DARGEBOTENE UND
GESTOHLENE BLICKE
SCHAUEN, ERZÄHLEN, ÜBERWACHEN UND BEOBACHTEN
ALS VERFAHREN IN BILDENDER KUNST, LITERATUR UND FILM
von Simon Frisch
AUFZEICHNUNG, DARSTELLUNG UND ZURSCHAUSTELLUNG
Bilder von der Realität sind immer auch Bilder in der Realität. Sie sind
in besonderer Weise an der Realität beteiligt und in der Realität wirksam.
Die Frage des Schauens und des Bildes ist eine Frage des Ortes und der
Anordnung und eine Frage von Sphären, die sich unterscheiden lassen.
Das Bild und das Dargestellte finden an unterschiedlichen Orten statt, das
Bild ist in der Umgebung des Betrachtenden, das Dargestellte ist im Bild.
Ein Bild anzuschauen bringt eine andere Zuschauerschaft hervor als etwas
Dargestelltes anzuschauen. Aber bevor etwas als Dargestelltes angeschaut
werden kann, muss es Darstellung werden. Wie wird Welt Bild, wie wird
Welt Anschauung? Und wie wird Welt Darstellung, wie wird Darstellung
möglich? – das sind Fragen nach den Voraussetzung, unter denen überhaupt erst Welt angeschaut werden kann und unter denen erst Aufzeichnungen – mit Kameras, aber auch in Beschreibungen und Notizen – verwandelt
werden kann. Um Fragen nach einigen solcher Voraussetzungen soll es im
Folgenden gehen.
Wie auf der Karikatur Chacun à son goût von Ottmar Starke zu sehen
ist, kann im Grunde jede Situation aus der Realität zu einem Bild von der
Realität werden, wenn zwischen Blickendem und Angeblicktem ein Wandschirm, ein Sichtschutz ist – und wenn es ein Schauinteresse gibt, über den
Sichtschutz hinweg oder hindurch zu schauen. In der Karikatur weiß der jeweils Angeschaute nichts davon, dass ihm oder ihr zugeschaut wird. Das
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verleiht den Vorgängen jeweils eine Atmosphäre des Privaten. Das Private
Im Folgenden soll es darum gehen, anhand von Beispielen aus Literatur,
ist seinem Wesen nach die der Öffentlichkeit entzogene Sphäre. Es wird
Film, Bildender Kunst und Philosophie Aspekte der Beobachtung und Be-
gerade nicht gesehen und das Private gibt kein Bild ab. Das Private ist eine
trachtung von Realität herauszuarbeiten.
geschlossene Sphäre. Als Bild kann das Private einen hohen Realitätsgehalt
erzeugen und spielt eine große Rolle in Ästhetiken des Realismus. Wie aber
wird das Private Bild? Der verstohlenen oder besser gestohlene Blick, in
ERMITTLUNG UND LITERATUR
dem der oder die Schauende nicht gesehen wird und sich selbst nicht beim
Georges Simenon beginnt seinen Roman Bellas Tod (La mort de Belle,
Schauen zusieht, ist zentral in den Blickanordnungen der Überwachung, der
1951) mit der Frage nach der Rekonstruktion der Abläufe eines ganz nor-
Ermittlung und der Sicherheitsdispositive. Haben Kameras in Dispositiven
malen Abends.
der Videoüberwachung in der sozialen Wirklichkeit auch die Funktion ei-
Es kommt vor, daß ein Mensch in seiner Wohnung gänzlich unbefangen
nes Realismus? Versuchen sie die Realität im Bild herzustellen? Sind ihre
seinen häuslichen Geschäften nachgeht und plötzlich merkt, daß die Vor-
Filmbilder in Funktion und Poetik verwandt mit dem fiktionalen Film? Sind
hänge nicht zugezogen sind und Leute ihn von draußen beobachten. So
die Kameras in den Sphären der Fiktion und in der Wirklichkeit Teil eines
ungefähr erging es Spencer Ashby. Nicht ganz, denn in Wirklichkeit küm-
großen imaginativen Gestaltungsprozesses, da sie Bilder der Realität erzeu-
merte sich an jenem Abend niemand um ihn. Er hatte seine Einsamkeit
gen, und also auch eine Imagination der Wirklichkeit? Oder sind sie umge-
ganz so, wie er sie liebte, dicht und undurchdringlich, ohne daß ein Laut
kehrt – ebenfalls in beiden Sphären – einfach Instrumente, um Wirklichkeit
aus der Außenwelt zu ihm drang; es hatte sogar angefangen zu schneien
aufzuzeichnen und anzuschauen? Ist dann Film vor der Unterscheidung von
und der Schnee machte die Einsamkeit gleichsam greifbar.
Fiktion und Wirklichkeit zuerst ein Format, um Wirklichkeit anzuschauen?
Konnte er ahnen, konnte irgend jemand auf der Welt ahnen, daß man die-
Dann wäre Film verwandt mit anderen Formaten und Formen der Veran-
sen Abend später unter die Lupe nehmen, daß man ihm zumuten würde,
schaulichung und der Schilderung etwa in der Literatur, in der Malerei, im
ihn fast buchstäblich in allen Einzelheiten nachzuerleben?2
Theater – nicht nur der Film erst bemüht sich um Anschauung von der Re-
Ein Roman muss gemeinhin nicht im Text ausdrücklich thematisieren, war-
alität. Es ist kein geringes Problem, die Realität anzuschauen. Man muss ei-
um wir den Abläufen, die darin geschildert werden, zu sehen bzw. zu lesen
nen Blickpunkt bekommen, von dem aus Realität sichtbar wird als Bild. Es
bekommen. Wenn diese Abläufe allerdings allzu alltäglich, banal oder be-
bedarf einer Öffnung hin auf die Realität und einen Ort ihr gegenüber. Das
langlos sind, kann sich beim Leser die Frage regen, weshalb er weiterlesen
Problem ist nämlich: Wie können wir Zuschauer werden von der Welt, zu der
soll. Warum sollte man sich für häusliche Geschäfte interessieren und war-
wir gehören? Cézanne hat in einem Gespräch mit Gasquet gesagt:
um darf man das bzw. unter welchen Umständen ist solch ein Interesse er-
Bei den Landleuten habe ich manchmal gezweifelt, ob sie wissen, was
laubt? Vielleicht wird die Schilderung irgendwann unangenehm? Blickt man
eine Landschaft, was ein Baum ist ... Der Bauer, der auf dem Markt seine
denn immer in ein Haus, wenn Vorhänge offen stehen? Tatsächlich kümmert
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Kartoffeln verkaufen will, hat niemals den Saint-Victoire gesehen.
sich in der Welt von Simenons Romans niemand um Ashby; keiner schaut
Zuschauen ist aber nicht nur ein ästhetisches Problem, es ist auch ein mora-
in das Fenster hinein. Warum nun sollten wir Leser ihm zusehen wollen, wie
lisches: Wann dürfen wir die Welt und das Leben der anderen anschauen?
»ein Mensch in seiner Wohnung gänzlich unbefangen seinen häuslichen
Wie dürfen wir uns aus der Welt stehlen, um uns ihr gegenüber zu stellen
Geschäften nachgeht«. Es kann unangenehm sein, in die Einsamkeit eines
und dann Bilder aus der Welt stehlen, um sie in den Dienst unserer Imagi-
Menschen mit dem Blick eingeladen zu werden. Um solche eventuelle Fra-
nation zu nehmen?
gen und Sorgen des Lesers gar nicht erst aufkommen zu lassen, schreibt
Simenon schon im zweiten Absatz, »daß man diesen Abend später unter die
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Lupe nehmen« würde. Unser Blick wird damit zeitlich verschoben, er ist jetzt
sogar mit auf seinem Bett und er darf die Wärme seiner Frau darauf spüren.
nachträglich, es gibt bereits ein »Später«. Was wir lesen, ist nun wie eine Auf-
Und er wird regelrecht eingeladen, sich mitzuerinnern und einen Ablauf von
nahme, die wir mit dem Interesse von »später« anschauen. Dies motiviert
unbedeutenden Ereignissen zu rekonstruieren. Voyeurismus mischt sich in
und legitimiert alle detaillierten Schilderungen der häuslichen Verrichtun-
die immer kleinteiligere Erinnerungsarbeit Ashbys an seine Frau, an die
gen Ashbys und alle möglichen Fragen und Überlegungen:
Haushälterin Bella, an alle Verrichtungen und Vorgänge des Abends und an
Was hatte es zum Abendessen gegeben? Keine Suppe, keine Eier, auch
damit verbundene Einblicke in das private Leben in diesem Haus. Die Erin-
keine Hamburger, sondern eins jener Gerichte, die Christine aus Resten
nerungsarbeit erzeugt allmählich eine eigene Dringlichkeit. Sehr spät erst
zubereitet und um deren Rezepte ihre Freundinnen sie zu bitten pfle-
kommt das Verbrechen in den Roman, der damit zum Kriminalroman wird.
gen, um ihr eine Freude zu machen. Diesmal waren es verschiedenartige
Nach 12 Seiten sagt Ashbys Frau Christine zu ihrem Mann: Bella ist tot.8
Fleischstückchen, darunter Schinken, dazu ein paar Erbsen unter einer
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brechen so lange aufschieben, Züge des Nouveau Roman. Der Nouveau
Schicht gratinierter Makkaroni.
