersten nach dem krieg) internatio­ nalen Linguistenkongress in Paris (1948) sandte der PLK zwar noch kollek­ tive Thesen (d. h. – wie es damals üblich war – Antworten auf die von den Organisatoren des Kongresses gestellten Fragen) – neben den individuellen Antworten. Aus der Teilnahme wurde jedoch nichts mehr.]“ (Novák 1991, 185) Dazu fügte er in einer Fußnote die folgende Bemerkung bei: 288 Bohumil Vykypěl „Srovnání tohoto posledního kolektivního textu PLK s tezemi z r. 1929 ne­ bylo, pokud vím, dosud provedeno. [Ein Vergleich dieses letzten kollektiven Textes des PLK mit den Thesen aus dem J. 1929 war – soweit ich weiß – bisher nicht angestellt.]“ (Novák 1991, 185, Anm. 4) Wie wir noch sehen werden, sind gleich zwei Informationen bei Novák unrichtig: Mitglieder des PLK haben doch am Kongress teilgenommen, und sie traten nur mit Diskussionsbeiträgen auf, nicht mit individuellen Antworten auf die Kongressfragen. Außerdem hat sich fast zwanzig Jahre nach dem Er­ scheinen von Nováks Text immer noch niemand mit den „Thesen“ von 1948 befasst. Im Folgenden möchte ich daher das ganze Thema etwas näher be­ trachten. 2. Die Prager kongressteilnehmer Zunächst ist festzustellen, wer von den Prager Linguisten am Kongress teil­ nahm. im Verzeichnis der mitglieder des kongresses (lejeune 1949, XXi–Xl) sind folgende Namen von Sprachwissenschaftlern aus der Tschechoslowakei an­ geführt (ich zitiere sie ohne Korrektur der Druckfehler): 221. Prof. Boh. Havrânek, Na Valech 8, Prague (IV). (Membre du C. I. P. L. Délégué du Gouvernement Tchécoslovaque, de la Société royale des Lettres et Sciences de Bohême et de l’Université de Prague). 237. prof. karel horálek, kladenska 27, prague (XiX). 265. prof. m. křepinský, Strěšovice u 5, prague (Xiii). (Délégué de l’Académie tchèque des Sciences). 311. prof. V. machek, uvoz 47, Brno, Tchécoslovaquie. 397. prof. Vaclav polák, unětice Č 82, p. pardulice, Tchécoslovaquie. (auf S. 601 Pardulice korrigiert zu Pardubice) 492. prof. B. Trnka, 16 u Zelezńe lavky, prague (iii). 498. prof. Joseph Vachek, Nam. krále Jiřího 19, prague (Xii). Außerdem indet man unter der Nummer 453 den folgenden Eintrag: 453. Dr k. Skalička. offensichtlich wird damit Vladimír Skalička gemeint ist, dessen Teilnahme am Kongress laut Horálek (1948–49, 93) tatsächlich geplant war. Von diesen Sprachwissenschaftlern ist zunächst der Romanist älterer Generati­ on maxmilian křepinský zu trennen, der keine Beziehung zum plk und der pra­ ger Schule hatte. Ferner ist auch vom Etymologen Václav Machek abzusehen, der zwar ein Gründungsmitglied des PLK war, aber sonst nicht mit der strukturalen Methode arbeitete. Schließlich ist auch von Václav Polák, einem Sprachwissen­ schaftler mit breiten Interessenten und interessanten Gedanken, eher abzusehen: Polák trug zwar sogar zweimal im PLK vor (vgl. Vachek 2002, 68, 69) und war wahrscheinlich auch ein Mitglied des PLK (sein Name und Adresse stehen in der Liste der sich für die allgemeine Sprachwissenschaft interessierenden Mitglieder des PLK in der Zeitschrift Lingua, Jg. 1, 1948, S. 150), hatte aber sonst eher lose DIE ANDEREN THESEN DES PRAGER LINGUISTENKREISES 289 Beziehungen zur Prager Schule. Außerdem hat sowieso keiner von diesen Geleh­ rten am Kongress tatsächlich teilgenommen. Vladimír Skalička und Bohumil Trnka, beide bekanntlich zwei der wichtigsten Repräsentanten des PLK und der Prager Schule, nahmen am Pariser Kongress nicht persönlich teil, wobei Trnka wenigstens mit dem Text eines der Plenarvor­ träge vertreten war (vgl. unten 3.3.). Über die Gründe ihrer Absenz ist es mir nicht gelungen, Näheres festzustellen. Horálek (1948–49, 93) erwähnt nur Fol­ gendes: „česká delegace (…) litovala, že sešlo v poslední chvíli s proponované účasti prof. Skaličky a Trnky [die tschechische Delegation (…) bedauerte, dass im letzten Augenblick aus der vorgesehenen Teilnahme der professoren Skalička und Trnka nichts wurde]“. Somit können wir festhalten, dass aus dem Kern des PLK drei Mitglieder am Pariser Kongress teilnahmen: Bohuslav Havránek aus der älteren Generation und Josef Vachek sowie karel horálek aus der jüngeren Generation. Darüber hinaus war Bohumil Trnka, wie erwähnt, „virtuell“ anwesend – durch seinen von Va­ chek vorgelesenen Bericht zu einer der am Kongress behandelten Fragen. Diese Zusammensetzung der Prager Linguisten am Kongress wird – außer durch zwei Berichte über den Kongress, von den noch unten (Abs. 4) die Rede sein wird – auch durch eine Ansichtskarte bestätigt, die am 22. 7. 1948 von Paris an Roman Jakobson gesandt und von Havránek, Vachek und Horálek unterschrieben wurde (vgl. Havránková–Toman 2001, 86). Neben diesen Linguisten war am Kongress auch ein weiterer wichtiger Reprä­ sentant der Prager Schule vertreten, und zwar der eben erwähnte Roman Jakob­ son. Jakobson war damals – wie allgemein bekannt – in den USA tätig und nahm am Kongress als Delegierter der Columbia University teil, obwohl nicht in perso­ na, sondern nur durch seinen plenarvortrag, da auch er – wie Trnka und Skalička – nicht kommen konnte (vgl. lejeune 1949, XVi, XXiX, 451). Allerdings waren die Gründe in seinem Fall eher prosaischer Natur, wie man aus seinen Briefen an havránek (vom 5. 5. 1948) und karcevskij (vom 7. 5. 1948) erfährt: „kdo z kroužku jede na lingvistický sjezd? Vendryès mě požádal o „re­ port“ o poměru fonologie a morfologie. právě jsem jej poslal do tiskárny. pořád nevím, zda se mi podaří tam jet. Je to velice nákladné a po mnohých stránkách komplikované pro mne. Ale rád bych se podíval. [Wer aus dem kreis fährt an den linguistenkongress? Vendryès hat mich um einen „Re­ port“ gebeten. Eben habe ich ihn in die Druckerei gesandt. Immer noch weiß ich nicht, ob es mir gelingt, dorthin zu fahren. Es ist sehr aufwändig und in mancher hinsicht für mich kompliziert. Aber ich hätte [den kongress] gerne besucht]“ (havránková–Toman 2001, 84–85) „I was invited by the Committee of the Linguistic Congress to present a syn­ thetic report about the relations between the phonic and grammatical aspect of language. Now it is in Paris waiting to be printed. But I am still not sure whether I will be able to come. It takes much time, money, and energy, and raises too many disturbing emotions and nostalgias. But I still haven’t made up my mind deinitely in this question.“ (Baran et al. 1999, 181) 290 Bohumil Vykypěl Die „doppelte“ Präsenz von Repräsentanten der Prager Schule – die tschechi­ schen Linguisten in einer Delegation, Jakobson in einer anderen – trägt in mehrfa­ cher Hinsicht Symbolkraft. Zunächst lässt sich dies als Ausdruck für den Anfang des Zerfalls der Prager Schule als einer mehr oder weniger organisierten Gruppe betrachten. Außerdem ist hier eine gewisse methodologische „Dehomogenisie­ rung“ der Schule in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vorweggenommen. Dies spiegelt sich in Ansätzen auch in Jakobsons Vortrag wider (Jakobson 1949), der als Plenarvortrag in der Sektion gelesen wurde, in der Frage nach den Bezie­ hungen zwischen der phonologischen und der grammatischen Ebene der Sprache behandelt wurde: Der Vortrag war bereits der Anfang seiner amerikanischen Pha­ se, in der Jakobson in mancher Hinsicht eigene Wege ging (vgl. Vachek 1964a, 1964b, 10, 1968, 23–25, 1976, 67 und auch unten 3.2., 3.6.). Was die erste erwähnte Tatsache – den Anfang des Zerfalls der Prager Schu­ le – angeht, so ist es im Übrigen kennzeichnend, dass der plk keine ofiziellen Delegierten zum Kongress gesandt hatte: Havránek war von der tschechoslowa­ kischen Regierung, von der Königlichen böhmischen Gesellschaft der Wissen­ schaften und von der karlsuniversität delegiert, křepinský von der Akademie der Wissenschaften (vgl. lejeune 1949, XiX). Dies steht im Gegensatz zu den anderen strukturalistischen Kreisen: Der Kopenhagener Linguistenkreis hatte am Kongress gleich vier Vertreter (C. A. Bodelsen, Paul Diderichsen, Eigil Griese und louis hjelmslev), die Société de linguistique de Genève wurde von Robert Godel repräsentiert, und sogar der von Jakobson gegründete Linguistic Circle of New york wurde ofiziell durch John lotz vertreten (vgl. lejeune 1949, XVi, XiX). 3. Die Prager antworten Trotzdem verfasste der PLK kollektive Antworten auf die vom Kongressko­ mitee gestellten Fragen. Was den Vergleich dieser Antworten mit den Thesen des plk von 1929 angeht (vgl. Thèses 1929), nach dem Novák fragte (vgl. oben Abs. 1), so ist einer der wesentlichen Unterschiede bereits hier zu konstatieren. Im Jahre 1929 handelte es sich um einen aktiven Auftritt, durch den eine eigenstän­ dig formulierte Sichtweise und zugleich fast so etwas wie ein Arbeitsprogramm einer neuen Gruppe und einer neuen Linguistik in Form eines mehr oder weniger kohärenten und komplexen Textes einem für die neue Richtung zu gewinnenden Fachpublikum präsentiert wurden. Dagegen ging es im Jahre 1948 um mehr oder weniger kurze und eher nicht miteinander verknüpfte Anmerkungen zu einigen Aspekten der zeitgenössischen linguistischen Forschung, und diese Aspekte wur­ den zudem von jemandem anderen als der betreffenden Gruppe aufgestellt; die in den Antworten präsentierte Perspektive war summarisierend und eher auf Einzel­ heiten als ganzheitlich ausgerichtet. Die Kongressfragen waren in zwei Gruppen unterteilt: vier Hauptfragen, die das Hauptthema der Morphologie betrafen, und vier ergänzende Nebenfragen DIE ANDEREN THESEN DES PRAGER LINGUISTENKREISES 291 zur linguistischen Terminologie, zur vorzubereitenden Enquete zum Sprachatlas der Welt, zur Statistik in der Linguistik und zur Interlinguistik (vgl. hierzu die Erklärungen des präsidenten des kongresses Joseph Vendryes in lejeune 1949, XliV–XlV). Was das morphologische Dachthema angeht, so ist nebenbei an­ zumerken, dass dieses gewissermaßen auch mit dem neuen Hauptthema in der Arbeit der prager Schule in den vierziger Jahren korrelierte; im Übrigen sollte der nicht mehr realisierte 10. Band der Travaux du Cercle linguistique de Prague eben die Fragen der Morphologie und Syntax behandeln (vgl. Havránková–To­ man 2001, 32, 52, 60). 