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Humboldt-Universität zu Berlin Philosophische Fakultät I Institut für Geschichtswissenschaften Lehrstuhl für Südosteuropäische Geschichte Erstgutachter: Prof. Dr. Hannes Grandits Zweitgutachter: Prof. Dr. Michael Wildt Masterarbeit Der griechisch-italienische Krieg 1940-1941 und die Einmischung von außen: Deutsche Außenpolitik in Bezug auf den griechisch-italienischen Konflikt vom 28. Oktober 1940 bis zum 6.Januar 1941 Eingereicht am 25. August 2015 von Nikolaos Alexatos Nikolaos Alexatos Matrikelnummer: 537222 Anschrift: Kolberger Str. 18, 13357 Berlin Mobil: 0177 7283758 E-Mail: n.alexatos@gmail.com Inhaltsverzeichnis Abstract S. 3 1. Einleitung S. 4 2. Kontinuitäten in der deutschen Südosteuropapolitik (1870-1940) und griechisch-deutsche Beziehungen (1935-1940) S. 11 3. Italiens Schritte zum Angriff auf Griechenland S. 17 3.1 Die Lage in Europa bei Beginn des griechisch-italienischen Krieges – Eine Skizze S. 17 3.2 Der Weg Italiens zum Angriff gegen Griechenlands Das „fait accompli“ Hitlers in Ploiesti S. 18 3.3 Die italienische Griechenland-Politik von 1939 bis zum Sommer 1940 S. 21 3.4 Die Entscheidung zum Angriff auf Griechenland S. 24 3.5 Fazit S. 32 4. Deutsche Außenpolitik in Bezug auf den griechisch-italienischen Konflikt vom 28. Oktober bis zum 5. Dezember 1940 S. 34 4.1 Die erste Phase des Krieges (28.Oktober – 13. November 1940) S. 34 4.2 Die außenpolitischen Reaktionen von deutscher Seite S. 37 4.3 Die politische Entwicklungen bis zum 5. Dezember 1940 S. 41 4.4 Die zweite Phase des Krieges bis zum 5. Dezember 1940 S. 44 4.5 Die diplomatische Vorbereitung Deutschlands auf den Balkanfeldzug bis zum 5. Dezember 1940 S. 46 4.6 Fazit S. 49 5. Die Versuche der deutschen Außenpolitik im Konflikt zu vermitteln S. 51 5.1 „Es sei denn, …“ - Eine Äußerung Hitlers als Anfang der Vermittlungsversuche S. 51 5.2 Die Sondierungen S. 54 5.3 Fazit S. 58 6. Schlusswort und Fazit S. 60 Quellen- und Literaturverzeichnis S. 65 Eidesstattliche Erklärung zur Masterarbeit S. 69 2 Abstract As the Italian dictator Benito Mussolini decided to invade Greece it was a common belief that the Greek army would collapse after some days or weeks. Mussolini took his decision after Germany sent troops to Rumania to protect the significant oilfields of Ploiesti against eventual air raids of the Royal Air Force or an invasion of the Red Army. Mussolini saw in this development a German provocation because the German decision was been taken without consulting with the Italian leadership and wanted through the invasion of Greece to reestablish a power balance to Hitler. The Greek army didn’t collapse and took initiative in the battlefields with the result that the Italian army was forced to retreat. Hitler was aware of a British presence in Greece, which would be a serious threat for the oilfields. The problem could be solved by an invasion and occupation of Greece by German forces or eventually by an armistice and a peace treaty between the two enemies. I researched for continuities in the German foreign policy concerning Greece, the GreekGerman relations in the second half of the 1930s, the Italian policy relating to Greece and the German foreign policy in relation to the Greek-Italian war in its double strategy: the preparations for the Balkan-Campaign that took place in spring 1941 and the attempt to bring the two enemies to negotiations. Considering that some historians have ignored and are still ignoring these attempts I focused on the presence of these attempts in the historians’ research and the way of their presentations together with the evaluation of the documentation of the sources. Before that I tried to show that these attempts were part of continuity in German foreign policy. In addition I am presenting two documents that show that the attempts were been taken seriously by the British and Greek diplomacy. 3 1. Einleitung Das Thema dieser Arbeit ist die diplomatische Verwicklung Deutschlands in den ersten zwei Phasen des griechisch-italienischen Krieges in den Jahren 1940-1941. Diese zwei Phasen betreffen dem Zeitraum zwischen dem 28. Oktober 1940 und dem 6. Januar 1941. Am 28. Oktober 1940 überquerte die italienische Armee die Grenze Albaniens zu Griechenland, wenige Stunden nachdem der italienische Gesandte in Athen Emanuele Grazzi das Ultimatum seiner Regierung dem griechischen Ministerpräsidenten Ioannis Metaxas in seinem Privathaus in einem Vorort von Athen mitten in der Nacht stellte. Auf die Fristsetzung folgte bereits zwei und einhalb Stunden später der Beginn der italienischen Invasion des griechischen Hoheitsgebiets, was den Anfang des Krieges darstellte. Der 6. Januar 1941 ist der Tag, an dem die griechische Armee ihren Vormarsch in dem albanischen Territorium nach zwei Monaten erfolgreicher Kriegsführung beendete. In dieser Zeit haben die italienischen Streitkräfte es versäumt, militärisch Initiative zu ergreifen und waren somit in die Defensive geraten. Deutschland stellte Ende Dezember jeglicher diplomatischer Versuche zur Beendigung des Konflikts ein. Auf politischer Ebene kann der 3. Januar 1941 als der Tag betrachtet werden, an dem sich die Zeichen verdeutlichten, dass jeglicher Versuch vergeblich sein würde: Ernst von Weizsäcker, der Staatssekretär des Reichsaußenministeriums, informierte an diesem Tag Reichsaußenminister Joachim von Ribbentrop darüber, dass Alexandros Rizos-Rangavis, der griechische Gesandte in Berlin, ihn besucht habe: „Ich empfing heute den Griechischen Gesandten, um ihm auftragsgemäß folgendes zu sagen: Der König der Griechen habe den Führer zu Neujahr ein Glückwunschtelegramm gesandt. Ich sei beauftragt, ihn, den Gesandten, um Übermittlung des Dankes des Führers an den König zu ersuchen. Rizo-Rangabé nahm diese Form der Erwiderung ohne Gegenäußerung auf.“1 Nach kurzem Gespräch habe Rizos-Rangavis den Raum verlassen. Anschließend rief Rangavis Weizsäcker an, um zu erfragen, ob er es richtig verstanden habe, dass er dem König im Namen des Führers keine Glückwünsche überbringen soll. Dies bestätigte Weizsäcker. Der Führer habe nur zum Dank auf das Telegramm des griechischen Königs geantwortet und von einer Übermittlung von Glückwünschen an den König der Griechen könne keine Rede sein.2 1 2 Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes (PAAA), F410/222 992 v. 03.01.1941 Akten zur Deutschen Auswärtigen Politik (ADAP), Serie D, XI, 2, Dok. 600 v. 03.01.1941, S. 1012 4 Die militärische Niederlage Italiens in diesem Winterkrieg in den Bergen von Epirus und Südalbanien war die erste erfolgreiche militärische Unternehmung gegen die Achsenmächte auf europäischem Boden und kam wenige Monate nach dem Scheitern der Pläne Hitlers, Großbritannien mit der Luftwaffe und durch die Kriegsmarine zu einer Kapitulation zu zwingen oder an den Verhandlungstisch zu bringen.3 Auf einen Krieg in der Balkanregion war die Führung des Deutschen Reichs nicht eingestellt.4 Deshalb war die Aufregung Hitlers groß, als er auf dem Weg nach Florenz, wo er sich mit Mussolini treffen wollte, von dem überraschenden Krieg erfuhr. Die politischen und militärischen Entscheidungsträger des Deutschen Reichs beobachteten den Verlauf des Krieges und als nach einigen Tagen die Schwäche der Italiener erkennbar wurde, reagierte die deutsche Führung. Es galt, die objektiven Ziele der italienischen Armee zu halten und den Widerstand der griechischen Armee zu brechen, welche die Pläne des italienischen Generalstabs zu vereiteln drohte. Bisherig unterscheidet die Forschung die Haltung und das Agieren deutscher Außenpolitik in zwei Phasen: Die erste Phase ist durch Passivität beziehungsweise das Abwarten der militärischen Entwicklungen gekennzeichnet. Berlin bezog außerdem die Haltung und Reaktionen Großbritanniens als auch der Balkanländer in die Pläne ein. Zwei Wochen nach Kriegsanfang, als es klar wurde, dass die Vorstellung eines Krieges, der sich einem Spaziergang der italienischen Divisionen gen Thessaloniki und die Stadt von Arta ähneln würde, geschweige denn von Athen, aber auch als es klar wurde, dass die Balkanländer sich nicht in den Krieg einmischen wollten, kam die Außenpolitik des Deutschen Reichs in eine zweite Phase. Hitler und das Oberste Kommando der Wehrmacht (OKW) fingen nun mit den Vorbereitungen einer militärischen Intervention in Griechenland an. Die Vorbereitung begann mit der Erstellung der Weisung Nr. 18 am 12. November 1940, die im Entwurf „Unternehmen Marita“ endete. Um diesen Plan umzusetzen, brauchte die Wehrmacht einerseits die Unterstützung Bulgariens, weil die Truppen, die Griechenland angreifen sollten, ihren Feldzug von Bulgarien aus unternehmen würden. Diese war die erste Mission der Reichsdiplomaten im Auftrag der Führung. Darüber hinaus übernahm die deutsche Diplomatie die Aufgabe, herauszufinden, wie sich die Türkei und Jugoslawien im Falle eines Blitzkrieges gegen Griechenland verhal3 Schreiber, Gerhard, Die politische und militärische Entwicklung im Mittelmeerraum 1939-1940, in: Schreiber/Stegeman/Vogel, Das Deutsche Reich im zweiten Weltkrieg, Stuttgart 1984, Bd. 3, S. 162 4 Sundhausen, Holm, Improvisierte Ausbeutung. Der Balkan unter deutscher Okkupation, in: Otto, Gehard/ ten Cate, Johannes Houwink, Das organisierte Chaos. „Ämterdarwinismus“ und „Gesinnungsethik“: Determinanten nationalsozialistischer Besatzungsherrschaft, Berlin 1999, S. 55 5 ten würden. Die beiden Staaten hatten 1934 mit Griechenland eine Allianz gegründet, bei dieser Verbindung handelt es sich um den so genannten den Balkan-Pakt.5 Ab Mitte-Ende November fanden keine Kampfhandlungen mehr auf griechischem Territorium statt. Die Quellen beschreiben die Stimmung innerhalb der italienischen Führung zu diesem Zeitpunkt als einen Zustand der Verzweiflung, die sich nach der Eroberung der militärisch wichtigen albanischen Stadt Koritza verstärkte. Es gibt aus diesen Tagen Belege dafür, dass Mussolini und Ciano über eine mögliche Schlichtung durch das Deutsche Reich nachdachten, um den Krieg rasch zu beenden.6 Nicht nur die italienische Führung plagte sich mit diesem Gedanken. Auch Akteure der griechischen Diplomatie und Politik hatten ein Interesse an einem schnellen Frieden. Der Minister für öffentliche Sicherheit der Metaxas-Regierung Konstantinos Manadiakis habe sich, laut einem Bericht des deutschen Gesandten in Athen Erbach, eine indirekte Annäherungsversuch unternommen, indem er dem deutschen Diplomaten die bisherige Haltung Deutschlands als positiv bewertete. Maniadakis erwähnte, dass der Führer Philhellene sei, dass die deutsche Öffentlichkeit, abgesehen von Rundfunk und Presse, eine gewisse Griechenfreundlichkeit zeige und dass die bisherige Nichtunterstützung Italiens durch Deutschland den Sieg von Koritza am 22. November 1940 möglich gemacht habe.7 Dazu gab es schließlich im Dezember 1940 Versuche von deutscher Seite, eine solche Option zu nutzen, damit der Krieg beendet werden könnte. Die Bestrebungen sind aber an der Ablehnung aus griechischer Seite gescheitert. Das Forschungsinteresse der historischen Wissenschaft besteht aber darin, diese Ideen für einen kurzfristigen Frieden genau zu hinterfragen, auf welchem Weg versucht wurde, eine Schlichtung zu erreichen und welche Entscheidungen diese Versuche zum Scheitern geführt haben. Darüber hinaus ist es von Interesse, die diesbezügliche Debatte zwischen den Historikern darzustellen. Eine erste Dokumentation von Versuchen erfolgte Mitte der 1950er von der deutschen Historikerin und Griechenland-Expertin Ehrengard Schramm von-Thadden. Als Initiator dieser Versuche sah sie den Chef der Abwehr Admiral Wilhelm Canaris, wobei sein geheimdienstlicher Apparat die Geheimhaltung des Versuchs gesichert hätte. Diese These ist einerseits nahe5 Papastratis, Prokopis, Eksoterikí politikí (Außenpolitik), in: Hatziiosíf, Hristos (Hsg.), Istoría tis Elládas tu 20ou eóna. O Mesopólemos 1922-1940 (Geschichte Griechenlands im 20. Jh. Die Zwischenkriegszeit 1922-1940), Athen 2003, S. 279ff. 6 Moseley, Ray, Zwischen Hitler und Mussolini. Das Doppelleben des Grafen Ciano, Berlin 1998, S.146 7 ADAP, XI, 2, Dok. 395 v. 25.11.1940, S. 586 6 liegend, weil er bereits in der Vorkriegszeit Kontakte zu Griechenland und pflegte und daher über informelle Kommunikationsmöglichkeiten zu griechischen Politiker und Unternehmer verfügte.8 Allerdings stoßt die These von Schramm von-Thadden auf Kritik aus der Seite von Heinz A. Richter, der argumentiert, dass das Auswärtige Amt der Träger der Versuche gewesen sei.9 Die deutsche Initiative nutzte informelle Kanäle in Madrid und Athen, kommunizierte über Botschaften, diplomatisches Personal und nicht identifizierbare Mittelmänner. Mit großer Eile nahm das Auswärtige Amt seine diplomatische Arbeit in der Woche der OKWSitzung vom 5. Dezember 1940 auf, auf der Hitler geäußert hatte, dass das Unternehmen gegen Griechenland nicht stattfände, falls die Griechen aus eigenem Willen Frieden mit Italien schließen würden.10 Es muss also untersucht werden, ob die Äußerung Hitlers als Signal für Kreise der Reichsführung gelten kann, den ungewollten Krieg gegen Griechenland durch die Aufnahme eines letzten diplomatischen Versuchs zu vermeiden. Die Quellen die für diese Untersuchung verwendet wurde, sind dreierlei: Ich habe erstens in den relevanten Mikrofilmen des Politischen Archivs des Auswärtigen Amtes selber geforscht. Es geht um die Reihen 408, 409 und 409. Dazu habe ich die veröffentlichten Dokumente in der Reihe „Akten zur deutschen Auswärtigen Politik“ mit Bezug auf den von mir behandelnden Zeitraum untersucht. Darüber hinaus habe ich die veröffentlichten Dokumente des griechischen Außenministeriums und des britischen Foreign Office erforscht und bewertet. Zweitens, wurden für diese Arbeit andere primäre Quellen benutzt, wie die Tagebücher von Metaxas und die Memoiren von Akteuren, Militärs, Politikern und Diplomaten. Für solche Texte primärer Quellen, die im Original auf Italienisch verfasst wurden, habe ich deutsche beziehungsweise englische Übersetzungen verwendet, wie sie sich in der sekundären Literatur zu lesen sind. Die griechischen Texte habe ich selber übersetzt. Drittens geht es um die sekundären Quellen. 8 Pelt , Mogens, To ellino-germanikó empório kapnoú. Sinéhia kai asinéhia katá ton mesopólemo kai tin período metá ton pólemo (Das griechisch-deutsche Tabakhandel. Kontinuität und Diskontinuität in der Zwischenkriegszeit und in der Zeit nach dem Krieg), in: Fleischer, Hagen (Hsg.): I Elláda '36-'49. Apó ti diktatoría ston emfílio pólemo. Tomés kai asinéhies (Griechenland 1936-1949. Von der Diktatur zum Bürgerkrieg. Brüche und Kontinuitäten), Athen 2003, S. 380ff. 9 Richter, Heinz A., Griechenland im zweiten Weltkrieg 1939-1941, Ruhpolding 2010, S. 137 10 ADAP, XI, 2, Dok. 395 v. 25.11.1940, S. 586, Anm.4 7 In der wissenschaftlichen Literatur entfaltet sich die Debatte über drei Themen. Das erste Thema ist, ob es überhaupt die deutschen Vermittlungsversuche stattgefunden hätten. So ignorierten Historiker die Aufzeichnungen von Schramm-von Thadden und die Referenzen in den Archiven des griechischen Außenministeriums und des Foreign Office. Für den Historiker F.W. Deakin ist es verständlich, weil die entsprechenden diplomatischen Quellen noch nicht erschlossen waren, als er 1962 sein Buch „The brutal friendship. Mussolini, Hitler and the fall of Italian Fascism” herausgab. Seit den 1980er Jahren ignorierten allerdings diesen Teil der Geschichte Historiker, wie Detlef Vogel, Ian Kershaw, Ray Moseley und Marina Petraki. 1972 wurde die englische Version des Werkes des italienischen Historikers Mario Cervi „Storia della guerra di Grecia“ veröffentlicht. In dieser Version erwähnte Cervi den Bericht des US-Amerikanischen Diplomaten Leland B. Morris aus Berlin. In diesem Bericht informierete Morris seine Vorgesetzten über deutsche Vermittlungsvorschläge an den griechischen Gesandten in der deutschen Hauptstadt. Cervi bezweifelte jedoch an die Wahrhaftigkeit der Informationen, die der Bericht beinhaltet, da er keine anderen Beweise in den von ihm untersuchten Dokumenten gefunden habe.11 Demgegenüber steht seit 1973 eine Reihe von Historikern, die den Werk Schramm vonThaddens als legitime Quelle annehmen. So berichtete der DDR-Historiker Julius Mader in seinem Buch „Hitlers Spionagegenerale sagen aus“, das 1973 in der DDR publiziert wurde, davon, dass Admiral Canaris Mitte Dezember 1940 ein „offizielles Friedensvermittlungsangebot an Griechenland lanciert“ habe.12 Wenige Monate später, in seinem im Juli 1974 veröffentlichten Artikel, benutzte auch der Historiker Martin van Creveld das Buch Schramm-von Thaddens als Quelle.13 1976 erwähnte Ioannis Koliopoulos auch die Arbeit Schramm von-Thadens.14 genauso wie es 1982 Macgregor Knox in seiner Arbeit „Mussolini unleashed“ machte.15 Die deutschen 11 Cervi, Mario, The hollow legions. Mussolini’s blunder in Greece, London 1972, S. 213 Mader, Julius, Hitlers Spionagegenerale sagen aus, Berlin 1973, S. 340 13 van Creveld, Martin, Prelude to Disaster: The British Decision to Aid Greece, 1940-41, Journal of Contemporary History, Vol. 9, No. 3, Jul. 1974, S. 68ff. 14 Koliopoulos , Ioannis, Greece and the british connection, Oxford 1977, S. 186ff. 15 Knox, MacGregor, Mussolini unleashed, Cambridge 1982, S. 274f. 12 8 Vermittlungsversuche wurden darüber hinaus von den Historikern James Sadkovich im Jahr 199316 und Spiros Linardatos 1995 erwähnt.17 Ende der 1990er Jahren befasste sich der deutsche Historiker Heinz A. Richter in seinem Buch „Griechenland im Zweiten Weltkrieg 1939-1941“ mit der Situation zwischen Griechenland, Italien, Großbritannien und Deutschland nach dem Eintritt der Griechen in den Krieg.18 Er bezieht sich bei diesem Thema wesentlich auf das historische Material Schramm von Thaddens. 2005 nimmt der griechische Diplomat a.D. Hannibal Velliadis schließlich die Thesen Schramm von-Thaddens in sein Buch über die griechisch-deutsche Beziehungen während der Metaxas-Diktatur auf. 19 Sie dürfen im neuen Jahrtausend also als verifiziert gelten. Dafür sprechen sowohl die Interviews, die Richter 2010 veröffentlicht hat als auch die zwei Befunde meiner Forschung in den britischen und griechischen diplomatischen Dokumenten, das Memorandum des britischen Unterstaatssekretären Sargent vom 9. Dezember 1940 und die Notiz von Metaxas vom 20. Dezember 1940, die ich im Kapitel 5 präsentiere. Zwar sind diese informellen Versuche gescheitert, was bekanntlich zum Balkanfeldzug der Wehrmacht am 6- April 1941 führte. Dennoch will diese Arbeit sich mit der Frage beschäftigen, welche diplomatischen Schritte des Deutschen Reichs stattgefunden haben, weshalb es zur Vorbereitung der Invasion in Griechenland kam und welche Probleme in dem komplizierten Kontext des Südostens gelöst werden musste. Diese Arbeit entsteht unter der Annahme, dass die Schlichtungsversuche ein Kalkül des Deutschen Reichs darstellten. Dieses Kalkül bestand darin, dass die Vermeidung einer militärischen Operation gegen Griechenland den deutschen Interessen eher entspreche, als eine Ausweitung des Krieges auf die Balkanregion. Jedoch entsteht durch die Abwesenheit dieser kurzen Phase der deutsch-griechischen Beziehungen in einer Reihe von historischen Werken, nämlich die diplomatischen Versuche Deutschlands im Rahmen des griechisch-italienischen Konflikts, eine Lücke, die zu schließen ist. Diese Arbeit besteht aus fünf Kapitelnn: Nach der Einleitung, beschäftigt sich das zweite Kapitel mit der Frage der deutsch-griechischen Beziehungen, untersucht wird die Kontinuität 16 Sadkovich, James J., The Italo-Greek War in Context: Italian Priorities and Axis Diplomacy, Journal of Contemporary History, Vol. 28, No. 3, Jul., 1993, S. 449 17 Linardatos, Spiros, O pólemos tou 1940-41 ke i máhi tis Krítis (Der Krieg 1940-41 und die Schlacht um Kreta), Athen 1995, S. 64 18 Richter 2010 , S.132ff. 19 Velliadis, Hannibal, Metaxas-Hitler. Griechisch-deutsche Beziehungen während der Metaxas-Dikatur 19361941, Berlin 2006, S.207ff. 9 in der Außenpolitik Berlins in Bezug auf Südosteuropa seit 1870. