»dat ih dir it nu bi huldi gibu«
Linguistische, germanistische und indogermanistische Studien
Rosemarie Lühr gewidmet
Herausgegeben von Sergio Neri, Roland Schuhmann
und Susanne Zeilfelder
unter Mitarbeit von Satoko Hisatsugi
WIESBADEN 2016
DR. LUDWIG REICHERT VERLAG
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© 2016 Dr. Ludwig Reichert Verlag Wiesbaden
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Printed in Germany
Inhaltsverzeichnis
Vorwort …………………………………………………………………………………
1
Publikationsliste von Rosemarie Lühr ………………………………………………….
3
Katrin Axel-Tober
Satzadverbiale im Deutschen: synchrone und diachrone Fragen
bei einem ‚scheints‘ alten Thema ……………………………………………………… 23
Irene Balles
Zu den Adjektivabstrakta des Kymrischen ……………………………………………… 35
Wolfgang Beck
Zur Glossierung im Leipziger Heliand-Fragment ………………………………………. 57
Bettina Bock
Tugenden in Sprichwörtern ……………………………………………………………. 63
Bela Brogyanyi
συνεκδρομή und Analogie bei Friedrich Mehlhorn (1792–1852)
Zur Geschichte des Analogie-Begriffs in der
historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft ………………………….……………… 73
Anja Busse
Zur Höflichkeit im Hethitischen ………………………………………………………… 79
Ulrike Ertel
Metaphors Greeks lived by – ϑυμός und Lakoffs CMT ………………………………. 89
Gisella Ferraresi
Wandel im aspektuellen System des Cimbro …………………………………………… 101
Bernhard Forssman
ἑκών: Bemerkungen zu einem alten Partizip …………………………………………… 113
Peter Gallmann
Endungslos ist nicht immer merkmallos ………………………………………………. 119
José Virgilio García Trabazo
Zu germ. *fel(e)s ‚Fels‘, ai. pāṣāṇa- ‚Stein‘ und heth. palša- ‚Weg, Pfad‘
im Lichte idg. schamanistischer Vorstellungen …………………………………………. 129
Jost Gippert
Zum werden-Passiv im Gotischen ………………………………………………………. 135
viii
Inhaltsverzeichnis
Olav Hackstein
Altgriechisch νόϑος ‚keiner, nichtiger, unechter‘, hethitisch natta ‚nicht‘
und urindogermanisch *noth2o- ‚kein, nichtig‘ ………………………………………… 147
Jón Axel Harðarson
Bemerkungen zur Singularflexion der indogermanischen o-Stämme …………………. 151
Satoko Hisatsugi
Hundskamille und Hundssamurai ……………………………………………………… 161
Ute Holtzegel
Viola jacea. Zur botanischen Fachsprache in der Renaissance ………………………… 175
Agnes Jäger
Vergleichskasus im Althochdeutschen ………………………………………………… 193
Maria Kozianka
Aus der Arbeit am „Etymologischen Wörterbuch
des Althochdeutschen“ – das Lehnsuffix -ari ………………………………………… 209
Thomas Krisch
The application of centering theory and generative syntax to Homeric Greek ………… 215
Peter Kuhlmann
Konzepte von „Etymologie“ in der Antike von Platon
bis zu Isidor von Sevilla ……………………………………………………………...…. 227
Reiner Lipp
Zur Etymologie des germanischen Runen-Wortes ……………………………………… 239
Stefan Lotze
Thüringer Klöse: ß-Schreibung
bei neutralisierter Artikulation der s-Laute ……………………………………………... 257
André Maslo
Ein neuer Stammbaum der „Habichtslehren“ …………………………………………… 267
Joachim Matzinger
Das altalbanische Wortbildungsmuster auf -ës und malës
‚Bergbewohner; Gebirge‘ ………………………………………………………………. 281
H. Craig Melchert
Relative Clauses in Anatolian …………………………………………………………. 287
Natalia Mull
Zur Übertragung des lateinischen Ablativus absolutus
in den Werken des Althochdeutschen ………………………………………………… 297
Inhaltsverzeichnis
ix
Sergio Neri
Lat. Plestia und umbr. pletinas …………………………………………………………. 307
Andreas Nievergelt & Elvira Glaser
Hapax legomena in den althochdeutschen Griffelglossen ……………………………… 317
Norbert Oettinger
Zu vedisch yóni- und avestisch „vaδre.yaona“ …………………………………………. 335
Matthias Benjamin Passer
Tracking the Lost: Information Structure and Object Deletion
in Older Indo-European Languages …………………………………………………… 341
Daniela Prutscher
Getrennt- und Zusammenschreibung von Substantivkomposita
in Briefen des frühen 17. Jahrhunderts ……………………………………………….…. 363
Hans Ulrich Schmid
Was nit ertz ist, haißt alles berg. Zur frühen Fachsprache des Bergbaus ………….…… 373
Susanne Schnaus
Neuer Versuch zu cakránná in RV X 95
……………………………………………… 393