3.1. Frage I: Universalien, Typologie, Entwicklung Die erste Frage aus der ersten Gruppe lautete folgendermaßen: „Existe‑t‑il des catégories qui soient communes à l’universalité des langues humaines ? Dans quelle mesure peut‑on asseoir sur l’étude des catégories une classiication structurelle des langues ? Quelles corrections doit appor­ ter en cette matière une étude diachronique aux conclusions de l’étude syn­ chronique ?“ Den plenarvortrag hielt louis hjelmslev, der jedoch seinen Text nicht recht­ zeitig geliefert hatte, so dass die Teilnehmer sich zu ihm nicht im Voraus schrift­ lich äußern konnten (vgl. lejeune 1949, 3, 419–431). Die kollektive Antwort des PLK wurde auf Französisch verfasst und in den Kongressakten abgedruckt (vgl. lejeune 1949, 135–136). Sie besteht aus drei Absätzen, von denen jeder die ent­ sprechende Unterfrage beantwortet. 3.1.1. Im ersten Absatz werden eigentlich mehrere Konzepte antizipiert, die ei­ nige Prager Linguisten dann in ihren späteren Texten näher ausgeführt haben: Die Funktion des morphologischen Systems wie der anderen Subsysteme der Spra­ che ist es, den Ausdruck der außersprachlichen Wirklichkeit durch die Sprache zu ermöglichen, wobei jedoch die Struktur der morphologischen Systeme selbst die Realität nicht direkt relektiert. Diese zwei Tatsachen haben zur Folge, dass einerseits die morphologischen Kategorien nicht in allen Sprachen gleich, aber dennoch ähnlich sind und dass andererseits die grundlegende Funktion der Spra­ che, die Welt auszudrücken, eine – semantische – Grundlage für den Vergleich zwischen den einzelnen Sprachen bietet. Man erkennt hier also einen Ansatz zu Skaličkas späterer unterscheidung zwischen der universalen, unentbehrlichen und anthropozentrischen „Syntax“ und der „überlüssigen“ morphologie (vgl. Skalička 1962). Außerdem kann man hier ein Vorzeichen der später explizit for­ mulierten Differenzierung zwischen der sprachlichen Bedeutung und dem außer­ sprachlichen (kognitiven) Inhalt erblicken, die man insbesondere im Werk von petr Sgall und seiner Gruppe indet (vgl. v. a. Sgall et al. 1986) und die allerdings von Anfang an in der Prager Schule implizit präsent war (vgl. etwa Slotty 1932, Skalička 1935, 20 = 1979, 73, havránek 1928/1983, 70). Im zweiten Absatz wird dann aus dem Gesagten der Schluss gezogen, dass es unmöglich sei, eine klassiikation der Sprachen vorzunehmen, sondern nur eine 292 Bohumil Vykypěl Typologie, die eine Hierarchie aller sprachlichen Eigenschaften aufstellt. Man muss hier zugeben, dass diese unterscheidung zwischen klassiikation und Ty­ pologie nicht allzu klar formuliert ist, und ich würde hier hjelmslev zustimmen, der folgendermaßen auf diese Ansicht reagierte: „pour une raison qui nous échappe, la réponse du Cercle linguistique de pra­ gue opère une distiction entre typologie et classiication, et nie la possibilité d’une classiication ; il s’agit sans doute d’une question de terminologie plutôt que de réalités.“ (lejeune 1949, 430) Diese Ansicht hjelmslevs ist zunächst damit begründet, dass er den Typ als eine Sprache oder genauer eine Sprache im Sinne des hjelmslevschen Sprach­ baus betrachtet, so dass eine auf den Typen gegründete klassiikation von Spra­ chen grundsätzlich möglich ist (vgl. näher Vykypěl 2005, 186). Dagegen beindet sich der Typ in der Auffassung der Prager Typologie außerhalb von Sprachen als ein Instrument der linguistischen Beschreibung und Erklärung, Sprachen stel­ len kombinationen von Typen dar, und eine typologische klassiikation ist hier nicht so unmittelbar möglich. Auf der anderen Seite kann sicherlich auch die Typologie, wie sie die prager Schule versteht, verschiedentlich zu einer klassii­ kation von Sprachen verwendet werden, beispielsweise danach, welcher Typ in den einzelnen Sprachen dominiert (vgl. Skalička 1974, 23). Nichtsdestoweniger intendierte die Antwort des plk jedoch wohl lediglich die Betonung des un­ terschieds zwischen einer klassiikation, die bloß unsystematisch Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen Sprachen sammelt, und der strukturalen Typologie, die sprachliche Systeme ganzheitlich als Einheiten untersucht und vergleicht. Die ersten zwei Absätze der Prager Antwort antizipieren also – wie erwähnt – manche künftig expliziter herausgearbeitete Prager Konzepte. Auf der anderen Seite sieht man allerdings auch, dass sie zugleich konzis die zwei grundlegenden Charakteristika der Prager Schule erfassen, die einer der Kongressteilnehmer – Havránek – in seinem Stichwort Strukturale Linguistik in der Otto­Enzyklopädie zusammengefasst hat (vgl. Havránek 1940): das funktionale, das in der direkten Beziehung der Sprache zur Wirklichkeit zum Ausdruck kommt, und das struktu­ rale, das in der hierarchisierten Ordnung sprachlicher Erscheinungen besteht. Ne­ ben der für das tschechische Publikum bestimmten Zusammenfassung der Prager Lehre erfolgte nun also gewissermaßen Zusammenfassung für die internationale Fachöffentlichkeit. 3.1.2. Schließlich wird im dritten Absatz – im Einklang mit der allgemeinen Prager Auffassung der Sprachstruktur und Sprachentwicklung, die auch in den Thesen von 1929 zum Ausdruck gebracht wurde (vgl. Thèses 1929/1964, 34) – der dynamische Charakter jedes synchronischen Zustands hervorgehoben. Dabei wird sehr zutreffend angemerkt, dass man sich die Präsenz von älteren Systemen in einem gegenwärtigen Sprachsystem nicht als gelegentlich zum Vorschein kom­ mende Spuren älterer Zustände vorstellen darf. Vielmehr spielen diese „Spuren“ bestimmte Rollen in der ganzheitlichen Stratiikation der Sprache und bilden so­ zusagen ein „alternatives“ Subsystem, das mit dem zentralen System koexistiert und gegebenenfalls auch mit ihm konkurriert. Der letzte Satz der Prager Antwort, DIE ANDEREN THESEN DES PRAGER LINGUISTENKREISES 293 in dem die Schwierigkeit, die Beziehung zwischen der Entwicklung der Sprache und jener der Gemeinschaft ihrer Sprecher zu verfolgen, erwähnt wird, relativiert folglich in einem gewissen Sinne den optimismus Skaličkas im Schlusskapitel seiner Entwicklung der tschechischen Deklination: hier schildert Skalička sei­ ne Vorstellung über ein dreistuiges modell der Erklärung von Sprachverände­ rungen, dessen letzte Stufe die für durchaus möglich gehaltene Suche nach ei­ ner Beziehung zwischen der typologischen Entwicklung einer Sprache und der Entwicklung der in dieser Sprache geschriebenen literatur bildet (vgl. Skalička 1941/1979, 171–172). Später hat Skalička die Durchführbarkeit eines solchen unterfangens vorläuig in Zweifel gestellt (vgl. Skalička 1958/1979, 316), was eben in der Antwort des PLK vom 1948 vorweggenommen zu werden scheint. Wie oben (3.1.1.) ist auch im Falle der Prager Antwort auf die dritte Unterfrage die Reaktion hjelmslevs von interesse. hjelmslev behauptete, es gebe nur zwei Möglichkeiten, wie mit der Dichotomie zwischen Diachronie und Synchronie umzugehen ist: „ou bien on peut admettre la distinction entre synchronie et diachronie, ou bien on peut essayer de la réfuter. Dans le premier cas, on admet implicite­ ment que la synchronie prime la diachronie, et que la diachronie et une étude comparative d’états de langue, abordée pour des buts génétiques. Dans ce cas, il est logiquement impossible de penser que l’étude diachronique puisse apporter des corrections à l’étude synchronique. (…) Dans le second cas, l’étude synchronique est par déinition inexistante : elle se réduirait à n’être qu’une secteur de l’étude diachronique, seule étude légitime en matière lin­ guistique selon cette conception.“ (lejeune 1949, 430–431) Dabei sprach hjelmslev eine gewisse Überraschung aus, dass der plk eine Art von Kompromiss zulässt: „Donc, que l’on choisisse l’une ou l’autre des ces deux possibilités, il n’y a pas de compromis possible (…). la réponse du Cercle linguistique de prague est indécise, ce qui doit surprendre celui qui pose la question en des termes logiques, et qui admire le travail purement synchronique accompli par des membres du Cercle de prague.