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf Griechenland, wobei auch die Kontinuität griechischer Außenpolitik eine Rolle spielt. Es soll bewiesen werden, dass die Politik sich in den letzten Zwischenkriegsjahren ohne Unterbrechungen stabil gestaltet wurde. Die Form der deutsch-griechischen Beziehungen verdeutlicht die Plausibilität der Annahme, dass es bis Mitte November 1940 keine Pläne des Deutschen Reichs zur Eroberung Griechenlands gegeben hat, und dass ein sofortiges Ende des Krieges zwischen Griechenland und Italien durch deutsche Schlichtung den deutschen Interessen durchaus entsprach. Das dritte Kapitel befasst sich mit den griechisch-italienischen Beziehungen bis zum Ausbruch des Krieges am 28. Oktober 1940 und dem Prozess der in Rom zu dieser Entscheidung geführt hat. Das vierte Kapitel beschäftigt sich mit der Frage nach der Reaktion der deutschen Führung auf den Ausbruch des Krieges und mit den diplomatischen Schritten zur Einschätzung der komplizierten Situation und zur Vorbereitung für die Realisierung des Balkanfeldzugs. Diese Schritte deutscher Außenpolitik werden gleichzietig mit den militärischen Ereignissen an der griechisch-italienischen Front erzählt. Im fünften Kapitel geht es darum, die Versuche aus deutscher Seite zur Schlichtung zwischen den zwei Kriegsparteien darzustellen. Außerdem wird die Haltung der griechischen Führung gegenüber einer deutschen Schlichtung analysiert und die langfristige Zielsetzung des griechischen Diktators wird herausgearbeitet. Abschließend folgt im letzten Teil als Fazit die Zusammenfassung der Ereignisse, auf der die Argumentation fußt. Am Ende tritt die Notwendigkeit einer tiefer gehenden Erforschung der informellen deutsch-griechischen Beziehungen hervor. Dabei handelt es sich um Verflechtungen von Wirtschaft und Politik, um ideologische und kulturelle Faktoren sowie die Suche nach Kontinuität, die in das heutige Verhältnis beider Länder hineinragt und Spannungen erklärt. Ich möchte mich schließlich an dieser Stelle bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung bedanken, da diese mir durch ein Stipendium mein Studium ermöglicht hat. Darüber hinaus möchte ich mich bei Frau Nadia Heimann für ihre Bemerkungen und Ratschläge, bei Frau Bianca Kindler für ihr sorgfältiges Lektorat und ihre Korrekturen und bei Herrn Miltos Fatouros für seine Unterstützung bei der Lösung von technischen Forschungsproblemen herzlich bedanken. 10 2. Kontinuitäten in der deutschen Südosteuropapolitik (1870-1940) und griechisch-deutsche Beziehungen (1935-1940) Die Führung des NS-Staates war bis November 1940 nicht an die militärische Eroberung des Balkans interessiert. Eine solches Ziel stand nicht in den strategischen Entwürfen zur Umgestaltung Europas und daher stellt die diplomatische und militärische Vorbereitung zur Durchführung der Pläne zur Realisierung des Balkanfeldzugs eine Abweichung von der Zielsetzung des Drittens Reichs dar, wie sie sich seit 1939 entwickelte. Die Tatsache, dass der Balkan außerhalb der objektiven militärischen Ziele im Rahmen der Gestaltung einer neuen Ordnung Europas stand, lässt sich anhand der Pläne zur Schaffung eines „Großwirtschaftsraumes“ beweisen, die nach dem Ende des Krieges unter der Bedingung eines Sieges für die Wehrmacht umgesetzt werden sollten. Der Südosten sollte als Ergänzungswirtschaftsraum dienen, um einen „Großwirtschaftsraum“ zu schaffen.20 Der italienische Angriff gegen Griechenland und die Entscheidung Berlins in Griechenland militärisch zu intervenieren, markiert einen Bruch in der Kontinuität deutscher Außenpolitik. Diese Kontinuität, die sich in der Politik des zwischen 1871 und 1945 bestehenden Deutschen Reiches deutliche Kontinuitäten aufweisen lässt21, wird später noch untersucht. Jedoch drängt es sich auf, an mancher Stelle Anmerkungen darüber zu machen, dass Griechenland und Jugoslawien im Rahmen des zweiten Weltkrieges miteinander in direkten Vergleich zu bringen. In einem Parallelschlag griff die Wehrmacht beide Länder am 6. April 1941 an. Die militärischen Siege der Wehrmacht gegen die griechischen und die jugoslawischen Armeen erfolgten in unterschiedlicher Geschwindigkeit, sehr schnell in Jugoslawien, zeitaufwändiger für Griechenland, was auch dem Hilfeversuch der Briten geschuldet ist, der aber scheiterte. Es gelang nicht, die für die Briten beteudsame Insel Kreta gegen die Deutschen zu verteidigen. An dieser Stelle muss Griechenlands anhand der These der Kontinuität deutscher Außenpolitik betrachtet werden. Dass die deutsche Außenpolitik ihren Schwerpunkt traditionell auf Jugoslawien, Rumänien und Bulgarien setzte, hat zwei Gründen: Der erste Grund ist wirtschaftlicher Natur und hat mit zwei wichtigen Transportadern zu tun. Der Weg von Mitteleuropa nach Istanbul führt 20 Ristovic, Milan, Weder Souveränität noch Industrialisierung. Die südosteuropäischen Länder in der „neuen Ordnung“ – Jugoslawische und deutsche Perspektiven (1940-1944), in: Sachse, Carla (Hsg.), „Mitteleuropa“ und „Südosteuropa“ als Planungsraum. Wirtschafts- und kulturpolitische Expertisen im Zeitalter der Weltkriege, Göttingen 2010, S. 228ff. 21 Nipperdey, Thomas, 1933 und die Kontinuität der deutschen Geschichte, Historische Zeitschrift, 227, Jul. 1978, S. 94 11 über Belgrad nach Sofia und von dort zum Bosporus. Außerdem sind die jugoslawischen Gebiete zweifelsohne Bestandteile eines Donau-Systems. Die Donau war, laut Thörner, für deutsche Interessen der wichtigste Weg überhaupt, der Sicherung dieses Transportwegs hat sich die deutsche Außenpolitik deshalb zu jeder Zeit eingesetzt. Der zweite Grund ist die historische und soziokulturelle und Jahrhunderte fortdauernde Verbindung von Teilen Jugoslawiens und Rumäniens im Habsburgischen Reich, dessen Raum eines der Zentren des Großdeutschen Reichs gewesen ist und daher eine Kernposition im Großwirtschaftsraum der nationalsozialistischen Planer einnahm. Thörner blendet dagegen Albanien und Griechenland in seiner Untersuchung der Kontinuität deutscher Außenpolitik in Bezug auf den Südosten aus, weil sich der Schwerpunkt der deutschen Außenpolitik nach Istanbul verlagert hatte und später mit der Bagdadbahn erweitert wurde. Die beiden Verkehrsadern, die von echter Bedeutung waren, ziehen sich durch Jugoslawien, Bulgarien und Rumänien. Im Gegensatz dazu hat es lange Zeit keine nennenswerten Verkehrsverbindungen vom Deutschen Reich nach Griechenland und Albanien gegeben. Eine Ausweitung des deutschen Einflusses in Griechenland ist aus historischen Gründen schwieriger, als in den übrigen südosteuropäischen Ländern der Fall gewesen ist. Der griechische Staat hat seine Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich 1830 erreicht, argumentiert Thörner, also Jahrzehnte vor der Bildung eines deutschen Nationalstaats. Griechenland sei deshalb unter den zu dieser Zeit bestimmenden wirtschaftlichen Einfluss Frankreichs und der Großmacht Großbritanniens geraten. Aufgrund der mediterranen Ausrichtung Griechenlands seien die beiden Seemächte dort lange gegenüber dem Deutschen Reich in der Lage gewesen, sich behaupten zu können. Erst die Besatzung im April und Mai 1941 unterwarf Griechenland für einige Zeit deutscher Herrschaft. Schließlich formuliert Thörner die These, dass die deutsche und die österreichische Regierung die Gründung des Staates Albanien auf der Londoner Konferenz von 1913 in erster Linie durchgesetzt haben, um Serbien und seinem Bündnispartner Russland einen Hafen in der Adria zu verwehren. In der Folge sei das kleine und ökonomisch wenig lukrative Land bis 1943 weitgehend italienischer „Schutzherrschaft“ überlassen worden.22 Bis Dezember 1940 lässt sich bei der Planung, Umsetzung und Durchführung deutscher Außenpolitik die oben erwähnte allgemeine Kontinuität nachweisen, die den Faden der Außenpolitik des Kaiserreichs fortsetzte. Wenn hier die Rede von Kontinuität ist, sind die Bezie22 Thörner, Klaus, „Der ganze Südosten ist unser Hinterland.“ Deutsche Südosteuropapläne von 1840 bis 1945, Freiburg 2008, S.14 12 hungen dennoch von Zeit zu Zeit gelockert worden, sodass es keine Doktrin für Griechenland gab. Dies liegt eben darin begründet, dass Griechenland traditionell außerhalb der engen Wirtschaftsinteressen des deutschen Kapitals stand, weil das Land der britischen und teilweise der französischen Einflusssphäre zugehörte.23 In den 1930er Jahren fand eine wirtschaftspolitische Veränderung in den Beziehungen zwischen Griechenland und Deutschland statt. Beide Volkswirtschaften wurden von den Konsequenzen der Großen Depression hart getroffen. Dies führte zu zunehmender Desintegration der Ökonomien. Die Regierungen griffen zu Notmaßnahmen, die durch die Entfernung vom ökonomischen Liberalismus und die Einführung von protektionistischen Maßnahmen gekennzeichnet wurden. Die Lage der internationalen Beziehungen während der 1930er Jahren bat Deutschland überhaupt neue Möglichkeiten im südosteuropäischen Raum. Wie es während des Krieges der tschechische Ökonom Basch formulierte: „German purchases under the clearing agreements and the overvaluation of the Reichsmark were the instruments used to make the trade of Southeastern Europe dependent upon Germany by detaching it from the worldprice structure and thus forcing it into the German living space.” 24 Die Umsetzung des „Neuen Plans“ von dem Reichswirtschaftsminister Hjalmar Schacht im September 1934 förderte die Intensivierung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Griechenland, hat aber sicherlich nicht das Ausmaß angenommen, das die Clearing-Politik in den Wirtschaftsbeziehungen zwischen dem Deutschen Reich und Jugoslawien, Bulgarien und Rumänien hatte.25 Dort führte sie nämlich zur Bildung eines „informellen deutschen Imperiums im Südosten“26 oder wie Thörner es nennt, die „Degradierung der Länder Südosteuropas auf den Status informeller deutscher Kolonien“.27 Griechenland konnte nicht innerhalb eines informellen Imperiums integriert werden. Mark Mazower stellt die Lage der Wirtschaftsplanung des nationalsozialistischen Regimes in Bezug auf die Umgestaltung Europas kritisch dar: „Falls die Nationalsozialisten überhaupt eine Vision für Europa hatten, gehörte sie in den Bereich der Wirtschaft, nicht in den der Politik. Mit der Idee einer deutschen Monroe-Doktrin war die Vorstellung einer „Großwirtschaftsraum“ verbunden – einer regionalen Wirtschaft mit dem Kerngebiet Deutschland. Die neue Ordnung, bedeutete [für die jungen Technokraten im Reichswirtschaftsministerium] die ökonomische Integration Westeu- 23 Thörner 2008, S.14f. Basch, Antonin, The Danubian Basin and the German Economic Sphere, New York 1943, S. 187 25 Ebd., S. 431ff. 26 Papanastasiou, Nikos, I stratigiki „sinergasia“ Elladas-Germanias 1936-1940 (Die strategische „Zusammenarbeit“ zwischen Griechenland und Deutschland 1936-1940), in: Thanos Veremis (Hsg.), O Metaxas ke i epohi tou (Metaxas und seine Epoche), Athen, S. 222 27 Thörner 2008, S. 435 24 13 ropas. […] Göring [...] sprach von der Notwendigkeit transnationaler Investitionen innerhalb Europas unter der Schirmherrschaft des Dritten Reiches. Andere wiederum blickten auf den Balkan, wo sich die deutsche Wirtschaft während der dreißiger Jahre immer stärker engagiert hatte.“ 28 Es fällt auf, dass sich Mazower von Begriffen wie „Kolonie“ und „deutsches Imperium“ distanziert und neutraler von deutschem Engagement auf dem Balkan spricht. In der sich ständig verändernden politischen, wirtschaftspolitischen und ideologischen Verfassung Europas lassen sich auch für Griechenland Kontinuitäten und Brüche nachzeichnen. Dies bezieht sich auf die dauerhafte Bindung Griechenlands an die britischen geopolitischen und wirtschaftlichen Interessen und Brüche, die mit Schritten zur Annäherung an Deutschland einhergingen, die in der zweiten Hälfte der 1930er von der Metaxas-Regierung gemacht wurden. Ioannis Metaxas genoss als Ministerpräsident und als Diktator von Beginn an die Duldung der Nationalsozialisten. Er galt seit dem Ersten Weltkrieg als Freund der Deutschen, da er dem König Konstantinos II. in der Zeit von ethnikos dihasmos (Spaltung der Nation) 19151917 treu blieb. Dieser hatte Bestrebungen verfolgt, Griechenland im Krieg neutral zu halten, ganz im Gegensatz zu dem liberalen Politiker Eleftherios Venizelos, der den Kriegseintritt Griechenland an der Seite der Entente befürwortete. Die Haltung Konstantins war neutral, was von Großbritannien und Frankreich als loyal gegenüber den Deutschen interpretiert wurde und zu der Invasion von Entente-Truppen in Athen führte, die den König absetzten und Griechenland dazu zwangen, in den Krieg an der Seite der Entente einzutreten. 29 Theo Kordt, der Gesandte Deutschlands im Jahr 1936 in Athen, betonte wiederholt, seit Metaxas Regierungschef genannt werde, und besonders seit dem 4. August 193630, seit er sich mit außerordentlicher Macht bekleidet habe, die „zunehmende emotionale Annäherung Griechenlands und Deutschlands“, welcher der Aufschwung wirtschaftlicher, politischer und ideologischer Beziehungen folgte.31 Freilich stellte der König der Griechen, Georgios II., ein Gegengewicht dar, da er als Vertreter der Anglophilen im Land galt. Die internationale Position Griechenlands wurde komplizierter aufgrund der Tatsache, dass Griechenland der strategischen Bedrohung durch Italien politische und militärische Mittel aufwenden musste. 28 Mazower, Mark, Der dunkle Kontinent, Berlin 2000, S. 222f. Mazower, Mark, Ta valkania (Der Balkan), Athen 2004, S. 193 30 Daher hieß die Diktatur von Metaxas „Regime des 4. August“. 31 Papanastasiou 2009, S. 219 29 14 Italien war zu diesem Zeitpunkt der engste Bündnispartner Deutschlands. Zu diesem Bündnis verkörperte Großbritannien ein Gegengewicht, der Hauptgegner Italiens in dem Mittelmeerraum.32 Die Großmacht um die Engländer entpuppte sich im Verlauf der kriegerischen Ereignisse 1940-41 jedoch als nicht stark genug, um die erfolgreiche Verteidigung der Souveränität Griechenlands zu garantieren. Der Niedergang zeigte dasselbe Muster, das sich bereits in der Tschechoslowakei und Polens abzeichnete. Metaxas war also nicht in der Lage, eine Harmonisierung Griechenlands zwischen den konkurrierenden Mächten England und Deutschland zu schaffen, der König bildete in der Realität immer noch den ausschlaggebenden politischen Faktor im Land.33 Dennoch versuchte er mit einer Politik, die an die Konstantins erinnert, und die er an die Umstände der 1930er anpasste, Griechenland als ein neutrales, friedliches Land in der angespannten internationalen Situation der Politik zu inszenieren. Ioannis Koliopoulos schreibt 1993 über die fehlende Positionierung: „As the lines in Europe began to be drawn, the Greek government increasingly professed a sort of neutralism that convinced neither Italy nor Germany while at the same time it failed to win the support that only an alliance with Britain could secure.”34 Bei Ausbruch des griechisch-italienischen Krieges hatte Metaxas seine Überzeugung, dass England den Krieg gegen Deutschland gewinnen werde, geäußert. Die Ablehnung der deutschen Vermittlung eines Waffenstillstands in Albanien zeigt, dass Metaxas an dieser Überzeugung sich festhielt.35 Den ersten Bereich allerdings für eine deutsch-griechischen Annäherung findet man in der Wirtschaft: Durch die Clearing-Verträge von 1934 verpflichtete sich Griechenland, den Reichsmarkt mit Tabak zu beliefern und das Dritte Reich sollte als Gegenleistung Industrieprodukte liefern, vor allem Waffen und Maschinen, um die griechische Waffenindustrie zu beleben. Die Übernahme der Macht von Metaxas 1936 kam gleichzeitig mit dem Hochpunkt der Verhandlungen über dieses Thema. Der dänische Historiker Mogens Pelt behauptet sogar, dass das Ziel die Verträge mit Deutschland zu schließen, eine wichtige Rolle zur Erklärung der Diktatur am 4.August 1936 in Athen spielte, weil Metaxas auf diesem Weg seine Ziele für das Abkommen durchsetzen konnte und den sozialen Frieden in Griechenland zu bewahren gedachte. Deutschland war der wichtigste Käufer von griechischem Tabak und die Tabakpro32 Koliopoulos, Ioannis, Metaxas and greek foreign relations, in: Roben Higham/Thanos Veremis (Hsg.): Aspects of Greece 1936-40. The Metaxas Dictatorship, Athen 1993, S.88 33 Ebd., S. 90 34 Ebd., S. 86 35 Metaxas, Ioannis, To prosopikó tou imerológio (Private Tagebücher), Athen 1970, Bd. 8, S. 520ff. 15 duktion betraf hauptsächlich in den „national empfindlichen Nord- und Nordostregionen“ 1 Million Menschen.36 Den zweiten Bereich der Annäherung stellte die Gestaltung politischer Institutionen und die Zusammenarbeit der Polizei dar: Dies betraf also die Zusammenarbeit zwischen der Gestapo und der griechischen politischen Polizei. Gegenstand dieser Zusammenarbeit war der antikommunistische Kampf und lief über gegenseitigen Informationen- und Methodenaustausch. Darüber hinaus lieferte das nationalsozialistische Modell dem Metaxas-Regime Formen der Organisation, wie die Jugendorganisation EON (Ethnikí Orgánosis Neolaías) (Nationale Jugendorganisation) und die SA-ähnliche Tágmata Ergasías (Arbeitsbattalionen), wobei letzte von Nikos Papanastasiou als SA-Karrikatur bezeichnet wird.37 In Griechenland gab es aber keine Partei, die mit der NSDAP zu vergleichen wäre. Anders als in Deutschland wurde in der EON keine Geschlechtstrennung vorgenommen, wie das der Fall der Organisationsform der Jugend in den nationalsozialistischen Jugendorganisationen war. Hristos Hatziiosif argumentiert, dass Metaxas überhaupt kein Faschist gewesen sei, sondern ein extrem Konservativer alter Schule.38 Dies bleibt ein Thema der historischen Debatte, da Metaxas sich als Schüler Mussolinis bezeichnete und mitten im Krieg sich selbst, als treu der faschistischen Ideologie erklärt, im Gegensatz zu Hitler und Mussolini die sich als „durstige Imperialisten“ entpuppt hätten.39 Im Bereich der Ideologie kommt die Annäherung schließlich im ausgeprägten Antikommunismus, Antiparlamentarismus und in Parolen wie „Ein König, ein Anführer, ein Staat“ zum Tragen, aber auch das erklärte Ziel des Regimes eine „Trítos Ellinikós Politismós“ (Dritte Griechische Zivilisation) zu gründen. Dabei handelt es sich offenbar um die griechische Adaption des Begriffs „Drittes Reich“. Die MetaxasDiktatur verfolgte die ethnischen Minderheiten, indem sie die öffentliche Verwendung der slawisch-mazedonischen, der rumänischen aber auch der albanischen Sprache in Tsamouriá verbat. Allerdings war ein wichtiger ideologischer Unterschied zwischen den zwei Diktaturen Griechenlands strikte Ablehnung des Antisemitismus.40 36 Pelt 2003, S. 389ff. Papanastasiou 2009, S. 233 38 Hatziiosif, Hristos, Kinovúlio ke diktatoría (Parlament und Diktatur) in: Hatziiosíf, Hristos (Hsg.), Istoría tis Elládas tu 20ou eóna. O Mesopólemos 1922-1940 (Geschichte Griechenlands im 20. Jh. Die Zwischenkriegszeit 1922-1940), Athen 2003, S. 119f. 39 Metaxas, S.552ff. 40 Mavrogordatos, Georgios T., I ethnikés mionótites (Die ethnischen Minderheiten), in: Hatziiosíf, Hristos (Hsg.), Istoría tis Elládas tu 20ou eóna. O Mesopólemos 1922-1940 (Geschichte Griechenlands im 20. Jh. Die Zwischenkriegszeit 1922-1940), Athen 2003, S. 32 37 16 3. Italiens Schritte zum Angriff auf Griechenland 3.1 Die Lage in Europa bei Beginn des griechisch-italienischen Krieges - Eine Skizze. Der 28. Oktober sollte für die Mehrheit der Heeressoldaten der europäischen Armeen, die auf europäischem Boden stationiert waren, friedlich sein. Der Krieg hatte sich seit Juni 1940 durch die Kapitulation Frankreichs und den Kriegseintritt Italiens nach Libyen und Ägypten verschoben, wo die durch Größe überlegenen italienischen Truppen unter der Führung des Generals Rodolfo Graziani gegen die britische Armee unter dem Kommando von General Archibald Wavell um die Eroberung Ägyptens kämpften. Ziel der italienischen Streitkräfte an dieser Front war die Hoheit über den Suez-Kanal. Die deutsche Luftwaffe lieferte sich Luftschlachten mit der Royal Air Force und die FlaKEinheiten der Armeen versuchten die zerstörerischen Missionen der gegnerischen Bomber durch Feuerkraft zu behindern und einzudämmen. Die Briten setzten eine neue Erfindung mit dem Namen Radar (Radio Detection and Ranging) ein, die deutschen Städte erlebten die ersten Vergeltungsbombardierungen der Engländer, welche aber noch nicht das grausame Ausmaß erreicht hatten, das sie zwei Jahre später annahmen. Schon seit September hatte die deutsche Luftwaffe ihren Schwerpunkt von den RAF-Flughäfen und Stützpunkten auf die Städte verlagert. Diese Veränderung der Taktik gilt heute als schwerer strategischer Fehler, da die Kräfte der RAF dadurch von Druck entlastet wurden und ihnen Zeit und Raum verschaffte, um sich zu reorganisieren und effektiv die Inseln zu verteidigen.41 Dennoch war Britannien zu diesem Zeitpunkt an allen Kriegsschauplätzen in der Defensive. Die Inseln waren der Blockade der Reichskriegsmarine ausgesetzt, diese Schlachten wurden hauptsächlich mit U-Booten ausgetragen. Allein die USA waren in der Lage, die alte Weltmacht materiell zu unterstützen. Im Herbst 1940 taten sie die aber nur vereinzelt und unter große Schwierigkeiten wegen der Blockadetaktik der Deutschen. Großbritannien stand allein gegen die Achsenmächte. Die UdSSR, die das kontinentale Europa mit dem unverzichtbaren Treibstoff Erdöl preiswert beliefern konnte, war schon seit dem 23. August 1939 mit Deutschland durch den „Nicht-Angriff-Pakt“ befreundet. Die Unterzeichnung dieses Vertrags bedeutete geopolitisch die Aufteilung Polens zwischen Deutschland und der UdSSR. Die Sowjetunion erhielt durch 41 Petraki, Marina, Bretanikí politikí ke propagánda ston ellinoitaliko polemo (Britische Politik und Propaganda während des griechisch-italiensichen Krieges), Athen 2011, S. 113 17 Annexion zusätzlich die Kontrolle über die baltischen Länder und Bessarabien. Große Teile des Kontinents lagen unter der direkten oder indirekten Kontrolle der Achsenmächte. 