Claudia Schneider
vae vobis! Zum altlateinischen Umfeld einer Fluchformel
…………………………… 399
Roland Schuhmann
Zur Endung der 3.Sg.Ind.Prät. der schwachen Verben
in den Runeninschriften im älteren Futhark …………………………………………… 407
Luisa Steinhäuser
Bemerkungen zur Lautstruktur einiger Onomatopoetika
im Germanischen ……………………………………………………………………… 419
Anita Steube
Laute, Buchstaben, Phoneme und Grapheme
in der Geschichte der Sprachwissenschaft ……………………………………………… 427
Patrick V. Stiles
Eine Bemerkung zu Benennungsmotiven
…………………………….….…………… 443
Laura Sturm
Die Lex Siebs und ihre Gültigkeit ………………….…………………………………… 447
Christiane Thim-Mabrey
Modalität von Modalverben und das Wissen in den Wissenschaften …………….…….. 459
Inhaltsverzeichnis
x
Johann Tischler
Hethitische Kleinigkeiten IV …………….……………………………………..……… 471
Roman Trültzsch
RINIO oder „Übervater RHEIN“
……………………………………………………… 475
Carlotta Viti
Contrastive syntax of argument marking in Latin
and in Ancient Greek ……………………………………………………………….…… 477
Esther-Miriam Wagner & Henrike Kühnert
Codeswitching in Yiddish and Judaeo-Arabic ……………………….………………… 495
Helmut Weiß
So welih wíb so wari. Zur Genese freier w-Relativsätze im Deutschen …………..……. 505
Pauline Weiß
Präpositionswiederholung im Armenischen …………………….…………….………… 517
Susanne Zeilfelder
Allmächd na! – Zum Vokativ im Hethitischen ………………………………………… 527
Sabine Ziegler
Altirisch cophur ‚Gestaltwandel‘ ……………………………………………………… 535
E-Mail-Adressen der Autoren
………………………………………………………… 541
Bemerkungen zur Singularflexion der indogermanischen
o-Stämme
Jón Axel Harðarson
1. Die urindogermanischen o-Stämme umfassten Maskulina, Neutra und z. T. auch Feminina. Einzelsprachliche Kontinuanten o-stämmiger Feminina sind z. B. gr. νυός, arm. now
(Gen. Sg. nowoy) und lat. nurus ‚Schwiegertochter‘ (in Analogie zu socrus ‚Schwiegermutter‘ in die 4. Deklination übergeführt), die von uridg. *snusós herrühren1 (zum Anlaut vgl.
ai. snuṣ, aksl. sn cha, ae. snoru, aisl. snør etc., die zu eh2-Stämmen umgebildet worden
sind).2 Ein weiteres sprachübergreifendes Beispiel stellen gr.
ός (dor. ᾱ ός) ‚Eiche‘
und lat. fāgus ‚Buche‘ dar, die sich zusammen mit dem für das Gallische erschließbaren
Wort *bāgos ‚Buche‘3 aus uridg. *bheh2ǵos herleiten lassen.4
Von den indogermanischen Sprachen weisen nur das Griechische und Italische ostämmige Feminina auf. In dieser Hinsicht nimmt das Griechische eine Sonderstellung ein,
wo die besagten Feminina zahlreich vertreten sind, vgl. ρο ός ‚Ernährerin, Amme, Kinderwärterin‘ (auch mask. in der Bedeutung ‚Pfleger, Kinderwärter‘), π δο ρό ος ‚Kinder
ernährend, Mutter‘,5 ο ος ‚Gattin‘ (< *s-loghos, vgl. skr.-ksl. sulog ‚Bettgenosse‘ <
*som-logho-),6 μ πο ος ‚Dienerin‘ (bei Homer nur fem., später auch mask. ‚Diener‘),7
π ρϑ νος ‚Mädchen, junge Frau‘ < *p -steno- ‚die Brüste hervor habend‘;8 vgl. ferner die
sogenannten Adjektive zweier Endungen auf -ος (m./f.) bzw. -ον (n.), zu denen fast alle
zusammengesetzten Adjektive auf -ος gehören, z. B. νδρο όνος ‚Männer tötend‘,
δ σπορος ‚schwer zu passieren‘ und ο ος ‚unvernünftig‘ (eigtl. ‚keine Vernunft habend‘). Dieser Zustand ist als Archaismus zu bewerten,9 und zwar als Überbleibsel aus der
Zeit vor der Entstehung des Genus femininum. Dagegen duldet das Indoiranische keine
femininen a-(< o-)Stämme, was sicher eine Neuerung darstellt.
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Cf. Pedersen 1893: 295, der den Nachweis dafür erbracht hat, dass beim urindogermanischen Wort für
‚Schwiegertochter‘ der o-Stamm primär ist. – In diesem Zusammenhang darf auf das merkwürdige Urteil
Brugmanns (1900: 367 Fn.) hingewiesen werden: „PEDERSEN S Kombinationen BB. 19, 293 ff. haben nichts
Überzeugendes“.
Auch im Vulgärlateinischen ist nurus zum ā-Stamm nura bzw. nora (mit o von socrus bzw. soror) umgebildet
worden, cf. Meyer-Lübke 1911: 442.
Cf. Delamarre 2003: 64.
Cf. Beekes 2010: 1565 f.
Vgl. Eur. HF 902 ν ... π ρ
ν ε π δο ρό ον ‚den Vater und die Mutter‘.
