Montanregion als historisches Erbe
Reflexionen und Ausblicke
Beiträge zum Kolloquium 25 Jahre Welterbe im Harz
am 22. und 23. September 2017
im WELTKULTURERBE RAMMELSBERG
Museum & Besucherbergwerk in Goslar
Herausgegeben vom
WELTKULTURERBE RAMMELSBERG Museum & Besucherbergwerk
Grußwort der Niedersächsischen Ministerin
für Wissenschaft und Kultur
Zum 25-jährigen Jubiläum der Ernennung des Erzbergwerks Rammelsberg und der Altstadt von Goslar zum UNESCO-Weltkulturerbe
gratuliere ich herzlich. Mit Erlangung des UNESCO-Welterbestatus
1992 begann im Harz eine neue Ära. Mit der Erweiterung der Welterbestätte im Jahr 2010 durch die einzigartige Oberharzer Wasserwirtschaft wurde ein weiterer Meilenstein genommen.
Mit seiner Welterbestätte hat der Harz ein großes und vielfältiges Potenzial. Das Besondere ist, dass der Harz als touristisches Ziel
Naturerlebnisse mit einer Fülle von Geschichts- und Kulturzeugnissen
verbindet.
Der Welterbetitel bringt aber auch Verpflichtungen mit sich. Das
Land Niedersachsen und die Akteure im Harz haben es sich daher zur
gemeinsamen Aufgabe gemacht, die museale, denkmalpflegerische und
wissenschaftliche Arbeit am UNESCO-Welterbe zu fördern. Wir engagieren uns zudem für seine zukunftsweisende Weiterentwicklung.
Für dieses Ziel haben wir im Jahr des 25-jährigen Jubiläums des Weltkulturerbes gemeinsam wichtige Weichen gestellt. Es geht um die nachhaltige Erhaltung der Welterbstätten, eine noch bessere Vermittlung und
um die touristische Attraktivität des Welterbes. Die geplanten Welterbezentren in Goslar, Clausthal-Zellerfeld und Walkenried werden dazu
beitragen, die hiesigen Angebote forschungsbasiert und zeitgemäß für
Einheimische und Gäste neu zu erschließen.
Das Kolloquium zum 25-jährigen Jubiläum gibt Rückblick und Ausblick gleichermaßen. Es trägt dazu bei, die Kenntnisse zur Geschichte
des Welterbes im Harz zu vertiefen, Vergleiche mit anderen Welterbestätten zu ziehen und museologische Fragen des Welterbes zu diskutieren. Ich danke den Kolloquiums-Teilnehmerinnen und -Teilnehmern
und wünsche dem Welterbe im Harz auf seinem weiteren Weg in die
Zukunft viel Erfolg!
Dr. Gabriele Heinen-Kljajić
4
Grußwort des Oberbürgermeisters
der Stadt Goslar
Das Kolloquium zur Aufnahme des Erzbergwerks Rammelsberg und
der Altstadt von Goslar in die UNESCO-Liste des Weltkulturerbes
setzt den Veranstaltungsreigen im Jubiläumsjahr fort, mit dem wir das
25-jährige Bestehen des Welterbes im Harz gebührend feiern wollen.
Ich freue mich, dass es aus diesem Anlass gelungen ist, ein hochkarätiges
wissenschaftliches Kolloquium aufzusetzen.
Reich verzierte Fachwerkhäuser, historische Kirchen und Kapellen
und die Wallanlage, die die Stadt umschließt, haben ihren Ursprung im
Bergbau am Rammelsberg. Sie prägen bis heute das Erscheinungsbild
Goslars und faszinieren Jahr für Jahr hunderttausende Besucher, aber
auch uns, die Goslarerinnen und Goslarer, denn wir leben in einer wunderschönen Stadt.