42 Im Krieg gewinnt derjenige, der die wenigsten Fehler macht, so lautet eine alte militärische Weisheit. An diesem Punkt des Krieges sah es so aus, als würde Großbritannien als Verlierer aus dem Krieg hervorgehen. Doch Mussolini beging am 15. Oktober 1940 mit einer Verkündung an den italienischen Generälen einen schweren Fehler. Natürlich wusste der Diktator nicht, dass er am Morgen des 28. Oktober 1940 mit dem Befehl, Griechenland militärisch einzunehmen, eine Wendung im Kriegsgeschehen herbeiführen würde.43 3.2 Der Weg Italiens zum Angriff gegen Griechenlands. Das „fait accompli“ Hitlers in Ploiesti. In seinem Buch „Fatefull choices“ zitiert Ian Kershaw den Tagebucheintrag des Grafen Galeazzo Ciano vom 12. Oktober 1940, der als Außenminister Italiens, grande duca di Albania (Großherzog Albaniens. Albanien wurde zum Großherzogtum erklärt, nachdem am 7. April 1939 Italien das Land besetzt hat) und Schwiegersohn Benito Mussolinis über sehr viel Macht verfügte, wie folgt: „Hitler always faces me with a fait accompli. This time I am going to pay him back in his own. He will find out from the papers that I have occupied Greece. In this way the equilibrium will be re-established.“44 Die vollendete Tatsache Hitlers, die der Graf Ciano Mussolini in den Mund legt, war dessen Entsendung deutscher Truppen in die Gegend von Ploiesti in Rumänien. Die Mission betraf anfangs vor allem die Flugabwehreinheiten sowie Teile der Luftwaffen-Division. Schnell wurden aber auch Infanterie- und Panzereinheiten herangezogen. Diese Truppen sollten laut Plan örtliche Erdölfelder und die Raffinerien schützen, aber auch die Zusammenarbeit der deutschen und rumänischen Streitkräfte bei der Umsetzung des großen Plans Hitlers, nämlich den Angriff auf die Sowjetunion, sicherstellen. Diese Truppen 42 Zu der Lage in Europa mit Bezug auf den Mittelmeerraum und Südosteuropa siehe: Schreiber, Gerhard, Die politische und militärische Entwicklung im Mittelmeerraum 1939-1940, in: Schreiber/Stegeman/Vogel, Das Deutsche Reich im zweiten Weltkrieg, Stuttgart 1984, Bd. 3: Der Mittelmeerraum und Südosteuropa. Von der „non belligeranza“ Italiens bis zum Kriegseintritt der Vereinigten Staaten. S. 4-414 43 Der italienische Gesandte in Athen im Zeitraum vom April 1939 bis Ausbruch des griechisch-italienischen Krieges gab seinen Memoiren den deutlichen Titel: „Der Anfang vom Ende“. Grazzi Emanuele, I arhi tou télous. I epihírisi kata tis Elládos (Der Anfang vom Ende. Das Unternehmen gegen Griechenland), Athen 2007 44 Kershaw, Ian, Fatefull choices. Ten decisions that changed the world, 1940-1941, London 2007, S. 129 18 griffen am 6. April 1941 von Rumänien aus, über Bulgarien Jugoslawien und Griechenland an.45 In Ploiesti befanden sich die damals größten, erschlossenen Erdölfelder Europas und war deshalb kriegswichtig. Die Achsenmächte wollten die Belieferung ihrer Truppen und Industrie durch dieses große Erdölvorkommen absichern. Eine Gefahr bezüglich dieses Unterfangens stellte immer noch die RAF dar, falls die britischen Bomber es schafften, von Flughäfen in der Türkei, in Jugolsawien oder in Nordgriechenland aus Angriffe zu unternehmen. Außerdem war die Präsenz der deutschen Truppen als erste Verteidigungsmaßnahme gegen die Rote Armee notwendig, falls diese überraschend Rumänien angreifen sollte. Der Verlust von Ploiesti wäre also fatal für das Machtverhältnis in Europa gewesen.46 Die Verlagerung von Verbänden der Wehrmacht auf rumänischen Boden erfolgte auf bilaterale Verhandlungen zwischen der deutschen und der rumänischen Regierung. Die deutsche Regierung hat der italienischen Regierung also keinerlei Informationen über diese Absichten mitgeteilt. Vogel beschreibt die Ereignisse in Rumänien als belastend für die Beziehung zwischen Hitler und Mussolini: „Obwohl die Bestrebungen Mussolinis und Hitlers im Hinblick auf die Erweiterung des Dreimächtepaktes (Ungarn, Rumänien, die Slowakei und Bulgarien betreffend) parallel liefen, war doch nicht zu verkennen, dass beide Diktatoren gegenüber Jugoslawien und Griechenland unterschiedliche Interessen verfolgten. Wegen dieser Rivalität war Hitler auch geneigt, seinen Bundesgenossen vor vollendete Tatsache zu stellen, sobald es darum ging, Deutschlands Einfluss in Südosteuropa zu verstärken. Als er sich im September 1940 dazu entschloss, die Bitte Rumäniens um Einrichtung einer Militärmission zu entsprechen, geschah dies ohne ausreichende Absprache mit Italien, so dass sich Mussolini durch diese Maßnahme seines Bündnispartners übervorteilt fühlen musste.“47 Die unterschiedlichen Strategien der beiden Diktatoren bedienten unterschiedliche Ziele, da sie egoistisch in Bezug auf die nationalen Interessen ausgerichtet waren. Hitler und das OKW bevorzugten Frieden auf dem Balkan, damit die Briten ihrerseits nicht die Gelegenheit fänden, Truppen und oder Bomber auf dem Balkan zu stationieren und andererseits damit Deutschland seine Streitkräfte gegen die UdSSR konzentrieren konnte. 48 Hier zeichnete sich eine Veränderung in Berlins strategischem Plan ab: Im September 1939 war die Lage umge45 Beevor, Anthony. Stalingrad, London 1998, S. 20 Vogel 1984 : 418f. 47 Ebd. 48 van Creveld, Martin 1974, S. 68f. 46 19 kehrt. Deutschland hatte Polen in der Hoffnung angegriffen, dass die Zerstörung des polnischen Staates nach dem Muster der Auflösung der Tschechoslowakei verlaufen würde. Weiterhin versuchte Hitler Mussolini dazu zu ermutigen, Jugoslawien anzugreifen. Mussolini aber hielt Italien im Status der „Non-belligeranza“ (Nicht-Beteiligung im Krieg). Die Kriegslage im Winter von 1939-1940 ist in Geschichtsbüchern mit dem Namen phoney war versehen. Es herrschte eine seltsame Stille an den Fronten Frankreichs und Großbritanniens auf der einen und den Truppen des Deutschen Reichs auf der anderen Seite. Während des Winters fanden keine Kampfhandlungen auf europäischem Boden zwischen den Gegnern statt. Während der Westen Europas diesen Sitzkrieg erlebte, brach im Nordosten des Kontinents der Winterkrieg zwischen UdSSR und Finnland aus. Es kam zu erbitterten Schlachten zwischen den Truppen eines kleinen Landes und der Sowjet-Großmacht. Die UdSSR erlitt große Verluste wegen des entschlossenen Widerstands der finnischen Armee und konnte am 13. März 1940 mit der Unterzeichnung des Friedensvertrags durch die finnische Abgesandte in Moskau bloß einen kleinen territorialen Gewinn erzielen. Man kann durchaus eine Parallele zwischen diesem Winterkrieg in den Wälder Finnlands und dem Winterkrieg im darauf folgenden Jahr in den Bergen Albaniens ziehen. Ein solcher Vergleich kann aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive ein Forschungsthema sein, das militärische, politische, diplomatische sowie ideologische und propagandistische Aspekte untersucht und zueinander in Beziehung setzt. Da diese Fragen nach Ähnlichkeiten in den Abläufen dieser beiden Feldzüge des zweiten Weltkrieges aber zu weit führen würde, kann diese Arbeit ihnen keinen weiteren Platz haben einräumen.49 An dieser Stelle muss der Fokus wieder zurück auf den Herbst 1940 gelenkt werden. Wie bereits geschildert wurde, unterlagen die Strategien und taktischen Zielsetzungen der beiden Diktatoren Hitler und Mussolini Veränderungen. Solche Veränderungen abliegen allgemein den Generalstäben und der Führung während eines Krieges und sind nicht ungewöhnlich, da der Verlauf eines Krieges zum Teil unvorhersehbar ist und Strategiewechsel auch dazu beitragen, dem Gegner zuvorzukommen. In Bezug auf Mussolini sieht Kershaw, nicht als einziger Wissenschaftler, den psychologischen Faktor als große Schwäche dessen Kriegsführung: 49 Condon, Richard W., Winterkrieg Russland–Finnland, München 1980 20 „However, Mussolini's views changed with his moods. Consistency was not his strong point.“50 Der deutsche Bündnispartner warnte: Als der italienische Außenminister Ciano Hitler am 20. Juli 1940 besuchte, betonte der Führer des Deutschen Reichs, dass die Bewahrung des Friedens auf dem Balkan höchste Priorität bleibe.51 3.3 Die italienische Griechenland-Politik von 1939 bis zum Sommer 1940. In dieser Phase des faschistischen Europas erfuhren die italienisch-griechischen Beziehungen eine kurzweilige Entspannung.52 Griechenland gehörte gemäß der Teilung der Regionen, die die Diktatoren unter sich vereinbart hatten, wie der ganze Ostmittelmeerraum, zum espazio vitale, dem „Lebensraum“ Italiens. Mussolini mit seinen Plänen zur Wiederbelebung eines Imperiums hatte das Mittelmeer zum mare nostrum („unser Meer“) erklärt. Die Zustimmung zu dieser Betrachtung gab auch Adolf Hitler in seinem „Zweiten Buch“. Kershaw argumentiert, dass Mussolini schon seit den 1920ern die Absicht hatte, Jugoslawien und Griechenland in Teilen und ganz zu erobern. Dennoch ging er vor dem Ausbruch des Zeiten Weltkrieges sehr vorsichtig mit seinen Formulierungen bezüglich dieses Themas um: „Any notion of expansion into the Balkans, however attractive the proposition sounded, had to be enruled out for the foreseeable future at least. It was still too risky, particularly given the strong French interests in southeastern Europe.“53 Nach dem diplomatischen Rückzug der Westmächte, welcher der deutschen Entschlossenheit in München folgte, sah sich Mussolini, der bei der Unterzeichnung des Münchener Abkommens eine wichtige Vermittlungsrolle gespielt hatte, nun in der Lage, kriegerisch hervorzukommen. Erneut wählte er unverfängliche, aber sehr bildhafte Formulierungen, die nicht direkt eine Kriegserklärung darstellen, sondern vielmehr die Situation im Mittelmeerraum als Bedrängung von Seiten der englischen und französischen Gegner darstellt: „In a far-reaching speech – an updated version of a long-term vision – to the Fascist Grand Council on 4 February 1939, he envisaged a war with the western powers to attain the Italian version of Lebensraum“. 'Italy is the 50 Kershaw 2007, S. 167 Ebd., S. 166 52 Schreiber 1984, S. 353ff. 53 Kershaw 2007, S. 132 51 21 prisoner of the Mediterranean. […] Break the bars of the prison and march to the ocean. We will find ourselves confronted with Anglo-French opposition'“.54 Die Vermittlerrolle Mussolinis bei der Unterzeichnung des Münchener Abkommens wurde bereits zuvor erwähnt. Mit diesem Abkommen wurde die erste Welle deutscher Expansion vollendet. Am 7 April 1939 war Italien dran, seine erste expansionistische Aktion auf europäischem Boden durchzuführen. An diesem Tag wurde Albaniens König Zog widerstandslos durch einen Putsch die Macht entzogen. Diesen Putsch hat nachweislich Francesco Jacomoni di San Savino, der Gesandte Italiens in der albanischen Hauptstadt Tirana, dirigiert. Das Königreich Albanien wurde nun dem italienischen König Vittorio Emanuele III. übergeben. „König Italiens, der Albaner und Kaiser Abessiniens“ lautete nun der Titel des Herrschers. Albanien wurde zum grande ducato (Großherzogtum) ernannt und Herzog also grande duca wurde der Schwiegersohn Mussolinis Galeazzo Ciano. Jacomoni bekam den Titel des Statthalters zugesprochen. Die Annexion Albaniens sorgte für Unruhe in Athen. Die Griechen, sowohl die Führung als auch die Bevölkerung, wussten, dass ihr Land genauso wie Albanien zu den Zielen der faschistischen Expansionspolitik zählte.55 Am 13 April 1939 gaben Großbritannien und Frankreich bekannt, dass sie die Integrität und Souveränität Griechenlands garantieren. Metaxas, der nicht nur Ministerpräsident sondern auch Außenminister war, sah sich in einer schwierigen außenpolitischen Lage: Er hat dementiert, dass er nach der Erklärung der Garantie der beiden Westmächte gefragt habe, weil er an seine Neutralitätspolitik festhalten wollte. Die beiden Regierungen hätten dieses Versprechen ohne vorherige Beratungen mit der griechischen Regierung ausgesprochen. Athen hätte das Angebot nicht ablehnen können, ohne die Beziehungen zu den beiden traditionellen Verbündeten Griechenlands zu verletzen, so lautete die offizielle Stellungnahme Athens.56 Der Annexion Albaniens folgte jedoch eine Phase der Entspannung in den griechischitalienischen Beziehungen. Grazzi erzählt in seinen Memoiren über die Schritte zu einer griechisch-italienischen „Annäherung“, die ihren Hochpunkt mit dem Besuch des italienischen Bildungsministers Giuseppe Bottai in Athen anlässlich der Eröffnung der italienischen Buch- 54 Kershaw 2007, S.135 Grazzi 2007, S. 18ff. 56 Ebd., S. 20 55 22 messe am 18. Dezember 1939, erreicht hätten.57 Diese Annäherung, die laut Grazzi seit dem Mai 1939 bis zum Ende Juli 1940 dauerte, fand in einer Zeit statt, in der Italien, wie wir schon gesehen haben, den Status eines nicht am Krieg beteiligten Staates aufrecht hielt: „Nonbelligeranza“ einerseits und darüber hinaus in Konkurrenz stehend zu Deutschland in Bezug auf wirtschaftliche Fragen zu der Nützlichkeit Griechenlands. Es ging in den Verhandlungen Griechenlands mit Italien um Aufträge für die Aufrüstung der griechischen Luftwaffe mit Flugzeugen, den Verkauf von Lokomotiven an die griechische Eisenbahn und die Nutzungsrechte eines Nickelvorkommens in Ostgriechenland. Keins dieser Geschäfte wurde verwirklicht, weil Italien am 10. Juni unvorhergesehen in den Krieg eintrat.58 Außerdem hielt Graf Ciano Mitte Dezember 1939 eine Rede vor dem großen faschistischen Rat, in dem er Deutschland vorwarf, sich nicht an die Verpflichtungen als Verbündete, die aus dem „Stahlpakt“ entstanden worden seien, zu halten. Schließlich habe es den Krieg ohne vorherige Beratungen mit Italien angefangen und habe offenkundig vor, die Dodekanes (die italienische Kolonie in der Südostägäis) der Türkei schenken zu wollen, falls die Türkische Republik an der Seite Deutschlands in den Krieg eintreten würde. Ciano habe während dieser Rede auch betont, das italienische Volk sei friedlich und interessiere sich nicht an eine Kriegsbeteiligung.59 Es war aber nicht der Pazifismus der italienischen Bevölkerung und die Vorbehalte der öffentlichen Meinung, welche die Staatsführung dazu anhielten, einen Kriegseintritt vehement abzulehnen. Es war die kalte Logik der Zahlen, die Kapazität der italienischen Produktion und überhaupt die Mängel der italienischen Wirtschaft, die einen Kriegseintritt ausschlossen. Ein Blick auf die Zahlen der Produktion zwei der wichtigsten kriegswichtigen Güter macht deutlich, dass eine Kriegserklärung gegen Britannien und Frankreich sich nur im Bereich der Fantasie bewegen konnte. Die Förderung von Kohle betrug in Italien für das Wirtschaftsjahr 1938-1939 nur 1 Million Tonnen und die Herstellung von Stahl belief sich auf 2,4 Millionen Tonnen. Ein Vergleich mit den deutschen Zahlen für dieselbe Periode, nämlich 186 Millionen Tonnen Kohle und 22,4 Millionen Tonnen Stahl, zeigt, dass es Italien für die Kriegsführung an essentiellen Mitteln fehlte. Der potentielle Gegner Großbritannien hat im selben Zeitraum 57 Grazzi 2007, S. 107 Ebd., S. 102ff. 59 Ebd., S. 109f. 58 23 230 Millionen Tonnen Kohle und 13,4 Millionen Tonnen Stahl produziert. Die macht deutlich, dass Italien seinen Rivalen hoffnungslos unterlegen war.60 F. W. Deakin stellt die vorbereitenden Schritte zur Volldeckung der militärischen Bedürfnissen anhand eines Berichts vom Ende 1939 an Mussolini wie folgt dar: „ According to reports from the Italian Commission of War Production, which reached Mussolini at the end of 1939, Italian industry could begin to meet in full the needs of the three armed services by 1944, and in order to enter the war with sufficient stocks to maintain hostilities for one year only the date would be 1949.” 61 Die Lage hat sich im Mai 1940 drastisch geändert: Nachdem die Wehrmacht innerhalb von einem Monat Dänemark und Norwegen besetzt hatte, ohne dass England und Frankreich den deutschen Truppen erfolgreich Widerstand leisten konnten, kam die Stunde der großen Überraschung. Der Blitzkrieg gegen Frankreich führte zum raschen Zusammenbruch der frankobritischen Verteidigung und Anfang Juni hatte sich die Lage geklärt. Nordfrankreich, Belgien, die Niederlanden und Luxemburg waren militärisch von der Wehrmacht besetzt, die britische Armee konnte sich nahezu in der letzten Minute retten und über den Kanal fliehen. Südfrankreich blieb offiziell unabhängig, stand aber nun unter politischer Kontrolle des Dritten Reichs. 3.4 Die Entscheidung zum Angriff auf Griechenland. Der Sieg Deutschlands in Frankreich führte die Eliten in Italien, wie die von Japan, zu einer raschen Veränderung ihrer Haltung dem Krieg gegenüber: Da Deutschland sicher gewinnen würde, müsste auch Italien seine Truppen in Bewegung setzen. Diese Entscheidung hat Mussolini Ciano am 13. Mai 1940 übermittelt: „Ich brauche ein paar tausende Tote, um mich an den Verhandlungstisch setzten zu können“, soll der Duce gesagt haben. Am nächsten Tag hat er auch den deutschen Botschafter in Rom Hans-Georg von Mackensen darüber informiert. Der König habe diese Entscheidung am 1. Juni akzeptiert, wobei er durchaus erkenne, dass das Volk diese Entwicklung nicht begrüße.62 Italien trat also am 10. Juni durch eine ad hoc Entscheidung in den Krieg ein. Die Kriegserklärung richtete sich gegen Großbritannien und das militärisch von der Wehrmacht besiegte Frankreich. Der Versuch italienischer Truppen die Grenze zu Frankreich in den Alpen zu 60 Kershaw 2007, S. 132 Deakin, F.W., The brutal friendship. Mussolini, Hitler and the fall of Italian Fascism, London 1962, S. 12 62 Kershaw 2007, S. 151ff. 61 24 überqueren, endete in einem beschämenden Fiasko. Deshalb wurde die Vereinbarung des Waffenstillstands heimlich unterschrieben.63 Die Entscheidung für die Invasion der italienischen Divisionen in Griechenland hat Mussolini ohne vorherige Beratung mit seinem Generalstab im Spätsommer 1940 getroffen. Der einzige im Machtapparat des faschistischen Regimes, mit dem Mussolini seine Gedanken zum anstehenden Balkanfeldzug teilte, war sein Vertrauter und zweite Mann im Regime Graf Ciano. Dieser schrieb am 10. August in seinem Tagebuch: „The Duce is considering an 'act of force' because since 1923 he has some accounts to settle, and the Greeks deceive themselves if they think that he has forgotten.