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Die Erneuerung des Limeskastells Aalen vom Jahr 208 n. Chr.
Karlheinz Dietz
Zusammenfassung:
Die Überprüfung von fiinf unlängst vorgelegten fragmentierten Bauinschriften aus den Principia des Reiterkastells Aalen ergibt, daß mit großer Wahrscheinlichkeit alle fünfTexte aus dem Jahr 208 stammen, als
unter dem rätischen Statthalter Scribonius Acutianus
und einem namentlich fast völlig verlorenem Alenpräfekten grundlegende Restaurierungsarbeiten erfolgten. Zwei Inschriften betrafen wohl die Erneue·
rung der Lagerumwehrung, die übrigen galten
irgendwelchen lnnenbauten, wobei sicher nicht
Capi]tol[ijum cum pri[ncipiis, sondern prjaetor[i]um
cum pri[ncipiis restituiert wurden.
Summary:
The revision of five recently published inscriptions
from the principia of the horsemen camp of Aalen
reveals that all of the five texts most probably date
from to the year 208, when und er the govemorofRaetia Scribonius Acutianus and a praefectus alae, whose
name is almost totally lost, fundamental restorations
took place. Obviously two ofthe inscriptions concerned the renewal of the fortification of the camp, the
others referred to some kind of interior buildings.
Whereby surely not the Capijtol[i]um cum pri[ncipiis
but the prjaetor[i}um cum pri[ncipiis was restored.
Resume:
Apres verification des cinq inscriptions fragmentaires
des Principia du Camp d'aile d:Aalen, il semblerait
que les cinq textes datent toutes de l'an 208, annee
pendant laquelle furent entrepris des travaux de
restauration sous le Iegat de Ia Rhetie Scribonius Acu·
tianus et un prefet d'aile dont le nom n'a pu etre rapporte. Deux inscriptions portaient sur Ia reconstruction du sysreme de defense du camp,les autres se イ・ヲセ@
raient ades constructions interieures quelconques. A
ce propos, il faut lire prjaetor[i]um cum pri[ncipiis et
non pas Capi]tol{i]um cum pri[ncipiis.
An einem sonnigen Freitag im Juli 1971 haben Sie,lie·
ber Herr Torbrügge, mir Überreste des römischen
Limes zum ersten Mal in natura nahegebracht Die
Eintagesexkursion im Rahmen eines der damals so
üblichen (und meine Studienzeit so prägenden) interdisziplinären Seminare führte eine kleine Mannschaft
auf relativ kurzer Route nach Burgsalach, Pfiinz, Böhming, Kipfenberg und Hienheim. Nach diesem
schweißtreibenden Anfang ließ uns der obergermanisch-rätische Limes auch in den Folgejahren nicht
mehr los: Mit der Ausweitung des Blickwinkels wurden auch die Touren erheblich länger und die Surveys
intensiver. Zahlreiche fachliche und menschliche
Begegnungen dieser "Studienreisen" bleiben unvergessen und wirken - wie folgender kleiner Beitrag
beweisen soll - nach.
In guter Erinnerung ist mir die unausgesprochene,
aber deutlich spürbare Enttäuschung aller Teilnehmer, als wir zum ersten Mal nach Aalen kamen, zu
jenem Reiterkastell, das mit 6,07 ha einst größtes
Auxiliarlager am rätischen und obergermanischen
Limes war, und in dem seit etwa 150 n. Chr. eine der
bedeutendsten Auxiliartruppen nördlich der Alpen
kampierte. Überreste der ala /I Flavia miliiaria piafideliswaren kaum zu sehen, das noch relativ junge Limesmuseum bot ein wenig Ersatz; konnte aber natürlich
die heutige Wirkung nicht erzielen. Allenfalls tröstete
das Diorama phantasievoll darüber hinweg, daß man
von 、・セNZ@
Baugeschichte des Lagers fast noch weniger
wußte als von der dort stationierten Einheit; nahm
sich doch auch der Inschriftenbestand fiir diese
schlagkräftige Einheit bis vor kurzem eher bescheiden aus 1• Dank des Ausgräberglücks von Dieter
Planck hat sich beides in den letzten Jahren nicht
1 IBR 301-303 (dazu weiteres bei G. AlfOldy, Fundber. BadenWürttemberg I4, 1989, 293 Anm. 2); M: Hörig u. E. Schwertheim,
Corpus Cultus Iovis Dolicheni (CCID) (Leiden etc. 1987) 303 f.
Nr. 476 Taf. 106 (vgl. AlfOldy ebd. 316 Anm. 57); ferneCPh. Filtzinger, Limesmuseum Aalen (Stuttgart 1991 4 ) 19 f.