“ (lejeune 1949, 431) Nun ist für hjelmslev, den Autor einer mit scharf abgegrenzten kategorien arbeitenden Sprachtheorie, kennzeichnend, dass er durch diese Überrascht­ oder Unzufriedenheit mit einem Anhänger einer späteren Sprachtheorie, die ebenfalls Kategorien mit scharfen Grenzen postuliert, nämlich Paul Postal, übereinstimmt. Postal warf zwanzig Jahre später einem Prager Linguisten, Josef Vachek, vor, er wende eine Art von „Übergangsbegriffen“ an – im konkreten Fall den Begriff der „fuzzy points“ –, die ähnlich „hybrider“ Natur sind wie die Prager Dynamik des Sprachsystems: „In each case Vachek accepts in effect the correctness of the analysis of particular examples suggested by Chomsky, agrees with Chomsky that these cases are incompatible with the various principles of autonomous phone­ mics which Chomsky was criticizing, but then accepts both the particular analyses and the general principles these refute with the remark that these 294 Bohumil Vykypěl merely show ‘fuzzy points in language.’ Obviously this invention of a new terminology for counterinstances to linguistic principles has no empirical or substantive relevance. That is, if one is allowed to save theories by christe­ ning the cases which overthrow them ‘fuzzy points,’ then no theory can be falsiied.“ (postal 1968, 4, Anm.) Es ist an den beiden Fällen ersichtlich, welche Verständnisprobleme die Pra­ ger „kompromisssichtweise“ (vgl. Vykypěl 2006, 75) Schöpfern von strengen Theorien bereiten kann. Außerdem stellt diese diskrete und seitens Postal na­ türlich unbewusste Übereinstimmung mit hjelmslev ein weiteres, unauffälliges Zeichen der bemerkenswerten Nähe des frühen Generativismus zu hjelmslev dar (vgl. hierzu Koerner 2002, 134–135, Sova 2007, 29–31, 47–48). Auf der anderen Seite ist es nicht weniger bemerkenswert, dass hjelmslev in der prager Antwort nicht eine Variante seiner eigenen Ansicht über die Koexistenz mehrerer latenter oder virtueller Systeme im Rahmen einer Sprache wiedererkannte (vgl. hierzu Vykypěl 2005–06, 135–136). 3.2. Frage II: Form und Bedeutung Die zweite Frage war die folgende: „Dans quelles limites et dans quelles conditions l’étude synchronique et l’étude diachronique font‑elles apparaître une solidarité et une interdé­ pendance entre la structure phonique et la structure grammaticale d’une langue ?“ Den Vortrag dazu bereitete – wie bereits oben (Abs. 2) erwähnt – Roman Ja­ kobson vor (vgl. lejeune 1949, 5–18). umso mehr ist somit interessant, die Ant­ wort des PLK zu dieser Frage zu betrachten, die diesmal auf Englisch verfasst wurde (vgl. lejeune 1949, 228). Die Antwort ist in zwei Absätze unterteilt: Der eine behandelt den synchro­ nischen Aspekt der Frage, der andere den diachronischen. Im ersten Falle wird auf die Morphonologie verwiesen als die Disziplin, die sich programmatisch mit der Beziehung zwischen dem morphologischen und dem phonologischen Plan der Sprache befasst, womit die Existenz einer solchen Beziehung, nach der die Kongressfrage fragt, bestätigt wird. Im Falle der als evident angesehenen Be­ ziehung zwischen Veränderungen im morphologischen (grammatischen) Bereich der Sprache und jenen im phonologischen Bereich wird dann die interessante Fragestellung der kausalen Beziehung zwischen den beiden Arten von Verände­ rungen erwähnt. Diese Erwähnung ist im Übrigen zu begrüßen, denn allzu oft werden phonologische Veränderungen als der initiierende Faktor gewertet. Jakobsons Text ist gewissermaßen innovativer als die Prager Antwort. Einer­ seits stellt es einen der Anfänge des Ikonizitätsbegriffs dar, der später von Jakob­ son selbst (vgl. v. a. Jakobson 1958a, 1965 und auch Leška 1994, 94) und von anderen Forschern weiterentwickelt wurde. Andererseits bedeutet er auch einen der Anfänge der Relativierung der Phonologie als eines eigenständigen Bereichs der Sprache. Von hier aus führte der Weg dann wiederum zur generativistischen DIE ANDEREN THESEN DES PRAGER LINGUISTENKREISES 295 Aufhebung der Phonologie und ihrem Ersatz durch eine – offenbar, wenn auch stillschweigend, von Jakobson inspirierten – binaristische Morphonologie. So­ wohl die Untersuchung oder Berücksichtigung der Ikonizität im Aufbau von sprachlichen Zeichen als auch die infragestellung der phonologie inden kaum Resonanz in Werken anderer Prager Linguisten. 3.3. Frage III: Morphologie, Syntax, Stratiikation Die dritte Frage war kurz: „peut‑on poser une déinition universellement valable des domaines respec­ tifs de la morphologie et de la syntaxe ?“ Bedeutend in unserem Kontext ist die Tatsache, dass der Rapporteur zu dieser Frage Trnka war (vgl. lejeune 1949, 19–30). in der auf Französisch geschriebenen Antwort des kreises (vgl. lejeune 1949, 274–275) wird die Frage sehr stark aus typologischer Perspektive betrachtet, auch wenn die eigentlichen Begriffe der Prager Typologie nicht erwähnt werden (nur in der Zusammenfassung der Antwort in Trnkas Bericht erscheint das Wort type; vgl. lejeune 1949, 24). Die Ausgangsvoraussetzung ist, dass morphologie und Syntax in verschiedenen Sprachen verschieden stark differenziert werden. Deutlich ist der Unterschied zwischen ihnen beispielsweise in den alten indoger­ manischen Sprachen, in denen bekanntlich der lektierende Typ dominiert, we­ niger deutlich ist er in solchen Sprachen wie Türkisch oder Baskisch, in denen wiederum der agglutinierende Typ dominant ist, und kaum zum Ausdruck kommt er beispielsweise im Chinesischen, in dem der Prager polysynthetische Sprachtyp dominiert. Man sieht hier also dasselbe wie oben (3.1.) bei der Antwort auf die erste Frage: Der Gegensatz zwischen Morphologie und Syntax ist nicht unent­ behrlich; darin wird die spätere Auffassung des Verhältnisses der zwei Bereiche, wie dieses von Skalička formuliert wurde, noch klarer vorweggenommen. Offensichtlich etwas „unorganisch“ sind in der Argumentation der Antwort die letzten zwei Sätze des ersten Absatzes, die die Frage nach der Stelle der Deri­ vation und der „Onomatologie“ in dieser Hinsicht thematisieren und erwägen, ob diese Bereiche zur Morphologie gehören oder nicht. Die Onomatologie, d. h. die Mathesiussche Lehre von der sprachlichen Benennung, in die auch die Wort­ bildung mittels Derivation einzugliedern ist, sollte eben – gemeinsam mit der funktionalen Syntax als der Mathesiusschen Lehre vom In­Beziehung­Setzen von Benennungen – in die „universale“ Grundlage für die Typologie einbezogen werden, wie das auch Skalička später gezeigt hat (vgl. Vykypěl 2005, 192–194, 2006, 41–42). In diesem Punkt bedurfte die Prager Ansicht also noch einer Wei­ terentwicklung und Präzisierung. Wenn man die kollektive Antwort des PLK noch mit Trnkas Plenarvortrag ver­ gleicht, so kann kurz gesagt werden, dass der PLK den allgemeinen Charakter der komparativen Beschreibung von Sprachen herausgriff, während sich Trnka auf die Instrumente dieser Beschreibung im Bereich der Syntax und der Morpho­ 296 Bohumil Vykypěl logie konzentrierte. Trnka behandelte zuerst die Frage nach der Möglichkeit, die Begriffe des Wortes und des Satzes allgemein anzuwenden. Er war der Meinung, dass dies möglich sei, allerdings mit dem Zusatz, dass diese Begriffe nicht in allen Sprachen gleich deutlich ausgeprägt seien: „les limites entre le mot et la phrase varient dans les différentes langues du monde, mais dans aucune de ces langues elles ne sont entièrement effacées.“ (lejeune 1949, 27) Hier können wir gleich mehrere Sachen beobachten. Zunächst stimmt Trnka somit in einem konkreten Punkt mit der allgemeinen typologischen Relativierung der Grenzen zwischen breiteren Bereichen der Sprache überein, die wir in der kollektiven Antwort des PLK gesehen haben. Ferner lässt sich hier eine Anwendung des Mathesiusschen (1911) Prinzips der Potentialität der sprachlichen Erscheinungen erblicken, die später in solchen Parolen der prager linguisten wie Skaličkas komplexität der Einheiten der Sprache (Skalička 1957), Sgalls Freiheit der Sprache (Sgall 2002) oder dem Gegensatz zwischen Zen­ trum und Peripherie der Sprache (Vachek 1966) noch weiter entwickelt wurden. Mit dieser Auffassung von sprachlichen Kategorien und Erscheinungen als „Prototypen“, die wir also bereits in den vierziger Jahren inden, nähert sich die prager Schule den „Greenbergianischen“ Funktionalisten an (vgl. Vykypěl 2009, 23). Schließlich – und das hängt letztendlich auch mit dem Letzterwähnten, denn Sapir wird von den Greenbergianern positiv bewertet – indet hier die prager Schule in ihrer Verkörperung durch Trnka einen gemeinsamen Nenner mit Ed­ ward Sapir, der Ähnliches behauptete: „It is true that in particular cases, especially in some of the highly synthetic languages of aboriginal America, it is not always easy to say whether a par­ ticular element of language is to be interpreted as an independent word or as part of a larger word. These transitional cases, puzzling as they may be on occasion, do not, however, materially weaken the case for the psychological validity of the word.“ (Sapir 1921, 34) Dies ist im Übrigen wahrscheinlich die Passage aus Sapir, die Jakobson in seinem Pariser Plenarvortrag meinte, als er sagte: „The various borderline cases – we hold with Sapir – do not contest the validity of this actual and living entity [d. h. des Wortes].