Mit dem Status Welterbe könnte man deshalb zunächst den Auftrag
verbinden, den Rammelsberg und die Goslarer Altstadt als Marketinginstrumente in ihrer Einzigartigkeit und Attraktivität für die Touristen
herauszustellen. Das Weltkulturerbe legt uns allerdings höhere Ansprüche auf. Es bedeutet Verantwortung und Verpflichtung – die Leistungen
und das Erbe unserer Vorfahren auch in Zukunft zu bewahren, Wissen
zu schaffen und Geschichte zu vermitteln, auch durch Publikationen. Die
Erfüllung dieses Bildungsauftrags bleibt jedoch leider aufgrund knapper
Ressourcen oftmals als Erstes aus. Umso mehr freue ich mich, dass das
25-jährige Welterbe-Jubiläum nicht nur mit Sonderausstellungen und
einem Festakt begangen wird, sondern dieses Kolloquium und die Publikation auch einen wissenschaftlichen Gedankenaustausch ermöglichen.
Thematisch blicken die Organisatoren dabei bewusst über den
Tellerrand hinaus und stellt vergleichbare Regionen mit industriellen
Denkmälern vor. Aktuelle Fragen zu Erhalt und der Konservierung von
Kulturgütern werden ebenso angesprochen wie verschiedene Ansätze
der Vermittlung des Welterbes. Der abschließende Beitrag richtet den
Blick wieder auf unsere Region zurück: Die Einrichtung der dezentralen
Welterbe-Infozentren, ist eines der wichtigsten Impulsprojekte, um die
Grundstruktur unseres Harzer Welterbes sichtbarer werden zu lassen.
Dr. Oliver Junk
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Inhalt
Grußwort der Niedersächsischen Ministerin
für Wissenschaft und Kultur
Dr. Gabriele Heinen-Kljajić . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
Grußwort des Oberbürgermeisters der Stadt Goslar
Dr. Oliver Junk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
Gerhard Lenz:
25 Jahre Welterbe – Zukunftsfähig erhalten und gestalten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
Hans-Georg Dettmer:
Von der Dynamik des Denkmals. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
Axel Föhl:
Die technisch-industriellen Objekte auf der
UNESCO-Welterbeliste.Versuch einer kritischen Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . 13
Uwe Kleineberg:
Bewahrung und Intervention: Erhaltungsstrategien und Nutzungskonzepte für die UNESCO-Welterbestätte Rammelsberg . . . . . . . . . . . . . . . 27
Martin Wetzel:
Welterbe und Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
Norbert Tempel:
Die Industrielle Kulturlandschaft Ruhrgebiet. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
Delf Slotta:
Anmerkungen zur Geschichte des Saarbergbaus und zur
„Kultivierung“ seiner Hinterlassenschaften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
Friederike Hansell, Helmuth Albrecht:
Das Welterbe-Projekt Montanregion Erzgebirge/Krušnohoří
und das montanhistorische Erbe – Grundlage für die regionale
Identität und Basis für die Bildungs- und Vermittlungsarbeit . . . . . . . . . . . . . . 87
Johannes Großewinkelmann:
„Denn Sie können nicht wissen, was gesammelt werden soll! “
Über den Einfluss der zeitgemäßen Interpretation
auf die Sammlung von Kulturgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97
6
Bernhard Mai:
Die zeitgemäße Konservierung von technischem Kulturgut. . . . . . . . . . . . . . . 99
Gesind Reimold:
Respekt!. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .109
Andreas Gundelwein:
Vermittlung von Bergbau- und Technikgeschichte in einer
‚Zeit ohne aktiven Bergbau in Deutschland‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
Thorsten Seifert:
Authentische Zeugnisse am authentischen Ort vermitteln.
Das Beispiel Weltkulturerbe Zeche Zollverein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117
Peter Backes:
„Ist das Industriekultur oder kann das weg?“
Authentizität und Nachhaltigkeit bei der Umnutzung großer
Industrieanlagen. Das Beispiel Weltkulturerbe Völklinger Hütte . . . . . . . 131
Katharina Malek:
Montanarchäologische Forschungen im Harz. Ein Ausblick...................139
Manuela Armenat:
Die dezentralen Welterbe-Informationszentren im Harz . . . . . . . . . . . . . . . . 149
Die Autoren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161
Bildnachweis
7
Montanarchäologische Forschungen im Harz.