“.64 Am 11. August gab Mussolini dem General Pietro Badoglio den Befehl, die Armee für die Aktion auf dem Balkan vorzubereiten. An diesem Tag habe Mussolini seinen Blick auf Griechenland gerichtet. Ciano sei derjenige gewesen, der den Plan Mussolinis unterstützt habe, um seinen persönlichen machtpolitischen Interessen nachzukommen. Badoglio, der Ende Juli 1943 durch einen Putsch der Herrschaft Mussolinis ein Ende setzten sollte, schrieb nach Ende des Krieges in seinen Memoiren: „Der böse Geist des Feldzuges war Ciano. Er betrachtete den Abschnitt Albanien-Griechenland als seiner ausschließlichen Zuständigkeit unterstehend.“65 Kershaw vertritt ebenso die Meinung, dass Ciano auf die Möglichkeit spekuliert habe, durch einen schnellen und leichten Sieg gegen Griechenland, sein Herzogtum territorial zu erweitern.66 Diese Meinung vertritt auch der damalige Gesandte Italiens in Athen Emanuele Grazzi in seinen Memoiren.67 Am 11. August 1940 meldete die italienische Presseagentur „Stefani“, dass der „Freiheitskämpfer der albanischen Minderheit in Ciamuria“, Daut Hoxha, von griechischen Agenten ermordet worden sei und dass sein Kopf in einem Dorf mit Billigung der griechischen Gendarmerie öffentlich ausgestellt worden sei. In den nächsten Tagen erschienen in der italienischen Presse Artikel gegen die Politik der griechischen Regierung gegenüber der muslimischen albanisch sprachigen Minderheit, die im Nordwesten von Epirus lebte. Diese Gegend 63 Kershaw 2007, S. 160 Ebd., S. 164 65 Badoglio, Pietro, Italien im zweiten Weltkrieg, München/Leipzig 1947, S. 44 66 Kershaw 2007, S. 165 67 Grazzi 1980, S. 215 64 25 heißt für Griechen Thesprotía, Ciamuria nennen sie die Italiener und für Albanier heißt sie Çamëria . Die griechische Regierung erwiderte, es habe sich um einen Räuber gehandelt und dass Athen keinerlei Einmischung in seiner Ermordung gehabt habe.68 Am 15. August 1940 kam es zu einem schweren Zwischenfall am Hafen der kykladischen Insel Tinos. Die prächtige Maria-Kirche von Tinos ist ein beliebtes Ziele für griechischorthodoxe Pilger. Traditionell wird dort am 15. August Mariä-Himmelfahrt gefeiert. Der griechische Staat beteiligt sich an den Feierlichkeiten auch dadurch, dass Militärtruppen zu Ehren des hohen Feiertags vor Ort sind. Deshalb lag an diesem Tag das Kriegsschiff Élli im Hafen. Das italienische U-Boot Delfino beschoss es mit Torpedos, das Schiff versank. Dabei wurden Mitglieder der Besatzung getötet, aber auch Zivilisten, die beim Angriffszeitpunkt am Hafen standen.69 Für die griechische Regierung aber auch für die Bevölkerung stand fest, dass es sich bei dem Angriff um eine italienische Provokationstat handelte. Dennoch blieb Metaxas besonnen und hielt offiziell an seiner Politik gegenüber Italien, die auf Entspannung abzielte, fest.70 Die unter die Zensur des Regimes kontrollierte Presse sprach von einem unbekannten U-Boot, das verantwortlich für die Toten sei. Gleichzeitig aber begann die griechische Armee unter strenger Geheimhaltung mit den Vorbereitungen der Mobilisierung aller Truppen für den Fall, dass Italien Griechenland tatsächlich angreifen würde.71 Das Reichsaußenministerium beobachtete die Entwicklung in den griechisch-italienischen Beziehungen. Viktor Prinz zu Erbach-Schönberg, der Gesandte Deutschlands in Athen, hatte schon im Juni Berlin über Metaxas Vorhaben unterrichtet, Griechenland aus dem europäischen Konflikt zu herauszuhalten. Auch über seine Entschlossenheit zum bewaffneten Widerstand gegen jede Macht, die die griechische Neutralität verletzen würde, bestanden keine Unklarheiten. Am 12. Juni 1940 sandte Erbach folgende Fernmeldung bezüglich des Gesprächs zwischen dem griechischen Diktator und dem italienischen Gesandten in Athen: „[Metaxas] bitte um Achtung griechischer Neutralität. Griechenland werde etwaige englische Landung auf Kreta mit Kanonenschüssen begegnen. Zwei Belege für wachsenden griechischen Abwehr- 68 Grazzi 2007, S. 173ff. Rintelen, Enno von, Mussolini als Bündesgenosse. Erinnerungen des deutschen Militärattaché in Rom 19361943, Tübingen/Stuttgart 1951, S. 106 70 Grazzi 1980, S. 206 71 Koliopoulos, Ioannis, I diktatoría tu Metaxá ke o pólemos tu ’40 (Die Metaxas-Diktatur und der Krieg von '40), Thessaloniki 1994, S. 200ff. 69 26 Willen gegen England: ein italienischer Kapitän hat beobachtet, dass griechischer Zerstörer sich gegen englisches Kriegsschiff wandte, dass griechischen Handelsdampfer in Hoheitsgewässern anhalten wollte. Griechische Behörden haben französischen Dampfer „Theophil Gautier“ zu Desarmierung gezwungen. Gez. Erbach“72 Schon am 8. Juli berichtet Dr. Ernst Woermann, Unterstaatssekretär und Leiter der politischen Abteilung des Auswärtigen Amtes, in Berlin von Vorwürfen des Grafen Ciano gegen Griechenland, dass das Land die Neutralität verletzt habe, indem es Hilfe der britischen Kriegsmarine und der RAF erhalten habe, wobei er die Stellungnahme des griechischen Gesandten in Berlin anführte.73 (). Diese Vorwürfe wurden aber von der deutschen Botschaft in Athen als gegenstandslos zurückgewiesen. Diesbezüglich sendete Erbach aus Athen folgendes Telegramm am 15. Juli 1940 nach Berlin: „Dass Vorwürfe Cianos unbegründet, haben mir hiesiger italienischer Gesandter sowie der Militärattaché und der italienischer Marineattaché selbst unaufgefordert erzählt. Dies entspricht auch unseren Informationen. Grazie (sic!) war übrigens zur analogen Erhebung der Vorwürfen nicht angewiesen und hat daher auch Griechen nichts dergleichen geäußert. Griechische Regierung ist wegen italienischen Vorgehens, das bisherige wenigstens äußere Vision Verhandlungen stört, sehr beunruhigt. Gez. Erbach“.74 Kershaw stellt die Linie der Außenpolitik Berlins und die Haltung des Reichsministeriums folgendermaßen dar: „The german Foreign Ministry was, meanwhile, hearing from its representative in Athens […] that Greece would resist all aggression and refuse to be humiliated by Italy, ‘even if that involves the risk of being destroyed.’ and ‘if Italy believes that this is the right moment to realise its territorial claims in relation to Greece, it is mistaken.’ For the Germans, keeping the lid on the simmering tensions in the Balkans was a high priority. [...] Keeping the Russians and the British out of the Balkans was vital to the Germans.”75 Einen Tag nach der Versenkung von Élli, am 16. August 1940, traf der Reichsaußenminister sich mit Dino Alfieri, dem italienischen Botschafter in Berlin. Ribbentrop betonte bei ihrem Gespräch, dass es äußerst notwendig gewesen sei, die Ruhe auf dem Balkan zu bewahren. 72 PAAA, F408/222 728 v.12.06.1940 PAAA, F408/222 741-5 v. 08.07.1940 74 PAAA, F408/222 749 v. 15.07.1940 75 Kershaw 2007, S. 165 73 27 Am nächsten Tag trug Ciano in sein Tagebuch ein, dass eine Aktion gegen Griechenland in Berlin nicht gut gehießen würde. Bei dem erneuerten Treffen zwischen Ribbentrop und Alfieri am 19. August wiederholte Ribbentrop, dass Deutschland wegen der Lage auf dem Balkan weiterhin beunruhigt sei. Die italienischen Streitkräfte bereiteten sich auf die Aufnahme der Offensive in Nordafrika vor. Befehlshaber der militärischen Einheiten in der italienischen Kolonie von Libyen war der General Graziani. Wegen der Schwierigkeiten und des Mangels an Vorbereitung und Material gab Mussolini am 22. August den Befehl, die Vorbereitung in Albanien zu verlangsamen. Die Öffnung einer Front in Nordafrika war eine endgültig getroffene Entscheidung, wohingegen eine Invasion auf dem Balkan immer noch fraglich war. Angesichts des deutschen Widerstands war ein Angriff auf Griechenland eine heikle Sache. Jugoslawien stellte die zweite Option für einen Angriffskrieg dar. Graziani berichtete Ciano, dass eine Offensive in Nordafrika in Richtung Ägypten erst nach zwei- oder dreimonatiger Borbereitung, beginnen könnte. Die Einschätzung des Generals dürfte eine äußerst vorsichtige gewesen sein. Mussolini blieb bei trotzdem bei seinen Gedanken, ein Balkanland zu überfallen. Ciano hat dagegen angefangen Druck auszuüben, um einen Angriff auf Griechenland anzustiften. Jedenfalls empfing der Chef der italienischen Luftwaffe Francesco Pricolo Ende August die Meldung aus dem Oberkommando der italienischen Wehrmacht, dass Griechenland nun wieder außerhalb der Planung steht.76 Trotzdem rückte Mussolini nicht von seinen Plänen für einen Angriff auf Griechenland ab. Das Ergebnis des Feldzugs sollte in der Vorstellung des Duce ein italienischer Triumph werden, der unabhängig davon, ob Deutschland den Feldzug unterstützte, von Sieg gekrönt sein und somit den Balkan als italienische Einflusszone sichern würde. General Badoglio sah die kühnen Pläne des Diktators aber als eine Kopfgeburt, die im krassen Gegensatz zu dem stand, wie er die Lage auf dem Balkan einordnete. Wie der General Quirino Armellini in seinem Tagebuch im Eintrag vom 31. August notierte: „Ciano wants war on Greece to enlarge the boundaries of his grand duchy; Badoglio sees how great mistake it would be to set the Balkans alight and wishes to avoid it; and Duce agrees now with one and now with the other.“77 Badoglio schreibt in seinen Memoiren: 76 77 Kershaw 2007, S. 166 Ebd., S. 167 28 „Erste Ahnung, dass man in diesem Sektor etwas vorhatte, entnahm ich aus einem von Mussolini an mich gerichteten Satz: ‚Wer in diesem Krieg bisher vorwiegend gehandelt hat, ist die Flotte und, in unterstützender Weise, die Luftwaffe. Es wird nötig sein, eine Möglichkeit zu finden, damit auch die Armee ihren Anteil hat.‘“78 Am 19. September besuchte Reichsaußenminister Ribbentrop für drei Tage die italienische Hauptstadt. Die Gründung der Achse Berlin-Tokyo-Rom war abgeschlossen. Ribbentrop stellte die Einschätzung der deutschen Führung dar, dass es nach der erfolgreichen Verteidigung der Insel gegen die britischen Streitkräfte keine Chance auf schnellen Waffenstillstand mit England gebe. Den Krieg solle man als eine langfristige Angelegenheit betrachten. Für Deutschland galt, dass die kommende Phase des Krieges der Eroberung Ägyptens und der Sicherung des Suez-Kanals dienen sollte. Dies könne, kombiniert mit einem möglichen Eintritt Spaniens in den Krieg und dem darauf folgenden Versuch auch den Gibraltar zu erobern, einhergehen. Zweites Ziel war das Miteinbeziehen des französischen Potenzials. Das militärisch besiegte Frankreich verfügte über menschlichen und materiellen militärischen Ressourcen. Deren Aktivierung an der Seite der Achsenmächte würde die Schlagkraft der Achsenmächte verstärken. Alle diese drei Faktoren, nämlich die Kontrolle über Suez und Gibraltar und die Benutzung des französischen militärischen Potenzials würde zu einer Veränderung der Machtbilanz im Mittelmeerraum führen. Diese Veränderung würde die Transporte von und zu den britischen Inseln erheblich erschweren und dadurch die Voraussetzungen zu einer Waffenstillstand oder sogar einer Kapitulation Englands erreichen. Wenn all dies geschafft wäre, stünde der Weg zu einem Angriff auf die Sowjetunion offen. Ribbentrop wiederholte, dass Deutschland für dieses schwierige Unterfangen Ruhe auf dem Balkan brauche, gestand aber zu, dass der Balkan eine italienische Angelegenheit sei. Mussolini erwiderte, er würde keine Aktion unternehmen, wobei er auf Griechenland verwies, indem er es mit Norwegen verglich in Zusammenhang mit der Rolle Englands. Genauso wie Norwegen bis zur Okkupation ein verdeckter Alliierte Englands gewesen sei, stelle auch Griechenland ihr Territorium den Briten zur Verfügung, vor allem seine Hoheitsgewässer und den Luftraum. Ciano äußerte sich ähnlich, indem er prognostizierte, dass Griechenland in absehbarer Zeit auch besetzt werden müsse, wenn auch nicht sofort. Mussolini wollte freilich keine schnelle Beendigung des Krieges im Mittelmeer, bevor nicht die italienische Armee 78 Badoglio 1947, S. 45 29 weite territoriale Gewinne erzielt haben würde. Insofern gab es allem Anschein nach die Grundlage für eine gemeinsame Strategie.79 Am 4. Oktober trafen sich Hitler und Mussolini auf dem Brenner Pass. Die Themen, die besprochen wurden, bezogen sich auf den Mittelmeerraum und die Diskussion war eine Fortsetzung der Beratungen, die Ribbentrop zwei Wochen zuvor in Rom abhielt. Hitler sicherte Mussolini zu, dass Italien zu gegebener Zeit Korsika, Nizza, Tunesien und Dschibuti als Kriegsbeute bekommen würde. Die Wahl der Gebiete darf zur Schlussfolgerung führen, dass es hier noch mal um einen Versuch Hitlers ging, die Italiener von einem Unternehmen auf den Balkan abzulenken. Deutschland agierte jedoch in Bezug auf den Balkan, anders als es sein italienischen Verbündeten geraten hat. Am 10. Oktober informierte Ribbentrop Ciano telefonisch darüber, dass Deutschland dem rumänischen Antrag zur Stationierung deutscher Truppen in Ploiesti nachgegeben habe. Ciano erwiderte, dass Italien gleichfalls Truppen schicken würde. Ribbentrop erinnerte Ciano, dass das Thema schon am 19. September besprochen worden sei. Kershaw kommentiert: „Ciano made no comment. The damage was done.“80 Mussolinis Äußerung gegenüber seinem Schwiegersohn am 12. Oktober 1940 wurde schon am Anfang dieses Kapitels erwähnt. Ciano notierte daraufhin in seinem Tagebuch, dass er froh gestimmt sei und, dass das militärische Unternehmen gegen Griechenland nützlich und leicht sein werde. Mussolini machte sich Sorgen darüber, ob die italienische Resonanz auf die Ereignisse in Rumänien ihn schwächen würde. Mussolini hatte Zweifel, ob in der italienischen Presse die Stationierung deutscher Truppen ebenso positiv aufgenommen würde, wie das in der deutschen Öffentlichkeit der Fall sei. Er vermutete, dass die italienische öffentliche Meinung negativ auf die erneut einseitige militärische Bewegung Deutschlands reagieren würde, was Folgen für seine persönliche Macht nach sich ziehen könnte. Laut Kershaw informierte Mussolini am Tag darauf, am 13. Oktober 1940 den General Mario Roatta darüber, dass Griechenland am 26. Oktober angegriffen werden solle. Badoglio hingegen meint, dass diese Entschei- 79 80 Kershaw 2007, S. 166f. Ebd., S. 169 30 dung erst am 14. Oktober 1940 weitergegeben worden sei.81 Außerdem gab es eine Planänderung, da die Armee nun nicht allein Epirus, sondern ebenso Saloniki und Athen besetzen sollte. General Roatta meldete zurück, dass die notwendigen Vorbereitungen in drei Monaten abgeschlossen sein würden und dass insgesamt zwanzig Divisionen notwendig wären. Nur drei Tage später, am 16. Oktober 1940, wurde Mussolini darüber informiert, dass die Offensive in Nordafrika erst in zwei Monaten anfangen könne.82 Mussolini lud die Heeresführung, Ciano und Jacomoni in Palazzio Venezia in Rom für den 15. Oktober, um 11 Uhr ein. Badolglio erinnerte sich: „Am darauf folgenden Tage (15. Oktober) veranstaltete Mussolini im Palazzo Venezia eine Zusammenkunft. An dieser nahmen teil: Ciano, Jacomoni, General Visconti-Prasca, General Roatta, stellvertretender Generalstabchef der Armee, Admiral Cavagnari, Unterstaatssekretär und Chef des Admiralstabes, und General Pricolo, Unterstaatssekretär und Chef des Generalstabes der Luftwaffe. Major Trombetti, Sachverständiger für Kurzschrift redigierte das Protokoll.“83 Badoglio gab den Inhalt des Gesprächs beim Treffen nach dem Krieg an die Öffentlichkeit weiter. Ciano habe damit begonnen, wie die griechische Regierung auf seine Beschwerden hin Neutralitätsverletzungen bestritten habe. Noch bezeichnender sei es, dass die Griechen die Lage vollkommen anders darstelle, als es den bekannten Tatsachen entspräche. Es habe sich also gezeigt, dass es ihm nicht gelungen sei, die Lage mit diplomatischen Mitteln zu ändern. Er erklärte, die griechische Gesellschaft sei bestechlich, die Politik orientiere sich daher opportunistisch. Er verwies darauf, dass seine Annahme eines raschen Sieges zuverlässig sei. Darauf habe der Statthalter Albaniens [Jacomoni] gesprochen und habe geäußert, dass „alle Patrioten und die gesamten albanischen Truppen von dem Wunsch entbrannt seien, bei dieser sich bietenden Gelegenheit den Epirus zu befreien und dass es mit Mühe gelungen sei, die albanischen Banden innerhalb der Grenzen zu halten.“ Anschließend sprach der Befehlshaber der italienischen Truppen in Albanien, Genaral Sebastiano Visconti-Prasca, und stellte dem hochrangigen Auditorium seinen militärischen Plan dar. Dem zufolge würde er mittels des Alpini-Bataillons die Flanke decken, die nur Schritte von der Pindos-Kette entfernt sei. Besetzung war also das erste Ziel. Wenn er die Stadt Arta 81 Badoglio 1947, S. 45 Kershaw 2007, S. 170f. 83 Badoglio 1947, S. 45f. 82 31 erreicht haben würde, so Prasca laut der Darstellung von Badoglio, müsste er auf dem Seewege die Unterstützung von drei weiteren Divisionen erhalten, und Athen anzugreifen. Badoglio habe es für unerlässlich gehalten, zu erfahren, welche Haltung Bulgarien einnehmen würde, da er wusste, dass an der griechisch-bulgarischen Grenze ein Teil des griechischen Heeres stand. „Würde dieses [Bulgarien] neutral bleiben, könnte der nach Norden angetretene Teil des griechischen Heeres eine schwere Bedrohung für unseren linken Flügel, das heißt in Richtung Koritza, darstellen. Mussolini erklärte, er hätte sofort an König Boris ein persönliches Schreiben gesandt, worin er ihn darauf aufmerksam gemacht habe, wenn Bulgarien einen Zugang zum Ägäischen Meer haben wollte, dann sei dies die günstigste Gelegenheit. Man einigte sich daraufhin, dass das Projekt ViscontiPrasca in Erwartung der Antwort von König Boris vom Generalstab des Heeres gründlich geprüft werden sollte.“84 Eine Analyse des Plans durch den italienischen Generalstab ergab, dass das Projekt nur dann realisierbar wäre, wenn die Voraussetzungen von Ciano und Jacomoni tatsächlich eintreten würden und wenn Bulgarien Griechenland ebenfalls angreifen würde. König Boris von Bulgarien weigerte sich jedoch die bulgarischen Streitkräfte auf geheiß Mussolinis in den Krieg zu führen und behielt sich vor, für sein Königreich den Status der Neutralität aufrecht zu halten. Mussolini sei wütend gewesen, als er Badoglio den Brief vorgelesen habe: „ Herrscher ohne Mut, die nie etwas erreichen! Machen wir das ohne ihn. Prascas Marsch wird derartig rasch sein, dass er die griechischen Kräfte im Norden nach Athen ziehen wird, wenn sie sich nicht einfach auflösen und jeder nach Hause geht.