Unter all den Dingen, die hier aufgeschrieben werden, ist vielleicht etwas,
Roman, der in den 1950er Jahren, in denen auch Bellas Tod erschien, ent-
was von dem »Später« her entscheidendes Gewicht, also Sinn und Bedeu-
wickelte eine Erzählform, in der nur Oberflächenbeobachtungen aneinan-
tung bekommt, deswegen wird alles mögliche aufgezeichnet – bis in die
der gereiht werden. Dabei verbindet das Geschilderte sich nicht zu einem
intimsten Bereiche. So wird der Leser eingeladen, sich Ashbys Frau anzu-
übergeordneten Sinn. Es gibt kein »Später«, kein Verbrechen, nichts das
schauen:
aufzuklären wäre. Die Oberflächlichkeit der Welt der Dinge wird ohne Pers-
Er entsann sich, daß seine Frau beim Essen ein rotes Gesicht hatte. Das
pektive und ohne Fragen geschildert – und dem Leser zugemutet. Vielleicht
kam oft vor. Und es war nicht einmal häßlich.4
ist der Nouveau Roman ein Kriminalroman ohne Verbrechen und ohne Er-
Und er darf bis ins Schlafzimmer mitkommen und beim Umziehen zu-
mittlung. Die bloße Beobachtung, die reine Schilderung tritt im Nouveau
schauen:
Roman an Stelle der Ermittlung – Schildern ist eine alte Bezeichnung fürs
Zuerst hatte er Rock und Krawatte abgelegt und seinen Hemdkragen
Bildermachen –, angestrebt wird eine Literatur der Bilder, der reinen Auf-
aufgeknöpft. Dann hatte er sich, um seine Pantoffeln anzuziehen, auf
zeichnung.
den Bettrand gesetzt, auf die noch warme Stelle, wo vor ihm seine Frau
gesessen hatte.5
Wie aber wird aus reiner Aufzeichnung von alltäglichen Vorgängen eine
Erzählung? Und wie zieht sie Leser an? Vielleicht ist der Kriminalroman im
Zwischendurch gibt es immer wieder Sätze oder Reflexionen über das
Grunde ein angereicherter Nouveau Roman? Vielleicht führt der Kriminalro-
Erinnern, wie:
man den Leser unter dem bloßen Vorwand der Ermittlung in eine Reihe von
Warum kam ihm jene Einzelheit der geröteten Wangen wieder ins Ge-
unterschiedlichen Milieus, und öffnet Einblicke insbesondere in Hinterzim-
dächtnis, während die ganze übrige Mahlzeit in einem nebligen Licht
mer, Rückzugsgebiete und private Räume?
verschwamm, aus dem nichts klar hervordrang?
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Der Literaturwissenschaftler Richard Alewyn hat 1968 den Detektivro-
oder:
man als eine spezifische Form des Kriminalromans in seinem inzwischen
Ist es nicht sonderbar, daß man sich später so schwer an solche Dinge
berühmten Text Anatomie des Detektivromans9 in einer solchen Weise
erinnert? So daß man sich sagen muß: Also wie war das? Hier befand ich
charakterisiert. Alewyn beschreibt den Detektiv als Assistenz- oder Vermitt-
mich. Was habe ich dann getan? Was tue ich jeden Tag um diese Zeit?
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Simenons Roman bekommt dadurch, dass seine Schilderungen das Ver-
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lungsfigur, die den Leser durch die Milieus des Romans führt, ihm Zutritt zu
Der Leser dringt ein in den Alltag Ashbys. Er darf die geröteten Wangen
Räumen und in private Verhältnisse verschafft und ihm Türen öffnet, die der
seiner Frau anschauen und mit überlegen, ob das schön aussieht. Er sitzt
Leser alleine nicht öffnen kann:
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der Leser befindet sich außerhalb der Welt der Erzählung, wie der Zu-
tun. Zu deren lustvollen Erkundung lädt der Roman ein, sicher geführt von
schauer im Theater außerhalb der Welt der Bühne, ohne eine Möglich-
einem Detektiv. Der spätere amerikanische Großstadtkrimi verändert die-
keit, einzugreifen. Darum braucht der Leser einen Vertreter innerhalb der
ses Prinzip leicht zur Reportage bzw. zur Expedition in die gefährlichen und
Erzählung.10
wilden Regionen der Großstadt, in die man sich nur an der Hand von Detek-
Eine solche Figur muss zum Einen wie der Leser außerhalb der Welt der Er-
tiven wagt. Der Kriminalroman verspricht, anders als der Nouveau Roman,
zählung stehen, muss aber zugleich in der Lage sein, sich darin zu bewegen.
dass unter der Oberfläche der Erscheinungen etwas verborgen ist, was von
So eine »Entdecker«- Figur ist im Wortsinn der Detektiv. Alewyn:
Interesse ist, nämlich: die Wahrheit der Wirklichkeit, die Realität.
Der Detektiv ist der Sachwalter des fragenden Lesers. Er gehört daher so
wenig wie dieser dem Personenkreis an, in dem das Verbrechen geschehen ist. Er tritt vielmehr von außen herein, sei es, daß er sich rein zufällig am
DER HINKENDE TEUFEL –
Ort befindet, sei es, daß er nach der Tat zu Hilfe gerufen worden ist. Er ist –
ÜBER UND UNTER DEN DÄCHERN VON MADRID
wie der Leser – mit keiner der wichtigeren Personen bekannt, insbesondere
[I]ch will Euch jetzt alles zeigen, was in Madrid vorgeht, erklärt dem Stu-
nicht mit dem Opfer oder dem Täter. Während jede der anderen Personen
denten Leandro Zambullo Der hinkende Teufel13 im gleichnamigen Roman
irgend etwas weiß, ist er der einzige, der – wie der Leser – am Anfang nichts
(von 1707) von Alain René Lesage, nachdem er mit ihm auf den Turm der
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weiß, am Ende allerdings auch der erste, der alles weiß.
[...] Kraft meiner diabolischen Gewalt werde ich die Dächer der Häuser
Meistens kommt er so weit von außen, dass er zu keinem Milieu der Gesell-
abdecken, und trotz der Finsternis der Nacht soll sich das Innere vor Euren
schaft gehört. Aus diesem Grunde, schreibt Alewyn, werde der Detektiv oft
Augen enthüllen.14
als Exzentriker gezeichnet:
Die skurrilen Züge, mit denen, besonders in der älteren Schule, der Detek-
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San-Salvator-Kirche gelandet ist, und fährt fort:
Er darf nichts wissen, damit er Fragen stellen kann, die auch der Leser stellt.
Mit einer Bewegung seines Armes verschwinden alle Dächer, und Zambullo
kann in das Innere der Häuser hineinsehen:
tiv ausgestattet wird, dienen nicht so sehr dazu, ihn ›menschlicher‹ zu ma-
Er blickte sich nach allen Seiten um, und die verschiedenartigen Dinge, die
chen, wie häufig gesagt wird, sie sollen vielmehr seine Außenseiterstellung
unter ihm waren, gaben seiner Neugierde längere Beschäftigung.15
betonen. [...] Der Detektiv ist reine Funktion, die in den Roman hineinproji-
Aus der Beschreibung dieser verschiedenartigen Dinge und Vorgänge in
zierte Personifikation der Frage.12
den Häusern – und anderen Häusern, von denen der Teufel später noch
Man könnte auch sagen, er ist die Personifikation der Indiskretion. Die Indis-
das Dach abheben wird – geht der ganze Roman hervor. Der Teufel weiß
kretion nämlich, so Alewyn, gewinne Interesse und Motivation daraus, dass
nämlich dem Studenten Zambullo zu den sich darbietenden Momentauf-
der Detektivroman eine Welt konstruiere, in der sich mehr verstecke als nur
nahmen Geschichten zu erzählen, und zwar von verborgenen Lastern und
der Mörder. Die Verdächtigung nahezu aller Personen im Laufe des Ro-
Leidenschaften.
mans erfolge, um Einblicke in vielfältige Milieus und private Lebenswelten
Warum und unter welchen Umständen aber will und darf man das alles se-
zu entfalten. Viel mehr, als dass er ein Verbrechen und dessen Aufklärung
hen und lesen? Ist es wirklich eine ›natürliche‹ oder ›angeborene‹ Neugier
beschreibe, sei das Hauptinteresse des Detektivromans die Verfremdung
oder ›Schaulust des Menschen‹? Naturalisierungen führen zu anthropologi-
der Wirklichkeit. In seinen englischen Anfängen etwa stellt er die idyllische
schen Bestimmungen und Setzungen von ›der Welt‹ und ›dem Menschen‹.