Ein Ausblick
Katharina Malek
Die Montanarchäologie des Harzes schaut – wie auch das Welterbe –
auf ein institutionelles Vierteljahrhundert zurück. Als direkte räumliche
Nachbarin des Rammelsberges hat sie die vorneuzeitliche Bergbaugeschichte des Harzes neu geschrieben und lang feststehende Thesen ins
Wanken gebraucht. Damit ist sie innerhalb der internationalen wie nationalen Forschung zu einer anerkannten Größe geworden. Es ist nicht
das Ziel dieses Beitrages die vielen, häufig revolutionären Erkenntnisse
noch einmal zu betrachten. Dies ist bereits in zahlreichen Publikationen erfolgt (zusammenfassend: Bartels/Klappauf 2012; zuletzt Klappauf/
Malek 2016). Vielmehr ergeben sich aus den Ergebnissen offene Fragen
für die Zukunft, von denen zwei im Folgenden skizziert werden sollen.
Das Alte Lager am Rammelsberg
Eines der jüngsten Beispiele sind die seit 2010 stattfindenden Ausgrabungen im Alten Lager am Rammelsberg1. Wie schon häufig beschrieben, ist die Entdeckung der Fundstelle einem Lederschuh zu verdanken.
Ursprünglich – wohl schon seit der Bronzezeit (?) – wurde das Alte
Lager im Tagebau ausgeerzt. Vermutlich im 9./10. Jahrhundert fand aus
Sicherheitsgründen ein Wechsel zum Untertagebau statt. Der alte Tagebau wurde mit Müll und Schutt verfüllt, und es wurden nicht brauchbare
Erze dort auf Halde gelegt. Der moderne Tagebau der Schiefermühle, wo
Versatzmaterial gewonnen wurde, schnitt diesen Bereich an. Im Laufe
der Zeit ist aus den oberen Füllschichten der besagte Lederschuh herauserodiert und bei einer Begehung zufällig entdeckt worden.
Die naturwissenschaftliche Datierung dieses Objektes – um 1024 n.
Chr. – führte zu intensiven Prospektionen. Dabei wurde nicht nur ein
verschütteter Hohlweg dokumentiert, sondern es fand sich unter der
Halde des Maltermeister Turms auch ein Holzgerinne, dass naturwissenschaftlich in die Zeit um 920 n. Chr. datiert.
Erste Probegrabungen auf kleinen Flächen zwangen schließlich zum
Öffnen von größeren Bereichen, um die Vielfalt der Befunde einigermaßen verstehen zu können. Mit Hilfe des Caritasverbandes für Stadt und
Landkreis Goslar e.V., des Jobcenters Goslar und der Bergbau Goslar
GmbH gelang es zwischen 2010 bis 2016 mehrmonatige Grabungskampagnen durchzuführen.
139
Freigelegt werden konnten mächtige Schichten gut erhaltener Beilspäne, bearbeitete Holzbalken und Spuren eines befestigten Werkplatzes am Rande eines Teiches. Auf der Gegenseite trat überraschend ein
hervorragend erhaltener Stollen zu tage, dessen Hölzer aller Wahrscheinlichkeit nach auf dem freigelegten Werkplatz gerichtet wurden.
Der Stollen verläuft in Richtung des Tals. Auf ihn führt ein teilweise
in Stein gesetzter Kanal. Dieser mündet in den Stollen mit einer Wasserrutsche, die aus drei flachen Brettern besteht. Vom Stollen waren
die Firste auf Türstöcken und auch der seitliche Verbau mit massiven Eichenbohlen erhalten. Die Verfüllung des Stollens bestand aus mächtigen
Sedimentschichten, die darauf hinweisen, dass größere Mengen Wasser
ihn durchflossen haben. Er wurde in lockeres Material getrieben und
durchbrach das Liegende talabwärts. In diesem Bereich war er verbrochen. Der dadurch entstandene Einschnitt wurde später als Zugang zum
verfüllten Tagebau genutzt.