“ (Jakobson 1949, 7 = 1971, 164) Noch näher zu Trnka steht dann Sapir, wenn er über Nomen und Verb spricht: „No language wholly fails to distinguish noun and verb, though in particular cases the nature of the distinction may be an elusive one.“ (Sapir 1921, 126) Nebenbei könnte man an dieser Stelle anmerken, dass ein ausführlicherer Ver­ gleich der linguistischen konzepte von Sapir und jenen der prager linguistik sicherlich sehr interessant wäre (teilweise hat dieses Thema Eramian 1988 be­ handelt). Außer diesem allgemeinen – sozusagen methodologischen oder operativen – Prinzip betrachtete Trnka noch theoretische Prinzipien, von denen eine kompara­ tive Beschreibung von Sprachen in den Bereichen der Syntax und Morphologie DIE ANDEREN THESEN DES PRAGER LINGUISTENKREISES 297 auszugehen habe: Dies sind insbesondere die Unterscheidung zwischen mehreren Ebenen der Sprache, in diesem konkreten Fall zwischen der Satzebene und der Ebene des Wortes, wobei die letztere eine Realisierung der ersteren darstellt, und die Unterscheidung zwischen den syntagmatischen und den paradigmatischen Beziehungen, die zwei organisierende Achsen jeder sprachlichen Ebene darstel­ len. Seinen Vortrag schloss Trnka mit einer Bemerkung dazu, wie die Beschrei­ bung der Ebene des Wortes aussehen solle. Wir sehen also, dass Trnka in seinem Vortrag auf dem Pariser Kongress sein Stratiikationsmodell der Sprache und Sprachbeschreibung in nuce vorlegte. Das Modell hat er dann später in zahlreichen Texten seit der zweiten Hälfte der fünf­ ziger Jahre weiter herausgearbeitet (vgl. Trnka 1982, 86ff., 303ff.). 3.4. Frage IV: Sprachkontakt Die vierte der Hauptfragen war eigentlich eine kontaktologische und lautete wie folgt: „Dans quelles conditions et dans quelles limites peut s’exercer sur le systè­ me morphologique d’une langue l’action du système morphologique d’une autre langue ? Et de quelles conséquences sont ces actions pour l’accession des langues moins évoluées au rôle de langues de culture ?“ Der Rapporteur war hans Vogt aus oslo (vgl. lejeune 1949, 31–40). Die auf Französisch geschriebene Antwort des PLK auf diese Frage war bemerkenswert­ weise die längste unter den Prager Antworten auf die vier Hauptfragen (vgl. Le­ jeune 1949, 305–306). man liest darin zwei allgemeine Grundsätze: Die struktu­ relle Afinität von Sprachen erleichtert ihren kontakt, und der kontakt von Spra­ chen ist in einigen Bereichen des Sprachsystems – z.B. in der Lexik – leichter als in anderen – z.B. in der Morphologie. Dies waren mehr oder weniger bekannte und akzeptierte Tatsachen. Etwas innovativer war vielleicht die Forderung, zwi­ schen dem unilateralen Einluss einer bestimmten Sprache auf eine andere und dem bilateralen Einluss von zwei oder mehreren Sprachen aufeinander zu un­ terscheiden; der zweite Fall stellt folglich eine Form der Sprachkonvergenz dar, und es ist nicht unbedingt notwendig, hier einen Substrateinluss zu suchen, der diese Kontaktsituation eigentlich auf die Kontaktsituation der ersten Art – den unilateralen Einluss – überführen würde. Historiographisch bemerkenswert ist, dass in der Antwort des PLK nicht expli­ zit das – bereits vor dem krieg aufgeworfene (vgl. Vykypělová 2009, 133) – prin­ zip der prager Schule erwähnt wird, nach dem nur solche Einlüsse von fremden Sprachen möglich sind, die nicht im Widerspruch zur Situation des beeinlussten Systems stehen. man kann es zwar als in den allgemeinen Grundsatz der Afinität der kontaktierenden Sprachstrukturen einbezogen betrachten, trotzdem lässt sich diese Tatsache wohl auch in der Weise deuten, dass dies noch keine fest ausge­ prägte Ansicht der Prager Schule war und dass es erst später schärfere Konturen angenommen hat – vor allem in Texten von Vachek (1962, 1965, 1976, 40–41), aber auch von Havránek (1966). 298 Bohumil Vykypěl Der zweite Teil der Antwort befasst sich dann mit dem im zweiten Teil der Kongressfrage thematisierten Problem der Rolle einer fremden Kultursprache im Prozess, in dem eine neue Kultursprache entsteht. Die in der Antwort des PLK präsentierte Vorstellung ist völlig im funktional­strukturalen Geiste der Prager Linguistik formuliert. Einerseits wird eine gewisse „funktional­strukturelle“ Au­ tonomie des Prozesses der Bildung einer Standardsprache (Kultursprache) be­ tont, der in der Vermehrung von Funktionen der Sprache besteht, die folglich die Struktur der zur Standardsprache werdenden Sprache verändern. Hierin werden die prinzipiellen Texte von Havránek zu diesem Thema aus der Vorkriegszeit relektiert (vgl. v. a. havránek 1929, 1931), deren Grundsätze havránek auch in den Thesen von 1929 zusammengefasst hat (Thèses 1929/1964, 43–45; vgl. Rudy 1990, 11 zu Havráneks Autorschaft dieser Passage der Thesen). Andererseits wird naturgemäß auch der Einluss einer fremden kultursprache in die Faktoren dieser Entwicklung und die Quellen der mittel für die neuen Funktionen sowie allge­ meiner der Modelle oder Vorbilder für die Strukturierung und das Funktionieren einer Standardsprache einbezogen. Hier lässt sich also eine implizite Anwendung des erwähnten prinzips erblicken, nach dem die Situation des beeinlussten Sy­ stems einen Entscheidungsfaktor für die Realisierung eines externen Einlusses darstellt. Was noch die Frage der Beziehung zwischen einer sprachlichen und einer kul­ turellen Entwicklung angeht, so ist kennzeichnend, dass auch hier – ähnlich wie wir das oben (3.1.) in der Antwort auf die erste Frage gesehen haben – der dialek­ tische und komplexe Charakter dieser Beziehung betont wird. 3.5. Nebenfragen: Terminologie, Sprachatlas, Statistik, Interlinguistik Außer diesen den Kongressteilnehmern vorgelegten Hauptfragen wurden noch – wie erwähnt – vier Nebenfragen formuliert. Betrachten wir nun also auch die Reaktionen des PLK auf diese Fragen. Die erste der Nebenfragen thematisierte das Problem der linguistischen Ter­ minologie. In seinem kurzen Beitrag erwähnte der PLK nur zwei Punkte (vgl. lejeune 1949, 350): die Berücksichtigung der im Zirkular des kongresses nicht explizit erwähnten Phonologie bei der Arbeit der terminologischen Kommission des Kongresses und die Notwendigkeit, auf die Verschiedenheit von theoretischen linguistischen Konzeptionen, aus der naturgemäß auch eine terminologische Ver­ schiedenheit resultiert, gebührend Rücksicht zu nehmen. Die zweite Frage betraf die vorzubereitende Enquete zum Sprachatlas der Welt. Zu dieser Frage wurde in den Akten keine kollektive Antwort des PLK abgedruckt, was allerdings bei allen Beiträgen zu dieser Frage der Fall war (vgl. lejeune 1949, 377). Nur im allgemeinen Bericht von Willem pée indet sich eine Zusammenfassung der Ansicht des PLK über dieses Thema, aus der hervorgeht, dass der PLK den bestehenden Fragebogen methodologisch nicht für genügend hält (vgl. lejeune 1949, 78–79, 533, 534). Dies lässt sich vielleicht auch als Aus­ druck einer Unzufriedenheit mit der zeitgenössischen Situation der Dialektologie DIE ANDEREN THESEN DES PRAGER LINGUISTENKREISES 299 und Areallinguistik interpretieren, die zu wenig strukturell konzipiert waren oder, allgemeiner gesagt, sich zu wenig mit theoretischen Erwägungen befassten (dies hat dann horálek in der Diskussion näher ausgeführt; vgl. unten 3.6.). man kann noch anmerken, dass in dieselbe Zeit der Versuch einer Skizze des Programms für eine strukturalistische Dialektologie von Eugen Pauliny, einem slovakischen Repräsentanten der Prager Schule, fällt (vgl. Pauliny 1946–47). Auch die Antwort des plk auf die dritte Nebenfrage, jene zur linguistischen Statistik, steht nicht in den Kongressakten, wobei in diesem Falle nicht klar ist, ob sie wegen ihrer länge nicht abgedruckt wurde (wie einige andere Beiträge; vgl. lejeune 1949, 87) oder aber der plk gar keine Antwort verfasste. Schließlich betraf die letzte Frage das interlinguistische Problem der Bildung einer internationalen Hilfssprache. Auch die Antwort des PLK auf diese – an­ scheinend etwas kuriose – Frage und dieses Problem verrät die „realistische“, funktional­strukturale Grundorientierung der Prager Schule. Der PLK betont, dass es bei den interlinguistischen Bemühungen nicht um das Konstruieren einer künstlichen Sprache gehen solle, sondern um die Annäherung von natürlichen Sprachen, wobei eigentlich gilt, auch hier die allgemeinen Prinzipien des Sprach­ kontakts zu berücksichtigen, d. h. auf die Tatsache Rücksicht zu nehmen, dass ei­ nerseits der Sprachkontakt eine bestimmte Form im Falle von näher verwandten Sprachen und eine andere im Falle von unterschiedlichen Sprachen hat, und dass andererseits der Sprachkontakt abhängig von den unterschiedlichen Bereichen des Sprachsystems unterschiedliche Auswirkungen und Intensität hat. Aus den beiden Prinzipien, die wir im Übrigen auch in der Antwort des PLK auf die kon­ taktologische hauptfrage des kongresses inden (vgl. oben 3.4.), ergibt sich folg­ lich einerseits, dass die interlinguistischen Bemühungen je nach dem, um welche Sprachen es sich handelt, unterschiedlich aussehen sollen, und andererseits, dass die Bemühungen um eine Annäherung von Sprachen in der Lexik und vor allem im Bereich der technischen Terminologie am realistischsten sind. 3.6. Diskussion Zu allen Fragen wurde natürlich heftig diskutiert, und die schriftlichen Formen der Diskussionsbeiträge wurden in den Kongressakten publiziert. Für uns ist es interessant, sich die Beiträge der Prager Linguisten bzw. auch die Reaktionen auf die Prager Ansichten anzuschauen. In der Diskussion zur ersten der Hauptfragen, bei welcher der Rapporteur Lou­ is hjelmslev war, trat havránek auf (vgl. lejeune 1949, 441); er hob hervor, dass der Strukturalismus der prager Schule anders sei als jener von hjelmslev, da die Prager Linguisten es für unentbehrlich hielten, die Tatsache zu berücksichtigen, dass die Hauptfunktion der Sprachstruktur ist, die außersprachliche Wirklichkeit auszudrücken. Diese kurze Abgrenzung havráneks gegenüber hjelmslev kor­ respondiert mit der zeitgenössischen Relexion des Verhältnisses zwischen der prager funktionalen Form des Strukturalismus und dem hjelmslevschen Struktu­ ralismus, die Skalička in seinem Vortrag im plk am 20. 