Welt eines kleinen englischen Dorfes als trügerische Oberfläche dar, unter
Sie verhindern eher differenzierte Einsichten, anstatt sie zu befördern. Ge-
der sich Untiefen und Abgründe der wahren menschlichen Natur oder der
gen die These von einer natürlichen Neugier› des Menschen‹ spricht die
wahren gesellschaftlichen Verhältnisse oder ähnliche Wahrheiten sich auf-
Erfahrung, dass wir ganz oft nicht neugierig sind, wenn wir nicht behelligt
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werden wollen mit dem Kram anderer Leute, und auch nicht mit Nachrich-
Privatangelegenheiten, so Bachtin,
ten und Neuigkeiten. Und dass wir außerdem oft schamhaft vor dem Ein-
können sich nicht öffentlich, ›in der Gemeinschaft‹, im Beisein des Cho-
blick ins Private zurückschrecken. Wir schauen nicht in jedes Fenster und
res vollziehen; über sie wird nicht öffentlich auf dem Marktplatz (vor
auch nicht durch jedes Schlüsselloch. Es geht etwas komplizierter zu mit der
dem ganzen Volk) Rechenschaft abgelegt.17
Neugier und mit der Schaulust. Sie wird vielleicht in bestimmten Situationen
Das Private, da es ja nicht erscheint, hat keine Erscheinungsform und es hat
und unter bestimmten Bedingungen stark wie ein Trieb. Aber allgegenwär-
keine Sprache. Es hat also von sich aus keine Literatur und keine Bilder für
tig und universal ist die Neugier nicht. Eher vielleicht ist Neugier situativ,
andere. Das Private ist geschlossen und dicht und sieht einen Betrachter
vielleicht auch kulturell bedingt. Neugier und Schaulust sind möglicherwei-
nicht vor. Bachtin schreibt:
se Kennzeichen einer bestimmten Mentalität, einer bestimmten Wissens-
Ein solches privates Leben läßt naturgemäß keinen Platz für einen Be-
formation, einer bestimmten Form der Orientierung in der Welt? Sind viel-
trachter, für einen›Dritten‹, der berechtigt wäre, es fortlaufend zu beob-
leicht bestimmte Kulturkreise oder bestimmter Kulturepochen neugieriger
achten, zu beurteilen, zu bewerten. Es findet innerhalb der vier Wände
und schaulustiger als andere? Was für ein Bedürfnis, so müsste man dann
und unter vier Augen statt.«18
fragen, oder welche Art von Weltinteresse kommt in der Beobachtung und
Der Wechsel der Sphären vom Isolierten zum Öffentlichen bzw. zum Geteil-
in der Überwachung von privaten Vorgängen und in ihrer Darstellung in
ten muss mit einer Umwandlung einhergehen. Bachtin:
Literatur, Theater, Film und Kunst zum Ausdruck? So könnte man die Ima-
Das öffentliche Leben und der öffentliche Mensch sind ihrer Natur
gination der abgedeckten Dächer, die in Alain René Lesages Roman Der
nach unverhüllt, sind sichtbar und hörbar. Auch verfügt das öffentliche
hinkende Teufel für die Erzählung konstitutiv ist, als Symptom einer kulturel-
Leben über die verschiedenartigsten Formen, sich selbst (unter ande-
len Mentalität des frühen 18. Jahrhunderts ansehen. Eine Imagination von
rem in der Literatur) der Veröffentlichung und Rechenschaftslegung zu
geheimen, faszinierenden Vorgängen, verborgen unter den Dächern der
unterziehen.19
Stadt. Eine Faszination, die offenbar so stark war, dass es Schlägereien um
Die klassische antike Literatur findet ihre Form im Epos. Das Leben darin
die letzten Exemplare des Buchs gegeben haben soll. Macht die ›Natur‹ des
ist öffentlich, exemplarisch und zur Anschauung aufgeführt. Nie findet man
18. Jahrhunderts und nicht die ›des Menschen‹ die Enthüllung des Privaten
etwa Odysseus bei häuslichen Verrichtungen oder eingeschneit in seinem
in dieser Epoche so interessant?
Hause. In der Epoche des Hellenismus jedoch, so Bachtin, hätten das private Leben und der private Mensch Eingang in die Literatur gefunden. Und
damit stellten sich die Probleme der Veröffentlichung, also die Frage nach
DIE VERÖFFENTLICHUNG DES PRIVATEN –
Formen und Formaten für die Umwandlung von privatem Leben in literari-
EINE PARADOXE HERAUSFORDERUNG DER LITERATUR
sche oder künstlerische Darstellung, um den »Widerspruch zwischen der
Der russische Literaturwissenschaftler Michael Bachtin beschäftigt sich in
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Öffentlichkeit der literarischen Form und dem privaten Charakter ihres In-
seiner Studie Chronotopos mit der Frage, wie und unter welchen Umstän-
halts«20 zu lösen. In dem Prozess der Lösung dieses Problems sei, so Bachtin,
den im Übergang vom Epos zum Roman das Private und das Alltägliche
der antike Roman entstanden.
Gegenstand und Material von Literatur wurde. Dabei geht es darum, das
Um Privates zu veröffentlichen, muss man eine isolierte Sphäre öffnen,
Paradox zu entwirren, dass das Private, das seiner Natur nach nicht öffent-
und man muss einen Ort finden für einen Betrachter oder Leser. Das Private
lich ist, veröffentlicht wird. Das private Leben ist seinem Wesen nach eine
muss eine Ansichtsseite bekommen. Dabei darf es den Charakter des Pri-
isolierte Sphäre. Es ist das Leben, das nicht geteilt und somit auch nicht
vaten aber nicht verlieren. Das Dargebotene darf nicht episch werden, also
mitgeteilt wird.
nicht die Züge des Öffentlichen erhalten. Man muss spezifische Formate fin-
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den, den Charakter des Partikulären, Individuellen und Besonderen des Pri-
spezifischer Weise partiell so betäubt, dass es die Inszenierung und die Vor-
vaten darzustellen, ohne exemplarisch zu werden. Also ohne den Charakter
führung vergessen kann, was das zuschauende Individuum auch bereitwil-
der Aufführung, der Ostentation und der Darbietung zu erhalten. Darin liegt
lig tut. Das geschieht, weil es ein Interesse gibt, zuzuschauen. Dieses aber
die Herausforderung einer Poetik des Privaten. Es ist eine Poetik der Beob-
ist nicht einfach da, es muss erzeugt werden.
achtung, anstelle der Zurschaustellung. Innerhalb der vier Wände und un-
Es muss also in der Darstellung nicht nur eine Öffnung zum Privaten hin
ter vier Augen, schreibt Bachtin, spiele sich das Private ab. Darum hat wohl
geschaffen und ein partielles Vergessen des Zuschauens erzeugt werden,
auch die Bühnenästhetik, die das Beobachten im Kern seiner Poetik trägt,
die Öffentlichkeit muss auch interessiert werden für Darstellungen aus der
das bürgerliche Theater, die unsichtbare ›vierte Wand‹ als Prinzip erfunden.
privaten Sphäre. Das Geheimnis kann ein solches Format sein, das seinem
Diese vierte Wand entsteht dadurch, dass die Schauspieler so spielen, als
Sinn nach dem Öffentlichen entzogen wird, darin spielen ein Tabubruch, ein
ob die Zuschauer nicht da wären, als ob also zwischen Bühne und Zuschau-
Verstoß gegen die Sitten eine Rolle oder eine Straftat. »Die Straftat«, schreibt
erraum eine vierte Wand sich befände. Die dargestellte Welt scheint von
Bachtin, »ist das Moment des privaten Lebens, wo dieses sozusagen notge-
der Zuschauerwelt abgeschnitten. So wird in der Inszenierung die Illusion
drungen öffentlichen Charakter annimmt.«21 Die Straftat verletzt die isolierte
erzeugt, die dargebotenen Vorgänge seien gar nicht dargeboten, sondern
Sphäre. Ein Detektiv wird losgeschickt und muss in den der Öffentlichkeit
sie spielten sich vom Zuschauer unabhängig ab. Zugleich aber muss alles
verborgenen Sphären ermitteln – und sich dabei alles Mögliche anschauen,
klar und deutlich sichtbar sein und die Dialoge so laut gesprochen werden,
und zugleich alles Mögliche zum Vorschein bringen.
dass es dem Zuschauer keine Mühe macht, den Vorgängen zu folgen. Die
Veröffentlichung des Privaten bildet die Isolation, die die private Sphäre
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in der Wirklichkeit hat, ästhetisch nach, moduliert aber die Darbietung so,
DER SCHELMENROMAN –
dass man ungehindert zuschauen kann: Ein Vorgang wird vor Zuschauern
EINE LITERATURGATTUNG DER INDISKRETION
und für Zuschauer so vorgeführt, als ob er nicht für Zuschauer vorgeführt
Nicht nur jedoch die Straftat, sondern auch Umstände und Schicksals-
würde. Das Zuschauen wird so aus dem Bewußtsein ausgeblendet. Darin
schläge können einen »Entdecker« zur Erkundung in Sphären des Privaten
liegt die paradoxale Ästhetik des Privaten.
von Milieu zu Milieu führen. Der Schelmenroman oder pikareske Roman
Diese komplexe Ästhetik verlangt eine ebenso komplexe und kunstvolle
(spanisch: picaro – Landstreicher, Gauner – oft ist es auch ein Student oder
Poetik. Viele vor- oder nichtbürgerliche Theaterformen kennen die unsicht-
ein entlaufener Soldat), der im Spanien des 16. Jh. entstand, ist in der Ge-
bare vierte Wand nicht. Aufführungen des Barock etwa sind als Schauereig-
staltung seiner Welten freier als die Fiktion, die die Aufklärung des Verbre-
nisse auf Zuschauer hin inszeniert und vorgeführt, ebenso Massenspekta-
chens als Fluchtpunkt der Ereignisse vorgibt. Im Schelmenroman kann der
kel in totalitären Gesellschaften. Ganz ähnlich sind auch geistliche Spiele
Protagonist immer wieder in völlig neue Situation und Welten geworfen
oder Prozessionen im Mittelalter ostentativ inszeniert. Die mittelalterliche
werden. Dies bringt eine bunte und abwechslungsreiche Erzählung hervor.
Buchmalerei indes kennt zuweilen den Modus der Beobachtungen bei
Der römische Roman Der goldene Esel von Lucius Apuleius aus dem Jahr
der Bezeugung von Wundern, wenn zufällige Zuschauer dem Geschehen
170 n. Chr. gilt als Vorläufer des Schelmenromans. Lucius, der Held des Ro-
beiwohnen – wir kommen darauf weiter unten zurück. Für hier halten wir
mans, wird in einen Esel verwandelt und streift in dieser Gestalt in der Welt
fest: Das Private kommt zur Erscheinung, indem das Bewußtsein für den Zu-
umher. So erhält er Einblicke in das alltägliche Leben der Menschen, die er
schauer- und Darstellungzusammenhang betäubt und vergessen wird. Die-
als Mensch nicht erhalten hätte. Bachtin schreibt:
ser Vorgang geschieht einvernehmlich zwischen Darbietung und Publikum.
Für die Erkundung der verborgensten Winkel des alltäglichen Lebens ist
Das wahrnehmende Individuum wird durch die Aufführungsanordnung in
die Position des Esels besonders günstig. In seiner Gegenwart erlegt sich
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niemand Zwang auf, enthüllt jeder rückhaltlos sich selbst.22
Der Esel ist hier die Figur des Picaro oder des Schelms, der im Grunde ein
Leser dann auch dem Verdacht, der Protagonist verkaufe ihm etwas, spekuliere also auf Lüste und Interessen des Lesers.
vorwitziger Herumtreiber ist und an keine der Milieus der erzählten Welt
Der Schelmenroman und der Detektivroman unterscheiden sich vor al-
gebunden. Der Schelm erscheint wie ein Vorläufer des Detektivs, wie ihn
lem in der Legitimationsstruktur der Zeugenschaft bzw. der Beobachtung.
