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IJDL International Journal of Diachronic Linguistics and Linguistic Reconstruction 14th Volume 2·2017 |peniope| München IJDL - International Journal of Diachronic Linguistics and Linguistic Reconstruction is edited by Eugen Hill, Martin Kümmel and Stefan Schumacher. Address of editorial office: Institut für Sprachwissenschaft (Indogermanistik) Universität Wien Sensengasse 3a 1090 Wien Austria Editorial Board: Andreas Willi, Oxford Daniel Petit, Paris Peter Schrijver, Utrecht Brent Vine, Los Angeles Rex Wallace, Amherst Jenny Larsson, Stockholm Peter-Arnold Mumm, München David Stifter, Maynooth Claus Schönig, Berlin IJDL is published semi-annually in June and December. Annual subscription rate is 44 Euro including VAT, excluding shipping costs. Please order at your bookseller or at the publisher: Verlag Anja Urbanek, Straubinger Str. 30g, 80687 München, Germany, tel +49-(0)89-88 98 89 01, fax +49-(0)89-88 98 89 02, anja@peniope.de. |peniope| Verlag Anja Urbanek www.peniope.de © 2017 Verlag Anja Urbanek, Straubinger Str. 30g, 80687 München editors-in-chief: Eugen Hill, Martin Kümmel, Stefan Schumacher (address see above) printing and binding: CPI buchbücher.de GmbH, Zum Alten Berg 24, 96158 Birkach Printed in Germany • ISSN 1614-5291 Contents Überlegungen zur pronominalen Flexion sowie zu den m und bʰ-Kasus des Indogermanischen.............................................................. 119 Svenja Bonmann Depalatalization, deaffrication, and nasal-assimilation: a note on the phonology of Middle Persian /n/+affricate clusters................................. 191 Paolo Milizia Review of Bybee, Joan. Language Change.. .................................................... 207 Markus Hartmann Review of Kessler, Stephan  Artūras Judžentis. Contributions to Morphology and Syntax. Proceedings of the Fourth Greifswald University Conference on Baltic Languages. ........................................................................................ 213 Felix Thies Review of Hock, Wolfgang et al. Altlitauisches etymologisches Wörterbuch. ........ 221 Tijmen Pronk International Journal of Diachronic Linguistics and Linguistic Reconstruction 14 (2017): 119–189 Überlegungen zur pronominalen Flexion sowie zu den m- und bh-Kasus des Indogermanischen von Svenja Bonmann Abstract: This paper deals with two intertwined topics: firstly, it focuses on the wellknown asymmetry in the PIE endings of the dative, ablative and instrumental plural. Here it seems reasonable to assume that the m-endings of Balto-Slavic and Germanic directly reflect the original situation, whereas the bh-endings of Indo-Iranian, Greek, Armenian, Celtic and Italic emerged secondarily by a series of sound changes. Secondly, the paper takes a close look at the PIE pronominal declension. In spite of a ‒ superficially regarded ‒ lacking connection between these two issues, it is argued that the particular case-form, in which the bh-endings emerged, was neither the dative-ablative plural nor the instrumental plural, but rather the dative-ablative-instrumental dual of the demonstrative *to-. For this pronoun, we can reconstruct pre-PIE *to-du-ih1oum/*todu-ih1eum/*to-du-ih1um for the case-form in question, consisting of the pronominal stem, the word for ‘two’ and an ablauting case-ending. These variants developed via several intermediate stages to early PIE *toh1bhi̯ ōm/*toh1bhi̯ ēm/*toh1bhih1m. Subsequently, paradigmatic structuring led to a diffusion of the reanalyzed pronominal endings *-bhi̯ ōm, *-bhi̯ ēm and *-bhih1m to the nominal and adjectival declensions and to corresponding forms of the singular and plural, in which each IE branch went its own way. Finally, it is argued that the peculiarities of the pronominal plural can be explained in a similar way by the assumption of an old stem *to-is-. Keywords: Interne Rekonstruktion, Indogermanisch, m-Kasus, bh-Kasus, Dual, pronominale Flexion, Stangs Gesetz. 1 Einleitende Bemerkungen 1.1 Der Befund Bekanntlich gehen die indogermanischen Sprachen in der jeweiligen Endung des Dativ-Ablativ Plural, Instrumental Plural und – soweit die Kate- Svenja Bonmann gorie Dual einzelsprachlich noch existiert – des Dativ-Ablativ-Instrumental Dual auseinander.* In einer nördlichen Gruppe, die das Baltische, Slavische und Germanische umfasst, beginnen die fraglichen Morpheme jeweils mit einem Resonanten *m, in den übrigen Sprachzweigen zeigt sich hingegen ein Obstruent *bh. Eine Auflistung vergegenwärtigt das Phänomen: Die Endung für den Dativ-Ablativ Plural lautet alit. -mus, alett., lit. -ms, altpr. -ma(n)s, aksl. -mŭ und weicht somit in ihrer Lautgestalt deutlich von den übrigen idg. Sprachen ab. Ur-balto-slav. *-mos (oder eventuell *-mus) stehen zunächst ur-kelt. *-bos (lep. -pos, keltib. -pos, gall. -βο, -bo) und ur-ital. *-bhos (lat. -bus, osk. -fs, venetisch -bo.s.) gegenüber; dazu kommen noch messapisch -bas und, mit zusätzlichem Halbvokal, iir. *-bhi̯ as (ved. -bhyaḥ, aav. -biiō, -biias-cā). Eine vergleichbare Verteilungsratio zeigt sich beim Instrumental Plural: ur-balto-slav. *-mı̄́s (lit. -mìs, aksl. -mi)1 sowie ur-germ. *-miz (rheinische Inschriften -ms, runisch -mz, got., ahd., an. -m) stehen ur-kelt. *-bis (air. <-ib>, gall. -bi, -be), arm. -bkc und iir. *-bhiš (ved. -bhiḥ, aav. -bīš, jav. -biš) gegenüber;2 dazu gesellt sich wohl auch mykenisch -pi, falls dies als /-phis/ zu lesen ist. Eine ausgesprochen ähnliche Situation ist schließlich beim Dativ-Ablativ-Instrumental Dual zu konstatieren, vgl. lit. -m, aksl. -ma gegenüber air. nasalierendem <-ib>, ai. -bhyām, ap. -biyā und av. -biiā̆, -βe, jav. -biiąm.3 Zusätzlich zu den Endungen des Duals und Plurals gibt es in einigen Sprachen noch einen athematischen Instrumental Sg. auf *-mi oder *-bhi, der grundsätzlich der gleichen Verteilung folgt. So lautet die Endung bei den i- und u-Stämmen bspw. lit. -imì, -umì, aksl. -ьmь, -ъmь, die auf ur* 1 2 3 Für zahlreiche wertvolle Hinweise danke ich insbesondere Eugen Hill und zwei anonymen Gutachtern, ferner den Teilnehmern des Kölner indogermanistischen Kolloquiums für die ausgiebigen Diskussionen meiner Thesen. Namentlich gilt mein Dank Felix Thies, Daniel Kölligan, Michael Frotscher, Antje Casaretto, Andrea Covini, Laura Massetti und Riccardo Ginevra. Die Verantwortung für das Geschriebene liegt natürlich allein bei mir. Die akutierte Intonation könnte auf eine laryngalhaltige Endung *-mı̄ ́s < *-miHs deuten, vgl. n.-w.-žem. -mìs, nicht †-mẹs, vgl. Stang (1966: 136). Streng genommen ist das Slavische nicht eindeutig hinsichtlich der Möglichkeit eines auslautenden *-s. Mit einer wahrscheinlich sekundären Länge im Altavestischen. Bezeugt in jav. bruuat̰ .biiąm ‘Augenbrauen’ (genaue Kasusfunktion unsicher), vgl. Hoffman & Forssmann (2004: 140). 120 Überlegungen zur pronominalen Flexion balto-slav. *-i-mi und *-u-mi verweisen.4 Dem stehen arm. -i-w, -ow (<*-ibhi, *-u-bhi) gegenüber und somit Endungen, die letztlich auf *-bhi basieren. Im Griechischen schließlich gibt es eine oblique Kasusendung -φι(ν), die ‒ abgesehen vom Ny ephelkystikon ‒ zwar formal dem armenischen Instrumental Singular entspricht, sich jedoch durch eine auffällige Numerusindifferenz auszeichnet. Verkompliziert wird dieser Befund durch eine ganze Reihe von Reliktwörtern, die nahelegen, dass die m~bh-Variation sehr alt sein muss. Im Hethitischen, das im Pluralparadigma keine m- oder bh-haltigen Endungen kennt,5 deuten die isolierten adverbialen Formen kuwāpi ‘wo, wann’, kuwāpi-kki ‘irgendwo, irgendwann’ (augenscheinlich < *ku̯o-bhi) darauf hin, dass hier dennoch einst ein Kasus auf *-bhi bekannt gewesen sein muss. Darüber hinaus gibt es sowohl im Anatolischen als auch im Tocharischen Spuren eines Dativs Plural auf *-mos (vgl. die enklitischen Personalpronomina der zweiten und dritten Person heth. Dat. Sg. -š-e < *s-oi̯ , aber Dat. Pl. -š-maš, k-luw. -mmaš < *s-mos; vergleichbar toch. 1.-3. Pl. A -m, B -me < *-mos).6 Ein weiteres Relikt scheint in idg. *h2n̥tbhí ‘auf beiden Seiten, umher’ vorzuliegen. Jasanoff hat dieses Adverb plausibel mit dem Wurzelnomen idg. *h2ent- ‘Gesicht, Vorderseite’ assoziiert.7 Sollte dies stimmen, so bietet sich formal eine Deutung als Instrumental Singular *h2n̥t-bhí an, auch wenn die Semantik Probleme bereitet. Interessant ist nun, dass dieses alte Erbwort ‒ leicht abgewandelt (*h2n̥t-bhí > *h2n̥-bhí > *h2m̥-bhí) ‒ nicht nur in bh-Sprachen als Adverb oder Präfix gr. ἀµφί, ἀµφί-, lat. amb, am-, osk. am-, gall. ambi-, air. imb- in Erscheinung tritt, sondern eben auch als urgerm. *umbi (ahd. umbi, an. umb, ae. ymb, ymbe ‘umher’) und damit in einem Sprachzweig, der ansonsten zu den m-Sprachen gehört. Offenkundig kannte also auch der Vorläuferdialekt des Germanischen ein Nebeneinander von m- und bh-haltigen Formen. Hier stellt sich die Frage, wie lange eine Reliktform wie *umbi im (Vor-)Germanischen überhaupt noch mor4 5 6 7 Die litauischen Formen auf -mì scheinen ihre Länge einer vergleichsweise rezenten Umbildung zu verdanken, da weder apr. māim ‘mit mir’ < *-mi noch aksl. -mь auf eine solche Länge deuten. Dat.-Lok. Pl. -aš, Abl. Pl. -az(a), Instr. Pl. -it. Vgl. Hill (2012: 181–183) für diese Interpretation und Segmentierung. Vgl. Jasanoff (1976; 2009: 139). Direkt bezeugt in heth. ḫant- ‘Vorderseite, Gesicht’; der adverbiell erstarrte Lok. Sg. auch in ai. ánti, gr. ἀντί, lat. ante ‘vor’. 121 Svenja Bonmann phologisch analysierbar war. Einem produktiven Muster im synchronen Sprachsystem scheint es jedenfalls nicht zu entsprechen. Ähnlich unerwartet sind die lat. demonstrativen Adverbien des Typs illim, ist-im ‘von dort’ (< *eln-oi̯ -mi, *est-oi̯ -mi?) sowie temporale Instrumentale wie ōl-im ‘einst’ (< *oln-oi̯ -mi?). 8 Hier zeigt eine bh-Sprache scheinbar Überreste eines m-Kasus. Diese m-haltige Kasusendung war offenbar noch im Uritalischen produktiv, da ill-im, ist-im und ōl-im auf inneritalischem Material aufbauen. Betrachtet man diese Auffälligkeiten, so drängt sich die Schlussfolgerung auf, dass die m~bh-Variation bereits frühgrundsprachlich, noch vor der Abspaltung des Anatolischen und Tocharischen, vorhanden gewesen sein muss,9 auch wenn beide Sprachzweige in ihrer jeweiligen Nominalmorphologie keine regulären m- oder bh-Kasus mehr kennen. Um zu verstehen, wieso diese Alternation überhaupt existiert und wieso manche indogermanischen Sprachzweige Kasus mit anlautendem *m-, andere solche mit *bh- aufweisen, ist es sinnvoll, zwei vergleichsweise einfache, übergeordnete Fragen im Hinterkopf zu behalten: 1. Was wissen wir sicher über die Morphologie des Urindogermanischen? 2. Was können wir daraus schließen? Der gesamten folgenden Argumentation liegt dieser einfache Ansatz zugrunde. Beginnen wir zunächst mit den bisherigen Deutungsansätzen der m~bh-Variation. 8 9 Deutung nach Hill (2012: 185–186). Die von Hill vorgeschlagenen Entsprechungen im Anatolischen bereiten lautliche Probleme. Vgl. auch Kap. 7.3 für eine abweichende Interpretation. Ich lege folgende relative Chronologie zugrunde: Vorgrundsprachlich/Vor-idg.: Gültigkeit besonderer Syllabifizierungsregeln (s. u.). Frühgrundsprachlich/ Früh-Idg.: Dialektkontinuum unmittelbar vor der Abspaltung des Anat. und Toch. Spätgrundsprachlich/ Spät-idg.: Dialektkontinuum nach Abspaltung des Anatolischen und Tocharischen. Nachgrundsprachlich/Nach-Idg.: lokale Gruppen (Indo-Iranisch, Balto-Slavisch, Italo-Keltisch etc.). 122 Überlegungen zur pronominalen Flexion 1.2 Bisherige Deutungsansätze und ihre Unzulänglichkeiten Üblicherweise wird angenommen, dass die unerwartete Variation im Dat.Abl. und Instr. Plural auf zwei ursprünglich verschiedene Silben-Onsets zurückzuführen ist. Anfänglich sei der Obstruent *bh- im Instr. Plural beheimatet gewesen (welcher dann als *-bhi oder *-bhis angesetzt wird), der Resonant *m- andererseits im Dat.-Abl. Pl. (*-mos). Nachgrundsprachlich sei es dann zu einer wechselseitigen Vermischung von Dativ-Ablativ Plural und Instrumental Plural gekommen, wobei das *bh- des Instrumentals sekundär das *m- des Dativ-Ablativs im Indo-Iranischen, Keltischen und Italischen (u. a.) ersetzt habe, während im Baltischen, Slavischen und Germanischen die entgegengesetzte Entwicklung vorausgesetzt werden müsse.10 Vgl. für diese Ansicht Meier-Brügger (2010: 332):11 »Es spricht einiges dafür, daß der Abl.Dat.Pl. ursprünglich durch *-mos, der Instr.Pl. durch *-bhi markiert war (…). Von da aus hätte sich dann im Ital. und Indoir. -bh- als alleiniger Anfangskonsonant durchgesetzt und -m- verdrängt. Umgekehrt hätte sich im Baltoslav. und Germ. -m- durchgesetzt. Das indoiran. *-bhi̯ as kann dann als Kreuzung aus Instr. *-bhi und Dat.Abl. *-mos betrachtet werden.« Ähnlich äußert sich Beekes (1985: 143f.): »As the instrumental had *-bh(i) it is clear that the m belonged originally to the dative. This gives an easy explanation for the much discussed m- : bh- problem: they belonged to different endings and some languages generalized m, others bh.« Diese traditionelle Annahme ist gleich aus mehreren Gründen unbefriedigend. Zunächst einmal ist es nicht ersichtlich, wieso sich zwei völlig verschiedene Kasusendungen überhaupt gegenseitig beeinflussen sollten. 10 11 So bereits von Hirt (1895) vertreten. Ich bevorzuge maximale Klarheit in meiner Argumentation, auch wenn ein Text dadurch länger wird. Sollte ich ‒ so wie an dieser Stelle ‒ Bezug nehmen auf abweichende Ansichten anderer Linguisten oder die jeweilige communis opinio, so schadet es m. E. nicht, dies auch angemessen im Haupttext wiederzugeben. Auch Wiederholung ist oft hilfreich, da sie einer besseren Orientierung des Lesers dient und die jeweilige Argumentation nachvollziehbar macht. 123 Svenja Bonmann Stillschweigend gehen die Vertreter der communis opinio hinsichtlich ihrer postulierten einzelsprachlichen Verallgemeinerung jeweils eines Silbenanlauts von einer analogischen Erscheinung aus, genauer: von paradigmatischem Ausgleich (engl. leveling). So plausibel dies auf den ersten Blick auch scheinen mag – ein analogischer, intraparadigmatischer Ausgleich dieser Art wäre vollkommen singulär.12 Paradigmatischer Ausgleich beseitigt Allomorphie.13 Davon kann hier jedoch keine Rede sein, Kasusendungen sind keine Allomorphe. Hill (2012: 180 f.) resümiert treffend: »The proposed replacement of the first sound of the inflectional marker of one case form by the first sound of the inflectional marker of another case form would be a new kind of analogy not known from attested languages with a documented history. Such a development would neither be a case of proportional analogy nor a case of paradigmatic leveling. […] The assumed transformation of *-m(i̯ )os into *-bh(i̯ )os in the dative-ablative plural due to the influence of *-bhis in the corresponding instrumental is in fact hardly less strange than would be, say, a reshaping of Skt -su to *-nu in the locative plural because of -nām in the genitive.« Hält man an dieser Erklärung dennoch fest, so muss sie inhaltlich motiviert werden. Einzelsprachlich können im Zuge kasussynkretistischer Erscheinungen gelegentlich der Dativ-Ablativ Plural und Instrumental Plural zusammenfallen;14 Gleiches gilt aber auch für andere Kasus.15 Es bleibt un12 13 14 15 Die von einem Gutachter des vorliegenden Aufsatzes beigebrachte Evidenz aus dem Luwischen (vgl. Nom. Pl. c. -nzi, Akk. Pl. c. -nz, Dat.-Lok. Pl. -anza) ist kein Gegenbeweis. Zwar wird der Nom. Pl. c. auf -nzi oft als eine geneuerte Form auf der Basis des Akk. Pl. c. auf -nz aufgefasst, doch enthält diese neue Kasusendung die ganze Flexionsform des Akk. Pl. c., erweitert mit einem -i (und ähnlich der Dat.-Lok. Pl. ein Element -a). Das ist etwas völlig Anderes als die simple Umgestaltung eines Flexionsausgangs in lockerer Anlehnung an einen anderen. Ein Beispiel wäre der gr. dialektale (hom., ion., altatt., lesb.) Dativ Plural auf -οισι(ν), der gegenüber myk. <-o-i> (z. B. <te-o-i> θεοῖhι) eindeutig ein nach den konsonantischen Stämmen restituiertes /s/ aufweist. Die synchrone Allomorphie zwischen -hi und -si wird damit beseitigt. Vgl. lat. -bus < *-bhos und -īs < *-ōi̯ s als synchrone Dativ-Ablativ-PluralEndungen. Erneut bietet sich der gr. dialektale Dativ Plural auf -οισι(ν) an, der trotz iVokalismus mittelbar den idg. Lok. auf *-oi̯ -su fortsetzen dürfte, gegenüber klass.att. -οισ, das auf den Instr. Pl. *-ōi̯ s zurückgeht. Beides sind synchrone Dative. 124 Überlegungen zur pronominalen Flexion verständlich, wieso ausgerechnet die postulierten Kasusendungen *-bhi(s) und *-mos einer solchen wechselseitigen Beeinflussung hätten unterliegen sollen. Ähnlich unbefriedigend sind andere Lösungsansätze. Tichy (2009: 70f.) hält *-bhis für die ursprüngliche Lautung des Instrumentals, *-bhos für diejenige des Ablativs und *-mos für diejenige des Dativs. Auch hier stellt sich die Frage, wieso sich dann drei völlig verschiedene Kasus gegenseitig beeinflusst haben sollten. Matzinger (2001) geht davon aus, dass *m ursprünglich im pronominalen Dativ beheimatet gewesen sei (z. B. Dat. Sg. *tosmōi̯ ) und von dort in die Substantive übergegangen sei. Problematisch hierbei ist die Tatsache, dass der Dativ Singular der Substantive gerade kein *m- aufweist (*-ei̯ bzw. thematisch *-o-ei̯ , nicht †-mei̯ ), obwohl eine Beeinflussung des korrespondierenden Kasus im Singular eher zu erwarten wäre als eine Beeinflussung der Pluralendung. Olander (2015) seinerseits geht sogar so weit, einen Lautwandel *bhi̯ > *m für das Balto-Slavische zu postulieren, kann damit aber weder die relikthaften m-Kasus des Anatolischen und Tocharischen (heth. -š-maš, toch. A -m, B -me, s. o.) noch Formen wie lat. ōli-m erklären. Auf Meier-Brüggers (2010) Deutung der indoiranischen Erweiterung des Dat.-Abl. Pl. durch einen Halbvokal wurde oben bereits hingewiesen. Rasmussen (1989) geht davon aus, dass das Indoiranische besonders konservativ sei und ein ursprüngliches *-bhi̯ - bewahre. Die anderen Sprachen hätten hier zu *-bh- vereinfacht. Beekes (1985: 144f.) setzt, seinerseits einer Idee Kortlandts folgend, einen Ablativ Pl. *-i̯ os an, der sich im IIr. mit einem Instr. *-bhi vermischt habe. Jasanoff (2009) rechnet, ähnlich wie Melchert/Oettinger (2009) und Balles (2004: 45f.), damit, dass iir. *-bhi̯ os eine Mischung aus adverbialem *bhi und einer alten Dativ-Endung *-os sei, welche sich unverändert im heth. Dat.-Lok. Pl. -aš finde. Fortson (2010: 118f.) vertritt eine vergleichbare Position; er spekuliert darüber, dass »the *bh- and *m-endings developed late, probably after Anatolian split off from the family, and may have originally been postpositions or adverbs ultimately related to Eng. by and Germ. mit.« 125 Svenja Bonmann 1.3 Warren Cowgills Analyse der thematischen Instrumentalendungen und ihre Implikationen Jeder einzelne dieser Ansätze wird letztlich infrage gestellt durch die ebenso unkonventionelle wie überzeugende – leider aber weitgehend ignorierte und in Vergessenheit geratene – interne Rekonstruktion der Endungen der thematischen 1. Person Sg. Präsens Indikativ (*-ō) und des thematischen Instrumentals (Sg. *-ō, Pl. *-ōi̯ s) durch Warren Cowgill (1985b: 108): »Perhaps PIE 1st sg. *-ō is the regular outcome of the expected **-omi, existing at some time in pre-Indo-European. The system of thematic noun inflection offers an analogous situation in the instrumental plural, where instead of the *-obhis/-omis that we would expect on the analogy of all other stem classes (including o-stem pronouns with *-oibhis/-oimis), we find PIE *-ōis. Perhaps verbal *-ō for **-omi and nominal *-ōis for **-obhis or **-omis can be combined: an **m of pre-IE (…) before word-final -i or -is and preceded immediately by o would have assimilated to the preceding vowel, giving **-ōï, **-ōïs, liable to contract to **-ōi̯ , **-ōi̯ s. The latter, we can say ad hoc, remained in PIE, but word-final **-ōi̯ was simplified to *-ō.