Naturwissenschaftlichen Datierungen zufolge wurde der Stollen in
einem Zeitraum von 1300 bis 1500 genutzt und instandgehalten. Keramikfunde aus dem Bereich des Werkplatzes gehören in die gleiche Zeit,
u.a. deuten auch Funde von Becherkacheln auf eine längere langfristige
Nutzung der Anlage hin.
Die Klimaverschlechterung, d.h. die so genannte Kleine Eiszeit, mit
den dadurch entstandenen Wassereinbrüchen untertage zwangen dazu,
solche alten Halden mit Nichtreicherzen wieder zu nutzen. Gleichzeitig
fanden intensive Bemühungen statt, die abgesoffenen Gruben unter Einsatz moderner Technik – Kunsträder – wieder nutzbar zu machen. Hierzu gehören auch die in der aktuellen Grabung dokumentierten Befunde.
Vom besonderen Interesse für zukünftige Forschungen ist u.a. ein
Querschlag im Stollen, parallel zum Liegenden, welcher auf in das mittelalterliche Grubengebäude führenden Schächte zielt. In welcher Beziehung lässt sich dies zum Grubengebäude bringen? Ein beantragtes
Verbundprojekt zur 3D-Erfassung von Teilen des Rammelsberger Grubengebäudes könnte möglicherweise eine Antwort auf diese Frage liefern. Zurzeit deutet sich die Interpretation folgendermaßen an: die im
14./15. Jahrhundert untertage neu installierten Kunsträder mussten mit
Wasser versorgt werden. Hierzu bot sich unter anderem ein in der
Lederschuh (Größe 46),
Altes Lager am Rammelsberg
140
Verfüllung des alten Tagebaus entstandener Teich an, dessen Wasser
bei Bedarf nach Untertage geleitet wurde. Fraglich ist inwieweit diese
Installation in Verbindung gebracht werden können mit den historisch
überlieferten Aktivitäten der Walkenrieder Mönche, die um 13. Jahrhundert am Rammelsberg Brauchwasserleitungen (aquaeducti) einrichteten2.
In der Grabungskampagne 2016 traten weitere unerwartete Befunde zutage. So konnte die Firste eines weiteren, wohl älteren Stollens
angeschnitten werden. Sie liegt in direkter Nachbarschaft zu einem
rundlichen Befund, der vermutlich einen verfüllten Schacht darstellt. Außerdem wurde eine längliche Holzstruktur beobachtet, die noch keine
Ansprache erlaubt.
Diese sich andeutenden Befunde, unter denen mindestens 5 m weitere Füllschichten liegen, können zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht eindeutig interpretiert werden.
Die schon jetzt erreichte Tiefe der Grabung, ebenso wie die trotz
der Ausdehnung zu kleine Grabungsfläche, machen es unabwendbar, zukünftig die Grabungsflächen zu erweitern. Nur so wird es möglich sein,
auf die Sohle des Tagebaus zu gelangen und damit den Zeitpunkt des
Wechsels vom Tagebau zum Untertagebau archäologisch datierbar zu
fassen. Nicht zu erwarten sind in größeren Tiefen Befunde der urgeschichtlichen Nutzung, da diese am ehemaligen Ausbiss stattfanden. Um
diese Befunde zu erfassen wäre eine systematische Untersuchung des
Lagerstättenausbisses notwendig, was ebenfalls eine zukünftige Aufgabe
darstellt.