Alewyn beschrieben hat. Bachtin schreibt über den Schelmenroman:
Im Schelmenroman gerät der Held schuldlos und naiv in die Indiskretion,
Der Hauptheld ist hier genaugenommen niemals am Alltagsleben betei-
was ihn ebenso entschuldigt wie seine Schilderungen. Im Detektivroman
ligt; er geht durch die Alltagssphäre hindurch wie ein Mensch aus einer
sind die Befragten und Beobachteten so sehr selbst verdächtig, dass der
anderen Welt. Zumeist ist dieser Held ein Schelm, der sich verschiedener
unverschämte Eindringling in der Gestalt des aufdringlichen Detektivs
Alltagsmasken bedient, im Alltagsleben keinen festen Platz innehat, mit
entschuldigt ist und damit auch der mit ihm ermittelnde Leser. Die voyeu-
dem Alltag spielt und diesen nicht ernst nimmt.23
ristische Freude an der Indiskretion wird im Detektivroman erzeugt und
Dadurch entsteht ein Abstand, eine ästhetische Distanz, also eine ideale
genährt, und zugleich legitimiert, durch die sachliche Notwendigkeit der
Position um aus Alltag Literatur oder Kunst zu machen: der Schelm steht an
Wiederherstellung der Ordnung. Dagegen stolpert der Schelm ohne Auf-
einem Ort des Dritten. Er ist in gewisser Weise der diegetischen Sphäre ent-
trag, nur vom Zufall geleitet, durch eine bunte, vielfältige Welt. Die Lust der
hoben und hat eine offene Seite zur Welt des Lesers hin, an den er sich sogar
Entdeckung ist bei ihm Weltsicht heiter und nicht dunkel, wie im Detektiv-
zuweilen mit Kommentaren wendet. Wie der Detektiv ist der Schelm Agent
roman. Die Literatur entwickelt neben Detektiven und Schelmen eine ganze
des Lesers in der erzählten Welt. Das verhindert auch, dass aus der isolierten
Reihe von Beobachterfiguren, die in unterschiedlichen Abstufungen der
Position des Schelms, die ja auch einen traurigen Zug bekommen könnte, ein
Welt, die sie schildern, angehören bzw. von ihr getrennt sind: Diener, Kin-
Sozialdrama wird. Die Emphase des Schelmenromans ist die unbeschwerte
der, Gäste oder tierische Hausbewohner besetzen und schaffen Orte des
Freiheit. Der Schelm ist eine unbeschwerte und unschuldige Variante des kri-
Dritten, wie Bachtin die Sphäre zwischen erzählter Welt und Leser nennt,
minalistischen Ermittlers, indem Schuld die Erzählökonomie bestimmt. An-
an denen sich Beobachtung in Erzählung verwandelt, und an denen Leser
ders als der kriminalistische Ermittler kann ein Esel zwar keine Fragen stellen
möglich werden. Tatsächlich scheint es beim Beobachten und Zuschauen
und er ist weniger aktiv. Dafür aber eignet er sich als Zeuge und Beobachter
um ein Kräfteverhältnis zu gehen, in dem Anteile des Subjektiven und des
besonders gut, da seine Erkundungen und Beschreibungen Glaubwürdigkeit
Objektiven und moralische Aspekte ausgewogen werden.
dadurch gewinnen, dass sie arglos und unbemerkt geschehen. Die private
Sphäre, in die er Einblick erhält, weiß nichts davon, dass sie geöffnet ist, dass
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sie Gegenstand von Betrachtung ist. Der Ort des Dritten ist im Schelmenro-
MORAL UND POETIK DES INDISKRETEN BLICKS
man sehr oft verborgen, wenn er nicht als Esel getarnt ist, so ist der Protago-
In seinem Buch Das Sein und das Nichts schreibt Jean-Paul Sartre:
nist oft naiv und etwas einfältig, so dass man ihm eine Beurteilung der Situ-
Nehmen wir an, ich sei aus Eifersucht, aus Neugier, aus Verdorbenheit
ationen, in die er Einblick gerät, nicht zutraut. Es scheint also geradezu eine
so weit gekommen, mein Ohr an eine Tür zu legen, durch ein Schlüssel-
Idealkonstruktion für den Blick ins Private zu sein, da die beobachtete Sphäre
loch zu gucken.24
fast unberührt von der Beobachtung bleibt und die Vorgänge nicht unterbro-
Diese vielleicht berühmteste Stelle des ganzen Buchs entfaltet anhand einer
chen oder verändert werden. Tatsächlich ist die Figur des Schelms nicht dazu
voyeuristischen Situation eine Reflexion über den Komplex des Blicks und
da, die Vorgänge, die er schildert, zu reflektieren und zu bewerten. Dies wird
des Blickens. Sartre nimmt explizit die moralische Komponente in seinen
nahezu ganz und gar dem Leser überlassen, dem der naive Protagonist seine
Überlegungen zum Blick auf und nennt Eifersucht, Neugier oder Verdor-
Erlebnisse scheinbar ursprünglich und direkt übermittelt. Das enthebt den
benheit als mögliche Motivationen für die Beobachtung.
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Wichtig ist aber, was mit dem Geschauten und dem Schauenden geschieht,
Poetik der Objektivität und des Schauspiels: Zeit und Raum werden so an-
wenn es sich in einer solchen Anordnung – durch eine Tür getrennt – vollzieht.
geordnet, dass sie im Bewußtsein voneinander getrennt und in den Blickar-
Durch die Tür, durch deren Loch ich schaue, so Sartre, ist in mir, das Bewußt-
rangements so angeordnet sind, dass Theorie und Wahrhaftigkeit daraus
sein von mir betäubt. Sartre schreibt:
hervorgehen. Sartres Analyse des Blicks in Das Sein und das Nichts entwirft
Ich bin allein und auf der Ebene des nicht-thetischen Bewußtseins (von)
eine Anordnung des bürgerlichen Theaters: ein Blick, der die Schauanord-
mir. Das bedeutet zunächst, daß es kein Ich gibt, das mein Bewußtsein
nung aus dem Bewußtsein verliert, ein Blick ohne Ich-Bewußtsein des Zu-
25
bewohnt.
schauers, ein Blick durch die vierte Wand.
Ich bekomme Einsicht in Vorgänge, ohne – so könnte man sagen – dass ich
Ich dabei bin. Das heißt, ich sehe Dinge, die ich als nicht mit mir in Verbin-
ne ansiedelt, fragil. Das thetische Bewußtsein erwacht beim kleinsten Ge-
dung stehend wahrnehme. Sie erscheinen dadurch selbständig und gänz-
räusch und alles verändert sich. Sartre schreibt:
lich objektiv. Alles, was ich auf der anderen Seite der Tür beobachte, wird
Jetzt habe ich Schritte im Flur gehört: man sieht mich. Was soll das hei-
rein gegenständlich wahrgenommen. Man kann das als Effekt des nichtthe-
ßen? Das heißt, daß ich in meinem Sein plötzlich getroffen bin und daß
tischen Bewußtseins, wie es Sartre nennt, fassen, des Bewußtseins also, das
wesentliche Modifikationen in meinen Strukturen erscheinen - Modifikati-
sich selbst nicht mit in die Situation setzt, in der es sich befindet. Dann ist die
onen, die ich durch das reflexive Cogito erfassen und begrifflich fixieren
von mir gesehene rein gegenständliche Welt gänzlich eine Welt für mich.
kann.28
Wer und was bin ich in der Situation, in der ich durch die Tür schaue. Sartre
Die Anordnung des reinen Schauspiels bricht zusammen und differenziert
beschreibt das Zustandekommen der reinen Gegenständlichkeit anders-
sich in ein kompliziertes Geflecht aus Gegenstandbeziehungen in einer Ge-
rum: Dadurch, dass es kein Ich-Bewußtsein gebe, gebe es nichts, worauf
wichtsaustarierung zwischen Ich und dem Anderen. Es entsteht nun eine
ich meine Handlungen beziehen könne, um sie zu beurteilen. »Sie werden
eine Welt, in der ein Ich zum Vorschein kommt. Ein paar Seiten vorher be-
keineswegs erkannt, sondern ich bin sie«.26 Ich bin dann ein »reines Bewußt-
schreibt Sartre, wie sich eine Welt, in der der Schauende nicht von der ge-
sein von den Dingen« und die Dinge, die ganz mein Bewußtsein ausfüllen
schauten Welt getrennt ist, unterscheidet von einer geschauten Welt aus
– also, die ich durch die Tür anschaue –, bieten mir ihre Möglichkeiten als
einem Ort des Dritten (wie es bei Bachtin hieß). Sartre entwirft das Beispiel
Antwort meines nicht-thetischen Bewußtseins dar. »Das bedeutet«, schreibt
eines Menschen (»ich«), der auf einem Rasen in der Ferne einen anderen
Sartre, »daß hinter dieser Tür ein Schauspiel ›zu sehen‹, eine Unterhaltung
Menschen sieht. Dadurch, dass ich den anderen als Menschen und nicht
27
72
Die Anordnung indes ist in dem Treppenhaus, in dem Sartre seine Sze-
›zu hören‹ ist«. Gerade dadurch, dass sich das, was ich sehe, der Beurtei-
als Gegenstand, wie alles andere, erkenne, geraten Orientierungen und Di-
lung – etwas, worauf ich das was ich sehe, beziehen könnte – entzieht, wird es
stanzen und auch Bewertungen und Wahrnehmungen von mir und meiner
zum reinen Schauspiel im Wortsinne.