« Cowgills bestechend klare Analyse eröffnet völlig neue Möglichkeiten für unser Verständnis bislang unerklärter Phänomene der Flexionsmorphologie. Damit ist ein laryngalhaltiger Ansatz für die thematische 1. Person Sg. Indikativ (üblich: *-oH oder gar *-oh2 in Anlehnung an die Perfekt- oder Medialendung der 1. Sg. auf *-h2e-) ebenso überflüssig wie das allgemeine Postulat besonderer Endungssätze für den Instrumental thematischer Stämme. Dessen Endungen können durch Cowgills These relativ unkompliziert mit den übrigen Stammklassen in Einklang gebracht werden (voridg.: Sg. *-o-mi, Pl. *-o-mis). Nötig ist lediglich ein tieferer chronologischer Ansatz. Wir müssen demnach davon ausgehen, dass die Syllabifizierungsregeln für Resonanten, die für das klassische Indogermanische galten, in einer früheren Phase keine Anwendung fanden.16 Selbstverständlich ist Cowgills Vorschlag kein absoluter Beweis des höheren Alters der m-Endungen. Die besondere Eleganz dieses Konzepts 16 Die klassische Behandlung dieses Themas findet sich in Schindler (1977). Die von ihm aufgestellte Regel, wann idg. *i̯ , *u̯, *m, *n, *r und *l in einer Phonemsequenz silbisch bzw. unsilbisch realisiert werden, lautet: [+son, -syll] → [+syll] / {[-syll], #}___{[-syll], #}, dabei iterativ von rechts nach links wandernd. 126 Überlegungen zur pronominalen Flexion liegt jedoch in der minimalistischen Herangehensweise. Anstatt ad hoc besondere Endungen für die thematische 1. Sg. oder den thematischen Instrumental zu postulieren, ist Cowgills Erklärung in der Lage, morphologische Eigentümlichkeiten auf phonologische Gesetzmäßigkeiten zurückzuführen. Meines Erachtens ist dies ein starkes Indiz für die Richtigkeit dieser Überlegungen. Die späteren Unterschiede zwischen athematischer und thematischer Flexion − sowohl im verbalen als auch im nominalen Bereich − können also vergleichsweise unkompliziert auf ein einheitliches vor-idg. System zurückgeführt werden.17 Hill (2012) hat Cowgills These wieder aufgegriffen, mögliche Einwände entkräftet und weitere Evidenz vorgelegt. Solche Evidenz könne z. B. in der bekannten Lex Stang gesehen werden, die ja ebenfalls eine (aus klassischer Sicht) unkanonische Syllabifizierung bezeugt (*-ou̯m > *-ōm, nicht †-ou̯m̥).18 Es hat den Anschein, als seien Resonanten (d. h. mindestens *i̯ , *u̯, *r, *l, *m, *n; eventuell auch die Laryngale, vgl. den Akk. Sg. der eh2Stämme: *-eh2m > *-ām, nicht †-ah2m̥) in vor-idg. Zeit in bestimmten Kontexten ‒ z. B. als Sequenz mehrerer aufeinanderfolgender Resonanten ‒ ausschließlich konsonantisch artikuliert worden; silbische Allophone scheinen hier nicht existiert zu haben. Auf diese Weise lassen sich Stangs Gesetz (schematisch: *VR1R2 > *V̄R2) und lautgesetzliche Ausfälle in Clustern aus mehreren Resonanten (s. u., Kap. 2.6) gut verstehen. Vorgrundsprachlich müssen wir demnach ‒ nach Ausweis der thematischen Flexion ‒ mit großer Wahrscheinlichkeit mit einer Endung *-mis für den Instrumental Plural und *-mi für den Instrumental Singular rechnen. 17 18 Nach der communis opinio erklären sich die Endung der thematischen 3. Sg. sowohl im Baltischen als auch im Griechischen ‒ die synchron ja in beiden Sprachzweigen von der athematischen 3. Sg. abweichen (vgl. z. B. gr. athem. ἐσ-τί(ν) vs. them. λύ-ει) ‒ lautgesetzlich. Die einzige allgemein anerkannte Abweichung der thematischen Verbalflexion von der athematischen ist die Endung der 1. Sg., und genau diese Form vermag Cowgills Ansatz plausibel zu erklären. Akzeptiert man Cowgills Überlegungen, ist es nicht notwendig, die thematische Flexion auf ein älteres, vor-idg. System mit völlig anderen Endungssätzen zurückzuführen; vielmehr löst sich durch die Annahme einer vergleichsweise trivialen, im Vor-Idg. gültigen, aber (verglichen mit späteren Sprachstufen) unkanonischen Syllabifizierung die ganze Schimäre der angeblich devianten thematischen Flexion in Luft auf. Literatur zur Lex Stang: Stang (1965), Schindler (1973). Vgl. den Akk. Sg. zu idg. *gu̯óu̯- ‘Kuh’: *gu̯óu̯-m > *gu̯ṓm (ai. gā́m, aav. gąm, gr. hom. βῶν); ferner den Akk. Sg. zu *di̯ éu̯- ‘Himmel’: *di̯ éu̯-m > *di̯ ḗm (ai. dyā́m, gr. hom. Ζῆν). 127 Svenja Bonmann Obwohl die bh-Varianten − wie heth. kuwāpi ‘wo, wann’ zeigt − bereits vor der Abspaltung des Anatolischen in Umlauf waren, dürften sie jünger sein als die m-Endungen, da sich nur durch letztere der Instrumental Sg. auf *-ō und der Instrumental Pl. auf *-ōi̯ s lautgesetzlich erklären lassen. Anstelle des traditionell für die Instrumentalendungen der grundsprachlichen vokalischen Stämme angesetzten Schemas (links) rechnet Hill (2012), Cowgill folgend, mit der rechts angeführten Situation (s. Tab. 1). Tab. 1. Rekonstruktion der uridg. Instrumentalendungen des Singulars und Plurals; traditionelle Ansicht links vs. neue nach Hill (2012) rechts. i-Stämme u-Stämme eh2-Stämme o-Stämme Sg. *-i-h1 *-u-h1 *-eh2-h1 *-o-h1 Pl. *-i-mi-s *-u-mi-s *-eh2-mi-s *-ōi̯ s vs. Sg. *-i-mi *-u-mi *-eh2-mi *-ō (< *-o-mi) Pl. *-i-mi-s *-u-mi-s *-eh2-mi-s *-ōi̯ s (< *-o-mi-s) Die übliche Rekonstruktion einer Instrumentalendung *-h1 wäre demnach ein Trugschluss. Formen auf Langvokal, wie man sie bspw. aus dem Altindischen kennt, basierten vielmehr auf dem Muster der produktiven oStämme, bei denen sich lautgesetzlich ein Langvokal im Instrumental Sg. ergab. Instrumentale auf *-ī oder *-ū wären schlicht die Folge einer proportionalen Analogie. Es ist naheliegend, eher mit rezenten, einzelsprachlichen Bildungen nach dem Modell des thematischen Instrumentals zu rechnen: (1) Nom. Sg. Akk. Sg. Instr. Sg. → o-Stämme *-o-s *-o-m *-ō i-Stämme *-i-s *-i-m *-ī u-Stämme *-u-s *-u-m *-ū Eine e-stufige Variante der thematischen Instrumentalendung, wie man sie u. a. im Germanischen oder Altpreußischen antrifft, dürfte ebenfalls kein Beweis für eine Instrumentalendung *-h1 sein, da die Länge hier erstens lautgesetzlich entstanden sein kann (d. h. zunächst vor-idg. *-e-mi > *-ēi̯ , vgl. *di̯ éu̯-m > *di̯ ḗm) und zweitens eine Beeinflussung der thematischen Flexion durch diejenige der geschlechtigen Pronomina (die im Idg. zwischen o- und e-stufigen Kasus unterschieden, vgl. belebt aksl. kogo, av. 128 Überlegungen zur pronominalen Flexion kahiiā < *ku̯osi̯ o, unbelebt aksl. česo, av. cahiiā < *ku̯esi̯ o) nicht unwahrscheinlich ist. Das Got. und Altpr. verdanken wohl den Vokalismus ihres Instrumentrals Sg. einer Übertragung der pronominalen, ursprünglich neutralen e-Endungen in die Nominalflexion (worauf z. B. auch ein e-stufiger Gen. Sg. hindeutet). Da sich bei sämtlichen vokalischen Stammklassen noch in gemein-idg. Zeit nach Muster der gewöhnlichen o-Stämme eine neue Instr.-Sg.-Endung auf Langvokal durchsetzte, dürfte das auch für die geschlechtigen Pronomina gegolten haben (Stamm *to-, *h1e-, *ku̯o- etc.), sodass hier neben belebt *-ō früher oder später auch unbelebt *-ē (seinerseits *-ēi̯ < *-e-mi ersetzend) als Instr.-Endung entstand. Es ist deshalb sicherlich kein Zufall, dass ausgerechnet im Gotischen, das einen Gen. Sg. auf *-eso (vgl. dag-is ‘Tages’, neben pronominalem þis ‘dessen’) fortsetzt, auch ein Instr. auf *-ē begegnet (synchron fungierend als Dativ: dag-a, vgl. jedoch pronominal þē ‘desto’, ƕē ‘womit’), während im eng verwandten Altsächsischen ein ‘regulärer’ Instrumental auf urgerm. *-ō (vgl. dag-u) einem Genitiv auf *-oso gegenübersteht (vgl. nominal dag-as, pronominal thes). Es ist naheliegend, hier mit einer individuellen ostgerm. Neugestaltung des Paradigmas nach dem geschlechtigen Pronomen zu rechnen: (2) Gen. Sg. Instr. Sg. o-Stämme (As.) *-oso *-ō ~ ~ o-Stämme (Got.) *-eso *-ē Pronom. *-eso *-ē Die ökonomischste Annahme läge also darin, in den einzelsprachlichen Instrumentalen auf Langvokal (*-ī, *-ū, *-ē, *-ā) die Folge proportionaler Analogien nach dem Muster der o-Stämme mit ihrem regulären Instr. *-ō zu sehen. So erklären sich der ur-indoiranische Instr. Sg. der i-Stämme auf *-ī (ai. -ī, aav. -ī), derjenige der u-Stämme auf *-ū (ai. -ū, aav. -ū) sowie derjenige der ā-Stämme auf *-ā (ai. -ā, aav. -ā). Eine ähnliche Analogie muss, wie gesagt, auch für einige germanische Sprachen angenommen werden, wo wir neben altem *-ō (vgl. as. dagu, ahd. tagu ‘am Tag’) auch eine e-stufige Variante *-ē finden (Instr. Sg. n. got. þe, aisl. þvé < *tē). Auch das Altpreußische zeigt einen solchen Instrumental auf *-ē, vgl. ste mijls ‘desto lieber’, der einem e-stufigen Genitiv stesse gegenübersteht.19 19 Vgl. Stang (1966: 177, 293). 129 Svenja Bonmann Das dürfte kaum ein Zufall sein, eine Verallgemeinerung der unbelebten Formen ist hier plausibel. Darf man nun für den Dativ-Ablativ Pl. in gleicher Weise eine ursprüngliche Endung *-mos postulieren? Endgültig beweisen lässt es sich nicht. Die Tatsache, dass es jedoch sowohl im Anatolischen als auch im Tocharischen Spuren einer solchen m-haltigen Endung gibt, ist m. E. ein Indiz für deren hohes Alter. Der Dativ auf *-mos lässt sich also mindestens bis in früh-idg. Zeiten hinein verfolgen; gleichzeitig können die thematischen Instrumentalendungen des Singulars und Plurals nur dann lautgesetzlich erklärt werden, wenn wir mit einem ursprünglichen Resonanten operieren. Diese Indizien deuten in meinen Augen darauf hin, dass die Endungen mit anlautendem Obstruenten *bh- in jedem Fall jünger sind als diejenigen mit Nasal. Falls diese Interpretation tatsächlich korrekt sein sollte, so implizierte dies: 1. Das Germanische, Baltische und Slavische erweisen sich als hochaltertümlich hinsichtlich ihrer m-haltigen Endungssätze. 2. Der Zeitpunkt der Entstehung der bh-Endungen muss in der voridg. Periode liegen (vgl. heth. kuwāpi); in eben jener Zeit, in der auch die von Cowgill beschriebenen Syllabifizierungsregeln galten. 3. Das Anatolische und Tocharische haben, wie es scheint, die ererbten Kasusendungen *-mis, *-mos und *-mi aufgegeben und durch neue Endungen ersetzt. 1.4 Ein Wandel *-n̥-m- > *-n̥-bh- als Grundlage der m~bh-Variation? Hill (2012: 186 ff.) versucht sich an einem Paradigmenwechsel: Anstatt die m~bh-Variation durch analogische Umbildungen zu erklären, sucht der Autor nach einer phonologischen Erklärung. Hill möchte die bh-Endungen auf einen regulären Wandel von früh-idg. *-n̥-m- zu spät-idg. *-n̥-bh- zurückführen, der sich bspw. an einer Klasse primärer Ableitungen auf *-móbeobachten lasse.20 Trete dieses Suffix an eine n-stämmige Derivationsbasis, erscheine statt *-n̥-mó- vollkommen regulär *-n̥-bhó-, vgl. bspw. 20 Vgl. zu diesen auch Hamp (1983). 130 Überlegungen zur pronominalen Flexion *(u̯)r̥s-n̥-mó- > *(u̯)r̥s-n̥-bhó- m. ‘Ochse’ (ur-iir. *(u̯)r̥š-a-bhá- in ai. vr̥ṣabhá-, r̥ṣa-bhá-, jav. PN varəša-uua-, daneben auch in gr. ion. Εἰραφιώτης, einem Epitheton des Dionysos) zur Basis idg. *(u̯)r̥s-én- ~ *(u̯)r̥s-n-´ m. ‘Ochse’. Zwar erklärte sich durch diesen Lautwandel das eingangs angesprochene *h2n̥tbhí ‘auf beiden Seiten, umher’ − wenn *-n̥-m- > *-n̥-bh- galt, dann müsste *h2n̥t-bhí die lautgesetzliche Folge von *h2n̥t-mí sein. Ich halte jedoch die von Hill vorgebrachte Evidenz für nicht ausreichend bzw. nicht einschlägig genug, um diesen Lautwandel sicher annehmen zu können. Das Suffix *-bho- tritt auch nach anderen Stämmen als nach Nasal auf, ist also wohl unabhängig davon. Außerdem scheint mir die Basis – Hill erwähnt die n-Stämme, die aktiven Partizipien der Präsens- und Aoriststämme auf idg. *-ónt- ~ *-nt-´ sowie die denominalen Ableitungen auf idg. *u̯ént- ~ *-u̯n̥t-´ – zu schmal, um alleine dadurch die Existenz der bhEndungen zu erklären. Das ist in meinen Augen das eigentliche Problem dieses Ansatzes: die Idee ist prinzipiell interessant, doch glaube ich nicht, dass etwaige bh-Endungen der n-Stämme und Partizipien alleine eine ausreichende Grundlage geboten hätten, um in mehreren idg. Sprachzweigen die unveränderten m-Endungen der i-, u-, eh2-, ih2- oder übrigen Konsonantenstämme beeinflussen zu können. Die umgekehrte Entwicklung wäre wohl wahrscheinlicher. Zwar dürfte Hill richtig liegen mit der Annahme des höheren Alters der m-Endungen − diese Schlussfolgerung lege auch ich zugrunde. Doch selbst für den Fall, dass es tatsächlich phonologisch konditionierte Allomorphe der regulären m-Endungen gab, dürften sie bestenfalls eine unterstützende Wirkung für eine bereits anderweitig eingesetzte Verdrängung der älteren m-haltigen durch neuere bh-Endungen gehabt haben. Ich möchte den postulierten Wandel *-n̥-m- > *-n̥-bh- nicht pauschal ablehnen; insbesondere *h2n̥tbhí ließe sich dadurch gut etymologisieren (< *h2n̥t-mí). 21 Doch scheint es mir insgesamt erfolgversprechender, nach einer alternativen Herleitung der bh-Endungen zu suchen und den postulierten Wandel *-n̥m- > *-n̥-bh- erst einmal außen vor zu lassen. 21 Hills eigener Deutungsversuch (2012: 184) bleibt mir gänzlich unverständlich (»secondary adverbial based on the compound form of *h2n̥tbhóh1 m., *-ói̯ h1 n. ʻbothʼ«). Eine simple Rückführung auf *h2n̥t-mí wäre wesentlich naheliegender. 131 Svenja Bonmann 2 Ein neuer Lösungsansatz 2.1 Zum Verhältnis zwischen Dual und Plural Um zu verstehen, wie die bh-Varianten im Einzelnen entstanden, ist in meinen Augen ein radikaler Neuansatz notwendig. Sämtliche bisherigen Erklärungsansätze der m~bh-Variation im Dativ-Ablativ und Instrumental Plural konzentrieren sich ausschließlich auf den Plural und lassen den Dual als vermeintlich marginale Kategorie von vornherein außen vor. Da sich die gleiche Variation zwischen *m- und *bh- aber auch hier − und zusätzlich im Instrumental Singular − zeigt, ist es m. E. methodisch fragwürdig, die Diskussion allein auf den Plural zu beschränken und ausschließlich dort nach einer Erklärung zu suchen. Wir wissen aus mehreren Einzelsprachen, dass sich die unterschiedlichen Numeri einer einzigen paradigmatischen Kategorie gegenseitig beeinflussen können. Gut zu beobachten ist diese gegenseitige Beeinflussung bspw. in der Nominalflexion des Griechischen. Hier stehen sich ein synchroner Dativ Plural hom. ἵπποισι(ν) ‘(mit) den Pferden’, ποσσί ‘(mit) den Füßen’ und ein synchroner Genitiv-Dativ Dual hom. ἵπποιϊν (< ur-gr. *-oi̯ i̯ in), ποδοῖϊν gegenüber. Wie auch immer der grundsprachliche DativAblativ-Instrumental Dual gelautet haben mag (dazu später mehr) – die griechische Endung des Genitiv-Dativ Dual kongruiert hinsichtlich ihres Vokalismus auffällig mit dem Dativ Plural. Dieser wiederum ist eindeutig eine Abwandlung der alten Endung des Lokativ Plural auf *-su.22 Betrachtet man nun noch den Dativ Singular der dritten Deklination auf -ι − formal der alte Lokativ Sg. −, so kann man durchaus wie Rix (1992: 113) zu dem Schluss gelangen, dass sich hier die verschiedenen Numeri gegenseitig in ihrer lautlichen Struktur beeinflusst haben: »Die Konsequenz der Veränderung ist hier eine deutlichere Strukturierung des Ausdrucksparadigmas, insofern als der Ausdruck einer paradigmatischen Kategorie an mehreren oder an allen Stellen des Paradigmas das gleiche phonematische Element enthält (in der griech. 3. Deklination die Kategorie Dat. das Element /i/ in den Endungen Dat. Sg. -i, Dat. Pl. -si, und Dat. Du. -oin). Derart motivierte Veränderungen betreffen im wesentlichen [sic!] die Flexion, bei der ei22 Eine vergleichbare Innovation findet sich im Albanischen, vgl. die indefinite Endung des Abl. Pl. -sh < *-si. 132 Überlegungen zur pronominalen Flexion ne paradigmatische Kategorie nicht notwendigerweise an allen Stellen des Paradigmas einen gemeinsamen Ausdruck hat.« Ein weiteres Beispiel für eine solche Strukturierung liefert das Germanische. Während die übrigen idg. Sprachen beim Gen. Pl. des Demonstrativums *to- auf einen Diphthong vor der eigentlichen Endung deuten (vgl. ai. téṣām, aksl. těxъ, apr. s-teison), zeigt das Gotische eine Form, die in ihrer Stammgestalt offensichtlich durch die korrespondierende Form des Genitivs Singular beeinflusst wurde: Gen. Sg. þis → Gen. Pl. þize. Dass auch das Gotische ursprünglich einen Diphthong vor der Endung kannte, wird durch die pronominalen Genitive der Adjektivflexion erwiesen, vgl. Gen. Pl. blindaize. In gleicher Weise haben das Altsächsische (thero) und Althochdeutsche (dero) geneuert. Das Altisländische þeira sowie das Altenglische ðāra zeigen deutlich (< *toi̯ -), dass diese Umgestaltung nicht bis in urgermanische Zeiten hineinreicht, sondern erst relativ spät erfolgt sein kann. Ähnlich ist die Situation beim Dativ. Altisländisch Dat. Sg. þeim und Dat. Pl. þeim sind vollkommen parallel gebaut, desgleichen ae. Dat. Sg. ðǣm < *toi̯ -mi und Dat. Pl. ðǣm < *toi̯ -mis. Der Diphthong ist im Singular wohl nicht ursprünglich, wie got. þamma < *to-sm-ē zeigt.23 Ein weiteres Beispiel stammt aus dem Ostbaltischen. Während die gewöhnliche Endung des lit. Dat. Pl. -ms lautet (z. B. dieváms ‘den Göttern’, alit. noch -mus, z. B. Mažv. wiramus ‘den Männern’), und diese Form auch im Alett. als -iems bezeugt ist, zeigt das moderne Lettische interessanterweise eine Endung -iem, die mit einiger Wahrscheinlichkeit aus dem Dual stammt.24 Im Ostlitauischen findet man z. T. ebenfalls -m, und auch hier bleibt als wahrscheinlichste Annahme die Übertragung aus dem Dual. Wie auch immer man diese Übertragung angesichts der oftmals unterstellten Marginalität des Duals inhaltlich begründen mag – sie hat offenbar stattgefunden. Ähnliches kennen wir auch von den Personalpronomina. Bei der zweiten Person stehen sich ein Nominativ Dual ai. yuvám, lit. jùdu, ae. git, toch. B yene ‘ihr beide’ und ein Nominativ Plural ai. yūyám, lit. jūs̃ , ae. ge, toch. B yes ‘ihr’ gegenüber, die jeweils parallel anlauten. Diese Parallelität er23 24 Formal handelt es sich bei den synchronen Dativen um alte Instrumentale. Siehe jedoch auch Kap. 7.2. Vgl. Stang (1966: 185). Bspw. modern Dat. Pl. bę̀rniẽm statt eigentlich erwartetem [bę̀rniẽms], zu bę̀rns ‘Kind’. 133 Svenja Bonmann scheint umso deutlicher, wenn man das Slavische heranzieht. Im Altkirchenslavischen fehlt der charakteristische Anlaut *i̯ -, stattdessen weisen sowohl der Dual als auch der Plural einen auf *u̯- basierenden Anlaut auf: Nominativ Dual va ‘ihr beide’, Nominativ Plural vy ‘ihr’. Nach Ausweis der übrigen Sprachen müssen die slavischen Formen rezente Neubildungen sein, höchstwahrscheinlich auf der Basis des alten Enklitikons (vgl. Gen.Dat.-Akk. Dual ai. -vām, aksl. -va). Die beiden Numeri der neugeschaffenen orthotonen Formen haben sich dabei gegenseitig beeinflusst − Dual und Plural basieren synchron beide auf dem gleichen Stamm v-. Derartige ‘Strukturierungen des Ausdrucksparadigmas’, um Rixʼ Terminologie beizubehalten, sind nicht auf die Nominalflexion beschränkt. Auch im verbalen Bereich ist eine solche Beeinflussung zwischen verschiedenen Numeri, besonders aber zwischen Dual und Plural, an vielen Stellen zu beobachten. Ein Beispiel aus der Verbalflexion ist z. B. im Optativ des Altindischen und Germanischen auszumachen: Tab. 2. Die aktiven Sekundärendungen der 1. Person am Beispiel des thematischen Optativs. 1. Singular 1. Dual 1. Plural Altindisch -eyam -eva -ema Gotisch -au -aiwa -aima Offenkundig sind die jeweiligen Dual- und Pluralendungen vollkommen parallel gebaut; sie unterscheiden sich nur in einem einzigen Laut (*-u̯gegenüber *-m-). Die Dual- und Pluralendungen gleichen sich in ihrer Struktur, weichen aber, zusammen betrachtet, vom Singular deutlich ab. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass hier bereits früh eine gegenseitige Beeinflussung eingesetzt hat, die jedoch nur den Dual und Plural betraf. Weitere Belege für solche Interaktionen zwischen Singular, Dual und Plural ließen sich problemlos anführen.25 Es genügt, an dieser Stelle festzuhalten, dass eine wechselseitige Beeinflussung verschiedener Numeri in keinster Weise 25 Vgl. z. B. die Eigentümlichkeit des Baltischen, sowohl für die 3. Ps. Dual als auch die 3. Ps. Pl. die alte Endung der 3. Ps. Sg. zu verwenden (z. B. lit. ẽsti ‘er/sie/es ist, sie beide sind, sie sind’). 