Düna und ihre Auswirkungen
Aufsicht auf die Firste des jüngeren
Stollens, Altes Lager am Rammelsberg
141
Ein älteres Beispiel ist die 1981 begonnene Ausgrabung im kleinen
Ort Düna bei Osterode. Die dort über fünf Jahre lang durchgeführten
interdisziplinären Arbeiten förderten nicht nur die Reste eines bis dato
unbekannten spätestens ottonischen Herrensitzes mit Gewerbestätten
zutage. Sie führten auch den Nachweis von Abbau und Transport der
Rammelsberger Kupfererze bereits im 3. Jahrhundert n. Chr. Wie oben
angedeutet, stellte sich jedoch automatisch die Frage, ob es nicht einen
noch viel älteren Bergbau gegeben habe.
Übersichtsplan der Grabungsflächen,
Altes Lager am Rammelsberg, 2017
Rechts: angeschnittene Firste,
Altes Lager am Rammelsberg
142
Die Forschungen zur Bedeutung der polymetallischen Lagerstätten
im Harz während der Urgeschichte – insbesondere während des Neolithikums und der Bronzezeit – stehen allerdings erst am Anfang.
Lange Zeit herrschte die Meinung vor, der Harz wie die Mittelgebirge insgesamt, seien von den prähistorischen Gesellschaften nur gelegentlich aufgesucht worden (vgl. Valde-Nowak 2002, 3–26). Erst die
schriftlich überlieferte vermeintliche Entdeckung der Rammelsberg-Lagerstätte um 968 n. Chr. und der im 12. Jahrhundert eröffnete Bergbau
auf den Oberharzer Gängen hätten zu einer Besiedlung geführt. Bereits
durchgeführte moderne Untersuchungen konnten dies jedoch widerlegen (zusammenfassend: Klappauf 2003;Valde-Nowak u.a. 2004). Sie zeigten, dass die Menschen bereits im Neolithikum den Harz besiedelten,
jedoch eine andere Art der Subsistenz, die stärker auf der Viehzucht
basierte, als im Flachland wählten. Geländebegehungen mit Kartierungen von Fundkonzentrationen machten außerdem die häufige Existenz
von Steinartefakten in der Nähe von Mineralvorkommen deutlich. Da
die Erzgänge im Harz zudem an der Oberfläche ausbeißen, ist es schwer
vorstellbar, diese wären unbeachtet geblieben.
Erste archäologische Indizien eines frühen Kupferabbaus im Harz gehen in die 1960er Jahre zurück. Damals unternahm W. Nowothing zahlreiche Prospektionen im Oberharz. Dabei entdeckte er unter anderem
Rillenschlägel sowie Unterlegsteine, für die er die besten Analogien in
den bronzezeitlichen Funden vom Mitterberg in den Alpen fand und
entsprechend zeitlich einordnete (Nowothing 1963; 1965). Allerdings
können solche mit typischen Schlagspuren versehenen Steinwerkzeuge
sowohl urgeschichtlichen als auch hochmittelalterlichen Ursprungs sein.
Ähnlich verhält es sich mit Plattenschlacken die Nowothing immer
wieder beobachten konnte. Gemeinhin gelten diese flachen, scherbe-
155
156
nähnlichen Produkte mit oberflächigen Fließstrukturen als typische Indikatoren für eine bronzezeitliche Verhüttung. Sie entstehen, wenn eine
dünne Schlackeschicht im Ofentiegel über dem erschmolzenen Metall
erkaltet. Die archäologischen Untersuchungen eines Verhüttungsplatzes, welche durch die Arbeitsstelle Montanarchäologie des NLDs am
Kunzenloch bei Lerbach/Osterode am Harz in den 1990er Jahren erfolgten, konnten jedoch eindeutig belegen, dass die vorgefunden Plattenschlacken – nach Ausweis von 14C-Daten – hier ein Abfallprodukt der
mittelalterlichen Verhüttung des Rammelsberger Kupfererzes gewesen
sind (Klappauf/Linke 2004). Das ist daher ein Hinweis, dass sich in den
Hüttentechniken von der Bronzezeit bis in das frühe Mittelalter keine
wesentliche Neuerung erwarten lässt.