Umgebung durcheinander. Die Welt, in der ich Zentrum bin, bekommt ein
Alles, was ich sehe, bezieht sich also nicht auf mich, sondern füllt ganz
zweites Zentrum im anderen Menschen. Und ich, der beurteilt und Abstän-
und gar mein Bewußtsein, somit tritt mein Ich nicht ins Bewußtsein. Allein
de misst, bin im Anderen selbst Teil eines Systems von Urteilen und Vermes-
von dem Schauspiel wird mein Bewußtsein bewegt, nicht von einem Ich
sungen. So ist mein Bewußtsein davon besetzt, dass ich zugleich Zentrum
oder einem Subjekt. Die Tür und das Schlüsselloch sind Instrument und Hin-
und dezentrierter Gegenstand bin. Sartre beschreibt diesen Prozess als
dernis zugleich, die mich abschneiden und mir als Abgeschnittenem einen
Desintegration »der Beziehungen, die ich zwischen den Objekten meines
spezifischen Blick ermöglichen, durch den das, was ich sehe ein Schauspiel
Universums wahrnehme.«29 Durch das Erscheinen eines Menschen in mei-
wird. Dies ist der spezifische Effekt des Überwachungsdispositivs und des
nem Universum werden meine Beziehungen negiert durch seine möglichen
voyeuristischen Dispositivs. Sartre entwirft hier zugleich Ansätze zu einer
Beziehungen, in die ich keine Einsicht habe. Der Rasen, auf dem ich stehe,
73
der für mich existiert, den ich in seinen Qualitäten und in seiner Bedeutung
entfalten sich als reines Schauspiel, weil sie uns nicht sehen können, oder
eingeordnet und bestimmt habe, existiert plötzlich auch für den Anderen
als Gedankenspiel.
und hat für ihn möglicherweise ganz andere Qualitäten und eine ganz an-
Über das Gesehenwerden nämlich, wenn mich jemand sieht, verfüge ich
dere Bedeutung. Selbst seine unzweifelhafte grüne Farbe ist nicht mehr si-
nicht. Ich entgehe mir also in den Blicken des Anderen. Sartre beschreibt
cher. Der Rasen, schreibt Sartre,
das als Selbstentfremdung.
wendet dem Andern eine Seite zu, die mir entgeht. [...] Ich erfasse die Be-
[D]as Gesehenwerden ist, die Entfremdung der Welt, die ich organisiere.
ziehung des Grün zum Andern als einen gegenständlichen Bezug, aber
Dabei droht mir die ganze Welt zu entgehen. Wenn ich auf einem Stuhl
ich kann das Grün nicht erfassen, wie es dem Andern erscheint.30
sitzend gesehen werde, so würde ich als auf diesem Stuhl sitzend ge-
Im anderen Menschen entsteht ein neues Zentrum im Universum:
sehen, von einer Seite her, von der ich mich nicht auf dem Stuhl sitzend
ein ganzer Raum gruppiert sich um den Andern herum, und dieser Raum
sehe. Ich habe also eine Seite an mir, die mir entgeht, wenn ich vom An-
ist mit meinem Raum gemacht; es ist eine Umgruppierung aller Gegen-
deren gesehen werde. Der Stuhl, mein Sitzen und ich organisieren sich
stände, die mein Universum bevölkern.31
»mit anderen Bezügen und anderen Distanzen inmitten anderer Gegen-
Sartre beschreibt diese Verwandlung regelrecht als Auflösung, wie eine
stände, die gleichfalls für mich eine geheime Seite haben, zu einem neu-
Furie, die alle Sicherheit und Stabilität hinwegfegt. Der andere Mensch
en und anders orientierten Komplex.33
stiehlt mir die Welt:
Alles ist an seinem Platz, alles existiert immer noch für mich, aber alles
zum Jemand-sein desintegriert:
ist von einer unsichtbaren und erstarrten Flucht auf einen neuen Gegen-
das, was ich bin – und was mir grundsätzlich entgeht -, bin ich mitten in
stand hin durchzogen. Die Erscheinung des Andern in der Welt entspricht
der Welt, insofern sie mir entgeht.34
also einem erstarrten Entgleiten des ganzen Universums, einer Dezentrie-
Die Amputation, die partielle Betäubung im Schauspiel ist also eine Vor-
rung der Welt, die die Zentrierung, die ich in derselben Zeit herstelle, un-
beugungsmaßnahme gegen die Desintegration, eine Verhinderung der
32
terminiert.
74
Das betrifft, wie Sartre ausführt, das In-der-Welt-sein, wenn sich das Ich-sein
Möglichkeit, gesehen zu werden. Diese Amputation findet auf zwei Seiten
Ein Filmbild, eine literarische Beschreibung, ein Bildnis entfaltet eine solche
statt: zugleich im Bewußtsein als Betäubung des Ich und als Betäubung der
Kraft nicht. Womöglich aus dem Grunde, weil eine Aufnahme von einem
Figuren in den Dimensionen, in denen sie Andere, also Schauende, werden
Menschen kein Mensch ist und auch eine Beschreibung von einem Men-
könnten. Filmische oder fotografische Aufnahmen von Figuren und Dingen,
schen kein Mensch ist, lässt sich mit Filmen und mit Literatur gut philoso-
Aufnahmen von der Welt sind deren Anverwandlungen ins nicht-thetische
phieren und theoretisieren, also ›Anschauung‹ (Theorie) betreiben. Figuren
Bewußtsein. Vielleicht könnte man auch sagen: In der partiellen Betäubung
der imaginären Sphäre haben in gewisser Weise einen toten Blick. Sie sehen
entstehen diese beiden Seiten. Interessanterweise experimentiert die frühe
uns nicht. Sie gehören dem Bewußtsein des Betrachters, des Theoretikers
und die klassische Moderne mit Figuren, die selbst sehen, die zu Andren
an, sie sind darin nicht wirklich als Andere lebendig, stehen nicht im Bezug
werden. Die Frühromantik Ende des 18. Jh. oder etwa das Theater Luigi
zur Lebendigkeit des Betrachters und werden in dessen Universum nicht
Pirandellos zu Beginn des 20. Jh. versuchten Figuren zu schaffen, die ein
ein zweites Zentrum des Beurteilens und des Orientierens. Somit entsteht
Eigenleben entwickeln. In der Dramafassung des Märchens Der gestiefelte
auch kein Ich, auf das das schauende Bewußtsein auch reflektieren müsste
Kater des Frühromantikers Ludwig Tieck aus dem Jahr 1797 beginnen die
und das zu einem Bezugspunkt im Beziehungssystem der Fluchtpunkte in
Figuren aus der Rolle zu fallen und mit dem Publikum und auch mit dem
den widerstreitenden Universen würde. Der Theoretiker, der Schauende,
Dichter des Stücks zu diskutieren. Luigi Pirandello hat für das 20. Jh. eine
der Zuschauer begegnet den imaginierten Figuren also nicht als Ich. Sie
solche Reflexionsebene im Theater wieder aufgenommen in seinem Stück
75
Sei personaggi in cerca d‘autore (Sechs Personen suchen einen Autor, Uraufführung 1921). Bei Pirandello sind sechs Bühnenfiguren aus einem unvollendeten Theaterstück entsprungen und machen sich auf die Suche nach
einem Autor, der sie in einem neuen Stück aufnehmen und auf die Bühne
bringen soll. In beiden Stücken nehmen also die Figuren direkt Kontakt zum
Dichter und zum Publikum auf. So kommt es auf der Bühne immer wieder
zu Szenen, die gemeinhin der Hinterbühne zugerechnet werden. Diese irritieren die Schauordnung des Theaters .
Mit Sartre hat der Komplex des Zuschauens, des Schauens, des Beobachtens und der Zeugenschaft direkt und Fragen der Konstitution von Welt
und Subjekt berührt. Wir verstehen jetzt besser, warum der Detektiv nicht zu
der Welt gehört, in der er ermittelt, und warum ein vermeintlicher Esel ein
guter Beobachter ist: weil er kein Mensch ist, öffnet er kein neues Zentrum
in einer Sphäre. Und schließlich ist auch die Einfältigkeit des Schelms oder
Picaro darin poetisch funktional, dass sie die Figur mit einem geringen thetischen Bewußtsein ausstattet. Bei Sartre wird der Beobachter erst Gegenstand eines Anderen, wenn er in eine Sphäre möglicher Sichtbarkeit gerät.
der so genannte Getty Apokalypse, einer englischen Handschrift der Offen-
Die mögliche Sichtbarkeit – und Sartre betont, dass die reine Möglichkeit aus-
barung des Johannes aus der Zeit um 1250, illustrieren ca. 80 Miniaturen
reicht – öffnet das thetische Bewußtsein und nimmt das Ich in den Bereich
die Vision des Heiligen Johannes. In vielen Bildern ist am Rande oder gar
der Schau und der Beurteilung.
außerhalb der Bildrahmen Johannes zu sehen, wie er durch einen Schlitz
Nun stellt man die Frage nach Sichtbarkeit, Verborgenheit und Offenba-
oder ein Loch im Rahmen in das Bild hineinschaut und er sieht die Engel mit
rung im Bereich der Erkenntnisfragen und der Theologie. Was ist das Un-
den Posaunen, das Tier, Jesus auf dem Thron, oder wie hier die Öffnung der
verborgene anderes als das Offenbare, und ist nicht die Offenbarung – sei
sieben Siegel aus der Offenbarung. Die Illustration bezeugt: Johannes hat
es die Offenbarung des Menschen, die Offenbarung der Welt, die Offen-
das, was er beschreibt, gesehen, und diese Bilder sind nicht für ihn insze-
barung Gottes – ein Vorgang, der über das Scheinhafte des rein visuellen
niert, da sie von ihm und seiner Zeugenschaft nichts wissen.