134 Überlegungen zur pronominalen Flexion ungewöhnlich ist, sondern in natürlichen Sprachen immer wieder vorkommt. Berücksichtigt man diese Tatsache, ist es durchaus möglich, dass auch beim m~bh-Komplex eine wechselseitige Beeinflussung der Kasusendungen verschiedener Numeri stattgefunden haben könnte. Nachgrundsprachlich bzw. auf dialektaler Ebene könnte sich, sofern in einem der drei für das Indogermanische anzunehmenden Numeri Singular, Dual und Plural einmal bh-haltige Endungen entstanden waren, eine Anlautvariante zugunsten der anderen durchgesetzt haben, und zwar zwecks ‘Strukturierung des Ausdrucksparadigmas’. Diese Hypothese hat gegenüber der Standarderklärung einen gravierenden Vorteil: Sie kann auf vergleichbare Entwicklungen beim Substantiv, Pronomen und Verb verweisen − die These einer lautlichen Angleichung völlig verschiedener Kasus kann dies nicht. Angleichungen zwischen verschiedenen Numeri eines einzigen Kasus kommen vor, solche zwischen verschiedenen Kasus eines einzigen Numerus hingegen nicht. 26 Daraus ergibt sich folgende Schlussfolgerung: Wenn, wie oben ausgeführt, sowohl die fraglichen Plural- als auch die Singularendungen vorgrundsprachlich sehr wahrscheinlich mit *m- anlauteten (Instr. Sg. *-mi, Instr. Pl. *-mis, Dat.-Abl. Pl. *-mos), darüber hinaus sowohl der Dativ-Ablativ als auch der Instrumental Plural später jedoch in mehreren Sprachzweigen einen Obstruenten *-bh- als Marker aufwiesen, wir zudem noch wissen, dass es im Dualparadigma keinerlei formale Differenzierung zwischen Dativ, Ablativ und Instrumental und somit nur eine einzige Kasusendung für alle drei Funktionen gab; dass sich ferner Singular, Dual und Plural nach Ausweis verschiedener idg. Sprachen gegenseitig beeinflussen konnten, dann könnte ‒ so die Überlegung ‒ der lautgesetzliche Ursprung der bh-Varianten eventuell im Dat.-Abl.-Instr. Dual zu suchen sein. Die syntaktischen Funktionen, die im Dual formal durch eine einzige Kasusendung ausgedrückt wurden, mussten im Plural durch zwei Endungen codiert werden. Falls tatsächlich der Dual der Ursprungsort der bhVarianten war, könnte das erklären, wieso sich das Element *-bh- in meh26 Die e-haltigen Instrumentalendungen sind kein Gegenbeweis für diese Aussage, da sie aus dem geschlechtigen Pronomen stammen, das zwischen o- und e-stufigen Endungen unterschied (siehe oben). 135 Svenja Bonmann reren Sprachzweigen ausgerechnet beim Dativ-Ablativ und Instrumental Plural findet und somit bei Kasus, die − soweit man das aus moderner Sicht beurteilen kann − keine besondere inhaltliche Nähe aufweisen. Die Erklärung wäre geradezu trivial: das Element *-bh- stammte aus einem Numerus, der für drei verschiedene Kasus nur eine Endung kannte. Da sich verschiedene Numeri zwecks Strukturierung des Ausdrucksparadigmas sowohl einzel- als auch grundsprachlich leicht beeinflussen können, wäre es durchaus möglich, dass das als Charakteristikum des dualischen Dativs, Ablativs und Instrumentals empfundene *-bh- auch auf korrespondierende Kasus in anderen Numeri übertragen werden konnte ‒ und das heißt in unserem Fall: auf älteres *-mis und *-mos.27 2.2 Interaktionen zwischen Pronominal- und Nominalflexion Darüber hinaus wissen wir, dass die Flexion der Substantive und Adjektive in verschiedenen indogermanischen Einzelsprachen mit derjenigen der geschlechtigen Pronomina interagiert. Das bekannteste Beispiel dürfte der Nominativ Plural der thematischen Stämme sein, dessen alte Endung *-ōs (< *-o-es) im Lateinischen, Griechischen, Balto-Slavischen, Tocharischen und Keltischen durch eine Endung *-oi̯ ersetzt wurde.28 Dass letztere Endung gerade nicht ursprünglich ist, zeigen u. a. das Altindische (dev-ā́s ‘Götter’), Gotische (dag-os ‘Tage’), Oskische (núvlan-ús ‘Nolaner’) sowie, indirekt, auch das Altirische (Vokativ (á) ḟir-u ‘Männer!’).29 Die alternative Endung *-oi̯ stammt von den geschlechtigen Pronomina (vgl. ai. té, aksl. ti, lit. tiẽ, gr. οἱ, got. þai < *toi̯ ) und muss von dort einzelsprachlich auf die Nominalparadigmen übertragen worden sein. Eine derartige Beeinflussung der Nominalflexion durch Kasusendungen der geschlechtigen Pronomina ist einzelsprachlich immer wieder aufgetreten. Es handelt sich hierbei um eine weitverbreitete Erscheinung. Weitere Beispiele wären: 27 28 29 Lit. zum idg. Dual ganz allgemein: Fritz (2000, 2011), Lühr (2000), Malzahn (1999, 2000). Beispiele: lat. serv-ī ‘Sklaven’, gr. θε-οί ‘Götter’, lit. výr-ai ‘Männer’, aksl. grad-i ‘Städte’, toch. B yakw-i ‘Pferde’, air. firL ‘Männer’. Erhaltung der alten Endung im Vokativ gemäß Kuryłowiczʼ viertem Gesetz der Analogie (Ersatz einer Form in ihrer primären Funktion, aber nicht in einer ihrer sekundären). 136 Überlegungen zur pronominalen Flexion • • • • • im Lateinischen der Genitiv Plural der 1. Deklination auf -ārum < *-eh2-som, desgleichen im Sabellischen (vgl. osk. egmazum ‘rerum’) sowie im mykenischen und homerischen Griechisch (myk. te-re-ta-o = τελεστᾱ́ων, hom θεᾱ́ων; zum Pronomen hom. τᾱ́ων); im Altenglischen (nordh. moncynn-æs ‘des Menschengeschlechts’), Altsächsischen (thiodan-as ‘des Königs’) und wahrscheinlich im Altpreußischen (deiw-as ‘Gottes’) ein Genitiv Singular auf *-oso (vgl. att. τοῦ, dor. τῶ < *to-so); im Gotischen demgegenüber ein Genitiv Singular auf *-eso, vgl. þiudan-is ‘des Königs’ (zu got. ƕis < *ku̯e-so, þis < *te-so); wohl der thematische Lokativ Plural auf *-oi̯ su (vgl. ai. -eṣu, aksl. -ěxъ, gr. dial. -οισι), dessen Diphthong vom Pronomen stammen dürfte; vermutlich auch der thematische Genitiv Singular auf *-osi̯ o (vgl. ved. vīr-ásya ‘des Mannes’, av. yasn-ahe ‘des Opfers’, gr. hom. θεοῖο ‘des Gottes’, alat. popli-osio ‘des Publius’, arm. get-oy ‘des Flusses’), da heth. arun-aš ‘des Meeres’ eventuell eine ältere, einfachere Genitiv-Endung *-os zeigt. Angesichts dieser weitverbreiteten Tendenz zur Interaktion halte ich es für durchaus möglich, dass es auch bei anderen Kasus Einkreuzungen pronominaler Endungen gab.30 Solch eine wechselseitige Interaktion kann außerdem bereits sehr früh erfolgt sein, noch bevor sich das grundsprachliche Dialektkontinuum in separate Gruppen auflöste. Möglicherweise stammen die bh-haltigen Endungen des Indoiranischen, Griechischen, Armenischen, Keltischen und Italischen also letztlich aus der Pronominalflexion, und dort, wie bereits angedeutet, aus dem Dualparadigma. 2.3 Die Formation der geschlechtigen Pronomina Weiterhin ist bekannt, dass der Singular der geschlechtigen Pronomina in einigen obliquen Kasus durch eine bereits grundsprachliche Erweiterung des eigentlichen Pronominalstammes durch ein Element *-sm- gekenn- 30 Matzinger (2001) gelangt zur gleichen Erkenntnis, zieht jedoch m. E. falsche Schlüsse daraus. 137 Svenja Bonmann zeichnet war.31 Dieses Formans kann plausibel und unkompliziert auf das idg. Zahlwort für ‘eins, einzig’ zurückgeführt werden. Die feminine Variante *-si̯ - dürfte ihrerseits lautgesetzlich auf älteres *-smi̯ - zurückgehen.32 Der Befund für das Maskulinum des anaphorischen Pronomens *so-/tolautet im Sg. wie folgt: Nom. Akk. Gen. Lok. Dat. Abl. Instr. *so *tom *to-si̯ o< *to-sm-i̯ o *to-sm-i(-n/-en) *to-sm-o-ei̯ *to-sm-o-h2ad *tō/*tē (vgl. ai. sá, gr. ὁ, toch. B se, got. sa etc.) (vgl. ai. tám, gr. τόν, lit. tą ̃, got. þana etc.) (vgl. ai. tásya, gr. hom. τοῖο, lit. tõ, got. þis) (vgl. ai. tásmin, lit. tamè) (vgl. ai. tásmai, lit. tám, aksl. tomu) (vgl. ai. tásmāt) (vgl. ai. ténā, lit. tuõ, got. þe) Für den Genitiv Singular lassen sich *to-si̯ o (m., n.) sowie *te-si̯ -eh2-s (f.) rekonstruieren (< *to-sm-i̯ o bzw. < *te-smi̯ -eh2-s, s. u. Kap. 7.1; daneben die Varianten *to-so und *te-so), der Lokativ erscheint in athematischer Gestalt als *to-sm-i (m., n.; häufig mit enklitischer Postposition *-n/-en) bzw. *te-si̯ -eh2-i. Die Einzelsprachen deuten, oberflächlich betrachtet, auf einen thematischen, erst spät kontrahierten Dativ *to-smo-ei̯ (m., n.) hin, thematisch flektierte scheinbar auch der Ablativ *to-smo-h2ad (m., n.).33 Der feminine Dativ lautete *te-si̯ -eh2-ei̯ . Offenkundig handelt es sich bei all diesen Formen um Tatpuruṣa-Komposita, bestehend aus dem Pronominalstamm, einem schwundstufigen Zahlwort *-sm- ‘eins’ (: fem. *-smi̯ - > *-si̯ -) und der jeweiligen Endung. Wir wissen also, dass die Singularfor31 32 33 Die Literatur zur Problematik ist schier unüberschaubar. Einen Überblick über ältere Deutungen bietet Szemerényi (1990: 216–218), von den übrigen Publikationen seien hervorgehoben Beekes (1988), Klingenschmitt (2005) und Kupfer (2002). Vgl. Gippert (2004) u. Goedegebuure (2006). Dies ist eine Folge der sog. ašnōRegel, wonach eine Lautfolge *CmnV den ersten Nasal verliert und sich noch idg. zu *CnV entwickelt (bzw. allgemein: *CN1N2V > *CN2V). Die Regel ist benannt nach dem Gen. Sg. av. ašnō, ai. áśnaḥ < *h2ek̑-n-es, zu idg. *h2ek̑-mon- ‘Stein’ (vgl. av. asman-, ai. áśman-, gr. ἄκµων etc.). Vgl. dazu auch Nussbaum (2010). Konkret zum Femininum des Zahlworts: idg. *sém ~ *sm-´ ‘eins’ (gr. Nom. m. εἷς, n. ἕν, toch. B Nom. m se) mit dem Femininum Nom. Sg. *smíh2 (hom. µία), aber Gen. Sg. *smi̯ éh2-es > *si̯ éh2-es (hom. ἰᾶς), Dat. Sg. *smi̯ éh2-ei̯ > *si̯ éh2-ei̯ (hom. ἰᾷ). Wie in Kap. 7.3 zu zeigen sein wird, ist diese Deutung trügerisch. 138 Überlegungen zur pronominalen Flexion men der geschlechtigen Pronomina zumindest in einigen obliquen Kasus eine Erweiterung des eigentlichen Stammes (d. h. *to-, *h1e-, *ku̯o-, *Hi̯ oetc.) durch das Wort für ‘eins’ aufwiesen. 34 Was lässt sich nun daraus schlussfolgern? Vordergründig zunächst einmal, dass es absolut logisch wäre, für den Dual eine vergleichbare Bildung mit einem Wort für ‘zwei’ zu erwarten. Im Plural wiederum liegt ein Element mit der Semantik von ‘viele, manche, einige, mehr’ o. ä. nahe. Es ergäbe sich folgendes Schema: (3) Sg. *to-smWz.-‘eins’Endung → Dual *to-?Wz.-‘zwei’Endung → Pl. *to-?Wz.-‘viele’(?)Endung Lassen wir den Plural fürs Erste beiseite und beschäftigen uns zunächst mit dem Dual. In welcher Gestalt hätte ‘zwei’ als Hinterglied eines solchen Kompositums erscheinen müssen? Da idg. *sem- ‘eins’ im pronominalen Kontext schwundstufig als *-sm- Verwendung findet (*to-sm-, *h1e-sm-), wäre für ‘zwei’ wohl mit einer vergleichbaren schwundstufigen Kompositionsform zu rechnen. Die allgemein übliche Verwendung des Wortes für ‘zwei’ in grundsprachlichen Komposita ist aber diejenige als Vorderglied *du̯i-, vgl. ved. dvi-pád- ‘zweifüßig’, gr. δί-ποδ-, ae. twi-fēte ‘Zwei-Füßer’, alat. dui-dent ‘Opfertier’, lit. dvi-kójis ‘zweibeinig’ etc. Wäre der Dual ähnlich aufgebaut wie der Singular, erwartete man ‘zwei’ jedoch als Hinterglied, und ein solches hätte mit nicht geringer Wahrscheinlichkeit eine andere Form gehabt. Vielleicht ist es − einer Anregung E. Hills zufolge − plausibel, mit einem alten Wurzelnomen *du- zu arbeiten. 35 Das sicher rekonstruierbare thematische *du̯o- (ai. dvā́, dváu, gr. δύω, lat. duo, lit. dù etc.) wäre dann ein dazugehöriges Derivat, das entweder ursprünglich ein possessives Verhältnis ausdrückte (‘zu beiden gehörig’ → ‘zwei’) oder schlichtweg eine formal thematisierte (und damit modernisierte?) Form darstellt. Dass es 34 35 Vgl. für die anderen Pronominalstämme bspw. umbr. Dat. esmei ‘diesem’ < *h1esm-ei̯ , süd-pik. Lok. esmín ‘in diesem’ < *h1e-sm-i-n, lat. Gen. eius, cuius < *h1esm-i̯ o(-s), *ku̯o-sm-i̯ o(-s), aav. jav. Abl. yahmāt̰ < *Hi̯ o-sm-o-h2ad usw. Athematisches *du wurde auch schon von Malzahn (1999: 221) vorgeschlagen. 139 Svenja Bonmann einst ein solches Wurzelnomen gab, wird durch die Existenz gerade dieser Kompositionsform *du̯i- nahegelegt, die auffallend einem Calandʼschen Vorderglied ähnelt; ein solches müsste dann analysiert werden als *du-i-. Zum Calandsystem gehören bekanntlich nicht nur kompositionelle Vorderglieder mit einem *-i- als Bindevokal, sondern eben auch Wurzelnomina. Möglicherweise könnte *du noch fossilisiert in lat. dū-plex, umbr. tuplak ‘doppelt, zweifach’ erhalten sein. Die Länge des lateinischen dū- erklärte sich in diesem Fall durch die auch andernorts zu beobachtende Dehnung betonter Monosyllaba auf Vokal, vgl. lat. nē, prō gegenüber ai. ná, prá. Lat. dū-plex und umbr. tu-plak zeigten dann eine bis ins Uritalische ererbte athematische Form *du. Ein weiterer Beleg dürfte in got. ags. wit, aisl. vit < *u̯e-du vorliegen (s. Kap. 5.2 für eine ausführliche Argumentation). In meinen Augen kann an der einstigen Existenz eines athematischen *du ‘beide, zwei’ also nicht gezweifelt werden. 2.4 Die idg. Wörter für ‘zwanzig’, ‘hundert’, ‘entzwei’ und ein vernachlässigtes Lautgesetz Für die weitere Argumentation ist es nötig, sich die Bildung des Wortes für ‘zwanzig’ in Erinnerung zu rufen (vgl. gr. att. εἴκοσι, hom. ἐείκοσι, dor. ϝίκατι, ved. viṁśatí-, av. vīsaiti, lat. vīgintī, mkymr. ugein(t), arm. k’san, toch. A wiki). Allgemein wird angenommen, dass dieses ein Derivat des Wortes für ‘zehn’ darstellt − namentlich in Gestalt einer Dualform *du̯ih1dk̑m̥ti-h1 > *u̯ih1k̑n̥ti-h1 > *u̯īk̑n̥tī mit einer Dissimilation der Dentale und einer bemerkenswerten Entwicklung von *d > *h1 vor dem Velar, 36 die sich so aber wohl auch in gr. ἑκατόν ‘hundert’ < *h1k̑m̥tóm < *dk̑m̥tóm findet. Die idg. Wörter für ‘zwanzig’ (übliche Rekonstruktion: *du̯ih1dk̑m̥ti-h1 bzw. *u̯īk̑n̥tī, stattdessen besser: *du̯i-dk̑m̥ti-h1 > *h1u̯i-h1k̑m̥ti-h1) und ‘hundert’ (üblich: *k̑m̥tóm, besser: *dk̑m̥tóm > *h1k̑m̥tóm) legen einen Lautwandel *dk̑m̥ > *h1k̑m̥- nahe, den Kortlandt auf attraktive Art und Weise mit seiner modifizierten Glottaltheorie erklären möchte.37 36 37 Das angegebene Rekonstrukt *du̯ih1-dk̑m̥ti-h1 nach Fortson (2010: 146). Vgl. Kortlandt (1983). Vgl. auch gr. πεντήκοντα < *penku̯e-h1k̑m̥t-h2 als Hinweis auf *h1 (oder etwas Ähnliches) als Dissimilationsprodukt von *d. 140 Überlegungen zur pronominalen Flexion Demnach sei die Media *d − genau wie die anderen Mediae *b, *g, *g̑ und *gu̯ − eher als präglottalisierte Lenis *ɂd aufzufassen, deren subphonemische Glottalisation nach der Dissimilation als Glottisverschluss (engl. glottal stop) übrig blieb. Kortlandt zufolge sei es wahrscheinlich, dass »the buccal features of the initial consonant were lost while its glottalic feature merged with the reflex of the PIE laryngeal *H1«.38 Die idg. Lexeme für ‘zwanzig’ und ‘hundert’ legen also nahe, dass es bereits vor- bzw. früh-idg. zu einem lautgesetzlichen Schwund von *d vor anderen Plosiven kam, wobei die Media sich zu einem Laut entwickelte, der *h1 ähnelte.39 Die Lexeme für ‘zwanzig’ und ‘hundert’ implizieren dabei, dass der Kontext nicht nur einen folgenden Plosiv, sondern wahrscheinlich auch einen folgenden silbischen Resonanten umfasste. Für die sichere Etablierung eines solchen hypothetischen Lautgesetzes *dCR̥ > *h1CR̥ (wobei C = beliebiger Konsonant, R̥ = beliebiger silbischer Resonant) ist natürlich weitere Evidenz jenseits der Numeralia vonnöten. Diese gibt es tatsächlich, und sie zeigt uns, dass das Lautgesetz noch ein wenig modifiziert werden muss. Wie Lubotsky (1994) zeigen konnte, müssen wir auch für das iir. Präverb *u̯i (ai. ví, av. vı̄̆, ap. vi) ‘auseinander, entzwei’ eine ähnliche Entwicklung annehmen. Traditionell wurde eine etymologische Verwandtschaft mit *du̯i ‘entzwei’ als wahrscheinlich angesehen, doch ist eine Entwicklung *du̯i- > iir. *u̯i keineswegs phonetisch regulär, wie ai. dvíḥ, av. biš < *du̯is (~ gr. δίς, alat. duis etc.) beweisen. Lubotsky konnte zeigen, dass die durchgängig lange Messung des Augments von ai. ávidhat ‘er teilte zu’ auf eine Verbalwurzel *Hu̯idh- deutet. Da nun ai. ávidhat aus dem Präverb ví und der Verbalwurzel dhā ‘legen, stellen’ besteht, bedeutet das zwangsläufig, dass iir. *u̯i- eigentlich *Hu̯iwar. Folgt man Lubotsky, so muss der initiale Laryngal der gleiche Reflex 38 39 Kortlandt (1983: 98). Typologisch ist es jedoch nicht ungewöhnlich, dass *d vor anderen Plosiven zu einem Glottisverschluss wird bzw. zu einem Laut, der den idg. Laryngalen ähnelt. Ähnliches kennt man bspw. aus dem Samoyedischen (mündlicher Hinweis E. Hills). Alternativlos ist die glottalische Deutung also nicht. Vor-/Früh-idg. deshalb, weil toch. A känt auf *(h1)k̑m̥tóm deutet. *dk̑m̥tóm hätte stattdessen wohl etwas wie A *tskänt ergeben. Der Wandel muss also mindestens bis in die Zeit reichen, bevor das Tocharische aus dem Dialektkontinuum ausschied. Die anatolische Evidenz ist leider nicht eindeutig, doch sollte lyk. sñta tatsächlich ‘hundert’ bedeuten, wäre der Wandel *dk̑m̥tóm > *h1k̑m̥tóm gemein-idg. Vgl. dazu auch Kloekhorst (2014: 54). 141 Svenja Bonmann von *d sein (da *Hu̯i < *du̯i), der sich auch in *dk̑m̥tóm > *h1k̑m̥tóm findet – also *h1 (oder etwas Ähnliches). Wie Lubotsky (1994: 204) selbst anführt, deuten lat. (dī)videre und toch. AB wätk (Kaus.) ‘teilen’ dabei auf eine bereits ur-idg. Dissimilation in *dui-dheh1 > *(h1)u̯i-dheh1-. Nun stellt sich die Frage, wieso man in diesem Wort eine Entwicklung *du̯i > *h1u̯i findet, nicht jedoch in *du̯is. Lubotsky argumentiert wie folgt: Außerhalb des Indoiranischen findet man ein Element *Hu̯i- (bzw. *h1u̯i-) ‒ abgesehen von den gerade genannten lat. (dī)videre und toch. AB wätk ‘teilen’ ‒ nur in got. wiþra, ahd. widar ‘gegen’, aksl. vьtor- ‘zweiter’ (Codex Suprasliensis, sonst vъtor-), vielleicht auch in lat. vītricus ‘Stiefvater’ (= zweiter Vater). Eine iir. Entsprechung finden diese Lexeme in ai. vitarám ‘weiter’, av. vītarəm ‘neben’, vītara- ‘folgend, weiter’. Rekonstruierbar sei beim letztgenannten Wort idg. *h1u̯i-tero- < *du̯i-tero-. Betrachte man all diese Fälle, so sei es »remarkable that outside IIr. the preverb is only attested before dentals in the next syllable«, was impliziere, dass die Form *Hu̯i- »due to dissimilatory loss of the initial *d- in forms like *du̯itero-« sei (1994: 203). Damit präsentiert Lubotsky wohl die Lösung für die oben gestellte Frage nach den genauen Umständen des Wandels von *d- zu *h1-. Offenbar ist es die Nachbarschaft eines anderen Dentals, die sowohl in *du̯i-tero- als auch in *dk̑m̥tóm und *du̯i-dk̑m̥ti-h1 jeweils zu einem dissimilatorischen Verlust des *d- führt. 40 Bei *du̯i-dk̑m̥ti-h1 erfolgte dieser wahrscheinlich zuerst beim initialen *d, und erst danach beim folgenden (*du̯i-dk̑m̥ti-h1 > *h1u̯i-dk̑m̥ti-h1 > *h1u̯i-h1k̑m̥ti-h1), da sich schwer verstehen lässt, wie von einer alternativen Form *du̯i-h1k̑m̥ti-h1 (mit primärem Schwund des zweiten *d) aus dann noch der initiale Plosiv dissimilatorisch hätte schwinden 40 Dass tatsächlich aus älterem *du̯i-dk̑m̥ti-h1 jüngeres *h1u̯i-h1k̑n̥ti-h1 wurde, wird z. B. durch gr. hom. ἐείκοσι nahegelegt. Warum böot. ϝῑ́κατι und arm. kcsan ‘zwanzig’ keine Spur des anlautenden Laryngals zeigen, bleibt unklar. Wie Kloekhorst (2014: 55) anführt, deuten aber auch air. fiche ‘zwanzig’ und mkymr. figgit auf ein kurzes *-i-; und auch in toch. A wiki, toch. B ikäṃ zeigt sich keine Spur eines Laryngals beim Hinterglied. Hier scheint die Dissimilation des *d in -dk̑m̥ti- seltsamerweise keinerlei Spuren hinterlassen zu haben. Das könnte vielleicht dafür sprechen, dass das Dissimilationsprodukt von *d eben doch nicht exakt *h1 entsprach. Versuchsweise könnte man eventuell mit [h] als phonetischer Entsprechung von *h1 rechnen und mit [ɂ] für das Dissimilationsprodukt. Der Einfachheit halber notiere ich letzteres dennoch als h1, da es ja, wie der initiale Laut von gr. hom. ἐείκοσι oder ἑκατόν zeigt, im Gr. als ε aufscheint ‒ genau wie *h̥1. 