Dieses Wort ist bald als Bahuvrīhi-Kompositum (‚ein bzw. dasselbe Lager habend‘, cf. Hirt 1912: 210, Debrunner 1917: 30), bald als Determinativkompositum mit einem Nomen agentis als Hinterglied (‚mitliegend‘,
cf. Lommel 1912: 2, Trautmann 1923: 158) gedeutet worden. Für das erstere spricht r-ksl. sulož ‚Bettgenosse‘ (vgl. russ. суложь ‚Gemahlin‘, s. Vasmer 1953–1958: III, 44), das offenbar das Wort aksl., aruss. lože
‚Lager, Bett‘ (< *logh o-) als Hinterglied enthält.
Zu diesem Wort cf. Rix 1994: 24 f. Laut ihm lässt sich nicht entscheiden, ob es ein Determinativkompositum
(‚Ringsum-Besorger(in)‘) oder ein Bahuvrīhi-Kompositum (‚Besorgen ringsum habend‘) fortsetzt. Mir scheint
die Analyse des Wortes als Determinativkompositum mit einem Nomen agentis als Hinterglied (vgl.
περ δρομος ‚herumlaufend‘) naheliegender zu sein.
Zu dieser Etymologie des Wortes cf. Klingenschmitt 1974.
Cf. Sihler 1995: 349.
152
Jón Axel Harðarson
Im Urindogermanischen flektierten die o-stämmigen Feminina ganz wie die Maskulina.
Dagegen unterschieden sich die Neutra von den Maskulina und Feminina darin, dass sie
abweichende Formen im Nominativ und Vokativ Singular und Nominativ, Vokativ und
Akkusativ Dual hatten, ferner, dass sie statt eines distributiven Plurals ein singularisches
Kollektivum gebildet haben. Dieses Kollektivum hatte ursprünglich den Status einer Derivationskategorie, was u. a. erklärt, dass auch die Communia an dessen Bildung teilnahmen,
vgl. lat. locus, Pl. loci und loca.10 Der spätere Übergang vom Kollektivum zum Plural, der
den Übergang von einer derivationellen zu einer flexionellen Kategorie impliziert, hatte zur
Folge, dass die singularischen Flexionsendungen der Kollektiva in den obliquen Kasus
durch die Pluralendungen der Communia ersetzt wurden. Dieser Zustand war bereits im
Späturindogermanischen erreicht.
Auch wenn die Flexion der indogermanischen o-Stämme auf den ersten Blick recht einfach erscheinen mag, stößt die Erklärung mancher einzelsprachlicher Endungen sowie die
Einbettung ihrer theoretischen Vorläufer in das urindogermanische Paradigma auf gewisse
Schwierigkeiten. So setzen die einzelsprachlichen Ausgänge des Genitivs, Instrumentals,
Ablativs und Lokativs Singular divergierende Formen fort. Im Folgenden sollen diese Ausgänge kurz erörtert werden.
2. Für den Genitiv Singular der o-Stämme im Urindogermanischen lassen sich die Ausgänge *-es o/-os o und *-eso/-oso ansetzen. Der Ausgang *-os o setzt sich im Anatolischen,
Indoiranischen, Griechischen, Armenischen, Albanischen, Messapischen, Italischen und
Keltischen fort;11 die Variante *-es o ist nur im Pronomen vertreten (vgl. aav. cahiiā neben
kahiiā);12 *-oso ist im Anatolischen, Griechischen, Germanischen (und wahrscheinlich auch
Altpreußischen) vertreten; die Alternante *-eso gehörte offenbar dem Pronomen an (vgl. gr.
hom. ο, aksl. βeso < *kwéso), aber sie ist auch im Genitiv Singular des Gotischen und
Althochdeutschen vertreten (vgl. got. dagis, ahd. tages, s. unten).
Im Italischen und Keltischen hat eine Zugehörigkeitsbildung auf *-ih2 die Funktion des
Genitivs Singular bei den o-Stämmen übernommen. Diese Sprachen besaßen aber auch die
Genitivendung *-os o.
Die Ausgänge *-os o und *-oso sind als Verbindungen von Gen. Sg. auf *-o-s + H o
(Relativpronomen) bzw. *-o-s + o (anaphorisches Pronomen) erklärt worden.13 Für den
letzteren Ausgang kommt auch eine Verbindung von *-o-s + so (Demonstrativpronomen) >
*-oso in Betracht.
Gegenüber den Kontinuanten der urindogermanischen Endungen *-os o und *-oso im
Anatolischen (hier.-luw. -asi, kar. - < *-osio, lyk. -Vhe, kar. -s < *-o-so)14 setzt die Genitivendung /-as/ der thematischen Stämme (heth. -aš, pal. -aš, hier.-luw. -as, lyk. -Ø) die konsonantische Endung *-os fort.
Nach traditioneller Auffassung sind im Nominalbereich des Griechischen die beiden
Genitivausgänge *-os o und *-oso vertreten. Dabei wird angenommen, dass sich der erstere
10
11
12
13
14
Cf. Harðarson 1987: 77–88.
Zum Anatolischen cf. Melchert 2012: 277–279, zum Albanischen Klingenschmitt 1994: 224, zum Messapischen Matzinger 2014: 33–36.
Möglicherweise ist der Ausgang *-es o auch in apreuß. stesse (vom Demonstrativpronomen und Artikel stas)
vertreten, cf. Olander 2015: 140 (mit Lit.).
Cf. Neri (demnächst) § 3.5.3 (mit Lit.).
Cf. Melchert 2012: 277–279.