“85 3.5 Fazit Benito Mussolini traf im Sommer 1940 die Entscheidung, Griechenland anzugreifen, da er unter dem Druck stand, es den militärischen und außenpolitischen Erfolgen, die die Nazis seit 1938 erzielt hatten, gleichzutun. Die Führung Italiens vermutete sicherlich mit einiger Sicherheit, dass Griechenland langfristig wieder an die Seite Englands rücken würde. Auch Koliopoulos hält dies in seiner Forschung zur griechischen Außenpolitik für diese Jahre fest. 84 85 Badoglio 1947, S. 46 Ebd., S. 47 32 Rom sah sich aber auch in konkurrierender Stellung zu Berlin und beging den Fehler, die militärischen Unternehmungen in Epirus schließlich trotz der davon abratenden Tatsachen durchzuführen. Diese Aktion ignorierte sowohl die wiederholten Warnungen des deutschen Regimes, dass eine zweite Front auf dem Balkan nicht kurzfristig eröffnet werden sollte, als auch die mangelhafte Vorbereitung und Ausstattung der italienischen Streitkräfte, die von der entsprechenden italienischen militärischen Behörden aufgezeigt worden waren. Das Reichsaußenministerium hatte die Absicht ausgedrückt, den Balkan vorerst in seinem Status Quo zu belassen, so dass die Verlagerung von deutschen Heeres- und Luftwaffentruppen zu den rumänischen Erdölfelder von Ploiesti es zuließ, als Verteidigungsmaßnahme gewertet zu werden kann und nicht als Vorbereitung einer offensive Aktion. Diese Entwicklung wurde von Mussolini als eine deutsche Provokation aufgefasst, der er unbedingt eine Gegenmaßnahme entgegensetzen wollte. Er ergab sich der Hoffnung, dass die griechische Armee sich unter dem psychologischen Druck der italienischen technologischen Überlegenheit rasch auflösen würde. Im folgenden Kapitel wird untersucht, wie sich die Apparate deutscher Außenpolitik auf den unerwarteten Verlauf des Krieges reagierten und wie einerseits die ersten Vorbereitungen zum Balkanfeldzug in Gang gesetzt wurden, andererseits aber wie die Niederlage, die die Italiener erlitt, die Idee einer deutschen Vermittlung zwischen den zwei Kriegsparteien schuf. Diese war Ausdruck der Kontinuität deutscher Außenpolitik im Südosteuropa. Der Versuch der Friedensvermittlung begann nach einem Signal Hitlers Anfang Dezember 194186 und wurde nach der Ablehnung der Verhandlungen von griechischer Seite beendet. 86 ADAP, XI, 2, Dok. 395 v. 5. Dez. 1940, S.596, Anm. 4 33 4. Deutsche Außenpolitik in Bezug auf den griechisch-italienischen Konflikt vom 28. Oktober bis zum 5. Dezember 1940. Gegen 02.50 Uhr des 28. Oktober 1940 kam der italienische Gesandte Emanuele Grazzi, begleitet von dem Militärattaché der Gesandtschaft Obristen Mondini und einem Übersetzer in einem Vorort von Athen an, wo das Privathaus des griechischen Diktators stand. Der Unteroffizier der Gendarmerie Travlos, der Wache stand, klingelte und nach wenigen Minuten wurde Grazzi von Metaxas empfangen. Grazzi übergab dem griechischen Ministerpräsident das Ultimatum: Griechenland müsse um 06.00 Uhr den italienischen Truppen erlauben, die albanisch-griechische Grenze zu überqueren, damit sie strategische Punkte auf griechischen Territorium besetzen könnten. Da Griechenland wiederholt die Neutralität verletzt und damit italienische Interessen verletzt habe, sei dies die Konsequenz. Metaxas erwiderte mit dem Ausspruch „alors c’ est la guerre“.(Dies bedeutet Krieg!). „Nein, Sie können Ihren Truppen befehlen, keinen Widerstand zu leisten“, antwortete Grazzi. „Vous voyez, c’ est impossible“ (Sie sehen es, es ist unmöglich), waren die Worten von Metaxas, der den italienischen Gesandten zum Ausgang begleitete. „Vous etes les plus forts“ (Ihr seid stärker), sagte schließlich Metaxas.87 Eine Entwicklung wie in Dänemark, dessen König wenige Monate davor widerstandslos vor der Wehrmacht den kapituliert hatte, war damit ausgeschlossen. Nun erwartete die italienische Führung die reibungslose Aufführung eines „norwegischen“ Szenarios, das einen schnellen Zusammenbruch der griechischen Armee vorhersah, vielleicht auch geringe Auseinandersetzungen mit britischen Hilfskräften. Der Verlauf der Emergenza G, wie das Unternehmen vom italienischen Generalstab genannt worden war, hat aber sich anders entwickelt. 4.1 Die erste Phase des Krieges (28.Oktober – 13. November 1940)88 Zu der ersten Phase des Krieges gehören der italienische Angriff und das Eindringen der italienischen Divisionen auf griechischen Boden und die damit verbundenen Kämpfe. Ebenso ist das Anhalten der italienischen Offensive durch den griechischen Widerstand, die griechische Generalmobilisierung Teil der ersten Phase des Konflikts. Und schließlich wird auch der 87 Grazzi 2007, S. 284 Zu den militärischen Entwicklungen wurde beim Verfassen dieses Kapitels hauptsächlich als Quelle verwendet: Schreiber 1984, Mussolinis Überfall auf Griechenland, in: Schreiber/Stegeman/Vogel, Das Deutsche Reich im zweiten Weltkrieg, Stuttgart 1984, Bd. 3: Der Mittelmeerraum und Südosteuropa. Von der „non belligeranza“ Italiens bis zum Kriegseintritt der Vereinigten Staaten, vor allem die Seiten 385-414. 88 34 Transport der Truppen an die Front in dieser Phase angesiedelt, wofür Bulgariens neutrale Positionierung entscheidend war, da dadurch griechischen Einheiten frei waren und als wertvolle Reserve für die kämpfenden griechischen Verbände an die albanischen Front geschickt werden konnten. Dieser Zeitabschnitt endet am 13. November und da an diesem Tag das Ende der defensiven Operationen auf griechischer Seite anstand, um am darauf folgenden Tag als offensive Unternehmungen fortgeführt zu werden. Die italienischen Kräfte waren in vier Teile geordnet: Die Verbände der Epirus-Abteilung, die Infanterie-Divisionen Siena und Ferrara, welche die Offensive an den südlichen Flügel der Front durchführten. Ziel dieser Divisionen war, die Küste und die Stadt von Ioánnina zu erobern, damit anschließend die Hafenstadt Préveza und die strategisch wichtige Stadt Árta unter ihre Kontrolle gebracht werden. Der Plan sah vor, dass Teile dieser Einheiten von Árta aus südlich ganz Westgriechenland sichern sollten während der Rest des Heeres in Richtung Osten nach Athen marschieren würde. Der Abteilung gehörten auch die Kräfte der Panzerdivision Centauri und die Regimenter Milano und Aosta und das 3. Grenadieren-Regiment. Die zweite Abteilung war auch offensiv aufgestellt mit dem Ziel, den nördlichen Teil der Píndos-Gebirge bis zum Knotenpunkt von Métsovo zu erobern, damit der griechische Nachschub blockiert würde. Die Organisation des griechische Nachschubs erfolgte mit der Eisenbahn bis zur Stadt Kalambáka und von dort aus ging es mit Lastkraftwagen und Maultiere bis Métsovo. Ab Métsovo waren wegen der fehlenden von Straßen die motorisierten Transportmöglichkeiten Richtung Pindos erschöpft. Diese Abteilung, die der Mitte der Front zugeordnet war, bestand aus den Kräften der Alpinisten-Division Julia. Die dritte Abteilung war der nördliche Flügel, der die Aufgabe hatte, sich defensiv zu stellen, damit die Griechen nicht über die Stadt Korce den linken Flügel der italienischen Kräften angreifen könnten. Ihn bildete die Infanterie-Division Parma. Nördlich dieses Bereichs nahmen Verteidigungspositionen Teile der Infanterie-Division Venezia und die InfanterieDivision Piemonte ihren Platz ein, um sich einer eventuellen Intervention durch jugoslawische Streitkräfte zugunsten Griechenlands, entgegenzustellen. Insgesamt belief sich die Zahl italienischer militärischer Kräfte an der Epirus-Front auf 55.000 Mann, zuzüglich der Reserven an der ganzen Front insgesamt 140.000 Mann. Die Reserven sollten im Verlauf der Kämpfe eine große Rolle spielen. In der ersten, und entscheidenden Phase des Krieges, trug die Verfassung des italienischen Heeres maßgeblich zum Ent35 gleiten der Kontrolle über die Mission bei, da erhebliche Teile der Streitkräfte entweder noch nicht voll gebildet waren oder sich noch in Italien befanden. Der Transport wurde vom Wetter erschwert, da es schon seit dem 26. Oktober schwere Gewitter und starken Wind gab. Der Wind hat den Plan der Landung auf der Insel Korfu vereitelt. Der Dauerregen hatte wiederum die Straßen und Wege in Richtung der Grenze unpassierbar gemacht. Dasselbe galt für die Wege auf griechischem Territorium. Von befestigten Straßen kann kaum die Rede sein, da es bis auf drei keine ausgebauten Straßen gab.89 Den italienischen Kräften standen folgende griechische Einheiten gegenüber: Die 8. Infanterie-Division an der Epirus-Front mit ihrer Reserve, der 3. Infanterie-Brigade. Den Alpinisten der Julia-Division stand der Pindos-Teil der 1. Infanteriedivision gegenüber. Den nördlichen Flügel hatte die 9. Infanterie-Division übernommen und damit auch die Sicherung der Pässe von Koritza. Diese verband die albanische Stadt mit den griechischen Städten Kastoriá und Flórina, wo auch die griechische Eisenbahnlinie endete, und die daher von strategisch von großer Bedeutung war. Als Reserve standen die 4. Infanterie-Brigade, aber auch hinter diesen zwei Einheiten, große Teile der 10. und 11. Infanterie-Divisionen bereit. Der Angriff begann um 5.30 Uhr morgens, noch eine halbe Stunde vor dem Ablauf des Ultimatums. Die italienische Armee operierte mit 55.000 Mann, 316 Geschütze und 163 Panzer. Dagegen kämpften an diesem ersten Tag 35.000 griechische Soldaten und Offiziere mit 40,5 Artillerie-Batterien und ohne Panzer. Die griechischen Streitkräfte hatten aber vier Vorteile: 1. Sie waren in der Defensive, was taktisch an sich vorteilhaft ist, 2. Bei dem Angriff fehlte das Element der Überraschung, da die griechische Führung einen Angriff erwartet hatte90 3. Sie verfügten über zahlreiche Gebirgsgeschütze aus französischer Produktion. Mit dieser für 10,5-cm Granaten als Munition ausgelegten Waffe konnte die griechische Gebirgsartillerie „die beste im europäischen Raum“, auftrumpfen.91 4. Zudem waren die Griechen den Italienern aufgrund der Anzahl der Maschinengewehre deutlich überlegen92 und verfügten über ein System von 290 Maschinengewehrnesten, die ein Durchkommen durch die engen Gebirgspässe erheblich erschwerten, wenn nicht sogar unmöglich machten. 89 Schreiber 1984, S. 398ff. Ebd., S. 401 91 Linardatos 1995, S. 31 92 Schreiber 1984, S. 391 90 36 4.2 Die außenpolitischen Reaktionen von deutscher Seite Am 24. Oktober informierte der deutsche Luftwaffe-Attaché in Rom, General Maximilian Ritter von Pohl den deutschen Botschafter in Rom, Hans Georg von Mackensen, dass ein italienischer Angriff auf Griechenland unmittelbar bevorstehe. Dies bestätigten laut Mackensen auch andere zuverlässige Quellen. Italien hielt das Vorgehen vor den deutschen Behörden geheim.93 Am selben Tag berichtete Viktor Prinz zu Erbach-Schönberg, der deutscher Gesandte in Athen, von seinem Gespräch mit Nikolaos Mavroudis, dem griechischen Staatssekretär des Außenministeriums, der den Außenminister Metaxas vertrat. „[Mavroudis] gab keine gesteigerte Beunruhigung gegenüber italienischer Bedrohung zu erkennen. Italienische Truppenansammlung in Albanien stelle allerdings eine stete Bedrohung dar. Erstmals äußerte Mavroudis, Griechenland würde Verlangen, im Rahmen Vorgehens gegen Ägypten Stützpunkte zu gewinnen, allenfalls Verständnis entgegenbringen. Gegen den italienischen Angriff mit dem Ziel Eroberung griechischen Bodens würde sich Griechenland jedenfalls wehren. Nutzte Gelegenheit, um mit äußersten Nachdruck Griechen Revision ihrer abwartenden Haltung, die sie um letzte Chancen bringt, anzuraten.“ 94 Es geht hier, anscheinend, um eine Revision der pro-britischen Haltung der griechischen Regierung, die die Chance für eine veränderte Politik der Achsenmächte für Griechenland und daher ein Heraushalten aus dem europäischen Krieg seitens Griechenlands als Ergebnis mit sich bringen könnte. Die deutsche Diplomatie versuchte schon seit langem, die griechische Führung zu einem Kurswechsel zu überzeugen, wie z.B. Erbach während seines Gesprächs mit Metaxas am 13. August 1940 in Athen.95 Auch in Jugoslawien betrachtete die Regierung die Ansammlung von Truppen in Südalbanien mit Beunruhigung. Der deutsche Botschafter in Belgrad, Viktor von Heeren, berichtete von einem Gespräch mit dem jugoslawischen Außenminister Cincar-Markovic. Der italienische Gesandte habe am 24. Oktober dem jugoslawischen Außenminister im Auftrage des italienischen Außenministers Ciano eine Erklärung abgegeben, wonach die italienische Truppenkonzentration in Albanien in keiner Weise gegen Jugoslawien, sondern ausschließlich gegen Griechenland gerichtet sei, dessen politische Haltung endgültig geklärt werden müsse. 93 ADAP, XI, 2, Dok. 225 v. 24.10.1940, S. 325f. ADAP, XI, 1, Dok. 226 v. 24.10.1940, S. 326 95 PAAA, 408/222 764 – 766 v. 15.08.1940 94 37 Cincar-Markovic habe sich beim italienischen Gesandten für die Erklärung gedankt, aber gleichzeitig die Hoffnung und Überzeugung zum Ausdruck gebracht, dass sich die italienischgriechischen Meinungsverschiedenheiten auf friedlichem Wege bereinigen lassen werden.96 Am Tag darauf gab Weizsäcker aus Berlin dem deutschen Gesandten in Athen telegrafisch die Weisung, in Gesprächen und besonders bei Ratschlägen, die das griechisch-italienische Verhältnis beträfen, größte Zurückhaltung zu üben.97 Schließlich, am 27. Oktober, um 22.50 Uhr, informierte Otto II. von Bismarck, der Gesndtschaftsrat in der deutschen Botschaft in Rom und Stellvertreter des Botschafters, seinen Vorgesetzen Ribbentrop, dass die italienische Invasion in Griechenland bevorstehe.98 Hitler erfuhr vom Ausbruch des Krieges nicht aus der Zeitung, wie Mussolini es sich ausgemalt hatte, sondern aus einem Brief von Mussolini selbst am 25. Oktober 1940. Diesen erhielt er nachdem er in den Tage zuvor Treffen mit dem französischen Ministerpräsident Pierre Laval (22. Oktober), mit dem spanischen Diktator General Francisco Franco (23.Oktober) und dem General Petain in Belgien abhielt, wo er zuletzt stationierte deutsche Truppen besucht hatte. Er befand sich also auf dem Weg zurück nach Berlin.99 Auf die Nachricht hin sei Hitler zutiefst erbost gewesen.100 Es ist völlig unklar, warum er trotzdem nicht politisch reagierte. Er hätte versuchen können, seinen italienischen Verbündeten von der Durchführung der Emergenza G abzuhalten, da, wie bereits erörtert wurde, eine Ausdehnung des Krieges in Südosteuropa nicht erwünscht war. Eine Erklärung bietet sich an, wenn man den Schwerpunkt deutscher Interessen in den Fokus rückt: Die Erdölfelder und Raffinerien von Ploiesti waren soweit geschützt und Hitler glaubte wohl, die Briten stünden bereits unter hohem Druck in Nordafrika, so dass sie nicht in der Lage sein würden, eine neue Front im Südbalkan zu öffnen. Deswegen war seine einzige Bemerkung zu dem Thema beim Treffen mit Mussolini am 28. Oktober 1940 in Palazzio Vecchi in Florenz, dass, falls notwendig, Deutschland bereit wäre, Kreta von Nordafrika aus mit Fallschirmjäger und Luftlandetruppen - jeweils mit einer Division - gegen einen englischen Besatzungsversuch zu sichern.101 96 ADAP XI, 1, Dok. 229 v. 25.10.1940, S.334 ADAP XI, 1, Dok. 237 v. 26.10.1940, S. 342 98 ADAP XI, 1, Dok. 242 v. 27.10.1940, S. 345f. 99 van Creveld, Martin, 25 October 1940: A Historical Puzzle, Journal of Contemporary History, Vol. 6, No. 3, Jul. 1971, S. 94ff. 100 Schmidt, Paul, Statist auf diplomatischer Bühne.1923-1945, Bonn 1953, S.505 101 ADAP XI, 1, Dok. 246 v. 28.10.1940, S. 348ff. 97 38 Am 28. Oktober besuchte der griechische Gesandte in Berlin Alexandros Rizos-Rangavis den Staatssekretär Weizsäcker und übergab ihm die offizielle Statement der griechischen Regierung, das die Kriegserklärung seitens Italiens darstellte. Weizsäcker bemerkte, das Wort „Krieg“ sei in diesem Fall nicht zutreffend, da Italien Griechenland nicht offiziell einen Krieg erklärt habe. Weizsäcker leitete das Dokument an seinen Vorgesetzten Ribbentrop weiter.102 Während die griechischen Truppen sich an der Epirus-Front größtenteils taktisch geordnet zurückzogen, um die vom Plan vorgesehenen Verteidigungspositionen einzunehmen, fanden in Athen im Rahmen der Generalmobilisierung spontan anti-italienische Demonstrationen mit mehreren Tausend Teilnehmern statt. Diese Szenen drückten Entschlossenheit im Kampf gegen die Invasoren aus. Unterdessen drangen die Elitesoldaten der Alpinisten-Division Julia tief in Richtung Métsovo vor, nämlich an den nördlichsten Flügel der Front. Metaxas beschreibt in seinem Tagebuch die Eindrücke, die sich ihm an der Seite des Königs boten, als sie sich in den Straßen Athens zeigten, um zur Moralisierung hinsichtlich der Mobilisierung beizutragen, mit folgenden Worten: Der „Fanatismus des Volkes“ sei unvorstellbar.103 Die Mobilmachung verlief nach Plan, bis Mitte November stellten sich 300.000 Mann der griechischen Armee zur Verfügung. Die sicherte den Verteidigern eine gewisse Überlegenheit. Aus Rom meldete der deutsche Militärattaché Enno von Rintelen in seinem Bericht an das Auswärtige Amt am Tag des Ausbruchs des Krieges die Bemerkung, dass: „…die italienische Überlegenheit nicht so groß sein [dürfte], dass bei einem ernsthaften Widerstand der Griechen mit einem schnellen italienischen Erfolge gerechnet werden kann.“ 104 Am nächsten Tag traf Dr. Ernst Woermann, der Unterstaatssekretär und Leiter der Politischen Abetielung im Auswärtigen Amt, mit dem jugoslawischen Gesandten in Berlin Ivo Andric. Bei dieser Unterredung schob Woermann die Schuld für den Krieg zwar dem „griechischen Verhalten“ zu, versicherte dem Gesandten aber gleichzeitig , dass Deutschland an den Frieden in der Region interessiert sei.105 Während dessen sammelte der Apparat des deutschen Außenministeriums weitere Informationen, um die Haltung der Anrainerländer Griechenlands einschätzen zu können. So berichtete der Botschafter des Reichs in Ankara Franz von Papen, dass die Türkei sich aus grie102 PAAA, F409/222 830-1 v. 28.10.1940 Metaxas 1970, S. 516 104 PAAA, F409/222 842 v. 28.10.1940 105 PAAA, F409/ 222 850 v. 29.10.1940 103 39 chisch-italienischem Konflikt fernhalten wolle.106 Da die Türkei im Rahmen des BalkanPaktes verpflichtet war, Griechenland im Falle eines bulgarischen Angriffs beizustehen hätte müssen, beobachtete die türkische Republik genau, wie sich die bulgarische Führung nun verhielt. Die Türkei hatte nicht vor, in den Krieg einzutreten, deshalb informierte Weizsäcker am 29.Oktober Ribbentrop, dass laut Äußerung des türkischen Gesandten gegenüber seinem bulgarischen Kollegen in Berlin die Türkei nicht intervenieren würde, wenn Bulgarien an seiner Haltung festhielte.107 Tatsächlich hielt sich Bulgarien bis April 1941 aus dem Krieg heraus. Am 1. November traf sich der türkische Botschafter in Berlin Hüsrev Gerede mit dem Staatssekretär Weizsäcker. Gerede drückte eine anti-britische Gesinnung aus und übte indirekt Kritik am Agieren Italiens, da er schlussfolgerte, dass England sich über diese Öffnung einer neuen Wunde am europäischen Körper freue, womit er den griechisch-italienischen Konflikt meinte. Deutschland dagegen habe jedoch den Balkan verschonen wollen. Er stimmte der Meinung Weizsäckers zu, dass die Übermacht Italiens gegen Griechenland bald zum Tragen käme, und sprach die Hoffnung aus, dass Deutschland den Italienern nicht über Bulgarien zu Hilfe kommen müsse. Weizsäcker tat seine Einschätzung kund, dieser Krieg würde militärisch und politisch isoliert belieben und sich nicht ausbreiten.108 Ab dem 3. November wurde zunehmend deutlich, dass die italienische Offensive nicht fortkam, und dass die griechische Armee dabei war, sich erfolgreich gegen die Invasion zu wehren. An vielen Stellen der Front konnten die Griechen die Italiener zum Rückzug zwingen. Herbert von Richthofen, der deutsche Botschafter in der bulgarischen Hauptstadt Sofia, telegrafierte in Mitternacht des 6. zum 7. November an Berlin, um von seinem Gespräch mit dem bulgarischen Außenminister Ivan Vladimir Popof zu berichten: „[…]wächst in amtlichen bulgarischen Kreisen Unbehagen über Nicht-Vorwärtskommen italienischer Offensive, während man beim Volk schon von Empörung und Verachtung sprechen kann. Nach Drahtbericht des bulgarischen Gesandten Athen bleibt Metaxas zu Widerstand entschlossen, obwohl bisher von englischer Hilfe nichts zu spüren. […] Nach Meldung des bulgarischen Gesandten aus London vom 5. November fordern dortige politische Kreise schnelle und große Aktionen in Griechenland, insbesondere auf Kreta.