142 Überlegungen zur pronominalen Flexion können. Unter Kortlandts Annahme eines präglottalisierten Plosivs *ɂd erklärte sich diese Dissimilation leicht als Schwund des dentalen Verschlusslautes in Nachbarschaft eines anderen, mit einem Überdauern des vorher subphonemischen glottalischen Anteils. Wir können also den Lautwandel präziser formulieren: *d > *h1 / _{CR̥D}, wobei D = dentaler Plosiv, also *t, *d oder *dh.41 Lubotsky (1994: 204) liefert noch weitere Beispiele für eine Entwicklung von *d > *h1: ai. dāśvā́ṃs- ‘fromm’ dürfte ein altes Partizip Perfekt zur Wurzel *dek̑- ‘(an, auf-)nehmen, wahrnehmen’ sein und dementsprechend *de-dk̑-u̯ós- > *de-h1k̑-u̯ós- reflektieren. Hier findet sich jedoch kein Dental in der Folgesilbe, sondern stattdessen in der vorangehenden Reduplikationssilbe.42 Eventuell galt also auch *d > *h1 / {DV}_{C}. Erhärtet wird diese Vermutung auch durch ved. dīkṣate ‘weiht sich’ < *di-h1k̑-sé- < Desiderativ *di-dk̑-sé-.43 2.5 Die Endung des Nominativ-Akkusativ Dual Diese Deutung hat weitreichende Implikationen. Die Endung des Nominativ-Akkusativ Dual wird üblicherweise als *-h1 rekonstruiert (z. B. bei den u-Stämmen *-u-h1), mit den Varianten *-o-h1 (thematisch, m.), *-o-i̯ h1 (thematisch, n.), *-eh2-ih1 (eh2-Stämme) und *-h1e (C-Stämme).44 Einige Beispiele: 41 42 43 44 Vedisch dvitā́, aav. daibitā (Y. 49,2) ‘nach wie vor, jetzt wie früher, ein weiteres Mal’ oder ved. dvitı̄ ́ya- ‘der zweite, Begleiter, Gefährte, Freund’, aav. daibitiiatīm ‘ein zweites Mal’ können dann nicht alt sein. Jedenfalls, wenn man nicht mit einem *-t- in den obliquen Kasus und damit einer alten Heteroklisie rechnen möchte, wie es z. B. das Griechische (εἰδώς, εἰδότος) oder Germanische (got. weitwo-þ-s) nahelegen könnten. Eine sekundäre, einzelsprachliche Entstehung ist aber m. E. wahrscheinlicher; vgl. auch Rix (1992: 235). Das implizierte, nebenbei bemerkt, dass der Reduplikationsvokal in *di-dk̑-sébereits vor-idg. ausschließlich vokalisch artikuliert wurde und spräche für die Existenz zweier verschiedener vor-idg. Phoneme /i/ und /i̯ /, mit anderen Worten: für einen reinen Vokal und einen reinen Halbvokal. Lit.: Oettinger (1988), Malzahn (1999), Fritz (2011). 143 Svenja Bonmann u-Stämme: o-Stämme, m.: o-Stämme, n.: ā-Stämme: C-Stämme: C-Stämme, n.: ai. sūnū́, aksl. syny, lit. sū́nu ‘Söhne’, av. mainiiu ‘Geister’. ai. vŕ̥kā/-au, lit. vilkù ‘Wölfe’, aksl. boga ‘Götter’, gr. ἵππω ‘Pferde’. ai. yugé, aksl. izě, gr. ζυγώ ‘Joche’. ai. śípre ‘Lippen’, aksl. rǫcě, lit. rankì ‘Hände’, apr. strannay ‘Lenden’, air. mnaí ‘Frauen’. ai. pitár-ā/-au, gr. πατέρ-ε, air. athir ‘Väter’, alit. žmûne ‘Männer’. gr. ὄσσε, aksl. oči ‘Augen’ (< *h3(e)ku̯-ih1). Angesichts der soeben vorgestellten Möglichkeit eines Wandels *d > *h1 / {DV}_{C} ist es eine attraktive Idee, die Nominativ-Endung *-h1 auf das Wort für ‘zwei’ zurückzuführen.45 Der Grund dafür ist folgender: Es ist eine bekannte Tatsache, dass im Nom.-Akk. Dual gelegentlich ein Element -u begegnet, vgl. ai. vŕ̥kā(u) ‘die beiden Wölfe’, av. varǝnå (Y. 30,2), ae. nasu ‘Nase’, duru ‘Tür’, 46 air. dáu ‘zwei’. 47 Das Indoiranische und, in Resten, zwei andere idg. Sprachzweige scheinen also eine fakultative Er45 46 47 Ähnliche Deutung auch bei Malzahn (1999: 221). Ihre Erklärung des Wandels *du > *h1u ist jedoch m. E. unbefriedigend (»im Schwachton, d. h. bei enklitischem Antritt von athematischem *du an einen Dual«). Bereits früher hatte Hollifield (1980: 48) an einen Nom. Dual *-oh1u gedacht − mit einem *h1u als »numerical element meaning ʻtwoʼ«. Fritz (2011: 70) lehnt eine Endung *-oh1u unverständlicherweise kategorisch ab. Ae. nasu ‘Nase’, duru ‘Tür’ < *-ō oder *-ōu̯, streng genommen also nicht eindeutig. Eine Notiz am Rande: Die Endung des Lok. Sg. der u-Stämme im Avestischen tritt (abseits der regulären bzw. erwarteten Endung -āu, vgl. aav. jav. vaŋhāu = ved. vásau) im Altavestischen gelegentlich auch als -å in Erscheinung, vgl. aav. xratå, pǝrǝtå (Y. 51,13) gegenüber ved. krátau. Das lässt den Schluss zu, dass av. -å# also auch urarisches *-āu# repräsentiert. Stimmt das (mit anderen Worten: -å ist kein Schreibfehler, wie z. B. von Hoffmann & Forssman 2004: 130 unterstellt), so bietet uns das die Möglichkeit, andere avestische Formen auf -å# zu interpretieren. Eine dieser Formen ist der Nom. Dual varǝnå (Y. 30,2). Wenn unsere Schlussfolgerung richtig ist, müsste varǝnå eine dualische Nominativ-Endung -āu auch für das Iranische bezeugen; sie wäre dann gemein-indoiranisch. Man könnte sogar noch weiter gehen: Auch der avestische Gen. Dual auf -å, der bislang vollkommen unerklärt ist, könnte recht einfach auf iir. *-Hāu̯ zurückgeführt werden, d. h. auf eine (sekundär?) dehnstufige Variante der Lokativendung aav. -ō, aksl. -u, lit. -aũ < idg. *-Hou̯. Das ließe ved. -os mit dem auslautenden Sibilanten isoliert dastehen. Kritisch jedoch Cowgill (1985a: 20ff.). 144 Überlegungen zur pronominalen Flexion weiterung der Endung *-ō < *-oh1 durch einen Halbvokal gekannt zu haben, sodass hier neben *-oh1 auch *-oh1u̯ existierte. Synchron lässt sich dieser Halbvokal nicht erklären; und da er sich in drei derart peripheren Sprachzweigen des Indogermanischen findet (Indoiranisch, Keltisch, Germanisch), wird es sich mit einiger Wahrscheinlichkeit um etwas Altes, Ererbtes handeln. Wenn wir davon ausgehen, dass in vor-idg. Zeit eine Charakterisierung der Zweizahl durch *du natürlich und naheliegend war (wie später mit der thematischen Variante *-du̯o-, vgl. lit. Nom.-Akk. Dual m. tuõ-du, f. tiẽ-dvi), dann gelangen wir beim Demonstrativum *to- zu einem Postulat vor-idg. *to-du. Kommt nun das angesprochene Lautgesetz *d > *h1 / {DV}_{C} bei *to-du zur Anwendung, erklärt sich die Dual-Endung auf einen Schlag. Wenn *d > *h1 / {DV}_{C} galt, ergäbe sich aus *to-du zwangsläufig *toh1u̯. Da diese Entwicklung noch vor-idg. stattgefunden hätte, wäre der Resonant *-u unsilbisch realisiert worden – genau wie im Akk. Sg. der eh2Stämme *-eh2-m zu *-ām wurde (statt eigentlich erwartetem †-ah2-m̥).48 Daraus hätte sich nachgrundsprachlich, d. h. nach Laryngalschwund und Ersatzdehnung, *tō(u̯) ergeben − und das ist exakt das, was wir vorfinden (ai. táu, gr. τώ, lit. tuõ-du,49 aksl. ta). Der wahlweise auftretende oder fehlende Halbvokal verdankte sich dann verschiedenen Sandhi-Kontexten (d. h. antevokalisch *-h1u̯; antekonsonantisch und in Pausa *-h1).50 Von der Pronominalflexion aus hätte dann wiederum leicht die Endung auf die Substantivflexion übergehen können, und hier natürlich in erster Linie auf die thematischen Stämme. Zusätzlich hätte sie auch auf das Zahlwort selbst überspringen können, sodass früher oder später *du zu *du̯-oh1(u̯) geworden wäre. Die femininen und neutralen Endungen, die durch ein *-i- gekennzeichnet sind, könnten ihre Existenz vielleicht einer Beeinflussung durch die Motionsfeminina und neutrischen Kollektiva auf *-i-h2 verdanken, sodass hier sekundär ein Nom. *-i-h1 gebildet wurde. Das bleibt jedoch Spekulation. Einzig die Endung der belebten Konsonantenstämme, *-h1e, bliebe auch weiterhin vollkommen rätselhaft. 48 49 50 Mit anderen Worten: *to-du = /toɂdu̯/. Mit Metatonie in Einsilblern, tuõ < *túo, genau wie im Nom. Pl. tiẽ < *tíe (vgl. lett. tiẽ oder die Endung der Adjektive lit. -ì < *-íe). Vgl. Malzahn (1999: 212). 145 Svenja Bonmann Die Implikationen dieser Herleitung wären folgende: 1. Der Nom.-Akk. Dual war ursprünglich wohl endungslos, genau wie der Nom. Sg. (vgl. ai. sá, gr. ὁ, got. sa, toch. B se < *so);51 2. Wir finden deshalb beim Demonstrativum *to- kein Hinterglied *-du(-), weil sich ein solches hier schon vor-idg. regulär zu *-h1u̯(-) weiterentwickelt hatte; 3. Die Endung des Nom-Akk. Dual der maskulinen Substantive und Adjektive (*-ō bzw. *-ōu̯) stammt letztlich aus dem Pronominalparadigma des Demonstrativums *to-; 4. Die rekonstruierbare grammatische bzw. Numeruskategorie des Duals dürfte aus einer lexikalischen entstanden sein. Nebenbei bemerkt wäre der Nominativ Singular neutrum, idg. *tod (vgl. ai. tát, got. þat-a, lat. is-tud, toch. B te etc.) kein valides Gegenargument für die hier dargebotene Erklärung des Nom. Dual, da beim Neutrum nicht der erforderliche Kontext vorhanden war. Bei der Dualform *to-du konnte das Lautgesetz *d > *h1 / {DV}_{C} wirken, beim Nom. Sg. n. *to-d mangels eines Konsonanten hinter *d nicht. Da *d hier im Auslaut stand und wir wissen, dass der Auslaut die Artikulation des Dentals in einer nicht genau zu bestimmenden Art und Weise veränderte (Ungelöst? Implosiv? Vgl. av. -t̰ ), konnte sich *d auch nicht zu *h1 entwickeln. 2.6 Die Endung des Dativ-Ablativ-Instrumental Dual Wenn dieser Lautwandel, *d > *h1 / {DV}_{C}, also tatsächlich existierte, so stellt sich die Frage, ob der hypothetische oblique Dualstamm ähnlich gebaut war wie der Nominativ-Akkusativ *to-du. Wenn dem so wäre, müsste mit einer vergleichbaren Entwicklung gerechnet werden (*to-du- > *to-h1u̯-). An diesen Obliquusstamm wäre aber noch – je nachdem, welcher Kasus gefordert war – eine spezifische Endung angetreten, und dieser wollen wir uns nun zuwenden. Die einzelnen Sprachen gehen in der genauen Endung des Dat.-Abl.Instr. Dual auseinander. Eine Rekonstruktion der grundsprachlichen En- 51 Vgl. zur Endungslosigkeit des pronominalen Nom. Sg. Beekes (1988: 75). 146 Überlegungen zur pronominalen Flexion dung ist bislang nicht gelungen. 52 Eine Auflistung vergegenwärtigt die Verschiedenheit der einzelsprachlichen Endungen: Für die thematischen Stämme lautet sie ai. (áśve)-bhyām, av. (aspaē)-biiā̆, vereinzelt auch -biiąm (jav. bruuat̰ .biiąm ‘Augenbrauen’); air. feraibN; gr. -οιϊν (hom. ἵπποιϊν ‘den beiden Pferden’, att. ἵπποιν, myk. wa-na-so-i, i.e. Ϝανάσσοιϊν ‘den beiden Herrinnen/Königinnen’), aber ark. -οιυν (z. B. in ∆ιδύµοιυν); lit. Dat. (dievá)-m, Instr. (dieva)-m̃;53 aksl. -ma. Bei anderen Stammklassen bleiben die Endungen gleich, vgl. ai. sūnúbhyām (u-Stamm, ‘den Söhnen’), pitŕ̥bhyām (C-Stamm, ‘den Vätern’), av. nərəbiia (C-Stamm, ‘den Männern’), aksl. synъma, lit. Dat. sūnùm, Instr. -um̃ (u-Stamm, ‘den Söhnen’). Für das Demonstrativpronomen ist die Evidenz auf das Altindische und Balto-Slavische beschränkt, vgl. ai. tā́bhyām, aksl. těma, lit. Dat. tíemdviem, Instr. tiẽm-dviem. Als individuelle Vorstufen müssen angesetzt werden: • • • • • iir. *-bhi̯ ā(m), vor-irisch *-o-bhiN, ur-gr. *-oi̯ -i̯ in oder *-oi̯ -i̯ un, ur-slav. *-mā (< *-mō oder *-mā) sowie ur-ostbalt. Dat. *-o̍-mV, Instr. *-o-mV̍.54 Meines Erachtens lassen sich diese auf den ersten Blick stark voneinander abweichenden Formen vergleichsweise einfach auf eine einzige, ablautende Endung zurückführen. Zugrunde liegt demnach vor-idg. o-stufig *-ih1oum, e-stufig *-ih1eum sowie schwundstufig *-ih1um. 55 Ablautende Endungen kennen wir z. B. auch vom athematischen Genitiv-Ablativ Singular (mit den Varianten *-s, *-es, *-os); diese sind also prinzipiell nichts 52 53 54 55 Vgl. Fortson (2010: 117): »The other cases of the dual cannot be reconstructed because the paradigms of the daughter languages differ too sharply from one another.« Mit anderen Worten: fallende Intonation beim Dativ dievám, steigende beim Instrumental dievam̃, vgl. Stang (1966: 185). Der Unterschied ist sicherlich sekundär. Bei den ē-Stämmen findet sich bei Daukša dwiémi żuwéłemi (Post. 297,299, vgl. Stang 1966: 205). Vielleicht also lit. Dat. Dual *-o̍ -mi, Instr. Dual *-o-mı̍ . Nota bene: Die ablautende Endung vor-idg. *-ih1oum/*-ih1eum/*-ih1um ist angesichts der besonderen Syllabifizierungsregeln des Vor-Idg. in allen Varianten einsilbig zu verstehen (also *-i̯ h1ou̯m). Der Ansatz von *h1 an genau dieser Stelle wird im Folgenden begründet. 147 Svenja Bonmann Ungewöhnliches. Der konkrete Ansatz einer Endung vor-idg. *-ih1oum/ *-ih1eum/*-ih1um ist gleich aus mehreren Gründen attraktiv: • • 56 57 58 Schwundstufiges *-ih1um wäre direkt überliefert in gr. ark. -οιυν (z. B. ∆ιδύµοιυν).56 Wie myk. wa-na-so-i Ϝανάσσοιϊν (dadurch ausgeschlossen: urgriechisch †-oi̯ -u̯in) und die Silbentrennung im Homerischen zeigen (z. B. ἵπποιϊν ‘den beiden Pferden’), muss hier einst urgr. *-oi̯ i̯ un bzw. eine sekundäre, unkompliziert durch eine Vokalassimilation erklärbare Variante *-oi̯ i̯ in vorgelegen haben. 57 Der geminierte Halbvokal hinter dem Themavokal deutet dabei auf eine Folge *-i̯ H-. Zur Entwicklung *-o-i̯ h1um > *-oi̯ -i̯ um vgl. bspw. die 1. Sg. Opt. Akt. arkadisch ἐξελαύνοια ‘ich würde heraustreiben’ < *-oi̯ i̯ a < *-oi̯ h1m̥.58 Die o-stufige Variante *-i̯ h1ou̯m hätte sich mit großer Wahrscheinlichkeit noch grundsprachlich zu *-i̯ ou̯m entwickelt, d. h. den Laryngal verloren. Grund hierfür ist der Schwund von *h1 in einer Sequenz *-CRHV-, wie man ihn gut von Kompositionshintergliedern kennt (sog. νεογνός-Regel nach dem Musterbeispiel gr. νεογνός ‘neugeboren’ < *neu̯o-g̑no- < *neu̯o-g̑nh1o-). Da die Endung vor-idg. *-i̯ h1ou̯m an das Kompositionshinterglied *-du̯trat, dürfte sich die Endung in *to-du̯-i̯ h1ou̯m früher oder später regulär zu *-i̯ ou̯m entwickelt haben. Der gleiche Schwund zeigt sich auch in reduplizierten Präsensbildungen (vgl. g̑i-g̑nh1e- > g̑i-g̑ne-, vgl. gr. γί-γν-ε-ται, lat. gi-gn-i-t), mit anderen Worten: vor idg. *e (*-CRHe- > *-CRe-). Meines Erachtens ist es nicht unplausibel, Contra Deplazes (1991: 172 ff.). Deplazesʼ eigener Erklärungsversuch − dass nämlich gr. -οιϊν bzw. -οιυν rezente, nachmykenische Bildungen nach dem Lokativ Plural seien − wird durch myk. wa-na-so-i Ϝανάσσοιϊν ‘den beiden Herrinnen/Königinnen’ klar widerlegt. Die Endungen -οιϊν bzw. -οιυν sind eindeutig alt. Fritz (2011: 60) erwähnt noch eine weitere myk. oblique Dualform, ka-ra-o-i /krāoiin/ (Ta 707, Ta 722, PY Na 1038). So auch Friz (2011: 60). Durch diese Optativform wird Malzahns Kritik augenblicklich gegenstandslos (»Im Griechischen ist aber eine direkte Herleitung von -οιι/υν aus *-oi̯ h1- nicht möglich, da eine Folge -i̯ H- sonst nicht zu -i̯ i̯̯ - verschärft wird«, vgl. Malzahn 1999: 222, Fn. 35). 148 Überlegungen zur pronominalen Flexion • • • 59 60 61 demnach auch für die e-stufige Endungsvariante vor-idg. *-i̯ h1eu̯m eine Entwicklung hin zu *-i̯ eu̯m anzunehmen. *-i̯ h1ou̯m > *-i̯ ou̯m hätte sich im Zuge der Lex Stang vollkommen unauffällig zu früh-idg. *-i̯ ō(m) weiterentwickelt, e-stufiges *-i̯ h1eu̯m seinerseits zu *-i̯ ēm. Nicht jeder Langvokal muss auf einen Laryngal zurückgehen. Dass auslautendes *m – genau wie *n oder *i̯ – nach *ō sandhibedingt schwinden konnte, wird durch den Nom. Sg. des Personalpronomens der ersten Person erwiesen, vgl. ai. ahám, jav. azəm, aksl. (j)azъ, runisch. -eka, -ka, aschw. iak < *h1eg̑H-om, aber lat. egō, fal. eko, eqo, ven. .e.go, ahd. ihha, gr. ἐγώ, hom. dor. lesb. ἐγών < *h1eg̑H-ō(m).59 *-i̯ h1ou̯m harmoniert mit den Dual-Endungen für den Genitiv und Lokativ. Deren Endung lässt sich zwar auf den ersten Blick als *-ou̯(s) rekonstruieren (vgl. ai. -os, av. -ā̊ < *-ā (Gen.), -uuō < *-au̯ (Lok.), aksl. -u, lit. -aũ).60 Dabei zwingen uns aber das Vedische und Avestische, die Rekonstruktion um den Ansatz eines Laryngals zu verfeinern, vgl. aav. Gen. Dual mainiuuā̊ ‘der beiden Geister’ < *mani̯ -uu̯āh < *mani̯ -u-Hās oder ved. pitrós, das nicht selten dreisilbig zu messen ist.61 Das geschlechtige Pronomen zeigt interessanterweise eine Variante mit anlautendem Halbvokal *-i̯ (vgl. ai. táyos, aksl. toju), die vielleicht älter ist, auf jeden Fall aber auch bei der thematischen Flexion zur Anwendung kommt (vgl. jav. Gen. vīraiiā̊ ‘der beiden Männer’, ved. -ayos). Kombiniert man die nominale Endung *-Hou̯(s) mit diesem Halbvokal, ergibt sich idg. *(-i̯ )-Hou̯(s) für den Gen.-Lok. Dual ‒ und das wiederum kommt dem postulierten Dat.-Abl.-Instr. Dual *-ih1oum/*-ih1eum/ *-ih1um auffallend nahe. schwundstufiges *-ih1um (d. h. *-i̯ h1u̯m) hätte sich wohl lautgesetzlich zu *-ih1m entwickelt, sofern nämlich *h1 hier als Resonant geVgl. Schmidt (1978 : 21 ff.). Diese Rekonstruktion ist angesichts der hom., dor. und lesb. Formen naheliegender als herkömmliches *h1eg̑-oH/*h1eg̑-Hom. Bspw. in lit. pusiáu ‘halb’. Könnte homerisch ἀµφουδίς ‘mit beiden (Händen)’ ebenfalls noch den Lok. Dual enthalten (d. h. ἀµφου-)? Auch wenn *pitrHau̯s eigentlich ai. †pitiros ergeben sollte. Literatur zu ai. pitrós und zur metrischen Besonderheit des avestischen Gen. Dual auf athem. -ā̊, them. -aiiā̊ < iir. *-Hās: Hoffmann (1976: 561, Fn. 2), Hoffmann/Narten (1989: 47 f., Anm. 42). 149 Svenja Bonmann wertet werden darf und ein Konsonant voranging (schematisch: *CR1R2R3R4 > *CR1R2R4; wobei R = *i, u, m, n, r, l, h1, h2, h3). Arkadisch -οιυν zeigt uns, dass die Sequenz *-ih1um hinter dem Themavokal unverändert erhalten blieb (d. h. *-oR1R2R3R4 bleibt *-oR1R2R3R4), doch wäre der Kontext bei *to-du-ih1um (> *to-h1bhi̯ h1u̯m > *to-h1bh-ih1m, s. Kap. 2.7) ein anderer. Wie an der 1. Pl. Indikativ Akt. von idg. *k̑l̥ néu̯- ~ *k̑l̥ nu- ‘hören’ gut beobachtet werden kann, schwand idg. *u offenbar in einer Sequenz *CRRuR (bzw. als R3 in *CR1R2R3R4), 62 vgl. die 1. Pl. Ind. Akt. vor-idg. *k̑l̥ nu-mé-s > *k̑l̥ n-mé-s > ai. śr̥ṇ-más (mit der gleichen Entwicklung auch im Injunktiv, vgl. ai. śr̥ṇ-má). Da wir wissen, dass Laryngale im Vor-Idg. funktional den Resonanten ähnelten (vgl. Stangs Gesetz, das auch im Akk. Sg. der eh2-Stämme wirkte: *-eh2m > *-ām, nicht †-ah2m̥) wäre eine Entwicklung *CR1HR2R3 > *CR1HR3 mit einem Laryngal anstelle des zweiten Resonanten nicht allzu überraschend.63 62 63 Vgl. Hill (2012: 175ff.). Bildungen wie ved. dyumná-, aav. diuuamnəm ‘Himmelsherrlichkeit’, ved. nr̥mṇá- ‘Mannhaftigkeit’ können demnach nicht alt sein. Ein weiterer Beleg für den Schwund des dritten von vier aufeinanderfolgenden Resonanten − auch ohne folgenden Vokal, d. h. *CR1R2R3R4# > *CR1R2R4# − dürfte m. E. in ved. pra-div-í ‘fort und fort, täglich wieder’ vorliegen. Wie dessen avestisches Pendant – vgl. aav. fraidiuuā ‘immer wieder’ (Y 32,14) – zeigt, handelt es sich hierbei um eine Phrase im Instrumental Sg. zu idg. *di̯ éu̯- ‘Tag, Himmel’ (wörtl. also wohl ‘mit jedem Tag’ o. ä.). Die avestische Form zeigt die reguläre iir. Instrumentalendung auf Langvokal, die vedische nicht. Vedisch pra-div-í sieht zwar synchron wie ein Lokativ aus, kann aber vollkommen regulär einen alten Instrumental fortsetzen, falls es nämlich eine Entwicklung (*pro) *diu-mi > (*pro) *diu̯-i bezeugt. Das Vedische hätte dann eine hochaltertümliche Phrase unverändert bewahrt, das Avestische den bis ins Indoiranische ererbten Ausdruck normalisiert bzw. geneuert. Da in idg. *k̑l̥ nu-mé-s > *k̑l̥ n-mé-s > ai. śr̥ṇ-más der dritte Resonant in der Sequenz *CR1R2R3R4 schwindet (bzw. der zweite von rechts), wäre bei *diu-mi parallel mit einem Schwund des dritten Resonanten (d. h. *m) zu rechnen. Nebenbei wäre damit auch für das Indoiranische die einstige Existenz m-haltiger Instrumentale erwiesen. Der Resonantenschwund dürfte dabei mit der besonderen vor-idg. Syllabifizierung zusammenhängen (d. h. Vereinfachung eines Konsonantenclusters). Ein direkter Beleg für die postulierte Entwicklung *CR1HR2R3 > *CR1HR3 ist mangels entsprechender Kontexte schwierig beizubringen, dennoch halte ich den Ausfall eines *u (bzw. eines Resonanten) auch hinter einem Laryngal für grundsätzlich möglich. Wenn Laryngale sich vorgrundsprachlich wie Resonanten verhielten (vgl. 150 Überlegungen zur pronominalen Flexion Die Vorteile eines Ansatzes von vor-idg. *-ih1oum/*-ih1eum/*-ih1um sind offensichtlich: die Endung wäre parallel gebaut zum Gen.-Lok. Dual auf *(-i̯ )-Hou̯(s), die nicht unerhebliche einzelsprachliche Variation (ai. áśvebhyām, av. aspaē-biiā̆, air. feraibN, gr. hom. ἵπποιϊν etc.) ließe sich durch ablautende Endungsvarianten erklären, und die wahlweise auftretenden oder ausbleibenden Laryngal-Effekte (z. B. bei den thematischen Stämmen: *-o-ih1um > *-oi̯ i̯ um gegenüber pronominalem *(to)-du̯-i̯ h1ou̯m > *-h1u̯-i̯ ōm dank der νεογνός-Regel) wären letztlich verständlich. Sowohl beim Gen.-Lok. als auch beim Dat.-Abl.-Instr. zeigte sich ein Halbvokal *-i̯ - und dahinter ein Laryngal, der eventuell als *h1 bestimmt werden kann (*h2 oder *h3 hätten die e-stufige Endung umgefärbt). Der Ansatz von *h1 hätte zudem den Vorteil, dass die obliquen Endungen mit derjenigen des Nom.-Akk. Dual n. auf *-(o)-i̯ h1 (vgl. gr. ὄσσε ‘Augen’ < *h3(e)ku̯-i̯ h̥1) harmonierten. Und sofern die Endungen des Gen.-Lok. Dual, Nom.-Akk. Du. n. und Dat.-Abl.