Sichtbarwerdens hinausweist und eine Einsicht mit sich bringt, die letztlich
Der verborgene Zeuge Johannes im Bild zeigt an, dass das, was zu sehen
doch als Erkenntnis gemeint ist in die Dinge an sich – eine Einsicht, die Kant
ist, nicht vorgeführt wird. Er ist eine Art Anti-Ostentativum. Was auf dem Bild
den Sinnesorganen abgesprochen hat.
dem Leser des Buches offen zu sehen ist, wird durch einen verborgenen
Beobachter verschoben ins Verborgene. Das Bild scheint nicht bildlich zu
sein, scheint sich um seine Bildlichkeit nicht zu kümmern. Die Bildlichkeit
VERBORGENHEIT UND OFFENBARUNG, BILDER DER BEZEUGUNG
des Bildes wird verschleiert. Das Bild bekommt eine neue Anmutung und
Oberfläche und Erkenntnis, die sich im Sehen dialektisch verschlingen,
Bedeutung. Die zufällige Zeugenschaft ist hier dieselbe wie im Schelmen-
fordern zur Frage nach wahren Bildern heraus. Religiöse Ikonografien ar-
roman. Sie ist ein Dispositiv, das die Welt entdeckt. Der zufällige Zeuge
beiten gerade mit der unbeobachteten Beobachtung, mit der unbeteiligten
steht in einer Konstellation, in der er einem Geschehen zuschaut, an dem
35
Zeugenschaft, wenn es darum geht, die Wunder bildlich darzustellen. In
76
er selbst keine Interessen hat. Er beglaubigt, dass es so war, und seine Inte-
77
resselosigkeit macht ihn und das, was er berichtet, glaubwürdig. Aus diesem
keiner dabei gewesen sei, dann braucht man Bilder, auf denen eben doch je-
Grunde gibt es in der christlichen Bildtradition eine ganze Reihe von Bildern, in
mand dabei ist, und der es erzählen konnte. Von solchen Zeugen nämlich wis-
denen unbeteiligte Anwesende einem Wunder beiwohnen. Oft sind sie räum-
sen wir von den Wundern. Damit das nicht mehr passiert, dass keiner dabei
lich von dem Geschehen getrennt, etwa durch eine Wand, in der ein Guckloch
gewesen ist, wenn etwas Wichtiges geschieht, werden Kameras aufgestellt. In
ist, oder durch einen Vorhang, an dem vorbei sie schielen.
den Überwachungskameras artikuliert sich eine Sehnsucht nach einer umfas-
In der Vorstellung von der Welt als eine Art Theater gibt es eine Hinterbüh-
senden Zeugenschaft, ein Blickregime des Zufälligen, das die ganze Welt in
ne, auf der all das, was uns gezeigt wird, bewegt oder gesteuert wird. Wer
einer zweiten Ordnung aufnimmt – und zwar gerade da, wo keine Inszenierun-
hinter die Bühne schaut, der sieht die Macher des Stücks. So jedenfalls ist die
gen stattfinden, wo das Leben selbst auftritt. Camus hat das Gedankenexperi-
Imagination der Vorhangszene, also der Inszenierung eines Bildes als Blick hin-
ment eines Realismus als realistischen Film eines Menschen entworfen:
ter den Vorhang. Bilder der Offenbarungen und Wunder sind als solche Blicke
Man müßte sich in der Tat eine ideale Kamera vorstellen, die Tag und Nacht
hinter Vorhänge konstruiert. Die Zeugen sind kein Publikum, für niemanden
auf diesen Menschen gerichtet wäre und unablässig seine geringsten Bewe-
geschehen die Dinge. Auch sind die Zeugen sind nicht gekommen, um zu se-
gungen verzeichnete.37
hen. Sie sind zufällig dabei, sie schauen und staunen. Sie sind Mittlerfiguren. In
Pier Paolo Pasolini hat das Kino »eine unendliche Einstellungssequenz« ge-
ihrem Staunen sind sie Assistenzfiguren für Betrachter, die eine Anleitung be-
nannt.38 Der Filmemacher Andrej Tarkovskij schreibt schließlich:
kommen, wie sie sich zu dem Bild verhalten sollen, was sie fühlen, mit welchem
Der Idealfall einer Filmarbeit sieht für mich folgendermaßen aus: Ein Filmau-
Affekt er es verbinden soll. Er soll staunen darüber, dass das, was geschieht,
tor zeichnet auf Millionen von Filmmaterial-Metern jede Sekunde, jeden Tag,
wahr ist. Das Bild ist mehr als eine Veranschaulichung, seine Wirksamkeit reicht
jedes Jahr ohne Unterbrechung auf, etwa das Leben eines Menschen von
weiter: Die Assistenzfigur im Bild macht den Betrachter zum Mitzeugen. Er sagt:
der Geburt bis zum Tod. Mit Hilfe des Schnittes würde man dann daraus ei-
»Schau. Es ist wahr. Ich bin dabei, und ich lade auch dich ein, mit dabei zu sein.«
nen Film von 2500 Metern Länge gewinnen, das heißt einen Film mit etwa
Das Bild verbindet sich mit der Welt, in der der Betrachter ist. Der Betrachter
anderthalb Stunden Laufzeit.39
eines solchen Bildes soll nicht eine eigene Position einnehmen, soll sich nicht
Sind derartige Visionen auch in der Installation von Überwachungskameras
gegenüber stellen und sich nicht dazu eine Meinung bilden. Er soll wahrhaftig
wirksam und mit dem Aufstellen von Kameras in den Straßen, in den Bahn-
anerkennen, dass dies, was er sieht, wahr ist, weil er es sieht. Dass es Teil der
höfen, Zügen, aber auch Zoos und in öffentlichen Gebäuden verbunden? Im
Welt ist, die er auch sonst sieht, zu der er gehört. Das ist im Grunde die Funktion
Namen der Sicherheit, unter ihrem Vorwand wird ein totaler, unendlicher Film
des katholischen Bildes: Es ist ein Bild, das genaugenommen nicht zur Illust-
installiert. Es ist nicht Überwachung allein, es ist auch kein Voyeurismus mehr,
ration oder Abbildung oder zur Veranschaulichung dient. Die protestantische
denn niemand will die Bänder sehen. Es ist eher eine Delegation des Schauens
Theologie, die dem Wort die ganze Kraft zuweist, kennt eine solche Kraft des
an die Kameras und Aufnahmegeräte. Eine Entlastung? Oder die foucaultsche
Bildes nicht. Deswegen hat Luther es auch nicht verboten. Die Dimensionen
Internalisierung des Blicks als Selbstbeobachtung, ständiges thetisches Be-
von Zeit und Raum verändern sich einem Protestanten lutherischer Prägung
wußtsein als Übung zur Modulierung einer Ich-Instanz.
nicht durch Bilder. Katholische Bilder aber haben diese Kraft. Volker Wortmann
hat in seinem Buch Authentisches Bild und authentisierende Form36 die religiösen Unterströmungen im Glaubwürdigkeitsdiskurs der Fotografietheorie nachgezeichnet. Nun ist die Frage, ob Transformationen in den Dimensionen von
Zeit und Raum im Schauen nicht immer eine gewisse Rolle spielen.
Wenn man Glauben anzweifeln kann, indem man sagt: Es wisse keiner, weil
78
DIE GANZHEIT EINER WELT
Überwachung durch Kameras hat vielleicht nicht nur mit Sicherheit und
Kontrolle zu tun, sondern findet seine Motivation auch in einer Lust an der Verdopplung der Wirklichkeit im filmischen Bild. Eine ästhetische Faszination und
79
eine politische Funktion verschränken sich in der Überwachung. Aber nicht
wirklich schaut sich jemand den unendlichen Film an, den die Kameras aufzeichnen. Tatsächlich geht es vielmehr darum, die Wirklichkeit im filmischen Bilde hinterlegbar zu machen, um dann, wenn sich etwas Unerhörtes oder etwas
Außerordentliches ereignet, buchstäblich nach-schauen zu können, was genau
geschehen ist. Der Sinn, dass wir nachschauen, besteht einerseits darin, dass
in Ermittlungen über den Vorgang der unerhörten und außerordentlichen Geschehnisse die Wiederherstellung der Ordnung vorgenommen werden kann.
Das ist die Logik der Überwachungskamera als Medium der Sicherheit, die wir
vor allem zu hören und zu lesen bekommen.
Das Unerhörte und Außergewöhnliche indes ist allerdings seit jeher auch
Gegenstand der Literatur und der bildenden Künste. Die Überwachungskamera ist also auch mit der Fiktion und dem Imaginären verbunden als ein neugieriges Interesse an Unbekanntem. Sie verbindet sich mit Phantasien über verborgene Untiefen der Wirklichkeit – im Kriminalroman –, die die Kamera ans Licht
bringen soll. Aus dem Unerhörten geht Erzählung buchstäblich hervor, die das
Unerhörte zu Gehör bringen will. Das Unerhörte hat in der Gattungslehre der
Literatur seinen Ort in der Novelle, der »Neuigkeit«. Es gibt eine Genealogie
von der Novelle zum Journalismus. Die Welt der Nachrichten, der Reportage
und Kolportage hat eine bestimmte Struktur, sie ist anders geformt als etwa
die Welt der höfischen Feste und Spektakel oder die Welt der Illuminationen
von Bibelworten. Die Leser solcher Nachrichten sind Ermittler, die Tag für Tag
unendliche Fortsetzungsgeschichten von Weltgeschehnissen bekommen.