Bemerkungen zur Singularflexion der indogermanischen o-Stämme
153
zu *-o o (vgl. hom. ππο ο [-o:o]), der letztere zu *-oho > *-oo > -ō bzw. -ō (vgl. lak.
h ππō, ion., att., hom. ππου) entwickelt hat. Dies ist von einigen Forschern in Zweifel gezogen worden. Stattdessen möchten sie eine Doppelvertretung von *-os o annehmen. Z. B.
rechnet Hajnal damit, dass dieser Ausgang (über *-oh o) ein diphthongiertes „Zwischenstadium [-oiyo]“ ergeben habe, das gewisse Dialekte „bewahrt und in -ο ο weitergeführt“
hätten, während es in anderen zu „/-ō o/“ (d. h. späterem - , -ου) monophthongiert worden
sei.15 Die Schwächen dieser Auffassung sind evident.16 Auch die anderen Erklärungsversuche dürfen als gescheitert gelten.17 Alles deutet darauf hin, dass die Entwicklung von *-os o
zu *-o o allen Dialekten des Griechischen gemeinsam war.18
Die Entwicklung des Genitivs Singular der thematischen Stämme im Germanischen ist
auch viel diskutiert worden. Auf diese Diskussion kann hier nicht eingegangen werden.19
Vielmehr soll versucht werden, die wesentlichen Züge nachzuzeichnen.
In Harðarson 2001: 102 Anm. 142 vertrete ich die Auffassung, dass der Genitiv Singular der a-Stämme im Urgermanischen nur den Ausgang *-as(a) hatte. Im Gotischen und
Althochdeutschen seien die Endungen -is bzw. -es dem Einfluss des Demonstrativpronomens (þis bzw. des) zuzuschreiben. Diese Auffassung muss z. T. revidiert werden.
Vor der Auslautverhärtung im Gotischen lautete die besagte Endung der a-Stämme -iz,
vgl. ƕarjiz-uh ‚cuiusque‘ und anþariz-uh ‚eines anderen‘. Die Annahme, dass im Gotischen
die Endung vom Pronomen sa/þa- übertragen worden sei, scheitert an der Tatsache, dass
dieses Pronomen im Genitiv Singular ein stimmhaftes z hatte, das nicht alt sein kann, sondern auf sekundärer Einführung beruht: *téso (zur Akzentuiergung vgl. gr. ο , ved. tásya)
> *þesa > *þes → got. *þiz (vgl. þiz-uh ‚huius‘ und þiz-ei ‚cuius‘) > þis. Das stimmhafte z
kann nur vom Genitiv Singular ursprünglich wurzelbetonter Substantive, Adjektive und
Pronominaladjektive wie *wulfa-, *ne a- und *anþera- ([*anþæra-]) stammen, d. h.
*wulfeza, *ne eza und *anþereza. Die Endung *-eso, der Vorläufer von urgerm. *-eza,
war zwar ursprünglich beim Pronomen beheimatet, wurde aber in vorurgermanischer Zeit
als Endungsvariante aufs Nomen übertragen.
Für den Genitiv Singular der a-Stämme im Urgermanischen müssen wir also mit dem
Nebeneinander der Endungen *-asa und *-eza rechnen. Dagegen hat das Pronomen *sa/þadie Formen *þasa (ae. þæs)20 und *þesa (ahd. thes, des, as. thes, aisl. þes, þess) gehabt, vgl.
*hwasa (ae. hwæs, aschw., adän. hwas) und *hwesa (ahd. (h)wes, as. hwes, aisl. hves,
hvess). In der Vorstufe des Gotischen und Althochdeutschen ist die Opposition von z und s
im Gen. Sg. *wulfez(a) und *þes(a) durch Verallgemeinerung des stimmhaften bzw. stimmlosen Sibilanten beseitigt worden. Das Ergebnis war also entweder *wulfiz und *þiz (Go-
15
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Hajnal 1995: 49.
Die Annahme eines diphthongierten Zwischenstadiums „[-oiyo]“, das etwas anderes als -o o darstellen soll,
ist deshalb bedenklich, weil [oi], wenn es ein Diphthong ist, [o] (bzw. [oy]) entspricht.
Meier-Brügger (1992: 79 f.) referiert eine Erklärung von Risch, nach der die angebliche Doppelvertretung von
*-os o durch verschiedene Silbengrenzen zustande gekommen sei, d. h. *-o . o und *-o. o (> *-o. o > -oo).
Gegen die Meinung Kiparskys (1967: 632), dass sich -ο ο nur im Äolischen entwickelt habe, spricht der
Umstand, dass dieser Ausgang weit über den äolischen Raum hinaus belegt ist, ferner, dass eine Assimilation
von intervokalischem *-s - zu *- - in verschiedenen Wortformen im ganzen griechischen Sprachgebiet gut
bezeugt ist (cf. Hajnal 1995: 37, 39).
Zur Forschungsgeschichte sei auf Bjorvand 1991 und Boutkan 1995: 175–181 verwiesen.
Das Altsächsische weist einmaliges thas neben sonstigem thes auf.