-Instr. Dual ebenfalls auf einem einst selbständigen Lexem basieren (*i̯ eh1- ?) – so wie der Nom. Du. auf *-h1u̯- < *-du- –, könnte auch die Endung des Gen.-Lok. als *-(i̯ )-h1ou̯(s) präzisiert werden. Die Übereinstimmung zwischen Nom-Akk. n. *-ih1, Gen.-Lok. *-(i̯ )Hou̯(s) und Dat.-Abl.-Instr-. *-ih1oum/*-ih1eum/*-ih1um ist auf jeden Fall auffällig.64 2.7 Von *-u̯- zu *-bhNun zeigt aber ai. tā́bhyām ein *-bh-. Die Länge des Stammes und die Endung lassen sich im Zuge der bisherigen Argumentation hervorragend erklären, da vor-idg. *to-du̯-i̯ h1ou̯m sich regulär zu *to-h1u̯-i̯ ō(m) entwickeln sollte. Statt ai. †tā́vyām finden wir aber tā́bhyām, und dieser Sachverhalt bedarf einer Erklärung. Offenkundig hat der Halbvokal eine Entwicklung hin zu einem Plosiv genommen. Die Entwicklung hin zu *bh (und nicht etwa *b) mag auf den 64 *-eh2m > *-ām, und eben nicht †-ah2m̥), und ai. śr̥ṇ-más tatsächlich eine Entwicklung *CRRuR > *CRRR (bzw. *CR1R2R3R4 > *CR1R2R4) bezeugt, wäre es an und für sich plausibel, die gleiche Entwicklung auch für eine Sequenz *CRHRR anzunehmen. Was die Frage aufwirft, ob die eigentliche Endung nicht vielleicht hinter dem Element *-i̯ H- aufscheint, d. h. *-(o)us im Gen.-Lok. Du. und *-(o/e)um im Dat.-Abl.Instr. 151 Svenja Bonmann ersten Blick willkürlich erscheinen, ist es m. E. aber nicht. Es gibt genug Indizien, die dafür sprechen, dass das in der Indogermanistik übliche Coversymbol *bh für einen unmarkierten Plosiv steht und die korrespondierende Media *b für deren markierte Entsprechung.65 Der Wandel von einem Halbvokal zu einem Plosiv hätte wohl vorgrundsprachlich einen zu diesem Zeitpunkt unmarkierten Plosiv bevorzugt, und das war allem Anschein nach *bh. Theoretisch denkbar wäre eine unmittelbare Entwicklung von *-u̯- > *-bh-. Die direkte Entstehung eines Plosivs aus einem Halbvokal lässt sich einzelsprachlich durchaus beobachten: Man denke bspw. an anlautendes urar. *du̯i- > aav. *dbi- (mit späterer Anaptyxe), jav. t̰ bi- in aav. daibišiiaṇt-, jav. t̰ bišiiaṇt- ‘hassend’ gegenüber ved. dviṣánt-.66 Ich halte es für möglich, dass die frühe Grundsprache ein ähnliches Phänomen im Dat.Abl.-Instr. Dual kannte. Unkonditioniert war dieser Wandel wohl nicht, wie der Gen. Sg. f. *su̯eh2d-u̯-i̯ éh2-s (ai. svādvyā́s, gr. ἡδείᾱς) zu idg. *su̯eh2d-u- ‘süß’ zeigt. Eine Folge *-u̯i̯ V- blieb offenkundig bis ins Spät-Idg. hinein erhalten. Auch lat. in-vītus ‘unfreiwillig’ < *(n̥-)u̯ih1-tó- (zur Wurzel *u̯ei̯ h1- ‘sein Augenmerk richten auf, trachten nach’, vgl. LIV2, s.v.) zeigt, dass eine Sequenz *-uih1- üblicherweise erhalten blieb. Für unsere Argumentation wichtig ist aber die Frage, wie sich eine Folge *-du̯i̯ H- verhielt, da sich bei der Entwicklung von *to-du̯-i̯ h1ou̯m > *to-h1bh-i̯ (h1)ōm eine solche Sequenz *-du̯i̯ H- in Gestalt von *-du̯i̯ h1- findet. Gibt es also auch außerhalb der geschlechtigen Pronomina Belege für eine Entwicklung von vor-idg. *-duiH zu früh-idg. *-(d)bhiH? Möglicherweise solche indirekter Natur, auch wenn die Evidenz nicht eindeutig ist. Sinnvoll wäre es, nach einer idg. Wurzel zu suchen, die eine ähnliche Struktur aufweist. Hierzu bietet sich *du̯ei̯ - ‘in Furcht geraten, erschrecken’ an (vgl. LIV2, s.v.). Angesichts der Tatsache, dass es im Indogermanischen eine ganze Reihe von sog. Wurzeldeterminativen gab, über deren genaue Funktion und Verwendung bis heute keine Einigkeit herrscht, ist es möglich (wenngleich natürlich zu einem gewissen Grad spekulativ), dass es verschiedenartig erweiterte Varianten zu *du̯ei̯ - gab 65 66 Vgl. die berühmte b-Lücke, Winters Gesetz im Balto-Slavischen, Lachmanns Gesetz im Lateinischen etc. Lit. dazu (mit weiteren Beispielen): Hoffmann & Forssmann (2004: 87). 152 Überlegungen zur pronominalen Flexion (schematisch also *du̯ei̯ -C1, *du̯ei̯ -C2 etc.). Abseits von *du̯ei̯ -s ‘hassen, anfeinden’ gibt es keine sicher rekonstruierbaren Wurzelvarianten, und folglich bleibt die Argumentation an dieser Stelle angreifbar; dennoch ist der Grundgedanke eine Überlegung wert. Es gibt nämlich eine andere idg. Verbalwurzel, deren Semantik genau übereinstimmt mit derjenigen von *du̯ei̯ -. Bei dieser Wurzel handelt es sich um *bhei̯ h2- ‘in Furcht geraten’ (vgl. LIV2 s.v.). Ist es möglich, dass *bhei̯ h2- auf eine mit einem Wurzeldeterminativ *-h2 erweiterte Variante von *du̯ei̯ - zurückgeht? Sollte das stimmen, so hätte irgendwann auch einmal eine Wurzel *du̯ei̯ -h2 ‘in Furcht geraten’ existiert. Deren Schwundstufe *du̯i̯ h2- wäre dem Dat.-Abl.-Instr. Dual *(to)du̯i̯ h1(ou̯m) strukturell sehr ähnlich. In welchem Kontext wäre eine Schwundstufe zu erwarten? Im Idg. konnten ‒ abgesehen von der üblichen Tiefstufe des Verbalstammes im Dual, Plural oder Medialparadigma ‒ Verbaladjektive auf *-tó- oder *-nó- auf der Grundlage einer stets schwundstufigen Verbalwurzel gebildet werden; und sofern es tasächlich einst eine Wurzel *du̯ei̯ -h2 ‘in Furcht geraten’ gab, so hätte es dazu auch die früh-idg. Verbaladjektive *du̯i̯ h2-tó- oder *du̯i̯ h2-nó- ‘gefürchtet, furchtbar’ geben können. Für den Fall, dass der oben postulierte Wandel von vor-idg. *-(d)uiH zu früh-idg. *-(d)bhiH überhaupt eine Parallele haben sollte, wäre sie also wohl am ehesten bei dieser Wurzel zu erwarten. Lautgesetzlich ergeben hätte sich dann ‒ entweder bei den Verbaladjektiven oder im schwachen Stamm ‒ ein Allomorph *dbhi̯ h2- (vgl. für eine typologische Parallele das oben bereits angesprochene aav. daibišiiaṇt-, jav. t̰ bišiiaṇt- ‘hassend’ gegenüber ved. dviṣánt-). Das wiederum ähnelt bereits auffällig der tatsächlich bezeugten Verbalwurzel *bhei̯ h2-. Zwar müsste man mit einer Vereinfachung des anlautenden Clusters rechnen (*dbhi̯ h2→ *(h1)bhi̯ h2-), aber diese Vereinfachung könnte eventuell im Zusammenhang mit dentalhaltigen Endungen oder Suffixen erfolgt sein (z. B. 2. Pl. Ind. Akt. *dbhi̯ h2-te(s) > *h1bhi̯ h2-te(s) > *h1bhih2-te(s) oder im Verbaladjektiv *dbhi̯ h2-tó- > *h1bhi̯ h2-tó- > *h1bhih2-tó-). Dass hier tatsächlich einst ein initialer Dental vorlag und dessen Dissimilationsprodukt sich durch eine laryngalartige Wirkung erkennbar macht, wird durch ved. an-ā-bhayin- ‘furchtlos’ (neben bhītá- ‘erschrocken, in Furcht versetzt, sich fürchtend’ oder bhīmá- ‘furchtbar, schrecklich’) nahe- 153 Svenja Bonmann gelegt. 67 Angesichts der Tatsache, dass das Anatolische den Lautwandel *du̯- > *(h1)bh- offenbar teilt (wie kluw. pīha-, lyk. pixe-, pige- ‘Furcht’ zeigen), müsste also mit einer bereits frühindogermanischen Dissimilation eines Verbaladjektivs *dbhi̯ h2-tó- zu *h1bhi̯ h2-tó- gerechnet werden, und, von diesem ausgehend, mit einer abstrahierten Neowurzel *(h1)bhei̯ h2- ‘in Furcht geraten’. Der initiale Laryngal (bzw. das Dissimilationsprodukt) kann nach Ausweis der anatolischen Sprachen nicht *h2 oder *h3 geähnelt haben, sondern dürfte stattdessen, wie erwartet, lautlich eher *h1 nahe gekommen sein. Dass das Dissimilationsprodukt manchmal in Erscheinung tritt (vgl. ved. an-ā-bhayin- < *(n̥-)n̥H-bh-), manchmal nicht (ved. ábhīru < *n̥-bh-), kennen wir bereits vom Wort für ‘zwanzig’ (vgl. *du̯i-dk̑m̥ti-h1 > *h1u̯i-h1k̑n̥ti-h1 > gr. hom. ἐείκοσι, aber böot. ϝῑ́κατι ohne initialen Laryngal; siehe auch FN 40). Das könnte dafür sprechen, dass wir es mit einem phonetisch instabilen Laut zu tun haben, der schon grundsprachlich in bestimmten Kontexten schwinden konnte, ohne dass wir wissen, was im Einzelnen zum Schwund oder zur Bewahrung führte. Die Notation als *h1 ist daher ein Behelf; besser wäre vielleicht etwas wie *hx oder gar *h4. Es handelt sich hierbei, wie gesagt, um bestenfalls indirekte Evidenz. Dennoch scheint mir die Existenz zweier derart paralleler Verbalwurzeln (*du̯ei̯ - neben *(h1)bhei̯ h2-, beide mit der gleichen Bedeutung ‘in Furcht geraten’) in hohem Maße auffällig. Die Annahme einer direkten Entwicklung von *-u̯- > *-bh- im spezifischen Kontext *du̯i̯ H ist also nicht unplausibel. Wenn der Wandel aber regulär verlief ‒ so, wie es die Wurzeln für ‘in Furcht geraten’ implizieren ‒, dann handelt es sich hierbei um ein Lautgesetz, das auch formalisiert werden kann: *u̯ > *bh / {d}_{i̯ H}. Produktiv war es in vor-idg. Zeit, als Resonanten stets unsilbisch artikuliert wurden. Wenn das stimmt, dann müsste sich vor-idg. *to-du-ih1oum über *to-dbh-i̯ h1oum regulär zu *to-h1bh-i̯ h1oum entwickelt haben. 2.8 Der vor-idg. Dativ-Ablativ-Instrumental Dual *to-du-ih1oum und seine ablautenden Varianten Wenn an den hypothetischen Pronominalstamm *to-du- die Endungsvarianten für den Dat.-Abl-Instr. Dual angefügt werden, ergeben sich also vor- 67 Daneben aber auch ábhīru- ‘furchtlos’ mit kurzem Negationspräfix. 154 Überlegungen zur pronominalen Flexion idg. *to-du-ih1oum bzw. *to-du-ih1eum oder *to-du-h1ium. Zu ai. tā́bhyām gelangen wir nun über folgende Schritte: 1. *to-du̯-i̯ h1ou̯m 2. 3. 4. 5. 6. *to-dbh-i̯ h1ou̯m *to-h1bh-i̯ h1ou̯m *to-h1bh-i̯ ou̯m *to-h1bh-i̯ ō(m) *tōbh(i)-i̯ ō(m) vor-idg. Ausgangspunkt (NB: abweichende Syllabifizierung!)68 Wandel *u̯ > *bh / {d}_{i̯ H} Wandel *d > *h1 / {DV}_{C} νεογνός-Regel Wirkung der Lex Stang Laryngalschwund und Ersatzdehnung (nach-idg.). Eine Erweiterung des Pronominalstammes durch ein Element *-du- (und dessen Interaktion mit einer Endung *-i̯ h1ou̯m) führt also nicht nur vergleichsweise unkompliziert zu einer tatsächlich belegten Form – ai. tā́bhyām –, sie erklärt neben der Entstehung eines bh-Kasus auch en passant die unerwartete Länge des Pronominalstamms ai. tā́- (statt †ta-) durch einen Wandel von *-du̯i̯ - über *-dbhi̯ - zu *-h1bhi-. 69 Zudem harmoniert dieser Ansatz mit dem, was wir über die Bildung des Singulars der geschlechtigen Pronomina wissen. Grundsätzlich parallel verlaufen wäre die Entwicklung wohl für die estufige Endungsvariante: vor-idg. *to-du̯-i̯ h1eu̯m > *to-dbh-i̯ h1eu̯m > *toh1bh-i̯ h1eu̯m > *to-h1bh-i̯ eu̯m > *to-h1bh-i̯ ēm > *tōbh-i̯ ēm. Die schwundstufige Endungsvariante *-ih1um schließlich hätte sich wahrscheinlich wie folgt entwickelt: 1. 2. 3. 4. 5. 68 69 *to-du̯-i̯ h1u̯m *to-dbh-i̯ h1u̯m *to-h1bh-i̯ h1u̯m *to-h1bh-ih1m *tōbh-īm vor-idg. Ausgangspunkt Wandel *u̯ > *bh /{d} _{i̯ H} Wandel *d > *h1 / {DV}_{C} Schwund von *u (*CR1R2R3R4 > *CR1R2R4) Laryngalschwund und Ersatzdehnung (nach-idg.). Sodass *to-du-ih1oum als /toɂdu̯i̯ hou̯m/ oder /toɂdu̯i̯ ɂou̯m/ aufzufassen ist (je nachdem, ob *h1 = [h] oder [ɂ]). Ähnliche Interpretation auch schon bei Fritz (2011: 68): »Die Längung kann jedoch als Reflex eines zwischen Kurzvokal und Konsonant geschwundenen Laryngals angesehen werden (*VHC > V̄C).« 155 Svenja Bonmann 3 Die Ausbreitung der bh-Varianten Nun lässt sich auch verstehen, wieso in den verschiedenen idg. Sprachzweigen derart unterschiedliche Endungssätze begegnen. Das Pronomen konnte leicht einer Reanalyse durch die Sprecher unterworfen werden: morphologisch zugrunde liegendes *to-h1bh-i̯ ō(m) wurde dabei segmentiert als *toh1-bhi̯ ō(m), e-stufiges *to-h1bh-i̯ ēm als *toh1-bhi̯ ēm und schwundstufiges *to-h1bh-ih1m als *toh1-bhih1m. Das Element *-bh- wäre dabei zur eigentlichen Endung gezogen worden und Pronomen und Nomen hätten anschließend interagieren können, wie dies einzelsprachlich ja oftmals geschehen ist. Die Nominalflexion hätte dabei Endungen übernommen, die ursprünglich aus der Pronominalflexion stammten. Ausgangspunkt dafür waren wohl Syntagmen des Typs idg. toh1-bhi̯ ō(m) *h1ek̑u̯o-i̯ h1ō(m) ‘(mit/von) diesen beiden Pferden’, in denen nach erfolgter Reanalyse die pronominale Endung bzw. das bh-Element auch auf die Nominalflexion überging: *h1ek̑u̯o-i̯ h1ō(m) → *h1ek̑u̯o-(i̯ h1)bhi̯ ō(m). 70 Im Dat.-Abl.-Instr. Dual hätte sich demnach auf dialektaler Ebene eine neue Endung *-bhi̯ ō(m)/*-bhi̯ ēm/*-bhih1m ausgebreitet. Ferner konnten sich die verschiedenen Numeri gegenseitig beeinflussen. Das neu entstandene Element *-bh(i̯ )- konnte im Zuge einer Strukturierung des Ausdrucksparadigmas auf korrespondierende Formen der anderen Numeri übergehen, und dabei nicht nur die pronominalen Paradigmen beeinflussen, sondern auch diejenigen der Substantive und Adjektive. Der bislang rätselhafte Halbvokal im indoiranischen Dat.-Abl. Pl. *-bhi̯ as < *-bhi̯ os ist m. E. ein deutliches Indiz für eine Beeinflussung aus dem Dual. Sehr wahrscheinlich stammt er aus Gebilden der Art *tóh1-bhi̯ ō(m) h1ék̑u̯oi̯ h1ō(m) toi̯ -mós-ku̯e k̑u̯ń̥-mos (…) ‘Von diesen beiden Pferden und diesen Hunden hier (…)’. 71 Das hätte sich leicht weiterentwickeln können zu *tóh1-bhi̯ ō(m) h1ék̑u̯o-(i̯ )bhi̯ ō(m) toi̯ -bhi̯ ós-ku̯e k̑u̯ń̥-bhi̯ os mit einer Ver- 70 71 Entweder *h1ek̑u̯o-bhi̯ ō(m) oder *h1ek̑u̯o-i̯ h1bhi̯ ō(m), je nachdem, in welcher Form reanalysiert wurde. Letztere Variante hätte den Laryngal aufgrund des SaussureEffekts (s. u., Kap. 6.2) regulär verloren, sodass *h1ek̑u̯o-i̯ h1bhi̯ ō(m) > *h1ek̑u̯oi̯ bhi̯ ō(m). Falls der von Hill postulierte Wandel früh-idg. *-n̥-m- > spät-idg. *-n̥-bh- tatsächlich existierte, wäre hier wohl eher mit *k̑u̯ń̥-bhos statt *k̑u̯ń̥-mos zu rechnen. Das hätte die Entwicklung eher noch begünstigt. 156 Überlegungen zur pronominalen Flexion schleppung des Elements *-bh(i̯ )- in den Plural zwecks Vereinheitlichung des Kasusmerkmals.72 Der Singular blieb davon weitgehend unberührt. Der Dativ und Ablativ zeigen keinerlei Umgestaltung, der Instrumental hingegen schon – wenngleich nicht in allen Sprachzweigen. Vor-idg. *-mi wurde offenkundig in manchen Dialekten umgestaltet zu *-bhi (vgl. arm. -i-w, -o-w, -r-b, -am-b), in anderen idg. Sprachzweigen blieb hingegen die ererbte m-Endung erhalten, wie lat. illi-m, ōli-m etc. nahelegen. Dass diese Endung auch im Germanischen bekannt war, wird durch den altnordischen Dativ Sg. der Feminina auf -u bekräftigt. Wie Myrvoll (2015) zeigen konnte, muss diese Endung entweder auf urnordisch *-ōn < urgerm. *-ō-mi < *-eh2-mi (ōStamm-Flexion) oder auf *-un < urgerm. *-u-mi (KonsonantenstammFlexion) zurückgehen. Auch im Germanischen hat also eine ältere Instrumentalendung *-mi noch Spuren hinterlassen. Wenn die Deutung von ved. pra-div-í < (*pro) *diu-mi richtig ist (siehe FN 62), wäre auch für das Indoiranische erwiesen, dass die jüngeren Instrumentale auf Langvokal definitiv Neubildungen sind. Hethitisch kuwāpi ‘wo, wann’ impliziert seinerseits ‒ sofern die in diesem Aufsatz vertretene Herleitung der bh-Endungen tatsächlich korrekt ist ‒, dass auch das Anatolische einst einen Dual kannte, der auf die anderen beiden Numeri einwirkte. Zwar weisen die synchron gebräuchlichen Endungen des Singulars und Plurals keinerlei Spuren solcher bh-Endungen mehr auf, doch besteht ohnehin keine Einigkeit darüber, ob das Anatolische in Bezug auf seine Nominalendungen besonders archaisch ist und uns einen Blick auf ein älteres, mit anderen Endungssätzen versehenes idg. System erlaubt, oder ob es die idg. Endungen, wie wir sie von den anderen idg. Sprachzweigen her kennen, radikal umgestaltet hat. Nüchtern betrachtet fällt lediglich auf, dass die gebräuchlichen anatolischen Endungen (abseits solcher Reliktformen wie kuwāpi) mit denen der anderen idg. Sprachen teilweise inkompatibel sind (z. B. Dat.-Lok. Plural heth. und pal. -aš, lyk. -e < ur-anat. *-as). Vielleicht ist es das Klügste, sich in Bezug auf diese anatolische Inkompatibilität bedeckt zu halten. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass bereits grundsprachlich in vielen Dialekten modifizierte 72 Ähnlich wie in der dritten Deklination des Griechischen das Element /i/ in den Endungen Dat. Sg. -i, Dat. Pl. -si, und Dat. Du. -oin. 157 Svenja Bonmann Endungen für den Dativ, Ablativ und Instrumental existiert haben müssen. Die alten m-Kasus haben sich fast nirgendwo erhalten. Zwangsläufig war diese Entwicklung nicht, wie das Griechische mit seinen Endungen -οιϊν bzw. -οιυν (< urgr. *-oi̯ -i̯ in bzw. *-oi̯ -i̯ un) beweist. Diese gehen auf die alte schwundstufige Endungsvariante *-ih1um zurück; das Arkadische erweist sich hier einmal mehr als besonders archaisch. Die übrigen Dialekte − einschließlich des Mykenischen, vgl. wa-na-so-i (i.e. Ϝανάσσοιϊν) ‘den beiden Herrinnen/Königinnen’ − müssen die urgriechische Ausgangsform *-oi̯ -i̯ un (< *-o-i̯ h1um) in Bezug auf den Vokalismus angeglichen haben, 73 sodass vorgr. *(h1)ek̑u̯-oi̯ i̯ um als hom. ἵπποιϊν, att. ἵπποιν in Erscheinung tritt. Wie es scheint, ist das Griechische also einzigartig in seinem Formenbestand. Es bezeugt nicht nur die unveränderte nominale Endung des Dat.-Abl.-Instr. Dual auf *-i̯ i̯ um < *-ih1um als reguläre Obliquus-Endung des Duals, sondern auch die aus dem Pronomen stammende, lautgesetzlich abgewandelte (*CR1R2R3R4 > *CR1R2R4) Endungsvariante *-bhih1m. Letztere Form wurde als kunstsprachliche Allzweckendung verwendet – gr. -φι(ν) ist nicht nur numerusindifferent, es fungiert darüber hinaus gleichermaßen als Instrumental, Lokativ, Genitiv, Ablativ und Dativ. 74 Bezeichnenderweise – und damit schließt sich der Kreis – ist diese Endung auch noch durch ein Ny ephelkystikon charakterisiert. Die logische Schlussfolgerung lautet: die oblique Endung -φι(ν) stammt mit einiger Wahrscheinlichkeit aus dem Dual der geschlechtigen Pronomina. Das Griechische setzt damit ausschließlich die schwundstufige Endungsvariante *-ih1um fort. Bei den Nomina blieb diese Endung kontextbedingt unverändert (*-o-i̯ h1um), bei den Pronomina schwand zuerst lautgesetzlich *u in einer Folge *CiHuR, später wurde von dort aus eine neue, reanalysierte 73 74 Ähnlich, wie z. B. bei den Primärendungen des Medialparadigmas. Hier steht ark.kypr. 2. Sg. Präs. κεῖοι < *k̑ei̯ -soi̯ ‘du liegst’ abgewandeltes att. κεῖσαι sowie ep. κεῖαι gegenüber. Die Situation bei der 3. Sg. und 3 Pl. ist vergleichbar; *-toi̯ bzw. *-ntoi̯ sind nur im Arkad.-Kypr. und Myk. bezeugt, während alle anderen Dialekte geneuert haben. Vgl. Rix (1992: 158 f.). Beispiele: instrumentaler Gebrauch in myk. po-pi *ποπφί ‘mit Füßen’, ki-to-pi *χιτῶµφι ‘mit Leibröcken’, te-u-ke-pi *τεύχεσφι ‘mit Geräten’, hom. ἶφι ‘mit Kraft’; ablativischer in hom. ναῦφιν ἀφορµηθεῖεν B 794 ‘von den Schiffen …’, dativischer in φρήτρηφιν ἀρήγῃ B 363 ‘der Sippe …’, genitivischer in Ἰλιόφιν ... τείχεα Φ 295 ‘Ilions Mauern’. 158 Überlegungen zur pronominalen Flexion Endung *-bhih1m übertragen. Anders als bei den anderen idg. Sprachzweigen hat sich im Griechischen nicht nur die nominale Endung unverändert erhalten, sie ist darüber hinaus auch auf die Pronomina übergegangen, wie hom. τοῖϊν zeigt. Dabei scheint sich die etymologisch erwartete Länge von *-φῑ(ν) indirekt in einer gelegentlich zu beobachtenden Übertragung auf die nominale Endung zu zeigen, vgl. -οιῑν in Il. τ 396, ν 511, π 560, Od. ζ 219, umgekehrt die Kürze von -φι(ν) aus nominalem -οιϊν bzw. -οιυν zu stammen. In verschiedenen idg. Sprachzweigen konnten die in der Pronominalflexion neu entstandenen Kasusendungen mit einem Element *-bh- also die regulären Endungen des Dat.-Abl.-Instr. Dual (*-i̯ h1ō(m), *-i̯ h1ēm, *-i̯ h1um) nach und nach ersetzen. Je nachdem, welche Endungsvariante dialektal häufiger gebraucht wurde, hätte sich dabei entweder *-bhi̯ ō(m), *-bhi̯ ēm oder *-bhih1m auf die Nominalflexion ausgebreitet. So erklären sich plausibel die indoiranische Endung auf *-bhi̯ ā(m) und die altirische Endung auf -ibN < *-bhiN, deren Nasal nun als *m spezifiziert werden kann. Hier wäre nur zu fragen, ob die air. Endung auf die alte e-Stufe oder Nullstufe zurückgeht; lautlich wäre wohl beides möglich (entweder direkt *-bim < *-bhih1m wie im Griechischen oder alternativ *-bhi̯ ēm > ur-kelt. *-bi̯ īm > *-bīm > *-bim).75 4 Die m-Kasus des Balto-Slavischen und Germanischen 4.1 Das Slavische Fraglich bleibt, wieso das Balto-Slavische keinen Dat.-Abl.