Die Überwachung der Wirklichkeit und die imaginative Fassung von Wirklichkeit in Fiktion sind in einem ästhetischen Punkt viel stärker miteinander
verwandt, als wir es gewohnt sind zu denken. Ihre Funktion verbindet sich mit
Fiktion und Imagination und mit einer Lust am Außerordentlichen. Von hier aus
erweitern sich die Dispositive der Sicherheit und der Kontrolle in den Bereich
der Literatur und der Kunst (auch des Kinos). Die Überwachungskamera an den
Hausecken ist schließlich der kleine Bruder von den ins Weltall gerichteten Beobachtungsinstrumenten, die sich zu einer Sehnsucht verdichten, dass die Welt
über die Erde hinaus weitergeht, dass das Weltall dazugehört und dass dies
sich in Bildern und Geschichten ausdrücken lasse. Hier vereinigen sich Realismus und Science Fiction zu einer Imagination einer umfassenden Erzähl- und
Darstellbarkeit der Welt, die darin erst zu der einen und ganzen Welt wird.
80
81
Dr. Patricia Drück: Kunsthistorikerin, Kuratorin. Promotion über das Bild des
Menschen in der Fotografie. Tätigkeiten im Verlags- und Ausstellungswesen
(u.a. lothringer13, Sprengel Museum Hannover) im Bereich der zeitgenössischen Kunst. Arbeitet als Referentin für Geistes-, Sozial- und Humanwissenschaften bei der Max-Planck-Gesellschaft, München, und im Vorstand des
Kunstraum München.
Ilka Kreutzträger: Soziologin und Journalistin, arbeitet als Chefin vom Dienst
für die taz.nord sowie als Nachrichtenredakteurin bei NDR.de u. a. zu den
Themen Überwachung und Datenschutz, doziert an der Universität Bremen
am Fachbereich Kultuwissenschaften sowie der Hochschule für Angewandte
Wissenschaft, Department Information, Hamburg.
Dr. habil. Nils Zurawski: Soziologe und Ethnologe, arbeitet an der Universität Hamburg am Institut für kriminologische Sozialforschung, verschiedene
Forschungen zur Videoüberwachung und Überwachung allgemein, Initiator
des Forschungsnetzwerkes surveillance-studies.org
Ph.D. Dr. habil. Slavko Kacunko: Kunsthistoriker, Professur für Kunsthistorie und visuelle Kultur am Institut für Kunst und Cultural Studies, Universität Kopenhagen, Autor u. a. von Closed Circuit Videoinstallationen – Ein
Leitfaden zur Geschichte und Theorie der Medienkunst mit Bausteinen
eines Künstlerlexikons.
Dr. Simon Frisch: Film- und Medienwissenschaftler, Leiter der Dozentur für
Film- und Medienwissenschaft an der Bauhaus-Universität Weimar. Mitbegründer der Online-Zeischrift Rabbit Eye – Zeitschrift für Filmwissenschaft
(www.rabbiteye.de).
Alexander Steig: Künstler, Kulturwissenschaftler und Kurator, entwickelt
seit Ende der 90er Jahre Closed-Circuit-Videoinszenierungen zum Thema
Kontrolle und Überwachung sowie mediale Anordnungen zur Realitätswahrnehmung. Zahlreiche nationale und internationale Ausstellungen,
Beteiligungen und Projekte, lebt und arbeitet in München.
82
83
Alexander Steig, Alles unter Kontrolle?
Seite 46 – Michael Naimark, Camera Zapping–Project (2002). Entwickelt im IAMAS–Zentrum, Ogaki, Japan 2002.
Abbildungen
Mit freundlicher Genehmigung des Künstlers.
Seite 5 - Alexander Steig, UNIVERSUM (2001). Tuschskizze.
Seite 50 – Kentaro Taki, Security as a Cage. Musashino Art University (Library Gallery Space) Tokyo 2001.
Seite 6 - Alexander Steig, Ansichten Über Wachen (2010). Konzeptskizze für das Ausstellungsprojekt
Mit freundlicher Genehmigung des Künstlers.
ANSICHTEN ÜBER WACHEN, Kunstverein Via113, Hildesheim.
Seite 52 - Gregory Bateson. Quelle: www.storify.com/lizwsd/introducing-a-key-scholar-gregory-bateson.
Seite 6 - Alexander Steig, Landschaft (Bild-Quelle) (2011). Konzeptskizze für die gleichnamige Closed-Circuit-
Seite 52 - William Bateson. Quelle: www.historyofinformation.com/expanded.php?id=4289.
Videoinstallation, Privatsammlung, Hannover.
Seite 56 – SL–Aktivismus. Avatar Slikerone. Quelle: www.spiegel.de/fotostrecke/fotostrecke–19589–3.html.
Seite 9 - Alexander Steig, VISUS VISERE (2011). 3-teilige Closed-Circuit-Videoinszenierung, Kunstraum, München.
Seite 56 – SL–Aktivismus. Vorbereitung der ›Rattenplage im Kaufhaus‹. Quelle: www.spiegel.de/fotostrecke/
Seite 40 - Alexander Steig, Intimate Moments (2014). Konzeptskizze für gleichnamige 2-Kanal Closed-Circuit-
fotostrecke–19589–3.html.
Videoinszenierung anlässlich der Ausstellung LIEBE FREIHEIT, Leonrodhaus für Kunst, München.
Seite 40 - Alexander Steig, VISUS VISERE (2011). Konzeptskizze zum gleichnamigen Ausstellungsprojekt im
Anmerkungen
Kunstraum München.
1 – Slavko Kacunko, Marcel Odenbach. Konzept, Performance, Video/Installation 1975-1998 (Diss.).
Seite 81 - Alexander Steig, o. T. (2001). Konzeptskizze.
München / Mainz 1999, 77/78.
2 – Ebd. 1., S. 343.
3 – Lev Manovich, The Language of New Media. Cambridge 2001, 99.
Patricia Drück, VISUS VISERE – Annäherungen an die Medialität von Kontrolle und Überwachung im Werk
4 – Ebd. 3, 124.
von Alexander Steig
5 – Jennifer Riddell, The Whole World is Watching. In: The Art of Detection: Surveillance. Cambridge 1997, 3. –
Abbildungen
Fr.: surveiller; Engl.: surveillance stammt von dem lateinischen vigilia. Dt.: Wachsamkeit, Schlaflosigkeit, der
Seite 10 - Alexander Steig, Fernsehzimmer (doppelt) (2002). 3-teilige Closed-Circuit-Videoinszenierung,
vierte Teil der Nacht.
Galerie Herold, Bremen. In dieser Anordnung konnte der Besucher zum einen vor dem laufenden Fernsehgerät
6 – URL: www.ctrlspace.zkm.de/.
Platz nehmen und dem aktuellen Programm von NDR 3 folgen, zum anderen das eben durchschrittene Fernseh-
7 – Vgl. ausführliche Darstellung in: Slavko Kacunko, Closed-Circuit-Videoinstallationen. Ein Leitfaden zur
zimmer als Videoprojektion sehen – auch hier lief zeitgleich zum realen Fernsehzimmer das aktuelle Programm von
Geschichte und Theorie der Medienkunst mit Bausteinen eines Künstlerlexikons. Berlin 2004.
NDR 3, jedoch saßen keine Zuschauer vor dem Gerät.
8 – Vgl. A Pedestrian´s Guide to Surveillance. Part 1: The Upper East Side Historic District. Vgl. Anm. 7, S. 536.
Seite 12 - Alexander Steig, VISUS VISERE (2011). 3-teilige Closed-Circuit-Videoinszenierung, Kunstraum,
9 – Vgl. www.name-space.org/ und www.freethemedia.org. – Pit Schultz, »Ist es Kunst?«. Über die Funktionsweise
München. Detailansicht des Monitors im Erdgeschoss des Ausstellungshauses.
und Hintergründe von »name.space«. In: Telepolis (09.04.1997). URL: www.heise.de/tp/r4/artikel/1/1167/1.html –
Seite 13 - Alexander Steig, VISUS VISERE (2011). 3-teilige Closed-Circuit-Videoinszenierung, Kunstraum,
Vgl. auch: Pit Schulz, Wem gehört das Web? Email-Interview
München. Gesamtansicht der Videoprojektion im Obergeschoss des Ausstellungshauses.
mit Paul Garrin über sein Projekt Name.Space In: Telepolis (02.04.1997).
Seite 14, 15 - Alexander Steig, VISUS VISERE (2011). 3-teilige Closed-Circuit-Videoinszenierung, Kunstraum,
URL: www.heise.de/tp/artikel/1/1159/1.html. Letzter Zugriff: 27.12.2011.
München. Detailansicht der Videoprojektion im Obergeschoss des Ausstellungshauses.
10 – URL: www.naimark.net/projects/zap/howto.html.
11 – URL: www.mediaeater.com/ cameras/.
12 – Vgl. etwa www.0100101110101101.org. (Eva und Francesco Mattes).
Anmerkungen
13 – Vgl. Research network - The Culture of Ubiquitous Information. URL: www.ubiquity.nu/.
1 – Als ein Gründungsdokument der Surveillance Studies gilt James B. Rule: Private Lives and Public Surveillance:
14 – URL: www.stansfield-hooykaas.net/.
Social Control in the Computer Age, New York 1974. Zum Selbstverständnis der Surveillance Studies als inter-
15 – Eduardo Kac, Transgenic Art. In: LifeScience. Ars Electronica 99 (Hrg. v. Gerfried
diziplinäres Forschungsfeld vgl. Nils Zurawski (Hg.): Surveillance Studies. Perspektiven eines Forschungsfeldes,
Stocker u. Christine Schöpf ). Wien/New York, 293. Zit. nach: Ingeborg Reichle, The Art of DNA. In: Slavko
Opladen 2007, sowie das Online-Journal Surveillance and Society, vgl. www.surveillance-and society.org.
Kacunko / Dawn Leach (Hrg.), Image-Problem? Medienkunst und Performance im Kontext der Bilddiskussion.
2 – Michel Foucault: Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses, Frankfurt / M. 1976. Gilles Deleuze:
Berlin 2007, 162.
Postskriptum über die Kontrollgesellschaften, in: ders.: Unterhandlungen 1972 –1990, Frankfurt / M. 2004, 254-262.