154
Jón Axel Harðarson
tisch) oder wolfes und thes/des (Althochdeutsch).21 Die übrigen altgermanischen Sprachen
setzen die Endung *-asa fort, vgl. urn. *-as (> an. -s), ae. -æs (> -es), as. /-æs/ ‹-es›, ‹-as›.22
3. Der thematische Instrumental wies zwei Ausgänge auf, d. h. *-eh1 und *-oh1. Für den
ersteren gibt es im Bereich der Pronomina und (sekundärer) Adverbien ausreichende Evidenz, vgl. got. ƕe ‚mit wem, womit, um wieviel (mit dem Komparativ)‘ (zum Neutrum ƕa
‚was‘) < *kwéh1 (wovon auch dor. π in
π ‚irgend anderswo‘ : ae. h ‚wie‘, gr.
(hom.+) π , ion. κ enklit. ‚je, noch‘ < *kwóh1), got. þe ‚umso, desto‘, gr.
hortativisch
‚da!‘ < *téh1 (: as. thō, ahd. dō, duo ‚dann, darauf‘, gr. hom.
‚so‘ < *tóh1),23 ferner ved.
pa c und jav. pasca ‚hinten, nach‘ (< *poskwéh1), die wie ved. pa ct, jav. paskā ‚von
hinten‘ (s. § 4) und pascaθ-ta ‚darauf, hernach‘ (< *poskwé ) erstarrte Kasusformen darstellen.24
Der Dativ Singular der a-Stämme im Gotischen (vgl. daga und waurda von dags ‚Tag‘
bzw. waurd ‚Wort‘) wird gewöhnlich auf einen Instrumental auf *-eh1 zurückgeführt, und
zwar unter Hinweis auf den Dat. ƕammeh (von ƕazuh ‚jeder‘), der die Form *hwammθ, den
Vorläufer von ƕamma (von ƕas ‚wer‘, neutr. ƕa), bezeugt. Das ist aber gar nicht so einfach, wie es scheinen mag. Allein für sich betrachtet kann die Endung von got. daga und
waurda urgerm. *-θ, *-ō oder *-a < uridg. *-eh1, *-oh1, *-o fortsetzen.25 Die Form
*hwammθ ist auch nicht eindeutig. Ihre Endung kann sowohl urgerm. *-θ als auch *-a reflektieren. Zur letzteren Alternative ist folgendes zu bemerken: Urindogermanisches auslautendes *-o entwickelte sich lautgesetzlich zu urgerm. *-ai, woraus letztlich got. -a entstand, vgl. got. inna ‚innen‘ (aisl., ae., ahd. inne) < urgerm. *ennai < uridg. *en-no- (Lok.)
und Passivformen wie haitada ‚wird genannt, heißt‘ (ae. hātte), deren -a auf uridg. *-o
zurückgeht (3. Sg. -da < urgerm. *-đa < uridg. *-to ). Es ist unwahrscheinlich, dass der
Diphthong urgerm. *-a durch Verlust des zweiten Bestandteils got. -a ergeben hat. Viel
plausibler ist die Annahme, dass urgerm. *-a im Urgotischen zunächst zu *-θ monophthongiert und später wie das aus dem Urgermanischen ererbte *-θ zu -a gekürzt wurde.
Lautlich lässt sich also das in ƕammeh konservierte *hwammθ aus *hwamma herleiten.26
Das gleiche gilt dann generell für den Dativausgang got. -amma in der Pronominal- und
Adjektivflexion, vgl. þamma, blindamma (von sa ‚der‘ bzw. blinds ‚blind‘).
In diesem Zusammenhang ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass anhand des Gotischen
rekonstruierte Formen wie urgerm. *þazmθ, *hwazmθ, *ezmθ (Instr.) bzw. *þazma ,
*hwazma , *ezma (Lok.) keinen Anspruch auf urindogermanisches Alter erheben können.
Die einzelsprachlichen Befunde deuten darauf hin, dass die pronominalen Stammformen
uridg. *to-sm-, *kwo-sm- und *(h1)e-sm- (vom anaphorischen Pronomen *(h1)i-/
(h1)e -/(h1)e-) nur im Dativ, Ablativ und Lokativ Singular Maskulinum und Neutrum ge21
22
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24
25
26
Der Befund des Althochdeutschen erfordert gewiss nicht den Ansatz einer urgermanischen Endungsvariante
*-esa. Er lässt sich viel besser in der geschilderten Weise erklären. Da vieles darauf hinweist, dass im Althochdeutschen die Endung des Genitivs Singular der a-Stämme durch das Demonstrativpronomen beeinflusst
wurde, kann sie keineswegs als Anhaltspunkt für die Auffassung dienen, dass unbetontes e in der Position vor
Konsonant + a#, das später apokopiert wurde, nicht zu i gehoben wurde (so Prokosch 1939: 234). Aber das ist
eine andere Geschichte.
Cf. Boutkan 1995: 175. Zur Aufhellung von westgerm. *a im Altsächsischen cf. Krogh 1996: 238–245.
Cf. Dunkel 2014: II, 789 f.
Cf. Klingenschmitt 1992: 93 f. und Mayrhofer 1992–1996: II, 110 (mit Lit.).
Cf. Streitberg 1896: 228 (daga < urgerm. *-θ oder *-ō ), Krause 1968: 150 (daga < urgerm. *-θ oder -ai).
So auch Hollifield 1980: 160.
Bemerkungen zur Singularflexion der indogermanischen o-Stämme
155
braucht wurden. Und sie flektierten ursprünglich athematisch, was in Übereinstimmung mit
der weit verbreiteten Meinung steht, dass ihr Element *-sm- zu *sem- ‚eins‘ gehört,27 vgl.