-Instr. Dual auf *-bh- aufweist. Die einfachste Erklärung ginge davon aus, dass die Strukturierung des Ausdrucksparadigmas hier, anders als in den übrigen idg. Sprachzweigen, nicht vom Dual ausging, sondern vom Plural und Singular. Zusätzlich zum Plural bewahrt das Balto-Slavische im Singular der athematischen Nomina die alte Instrumental-Endung *-mi, die, wie lit. tuomì und aksl. těmь zeigen, auch in der Pronominalflexion Verwendung fand. 75 Ähnlich führte bereits Pedersen (1913: 84) den air. Dat. Dual auf *-o-bhēm zurück. Fritz (2011: 174) rekonstruiert stattdessen urkelt. *-o-bim. 159 Svenja Bonmann Die offensichtliche Gleichheit in der Bildung von Instr. Sg., Du. und Pl. sowie Dat. Pl. im Altkirchenslavischen ist in hohem Maße auffällig, vgl.: (4) Instr. Sg. těmь D.-A.-I. Du. těma Instr. Pl. těmi Dat. Pl. těmъ Es dürfte kaum dem Zufall zu verdanken sein, dass wir in sämtlichen Numeri slavisch yatʼ (ě) und ein Element -m- vorfinden. Die ökonomischste Annahme bestünde darin, den Ursprung dieser Kombination im Plural zu suchen und anschließend mit einer Übertragung von *-oi̯ -m- auf die beiden anderen Numeri zu rechnen. Der Halbvokal im Dual wäre dann im Zuge der Strukturierung des Ausdrucksparadigmas geschwunden, sodass wir těma statt eigentlich zu erwartendem †tam(l)ja vorfinden.76 Die Strukturierung des Ausdrucksparadigmas hätte also hier das Element *-m- bevorzugt. Zusätzliche Evidenz für diese Auffassung könnte in einer bekannten Isoglosse des Ostbaltischen und Slavischen zu suchen sein, die diese beiden Sprachgruppen nicht nur von den übrigen idg. Sprachen, sondern auch vom Altpreußischen absondert. Sowohl der Dat. als auch der Lok. Sg. m./n. der geschlechtigen Pronomina weisen im Ostbaltischen und Slavischen ein simples *-m- auf, während die übrigen idg. Sprachen – genau wie das Altpreußische – hier das Formans *-sm- haben. Vgl. für den Dat. Sg. lit. tám < tãmui, lett. tam, aksl. tomu gegenüber apr. stesmu, kasmu, schismu, ai. tásmai, umbr. esmei etc.; für den Lok. Sg. lit. tamè, aksl. tomь gegenüber apr. schisman, ai. tásmin. Es ist naheliegend, davon auszugehen, dass das Ostbaltische und Slavische hier eine gemeinsame Neuerung vollzogen haben.77 Im Zuge dieser Angleichung wäre dann 76 77 Vgl. für die lautliche Entwicklung z. B. aksl. zemlja, skr. zèmlja, bulg. zemjá, sorb. zemja < ur-slav. *zem-ļà f. ‘Erde’ (mit l-Epenthese) < balto-slav. *źem-i̯ - < *dhg̑hem-. Dass die o-stufige Endungsvariante dem Slavischen zugrunde liegt, dürfte unstrittig sein. Nur so erklären sich Qualität und Quantität des Vokals und der Schwund des auslautenden Nasals [-ma < *-mō(m)]. Ahd. demu, demo mit der bezeugten Vereinfachung von *-mm- < *-sm- dürfte wohl auf der Unbetontheit der Formen im Satzzusammenhang beruhen, ferner auf dem Einfluss der Adjektivflexion, deren Geminate lautgesetzlich vereinfacht werden musste nach nichthaupttoniger Silbe, vgl. Streitberg (1963: 270). Wie keltib. somui, 160 Überlegungen zur pronominalen Flexion das ursprünglich aus dem Plural stammende, weder durch *-s- (Singular *-s-m-) noch durch *-i̯ - (Dual *-bh-i̯ -) erweiterte *-m- als Kasusmarker für den pronominalen Instrumental aufgefasst worden und hätte sowohl den Singular als auch den Dual modifiziert. Wir können daher wohl mit folgender Situation für die vorslavische Phase rechnen: (5) Instr. Sg. *toi̯ -mi (?) D.-A.-I. Du. *toh1-bhi̯ ō(m) Dat.-Abl. Pl. *to-i̯ -mos Instr. Pl. *to-i̯ -mis Eine solche Gegenüberstellung lässt eine Neugestaltung des Duals plausibel und natürlich erscheinen. Die Folge wäre ein regularisiertes Paradigma gewesen: (6) Instr. Sg. *toi̯ -mi ↔ D.-A.-I. Du. *toi̯ -mō(m) Dat.-Abl. Pl. ↔ *to-i̯ -mos ↔ Instr. Pl. *to-i̯ -mis 4.2 Das Baltische Im Baltischen verhält es sich anders. Die Dualendungen lauten bei den Substantiven lit. Dat. (dievá)-m, Instr. (dieva)-m̃, bei den geschlechtigen Pronomina lit. Dat. tíem-dviem, Instr. tiẽm-dviem, sodass für das Vorlitauische ein thematischer Dat. *-o̍-mV und ein Instr. *-o-mV̍ angesetzt werden müssen. Dass ein Vokal in der Endung geschwunden ist, wird durch die Existenz des lit. -m erwiesen, das sich sonst nicht als solches erhalten hätte. Bei den ē-Stämmen findet sich interessanterweise bei Daukša dwiémi żuwéłemi (Post. 297,299, vgl. Stang 1966: 205), wahrscheinlich lautete also die Endung alit. noch regulär *-mi. Im Lettischen ist der Dual als eigenständiger Numerus geschwunden, überlebt jedoch formal als Endung des Dat. Pl. (-iem). Der einzige einigermaßen sichere altpreußische Beleg für einen Dat.-Instr. Dual ist in der Wendung sen senditmai rānkān ‘mit gefalteten Händen’ zu sehen (Enchiridion, 53,12). 78 Als Gemeinsamkeit lässt sich sogleich erkennen, dass auch im Baltischen − genau wie im Sla- 78 somei zu deuten sind, bleibt fraglich. Fest steht nur, dass es sich, wie der Anlaut *szeigt, in jedem Fall um Neubildungen handelt. Vgl. Stang (1966: 178–179). 161 Svenja Bonmann vischen − pluralisches und singularisches *-m- den regulären Obstruenten *-bh- verdrängt hat. Doch welche Endung wurde hier modifiziert? Betrachten wir zunächst den ostbaltischen Befund. Geht man davon aus, dass Daukšas dwiémi żuwéłemi den ältesten Zustand des litauischen Dat.-Abl.-Instr. reflektiert, so müssen wir mit einem auslautenden -i arbeiten, das später geschwunden wäre. Die lettische Endung auf -m < *-mV widerspräche dem nicht. Rechnet man wie im Slavischen mit der alten oStufe der Endung, also *-bhi̯ ō(m) aus *to-h1bh-i̯ ō(m), dann kann man zwar den Schwund des Nasals nachvollziehen, gelangt aber zu einer Endung *-bhi̯ ō, die − da sich, wie gesagt, sekundär ein Nasal *-m- als Kennzeichen findet − dann wohl als lit. †-m(i)uo o. ä. erhalten geblieben wäre. Das erklärt weder die alit. noch die moderne lett. Endung. Gleiches gilt für eine mögliche e-Stufe *-bhi̯ ēm. Im Ostbaltischen schwindet zwar balt. *-i̯ - in der Stellung nach Konsonant und vor vorderem Vokal, vgl. katė,̃ katės̃ : Gen. Pl. kačių ̃.79 Dadurch gelangt man zunächst zu einer Endung *-mēm. Doch bleiben dann immer noch ein auslautender Nasal und *-ē-. Wie apr. Akk. Sg. mien, tien, sien < *mēm, *tēm, *sēm ‘mich, dich, sich’ zeigen, hätte eine Folge *-ēm im Baltischen als *-ēn erhalten bleiben müssen. Die e-Stufe scheidet also ebenfalls aus. Setzte die alit. Endung -mi hingegen eine alte, aus *toh1-bhih1m abstrahierte schwundstufige Endungsvariante *-bhih1m fort, so wäre unverständlich, wieso das auslautende -i nicht nasaliert war bzw. sich nicht gehalten hat (vgl. Akk. Sg. apr. naktin, lit. nãktį, lett. nakti < *-im < *-m̥).80 Diese Erklärung scheint also vordergründig ebenfalls nicht zielführend zu sein. Man findet nun aber interessanterweise im Litauischen eine akutierte Länge im Instrumental, und dies sowohl im Singular -mì < *-mı̄́ als auch im Plural -mìs < *-mı̄́s. Bislang ist dieses Phänomen vollkommen unerklärt. Zwar kennt auch das Slavische eine Länge im Instr. Pl., doch kann diese hier leicht sekundär sein. Wie Hill (2012: 193) zu Recht ausführt, ist »ĭ in sg. ~ i in pl. […] a common morphological pattern in Slavic«. Das Litauische scheint demgegenüber kein Muster aufzuweisen, das die akutierten Längen sowohl im Singular als auch im Plural erklären könnte. Eine Erklärung für diese Besonderheit muss also in den Endungen selbst gesucht werden. 79 80 Vgl. ebd.: 100. Vgl. ebd.: 114. 162 Überlegungen zur pronominalen Flexion Sofern das Ostbaltische tatsächlich eine schwundstufige Endungsvariante spät-idg. *-bhih1m geerbt hätte, wäre diese durch ur-balt. *-bı̄́n fortgesetzt worden, d. h. als Endung mit akutiertem Langvokal. Die nominale Endung athematischer Stämme hätte dann wohl, parallel dazu, *-ı̄́n gelautet (z. B. urbalt. *pḗd-ı̄́n ‘mit den Füßen’ < *ped-ih1m < *ped-ih1um). Ein Schema folgender Art (für lit. širdìs, lett. sir̂ ds ‘Herz’ < urbalt. *šírd(i)- < *k̑r̥d-) erklärte recht einfach die akutierten Längen im Singular und Plural: (7) ur-balt. Instr. Sg. *šírd(i)-mĭ *šírd(i)-mı̄ ́ ↔ Dat.-Instr. Du. *šírd-ı̄ ́n ↓ *šírd-mı̄ ́n Instr. Pl. *šírd(i)-mĭs ↔ *šírd(i)-mı̄ ́s Zwar bliebe immer noch das Problem mit dem auslautenden Nasal im Dat.Instr. Dual, doch ließen sich eine Übertragung von *-m- in den Dual und umgekehrt der akutierten Intonation und der Dehnstufe des Vokals in den Singular und Plural problemlos nachvollziehen. Damit gelangten wir zu einem harmonischen Schema urbalt. Instr. Sg. *-mı̄́ : Instr. Dual *-mı̄́n : Instr. Pl. *-mı̄́s. Das Ostbaltische zeigt jedoch, wie gesagt, keinen auslautenden Nasal im Dat.-Instr. Dual; dieser muss also − sofern die hier vorgeschlagene Herleitung denn tatsächlich stimmt – irgendwann geschwunden sein. Es stellt sich die Frage: Gibt es Parallelen für die hier notwendige Entwicklung urbalt. *-ı̄́n# > urostbalt. *-ı̄́# (> alit. -ì)? Eventuell gibt es sie indirekt. Bei den ih2-Stämmen deuten das Indoiranische und Griechische auf eine Schwundstufe im Nom. und Akk. Sg., vgl. ai. devı̄́, devı̄́m < *dei̯ u̯ih2-, *-ih2m ‘Göttin’ oder av. būmīm ‘Erde’ bzw. gr. τράπεζα, τράπεζαν ‘Tisch’ < *-i̯ a, *-i̯ an < *-i̯ h̥2, *-i̯ h̥2m. Die Schwundstufe des Akkusativs zeigt sich auch im Altpreußischen, vgl. mārtin ‘Braut’, waispattin ‘Frau’. Das legt zunächst einmal den Schluss nahe, dass auch das Ostbaltische einst einen Akk. Sg. *-ih2m > urbalt. *-ı̄́n kannte. Nun entspricht aber apr. mārtin, waispattin lit. marč̃ ią, viẽšpačią, was auf ostbalt. *-i̯ ām deutet. Zwar kennen auch das Gotische und Slavische einen vergleichbaren Akkusativ (vgl. got. Akk. Sg. bandja zu Nom. bandi ‘Fessel’, aksl. Akk. rabynjǫ zu Nom. rabyńi ‘Dienerin’), doch ist das übereinstimmende Zeugnis des Indoiranischen, Griechischen und Altpreußischen m. E. als ausschlaggebend einzustufen. Das Ostbaltische, Ostgermanische und Slavische werden mit einiger Wahrscheinlichkeit den Akk. Sg. der ih2163 Svenja Bonmann Stämme nach den obliquen Kasus geneuert haben. Worin könnte aber der Grund für eine Umgestaltung liegen? Wenn es tatsächlich eine Entwicklung urbalt. *-ı̄́n# > urostbalt. *-ı̄́# gab, dann hätte einem Nom. Sg. urostbalt. *martı̄́ ‘Braut’ früher oder später ein gleichlautender Akk. Sg. *martı̄́ gegenübergestanden. Homonymenflucht ist ein weitverbreitetes Phänomen und könnte unkompliziert die Ersetzung eines Akkusativs *martı̄́ < *martı̄́n durch eine deutlichere Form *marti̯ ām nach dem Muster der übrigen obliquen Kasus erklären. Der Wandel *-ı̄́n# > *-ı̄́# wäre dabei spezifisch ostbaltisch, da das Altpreußische ihn offensichtlich nicht kennt. Sind diese Überlegungen richtig, so implizieren sie, dass eine urbaltische Endung des Dativ-Instr. Dual auf *-mı̄́n (ihrerseits neugeschaffen aus eigentlich ererbtem *-(bh)ı̄́n) im Ostbaltischen den auslautenden Nasal verlor und zu *-mı̄́ wurde. Die Argumentation verlässt sich dabei auf Indizien und ist dementsprechend angreifbar; dennoch scheint mir die gebotene Erklärung geeignet, um alit. dwiémi żuwéłemi zu verstehen. Die altpreußische Wendung sen senditmai rānkān ‘mit gefalteten Händen’ enthält ein Partizip Prät. Pass. senditmai, das zu lit. dė́ti, lett. dēt und damit zur Verbalwurzel *dheh1- gehört; rānkān wiederum ist ein femininer ā-Stamm. Dass das Altpreußische beim Adjektiv senditmai nicht urbalt. *-mı̄́n fortsetzt, scheint unzweifelhaft, da man ansonsten *senditmin erwartete (vgl. mārtin, waispattin). Entweder ließe sich daran denken, dass die urbaltische Endung des Dat.-Instr. Dual bei den ā-stämmigen Adjektiven nach dem hiesigen Dat. Sg. auf *-ãi umgeformt wurde (vgl. apr. wissai, prabuskai), sodass *-mı̄́n → *-mãi̯ . Alternativ könnte hier aber auch eine Erweiterung der eigentlichen Endung vorliegen. Apr. Nom. Sg. smoy ‘Mann’ weist gegenüber lit. žmuõ < *dhg̑hmō(n) einen Halbvokal auf, der sicher sekundär ist.81 Eventuell bezeugt senditmai eine ähnliche Entwicklung für die vollstufige Endung des Dat.-Instr. Dual, d. h. *-mō → *mō-i̯ . Dann hätte man aber eher apr. *-moi als adjektivische Endung erwarten dürfen. rānkān könnte seinerseits darauf hindeuten, dass bei den Substantiven im Altpreußischen *-ı̄́n in jeder Stammklasse analogisch (d. h. durch paradigmatischen Ausgleich) angepasst wurde, sodass bei den ā-Stämmen bspw. eine Endung urwestbalt. *-ā́n entstand. Das bleibt jedoch Spekulati81 Nach Stang (1966: 227) auch in ostlitauischen Mundarten, vgl. dialektal žmuõi, piemuõi, akmuõi. 164 Überlegungen zur pronominalen Flexion on, und es wäre vielleicht das Klügste, den altpreußischen Befund ganz auszuklammern. 4.3 Das Germanische Ein Dat.-Abl.-Instr. Dual mit einem Formans *-bh- oder *-m- hat sich im Germanischen nicht erhalten. Dennoch hat das Germanische den alten Instrumental *-mi bzw. *-mis bewahrt, vgl. für die Singularendung den altnordischen Dativ Sg. der Feminina auf -u (< urnordisch *-ōn < urgerm. *-ō-mi < *-eh2-mi oder < *-un < urgerm. *-u-mi) und für die Pluralendung ur-germ. *-miz (rheinische Inschriften -ms, runisch -mz, got., ahd., an. -m).82 Offenkundig konnten sich im Germanischen die bh-haltigen Endungen des Duals nicht ausbreiten, und auch der Dual übte keinen signifikanten Einfluss aus. Das muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass das Germanische und Balto-Slavische hier eine Isoglosse teilen – es ist gut möglich, dass beide Sprachzweige vollkommen unabhängig voneinander die alten m-Endungen bewahrten und dann individuell ggf. den Dat.-Abl.-Instr. umstrukturierten (auch wenn dies für das Germanische nicht nachweisbar ist). Speziell beim Germanischen könnte es eine Rolle gespielt haben, dass der Dual als nominale Kategorie früh schwand. In meinen Augen sind die singularischen und pluralischen m-Endungen des Germanischen schlichtweg ein Archaismus. 5 Mögliche weitere Evidenz 5.1 Das Wort für ‘beide’ Wie ‘zwei’ wird in vielen idg. Sprachen das Wort für ‘beide’ flektiert, vgl. lit. m. abù, f. abì, lett. abi, apr. m. abbai, Akk. abbans, aksl. oba, obě, lat. ambō, gr. ἄµφω, ai. úbhau, got. bai. Ich denke nicht, dass es ein Zufall ist, dass wir ausgerechnet hier ein Element *-bh- vorfinden, das an andere Pro82 Ur-germ. *umbi- (ahd. umbi, an. umb, ae. ymb, ymbe ‘umher’) < *h2n̥t-bhí < *h2n̥tmí (?) könnte einer der wenigen klaren Belege für eine lautgesetzliche Entwicklung von früh-idg. *-n̥-m- zu spät-idg. *-n̥-bh- (s.o.) sein. 165 Svenja Bonmann nominalstämme (z. B. iir. offenbar *h1u-) treten oder auch unerweitert vorkommen kann (got. bai, ae. bā) und eine dualische Semantik hat. 83 Meines Erachtens handelt es sich hierbei um das abgetrennte Hinterglied *-du-, das, wie wir sahen, im Dat.-Abl.-Instr. Dual des Pronomens *tolautgesetzlich eine Entwicklung hin zu *-h1bh- (+ End.) nahm. Je nachdem, wie lange diese Bildung noch morphologisch analysierbar war, hätte das pronominale Hinterglied dann – vgl. den Einfluss des pronominalen Nom. Du. todu > *toh1(u̯) auf das Zahlwort (vor-idg. *du → klassisch *du̯-oh1u̯) − entweder auf das Zahlwort zurückwirken oder Grundlage für die Erschaffung eines eigenen Paradigmas sein können. Nebenbei wäre das ursprünglich athematische Lexem ‘zwei’ thematisiert worden,84 und der auf dem alten Dat.-Abl.-Instr. *-h1bh-i̯ (h1)ō(m) basierende, neugeschaffene Stamm *h1bh-o- oder *bh-o- hätte dann eine geringfügig andere Semantik entwickelt (‘beide’): vor-idg. Nom.-Akk. Dat.-Abl.-Inst. Nom.-Akk. *du Dat.-Abl.-Inst. *du-ih1(e/o)um vor-/früh-idg. Spaltung und Neuaufbau ↓ ↓ ‘zwei’ ‘beide’ *du̯-o-h1(u̯) ~ *h1(o/u-)bh-o-h1(u̯) *du̯-o-h1(u̯)-bhi̯ ō(m) ~ *h1(o/u-)bh-o-bhi̯ ō(m) Eine ähnliche Aufspaltung samt Verallgemeinerung jeweils einer Stammgestalt (und sekundärer semantischer Differenzierung) kennen wir aus vielen Einzelsprachen, vgl. aus dem Lateinischen z. B. Nom. Sg. *dē ụ ̯ os : Gen. Sg. *dē ụ ̯ ī > *dē os ̣ : *dīu̯ī > klass. deus, deī ‘Gott’ / dīvus, dīvī ‘göttlich, himmlisch’. 83 84 Wahrscheinlich gehört auch gr. Nom.-Akk. Du. σφώ, hom. σφῶϊ ‘ihr beide’ hierher (s-bh-o-h1). Diese Form erinnert auffallend an die eingangs besprochenen Relikte des Dat. Pl. im Anatolischen und Tocharischen, vgl. heth. Dat. Sg. -š-e < *s-oi̯ , aber Dat. Pl. -š-maš, k-luw. -mmaš < *s-mos; toch. 1.-3. Pl. A -m, B -me. Man kann sich hier ohne großen Zwang an das Reflexivum erinnert fühlen. Nach dem Vorbild von *todu > *toh1(u̯) und einer Segmentierung der Endung als *-oh1(u̯). Daher z. B. auch ai. dvā́(u), air. dáu oder myk. du-wo-u-pi /duu̯ōu̯phi(n)/ mit Halbvokal *u̯. 166 Überlegungen zur pronominalen Flexion Das auf dem alten Zahlwort basierende Paradigma (Stamm *du̯-o-) hätte dabei weiterhin das Grundgerüst für ‘zwei’ gebildet, vgl. ai. Nom.-Akk. dvā́(u), Dat.-Abl.-Instr. dvā́bhyām, gr. Nom. δύω, mykenisch Instr. Dual du-wo-u-pi /duu̯ōu̯phi(n)/. Ersichtlich basieren die obliquen Formen auf dem Nominativ, sie sind in jeder Sprache jung. Das andere, auf dem alten Hinterglied des Dat.-Abl.-Instr. beruhende Paradigma mit dem Stamm *h1(o/u)-bh-o- entwickelte eine geringfügig andere Semantik und wurde zum Wort für ‘beide’, vgl. bspw. aksl. Nom. oba, lit. abù oder ai. Nom. ubhā́, jav. uua ‘beide’ (Yt 10,95), ai. Dat.-Abl.-Instr. ubhā́bhyām, jav. uuaēibiia ahubiia ‘für beiderlei Dasein’ (Yt 10,93).85 Beide Stämme zeigen eine Thematisierung, die sicher noch in grundsprachliche Zeiten reicht. Dabei scheint das Wort für ‘beide’ interessanterweise sekundär ‒ nach einer offenbar erfolgten Interpretation *h1bh-o- > Pronominalstamm *h1e/o- + bh-o- ‒ auch an andere Stämme getreten zu sein − im Indoiranischen an einen Stamm *h1u-,86 im Griechischen, Lateinischen und Tocharischen an das Wort für ‘Gesicht, Vorderseite’ *h2ent-.87 So erklären sich lat. ambō und gr. ἄµφω (< *h2n̥t-bho-h1) ebenso wie toch. B antapi, āntpi (< * h2n̥t-bho-i̯ h1, neutrale Form). Das Germanische schließlich setzt ein simples *h1bh-o- fort, vgl. got. bai, ae. bā. 5.2 Der Nominativ Dual der Personalpronomina Ein Relikt eines alten Wurzelnomens *du- könnte vielleicht auch im Nominativ Dual der Personalpronomina vorliegen. Zwar weisen bei der ersten Person ai. vā́m < iir. *u̯ā̆-am, av. vā und aksl. vě ‘wir beide’ zunächst bzw. vordergründig auf einen Stamm *u̯ē < idg. *u̯e-h1. Dem stehen jedoch im Ostbaltischen und Germanischen erweiterte Formen gegenüber, vgl. schriftlit. mù-du, aber žem. vẽ-dọ, got. ags. wit, aisl. vit. Interessant hierbei ist die Differenz zwischen dem Litauischen und dem Germanischen: Während das Litauische offensichtlich in -du das gewöhnliche, thematische Numerale ‘zwei’ fortsetzt (vgl. Nom.-Akk. m. dù < *du̯ṓ), kann die ger- 85 86 87 Zur Verwendung von dváu und ubháu vgl. Delbrück (1888: 99ff.). Vielleicht eine Variante von *h1e-/*h1o-, ähnlich wie bei *ku̯e-/*ku̯o- eine Variante *ku̯u- (> *ku-) existierte, vgl. ai. kú-ha, aav. ku-dā, aksl. kъ-de ‘wo’ < *ku̯ú-dhe. Auch wenn die Semantik zugegebenermaßen Probleme bereitet (‘die beiden Gesichtspunkte’?). 167 Svenja Bonmann manische Form (urgerm. *u̯it) nicht direkt auf idg. *u̯e-du̯oh1 zurückgeführt werden.88 Aufschlussreich sind nun die Implikationen, die sich aus der Mutmaßung ergeben, dass in ältester Zeit auch der Dual der Personalpronomina mit einem Hinterglied *-du(-) ‘beide, zwei’ gebildet wurde. Wenn wir annehmen, dass das Personalpronomen einem solchen Muster folgte, dann wäre für die erste Person wohl eine endungslose Bildung *u̯e-du ‘wir beide’ im Nom.-Akk. Dual die logische Folge − genau wie beim Demonstrativum *to-du > *to-h1u̯ (s. o., Kap. 2.5). Es stellt sich die Frage, ob spät-idg. *u̯e-h1 (vgl. av. vā, aksl. vě) vielleicht aus älterem *u̯e-du entstand. Lautgesetzlich wäre das nicht möglich, sehr wohl aber infolge einer Modifikation bzw. Modernisierung der Form. Dialekte, die einen neuen Nom. Dual auf *-h1 kannten (abstrahiert von *toh1(u̯), s. o.), hätten hier ganz einfach den Nominativ regularisieren können (*u̯e-du → *u̯e-h1). Dass das Germanische gerade nicht diese Modernisierung zeigt, könnte mit dem frühen Schwund der nominalen Kategorie Dual zusammenhängen. Die Entwicklung wäre dann hier bei *u̯e-du stehen geblieben. Der Nom. Dual der zweiten Person war nach Ausweis der Einzelsprachen parallel gebaut, vgl. ai. yuvám, ae. git, lit. jùdu. Es ist möglich, dass es sich dabei um eine sekundäre Bildung handelt, die nach dem Muster der ersten Person neugeschaffen wurde. Das bleibt jedoch unsicher; genauso gut könnte es auch umgekehrt gewesen sein. Je nach grundsprachlichem Dialekt hätte sich jedenfalls entweder *u̯é-h1 ↔ *i̯ ú-h1 oder *u̯é-du ↔ *i̯ údu ergeben. Wie aber erklären sich die baltischen und germanischen Formen? Die litauischen Nominative sind offenkundig rezente Neuerungen, zugrunde liegen ihr die wohl modernisierten Varianten *u̯é-h1 und *i̯ ú-h1, wie die akutierte Intonation (mit Leskienʼscher Kürzung) überdeutlich zeigt, vgl. z. B. bei der zweiten Person jù-du < *i̯ ū́ + *du̯ṓ. Die baltische Evidenz eignet sich also, streng genommen, nur als typologische Parallele. Einzig das Germanische bewahrt offensichtlich die alten Formen *u̯e-du und *i̯ u-du. Dennoch müssen auch hier Zusatzannahmen gemacht werden. Auslautendes *-ū̆ hätte eigentlich Spuren in den verschiedenen germanischen Sprachen hinterlassen sollen. Dass dies nicht der Fall war, kann nur bedeuten, 88 Vgl. bspw. ae. tū ‘zwei’ < *tu̯ō < du̯oh1. 