“ 109 Dieses Telegramm wirft Fragen auf: Warum empörten sich Teile der bulgarischen öffentlichen Meinung und der Bevölkerung? Das Unbehagen der amtlichen Kreise ist leicht zu ver106 ADAP XI, 1, Dok. 247 v. 28.10.1940, S. 357f. PAAA, F409/ 222 859 v. 29.10.1940 108 PAAA, F409/222 877 v. 01.11.1940 109 PAAA, F409/222 892 v. 7.11.1940 107 40 stehen, da ein Zusammenbruch der griechischen Armee unter Umständen den Weg zur Expansion Bulgariens ermöglichen könnte. Was unklar bleibt, ist, was diese Empörung auslöste, von der der bulgarische Außenminister dem deutschen Botschafter berichtete. Lag sie darin begründet, dass die Italiener nicht in der Lage waren, den Weg Bulgariens zur Ägäis zu öffnen, oder darin dass die italienische Aggression Krieg auf die balkanische Halbinsel brachte und die Gefahr eines kriegerischen Abenteuers der bulgarischen Nation mit sich brachte? 4.3 Die politische Entwicklungen bis zum 5. Dezember 1940 Der November 1940 war eine Zeit der Krise für die italienische militärische und politische Führung. Die erste ernsthafte Krise des faschistischen Regimes kann kaum besser geschildert werden, als durch die Zeilen des allgemeinen Berichts, den Enno von Rintelen und der Fürst Bismarck am 12. November aus Rom an den Generalstab des Heeres und das Oberste Kommando der Wehrmacht sendeten: „Aus verschiedenen vertraulichen Quellen ergibt sich folgendes Bild: Die Kriegseröffnung gegen Griechenland kam für die italienische Öffentlichkeit trotz der Presse-Propaganda überraschend. Man erwartete also in allen Kreisen der Bevölkerung einen kurzen erfolgreichen Feldzug gegen die als minderwertig angesehenen Griechen. Dass nunmehr nach 14 Tagen fast nichts erreicht ist, ruft scharfe Kritik hervor. Der bisherige Verlauf der Operationen kann nicht mehr ausreichend mit dem allerdings katastrophalen Wetter erklärt werden. Die italienische Kritik hebt folgende Punkte hervor. 1. Die Operationen wurden mit Streitkräften begonnen, die numerisch den griechischen unterlegen und für das weglose Gebirgsgelände technisch nicht ausgerüstet waren. 2. Die griechischen Verteidigungsstellen sind unterschätzt worden. […] 3. Die Schwierigkeiten des Geländes und der Bodenbeschaffenheit sind nicht beachtet worden […] 4. Epirus ist für den Einmarsch aus politischen Gründen gewählt worden, da in diesem von Albanen [sic] bewohnten Gebiet nach den Versprechungen des Statthalters Jacomini [sic, gemeint ist Jacomoni] Rebellion gegen griechische Herrschaft erwartet wurde, die die griechische Verteidigung von innen heraus zusammenbrechen lassen sollte. Die wenigen Versuche in diese Richtung sind aber fehlgeschlagen. 5. Es wird als Fehler angesehen, dass nicht sofort Korfu und Kephalonia besetzt worden sind. Die Besetzung von Korfu wurde bei dem schweren Seegang in den ersten Tagen nicht durchgeführt, da das Risiko eines ernsten Ausfalls bei der Kriegsmarine im Hinblick auf andere Aufgaben im Mittelmeer nicht in Kauf genommen werden sollte. Man hofft nun, die Jonischen [sic] Inseln nach Erfolgen auf dem Festland in die Hand zu bekommen. In Bezug auf Kreta bestehen keine Pläne. 6. Marschall Badoglio hat sich gegen die Durchführung des Vormarsches in dieser Form erfolglos gewehrt. […] Missstimmung und Minderwertigkeitsgefühle sind nunmehr allgemein. Mussolini stellt sich dieser Stimmung entgegen mit der Versicherung, dass ‚alles‘ gut ausgehen werde. Er hat neue Führung und Verstärkung an Divisionen und Fliegerverbänden angeordnet. Man hofft, in etwa 10 Tagen die Offensive wiederaufnehmen zu kön- 41 nen, ebenso wie auch Graziani Ende November seinen Vormarsch in Ägypten fortsetzen soll. Gez. Rintelen. Bismarck.“110 Der Bericht, den die Vorgesetzten der militärischen Abteilung der deutschen Botschaft in Rom verfassten, bezeichnete eine Krise auf den Führungsebenen Italiens. Tatsächlich wurde der Oberkommandeur der italienischen Streitkräfte General Sebastian Visconti-Prasca am 9. November durch den General Ubaldo Soddu auf Befehl Mussolinis abgelöst. Ende November spitzte sich die Krise zu: Pietro Badoglio trat zurück, der Rücktrittsgesuch wurde nach Rücksprache mit dem König von Mussolini akzeptiert. Neuer Chef des Generalstabs wurde Marschall Ugo Cavallero, den man auch „General-Geschäftsmann“ nannte, weil er sich darauf verstand, Geschäfte zu machen, indem er sein Amt ausnutzte.111 Die Krise würde wegen der sich anhäufenden Niederlagen noch weiter um sich greifen. Giuseppe Bottai konstatierte später, dass in diesen Tagen in Rom ein Coup d’ Etat stattgefunden habe und Grandi beschrieb sich nach dem Krieg, dass man an der albanischen Front begann Pläne für den Sturz Mussolinis zu schmieden.112 Als es in Rom zur Krise kam, von der nun auch die deutschen Verbündeten erfuhren, verliefen die Kämpfe an der Front für das Imperium Mussolinis immer schlechter: Beide Gegner verfügten noch über jeweils 250.000 Mann und es hatte sich schon herausgestellt, dass die Motorisierung auf italienischer Seite nur sehr begrenzt von Nutzen war. Die Orte, an denen die Front verlief, zeichneten sich dadurch aus, dass sie nur schwer passierbar waren. Der Transport mit Wagen konnte nur bis zu einem gewissen Punkt erfolgen. Mit dieser Problematik sahen sich auch die Griechen, die auf die Eisenbahn angewiesen waren, konfrontiert. Von diesen Verkehrspunkten aus wurde der Transport mit Maultiere fortgesetzt, es war ein schwieriges Unterfangen, die Einheiten an der Front zu versorgen. Auch die Versorgung der Tiere mit Futter wurde zum erheblichen Problem. Für die Griechen, deren Land nicht über eine ausreichende Produktion an Getreide verfügte, gab es nicht die Möglichkeit, sich von dem europäischen Hinterland beliefern zu lassen. In diesem Punkt waren die Italiener klar im Vorteil. Aus diesem Grund telegrafierte der britische Botschafter in Athen Michael Palairet an das Foreign Office in London mit der Bitte um Vermittlung, damit der griechischen Armee 40.000 Tonnen Gerste aus irakischer Produktion geliefert wer110 PAAA F410/ 222 902-3 v. 12.11.1940 Linardatos 1995, S. 41 112 Deakin 1964, S. 47 111 42 den.113 Des Weiteren vermittelte die britische Botschaft, um Griechenland Kohle aus Indien und Erdöl von der Gesellschaft Shell geliefert bekam. In Bezug auf Getreidelieferungen informierte der Handelssekretär der Botschaft das Marineattaché, dass bereits 100.000 Tonnen Weizen aus Russland geliefert und weitere 200.000 Tonnen aus Australien verschifft worden seien.114 Die britische Beteiligung in dem Konflikt umfasste weiter auch die Unterstützung Griechenlands durch kleine Einheiten, die nach Kreta geschickt wurden. Ausgerüstet wurden die Greichen mit 20 FlaK- und einem Dutzend Küstengeschützen zur Sicherung des Marinestützpunktes in Souda, es folgte die Stationierung von fünf Geschwadern Jagdflugzeuge und leichter Bomber auf griechischem Boden. Besonders wichtig waren auch die Operationen der britischen Kriegsmarine im gesamten Ostmittelmeer, welche die Versorgungsseewege Griechenlands sicherten und eine große Anzahl italienischer Einheiten abhielt. Der Höhepunkt der britischen Beteiligung kam in der Nacht zum 11.November 1940, als britische Flugzeuge den italienischen Marinestützpunkt in Taranto angegriffen, wobei sie den italienischen Kriegsschiffen großen Schaden beibrachten. Somit wurden die Transportkapazitäten von Italien nach Albanien zeitweise deutlich beschränkt.115 Die griechische Führung hielt die Briten aber aus den Kämpfen im Norden fern, damit Deutschland die britische Beteiligung als auf den Westen beschränkt einstufen würde und daher keinerlei Bedrohung für die deutschen Interessen in Rumänien darstelle. Dies geht auch aus der Kommunikation der deutschen Gesandtschaft in Athen am 25. November hervor: „Hier aufgetretenes Gerücht, griechische Regierung habe Ansinnen der Engländer, von Griechenland aus rumänischem Erdölgebiet oder andere, Deutschland interessierende Ziele anzugreifen, abgelehnt, wird vom Außenministerium als vollständig gegenstandslos bezeichnet. Engländer hätten dergleichen niemals verlangt und konnten es nicht verlangen. Die griechische Regierung habe daher auch nicht dazu Stellung zu nehmen nötig gehabt. Mit größer Entschiedenheit wurde hinzugefügt, englische Hilfe sei lediglich als Abwehr italienischen Angriffs erbeten und halte sich in diesem Rahmen; Griechenland wolle nicht in den deutsch-englischen Krieg verwickelt werden. Verweise hierzu auch auf Berichterstattung Waffen-Attachés wegen Lemnos.“116 113 Public Record Office, Foreign Office, Political (Southern), Greece, (weiter F.O. 371 zitiert) , F.O. 371/24907/R8523 v. 21.11.1940 114 F.O. 371/24916/R9132 v. 22.11.1940 115 Schreiber 1984, S. 408f. 116 ADAP XI, 2, Dok. 395 v. 25.11.1940, S. 586 43 Sicherheitshalber aber auch als ein Schritt zur Festigung der guten Beziehungen und zur Förderung der militärischen Zusammenarbeit zwischen Bulgarien und dem Deutschen Reich gelang es der deutschen Gesandtschaft in Sofia, die Zustimmung der dortigen Regierung zur Bildung einer gemischten, also bulgarisch-deutschen Erkundungstruppe. Die Truppe wurde an der bulgarisch-griechische Grenze disloziert und hatte die Aufgabe, eventuelle Flüge britischer Bomber Richtung Ploiesti rechtzeitig mitzuteilen. Die Truppe wurde hauptsächlich aus Spezialtruppen der bulgarischen Armee entstehen, die von deutschen Instrukteuren begleitet wurden.117 4.4 Die zweite Phase des Krieges bis zum 5. Dezember 1940 Am 14. November 1940 begann die große Gegenoffensive der griechischen Armee auf ganzer Länge der Front. Deren Schwerpunkt lag auf dem nördlichen Teil, der Bereich von Kastoria - Koritza, wo die Italiener, wie schon beschrieben wurde, eine Verteidigungslinie mit zwei Divisionen gebildet hatten. Die griechische Armee verfügte in diesem Bereich über drei Divisionen. Zu diesem Zeitpunkt waren die Italiener den Griechen zahlenmäßig unterlegen: unter Befehl der griechischen Generäle standen 192.000 Soldaten, die italienische Armee hatte dagegen nur 115.000 auf ihrer Seite des Schachtfelds. Des Weiteren, hatten die Italiener zwar mehr Geschütze, die Griechen aber waren aber in Besitz der 10,5-cm-Gebirgsgeschütze und feuerten aus Maschinengewehren. Miteinbeziehen muss man auch die bessere Ausbildung der griechischen Soldaten, aber auch der moralische Faktor, denn der Kampfwille der Italiener nahm stetig ab. Die griechische Offensive brach auf ganzer Linie aus. An der Epirus-Front gelang der 8. griechischen Division, die Italiener am 17. November zum Rückzug zu bewegen. Der griechische Vorstoß ging bis zum albanischen Hafen von Ágii Saranta, der 1939 zur Ehre der Tochter von Mussolini, Edda, zu Porto Edda umbenannt geworden war. Gleichzeitig schafften es die griechischen Vorstöße der 1. Division der Pindos-Abteilung, die Division Julia zu zerschlagen, auf albanischem Boden einzumarschieren und dort am 17. die strategische Ortschaft Erseke zu erobern. Die Griechen zogen sich zwar vorübergehend aus Erseke zurück, eroberten die Ortschaft aber am am 21. November zurück, sowie am Tag darauf die kleine Stadt Leskovik an der südliche Seite der Pindos-Front. Die italienische Frontlinie wurde gespalten. 117 ADAP XI, 2, Dok. 345 v. 16.11.1940, S. 496 44 Während die griechischen Streitkräfte sich auf dem Vormarsch befanden, unternahmen die Divisionen am nördlichen Flügel eine Offensive, die auf albanisches Territorium zielte. Nach achttägigem Kampf eroberten griechische Einheiten am 22. November die Stadt Koritza, deren Bevölkerung größtenteils der griechischen Minderheit gehörte. Die Eroberung von Koritza war von großer strategischer Bedeutung, stellte aber gleichzeitig auch einen symbolischen Akt der Befreiung der griechischen Minderheit in Albanien dar. Der Vormarsch an dem nördlichen Flügel des Kriegsschauplatzes ging weiter in Richtung Norden bis zum 4. Dezember. An diesem Tag marschierten die griechischen Truppen letztendlich in die Stadt Pogradec am Ufer des Ochrid-Sees ein, gleichzeitig fanden Säuberungsoperationen gegen die verbliebenen Italiener in den Hochebenen um Koritza und entlang der Straße nach Pogradec statt. 118 Am 3. Dezember 1940 telefonierte der Oberbefehlshaber der italienischen Streitkräfte in Albanien General Soddu mit dem Generalsstab in Rom. Nachdem er seinen Vorgesetzten seine Einschätzung der Lage dargestellt hatte, indem er aussprach, dass es keine Möglichkeit zu einer italienischen Gegenoffensive gebe, noch die Aussicht darauf, an der Front erfolgreich Gegenwehr zu leisten, beantragte er nun, dass nach einer politischen Lösung des Konflikts gesucht werden müsse.119 Allein an diesem Tag wurden 650 italienischen Soldaten festgenommen. Auch auf griechischer Seite, überlegte man, wie man den Konflikt beilegen könnte. Zwar war der Vormarsch Ergebnis der fehlerhaften Einschätzung durch die Italiener und ebenso Frucht der Entschlossenheit der Griechen, die Begeisterung für den Krieg mit sich brachte. Dennoch stellte sich Metaxas am 3. Dezember in seinem Tagebuch die Frage, ob die Griechen nicht besser aufhören sollten.120 Da waren schließlich die Schwierigkeiten des Transports und die Engpässe bei der strategischen Versorgung der Armee. Dazu erwähnt er die allgemeine Wirtschaftslage Griechenlands. Darüber hinaus lief die griechische Führung stets Gefahr, von den Deutschen überfallen zu werden. Der einzige Alliierte Griechenlands, Großbritannien, war nicht in der Lage, das südosteuropäische Land hinlänglich zu unterstützen. Die Lage war also im Endeffekt für beide Kriegsparteien schwierig und mit Gefahren verbunden. Die Notwendigkeit eines politischen Ausweges kam nach und nach in den Gedanken der Führungen. Oder eine dynamische Lösung war gefordert, diese erfolgte aber erst am 6. April 1941. 118 Schreiber 1984, S. 410ff. Linardatos 1995, S. 44 120 Metaxas 1970, S. 541 119 45 4.5 Die diplomatische Vorbereitung Deutschlands auf den Balkanfeldzug bis zum 5. Dezember 1940 Es war noch nicht vorherzusehen, dass sich der italienische Feldzug gegen Griechenland auf ein Fiasko herauslaufen würde, als Hitler dem Obersten Kommando des Heeres (OKH) am 4. November 1940 den Befehl erteilte, Vorbereitungen zu treffen, um den griechischen Teil Mazedoniens und Thrakiens militärisch zu besetzen. Ziel dieser Besetzung sollte es sein, Voraussetzungen für die Luftwaffe zu schaffen, um die Gefahr britischer Angriffe auf Ploiesti abzuwenden. Am 12. November wurde dies in der Weisung Nr. 18 festgehalten, in der die Ziele des Befehls vom 4. November konkretisiert wurden. Der zufolge war zu beachten, dass möglichst sparsam Kraft einzusetzen und rasch zu agieren sei, unter dem Vorbehalt, nur im Bedarfsfall einzuschreiten. Die Führung der Luftwaffe und sowie der Kriegsmarine waren mit diesem Plan nicht einverstanden und vertraten die Meinung, im Falle einer Operation gegen Griechenland, das ganze Land besetzt werden sollte. Von der Richtigkeit dieser Meinung wurde das OKH und auch Hitler selbst Ende des Monates überzeugt.121 Die Verwirklichung des Plans nahm am 13. Dezember 1940 mit der Weisung Nr. 20 unter dem Namen „Unternehmen Marita“ Form an und setzte fest, dass zehn Divisionen der Wehrmacht von Ungarn aus über Rumänien und Bulgarien Griechenland angreifen sollten. Hitler informierte den italienischen Außenminister bei ihrem Treffen am 18. November in Obersalzberg darüber, bestimmte aber, dass der Plan erst im Frühjahr 1941 umgesetzt werde. Hitler äußerte seine Beunruhigung aufgrund von Informationen, die ihn erreicht hatten, Einheiten der britischen Luftwaffe in Thrakien und auf weiteren griechischen Inseln - ausgenommen Kreta - stationiert seien.122 Gemeint war mit dieser Äußerung mit einiger Sicherheit die Insel Lemnos im Nordosten der Ägäis, auf der Luftwaffenanlagen waren. Wie bereits zuvor erörtert, würde die deutsche Gesandtschaft in Athen sechs Tage später Informationen zu diesem Thema geben, die aber eine solche britische Präsenz zurückweisen würden.123 Ciano und Hitler trafen sich am 20. November in Wien erneut. Bei diesem Gespräch drückte Ciano die Erleichterung Italiens aus, die durch die deutschen Pläne in Bezug auf eine Lösung des griechischen Konflikts eingetreten sei. Ciano lenkte das Gespräch auf Jugoslawien: In diesem Land stünde in acht Monaten ein Wechsel der Thronfolge an. Es würde einen neuen König geben. 121 Vogel 1984, S. 421 ADAP XI, 2, Dok. 353 v.19.11.1940, S.509 123 Siehe oben, S. 43 122 46 Die beiden Männer besprachen sich die über Option eines Putsches, damit der Prinzregent Paul nicht die Regentschaft abgeben würde, sondern selber zum König erklärt würde. Dieser habe persönliches Interesse an einer friedlichen Beziehung zu Italien und würde zum großen Staatsmann erhoben, falls er es schaffe, Thessaloniki in Zusammenarbeit mit Deutschland und Italien für Jugoslawien zu gewinnen. Es gab Gründe, die eine Besprechung des Themas rechtfertigten. Einige Tagen davor, am 14. November berichtete der Botschafter von Heeren aus Belgrad: „In Kreisen der serbischen Armee hat der Wunsch nach einem freien Ausgang zur Ägäis wieder lebendig werden lassen. Der Talweg Morava-Vardar-Saloniki sei von lebenswichtiger Bedeutung für das serbische Volk. Insoweit Saloniki griechisch bleibe, bestehe keine Möglichkeit für offene Formulierung eines solchen Anspruchs. Im Falle einer Besatzung Salonikis durch italienische Armee aber wäre das Thema wieder öffentlich, auch weil eine solche Entwicklung die Einkreisung Jugoslawien bedeuten würde und daher die Gefährdung serbischer Souveränität in Südserbien, wo die geschichtlich geheiligten Stätten des Serbentums lägen. Eine Infragestellung dieser Souveränität würde Krieg bedeuten. Im Gegensatz, eine Teilung Nordgriechenlands unter Jugoslawien, Bulgarien und Italien wäre ein Schritt zu dauerhaften Befriedung zwischen den drei Nationen. Gez. Von Heeren.