Lok. ved. tásmin (< uridg. *to-sm-i-n mit der Postposition *en, die nach Vokalen in der
Schwundstufe *n auftritt),28 kásmin, jav. kahmi (< uridg. *kwo-sm-i(-n)), ved. asmín, umbr.
esme29 ‚in hoc‘ (mit ‹e› für /i/ < *i) (< uridg. *(h1)e-sm-i), myk. to-me /tōme/ (< uridg.
*to-sm-e ),30 umbr. esmei ‚huic‘ (mit ‹ei› für /i/ < * < *θ < *e ) (< uridg. *(h1)e-sm-e );31
der Ablativ wird wohl ursprünglich die Endung *-ed gehabt haben.32 Später wurden der
Dativ und der Ablativ in der Vorstufe einiger Einzelsprachen nach den thematischen
Stämmen umgebildet, vgl. ved. Dat. tásmai, Abl. tásmāt, umbr. Dat. pusme, südpik. posmúí
relat. ‚cui‘ (< *kwo-sm-ō ), aksl. βesomu ‚wem‘ < *βesmu (< *kwe-sm-ō ).
Daraus geht hervor, dass die Vorläufer der für das Urgotische rekonstruierbaren Formen
*þammθ, *hwammθ und *immθ auf einer urgermanischen Neuerung beruhen müssen. Wie
gesagt, können sie lautlich sowohl Instrumental- als auch Lokativformen fortsetzen (mehr
dazu unten).
Gegenüber den gotischen Formen *þammθ und *hwammθ stehen an. þeim, hveim, ae.
þǣm, þām (ws.), hwǣm, hwām (ws.), ahd. demu, (h)wemu, as. them, themu, hwem, hwemu.
Die altnordischen und altenglischen Formen gehen auf urgerm. Instr. *þa -mi bzw.
*hwa -mi (mit a vom Dativ, Instrumental und Genitiv Plural) zurück. Die westsächsische
Nebenform þām entstand in Analogie zum Dativ Plural, und zwar wegen der sonstigen
Gleichförmigkeit von Dativ Singular Maskulinum/Neutrum und Dativ Plural in der geschlechtigen Pronominal- und Adjektivflexion. Die neben Dat. Pl. þǣm (< urgerm. Instr.
*þa -miz) existierende Form þām lässt sich entweder als Analogiebildung (mit ā nach Pl.
Nom./Akk. þā und Gen. þāra) oder als Kontinuante der urgermanischen Dativform
*þaimaz erklären. Nach dem Vorbild von þām entstand die Form hwām. Im Altsächsischen
entsprechen die Kurzformen them und hwem wohl denen des Altenglischen und Altnordischen. Die Langformen ahd. demu und as. themu sind wohl am besten als analogische Umgestaltung von *þamu < *þamm < urgerm. Instr. *þazm-ō zu deuten. Der Ersatz von a
durch e darf der Tendenz des Stammvokals e zugeschrieben werden, sich im Paradigma
auszubreiten. Die gleiche Erklärung gilt auch für die Form ahd. und as. hwemu.33
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Cf. Szemerényi 1996: 205 f., Beekes 2011: 227, Neri (demnächst) § 5.2.3 (zu *e-sm-: „a copulative compound
of the anaphoric pronoun and of the number *sem- ‚one‘“).
Cf. Dunkel 2014: II, 223, 227, Neri (demnächst) § 5.3.8.
In VIb 55 zu fsme verschrieben (sopir habe +esme (fsme) pople ‚wenn jemand in diesem Heervolk ergriffen
wird‘ (?)).
Im Präpositionalsyntagma e-pị-qe to-me ‚and in return for this‘ (PY Ep 613.8) belegt (cf. Chadwick 1973: 261
f.). Gegen die Analyse von myk. to-me als /tōmē/ Instr. ‚mit dem‘ < uridg. *tosmeh1 (cf. Dunkel 2014: II, 788
mit Lit.) s. Hajnal 1995: 138 Anm. 176, der darauf hinweist, dass in solchen Präpositionalsyntagmen eher mit
dem Dativ/Lokativ zu rechnen sei, ferner, dass der Instrumental des Demonstrativs im Urindogermanischen
nicht die Sequenz -sm- aufgewiesen habe.
Zur Unterscheidung von Lok. esme und Dat. esmei im Umbrischen cf. Wallace 2007: 24. Die unterschiedliche
Schreibung beruht auf keiner formalen Differenz. Im Umbrischen waren die Endungen des Dativs und des
Lokativs bei den konsonantischen Stämmen zusammengefallen (cf. Tikkanen 2011: 28).
Cf. Szemerényi 1996: 206, Neri (demnächst) § 5.3.5 (*-ed ist eine Postposition mit folgender Verteilung: *°Ked ~ *°V-d).
Bethge (1900: 554) rechnet auch mit einem Ersatz von a durch e und denkt dabei an den Einfluss des
Femininums (theru, deru). Die in der Literatur gelegentlich geäußerte Meinung, dass ahd. demu und as. themu
aus Instr. *tesmō bzw. *tesmoh1 hervorgegangen seien, ist sehr unplausibel. Sie impliziert, dass das Urger-
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Jón Axel Harðarson
Wie die gotischen Formen þamma, ƕamma und imma müssen ahd. demu, (h)wemu und
as. themu, hwemu (sowie ahd. und as. imu ‚ihm‘) als urgermanische Neuerung betrachtet
werden.