10. 1947 vorgelegt hat 300 Bohumil Vykypěl (vgl. Skalička 1947–48). umgekehrt erwähnte hjelmslev in seinem Bericht zwei wichtige Punkte, in denen er sich von den Pragen Linguisten unterscheidet, und zwar die Bedeutung der Semantik für die Deinition von morphologischen kate­ gorien, die er – im unterschied zu den prager linguisten – leugnete (vgl. lejeune 1949, 421), und die unterscheidung zwischen klassiikation und Typologie von Sprachen, die er ebenfalls in Zweifel stellte (vgl. oben 3.1.). Noch interessanter ist die Diskussion zur zweiten Frage, bei welcher der Be­ richterstatter Jakobson war. hier trat Vachek auf (vgl. lejeune 1949, 463–464), und in seinem langen Beitrag erscheint bereits eines der künftigen Argumente gegen die spätere Entwicklung der phonologischen Theorie von Jakobson, und zwar die Überzeugung, dass Phoneme – nicht distinktive Merkmale – die Grund­ einheiten der phonologischen Beschreibung bleiben müssen, auch wenn sie als Bündel von lautlichen unterscheidungsmerkmalen deiniert werden können (vgl. Vachek 1964a, 290, 1964b, 10, 1968, 24). Außerdem sind noch zwei Punkte hervorzuheben. Zum ersten sagt Vachek, dass die Beziehung zwischen einem bestimmten phonologischen System und ei­ nem bestimmten morphologischen System eher negativ zu formulieren sei, so dass die Frage nicht lautet, welche Systeme voneinander impliziert werden, son­ dern vielmehr, welche Systeme miteinander inkompatibel sind. Dies erinnert an den oben (3.4.) erwähnten und später von Vachek ausgeführten Grundsatz hin­ sichtlich des Wirkens externer Faktoren auf die koniguration und Veränderung eines Sprachsystems: Nur ein solcher externer Einluss kann akzeptiert werden, der nicht mit der Situation des beeinlussten Systems inkompatibel ist. Zum zweiten betont Vachek, dass die Interdependenz zwischen Phonologie und morphologie sowie zwischen ihren Veränderungen je nach dem allgemeinen Charakter der betreffenden Sprache verschieden ist. Dieser Ansatz zu einer „ty­ pologischen“ Relativierung der ikonizistischen Beziehung zwischen sprachlicher Form und Bedeutung passt ebenfalls gut in den funktionalen und strukturalen Charakter der prager Schule (vgl. hierzu Vykypěl 2009, 73). Weniger interessant war die Diskussion zur dritten Hauptfrage, deren Rappor­ teur Trnka war. In seinem kurzen Diskussionsbeitrag wiederholte Havránek im Grunde das, was in der kollektiven Antwort des PLK gesagt wurde, dass nämlich die unterscheidung zwischen morphologie und Syntax bzw. Wort und Satz je nach den verschiedenen Typen von Sprachen verschieden sei (vgl. lejeune 1949, 491). Aus den Reaktionen auf Trnkas Beitrag ist vielleicht nur jene von knud Togeby erwähnenswert, der damals noch ein Anhänger von hjelmslevs Sprach‑ theorie war: Er stellt Trnkas Auffassung des Unterschieds zwischen Morphologie und Syntax in Zweifel und skizziert seine eigene – im glossematischen Geiste formulierte – Vorstellung (vgl. lejeune 1949, 478–480). Dies war somit ein wei­ terer Beitrag zur zeitgenössischen – im Übrigen nicht sehr intensiven – Debat­ te zwischen den Prager und den Kopenhagener Strukturalisten. Vachek, der den Bericht anstelle von Trnka verlas, fasste dann die ganze Diskussion zur dritten Frage kurz zusammen (vgl. lejeuene 1949, 495–496). in seinem Resümee ist vielleicht eine unauffällige, aber für die Prager Auffassung typische Anmerkung DIE ANDEREN THESEN DES PRAGER LINGUISTENKREISES 301 hervorzuheben: Obwohl einige Forscher die (sprach)wissenschaftliche Praxis für ungenügend oder unzutreffend halten, ist diese dennoch „hardly based on what is not intrinsically present in the semiotic plan of the language“. Zur vierten, der kontaktologischen Frage sowie zur terminologischen Frage der Nebenfragen diskutierte keiner der Prager Linguisten. Zur Frage nach einer Enquete zum Sprachatlas trat horálek mit einem Diskussionsbeitrag auf (vgl. le­ jeune 1949, 548–549). Er fügte zwei ergänzende informationen zum allgemeinen Bericht von pée bei, und zwar zur dialektologischen Forschung in der Tschecho­ slowakei und in der UdSSR. Was die erste Information angeht, so ist erwähnens­ wert, dass er auf eine Arbeit des oben (3.5.) erwähnten Eugen Pauliny aufmerk­ sam machte, in welcher der Autor strikt die Prager strukturalistischen Prinzipien in der Dialektologie anzuwenden versuchte – gemeint war Pauliny (1947). Dieses Werk Paulinys war – aus verschiedenen Gründen – tatsächlich erwähnenswert, obwohl es damals wie auch später von der Fachwelt eher unbemerkt geblieben ist (vgl. Vykypělová 2009). Darüber hinaus fasste horálek in einem Satz zusammen, wie ein auf der Prager Linguistik basierender Sprachatlas bzw. ein Fragebogen zu diesem Atlas aussehen sollten: Sie sollten erfassen, wie die Wichtigkeit der für jede Sprachstruktur speziischen Züge in den einzelnen Sprachen variiert. Noch interessanter und wichtiger war der Auftritt von Horálek in der Diskus­ sion zur Frage der Statistik in der linguistik (vgl. lejeune 1949, 566–567), der auch deshalb von Bedeutung ist, weil die kollektive Antwort des PLK – wie oben (3.5.) erwähnt – in den Kongressakten nicht enthalten ist. Zunächst erwähnte Horálek, dass Mitglieder der Prager Schule – im Unterschied zu den meisten anderen Linguisten – bemüht sind, die Statistik in den linguistischen – vor allem den phonologischen – Forschungen konsequent geltend zu machen, und er ver­ wies auf Arbeiten von Mathesius, Trnka und Vachek sowie auf die versologischen Arbeiten von Jakobson (er nannte keine konkreten Texte, aber man kann z.B. auf Mathesius 1931, Trnka 1935, Vachek 1940 oder die Texte in Jakobson 1979 verweisen). Außerdem betonte Horálek die Relevanz der durch die linguistische Statistik erforschten Fragen der Frequenz von sprachlichen Elementen und Er­ scheinungen für die Beschreibung und Erklärung der Form sowie des Wandels der Sprachstruktur selbst. Auch an diesem Beispiel kann man erkennen, dass die meinung haspelmaths (2005, iX), die Strukturalisten würden sich nicht für die Rolle der Frequenz in der Sprache interessieren, unrichtig ist. Schließlich ist es auch kennzeichnend, dass keiner der Prager Linguisten es für not­ wenig erachtete, zur Frage nach der internationalen Hilfssprache zu diskutieren. 3.7. Autorschaft der Prager Antworten Es wäre nun unterhaltsam, über die Autorschaft der einzelnen Prager Antwor­ ten zu spekulieren. Die englische Antwort auf die zweite Hauptfrage scheint – eben durch die Wahl der Sprache – von Trnka oder Vachek verfasst worden zu sein, und auch der Inhalt würde im Grunde dafür sprechen. Der Autor der franzö­ sischen Antwort auf die vierte Hauptfrage kann Havránek gewesen sein – wieder 302 Bohumil Vykypěl sowohl wegen der Wahl der Sprache als auch wegen der Nähe der in der Antwort behandelten Themen zu jenen von havránek. Am interessantesten wäre die Spekulation jedoch im Falle der französischen Antworten des PLK auf die erste und die dritte der Hauptfragen. In diesen ist nämlich die Argumentation mit der Prager Typologie und allgemeiner mit der Prager typologischen Auffassung der Sprachverschiedenheit so stark vertreten, dass man es fast für sicher halten würde, dass sie Skalička – eventuell unter mit­ arbeit von havránek – verfasste; auch die Wahl der Sprache würde nicht dagegen sprechen. Umso bemerkenswerter ist dann die oben (Abs. 2) erwähnte Tatsache, dass Skalička ursprünglich am kongress teilnehmen sollte: Wie es scheint, wurde mit seiner Teilnahme am Kongress so stark gerechnet, dass er sich allem An­ schein nach auch am Abfassen der kollektiven Antworten wesentlich beteiligte. 