Archäometallurgische Untersuchungen an Bronzegegenständen aus
dem gesamten Harz sind bereits recht früh durchgeführt worden. 1952
schlossen H. Otto und W. Witter aus den Ergebnissen ihrer Spektralanalysen, dass ein Teil der untersuchten bronzezeitlichen Artefakte
aus Oberharzer Kupfer bestand (Otto/Witter 1952). Ihrer Meinung
nach könnte das Erz aus den Gängen von Zorge/Wieda und Hohegeiß
stammen. Ebenfalls auf das Oberharzer Revier deutete die Bleiisotopenuntersuchung eines spätbronze-/früheisenzeitlichen Bronzenadelfragments von der Pipinsburg bei Osterode am Harz, welche W. Brockner
(Technische Universität Clausthal) mit U. Haack (Universität Gießen)
durchführte (unpubl.). Daneben konnten verschiedene Bronzegegenstände der mittelbronze- bis kaiserzeitlichen Nekropole von Müllingen
bei Hannover analysiert werden. Darunter befanden sich auch zwei spätbronzezeitliche Scheiben, deren Bleiisotopie auf das Rammelsberger Erz
hinwies (Brockner u.a. 1991). Die deutlich verfeinerten Untersuchungen
der letzten Jahre machten jedoch deutlich, dass die alten Ergebnisse so
zum Teil nicht mehr haltbar sind. Die Kupferprovenienz beispielsweise
der Scheiben von Müllingen ist nach derzeitigem Kenntnisstand aus den
Alpen viel wahrscheinlicher (Haack u.a. 2004).
Die technische Weiterentwicklung der Massenspektrometrie ermöglicht heute viel präzisere Messungen. So konnte unter anderem die
Kupferherkunft von drei frühbronzezeitlichen Flachbeilen aus dem Ldkr.
Goslar, genauso wie die bestimmter spätbronzezeitlicher Artefakte aus
Vermutlicher Schacht,
Altes Lager am Rammelsberg
145
dem Altkreis Osterode am Harz, ersten Ergebnissen zufolge dem Harz
als Rohstofflieferant zugeordnet werden.
Diese vielversprechenden Messungen lassen sich durch mehrere
Sedimentanalysen von Flussablagerungen unterstützen. Die mineralische Vergesellschaftung von Kupfer-und Blei-Zink-Erzen führt bei der
Aufbereitung des Kupfererzes zu einer erhöhten Konzentration der
Blei-Zink-Gehalte im Auelehm. Wird dieser vorgefunden, ist dies ein
sicheres Anzeichen für die Kupferverhüttung in Flussnähe. Die Untersuchungen von Sedimenten der Oker bei Wolfenbüttel weisen einen
sprunghaften Anstieg der Blei- und Zinkkonzentration bei einer gleichzeitigen Anreicherung von Kupfer ab 2500 v. Chr. auf, was ein wesentlicher Hinweis auf die Kupferverhüttung seit dem Endneolithikum ist
(Matschullat u.a. 1992).Weitere Analysen der Sedimente im Uferbachtal,
Altkreis Osterode am Harz, belegen eine erhöhte Konzentration an
Blei und Zink für einen Zeitraum von 825 bis 625 v. Chr. und deuten
damit auf eine spätbronzezeitliche Kupferverhüttung hin (Matschullat
u.a. 1997).
Diese Ergebnisse werden durch weitere Arbeiten bestätigt. Die Bohrungen bei Seesen, im Erdfall Silberhol legen, ähnlich wie die Sedimentanalysen aus den Teichen in Aschenhütte, ebenfalls eine bronzezeitliche
Kupferverhüttung nahe (Begemann 2003). Gleichartige Resultate konnten auch den Proben aus der Weser unweit von Bremen entnommen
werden.