168 Überlegungen zur pronominalen Flexion dass der auslautende Vokal bereits in urgermanischer Zeit geschwunden sein muss.89 Der Nominativ Sg. des Personalpronomens der ersten Person könnte vielleicht einen Hinweis in sich bergen, wieso sich nur mehr *u̯it (statt erwartetem †u̯etu) rekonstruieren lässt. Der offenbar reduzierte Auslaut ist nur eine Besonderheit – eine gänzlich andere ist der i-Vokalismus der ersten Silbe. Zwar kann man, wie es Schmidt (1978: 170f.) versucht, urgerm. *u̯it auf eine Vorform *u̯e-de zurückführen und mit einem Umlaut rechnen, der zur Hebung des Vokals der ersten Silbe führte. Ein Hinterglied *de findet sich jedoch nirgendwo sonst in der Indogermania. Eine andere Erklärung erscheint hier wesentlich attraktiver. Angesichts der Tatsache, dass das Germanische auch im Nominativ der Personalpronomina eine sekundäre Unterscheidung zwischen orthotonen und enklitischen Varianten kennt – vgl. urnord. orthoton ek : enklitisch -eka, -ka ‘ich’ –, ist es vielleicht einfacher, davon auszugehen, dass urgerm. *u̯it letztlich auf eine neugeschaffene enklitische Variante zurückgeht. Eine urgermanische Dublette orthoton *u̯é-tu ~ enklitisch *´-u̯e-tu ist vollkommen im Rahmen des Möglichen.90 Dies implizierte aber, dass die enklitische Variante im Germanischen keinen eigenen Wortakzent hatte und stattdessen eine prosodische Einheit mit einem vorangehenden Wort bildete. Der i-Vokalismus erklärte sich damit auf einen Schlag (unbetontes *e > *i). Da wir zudem wissen, dass germ. *i und *u in dritter Silbe schwinden,91 wäre eine lautgesetzliche Entwicklung urgerm. *´-u̯itu > *´-u̯it zu erwarten (z. B. bei *nū́n-u̯itu, vgl. gr. νῦν, ai. nūnám, nhd. nun). Wenn aber idg. *u̯e-du lautgesetzlich zu urgerm. *u̯it führt, dann dürfen wir für *i̯ u-du die gleiche Entwicklung annehmen. In meinen Augen bezeugen die germanischen Nominative des Duals der Personalpronomina also ebenfalls ein altes Hinterglied *-du. Zusammen mit lat. dū-plex (s. o.) dürfte damit der Beweis für vor-idg. athematisch *du ‘beide, zwei’ erbracht sein. 89 90 91 Oder dass die Form von Anfang an einsilbig war (*u̯ed). Eine frühe Reduktion des Wortes für ‘zwei’ auf den bloßen Dental halte ich jedoch für ausgeschlossen. Diese Unterscheidung zwischen Orthotonie und Enklise auch beim Nominativ geht bekanntlich nicht bis in grundsprachliche Zeiten zurück, sondern muss eine germanische Sonderentwicklung sein. Vgl. 2. Sg. Ind. got. bairis, an. berr, ags. bires, as. ahd. biris ‘du trägst’ < *bheresi (gegenüber ai. bharasi); Akk. Sg. got. hanan, an. hana, ags. hanan, as. ahd. hanon ‘den Hahn’ < urgerm. *hanan-un < *-m̥. 169 Svenja Bonmann 6 Der Plural der geschlechtigen Pronomina 6.1 Der Befund Schließlich bleibt noch ein Aspekt übrig, der einer Klärung bedarf und der, meiner Meinung nach, der inhaltlichen Kohärenz des Themas wegen durchaus in diesem Aufsatz diskutiert werden sollte. Wenn der pronominale Singular und Dual durch ein Element mit der Bedeutung ‘eins, einzig’ (*-sm-) bzw. ‘zwei, beide’ (*-du-) gekennzeichnet waren, so wäre im Plural der geschlechtigen Pronomina höchstwahrscheinlich ein vergleichbares Formans mit der Semantik ‘viele, manche, mehr’ o. ä. zu erwarten. Für das Maskulinum des Demonstrativums *to- müssen für das Spät-Idg. folgende Formen rekonstruiert werden: Nom. Pl. *toi̯ Akk. Pl. *tōns Gen. Pl. *toi̯ sō ̆ m Lok. Pl. Dat-Abl. Pl. Instr. Pl. *toi̯ su *toi̯ -mos(/-bh(i̯ )os) *toi̯ -mis(/-bhis) (vgl. ai. té, aksl. ti, lit. tiẽ, gr. dor. τοί, got. þai etc.) (vgl. ai. tā́n, aksl. ty, lit. tuõs, gr. dor. τόνς, got. þans etc.) (vgl. ai. téṣām, aksl. těxŭ, apr. s-teison, aisl. þeira) (vgl. ai. téṣu, aksl. těxŭ) (vgl. ai. tébhyas, aksl. těmŭ, lit. tíems) (vgl. ai. tébhis, aksl. těmi, got. þaim, ae. ðǣm) Auffällig, jedoch unerklärt, ist das Element *-i-, das sich bis auf den Akkusativ überall zeigt und als Charakteristikum des pronominalen Plurals gelten darf. Einzelsprachlich interagierten viele dieser spezifisch pronominalen Endungen mit denjenigen der thematischen Substantive und Adjektive. Der Diphthong im thematischen Lokativ Plural (*-oi̯ su gegenüber athematisch Lok. Pl. *-su) stammt bspw. mit großer Wahrscheinlichkeit aus der Pronominalflexion, genau wie der häufige Nominativ Plural auf *-oi̯ . Aufschlussreich wäre nun die Überlegung, dass zwei der sechs Kasusformen tatsächlich noch ein altes Hinterglied unverändert bewahren, sodass in letzter Konsequenz auch der Plural durch eine reguläre Erweiterung des Stammes charakterisiert war. Naheliegend wären dabei der Genitiv und Lokativ, die zusätzlich zum *-i- beide noch ein *-s- enthalten. Dieses *-s- war, wie die korrespondierenden Kasus der Substantivflexion zeigen (z. B. athematisch Gen. Pl. 170 Überlegungen zur pronominalen Flexion *-ō̆m), ursprünglich auf die pronominale Flexion beschränkt. Wenn nun das hypothetische pluralische Hinterglied schwundstufig war − genau wie im Singular das Hinterglied *-sm- und im Dual *-du- −, dann hätte ein altes Element *-is- lautgesetzlich im Lokativ *to-is-su > *toi̯ su ergeben,92 im Genitiv hingegen keinerlei Veränderung bewirkt (*to-is-ō̆m > *toi̯ sō̆m). Sollte diese Analyse des Genitivs und Lokativs korrekt sein, könnten wir mit einem schwundstufigen Hinterglied *-is- rechnen. Dieses implizierte wahrscheinlich ein Nomen *i̯ es-/*i̯ os-, das über die geforderte Semantik verfügt hätte (‘viele, manche, Gruppe, Haufen’ o. ä.). Wenn das aber so stimmt, so stellt sich die Frage, wieso sich dann weder im Nominativ, noch im Akkusativ, Dativ-Ablativ oder Instrumental Plural eine Spur dieses *-sfindet. 6.2 Silbenauslaute der Struktur *RF. im Früh-Idg. Eine bereits von F. de Saussure beschriebene Erscheinung lässt Laryngale in den Folgen *CoRHC und #HRo schwinden.93 Zwei Beispiele illustrieren die Regel: gr. τόλµη ‘Wagemut’ muss, wie das verwandte τελαµών ‘Tragriemen’ zeigt, zur Verbalwurzel *telh2- ‘aufheben, auf sich nehmen’ gestellt und folglich auf *tól-meh2 < *tólh2-meh2- zurückgeführt werden. Der Laryngal ist hier lautgesetzlich geschwunden (*CoRHC > *CoRC). Ähnlich verhält es sich bei ὀµείχω ‘urinieren’ gegenüber µοιχός ‘Pisser’ (Schimpfwort im Sinne von ‘Verführer einer verheirateten Frau’). Hier schwand der Laryngal in der Sequenz #HRo. In einer rezenten Abhandlung von A. M. Byrd (2015) stellt der Autor die These auf, dass Silbenauslaute der Struktur *RF. (Resonant + Frikativ), die im Sinne des von ihm vertretenen Sonoritätsprinzips spätgrundsprachlich durchaus vertretbar sind, generell in frühgrundsprachlicher Zeit nicht möglich gewesen seien. Dies habe zur Folge gehabt, dass ein beteiligter Frikativ regulär schwinden musste. Die Unzulässigkeit eines Silbenauslauts *RF. im Früh-Idg. macht Byrd dabei u. a. auch an der Lex Szemerényi fest, die in seinen Augen wie folgt formalisiert werden kann (S. 112 mit Nr. 102): 92 93 Grundsprachlicher Geminatenschwund, vgl. 2. Sg. *h1es-si ‘du bist’ > *h1esi (ai. ási, gr. εἶ < *ehi < *esi). Lit. zum sog. Saussure-Effekt: Saussure (1922: 582, Anm. 2), Nussbaum (1997), Pronk (2011), van Beek (2011). 171 Svenja Bonmann idg. *VRF → (a) V̄R/__#, (b) VR/__.C0 In Byrds Worten: »A fricative is deleted in a coda sequence of the shape vowel + sonorant + fricative (*/s, h1, h2, h3/), with compensatory lengthening of the preceding vowel if lost word-finally«. In spät-idg. Zeit habe diese Regel nicht mehr gegolten. Interessant ist nun, dass Byrd damit rechnet, dass dieser lautgesetzliche Schwund eben nicht nur im Auslaut wirksam war – vgl. die Lex Szemerényi −, sondern eben auch im Inlaut vor Konsonant. In diesem Fall sei die Ersatzdehnung unterblieben und der Frikativ spurlos geschwunden.94 Lexeme wie lat. termen ‘Grenzstein’, gr. τέρµα ‘Grenze’, ved. sutármaṇ- ‘eine gute, leichte Überquerung verschaffend’ deuten klar darauf hin, dass Laryngale in frühgrundsprachlicher Zeit zwischen Resonant und Konsonant generell spurlos schwanden (*térh2mn̥/-mén- > *tér-mn̥/-mén- zur Verbalwurzel *terh2- ‘durchkommen, überqueren’), unabhängig vom spezifischen Saussure-Kontext *CoRHC bzw. #HRo. Ein Beispiel für geschwundenes *-s-, das ja ebenfalls zu den idg. Frikativen zu zählen ist, könnte in ai. starı̄́- f. ‘Kuh, die keine Milch gibt und auch nicht trächtig ist’, lat. sterilis, arm. sterǰ ‘unfruchtbar’, gr. στεῖρα ‘unfruchtbare Kuh/Ziege/Frau’, got. stairo, nhd. Sterke ‘Kuh, die noch nicht gekalbt hat’ gesehen werden. Die Formen dürften zunächst einmal auf spät-idg. *ster-ih2- zurückgehen. Nun ist es aber in semantischer Hinsicht ausgesprochen attraktiv, dieses Lexem mit der Verbalwurzel *ters‘vertrocknen; durstig werden’ zu verbinden (ähnlich wie z. B. lat. terra ‘Erde, trockenes Land’ < *ters-eh2-). Spät-idg. *ster-ih2- hätte dann ursprünglich in etwa ‘die Trockene’ bedeutet – ein durchaus passender Begriff für eine Kuh, die keine Milch mehr gibt (o. ä.). Dabei gibt es aber zwei augenscheinliche Unterschiede zwischen der Wurzel *ters- und dem selbständigen Wort *ster-ih2-: einerseits das initiale *s, andererseits das fehlende *s hinter *r. Das anlautende *s lässt sich unkompliziert als smobile auffassen und muss uns nicht weiter beschäftigen; das Fehlen des hinteren *s ist hingegen sehr wohl erklärungsbedürftig. Sollte die Rückführung von *ster-ih2- auf die Verbalwurzel *ters- korrekt sein, erwartete man 94 Bereits ein oberflächlicher Blick ins Vokabular verschiedener altindogermanischer Sprachen zeigt die Möglichkeiten dieses Wandels. Bspw. lassen sich dann Worte wie ai. karka- ‘Schimmel, weißes Pferd’ < *korko- < *korsko- ‘Läufer’ zu *kers‘laufen’ deuten, vielleicht auch ähnlich gr. κόρδαξ ‘ein obszöner Tanz’. 172 Überlegungen zur pronominalen Flexion ein früh-grundsprachliches Paradigma Nom. Sg. *(s)ters-ih2, Gen. Sg. (s)ters-i̯ eh2s.95 Dessen schwache Kasus aber mussten nun – folgt man Byrd – lautgesetzlich das *-s- in der Stellung zwischen Resonant und Konsonant einbüßen, sodass hier z. B. ein Gen. Sg. (s)ters-i̯ eh2s > (s)ter-i̯ eh2s die Folge war. Diese Stammvariante konnte leicht verallgemeinert und auch auf den Nominativ übertragen werden, insbesondere, da das Lexem augenscheinlich ohnehin keinen Wurzelablaut zeigte. 6.3 Der pronominale Stamm *to-isKombiniert man Byrds These mit dem, was oben über die Möglichkeit eines Elements *-is- im pronominalen Plural ausgesagt wurde, so erklären sich die Besonderheiten mancher Kasusformen auf einen Schlag. Ein pronominaler Dat.-Abl. Plural hätte dann vor-idg. *to-is-mos lauten können, ein pronominaler Instr. Pl. *to-is-mis. Wenn tatsächlich die Regel *VRF → VR/__.C0 für jeden grundsprachlichen Frikativ galt − also eben nicht nur für die Laryngale,96 sondern auch für *s −, dann mussten *to-is-mos und *to-is-mis sich regulär weiterentwickeln zu früh-idg. *to-i-mos und *to-imis. Der einzelsprachliche Befund passt hervorragend zu diesem Postulat, vgl. Dat.-Abl. Pl. aksl. těmъ, ai. tébhyas; Instr. Pl. aksl. těmi, got. þaim. Sprachzweige wie das Indoiranische, die später die alten m-Kasus in bhKasus umwandelten, zeigen modifizierte Endungen. Beim Instrumental scheint es interessanterweise sowohl eine Form mit Hinterglied *-is- gegeben zu haben, die direkt im aksl. těmi und ae. ðǣm < *to-i-mis < *to-is-mis fortgesetzt ist, als auch eine Form ohne ein solches Hinterglied, die sich − mit Cowgillʼscher Syllabifizierung − von vor-idg. *to-mis zu *tōi̯ s entwickelte (vgl. ai. táis, lit. taĩs).97 Mindestens vier der sechs formal unterscheidbaren Kasus des Plurals könnten also tatsächlich auf ein Hinterglied *-is- deuten, das je nach Kontext entweder erhalten blieb (Lok., Gen.) oder den Frikativ verlieren muss95 96 97 In meinen Augen deutet nichts auf alten Wurzelablaut hin, contra Stüber (2007: 3), Eichner (1974). Wie Balles (2004: 45, Fn. 10) richtig anmerkt, ist es möglich, »daß die Zugehörigkeitsbedeutung bei *-ih2 ebenso wie bei *-o- weniger an das Suffix als an die Vr̥ddhierung gekoppelt ist.« Sofern *h1 als Frikativ aufgefasst wird, d. h. wohl [h]. Letztere Form könnte theoretisch auch eine Rückbildung zu den thematischen Nomina sein. 173 Svenja Bonmann te (Dat.-Abl., Instr.). Aufschlussreich sind nun der Akkusativ und der Nominativ. Beim Akkusativ deuten ai. tā́n, aksl. ty, lit. tuõs, gr. dor. τόνς und got. þans auf eine Form spät-idg. *tōns, die ihre Länge als Folge einer Osthoffʼschen Kürzung in manchen Sprachzweigen verlieren musste. 98 Setzt man nun − strikt schematisch − auch im pronominalen Akkusativ eine vor-idg. Ausgangsform *to-is-ms an, bestehend aus Pronominalstamm *to-, Hinterglied *-is- und eigentlicher Akk.-Pl.-Endung *-ms, so hätte sich diese wohl wie folgt entwickelt: *to-is-ms > *to-i-ms > *tōms > *tōns, d. h. mit einem Schwund des Frikativs als Folge des Lautgesetzes idg. *VRF → VR/__.C0, einer folgenden Resonantenvereinfachung samt Ersatzdehnung (= Lex Stang) und einer letztlich banalen Assimilation des Nasals an den auslautenden Sibilanten. Das Postulat erklärt hervorragend den Befund. Gleichzeitig zeigt es, dass der Frikativschwund vor der Lex Stang produktiv gewesen sein muss. Problematischer ist der Nominativ. Setzt man auch hier schematisch eine vor-idg. Ausgangsform *to-is-es an, so ist klar, dass damit keinesfalls das spätere *toi̯ erklärt werden kann. Nun stellt sich die Frage, ob *to-is-es aber überhaupt der richtige Ansatz ist. Die Pronominalflexion kennt eine ganze Reihe von Besonderheiten, und eine davon ist die Endungslosigkeit des Nominativs. Beim Singular deuten ai. sá, gr. ὁ, got. sa usw. klar auf einen endungslosen Nominativ des Maskulinums; und sofern die in diesem Aufsatz vorgestellte Herleitung des Nom. Duals *to-h1(u̯) < *to-du tatsächlich korrekt sein sollte, wäre auch der Nominativ Dual einst endungslos gewesen. Darin kann man ohne große Umschweife einen Archaismus sehen, nämlich dahingehend, dass in vor-idg. Zeit der Subjektskasus auch formal unmarkiert war. Wenn also der Nominativ des Singulars und des Duals endungslos waren, dann wäre es sehr wahrscheinlich auch der Nom. Plural gewesen. Die pluralische Semantik wäre dann anderweitig ausgedrückt worden, z. B. vermittels eines kompositionellen Hinterglieds mit entsprechender Semantik. Geht man also statt von *to-is-es vielmehr von endungslosem *to-is aus, dann nähert man sich bereits sichtbar dem Befund. 98 Osthoffs Gesetz besagt bekanntlich, dass Langvokale vor Resonant und anderem Konsonant gekürzt werden, vgl. z. B. got. winds und lat. ventus ‘Wind’ < *u̯ēnto- < *h2u̯eh1nto-. Das Gesetz galt nicht in allen idg. Sprachzweigen (bspw. nicht im Indoiranischen und Tocharischen). Ein Rekonstrukt *tons ist daher verfehlt, zu finden bspw. bei Meier-Brügger (2010: 366). 174 Überlegungen zur pronominalen Flexion Eine vor-idg. Ausgangsform *to-is hätte im Zuge der Lex Szemerényi eine Entwicklung hin zu *tō(i̯ ) durchlaufen müssen. Dies ist offenkundig nicht passiert. Dass wir in den einzelnen Sprachzweigen stattdessen Reflexe einer Vorform *toi̯ finden, kann nur dann mit dem Postulat in Einklang gebracht werden, wenn wir auch hier annehmen, dass *-s- interkonsonantisch geschwunden ist. In mehreren indogermanischen Sprachzweigen haben Demonstrativpronomina die Neigung, zu einem bloßen Artikel herabzusinken. Diese Entwicklung geht einher mit einer proklitischen Verwendung. Notker Labeo liefert ein althochdeutsches Beispiel: vgl. den akzentlosen Artikel in taz héiza fíur ‘das heiße Feuer’ (J28) − Proklise implizierend − mit dem akzentuierten in díe uuîlsalda állero búrgô ‘das Glück aller Städte’ (J19). Ähnlich im Griechischen: die vier Nominative ὁ, ἡ, οἱ, αἱ sind Proklitika, die mit einem folgenden Nomen eine prosodische Einheit bilden (z. B. οἱ ἄνθρωοι ‘die Menschen’). Zwar wissen wir, dass das Demonstrativum *so-/*to- im Urindogermanischen noch eine klare deiktische Funktion hatte, doch schließt das eine enge Verbindung mit zugehörigen Substantiven nicht aus. Dafür sprechen könnte z. B. der durchgängige o-Vokalismus des Maskulinums (stets *to-). Sollte das ein Indiz für alte Unbetontheit sein – oder für einen schwächeren Nebenakzent –, so läge der Gedanke an ein altes Proklitikon in der Tat nahe. Ich halte es daher für wahrscheinlich, dass Syntagmen wie bspw. *toi̯ s u̯iHró-es ‘diese Männer’ den geforderten Kontext boten, um das *-sregulär schwinden zu lassen.99 Aus *toi̯ s u̯iHró-es wäre dann noch vor der Abspaltung des Anatolischen *toi̯ u̯iHró-es geworden.100 Folgende Übersicht fasst die Überlegungen noch einmal zusammen: 99 100 Ansatz des Substantivs u̯iHró-es mit der regulären Nom.-Pl.-Endung *-es, da sich beim Substantiv, anders als beim Pronomen, ein endungsloser Nominativ weder im Singular noch im Plural wahrscheinlich machen lässt. Das bedeutet nicht, dass es in einer älteren Sprachstufe nicht vielleicht auch hier einen endungslosen Nominativ gab. Heth. kē ‘diese’, apē ‘jene’ belegen auch für das Anatolische einen pronominalen Nom. Pl. m. auf *-oi̯ . 175 Svenja Bonmann Nom. Pl. Akk. Pl. Gen. Pl. Lok. Pl. Dat-Abl. Pl. Instr. Pl. (Instr. Pl. Phase I *to-is *to-is-ms *to-is-ō ̆ m *to-is-su *to-is-mos *to-is-mis *to-mis Phase II *toi̯ *to-i̯ -ms *toi̯ sō ̆ m *toi̯ su *toi̯ mos *toi̯ mis *to-mis Phase III *toi̯ *tōms(> *tōns) *toi̯ sō ̆ m *toi̯ su *toi̯ -mos/-bh(i̯ )os *toi̯ -mis/-bhis *tōi̯ s) 6.4 Das Element *-isDie Formantien des Singulars und Duals mit der Bedeutung ‘eins, einzig’ (*-sm-) bzw. ‘zwei, Paar’ (*-du-) sind durchsichtig. Beim Plural ist dies anders. Fragt man sich, ob zu *-is- auch ein zugehöriges Nomen überliefert ist, das eine entsprechende Semantik beinhaltet, so muss die Frage eindeutig verneint werden. Es gibt meines Wissens kein idg. Lexem *i̯ es- bzw. *i̯ os-, das ‘viele, manche, Gruppe’ o. ä. bedeutete. Das einzige sicher für die Grundsprache rekonstruierbare Wort, dessen Semantik einigermaßen passt, ist der Nominativ Plural des Personalpronomens der zweiten Person auf spät-idg. *i̯ úHs, vgl. ai. yūyám, aav. yūš, got. jus oder lit. jūs̃ ‘ihr’. Eventuell liegt hier ein letzter, lexikalisierter Rest eines solchen alten (Pro?)Nomens vor, das früh eine Umgestaltung nach dem Nominativ Singular der Personalpronomina erfuhr. Aus ursprünglichem *i̯ es bzw. *i̯ os wäre dann, in Anlehnung an singularisches *tuH, spätgrundsprachlich *i̯ uHs geworden. Ein Indiz für die Richtigkeit dieser Herleitung könnte vielleicht im Nom. Pl. toch. B yes, A yas ‘ihr’ gesehen werden. Die tocharischen Formen reflektieren wohl älteres *i̯ os.101 Auch stellt sich die Frage, ob der got. Dat.-Akk. Pl. izwis ‘euch, euer’ nicht eine alte Schwundstufe *is- bewahrt, sodass wir vielleicht beim Personalpronomen eher mit einem alten Nom. Pl. *i̯ os und einem Obliquus-Stamm *is- rechnen müssten. Ob *i̯ os von Anfang an auf die zweite Person beschränkt oder in vor-idg. Zeit noch ein indifferentes Pluralpronomen war (‘mehrere’), muss offen bleiben. Dass sich got. weis oder heth. wēš ‘wir’ aber unproblematisch auf (erneut endungsloses) *u̯e-is zurückführen lassen, und dies eine deutliche Parallele 101 Vgl. für den Vokalismus (toch. A a = B e < idg. *o) z. B. A wak, B wek ‘Stimme’ < *u̯oku̯- (gr. ὀπ-) oder A ak, B ek ‘Auge’ < *h3eku̯- (lat. oculus). 