4. Berichte über den kongress Wie bereits oben (Abs. 2) erwähnt, veröffentlichten zwei der Prager Teilnehmer – Josef Vachek und Karel Horálek – sogar Berichte über den Kongress. Vacheks Bericht erschien in der ersten Nummer des 32. Jahrgangs der Zeitschrift Časopis pro moderní ilologii im November 1948 (Vachek 1948–49), und sein Autor re­ ferierte völlig sachlich über den Verlauf des Kongresses und über die auf dem Kongress behandelten Themen. Dagegen trug der Bericht von Horálek bereits unverkennbare Zeichen der Zeit, obwohl er verhältnismäßig kurz nach jenem von Vachek publiziert wurde – im zweiten Heft des 11. Jahrgangs der Zeitschrift des PLK Slovo a slovesnost, das laut der Information auf dem Umschlag „am 12. Januar 1949 erschien“ (Horálek 1948–49). Die Mehrheit des Referats von Horálek war zwar auch sachlich, und der Strukturalismus wurde noch positiv be­ trachtet, dennoch waren die tschechischen Teilnehmer schon bemüht, gegen „die formalisierenden und idealisierenden Tendenzen im Strukturalismus“ aufzutre­ ten, und sie verwiesen auch als die einzigen „auf die Ergebnisse der sowjetischen Linguistik“, ganz abgesehen davon, dass Marcel Cohen nicht nur wie bei Vachek als bekannter französischer Forscher, sondern als fortschrittlicher Orientalist be­ zeichnet wird. Darüber hinaus betonte Havránek laut Horálek in der Diskussion zu der ersten der vom Kongress gestellten Fragen „die ideologische Bedingtheit jeder Sprachstruktur“, obwohl davon in den kongressakten nichts zu inden ist. Bemerkenswert ist zudem, dass in beiden Berichten kein einziges Wort dar­ über fällt, dass Jakobson vormals in der Tschechoslowakei tätig war und an den Aktivitäten des PLK und der Prager Schule teilnahm. Ob dies nur ein Zufall ist oder aber eine Bestätigung für Jakobsons Beschwerde in seinen zeitgenössischen Briefen an Havránek vom Mai und Oktober 1948 darüber, dass er nun in Prag nicht erwähnt werden würde (vgl. Havránková–Toman 2001, 85, 88), mag der geneigte Leser selbst entscheiden. DIE ANDEREN THESEN DES PRAGER LINGUISTENKREISES 303 5. kurze Zusammenfassung Um ganz kurz zusammenzufassen, lässt sich scheinbar etwas banal sagen, dass die Antworten des PLK auf die vom Pariser Kongress gestellten Fragen einerseits eine implizite Zusammenfassung der bisherigen Arbeit der Prager Schule in den betreffenden Bereichen darstellten, andererseits jedoch auch so manche Aussicht auf die künftige Arbeit und Ansätze von in späteren Texten näher ausgeführten konzepten enthielten. Wichtig ist jedoch, dass der kongress somit den prager Linguisten aus gewisser Sicht eine potentiell wertvolle Anregung zum Nachden­ ken über ihre Sprachtheorie bot; er hätte daher eine Art „Zwischenbilanz“ und Anfang einer weiteren intensiven kontinuierlichen Arbeit sein können. Zu dieser Zeit war nämlich das freie Denken noch möglich. Kurz danach trat stattdessen jedoch eine Diskontinuität ein, und es war nur möglich, mehr – in der ersten hälf­ te der fünfziger Jahre – oder weniger – in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre – ideologisch kontaminierte Texte zu schreiben. Dies mündete schließlich – trotz der relativ freien sechziger Jahre – in eine allgemeine intellektuelle Destruktion, die im Verlust jeder originalität, in der Aufhebung bedeutenderer Verbindungen zur Weltlinguistik, im Durchschnittlichwerden und der Provinzialisierung der tschechischen Linguistik resultierte. Davon hat sich diese bis heute nicht erholt. 6. nachtrag: Weitere nachkriegskongresse Als Nachtrag ist kurz zu erwähnen, wie es um die Teilnahme der Prager Lingu­ isten an den weiteren Kongressen bestellt war. Am nächsten Kongress, der im Jahre 1952 in London stattfand, nahmen über­ haupt keine Linguisten aus den sog. volksdemokratischen Staaten teil (vgl. Nor­ man–Ganz 1956). Interessanterweise war auch Jakobson nicht dabei, obwohl sonst eine große Delegation aus den Vereinigten Staaten kam (vgl. Norman–Ganz 1956, XViii–XiX). Es stellt sich die Frage, ob seine Absenz mit den Schwierig­ keiten zu verbinden ist, in die Jakobson in der Zeit des sog. McCarthyismus geriet (vgl. Rudy 1999). Im Jahre 1957 in Oslo war die internationale politische Lage schon einigerma­ ßen besser, so dass auch Repräsentanten aus dem Ostblock, sogar einschließlich der Sowjetunion, teilnehmen konnten. Aus der Tschechoslowakei kamen Václav Machek und Bohuslav Havránek als Repräsentanten der Tschechoslowakischen Akademie der Wissenschaften, einer vom kommunistischen Regime für eine bessere Kontrolle der Wissenschaft errichteten Organisation, Karel Horálek und diesmal auch ein Vertreter der slovakischen Linguistik, Eugen Pauliny. Auch Jo­ sef Vachek sollte ursprünglich teilnehmen und sogar einen Vortrag halten, konnte aber schließlich nicht nach Oslo kommen, und sein Vortrag wurde vom englischen linguisten Randolph Quirk gelesen (vgl. Vachek 1958a; die vollständige Versi­ on wurde als Vachek 1958b veröffentlicht). Havránek und Horálek hatten einige Diskussionsbeiträge. Havránek diskutierte auf Französisch zur Frage nach den 304 Bohumil Vykypěl Grundsätzen von Deinitionen in einsprachigen Wörterbüchern und auf Deutsch zum Problem der wechselseitigen Beziehung zwischen den Sprachplänen (vgl. Sivertsen 1958, 107–108, 380–382). Horálek trat mit einem kurzen französischen Beitrag in der Diskussion über die indogermanischen Laryngale und einem län­ geren deutschen Beitrag über den Distributionalismus auf (vgl. Sivertsen 1958, 58–59, 199–200). Sowohl Havránek als auch Horálek bekannten sich ausdrück­ lich zur Prager Linguistik und deklarierten sich als Mitglieder der Prager Schule. In diesem Kontext ist folglich der dritte (französische) Diskussionsbeitrag von horálek wohl am interessantesten, nämlich jener zu Jakobsons plenarvortrag über die Sprachtypologie (Jakobson 1958b). Jakobsons Osloer Vortrag steht bekannt­ lich am Anfang der Gleichsetzung der Typologie mit der Suche nach sprachlichen Universalien, womit Jakobson von der Prager Auffassung der Sprachtypologie grundsätzlich abgewichen ist. In seinem Beitrag machte Horálek eben auf diesen Unterschied zwischen Jakobson und der Prager Schule aufmerksam (vgl. Sivert­ sen 1958, 30–31). Man kann sagen, dass der Osloer Kongress in einem gewissen Sinne noch zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gehörte, in der die europäische – vor allem die strukturalistische – Sprachwissenschaft die dominante und innovative Kraft war. Der nächste Linguistenkongress, der in Cambridge in Massachusetts im Jahre 1962 stattfand und mit der Inthronisierung von Noam Chomsky verbunden war (koerner 2002, 170, Anm. 14), iel bereits in eine neue Epoche, welche durch die Dominanz der amerikanischen – sei es der generativistischen oder der „funktio­ nalistischen“ – Linguistik gekennzeichnet war (und ist). Dies spiegelt sich gewis­ sermaßen auch in der Prager Vertretung wider. Außer dem alten Kongressplänkler Horálek, der einen Vortrag hielt, in dem er den rigiden Binarismus von Jakobson kritisierte (Horálek 1964), nahm František Daneš teil, ein hervorragender Reprä­ sentant der neuen, „postklassischen“ Prager Schule, die auch die Anregungen aus Amerika funktional­strukturalistisch zu assimilieren versuchte. Dies betrifft auch die beiden Diskussionsbeiträge von Daneš (vgl. Lunt 1964, 420, 845–846). In ei­ nem stellte er kritische Bemerkungen zu Greenbergs Wortfolgetypologie (später in der Festschrift für Jakobson näher ausgeführt; Daneš 1967) auf. im anderen äußerte sich Daneš zum Vortrag von Dwight Bolinger über die Intonation als universale; er machte einerseits auf die Schwierigkeit aufmerksam, den Begriff des universale näher zu deinieren und thematisierte andererseits das problem der Basis für einen Vergleich von sprachlichen Einheiten. Man kann sehen, dass sich in den sechziger Jahren die tschechische Sprach­ wissenschaft aus den Destruktionen der fünfzigen Jahre noch einigermaßen zu erholen wusste. Den weiteren Schlag nach der Okkupation vom 1968 hat sie – wie oben erwähnt – nicht mehr überstanden. DIE ANDEREN THESEN DES PRAGER LINGUISTENKREISES 305 Beilage: Text der Antworten des Prager Linguistenkreises Question I: Existe‑t‑il des catégories qui soient communes à l’universalité des langues humaines ? Dans quelle mesure peut‑on asseoir sur l’étude des catégo‑ ries une classiication structurelle des langues ? Quelles corrections doit appor‑ ter en cette matière une étude diachronique aux conclusions de l’étude synchro‑ nique ? le système morphologique – de même que d’autres systèmes partiels – a pour fonction de permettre à la langue d’exprimer la réalité extra‑linguistique. les formations morphologiques des différentes langues ne comportent aucun modèle dans la réalité (le nominatif n’existe pas en dehors de la langue) ; cependant, puis­ que la réalité est, en gros, la même pour les différentes langues, ces formations morphologiques ressemblent les unes aux autres. pour nous en tenir au domaine restreint des déclinaisons, toutes les langues distinguent, par exemple, de quelque façon plus ou moins nettement, ce que le latin exprime par nominatif, génitif, datif, accusatif. les ressemblances et les différences entre les langues sont du caractère le plus divers. les rapports entre ressemblances et différences sont des plus compliqués, et c’est pourquoi il faut abandonner l’espoir de dresser une classiication des lan­ gues, de même qu’il n’est pas possible d’établir une classiication des hommes du point de vue anthropologique. on peut entreprendre une typologie, ce qui est tout différent. Cette dernière tiendra compte de la structure totale de la langue : évi­ tant de s’appuyer sur des ressemblances ou de différences isolées, elle examinera toutes les qualités en considérant la hiérarchie de celles‑ci. Toute langue est l’aboutissement d’une évolution séculaire. Chaque