“124 Hitler gab Ciano einen Brief an Mussolini, wo er Kritik dem Entscheidungsprozess übte, sein Bedauern ausdrückte, dass er in Florenz den Duce nicht abraten konnte, da das Unternehmen gegen Griechenland schon lief und betonte, Deutschland könne erst im Frühling aktiv intervenieren.125 Mussolini antwortete am 22. November: Schuld für den unerwünschten Verlauf des Krieges sei das Wetter und die Illoyalität der albanischen Truppen gewesen.126 Die Unterhaltung mit Ciano fand inmitten einer diplomatischen Initiative Hitlers statt, die das Ziel verfolgte, die Haltung der balkanischen Länder gegenüber seinen Plänen auszuforschen. Er wollte sich die Zustimmung Rumäniens und Bulgariens sichern, was die Einschätzung der Lage in Jugoslawien betraf und auch die Haltung der Türkei in die Pläne einbeziehen. Darüber hinaus fand an diesen Tagen, und zwar am 12. November, der letzte Besuch des sowjetischen Außenministers Wjatscheslaw Molotow in Berlin statt. Während der Gespräche zwischen Hitler und Molotow wurde klar, dass die UdSSR an ihren Interessen auf dem Balkan, die den Import vom rumänischem Erdöl, Status der Meeresenge und vor allem die tiefen 124 ADAP XI, 2, Dok. 334. v. 14.11.1940, S. 481f. ADAP, XI, 2, Dok. 369 v. 20.11.1940, S. 535ff. 126 ADAP, XI, 2, Dok. 383 v. 20.11.1940, S. 561f. 125 47 und vielfältigen Beziehungen zu Bulgarien umfasste, festhielt. Hitler brachte auch gegenüber dem Außenminister seine angebliche Beunruhigung über die britische Präsenz in Nordgriechenland zum Ausdruck, die von deutscher Seite als bedrohlich einzustufen sei.127 Dieses Treffen mit Molotow gilt im Nachhinein als ausschlaggebend für die Entscheidung Hitlers, mit der Sowjetunion militärisch die Konfrontation zu suchen. Die deutsche diplomatische Initiative nahm ihren Anfang beim Treffen zwischen Hitler und dem bulgarischen König Boris am 17. November. Hitler präsentierte dem König seine Pläne, der es zwar billigte, dass der Einsatz die Durchquerung bulgarischen Territoriums notwendig mache, um die Wehrmacht für einen Einmarsch in Griechenland in Stellung zu bringen, lehnte aber eine Beteiligung der bulgarischen Armee bei dem Unternehmen ab, da er wusste, dass dies zum Konflikt Bulgariens mit der Sowjetunion führen würde.128 Vier Tage nach dem Besuch Cianos empfing Hitler den rumänischen Ministerpräsidenten Antonescu in Berlin. Dort führte der General zuerst Gespräche mit Ribbentrop und anschließend mit Hitler. Antonescu erklärte sich entschlossener als die Bulgaren. Sobald er mit der Reorganisation des Staates nach den erheblichen territorialen Veränderungen von 1939-40 fertig sei, sei er bereit mit der Achse zu marschieren. Er wolle das gewinnen, was er an Territorium verloren habe. Er glaube an einen Eintritt Amerikas in den Krieg, der daher lange andauern werde. In Bezug auf Russland sagte, die Rumänen wüssten, wie wenig man den Worten der Slawen vertrauen könne.129 Bei seinem Treffen mit Antonescu sprach Hitler von Ambitionen Deutschlands für den Balkan. Man vertrete keinerlei territoriales Interesse und er wolle sich auf die Entwicklung ihm näher liegender zusammengefasster Gebiete konzentrieren, so der deutsche Diktator. Jedoch sei Deutschland wirtschaftlich am Balkan stark interessiert. Man sehe den Balkan nicht bloß als Importeur der deutschen Produkte, sondern als Lieferanten für Europas größten Konsument. Deutschland sei daher Großabnehmer der balkanischen Produktion. In Bezug auf den geplanten Balkanfeldzug gab Hitler den Hinweis, es sei leide auf einem Teilgebiet, ein kleiner Rückschlag zu verzeichnen, da die Engländer in Thrakien Stützpunkte angelegt hätten. Er sei entschlossen, unter allen Umständen diese englischen Störungen auszuschalten. Er bitte daher Rumänien um Unterstützung für dieses Vorhaben. Dabei würde es 127 Velliadis 2006, S. 179 Velliadis 2006, S. 182 129 ADAP, XI, 2, Dok. 380 v. 23.11.1940, S. 548ff. 128 48 nicht um einen aktiven Eingriff durch rumänisches Militär handeln. Hitler stellte die Entwicklungen an der italienisch-griechischen Front als einen momentanen Schatten in dem allgemeinen Bilde dar, der mangelnder Berücksichtigung der geographischen und jahreszeitlichen Gegebenheiten geschuldet wäre. Hitler verlieh seiner Bitte um eine Zusammenarbeit der Generalstäbe der Länder, nicht mit einer zusätzlichen Belastung für den rumänischen Staat verbunden sein sollte. Deutschland verlange keine Hilfe in Kampfhandlungen.130 Die Türkei beobachtete die Lage und die deutsche Botschaft in Ankara berichtete von der Beruhigung in den politischen Kreisen der türkischen Hauptstadt und dass aus die Tatsache diskutiert wurde, dass Deutschland sich aus italienisch-griechischen Konflikt heraushielt. Für Beunruhigung sorge dagegen, dass die Sowjetunion von dem deutschen Vorschlag überzeugt werden könnte, sich in Richtung persischer Golf gegen die englischen Interessen zu bewegen, weil dies höchstwahrscheinlich die Verletzung der Souveränität der Türkischen Republik bedeuten würde. Die Türken hielten die Haltung Deutschlands in Bezug auf den Konflikt zwischen Italien und Griechenland für differenziert: Sogar pro-britisch eingestellte Politiker ließen die Möglichkeit für eine Zusammenarbeit mit Deutschland offen, gleichzeitig schlossen eine solche Perspektive für Verhandlungen mit Italien strikt aus.131 4.5 Fazit Die italienische Führung in Albanien und in Rom war zunehmend isoliert, das eigene Handeln hatte sie in Bedrängnis gebracht. Das langfristige militärische Scheitern der Eroberungsvisionen für Griechenland war mit dem Rückzug der italienischen Kräfte an der ganzen Front besiegelt. Die Berichterstattung über das Scheitern begann die Moral der Bevölkerung zu zermürben, was die tiefe Krise des faschistischen Regimes verstärkte. Eine deutsche militärische Einmischung war vor dem Frühling 1941 ausgeschlossen, womit Deutschland das politische Kalkül Mussolinis zunichtemachte, da das Ziel, einen militärisch-politischen Erfolg großen Stils für Italien zu erreichen in jedem Fall offiziell als gescheitert galt. Die griechische Armee erzielte einerseits strategisch bedeutsame militärische Erfolge, andererseits schaffte es, die britische Einflussnahme in engen Schranken zu halten, sodass Deutschland nicht provoziert wurde. Für die griechische Führung bestand aber ein Dilemma: Tag für Tag vergrößerte sich das Versorgungsproblem für die Streitkräfte, die immer weiter entfernt von den Stützpunkten kämpften. 130 131 ADAP, XI, 2, Dok. 381 v. 23.11.1940, S. 554ff. ADAP, XI, 2, Dok. 363 v. 20.11.1940, S. 529 49 Außerdem ging man in Athen zu Recht davon aus, dass die Wehrmacht bei besserem Wetter in die Situation eingreifen würde, was dem Plan Hitlers Militärs entsprach. Schließlich kam die Frage auf, was man nun mit den besetzten Gebieten Albaniens zu machen gedachte. Zugehörigkeit und Verwaltungszuständigkeit waren ungeklärt. Die deutsche Führung beobachtete die Entwicklungen in diesem von Berlin unerwünschten Krieg besonders unter der Analyse der Einmischung durch Britannien. Die Führung der Wehrmacht schmiedete Pläne zur Intervention und Hitler ebnete zusammen mit dem Auswärtigen Amt den Weg für den reibungslosen Durchmarsch des Heeres durch Rumänien und Bulgarien. Mögliche Reaktionen Jugoslawiens und der Türkei waren einkalkuliert. Hitler und das OKW ließen die Option immer offen und am 12. bzw. 13. November 1940 bestand man in Berlin darauf, dass die Intervention „im Bedarfsfall“ durchgeführt würde.132 Ein solcher Bedarfsfall bestehe bei einer Intensivierung der britischen Unterstützung oder der Stationierung britischer Fliegerverbände in Reichweite von Ploiesti. Dieses zu verhindern stand aber auf der Agenda die griechische Regierung. Unter diesen brisanten Gegebenheiten startete im Dezember 1940 eine Initiative der deutschen Diplomatie, die als Ziel hatte zu prüfen, ob die griechische Führung willig für einen Waffenstillstand wäre beziehungsweise werden könnte. 132 Vogel 1984, S. 421 50 5. Die Versuche der deutschen Außenpolitik im Konflikt zu vermitteln Die italienischen Streitkräfte in Albanien konnten die griechische Armee nicht aufhalten und befanden sich schon seit einem Monat in nahezu ständigen Rückzug. Wie im Kapitel zuvor gezeigt wurde, rief der General Soddu das Generalstab an und fragte nach einer politischen Lösung des Konflikts, den die Italiener 37 Tage zuvor in der Hoffnung auf einen leichten Sieg mit einem Angriff auf den griechischen Grenzschutz eröffneten. Am 4. Dezember, einen Tag nach dem dramatischen Appell Soddus traf die Nachricht in Rom ein, dass die Stadt Pogradec endgültig in die Hände der Griechen gefallen sei. Diese schlechte Kunde erreichte Ciano, als er sich mit anderen Ministern und Hochoffiziere im Vorraum des Büros des Duce im Palazzo Venezia in Rom befand. Kurz darauf vertraute Mussolini sich seinem Schwiegersohn an, der in seinem Tagebuch eintrug: „ ‚Da ist nichts mehr zu machen‘, jammerte er [Mussolini] völlig niedergeschlagen. ‚Es ist absurd und grotesk, aber so ist es. Wir müssen Hitler um einen Waffenstillstand bitten‘.“ 133 Ciano kommentierte, dies sein unmöglich, weil die erste Bedingung der Griechen die persönliche Garantie Hitlers sein würde, dass Italien jeden zukünftigen Versuch unterlassen müsste, gegen Griechenland zu agieren. Er werde sich daher lieber eine Kugel durch den Kopf jagen, als Ribbentrop anzurufen. Dem Chef der Luftwaffe, General Pricollo, sagte Mussolini, dass alle, womit er auch die militärische und politische Führung Italiens meinte, statt um einen Waffenstillstand zu bitten, nach Albanien gehen sollten, um dort gegen Griechenland kämpfend zu sterben.134 Italien bat also nicht um die Vermittlungt, der Kampf in Albanien ging weiter und die Niederlagen der italienischen Armee mehrten sich. 5.1 „Es sei denn, …“ - Eine Äußerung Hitlers als Anfang der Vermittlungsversuche In seinen Memoiren lässt sich der faschistische Diplomat Filippo Anfuso über Hitler Kommunikationsstil aus. Auf abfällige Weise schreibt er Hitler prototypische Eigenschaften zu, die für ihn Deutschtum verkörpern. Diese Einträge sind getragen von kulturrassistischem Denken: 133 134 Moseley 1998, S. 146 Linardatos 1995, S. 44 51 „In den von Hitler veranlaßten geheimen Zusammenkünften zählt das, was nicht gesagt wird. […] die gleiche dick aufgetragene gotische Zweideutigkeit; die Dunkelheit des deutschen Absoluten wechselt ab mit dieser den keltoromanischen Feinheiten und Irrealitäten.“135 Laut Anfuso spielte das Implizite und Widersprüchliche also immer eine Rolle bei den Gesprächen, die Hitler führte. Das Ungesagtes gehört ebenso zur Kommunikation wie tatsächlich Ausgesprochenes und in der Diplomatie kommt dem verschweigen sicherlich noch größere Bedeutung zu. Keine Quellen belegt, dass Hitler über das am Tag zuvor in Rom Gesagte informiert war, als er sich am 5. Dezember 1940 in Gespräch mit dem Generalstabsführung der Wehrmacht befand. Während des Gesprächs über die Gesamtlage, wie es im Kriegstagebuch des Wehrmachtführungsstabes (1. Dez. 1940 bis 24. März 1941), das Helmut Greiner führte, steht auf den 5.12.1940 das datiert, was Hitler gesagt haben soll: „Die deutschen Drohungen, dass Angriffe von griechischem Boden aus gegen deutsche Interessengebiete zu Gegenmaßnahmen führen würden, hätten bewirkt, dass bisher keine derartigen Angriffe erfolgt seien. Das werde wahrscheinlich auch in den nächsten Monaten so bleiben. Trotzdem sei deutsches Eingreifen gegen Griechenland erforderlich, um die Lage endgültig zu bereinigen, es sei denn, dass die Griechen von sich aus den Konflikt mit Italien beenden und die Engländer zum Verlassen der griechischen Stützpunkte zwingen würden. In diesem Falle erübrige sich ein deutsches Eingreifen, da in diesem Gebiet nicht über europäische Hegemonie entschieden werde.“136 Dem ersten Teil der Äußerung, dass die deutschen Drohungen bis zu jenem Punkt gewirkt hätten, stimmte besonders ein Griechenland-Experte zu, der Offizier der britischen Armee und Chef der britischen militärischen Mission in Griechenland während der Jahren der Okkupation (1941-1944) Chris Woodhouse. Er erkannte im Jahr 1948 nämlich, dass die militärische Bedrohung durch die Deutschen, Griechenland sehr vorsichtig im Umgang mit der Präsenz britischen Militärs werden ließ.137 Im zweiten Kapitel wurde schon deutlich, dass Deutschland nicht an militärischen Verwicklungen im Südosten interessiert war und die Kontinuität deutscher Außenpolitik fortsetzte. Obwohl der Plan der Teilung der Einflusssphären der Achsenmächte existierte und demnach Griechenland für Italien bestimmt war, stießen der Zeitpunkt des Angriffs und die Eile 135 Anfuso, Filippo, Rom-Berlin in diplomatischem Spiegel, Essen 1951, S. 149 ADAP, XI, 2, Dok. 395 v. 25.11.1940, Anm. 4, S. 586. Die Hervorhebung ist meine. 137 Woodhouse, Chris M., Apple of Discord, London 1948, S. 17 136 52 Mussolinis auf Kritik. So erinnerte sich Badoglio an das Treffen mit dem Chef des Generalstabs der Wehrmacht Wilhelm Keitel am 15. November 1940 in Innsbruck: „Sofort machte mich Keitel darauf aufmerksam, dass wir die Offensive gegen Griechenland ohne vorherige Benachrichtigung des deutschen Oberkommandos eingeleitet hätten. Es sei die Absicht des Führers gewesen, die Lage in den Balkanländern in keine Weise zu beunruhigen. Aus diesen Ländern erhielt Deutschland nicht geringe Lieferungen, die vielleicht in der Folge fehlen würden. ‚Wenn ich vorher benachrichtigt worden wäre‘, sagte Keitel, ‚wäre ich nach Rom geflogen und hätte einen solchen Feldzug verhindert‘.“138 Deutschland hatte Anfang Dezember 1940 Interesse an eine Beendung der Kampfhandlungen in Albanien, weil der Krieg in Albanien zur ersten Priorität für die Italiener wurde und viele Ressourcen kostete, die in Nordafrika eingesetzt werden sollten. Der Angriff auf Griechenland und die Entwicklungen und Misserfolge, die er mit sich brachte, legten Spannungen in der Beziehung zwischen Italien und Deutschland offen, die 1939, als der deutsche Alleingangs in Europa begann, gesät wurden.139 Darüber hinaus stellte das britische Militär in Griechenland keine ernsthafte Bedrohung für Deutschland dar. Dass eine Bedrohung weiterhin nicht bestehe, wurde erneut am 5. Dezember durch einen Bericht aus Athen bestätigt: „ Die Nachricht von der Nichtfreigabe griechischer Flugplätze an England für Einflüge auf deutschem Gebiet von 21.11.1940 ist glaubhaft. […] Der griechische Vorbehalt ist glaubhaft, da er mit bisheriger allgemeiner Haltung der griechischen amtlichen Stellen und der Volksstimmung Deutschland gegenüber übereinstimmt. Major Skylitzis [griechsicher Verbindungoffizier mit dem deutschen Militärattaché] sagte Clemm [dem deutschen Militärattaché]: Eine Ausdehnung des Konflikts sei nicht im griechischen Interesse.“ 140 Den Quellen und der wissenschaftlichen Literatur ist zu entnehmen, dass sowohl Deutschland als auch Griechenland an einer Beendigung des Konflikts Interesse hatten. Im folgenden Abschnitt wird gezeigt, was schon der Ausdruck „im Bedarfsfall“ vom 12./13. November andeutete. Man befand sich auf der Suche nach Wegen zur Vermittlung und hielt den Plan zur militärischen Lösung der Krise in der Hintertasche. Nun geht es darum, herauszuarbeiten, wie dieser Versuch scheiterte und wie die Andeutung Hitlers vom 5. Dezember vom Auswärtigen Amt als Signal aufgefasst wurde, woraufhin es versuchte, die Griechen von der Aufnahme von Verhandlungsgesprächen zu überzeugen. 138 Badoglio 1947, S. 51 Sadkovich 1993: S.443ff. 140 PAAA, F410/222 962 v. 5.12.1940 139 53 5.2 Die Sondierungen Einen allerersten Versuch zur Sondierung unternahm Mitte November der Oberst Christian Clemm von Hohenberg, der Militärattaché Deutschlands in Athen. Clemm versuchte bei Gesprächen mit griechischen Militärs herauszufinden, unter welchen Bedingungen die Griechen bereit wären, den Krieg zu beenden.141 Da das Ausmaß der griechischen Erfolge noch nicht erkennbar wurde, wird vermutet, dass der erste deutsche Vorschlag für einen Friedensvertrag beinhaltete, dass Thesprotía, Korfu und Kephalonia an Italien abzutreten seien und auch der Abzug aller britischen Kräften aus griechischem Hoheitsgebiet und die Rückkehr Griechenlands in den Status der Neutralität erfolgen sollte.142 Der Vorschlag traf angesichts der Lage bei der griechischen Führung nicht auf Resonanz. Es stellte sich zu diesem Zeitpunkt heraus, dass das offensive Vorgehen gegen die Invasoren durch die griechische Armee von Erfolg gekrönt wurde. Das würde es Metaxas unmöglich machen, den Vorschlag anzunehmen und freiwillig den Verlust von Territorium zu akzeptieren. Am 25. November 1940 besuchte der griechische Marineattaché in Berlin den Admiral Canaris. Bei diesem Besuch habe sich Canaris begeistert über die griechischen Erfolgen geäußert und obwohl er nicht in der Lage gewesen sei, die deutsche Haltung Griechenland gegenüber einzuschätzen, habe er gesagt, dass er einen deutschen Angriff für unwahrscheinlich hielt, insofern die Engländer keine Flugzeuge in Thessaloniki stationiert hatten.143 Anfang Dezember, erinnerte sich Konstantinos Maniadakis, suchte ihn der deutsche Kulturattaché Professor Boehringer mit einem unbekannten Deutschen auf. Der Unbekannte habe dem griechischen Minister gesagt, er sei auf direkten Geheiß Hitlers und Ribbentrops in Athen, um ein Friedensangebot zu übermitteln. Dieser würde Griechenland territoriale Gewinne zusichern. Als Gegenleistung müsste Griechenland die Briten aus dem Land entfernen und wieder neutral werden.144 Am 5. Dezember gab der griechische Gesandte in Madrid Admiral Periklis Argyropoulos dem britischen Botschafter Sir Samuel Hoare bekannt, der ungarische Botschafter Admiral 141 Schramm von Thadden, , Ehrengard, Griechenland und die Großmächte im Zweiten Weltkrieg, Wiesbaden 1955, S. 138 142 Velliadis 2006, S. 180 143 Elliniká Diplomatiká Éggrafa-EDE (griechische diplomatische Dokumente), Dok. 53 v. 27.11.1940, S. 37 144 Schramm von-Thadden 1955, S. 151 54 Rudolf Andorka habe ihn aufgesucht und ihn über ein Angebot von deutscher Seite aus informiert. Der deutsche Botschafter in Madrid Stohrer habe Andorka gesagt, die Griechen sollten mit den Deutschen Kontakt aufnehmen, damit die Deutschen intervenierten. Deutschland habe kein Interesse an einer Ausdehnung des Krieges auf dem Balkan und Griechenland könne von einem für es günstigen Friedensvertrag profitieren, so auch der britische Botschafter an London. Admiral Canaris hielt sich unterdessen in Madrid auf, wo er die Verhandlungen eines eventuellen Eintritt Spaniens in den Krieg führte. Vielleicht ist er es gewesen, der den deutschen Botschafter unterrichtete. Es könnte aber auch sein, dass Canaris direkt Kontakt zu Andorka aufnahm, da Andorka früher der Chef der ungarischen Abwehr gewesen ist und ein alter Bekannte von Canaris war.145 Das Foreign Office nahm die deutschen Friedensvermittlungen ernst. Es war inzwischen kein Geheimnis mehr, dass es diese gab, da die jugoslawische Zeitung Vreme einen Bericht ihres Korrespondenten in Berlin über die Verhandlungen veröffentlichte.146 Der Unterstaatssekretär Orme Sargent verfasste am 14. Dezember ein Memorandum, in dem er den Inhalt eines möglichen Angebots umreißt und auch über dessen Geltungsdauer und Prämissen spekuliert: „Bald wird Griechenland dazu gezwungen sein seinen Vormarsch in Albanien zu stoppen und es wird schwierig, das deutsche Angebot abzulehnen. Deutschland wird mit Kriegserklärung drohen, falls Griechenland sich weigern wird, es ist aber ein Versprechen Deutschlands wahrscheinlich, dass die Griechen die Dodekanes und Nordepirus [Südalbanien] annektieren werden und als Gegenleistung Zugang den Bulgaren zur Ägäis geben werden. Hitler wird verlockende Angebote machen, da er die Ausdehnung des Krieges nicht wünscht, sondern Drang zu Frieden, wenigstens bis er bereit sein wird, seine Frühlingsoffensive durchzuführen. Wenn aber Frieden in der Region wieder herrschen wird, ändern vielleicht die Türkei und Jugoslawien ihre anti-deutsche Politik.