176 Überlegungen zur pronominalen Flexion zum dualischen *u̯e-du darstellt, könnte tatsächlich dafür sprechen, in *-isdie ältere Gestalt des Pronomens zu sehen. Der Nom. des Pronomens der ersten Person Plural wäre dann ein durchsichtiges Kompositum, wahrscheinlich zum Zwecke der sekundären Differenzierung zwischen erster und zweiter Person. Eine zweite Möglichkeit, das pronominale Hinterglied *-is- zu identifizieren, könnte in einem Rückgriff auf die Zahlwörter zu suchen sein. Da sowohl *-sm- als auch *-du- eindeutig mit idg. Zahlen zusammenhängen, wäre auch eine Verknüpfung von *-is- mit den Zahlwörtern a priori nicht unplausibel. Auf ‘eins’ und ‘zwei’ folgt ‘drei’ − und wie ai. tráyas, gr. τρεῖς, kret. τρεες, lat. trēs, got. þreis oder lit. trỹs zeigen, muss für die Grundsprache ein maskuliner Nominativ *trei̯ es angesetzt werden. Anstatt nun aber, wie üblich, *trei̯ es als *trei̯ -es zu segmentieren, böte sich vielleicht eher eine Analyse als *tre-i̯ es an. Das hätte den Vorteil, dass die pronominale Auflistung ‘eins’, ‘zwei’, ‘viele, mehrere, Gruppe’ bei den Numeralia wiederkehrte, in Form von *sem-, *du-, *(tre)-i̯ es. *tre-i̯ es könnte dann ursprünglich ‘Dreier-Gruppe’ o. ä. bedeutet haben. Man könnte, als dritte Möglichkeit, auch an das idg. Komparativsuffix *-i̯ es/i̯ os/is- denken, das ursprünglich in etwa ‘mehrere, mehr’ o. ä. bedeutet haben mag. Die Komparativbildungen wären dann recht durchsichtige Formationen der Grundsprache. Vergleichbares gälte dann natürlich für den Superlativ auf *-is-to-. Vielleicht ist dies sogar die plausibelste Verknüpfung. 7 Die Besonderheiten des pronominalen Singulars 7.1 Der maskuline und neutrale Genitiv Singular *to-si̯ o Einige Gedanken zum Schluss dieses Aufsatzes sollen noch den Eigentümlichkeiten des pronominalen Singulars gelten ‒ erneut der inhaltlichen Kohärenz wegen. Der maskuline bzw. neutrale Genitiv Singular lässt sich unschwer als spät-idg. *to-si̯ o rekonstruieren, vgl. ai. tásya, gr. hom. τοῖο. Der offensichtliche Schwund eines alten *-m- infolge der ašnō-Regel (*to- 177 Svenja Bonmann si̯ o < *to-sm-i̯ o) bietet uns einen Hinweis auf die Deutung der Form.102 Da auch hier letztlich ein Stamm *to-sm- zugrunde liegt, muss der eigentliche Träger der Kasusbedeutung im Ausgang *-i̯ o gesehen werden. Das lässt sich am ehesten deuten als eine Bildung mit dem bekannten Adjektivsuffix *-i̯ o-. Dieses Suffix diente in mehreren Sprachzweigen der Bildung von Patronymika − vgl. gr. hom. Τελαµών-ιος Αίας ‘Ajax, Sohn des Telamon’, apers. haxāmaniš-iya- ‘Nachkomme des Achaemenes, Achaemenide’, lat. serv-ius ‘Sohn eines Sklaven, Servius’ −, wurde darüber hinaus aber auch ganz allgemein verwendet, um Adjektive der Zugehörigkeit oder des Ursprungs zu bilden (z. B. ved. gávya- ‘auf Rinder bezogen, zu Rindern gehörig’). Ich halte es daher für wahrscheinlich, dass der sog. »Genitiv« voridg. *to-sm-i̯ o eine ähnliche Grundbedeutung hatte (‘zu diesem gehörig’) und letzlich nichts anderes darstellt als ein grammatikalisiertes Adjektiv − ganz ähnlich den (etymologisch identischen?) Keilschrift-luwischen relationalen Adjektiven auf -iya-, die anstelle eines Genitivs verwendet werden.103 Dabei wäre dieses Adjektiv auf *-i̯ o genauso endungslos wie bspw. die Genitive auf *-ī des Italo-Keltischen.104 Die Endungslosigkeit könnte vielleicht dahingehend erklärt werden, dass es sich hierbei um einen hochaltertümlichen und gerade deshalb endungslosen Nominativ handelte, der appositiv verwendet und erst sekundär als Genitiv aufgefasst und dann reinterpretiert wurde. 7.2 Der maskuline und neutrale Instrumental Singular Eine weitere Eigentümlichkeit der geschlechtigen Pronomina liegt im maskulinen und neutralen Instrumental Sg., vgl. ai. ténā, lit. tuõ, got. þamma, þe. Eine gemeinsame idg. Ausgangsform lässt sich nur schwer rekonstruieren.105 Zwar deutet das Litauische auf eine frühe, unerweiterte idg. Form *to-mi > *tō(i̯ ), doch ist das im Prinzip unerwartet. Der pronominale Genitiv, Dativ, Ablativ und Lokativ Sg. zeigen alle das Hinterglied *-sm-, weshalb die Abweichung beim Instrumental erstaunt. Fragt man sich, wie die 102 103 104 105 Ältere Deutungen − wie bspw. die von Beekes (1992) − kranken daran, dass die ašnō-Regel ignoriert wird. Zur Verwendung eines Adjektivs statt eines Genitivs (und umgekehrt) vgl. Wackernagel (1908) [1969]. Vgl. dazu bspw. Stüber (2007: 21). Die Aporie älterer Deutungsversuche wird deutlich bei Beekes (1988: 82). 178 Überlegungen zur pronominalen Flexion reguläre, d. h. erweiterte Form gelautet hätte, so gelangt man zu einer hypothetischen Form *to-sm-mi. Bei dieser wäre die Doppelkonsonanz *-mm- aber sicherlich noch urindogermanisch vereinfacht worden (*to-sm-mi > *to-smi), sodass sich eine sekundäre Formengleichheit mit dem Lokativ Singular (ebenfalls *to-sm-i) ergeben hätte. Eine gleichlautende Endung für Instrumental und Lokativ wurde offenbar vermieden. Die verschiedenen Dialekte gingen jeweils einen anderen Weg, um zu einer deutlicheren Kasusform für den Instrumental zu gelangen. Eine Möglichkeit dazu war der Verzicht auf das Hinterglied (vgl. lit. tuõ < *tō(i̯ ) < *to-mi), eine andere die Verwendung einer, wie oben angesprochen, sekundären e-stufigen Variante des Instrumentals (got. n. þe, apr. ste < *tē, got. m. þamma < *to-sm-ē). Eine wiederum andere Möglichkeit war die Verwendung eines neuen, abweichenden Hintergliedes. Anstatt *-sm- zu gebrauchen, konnte ebenso gut auch ein anderes Lexem verwendet werden, das eine ähnliche Semantik hatte. Welche Alternative hätte einem Sprecher des Indogermanischen dabei zur Verfügung gestanden? Nun, neben *sem- gab es im Idg. noch ein anderes Wort für ‘eins’, nämlich *(H)oi̯ - mit verschiedenen Suffixvarianten: *(H)oi̯ -no- in lat. ūnus, air. óen, got. ains, aksl. inъ, gr. οἴνη ‘Würfel-Eins’ (u. a.), *(H)oi̯ -ko- in ved. éka- und *(H)oi̯ -u̯o- in av. aēuua-. Es ist verlockend, den vedischen Instrumental Singular ténā nun auf eine besondere Vorform *to-(H)in-o-mi zurückzuführen. Diese wäre, wie gesagt, vollkommen parallel gebaut zu den Formen mit einem Stamm *to-sm-, d. h. mit einem schwundstufigen Hinterglied. Aus *to-(H)in-o-mi hätte sich lautgesetzlich früh-idg. *to-(H)i̯ n-ō(i̯ ) ergeben, woraus dann vedisch ténā. Interessant ist dabei, dass damit auch für das Vedische indirekt die Variante des Wortes für ‘eins’ auf *-no-, *(H)oi̯ -no-, erwiesen wäre.106 Setzt man statt thematischem *to-(H)in-o-mi versuchsweise eine athematische Form *to-(H)in-mi an, dann hätte gemäß der ašnō-Regel das inlautende *-n- schwinden können (*CN1N2V > *CN2V). Aus *to-(H)in-mi (d. h. *to-(H)i̯ n-mi) wäre dadurch *to-(H)i̯ -mi geworden.107 Das wiederum 106 107 Av. -nā̆ und ap. -nā (vgl. aav. anā, jav. ana, ap. anā neben ved. enā́ Adv. ‘dadurch’ < *h1ei̯ n-ō < *h1e-(H)in-o-mi) haben, wie das Vedische zeigt, offenbar den Diphthong getilgt. Aber nur, wenn die Endung *-mi hier einen vokalischen Glide aufwies, sodass tatsächlich der nötige Kontext (*CN1N2V > *CN2V) vorlag. Das impliziert, dass zum Zeitpunkt der Gültigkeit der ašnō-Regel bereits die klassische Syllabifizierung 179 Svenja Bonmann deckt sich erstaunlich gut mit aksl. těmь, an. þeim und ae. ðǣm < *toi̯ -mi. Vielleicht ist der Diphthong im pronominalen Instrumental Singular dieser Sprachen also doch älter als allgemein angenommen. Die hier beschriebene Homonymenflucht dürfte, nebenbei bemerkt, auch der Grund sein, weshalb in mehreren idg. Sprachzweigen ein pronominaler Lok. Sg. auf *-sm-in/-en begegnet, vgl. ved. asmin, südpiken. esmín, esmen. Die Postposition *-n/-en ‘in’ diente letztlich der Verdeutlichung einer ambigen Form *tosmi (bzw. *h1esmi). 7.3 Der maskuline und neutrale Dativ und Ablativ Singular Angesichts der parallelen Formen des Instrumentals Singular (*-mi) und Plural (*-mi-s) wäre es prinzipiell logisch, dass einem Dativ-Ablativ Plural auf *-mo-s ursprünglich ein Dativ-Ablativ Singular auf *-mo gegenüberstand. Ein solcher ist zwar nirgendwo direkt belegt, könnte jedoch in der pronominalen Flexion noch umgestaltet vorliegen. In Kap. 2.3 wurde darauf hingewiesen, dass der pronominale Dativ Singular *to-sm-ōi̯ < *-o-ei̯ und Ablativ Singular *to-sm-ōd < *-o-h2ad seltsamerweise eine scheinbar thematische Bildung aufweisen, was die beiden Formen in einen deutlichen Kontrast zum athematischen Lokativ Sg. auf *to-sm-i bringt. Geht man nun davon aus, dass auch der pronominale Dativ und Ablativ ursprünglich völlig regulär gebildet waren (Stamm + ‘eins’ + Endung), dann ergäbe sich mit einer hypothetischen Endung Dat.-Abl. Sg. *-mo theoretisch eine Form vor-idg. *to-sm-mo. Diese Form hätte sich infolge grundsprachlichen Geminatenschwunds weiterentwickelt zu *to-sm-mo > *to-sm-o. Synchron wäre dann eine Endung *-mo nicht mehr als solche zu erkennen gewesen. von Resonanten Anwendung fand, und die Cowgill’sche Syllabifizierung samt ihrer Begleiterscheinungen nicht mehr gültig war. Akzeptiert man die hier präsentierte Etymologie von aksl. těmь, an. þeim und ae. ðǣm samt der weiter oben besprochenen des Akk. Pl. der geschlechtigen Pronomina ( *to-is-ms > *to-i-ms > *tōms > *tōns), so ergäbe sich folgende relative Chronologie: 1. vor-idg.: *VRF → (a) V̄R/__#, (b) VR/__.C0 (Lex Szemerényi in Byrd’scher Fassung). 2. vor-idg.: *VR1R2 > *V̄R2 (Lex Stang). 3. früh-idg.: *CN1N2V > *CN2V (ašnō-Regel). Vgl. zusätzlich auch Kapitel 2.8 für eine Übersicht über die relative Chronologie anderer Lautwandelprozesse. 180 Überlegungen zur pronominalen Flexion Es ist durchaus denkbar, dass Sprecher des Indogermanischen eine Form *to-sm-o zur Verdeutlichung mit Postpositionen bzw. postponierten Adverbien hätten versehen können − genau so, wie es beim Lokativ offenkundig ebenfalls geschah (vgl. ved. asmin, südpiken. esmín, esmen < *h1e-sm-i + *n/en). In ablativischer Funktion wurde dabei offenbar ein Element *h2ad < *h2ed angefügt, sodass sich *to-sm-o-h2ad ergab; im Dativ führte eine vergleichbare Entwicklung zu *to-sm-o-ei̯ . Beim ablativischen *h2ad drängt sich ein Vergleich mit urital. *ad (vgl. lat. ad ‘zu, zu … hin’, umbr. ař-, -ař, osk. ad-, südpik. ad- ‘zu’), urkelt. *ad (vgl. air. gall ad-, kymr. add-) sowie urgerm. *at (vgl. got. aisl. as. at ‘bei’, ae. æt, ahd. az) auf − zusätzlich zu verstreuten Formen wie phrygisch αδ-δακετ. Auf dieser Grundlage kann eine idg. Adposition *h2ad (bzw. *h2ed) rekonstruiert werden. Da idg. *to-sm-o-h2ad nun eine spezifisch ablativische Verwendung dokumentiert, scheint es naheliegend, für idg. *h2ad (< *h2ed) mit einer Ausgangsbedeutung ‘von, von … her’ o. ä. zu rechnen.108 Beim Dativ stellt sich die Frage, ob *-ei̯ ebenfalls eine alte Postposition oder nicht eher eine alternative Kasusendung war, die den eigentlichen, älteren Dativ auf *-mo verdrängte (bspw. ein sekundär vollstufiger Lokativ?). In der Nominalflexion findet sich meines Wissens nirgendwo ein solcher Dativ auf *-mo. Das dürfte nicht verwunderlich sein; wenn es überhaupt noch Spuren gäbe, dann dürften sie noch am ehesten im BaltoSlavischen oder Germanischen zu finden sein, da die übrigen Sprachzweige die m-Kasus modifiziert haben. Dort gibt es aber, soweit ich das Material überblicke, nichts Verwertbares. Vielleicht könnten die von Hill (2012: 186) als Instrumentale auf *-mi gedeuteten lat. demonstrativen Adverbien des Typs ill-im, ist-im ‘von dort’, ōl-im ‘einst’ (s. Kap. 1.1) eher die hypothetische Dat.-Abl.-Endung *-mo als einen Instr. *-mi bezeugen. Die ablativische Semantik ließe sich damit besser verstehen. Zwar hätte eigentlich auslautendes *o als lat. e erscheinen sollen (vgl. 2. Sg. Med. -re < *-so), doch gilt dasselbe auch für auslautendes *i (vgl. lat. ante gegenüber gr. ἀντί, ai. ánti; evtl. akzentabhängig im Lateinischen? Vgl. *antí > ante vs. 3 Sg. Präs. -eti > -it). Eine Rückführung auf *-mi ist also nicht per se plausibler als eine auf *-mo. 108 Selbstverständlich unter der Annahme, dass die angefügte Postposition *h2ad beim pronominalen Ablativ und idg. *h2ad in selbständiger Verwendung (lat. ad etc.) tatsächlich identisch sind. 181 Svenja Bonmann Vielleicht gibt es auch im Keltischen noch indirekte Belege für einen Dativ Sg. auf *-mo. Die bekannten gallischen Dative auf -βο, -bo werden überlicherweise als Pluralformen gedeutet; dabei muss jedoch mit einem Schwund des auslautenden Sibilanten gerechnet werden. Wäre es nun zu weit hergeholt, bspw. µατρεβο γλανεικαβο (G-64) als ‘für die glanische Mutter’ (Sg.) zu deuten? Soweit ich es beurteilen kann, zwingt uns nichts dazu, gall. -βο, -bo als Endung des Dativs Plural zu betrachten; eine singularische Deutung ist ebenso gut möglich. Gegebenenfalls bezeugt das Gallische also einen abgewandelten Dat. Sg. auf *-bho < *-mo. Außerhalb der Pronominalflexion gibt es in jedem Fall nur mehrdeutige Evidenz; unzweifelhaft gehört eine hypothetische Endung *-mo − wenn es sie denn überhaupt gab − einer sehr alten Sprachschicht an. Sobald aber einmal die spät-idg. Formen Dat. Sg. *to-sm-o-ei̯ und Abl. Sg. *to-sm-o-h2ad etabliert waren, konnten sich die daraus abstrahierten Endungen Dat. *-o-ei̯ und Abl. *-o-h2ad auf die thematischen Paradigmen der Substantive und Adjektive ausbreiten und eine hypothetische ältere Form *-mo ersetzen. Da *-mo wohl für zwei Kasus − Dativ und Ablativ, genau wie im Plural − verwendet worden wäre, ist die Motivation für die Ersetzung dieser Endung durch zwei andersartige in einer Verdeutlichung zu suchen. Statt unspezifischem *-mo drückten *-o-ei̯ und *-o-h2ad präziser die geforderte syntakische Information aus. Fraglich bleibt dabei, wieso bei den athematischen Stämmen zwar *-ei̯ , nicht jedoch *-h2ad oder eben direkt *-mo zur Anwendung kam. 8 Zusammenfassung Der vorliegende Aufsatz sollte zeigen, dass Antworten auf morphologische Probleme in rekonstruierten Sprachen oftmals nicht im Bereich der Morphologie zu finden sind. Vielmehr ist es häufig sinnvoll, phonologische Entwicklungen in den Blick zu nehmen, die in der fraglichen Sprache ‒ oder einer ihrer Vorstufen ‒ einst wirksam waren, und die einen Einfluss auf bestimmte Aspekte der Verbal- oder Nominalmorphologie gehabt haben können. Ich habe versucht, diesen Ansatz am Beispiel der bekannten Asymmetrie in den idg. Endungen des Dativs, Ablativs und Instrumentals Plural zu verdeutlichen. 182 Überlegungen zur pronominalen Flexion Demnach ist es wahrscheinlich, dass die m-Endungen des BaltoSlavischen und Germanischen die idg. Situation widerspiegeln, während die bh-Endungen des Indoiranischen, Griechischen, Armenischen, Keltischen und Italischen sekundär sind. Die Variation zwischen älteren m- und jüngeren bh-Endungen lässt sich plausibel dadurch erklären, dass die unmittelbare Kasusform, in der eine bh-Endung zuerst lautgesetzlich entstand, weder der Dativ-Ablativ noch der Instrumental Plural, sondern stattdessen der Dativ-Ablativ-Instrumental Dual des Demonstrativums *to- war. Für diese Endung muss mit einer vor-idg. Ausgangsform *to-du-ih1oum/*todu-ih1eum/*to-du-ih1um gerechnet werden − bestehend aus dem Pronominalstamm *to-, einem schwundstufigen Hinterglied mit der Bedeutung ‘zwei’ und einer ablautenden Endung *-ih1oum/*-ih1eum/*ih1um. Lautliche Veränderungen des Hintergliedes haben dabei bislang die Identifizierung als *-du(-) erschwert. Dennoch ist es möglich, den Nom.-Akk. Dual *toh1(u̯) auf älteres *to-du und, wie erwähnt, auch den Dat.-Abl.-Instr. Dual auf einen Stamm *to-du- zurückzuführen. Letztere Kasusform samt ihrer ablautenden Varianten entwickelte sich durch eine Reihe verschiedener Zwischenschritte (Wandel *u̯ > *bh / {d}_{i̯ H}; Wandel *d > *h1 / {DV}_{C}; sog. νεογνός-Regel; Wirkung der Lex Stang; *CR1R2R3R4 > *CR1R2R4) zu früh-idg. *to-h1bh-i̯ ōm, *to-h1bh-i̯ ēm sowie *to-h1bh-ih1m. Diese Formen konnten wiederum leicht reanalysiert werden, sodass sich *toh1-bhi̯ ō(m), *toh1-bhi̯ ēm und *toh1-bhih1m als zweisilbige Wortkörper ergaben. Die dabei ‘falsch’ abgetrennten Kasusendungen *-bhi̯ ō(m), *-bhi̯ ēm und *-bhih1m gingen in der Folge nicht nur in vielen idg. Sprachzweigen auf die Flexion der Substantive und Adjektive über, sondern interagierten auch mit den korrespondierenden Kasus des Plurals und Singulars. Dabei übernahmen manche grundsprachlichen Dialekte das Element *-bh(i̯ )- in den Plural und ggf. ‒ wie das Armenische oder das Anatolische ‒ sogar in den Singular, während andere Gruppen (Balto-Slavisch, Germanisch) den Dual an die älteren, regulären m-Kasus des Singulars und Plural anpassten. Die Entstehung der bh-Kasus und ihre folgende Ausbreitung fallen dabei noch in die vor- bzw. früh-idg. Zeit, da auch das Anatolische Relikte sekundärer bh-Formen zeigt (fossilisierter Instr. Sg. auf *-bhi statt *-mi). Interessanterweise zeigte sich in dieser Untersuchung, dass eine Erklärung der m-bh-Variation nicht ohne eine gleichzeitige Betrachtung der geschlechtigen Pronomina möglich ist. Beide Problemfelder sind eng mit183 Svenja Bonmann einander verzahnt (wie es ja auch durch die häufige gegenseitige Beeinflussung von pronominaler und nominaler Flexion in den idg. Einzelsprachen nahegelegt wird), und eine Neubetrachtung der geschlechtigen Pronomina hatte notwendigerweise auch Implikationen für die auf den ersten Blick nicht damit zusammenhängende m-bh-Problematik. Aus Gründen der inhaltlichen Kohärenz wurde zusätzlich die These aufgestellt, dass auch der pronominale Plural urspünglich durch ein Hinterglied charakterisiert war ‒ genau wie der Singular und der Dual. Dieses pluralische Hinterglied wurde als *-is- identifiziert; es könnte sich dabei um ein Morphem (bzw. grammatikalisiertes Lexem) handeln, das wir bereits vom idg. Komparativ her kennen. Der lautgesetzliche Schwund von Frikativen in vor- bzw. früh-indogermanischer Zeit führte in der Folge zu teilweise starken Änderungen in der Lautgestalt der jeweiligen Kasusformen. Dennoch ist es möglich, sämtliche pronominalen Kasus des Plurals regulär auf einen älteren Stamm *to-is- zurückzuführen. Für das Urindogermanische ergibt sich somit eine systematische Formation bei den geschlechtigen Pronomina (Stammgestalt im Sg. *to-sm-, im Du. *to-du-, im Pl. *to-is-). Interessanterweise zeigte sich, dass auch bislang rätselhafte Formen wie die Instrumentale ved. ténā, aksl. těmь, an. þeim oder ae. ðǣm keineswegs irreguläre Bildungen sein müssen. Wird statt *sem- das andere idg. Wort für ‘eins’ bemüht, ergibt sich ein hypothetischer Instrumental Sg. *to(H)in-(o-)mi, der die Formen problemlos erklärt. Theorie und Evidenz passen hier gut zusammen. 184 Überlegungen zur pronominalen Flexion Tab. 3. Die Entwicklung der m- und bh-Kasus beim Demonstrativum *to-. Kasus Dat. Sg. Abl. Sg. Instr. Sg. Vor-Idg. *to-sm-mo *to-sm-mo *to-sm-mi/*to-mi/ *to-(H)in-(o)-mi Früh-Idg. *to-sm-o-ei̯ *to-sm-o-h2ad *tō/*to-(H)i̯ nō/ *to-(H)i̯ -mi Spät-Idg. *to-sm-ōi̯ *to-sm-o-h2ad *tō/*tō-mi/*to-i̯ nō/ *to-i̯ -mi Dat.-Abl.-Instr. Du. (Variante) (Variante) Dat.-Abl. Pl. Instr. Pl. (Variante) *to-du-ih1oum *to-du-ih1eum *to-du-ih1um *to-i̯ s-mos *to-i̯ s-mis *to-mis *to-h1bh-i̯ ō(m) *to-h1bh-i̯ ēm *to-h1bh-ih1m *to-i̯ -mos/-bh(i̯ )os *to-i̯ -mis/-bhis *tōi̯ s *tō-bhi̯ ō(m)/*to-i̯ -mō *tō-bhi̯ ēm *tō-bhih1m *to-i̯ -mos/-bh(i̯ )os *to-i̯ -mis/-bhis *tōi̯ s Tab. 4. Die Entwicklung der m- und bh-Kasus beim Substantiv. Kasus Instr. Sg. Instr. Sg. (them.) Vor-Idg. *-mi *-omi Früh-Idg. *-mi (/*-bhi) *-ō Spät-Idg. *-V̄/*-mi/*-bhi *-ō/*-ē Dat.-Abl.-Instr. Du. (Variante) (Variante) *-ih1oum *-ih1eum *-ih1um *-i̯ h1ō(m) *-i̯ h1ēm *-i̯ h1um *-bhi̯ ō(m)/*-mō(m) *-bhi̯ ēm *-bhih1m/*-i̯ h1um Dat.-Abl. Pl. Instr. Pl. Instr. Pl. (them.) *-mos *-mis *-omis *-mos/*-bh(i̯ )os *-mis/*-bhis *-ōi̯ s *-mos/*-bh(i̯ )os *-mis/*-bhis *-ōi̯ s Svenja Bonmann Institut für Vergleichende Sprachwissenschaft Universität Zürich Plattenstr. 54 CH-8032 Zürich Schweiz – Switzerland svenja.bonmann@uzh.ch 185 Svenja Bonmann 9 Literatur Balles, Irene. 2004. 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