stade de cette évolution est, certes, une structure autonome, mais les stades antérieurs y vi­ vent d’une certaine manière ; il ne s’agit d’ailleurs pas seulement de survivances apparaissant occasionnellement comme vestiges de stades plus anciens. La chose est sans aucun doute plus compliquée. par exemple, certaines langues européen­ nes expriment un degré de culture relativement élevé à l’époque classique, alors que d’autres à la même époque étaient des langues rustiques. En considérant le stade actuel de ces langues, on voit leur passé différent. il s’agit de faits que, jusqu’à présent, nous ne pouvons suivre qu’avec une grande dificulté. Question II: Dans quelles limites et dans quelles conditions l’étude synchroni‑ que et l’étude diachronique font‑elles apparaître une solidarité et une interdépen‑ dance entre la structure phonique et la structure grammaticale d’une langue ? Naturally there exist relations between the morphological and the phonic planes but on the condition only that the phonic plane is taken in functional terms. Thus one can discuss only on the relations of morphology and phonemics, i. e. phonetics seen from the functional point of view. In some languages one and the same morpheme shows always one and the same phonemic structure, in others some phonemes alternate within the morphemes. The alternations sometimes ex­ press a grammatical opposition by themselves (E. sing | sang | sung, Fr. travail 306 Bohumil Vykypěl | travaux), sometimes they constitute a concomitant difference which is added to other morphemic oppositions able to express the grammatical opposition by themselves (sleep | slep­t as opposed to laugh | laugh­ed). The phonemic structure of morphemes, the alternations of phonemes within the morphemes, as well as the formal and functional aspect of these alternations in language systems are dealt with by morphology [sic!] (see N. S. Trubetzkoy, Travaux du C. L. de Prague, I, IV et V, 2). It is an urgent task for students of language to arrive at a typology of languages from the morphonemic point of view. What has been said so far does not exhaust the relations existing between morphology and grammar (the later contains also syntax, not morphology only). Similarly, there is no doubt that phonological changes seen from the functional point of view reveal important connections with the morphological and syntacti­ cal structure of the language (see the reduction of unstressed inal syllables in old English and old French and the change of the so‑called synthetic inlection into the so‑called analytic which is connected with it; in the plane of syntax, the change of a relatively free into a relatively ixed word‑order is equally connected with that reduction). The degree of interdependence existing between the phe­ nomena may be various in different languages; the ascertainment of that degree should be regarded as an important task of linguistic typologists. Where interde­ pendence exists between the morphological and syntactical changes on one hand and phonological facts on the other, it is also essential to ind out which of the changes are primary and which secondary. Question III: Peut‑on poser une déinition universellement valable des domai‑ nes respectifs de la morphologie et de la syntaxe ? le rapport entre la morphologie et la syntaxe est fort différent dans les dif­ férentes langues. une opposition de la morphologie et de la syntaxe n’est pas, semble‑t‑il, nécessaire dans les langues. le problème qui se pose est évidemment de savoir quelle place il convient d’assigner dans l’ensemble de la grammaire à la dérivation et à la onomatologie. Si nous considérons ces deux branches comme faisant partie de la morphologie, alors une morphologie au sens large du mot existerait dans toutes les langues. Dans les langues indo‑européennes, surtout dans les plus anciennes, en latin, en grec, en vieil indien et dans les langues qui n’ont pas changé d’une façon par­ ticulièrement notable, comme, par exemple, les langues slaves, l’opposition entre la morphologie et la syntaxe est très nettement marquée. Chaque substantif, ad­ jectif ou pronom doit être pourvu d’une désinence casuelle. la déclinaison forme un système fermé, dans lequel la désinence termine le mot, est toujours jointe au mot, mais jamais n’est suivie d’un autre sufixe : c’est une vraie terminaison. les sens des différents cas ne coïncident pas avec les unités syntaxiques. par exemple, le nominatif est non seulement le cas du sujet, mais aussi celui du mot qui s’ac­ corde avec le sujet, c’est‑à‑dire de l’épithète ou de l’attribut. les différents mots se déclinent de façons très différentes. les désinences lexionnelles sont quelque chose de tout à fait particulier et sont capables de former une classe à part. le DIE ANDEREN THESEN DES PRAGER LINGUISTENKREISES 307 verbe a, lui aussi, un système fermé de conjugaison. la conjugaison, à son tour, est divisée en nombreuses classes. Et c’est ainsi, par exemple, que le système morphologique du grec est la clé nécessaire à l’intelligence de la langue. Nous pouvons donc dire que, dans les langues indo‑européennes du type cité, la morphologie se différencie très nettement de la syntaxe. (la formation des cas et des formes verbales s’y distingue aussi, bien entendu, très nettement de la dérivation.) Dans les langues telles que le turc ou le basque, l’opposition entre la morpho­ logie et la syntaxe est moins nette. Dans ces langues, substantifs et adjectifs ont une déclinaison, les verbes une conjugaison. le nominatif a le caractère d’un cas zéro, c’est‑à‑dire sans désinence. Si le mot est accompagné d’une épithète, ils n’ont tous les deux qu’une terminaison. il n’est donc pas nécessaire que n’im­ porte quel substantif ou adjectif ait une désinence, comme c’est le cas dans les langues indo‑européennes mentionnées. par conséquent, la déclinaison ne forme pas un système fermé. mais, d’autre part, un mot peut avoir toute une série de désinences (cf. basque etche‑radino‑ko‑an « en allant jusqu’à la maison », avec une désinence de l’approximatif, du génitif local et de l’inessif). Ainsi, en turc et en basque, il existe une opposition entre la morphologie et la syntaxe, même si elle n’est pas marquée aussi clairement. la situation est tout autre dans les langues telles que le chinois. ici, ni déclinai­ son ni conjugaison. la fonction syntaxique est indiquée soit par l’ordre des mots, soit par un sémantème (chinois kei « donner » sert aussi à exprimer le datif). il n’y a pas ici de différence entre le nominatif et le sujet, entre l’accusatif et l’ob­ jet. C’est pourquoi il est dificile de trouver une limite entre la morphologie et la syntaxe. il est vrai qu’il existe ici un système lexical avec une riche dérivation qui, selon quelques savants, doit être considérée comme appartenant à la morpho­ logie. Si cette manière de voir est juste, alors ces langues comportent, elles aussi, une opposition entre morphologie et syntaxe. Question IV: Dans quelles conditions et dans quelles limites peut s’exercer sur le système morphologique d’une langue l’action du système morphologique d’une autre langue ? Et de quelles conséquences sont ces actions pour l’acces‑ sion des langues moins évoluées au rôle de langues de culture ? Lors de l’action d’une langue sur une autre langue, dans le plan morphologi­ que, il s’agit, en principe, de phénomènes semblables à ceux que l’on rencontre dans le cas du rapprochement des structures linguistiques en général. il faut dis­ tinguer ici l’assimilation d’une langue à une autre, phénomène à la suite duquel une seule langue subit des changements, et le rapprochement, où les transforma­ tions sont bilatérales, réciproques. un facteur important dans les deux cas est l’af­ inité structurelle des langues en voie de rapprochement. D’autant plus similaires sont les structures, et d’autant plus aisément s’opère en général le processus de rapprochement. là où les changements se produisent dans une seule langue, il y a lieu de rechercher non seulement ce qu’une langue donnée a emprunté à une autre langue, mais aussi pourquoi cette langue a emprunté un fait donné, et de 308 Bohumil Vykypěl quelle façon ce fait a été assimilé par sa propre structure. Quand, par suite d’une interférence linguistique, se transforment deux (ou plusieurs) langues intéressées, le rapprochement se traduit aussi par l’apparition de phénomènes nouveaux com­ muns à ces langues. Ce processus évolutif peut être caractérisé comme évolution convergente, dans le sens plus étroit du mot (le terme d’évolution convergente pris dans un sens plus étendu désigne un rapprochement quelconque des structu­ res linguistiques). les innovations communes se produisant dans le cours d’une évolution des langues interférentes sont parfois considérées à tort comme dépen­ dant d’un prétendu substrat (dans le cas des langues balkaniques, par exemple). on peut dire, en somme, que, sur le plan morphologique, l’action d’une langue sur une autre langue, ou tout rapprochement de langues, en général, ne se mani­ feste pas d’une façon aussi pénétrante que dans le lexique ou la phraséologie. Au