Es ist wahrscheinlich, dass in der Vorstufe des Germanischen die urindogermanischen
Dativformen *tosme , *kwosme und *(h1)esme zu thematischen Formen umgebildet worden waren, d. h. zu *tosmō , *kwosmō und *(h1)esmō . Außerdem kann hier mit thematischen Ablativformen gerechnet werden, d. h. *tosmōd, *kwosmōd und *(h1)esmōd. Die
Formen des Demonstrativpronomens und des Interrogativpronomens kongruierten freilich
häufig mit thematischen Substantiven. Im Vorurgermanischen haben diese u. a. die Ausgänge *-o im Lokativ und *-oh1, eventuell auch *-eh1, im Instrumental aufgewiesen. Die
morphologische Übereinstimmung der pronominalen Dativformen auf *-ō und der Ablativformen auf *-ōd mit den entsprechenden Kasusformen der thematischen Substantive
kann nun leicht dazu beigetragen haben, dass sich weitere Formen der Pronomina an die
Substantive formal angepasst haben. So war das Motiv dafür gegeben, neben einer Dativphrase *tosmō kwō (‚dem Wolf da‘) und einer Ablativphrase *tosmōd kwōd eine entsprechende Lokativphrase *tosmo kwo oder Instrumentalphrase *tosmoh1 kwoh1 bzw.
*tosmeh1 kweh1 zu schaffen. Dies hat dann die Bildung entsprechender Formen beim
Interrogativpronomen und dem anaphorischen Pronomen nach sich getragen.
Auf diese Weise lassen sich die besagten Pronomina im Gotischen, Althochdeutschen
und Altsächsischen erklären. Das impliziert, dass sie nicht aus dem Urindogermanischen
ererbt, sondern in der Vorstufe des Germanischen unter dem Einfluss der Substantive entstanden sind. Die althochdeutschen und altsächsichen Formen beruhen auf *tosmoh1 und
*kwosmoh1, die im Germanischen *þazmō bzw. *hwazmō ergaben (zur weiteren Entwicklung s. oben). Dagegen bleibt unsicher, welchem Kasus die gotischen Formen entstammen,
dem Lokativ auf *-o oder dem Instrumental auf *-eh1. Da die Entstehung ihrer Vorformen
offenbar dem Einfluss der Substantive zuzuschreiben ist, muss dort nach Entscheidungskriterien gesucht werden.
Während im Bereich der thematischen Substantive und Adjektive der Lokativausgang
*-o gut belegt ist, gibt es für den Instrumentalausgang *-eh1 kaum sichere Evidenz. Freilich sind die von thematischen Adjektiven gebildeten Adverbien auf -θ im Lateinischen
(vgl. rectθ, val(i)dθ) auf einen Instrumental auf *-eh1 zurückgeführt worden.34 Trifft dies
zu, wurden sie infolge des Synkretismus von Instrumental und Ablativ im Uritalischen um
das auslautende -d des letzteren Kasus erweitert, vgl. alat. FACILUMED, osk. AMPRUFID (<
*-θd) ‚improbe‘. Später ging dieses -d im Lateinischen lautgesetzlich verloren. Zum Ursprung jener Adverbien gibt es aber eine andere, nicht weniger plausible These, nämlich,
dass sie vom Ablativ herzuleiten seien (s. § 4).
Auch für das Altkirchenslavische ist angenommen worden, dass sich die Adverbien
auf -ρ wie dobrρ ‚gut‘ aus adjektivischen Instrumentalen auf *-eh1 entwickelt hätten. Das
34
manische neben *tosm- auch die Stammform *tesm- aus der Grundsprache ererbt habe. – Zu jenen Formen
des Demonstrativs im Althochdeutschen und Altsächsischen cf. die Diskussion in Rösel 1962: 26–32 und
Krogh 1996: 372–380 (jeweils mit Lit.).
Für die Herkunft aus dem Instrumental sprechen sich z. B. Ernout (1916: 38, 66, 1953: 29 f.) und Monteil
(1973: 163) aus.
Bemerkungen zur Singularflexion der indogermanischen o-Stämme
157
ist aber unwahrscheinlich, da der Ausgang -ρ die zweite Palatalisierung verursacht hat, cf.
tξž cρ zu tξž k ‚schwer‘.35
Wie wir sehen, ist die einzelsprachliche Evidenz für den Ansatz des Ausgangs *-eh1 für
den Instrumental Singular der thematischen Nomina im Urindogermanischen sehr mager.
Dagegen ist die Existenz des Ausgangs *-oh1 durch die einzelprachlichen Befunde gesichert, vgl. lit. dievù, lett. dìevu (von diẽvas ‚Gott‘ bzw. dìevs ‚Himmel, Gott‘), as. dagu,
ahd. tagu (von dag bzw. tag ‚Tag‘), aisl. góþo (Dat. Sg. Neutr. von góþr ‚gut‘).