“147 Das Memorandum von Sargent stimmt ungefähr mit dem Inhalt des konkreten deutschen Angebots, dass Andorka dem Admiral Argyropoulos am 17. Dezember 1940 in Madrid präsentierte, überein. Canaris war schon seit dem 9. Dezember wieder in Berlin und Ribbentrop hatte ihm mitgeteilt, er müsse sich aus den Annäherungsversuchen fernhalten.148 Es handele sich nun um eine Angelegenheit des Reichsaußenministeriums und es ist anhand der Quellen 145 Richter 2010, S.134f. Velliadis 2006, S. 196f. 147 F.O. 371/24922/9009 v. 14.12.1940 148 Velliadis 2006, S. 207 146 55 unmöglich, zu rekonstruieren, warum Ribbentrop Canaris Tätigkeit untersagte. Als Grund vermutet man fehlendes Vertrauen bzw. das Buhlen um die Machtverhältnisse an der Spitze des NS-Regimes.149 Bei einem erneuten Treffen zwischen Argyropoulos und Andorka nannte der ungarische Admiral seinem griechischen Kollegen die konkreten deutschen Vorschläge zum Waffenstillstand. Argyropoulos habe die Frage gestellt, ob Andorka seine persönliche Meinung ausdrücke oder ob er im Auftrag der Italiener oder der Deutschen handle. Andorka antwortete, er sei von einer ranghohen deutschen Persönlichkeit beauftragt, einen wichtigen Vorschlag zu übermitteln. Argyropoulos wollte wissen, ob dies ein offizieller Vorschlag sei und ob er Athen telegrafisch informieren könne. Andorka habe beiden Fragen bejaht und die Bedingungen aufgezählt. Die Griechen sollten alle Gebiete behalten, die sie mit den Waffen erobert haben und zwischen den italienischen und den griechischen Truppen solle eine neutrale Pufferzone eingerichtet werden, die von deutschen Truppen besetzt werden solle, um Zwischenfälle zu vermeiden. Auf der Frage von Argyropoulos, welche Forderungen die Deutschen stellten, wenn der Waffenstillstand zustande kommen sollte, antwortete Andorka, dass die deutsche Seite keine Forderungen zu stellen gedenke, weil Hitler es vermeiden wolle, sich in den Krieg einmischen zu müssen, zumal er ja immer dagegen gewesen sei.150 Am selben Tag verlagerte sich die Kommandoabteilung des griechischen Generalstabs, die für die Front zuständig war, von Athen nach Ioánnina. Die Lage an der Front hatte sich bereits geändert, nun folgte die Organisation. Die Vorstöße der Griechen waren nahezu an ihren Grenzen gestoßen. Die Versorgung war mit großem Aufwand verbunden und der harte Winter hielt enorme Schwierigkeiten für beide Armeen bereit.151Vor diesem Hintergrund telegrafierte Argyropoulos die Ergebnisse des Gesprächs mit Andorka nach Athen. Er erhielt aber keine Antwort. Athen weigerte sich offenbar, auf die deutschen Vorschläge einzugehen. Der letzte Annäherungsversuch erfolgte in Berlin und wurde vom dortigen USamerikanischen Botschafter Leland Morris dokumentiert. So telegrafierte Morris am 22. Dezember 1940 nach Washington, dass der griechische Botschafter in Berlin von einem deutschen angesprochen worden sei, der angeblich den Auftrag hätte, zu vermitteln. Der Deutsche 149 Richter 2010, S. 135f. Schramm von-Thadden 1955, S. 218f. und Richter 2010, S. 136f. 151 Linardatos 1995, S. 50ff. 150 56 habe dem Griechen gesagt, dass die Niederlage Englands in den nächsten Monaten vorprogrammiert sei und dass Griechenland daher die Bedingungen akzeptieren sollte. Der Zeitpunkt gestatte es Griechenland, ehrenhaft anzunehmen und günstige Bedingungen zu erzielen, falls es zu einer deutschen Vermittlung käme. Deutschland würde die griechischen militärischen Errungenschaften nicht ins Gegenteil kehren. Der Gesandte sollte seiner Regierung raten, über einen Nachbar, also entweder Jugoslawien oder die Türkei, einen Antrag auf Vermittlung an die deutsche Regierung zu stellen.152 Hiermit schließt sich der Kreis von Versuchen seitens der deutschen Diplomatie, die Kriegsparteien an den Verhandlungstisch zu bringen. Mussolini und sein Führungszirkel waren über diese Versuche freilich nicht informiert, die Geheimhaltung gestaltete sich erfolgreich, da es nur wenige Akteure gab. Bei Bekanntwerden hätten die Beziehungen der zwei Bündnispartner irreparablen Schaden genommen. Deshalb geben italienische Quellen keinen Aufschluss über dies Vorgehen. Mussolini verließ sich auf Hitlers Zusage im Frühling zu intervenieren. Es könnte die Frage entstehen, warum die Briten die Informationen über Sondierungsgespräche nicht ausgenutzt haben. Zwietracht unter den Achsenmächten wäre in jedem Fall von Nutzen gewesen. Eine Antwort könnte die Haltung der griechischen Regierung und Metaxas persönlich sein: Der griechische Diktator war schon am Anfang des Kriegs entschlossen, bis zum Ende an der Seite Englands zu bleiben und zu kämpfen. Deswegen hätte eine Thematisierung der deutschen Versuche in der Öffentlichkeit auf griechischer Seite zu Gefahren geführt. Wenn Kreisen der griechischen Führung diesen Vorschlägen positiv betrachten würde, könnte es ebenfalls zu Zwietracht führen. Den Angriff der Deutschen zu verhindern, hatte daher oberste Priorität. Schon zwei Tage davor, am 20. Dezember, hatte sich Metaxas mit dem deutschen Gesandten in Athen getroffen. Der griechische Ministerpräsident betonte, dass durch englische militärische Initiative eine Störung korrekter deutsch-griechischer Beziehungen auch in die Zukunft nicht zu befürchten sein müsse. Metaxas erklärte, dass Griechenland die Kampfhandlungen gegen Italien weiterführen würde, bis Italien sich aus dem Balkan zurückziehe. Gegen eine Neugründung eines albanischen unabhängigen Staates habe Griechenland keine Einwände. Erbach erwiderte, dass er von dem Widerstandswillen der Griechen überzeugt gewesen sei, und dass er dies Berlin mitgeteilt habe. Dazu kommentierte Metaxas, dass Deutschland 152 Richter 2010, S. 137 57 nichts unternommen habe, um die Italiener zu stoppen und deswegen seien nun die Engländer auf griechischem Boden. In seiner Note, die in den griechischen offiziellen Dokumenten liegt, trug er die Bemerkung ein, dass Erbach ihm nichts über Vermittlungen erwähnt habe. An die Frage Erbachs, ob das griechisch-britische Bündnis sich auch gegen Deutschland richte, antwortete Metaxas, dass das der Fall wäre, falls Deutschland Griechenland überfallen würde.153 5.3 Fazit In diesem Kapitel wurde dargelegt, wie die militärische Lage an der sich nun ausschließlich auf albanischem Boden befindenden Front die italineischen Führung zu dem Gedanken führte, einen Waffenstillstand durch deutsche Vermittlung zu erbitten. Diese Idee wurde aber nicht verwirklicht. Diese Lücke in der italienischen Strategie nutzten Hitler und das OKW, als die letzte Option, die vorhandenen Pläne für ein Frühlingsunternehmen gegen Griechenland in der Schublade zu lassen und die Griechen durch Zugeständnisse zu Lasten Italiens zur Verhandlung zu bewegen. Der Äußerung Hitlers am 5. Dezember 1940 folgte eine Reihe von Kontakten im Auftrag von Canaris und Ribbentrop, wobei letzter dem Chef der deutschen Abwehr ab einem gewissen Zeitpunkt die Einmischung in die Angelegenheit untersagte. Die Kontakte liefen direkt zwischen deutschen und Griechen oder über Mittelmänner anderer Staatsangehörigkeiten im ganzen Europa, in Athen, in Berlin. Der wichtigste Kontakt aber fand in Madrid statt und lief über den dortigen ungarischen Botschafter. Athen ging auf die verdeckten Annäherungen nicht ein und die Versuche blieben erfolglos. Die Angebote orientierten sich den Entwicklungen an der Front, für Metaxas aber dürfte auch die Positionierung in der Nähe der Briten von großem Belang gewesen sein. Metaxas erklärte dem deutschen Gesandten in Athen bei ihrem Gespräch am 20. Dezember, dass Griechenlands Ziel der Abzug der Italiener aus dem Balkan sei und dass das Land sich auch im Falle deutscher Aggression bewaffnet entgegenstellen würde. Das finale Ereignis, das in der Einleitung erwähnt wird, trug sich schließlich am 3. Januar 1941 zwischen dem griechischen Gesandten Rangavis und dem deutschen Staatssekretär Ernst von Weizsäcker zu und hatte das Telegramm des griechischen Königs an Hitler zum Gegenstand, in dem er Glückwünsche zu Neujahr bekundete. Es gilt als Auslöser für die Ein153 Dafür gibt es drei Quellen: ADAP, XI, 2, Dok. 540. v. 20.12.1940, EDE, Dok. 61, S.40 und Metaxas, S.546. In der Quelle von EDE steht die Bemerkung von Metaxas in Bezug auf die Vermittlungen. 58 leitung der Invasion, weil es zugleich die letzte diplomatische Sequenz in dieser Phase deutsch-griechischer Beziehungen markiert. Dies war der Punkt, da die Wehrmacht die Vorbereitungen für die Umsetzung des Plans „Marita“ begann und sein Engagement im Mittelmeerraum auszuweiten.154 Griechenland dagegen eröffnete in den folgenden Wochen die Gespräche zur Intensivierung der britischen Präsenz im Lande, in der Hoffnung, dass die Briten einen weiteren Blitzkrieg der Wehrmacht zum Scheitern bringen könnten. Der Weg für den Feldzug stand offen und erfolgte am 6. April 1941. 154 ADAP, XI, 2, Dok.583. v. 30.12.1940, S. 819ff. 59 6. Schlusswort und Fazit Die griechische Seite ließ die deutschen Vorschläge ins Nichts laufen. Metaxas stand vor dem Dilemma, zwischen Deutschland und Britannien eingekeilt zu sein. Der fehlende Wille hatte seinen Ursprung also in den traditionellen Verbindungen zu Großbritannien. Es gab strategische und geopolitische Gründe, die eine deutsche Vermittlung unmöglich machten. Metaxas hatte am 28. Oktober 1940 formuliert, Griechenland kämpfe nicht für den Sieg sondern für die Ehre. Hinter diese Erklärung stand aber eine Überzeugung, und hierin waren sich Metaxas und der rumänische Diktator Antonescu einig. Der Krieg würde sich zum Kampf zwischen der Achse und der angelsächsischen Welt entwickeln, den die Briten und die USAmerikaner langfristig gewinnen würden. Griechenland musste dieser Einschätzung nach den Engländer treu bleiben, auch wenn das eine vorübergehende Niederlage bedeutete: Am Ende des Krieges würde Griechenland entlohnt und könnte auf territoriale Gewinne hoffen, nämlich Südalbanien, die Dodekanes und vielleicht Zypern. Wenn Griechenland der italienischen Forderung nachgekommen wäre, hätte dies als Ergebnis den Verlust von Territorien an Italien, Bulgarien aber auch von Kreta an Großbritannien bedeutet, da die Briten die Insel vermutlich besetzt hätten. Dies geht aus der geheimen Rede hervor, die Metaxas am 30. Oktober 1940 vor den Herausgebern der Athener Zeitungen hielt.155 Italien hat den Angriff auf Griechenland damit gerechtfertigt, Griechenland habe wiederholt die Neutralität verletzt. Dieser Sichtweise schließt sich Koliopoulos an und er argumentiert, dass die Ereignisse im August 1940 nicht als alleinige Provokation Italiens zu deuten seien. Es habe tatsächlich Anzeichen für die Zusammenarbeit zwischen Griechenland und dem Empire gegeben.156 Die Schlussfolgerungen von Koliopoulos weist Marina Petraki zurück mit der begründung, das Regime des 4. August habe sich bemüht, die Neutralität aufrecht zu erhalten.157 Petraki spricht vom „Regime“, was andeutet, dass die Metaxas-Diktatur an Neutralität in erster Linie aus ideologischen Gründen interessiert gewesen war. Diesbezüglich ist ein Blick auf die ideologische Narrative von Metaxas zu werfen. In seiner Rede vom 30. Oktober warnte Metaxas davor, dass ein Nachgeben der Regierung gegenüber den italienischen Forderun155 Metaxas 1970, S. 520ff. Koliopoulos 1994, S. 199 157 Petraki 2011, S. 93 156 60 gen, die Diskreditierung des Regimes bedeuten würde und, dass die Engländer auf Kreta ein demokratisches Staatsgebilde gründen würden, dass die Legitimation der Nation genießen würde, da es für die Nation kämpfen würde und nicht die Athener Diktatur. Der Kampf gegen Italien sei also ein Krieg gegen die Wiederherstellung des Parlamentarismus in Griechenland.158 Anfang 1941 schrieb Metaxas in seinem „Heft der Gedanken“, Italien und Deutschland haben die Ideologie verraten. Deutschland hätte Griechenland schützen sollen, aber beide Diktaturen hätten sich als „durstige Imperialisten“ entpuppt.159 In seinem letzten Eintrag für das Jahr 1940 hielt Metaxas seine Zweifel zu seinen faschistischen Visionen fest: „Die Denkweise in mir hat sich geändert. Ich schätze die verschiedenen Nationen nun anders ein. Während eines solchen Kampfes verlieren die Staatsordnungen ihre Bedeutung. Welche wird bleiben? Wir schließen das Jahr 1940.“160 Da Griechenland sich nahe Großbritannien hielt, kann man das Festhalten Griechenlands an einer eingeschränkten britischen Präsenz bis Anfang 1941 eher als taktische und nicht als strategische Bewegung verstehen. Ziel war, Deutschland keinen Anlass zum Angriff zu geben. Es handelte sich um ein Spiel auf Zeit. Sobald die griechisch-britischen Kräfte in der Lage wären, einer deutschen Aggression zu widerstehen, hätte sich die Situation gewandelt. Ein Widerstand hätte zwar wenig Chancen auf Erfolg gehabt, hätte aber zu erheblichen Verluste bei den Deutschen geführt, die dann an anderen Fronten gefehlt hätten. Als zum Beispiel die griechische Regierung Mitte November zur Konferenz der Alliierten in London eingeladen wurde, fragte Metaxas den britischen Gesandten in Athen, Palairet, ob die Briten daran interessiert wären, eine deutsche Intervention in Griechenland zu provozieren. Wenn ja, würde er mitmachen, aber nur unter der Bedingung, dass in diesem Fall beide Staaten die Verantwortung tragen sollten, was bedeutete, dass die Briten Griechenland sowohl gegen die Italiener als auch gegen die Deutschen hätte verteidigen müssen. Das Foreign Office aber umging diese Frage.161 Der britische Ministerpräsident Winston Churchill machte sich ebensolche Gedanken. Van Creveld benennt die Bedeutung, die Griechenland für den Briten hatte: 158 Metaxas, S. 520ff. Metaxas, S.552ff. 160 Metaxas, S. 550 161 Koliopoulos 1994, S. 219f. und Metaxas, S. 537 159 61 “Referring [03.11.1940] to the situation in Africa, the Prime Minister justified his own feeling that 'the Greek situation must be held to dominate all others now' by claiming that the possession of Crete was ‘almost equal to a successful offensive in Libya’, and that ‘loss of Athens [was] far greater injury than Kenya or Khartoum’.” 162 Was aber bis November 1940 gemeinsamer Topos in den militärischen Kreisen in Athen, London, Rom und Berlin war, war die Überzeugung, dass die griechische Armee den Italienern keinen Widerstand leisten könnte.163 Dennoch gelang es der griechischen Armee Erfolge zu platzieren, die zur Aufnahme der deutschen Initiative zu Vermittlung führten. Metaxas, seine Regierung, der König und die Engländer haben den Weg der Konfrontation mit Deutschland gewählt. Dabei spielte auch der Faktor des fehlenden Vertrauens eine Rolle, die Frage nämlich, ob die Angebote ehrliche Ansinnen wären oder ob sie nur das Ziel bedienten, Zeit für die Vorbereitung der Frühlingsoffensive für die Wehrmacht zu gewinnen. Doch es gibt auch eine Gegenargumentation, welche besagt, dass nämlich Metaxas von den Vorschlägen getäuscht worden sei. Richter argumentiert, dass Metaxas auf die deutschen Angebote zunächst positiv reagiert haben soll. Er lenkt zwar ein, dass dies nur eine vorsichtige Schlussfolgerung sein solle, stellt sie aber in folgender Form dar: Ende Dezember hätte sich der griechische Vorstoß am südlichen Flügel Richtung Valona richten können. Valona verfügte über einen Hafen, über den erhebliche Teile des italienischen Nachschubs liefen. Gleichzeitig bemerkt Richter, dass die Generäle mit Vorsicht beinahe „schulmäßig“ agiert hätten.164 Deswegen sei Metaxas dazu gezwungen gewesen, sie ständig anzuspornen. Die Generäle hätten zu konservativ gedacht und keine Flankenvorstöße gewagt. Der Angriff auf Valona wäre ein solcher Flankenvorstoß gewesen. Metaxas habe aber in diesem Fall nicht kommandiert und der griechische Angriff entwickelte sich stattdessen an der nördliche Abteilung der Front, wo keinerlei wichtige strategische Ziele waren. Dieses Nichtagieren bewertet Richter als Signal gegenüber den Deutschen, für eine Bereitschaft zum Waffenstillstand, da er den Italienern den entscheidenden Schlag in Valona nicht versetzte. Diese Meinung teilt Richter mit dem griechischen General Stefanos Sarafis, der in den Jahren der Besatzung Chef des Generalstabs von ELAS, der links-orientierten Partisanenarmee Griechenlands gewesen ist.165 Damit nähert sich Richter der These an, die besagt, dass 162 van Creveld 1974, S. 67 Koliopoulos 1994, S. 204f. 164 Richter 2010, S. 14. Siehe dazu auch: Koliopoulos 1994, S.205f. 165 Sarafis, Stefanos, ELAS. Greek resistance army, London 1980, S. 21f. 163 62 Metaxas sein Land neutral stellen wollte und auch bereit gewesen sei, den Deutschen zu vertrauen. Deutschland habe mit der diplomatischen Offensive jedenfalls erreicht, dass der Hafen von Valona nicht erobert wurde, dass die Italiener Zeit gewannen und dass Ploiesti gesichert blieb. Als klar wurde, dass der griechische Vormarsch endete, kamen auch die diplomatischen Gesuche abrupt zum Stillstand. Was blieb war die Bedrohung als einer Art psychologische Kriegsführung, unter der die heiße Phase bis April 1941 vorbereitetet wurde.166 In dieser Arbeit wurde die deutsche Diplomatie in Bezug auf den italienisch-griechischen Krieg untersucht unter der Fragestellung der Doppelstrategie: Einerseits wurden die Vorbereitung für den Balkan-Feldzug dargestellt und andererseits der Versuch nachgezeichnet, der die Beendigung des Konflikts zum Ziel hatte. Es gibt in der Literatur auch andere Erwähnungen von Vermittlungsversuchen. Da sie aber nicht in den offiziellen Quellen dokumentiert sind, habe ich sie nicht präsentiert. Dies ist die Geschichte der Diplomatie und ihrer Akteure, die Regierungsmitglieder, Generalstäbe und Diplomaten umfasst. Die diplomatischen Geschicke zogen sich durch Europa, von Berlin bis Kreta und von Ankara bis Madrid. Der „Parallel-Krieg“ Italiens gegen Griechenland führte schließlich dazu, dass der ganze Balkan Schauplatz des Zweiten Weltkrieges wurde. Die Besatzung Kretas endete zum Beispiel erst am 8. Mai 1945, obwohl die Wehrmacht den Rest Griechenlands Ende Oktober 1944 schon verlassen hatte. Die Historiker sind sich bei der Beantwortung der Frage uneinig, was die Griechen dazu bewogen hat, die deutschen Vorschläge abzulehnen. Drei unterschiedliche Betrachtungsweisen und ihre Interpretation wurden vorgestellt: Die der strategischen Anknüpfung an Großbritannien, die der Angst vor den Briten, die eine Bedrohung für das Metaxas-Regime darstellten und die Argumentation Richters, es habe sich um einen deutschen Hinterhalt gehandelt. Metaxas sei bereit gewesen, den Schritt zu machen, sei aber dann von Hitler verraten geworden. Es ist also Aufgabe für die künftige Forschung eine tiefere Untersuchung der gesamten deutsch-griechischen Beziehungen während der zweiten Hälfte der 1930er Jahre aber auch die Intensivierung der Debatte über die Verwandtschaft zwischen den Faschismus, den Nationalsozialismus und das Regime der 4. August. 166 Richter 2010, S. 141 63 Schließlich entsteht der Bedarf nach einer Forschung der Haltung der Diplomaten: Sowohl die deutsche als auch die italienische Gesandtschaft in Athen versuchten ihren Vorgesetzten ein Bild zu vermitteln, dass die griechische Führung ehrlich sich um die Neutralität bemühte. Versuchten damit die Diplomaten ihrer persönliche Position zu schützen? Der Krieg nahm ihnen ihre Rolle weg. Man könnte daher ihre beruhigenden Meldungen als Teil eines Versuchs interpretieren, ihre engen persönlichen und beruflichen Interessen zu schützen. 64 Quellen- und Literaturverzeichnis I. Dokumente Elliniká Diplomatiká Éggrafa 1940-1941. (Griechische diplomatische Dokumente1940-41), Athen 1980 (Außenministerium) Akten zur Deutschen Auswärtigen Politik, Serie D, Bd. X und XI. Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes, Mikrofilme F 408, F409 und F410 Public Record Office, Foreign Office, Political (Southern), Greece, F.O. 371 II. 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S. 417-514 Woodhouse, Chris M., Apple of Discord, London 1948 68 Humboldt‐Universität zu Berlin Philosophische Fakultät I Institut für Geschichtswissenschaften Name: ______________________________ Vorname: ________________________ Matrikelnummer: __________________ EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG zur o Hausarbeit o Magisterarbeit o Bachelorarbeit o Masterarbeit Ich erkläre ausdrücklich, dass es sich bei der von mir eingereichten schriftlichen Arbeit mit dem Titel: __________________________________________________________________________________ __________________________________________________________________________________ um eine von mir erstmalig, selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasste Arbeit handelt. Ich erkläre ausdrücklich, dass ich sämtliche in der oben genannten Arbeit verwendeten fremden Quellen, auch aus dem Internet (einschließlich Tabellen, Grafiken, u.Ä.) als solche kenntlich gemacht habe. Insbesondere bestätige ich, dass ich ausnahmslos sowohl bei wörtlich übernommenen Aussagen bzw. unverändert übernommenen Tabellen, Grafiken u. Ä. (Zitaten) als auch bei in eigenen Worten wiedergegebenen Aussagen bzw. von mir abgewandelten Tabellen, Grafiken u. Ä. anderer Autorinnen und Autoren (Paraphrasen) die Quelle angegeben habe. Mir ist bewusst, dass Verstöße gegen die Grundsätze der Selbstständigkeit als Täuschung betrachtet und entsprechend der Prüfungsordnung und/oder der Allgemeinen Satzung für Studien‐ und Prüfungsangelegenheiten der HU (ASSP) bzw. der Fächerübergreifende Satzung zur Regelung von Zulassung, Studium und Prüfung der Humboldt‐Universität zu Berlin (ZSP‐HU) geahndet werden. Datum: ____________ Unterschrift: __________________________ 69