cas où l’on comprendrait la dérivation comme faisant partie de la morphologie, les emprunts les plus fréquents concernent la formation des mots ; comparer, entre autres, de nombreux calques latins et européens sur des modèles gracs : gr. συνείδησις, lat. cōnscientia, fr. conscience, tch. svědomí, russ sovest’ (v. sl. d’égl. sъvěstь) ; gr. παντοδύναμος, lat. omnipotēns, f. omnipotent, tch. všemohoucí, rus­ se vsemoguščij ; gr. αÙτοκράτωρ, russe samoderžec, tch. samovládce, all. Selbst‑ herrscher ; gr. μεταμορφοàν, lat. transigūrāre, fr. transigurer ; gr. ποιότης, ποσότης, lat. quālitās, quantitās, medietās, etc. Tout progrès d’une culture nationale est accompagné d’une changement de la langue nationale en question. Car, du fait de cette évolution, les fonctions de la langue s’augmentent et l’on ne peut, en étudiant de tels cas, ne pas tenir compte de l’inluence de ces fonctions augmentées sur la structure de la langue, et, par là aussi, sur son attitude vis‑à‑vis de la réalité. l’on ne saurait expliquer de tels cas mécaniquement, par un simple rapport de cause unilatéral ; il s’agit ici de rapports complexes réciproques et, par conséquent, dialectiques. Ceci vaut, à plus forte raison, pour l’action d’une langue de culture sur une langue moins évoluée. Quand une langue moins évoluée assume le rôle de langue de culture, elle subit l’inluence d’une langue de culture qui lui sert de modèle. Dans les deux cas plus haut considérés, les changements apparaissent princi­ palement sur le plan lexical, mais aussi sur le plan syntaxique. Ces changements peuvent même se produire sur le plan morphologique, mais plus rarement que sur les plans mentionnés. En l’état présent des études linguistiques, il serait dificile de faire la théorie de ces connexités en s’appuyant sur des données systémati­ ques ; tout au plus pourrait‑on citer l’inluence du latin sur le subjonctif en fran­ çais, l’inluence du latin sur la morphologie archaïque des participes en tchèque littéraire, l’inluence du grec sur le participe présent passif en slave d’église, etc. En supposant que les rapports entre l’évolution de la langue et celle de la cultu­ re soient dialectique, les faits d’ordre culturel et ceux d’ordre linguistique ne peuvent être compris sous l’aspect de deux séries parallèles aux rapports ixés d’avance et standardisés ; c’est ainsi que l’on ne saurait mettre en rapport direct et causal le stade de culture plus évolué avec la simpliication du système gram­ matical. DIE ANDEREN THESEN DES PRAGER LINGUISTENKREISES 309 Question A: Terminologie linguistique It is essential that the Commission of Terminology should include in their programme the terminology of phonemics, the outlines of which were drawn as early as 1930 for the International Conference on Phonemics, held in Prague. The terminology, compiled in French, Russian, and Czech, was approved by the Conference and published in its Proceedings (Travaux du Cercle linguistique de Prague, IV, Prague, 1931, p. 309–323). In the course of the following years the terminology was further developed and modiied (see especially N. S. Trubetz­ koy, Grundzüge der Phonologie. Travaux du Cercle linguistique de Prague, VII, Prague, 1939). It is essential to publish a new edition of the phonemic terminol­ ogy in English, French, and Russian. The above­mentioned authorities as well as B. Trnka’s monograph A Phonological Analysis of Present Day Standard English should serve as a basis for the edition. The suggestion may seem only too obvi­ ous; it is justiied by the fact that the circular of the Congress does not expressly mention phonemics and phonemic terminology, although it makes use, in one or two places, of phonemic terms. In editing a standard linguistic terminology it should be taken into account that different theoretical approaches to language necessarily result in different linguistic concepts and, of course, in different terminologies. As long as different approaches to language exist—and it is from their competition only that satisfac­ tory results can be obtained—terminological differences will necessarily exist as well. It would be unwise to overlook this fact in trying to unify the existing linguistic terminologies. Question B: Enquête linguistique „Tout en reconnaissant l’importance du Questionnaire linguistique actuel, le Cercle linguistique de prague formule la suggestion [le souhait] d’une nouveau Questionnaire qui concernerait la structure linguistique. les linguistes de différents pays sont vivement désireux de connaître la struc­ ture des langues du monde, mais il est dificile de rassembler les données néces­ saires relatives à toutes les langues. Les phonoloques possèdent déjà un projet de Questionnaire phonologique, mais l’enquête n’a pas encore été réalisée pour un nombre de langues assez considérable. il importerait maintenant de dresser un questionnaire pour les ques­ tions grammaticales. Exemple : Combien de cas y a‑t‑il ? Sont‑ils exprimés par des désinences ? par des particules ? par l’ordre des mots ? Si le cas est exprimé par une désinence, celle‑ci forme‑t‑elle une syllabe à part ? etc., et, d’autre part, d’entreprendre cette enquête linguistique par questionnaires.“ (lejeune 1949, 78–79, mit Varianten aus den S. 533 und 534) Question D: Interlinguistique les problèmes du mouvement interlinguistique ne doivent pas se borner aux considérations concernant une langue artiicielle, apte à remplacer ou complé­ ter les langues déjà existantes. Non moins importante est le problème suivant : 310 Bohumil Vykypěl comment diriger l’évolution des langues actuelles de manière à ce que celles‑ci se rapprochent les unes des autres au lieu de se différencier ? Cela concerne surtout les langues étroitement apparentées (les langues slaves entre elles, les langues scandinaves, les langues romanes, etc.), mais aussi toutes les langues du monde en général. il est bien entendu qu’il ne pourrait être question d’uniier la morphologie, il ne peut s’agit que des questions lexicales et sourtout du lexique technique. on sait bien que les termes dit « internationaux » se sont répandus dans les différentes langues sans assistance théorique des linguistes et souvent avec une acception différent. le travail des linguistes consisterait à constituer des commis­ sions permanentes dont la tâche serait de coopérer à la création d’une terminolo­ gie commune dans toutes les langues du monde, d’une part, et dans les langues étroitement apparantées, d’autre part. les commissions de différentes nations qui poursuivent l’élaboration de terminologies propres à différentes disciplines de­ vraient être appelées à coopérer à cette tâche commune. * Der Beitrag wurde mit unterstützung des durch die Grantová agentura ČR geförderten projekts Nr. p406/10/1346 verfasst. Für die sprachliche Durchsicht des Beitrags danke ich Achim Rabus (Freiburg). * LiTeraTurverZeichnis Baran, H. et. al. (Hrsg.) 1999. Roman Jakobson. Teksty, dokumenty, issledovanija [Roman Jakob­ son. Texte, Dokumente, Studien]. Moskva. Daneš, F. 1967. Order of elements and sentence intonation. In: To Honor Roman Jakobson: Essays on the occasion of his seventieth birthday 11 October 1966. Vol. 1. The Hague – Paris, 499–512. (Janua linguarum. Series Maior. 31.) – Nachdruck in Intonation: Selected readings. Hrsg. von D. Bolinger. Harmondsworth 1972, 216–232 und in F. Daneš: Jazyk a text. II. hrsg. von o. uličný. Praha 2000, 160–175. eramian, G. M. 1988. Edward Sapir and the Prague School. Historiographia Linguistica 15, 377–399. HaspelmatH, M. 2005. Preface to the reprinted edition. In: J. H. Greenberg: Language Universals. Berlin – New york, Vii–XVii. Havránek, B. 1928. Směry dnešního lingvistického bádání. in: B. havránek: Genera verbi v slovanských jazycích. i. praha, 3–7. 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Jiné teze Pražského lingvistického kroužku V textu se pojednává o posledním kolektivním vystoupení pražského lingvistického kroužku (plk) – jeho odpovědích na otázky předložené účastníkům 6. mezinárodního lingvistického sjezdu v paříži v roce 1948. Nejdříve se píše o tom, kdo z plk se skutečně zúčastnil pařížského sjezdu (havránek, horálek, Vachek). pak se probírají jednotlivé odpovědi, týkající se otázky existence obecných jazykových kategorií, souvislostí fonologické a gramatické struktury jazyka, možnosti obecných deinic v morfologii a syntaxi, jazykového kontaktu, jazykové terminologie, jazykového atlasu, statistiky v lingvistice a interlingvistiky. odpovědi plk se zasazují do kontextu minulé i budoucí práce pražské školy i do souvislosti s jinými lingvistickými teoriemi. Dále se líčí, jak vystoupili zástupci plk v diskusích na sjezdu, a autor se zamýšlí nad autorstvím jednotlivých odpovědí plk (vyzdvihuje se pravděpodobná silná role na sjezdu nezúčastněného V. Skaličky). Nakonec se ukazuje, jak zprávy o sjezdu od dvou pražských účastníků (Vachek, horálek) odrážejí dobu. Dodatkem se pojednává o (ne)účasti pražských lingvistů na následujících sjezdech v londý­ ně, oslu a Cambridgi. Bohumil Vykypěl Ústav pro jazyk český AV ČR Veveří 97 CZ‑60200 Brno e‑mail: vykypel@iach.cz