Dieser Umstand empfiehlt es, den Dativ Singular der a-Stämme im Gotischen auf den
in den indogermanischen Sprachen gut bezeugten Lokativ auf *-o zurückzuführen, und
dies umso mehr, als die Dativformen auf -e in den übrigen altgermanischen Sprachen auch
diesen Lokativ fortsetzen können.36 In der Tat können wir damit rechnen, dass in allen
germanischen Sprachen außer Gotisch der urgermanische Dativ auf *-ō und der Lokativ
auf *-a (< uridg. *-o ) lautgesetzlich zusammengefallen sind. Dagegen kann got. daga nur
urgerm. *-a , nicht *-ō (das in dieser Sprache -ai ergab, vgl. Dat. Sg. gibai < urgerm.
*ge ō ), fortsetzen.
Wir kommen zu dem Ergebnis, dass die Vorläufer der gotischen Formen þamma,
ƕamma und imma am besten als Neubildungen zu erklären sind, die in Analogie zu den
thematischen Substantiven entstanden sind.
4. Für den thematischen Ablativ weisen die indogermanischen Sprachen auf drei Ausgänge
hin, d. h. *-θd, *-ād, *-ōd. Der erste setzt sich in den von a-stämmigen Adjektiven abgeleiteten Adverbien des Altenglischen und Altfriesischen fort, vgl. ae. w de zu w d ‚weit‘,
afries. longe zu long ‚lang‘. Wahrscheinlich ist er auch in den Adverbien auf *-θd im Italischen (vgl. alat. FACILUMED, spätfal./alat. RECTED,37 osk. AMPRUFID ‚improbe‘) vertreten.38
Der Ausgang *-ād wird vom Baltischen gefordert, wo er sekundär die Funktion des Genitivs Singular übernommen hat, vgl. lit. viko, lett. vìlka (zu vikas bzw. vìlks ‚Wolf‘).39 Die
gleiche Entwicklung haben wir auch im Slavischen (vgl. Gen. vl ka ‚des Wolfes‘), aber
dort lässt sich nicht entscheiden, ob *-ād oder *-ōd vorliegt. In den Einzelsprachen ist der
Ausgang *-ōd am besten bezeugt, vgl. alat. FILEOD ‚filio‘, osk. dolud ‚dolo‘, gr. delph.
ο κ ‚von zu Hause‘,40 got. galeiko, aisl. glíka, as. gil co, ahd. gil hho. Der Ablativ
Singular der thematischen Stämme im Indoiranischen (ved. -āt < *-a-at, av. -ā) ist
mehrdeutig.
Die besagten Ausgänge stellen ein Kontraktionsprodukt von *-e/o- + -ad bzw. -h1ad
dar.41 Die letztere Form ist wegen der Existenz zweisilbiger Messungen von ved. -āt
vorzuziehen. Es ist darauf hinzuweisen, dass der von einigen Forschern vorgenommene
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38
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40
41
Cf. Olander 2015: 167. Aus diesem Grund sind jene Adverbien auf lokativische Adjektivformen auf *-o
zurückgeführt worden, cf. Vaillant 1958: 30–31, Aitzetmüller 1991: 144.
Cf. Hirt 1932: 35, Prokosch 1939: 235.
Belegt in der Inschrift CIL I2 365; zu ihrer Provenienz s. Bakkum 2009: 494–497.
Diese in der deutschen Indogermanistik lange vertretene Auffassung findet sich z. B noch bei Klingenschmitt
1992: 94 f.
Cf. Stang 1966: 44, Forssman 2001: 100, 114.
Cf. dazu Hajnal 1995: 272–275.
Neri (demnächst § 5.3.5) rechnet damit, dass es eine zweite Bildeweise des thematischen Ablativs gegeben
habe, d. h. *-e/o-d (mit der Schwundstufe der Postposition *ed, vgl. Anm. 32).
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Jón Axel Harðarson
Ansatz einer Endung bzw. Postposition *(-)h2ed oder *(-)h2ad42 mit dem für das
Germanische vorauszusetzenden *-θd unvereinbar ist.
Bei ved. pa ct ‚von hinten‘ handelt es sich wohl um die Kontinuante von uridg.
*poskwéh1ad. Doch kommt auch die Annahme einer Angleichung an pa c ‚hinten‘ (<
*poskwéh1) in Betracht. Dagegen muss jav. paskā ‚von hinten‘ auf *poskwoh1ad zurückgeführt werden.
5. Im Urindogermanischen wies der Lokativ Singular der o-Stämme zwei Ausgänge auf:
*-e und *-o , vgl. gr. ο κε und ο κο ‚zu Hause‘, ϑεε ‚ohne Gott‘ (adv. Lok. von ϑεος
‚keinen Gott habend, gottlos‘),43 κεῖ ‚dort‘, π δο ‚zu Boden, zur Erde‘, μ σο ‚in der
Mitte, dazwischen‘ (Alk.), osk. eíseí tereí ‚in diesem Gebiet‘, aksl. vl cρ (zu vl k ‚Wolf‘)
< *-o , ae. þȳs ʒθri ‚in diesem Jahr‘, ǣne ‚einmal‘ (< *ain )44 < *-e , got. inna ‚innen‘ < *-a
< *-o .
Beide Ausgänge kommen einzelsprachlich in Adverbien, adverbialisierten Lokativen
und paradigmatisch lebendigen Lokativen vor.
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2013: 123 Anm. 4.
Cf. dazu Lipp 2009: II, 109.
Hierbei handelt es sich um den sogenannten „Instrumental“ auf -e im Altenglischen (in den ältesten Quellen
auf -i); cf. dazu Sievers 1882.
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