16 – Martin Lang (Osnabrück), E-Mail an den Verfasser vom 23. Oktober 2011. Meinem geschätzten Kollegen
3 – Nils Zurawski: Surveillance Studies. Forschungsperspektiven zu Kontrolle und Überwachung, aus: Forum Wissen-
verdanke ich diesen bibliographischen Hinweis.
schaft, Bd. 2/2006, Marburg, siehe auch www.bdwi.de/forum/archiv/themen/innen_kontrolle/136478.
17 – Vgl. Stephen Wilson, Information Arts. Intersections of Art, Science, and Technology. Cambridge 2002.
18 – Vgl. dazu den Beitrag von Dr. Nils Zurawski, Universität Hamburg, Institut für kriminologische
Sozialforschung: Alles gesehen? Alles verstanden? Potenzial, Bedeutung und Konsequenzen von
84
Slavko Kacunko, Ästhetik und Kontrolle
Videoüberwachung als Kontrollinstrument im Rahmen der Vortragsveranstaltung zur Ausstellung
Abbildungen
Alexander Steig – VISUS VISERE, Samstag, 02. Juli 2011.
Seite 41 – Jeremy Bentham (1748–1832), Panopticon–Model (1791).
19 – William Bogard, The simulation of surveillance. Hypercontrol in telematic societies. Cambridge 1996, 3.
Seite 45 – Dieter Froese, Not a Model for Big Brother´s Spy–Cycle (1983). Eingangsbereich der Ausstellung
20 – Ebd. 19., 4/5.
Surveillance, L.A.C.E. Los Angeles 1987 (Eröffnungsabend). Mit freundlicher Genehmigung des Künstlers.
21 – Chris Dodge, E-Mail an den Verfasser 2002.
Seite 45 – Bill Beirne, Something´s in the Air (1977/1995). Sculpture Center, New York 1995.
22 – Peter Weibel in: Heinrich Klotz / Florian Rötzer / Peter Weibel, Perspektiven der Computerkunst, Ein
85
Gespräch. In: Georg Hartwagner / Stefan Iglhaut / Florian Rötzer (Hg.), Künstliche Spiele. München 1993, 18. –
8 - Ebd., S. 19.
Vgl. auch: Peter Weibel, KontextKunst. Kunst der 90er Jahre (Ausst.-kat.). Graz / Köln 1993.
9 - Richard Alewyn: Anatomie des Detektivromans. In: Die Zeit, 47/1968, online: www.zeit.de/1968/47/
23 – Gregory Bateson, Ökologie des Geistes. Anthropologische, psychologische, biologische und epistemologische
anatomie-des-detektivromans/komplettansicht.
Perspektiven. Frankfurt / M. 1990. Orig.: Steps to an Ecology of Mind. Chandler Publishing Company 1972.
10 - Ebd.
24 – Vgl. Jeremy Rifkin, Das biotechnische Zeitalter. Die Geschäfte mit der Genetik. München 1998.
11 - Ebd.
25 – Frankfurt/M. 2008. – Ausschnitte sind verfügbar Online unter: www.ruhr-unibochum.de/ifm/_downloads/
12 - Ebd.
hoerl/hoerl_2008_human_vw_text2008.pdf.
13 - Alain René Lesage: Der hinkende Teufel [1707]. Nördlingen 1987.
26 – Ebd. 25, 15.
14 - Ebd., S. 21
27 – Ebd. 25, 29.
15 - Ebd.
28 – Wie Anm. 24, 35.
16 - Michail M. Bachtin: Chronotopos [1975]. Frankfurt am Main 2008.
29 – Wie Anm. 25, 31.
17 - Ebd., S. 48.
30 – Ulrich Bröckling, Über Feedback. Anatomie einer kommunikativen Schlüsseltechnologie.
18 - Ebd.
In: Michael Hagner / Erich Hoerl (wie Anm. 25.), 326-347, 347.
19 - Ebd., S. 49.
31 – Vgl. Werner Faulstich, (Hg.), Grundwissen Medien. München 1998 (3. Aufl.; 1. Aufl. 1994).
20 - Ebd.
32 – Hier nehme ich Bezug auf einen eigenen Aufsatz von 2008, der den bezeichnenden Titel trug:
21 - Ebd., S. 47.
Wa(h)re Kunst. Kontrollierte Rattenplage im Kaufhaus. Essay zur Ausstellung Wa(h)re Kunst, Concent-Art,
22 - Ebd.
Berlin 2008.
23 - Richard Alewyn, wie Anm. 9.
33 – Groys, Boris, Topologie der Kunst. München/Wien 2003, 47.11.
24 - Jean-Paul Sartre: Das Sein und das Nichts. Versuch einer phänomenologischen Ontologie.
34 – Ebd. 33., 233 f.
Reinbek b. Hamburg 1994, S. 467.
35 – Christian Stöcker, Second Life, München 2007, 136.
25 - Ebd.
36 – Ebd. 35., 82.
26 - Ebd., S. 468.
37 – Es handelt sich um ein aktuelles Projekt, in dem ich die Logik dieser Ästhetik in fünf Schritten beschriebe:
27 - Ebd., S. 469.
Das ästhetische Denken, Wahrnehmen und Urteilen, die Aura der Eigentlichkeit, der Hang zum Heiligen, die
28 - Ebd., S. 461.
Mächte des Dispositivs und schließlich die Infinitesimale Ästhetik.
29 - Ebd., S. 461 f.
38 – Michiel Schwarz / Joost Elffer, Sustainism ist the New Modernism. A Cultural Manifesto for the Sustainist Era.
30 - Ebd.
New York 2010.
31 - Ebd., S. 462.
39 – Vgl. Giorgio Agamben, Homo sacer. Die souveräne Macht und das nackte Leben. Frankfurt 2002 (ital. 1995).
32 - Ebd., S. 475.
40 – Der Film Home von Yann-Arthus Bertrand ist Online erhältlich unter: www.youtube.com/user/homeproject.
33 - Ebd.
41 - Ernst Bloch, Das Prinzip Hoffnung. Erster Band. Frankfurt / M. 1959. Online einsehbar unter
34 - Ebd.
www.04.diskursfestival.de/pdf/theorie_1_bloch.pdf.
35 - Vgl. die zahlreichen Bilder im Buch von Peter Springer: Voyeurismus in der Kunst. Berlin 2008.
36 - Volker Wortmann: Authentisches Bild und authentisierende Form. Köln 2003.
Simon Frisch, Dargebotene und gestohlene Blicke: Schauen, Erzählen, Überwachen und Beobachten
37 - Albert Camus: Der Künstler und seine Zeit. In: Ders.: Kleine Prosa. Reinbek b. Hamburg 1961, S. 15-31.
als Verfahren in Bildender Kunst, Literatur und Film
Hier: 21 f. Freilich verwirft Camus im Fortgang des Gedankens die Idee, dass ein solcher Film realistisch sein
Abbildungen
könne, da das Leben eines Menschen sich nicht nur dort finde, wo dieser Mensch sich aufhalte, sondern in
Seite 58 - Ottmar Starke, Chacun à goût (ca. 1930). Abb. aus: Peter Springer: Voyeurismus in der Kunst.
allen Menschen zu denen er Beziehungen pflege.
Berlin 2008, S. 260.
38 - Pier Paolo Pasolini: Die Furcht vor dem Naturalismus, in: Ders.: Ketzererfahrungen. ›Empirismo eretico‹.
Seite 77 - The Getty Apocalypse, The First The Seventh Seal: An Angel Censing an Altar and Pouring the Censer
Schriften zu Sprache, Literatur und Film. München 1979, S. 237-239. Hier: 238.
over the Earth; Trumpet: Hail and Fire Fall From Heaven (um 1255–60).
39 - Andrej Tarkovskij: Die versiegelte Zeit. Gedanken zur Kunst, zur Ästhetik und Poetik des Films.
Abb. aus: www.blogs.getty.edu/iris/medieval-reading-for-our-favorite-game-of-thrones-characters/
Berlin 2009, S. 96.
Anmerkungen
1 - Paul Cézanne: Über die Kunst. Gespräche mit J. Gasquet. Hrsg. von Wolfgang Hess, Hamburg 1957, S. 20.
2 - Georges Simenon: Bellas Tod [1951]. In: ders.: Bellas Tod. Sonntag. Berlin/Weimar 1987, S. 7.
3 - Ebd.
4 - Ebd.
5 - Ebd., S. 9.
6 - Ebd., S. 7 f.
7 - Ebd., S. 9.
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Impressum
Diese Publikation erscheint anlässlich des Projektes
Alexander Steig
VISUSUS VISERE
Ausstellung und Symposion
Kunstraum München, 2. – 31. Juli 2011
Herausgeber: Kunstraum München e. V. und Alexander Steig
Redaktion: Alexander Steig
Gestaltung: Andreas Henze
Lektorat: Luise Horn
Druck: Frick Kreativbüro & Onlinedruckerei e.K.
Fotos: Frank Stolle (Umschlag, S. 9, 12, 13, 14,15), Raimund Zakowski (S. 10),
Nils Zurawski (S. 18), Alexander Steig (S. 82)
© Autoren, Fotografen © Alexander Steig, VG Bild-Kunst, Bonn, 2017
ISBN 978-3-928804-53-0
icon Verlag Hubert Kretschmer
© 2017, icon Verlag Hubert Kretschmer, München; Alexander Steig
Mit freundlicher Unterstützung des Projektes und Symposions durch
Dank an: Constanze Metzel, Daniel Schürer, Christoph Jakobs, Markus Bydolek, Oliver Dressel,
Juli Voltmer-Landa, Vera Steig-Haecker und Corinna von Lerchendorff
Kunstraum München e. V.
Holzstraße 10
80469 München
T +49 (0)89 54379900
F +49 (0)89 54379902
info@kunstraum-muenchen.de
www.kunstraum-muenchen.de
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