Diese sporadischen Hinweise auf Kupfergewinnung anhand von Metallanalysen genauso wie auf eine Verhüttung des Erzes mit Hilfe der Sedimentuntersuchungen lassen sich nicht von der Hand weisen.Vielmehr
eröffnen sie neue Perspektiven für die Montanforschung des Harzes
wozu ein erster Schritt die systematische Erfassung der Bronzefunde
aus der Region und dem Umland sowie ihre Beprobung und Messung
wäre. Notwendig sind zudem gezielte Prospektionen, die das Auffinden
von Spuren prähistorischen Montanwesens bezwecken. Zudem spielen
auch die Möglichkeiten der neusten fs-Laserablation-Massenspektrometrie eine wichtige Rolle, da zum ersten Mal zwischen verschiedenen
Stollensystemen getrennt werden kann, soweit diese unterschiedliche
Vererzungen anschneiden. Dadurch werden sehr präzise Aussagen zur
146
Herkunft, aber auch aus montanarchäologischer Sicht zum Ablauf der
Ausbeutung möglich.
Von besonderem Interesse ist die sich abzeichnende zeitliche Tiefe.
Sollte letztere bestätigt werden, ergeben sich gerade vor dem Hintergrund der Diskussion um die Verbreitung von Innovationen gänzlich
neue Aspekte. Sollte der Harz ein bronzezeitlicher Innovationsraum für
Niedersachsen und darüber hinaus gewesen sein? Denn bis jetzt galten vor allem die alpinen Vorkommen als Hauptlieferant und der Handel als Quelle der Rohstoffbeschaffung. Zudem wäre zu fragen, welche
Auswirkungen die frühe Ausbeutung auf die Gesellschaften hatte (vgl.
dazu Burmeister u.a. (Ed.) 2013). Wie wären in diesem Zusammenhang
Anlagen wie die Pipinsburg/Altkreis Osterode am Harz, Hünenschanze
bei Watenstedt/Landkreis Helmstedt oder der Burgwall von Isingerode/
Landkreis Wolfenbüttel, aber auch die Befunde der Lichtensteinhöhle/
Altkreis Osterode am Harz zu verstehen?
1
2
Ich danke Herrn Dr. Lothar Klappauf für die fruchtbare Diskussion über
die Ergebnisse dieser Grabung.
Freundlicher Hinweis von Dr. Christoph Bartels, Bochum.
Literatur:
Chr. BARTELS/L. KLAPPAUF: Das Mittelalter, in: Geschichte des deutschen Bergbaus,
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147
L. KLAPPAUF: 10 Jahre Montanarchäologie im Harz. Resümee und Ausblick, in: Th.
STÖLLNER/G. KÖRLIN/G. STEFFENS/J. CIERNY (Hgg.): Man and Mining – Mensch und
Bergbau. Studies in honour of Gerd Weisgerber on occasion of his 65th birthday. Der Anschnitt, Beiheft 16, Bochum 2003, S. 227–235
L. KLAPPAUF/F. A. LINKE: Sondierungsgrabung auf einem frühmittelalterlichen
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F. BOTH/H. HASSMANN (Hgg.): Archäologie Land Niedersachsen. 25 Jahre Denkmalschutzgesetz – 400 000 Jahre Geschichte, Oldenburg 2004
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des Harzes am Beispiel eines Auelehmprofils der Oker (Niedersachsen). Neue
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148
Impressum
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Reflexionen und Ausblicke
Beiträge zum Kolloquium 25 Jahre Welterbe im Harz am 22. und 23. September 2017
im WELTKULTURERBE RAMMELSBERG – Museum & Besucherbergwerk in Goslar
Goslar: Weltkulturerbe Erzbergwerk Rammelsberg Goslar 2017
Rammelsberger Schriften 3
Schriftleitung: Hans-Georg Dettmer
Redaktion:
Hans-Georg Dettmer, Martin Wetzel
Gestaltung:
Rainer Golitz, Quensen Druck + Verlag GmbH, Hildesheim/Goslar
Herstellung:
Quensen Druck + Verlag GmbH, Hildesheim/Goslar
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