243
Acta praehistorica et archaeologica 25 ( 199 3)
unwesentlich zum Besseren gewendet 2• Im Zuge der
vollständigen Freilegung der Aalener Principia
kamen zwischen 1981 und 1984 auch 227 Inschriften·
fragmente zutage, welche Geza Alföldy in mühseliger
und verdienstvoller Kleinarbeit geordnet und 16 verschiedenen epigraphischen Monumenten zugewiesen hat. Nach einem Vorbericht3 steht seit einiger Zeit
die endgültige Publikation zur Verfügung4 •
Besonders bemerkenswert sind die Reste mehrerer
Bauinschriften, von denen eine aus dem Jahr 163 oder
1645 , eine angeblich aus der Regentschaft des Commodus und schließlich mindestens drei aus dem Jahr
208 stammen. Leider ist der Erhaltungszustand so
schlecht, daß die Erwähnung der jeweiligen Bauobjekte weitgehend verloren ist. Auf einem der Steine
aus dem Jahr 208 vermochte der Erstherausgeber
allerdings Capij/to/{i]um cum pri[ncipiis]zu ergänzen,
woraus eine bislang unbekannte und auch unerwartete Bezeichnung des Fahnenheiligtums als Capitolium zu erschließen war6 •
Jeder, der das mühselige Geschäft eines Inschriftenpuzzles selbst einmal betrieben hat, weiß um die
Schwierigkeiten dieses Unterfangens und um die Fallstricke, die bei jeder Rekonstruktion lauern. Auch
die Wiederherstellung der Aalener Bauinschriften
scheint auf Anhieb nicht vollständig geglückt zu sein,
so daß zusätzliche Bemerkungen angezeigt sind. Zum
besseren Verständnis sei es zunächst gestattet, die
Texte der Editio princeps wiederzugeben1, ehe eine
eigene Erklärung versucht wird:
[2] = AE 1989, 580
[L(ucio)j Sept(imio)
{ljmp(eratori) {cェ。・セHイゥI@
Severb P[io Pe]n[inacij
{Ajug(usto), {aイ}エ[セ「Hゥ」ッIL@
Adiab(enico) f{arjt(hico)
m"ax{imo), {pont(iflci) max(imo)j, ·
{tfrib(unicia) {pojt(estate) XVf, fm{p(eratori) XIL
co(n)s(uli) lll proco(n)s(uli), p(atri) p(atriae), etj
[mp(eratori) [Cajes(ari) M(arco) [Aurel(io) Antonino
Pio Fel(ici)j
2
Dazu zusammenfassend D. Planck, Das Kastell der Ala li Flavia in Aalen. Aalener Jahrb. 1988, 66-83; zur Südecke R. Krause,
Arch. Ausgr. in Baden-Württemberg 1988 (1989) 87-91; jetztliegt
ein exzellenter Plan mit dem Kommentar D. Plancks vor: Aalen,
Ostalbkreis: Archäologischer Plan des römischen Kastells.Hrsg. v.
Landesdenkmalamt Baden-Württemberg 1992.
3
G. Alföldy, Die Inschriften aus den Principia des Alenkastells
Aalen (Vorbericht). Mit einem Beitrag von Vera Weinges. Studien
zu denMilitärgrenzen Roms, III: 13. Internationaler Limeskongreß
Aalen 1983, Vorträge (Stuttgart 1986) 69-73.
4
G. Alföldy, Die Inschriften aus den Principia des Alenkastells
Aalen. Mit einem Beitrag von Vera Habicht-Weinges. Fundber.
Baden-Württemberg 14, 1989, 293-338; diese Publikation wird im
folgenden nur mit dem Verfassernamen zitiert. Die wichtigsten
244
5 Au[g(usto), trijp(unicia) p[ot(esfilte) XL co(n)s(uli)j
IIL im[p(eratori) IL proco(n)s(uli) etj
{ヲHセ「ゥI@
$[ept(imio) Getaej c。セウHイゥI}ェL@
{al(a) ll
Fl(avia) ( milliaria) p(ia) f(idelis)I
[cui praeest-- -jius +{-- -, sub curaj
[--- Acutianoj, c(larissimi) [v(iri), lejg(ati) Au{gg. ( =
Augustorum ·duorum) pro praet(ore)j
{provinciae Raet]fae, [pr}fn[cipia restituit].
= AE 1989, 581
[lmp(eratori) Caes(ari) L(ucio) Sept(imio) Severo
Pio Pertinacij
[Aug(usto), Arab(ico), Adiab(enico), Part(hico)
max(imo), pont(iflci) max(imo)j,
{trib(unicia) pot(estate) XVI, co(n)s(uli) IIL
i]mp(eratori)%_/[,{proco(n)s(uli);p(atri)p(atriae),
etj"
lmp(eratori)
Caes(ari)
M(arco)
{Aurel(io)
Antjon[ino Pio Fel(ici)j
5 Aug(usto), trib(unicia) p{ot(estate) XL co(n)s(uli)
lll imp(eratori) ll proco(n)s(uli) etj
.
al(a) ll
f{f(ublio) S[e}p!(imio) [Getjae c。セサウHイゥIェL@
F/(avia) (mllliaria) p(ia) f(idelis) Cjq,p{i}to!fijum cum prf[ncipiis vetustjat{ej
·
conlap{sis restituit sub cura - - -]
aサセOエゥ。AjL@
c(larissimi) v(iri), leg(ati) Au[gg. (=
Augustorum duorum) pro praet(ore)}.
[3]
[4} =- AE 1989, 582
Severoj
[lmp(eratori) Caes(ari) L(ucio) sェセヲーエHゥュッI@
Pio [Pertinacij
{Aug(usto), Arab(ico)j, Adtap(enico), {Part(hico)
max(imo), pont(iflci) max(imo)j,
[trib(unicia) pot(estate) X]VL,, iJ;np(eratori) Xl[L
co(n)s(uli) lll proco(n)s(uli). p(atri) p(atriae), etj
[lmp(eratori)
Caes(ari)j M(arco) Aur(elio)
Anftonino Pio Fel(ici)j .
5 [Aug(usto) trib(unicia)j pot(estate) <X> l
f{mp(eratori) ll co(n)s(uli} IIL proco(n)s(uli) etj
[[P(ublio) Sept(imio) Getae Caes(ari)]j, al(a) [ll
Inschriften auch bei Filtzinger (Anm. I) 270-274 Abb. 168-173;
vgl. 263.
5 AE 1986, 528 • 1989, 579; vgl. die Inschrift aus der Zeit des
Severus Alexander 1986, 529.
6 AusfUhrlieh kommentiert bei Alföldy·3H-316; zum .Capitolium" Aalens etwa H. Schönberger, Ber. RGK 66, 1985, 485; P. Filtzinger, D. Planck u. B. Cämmerer, Die Römer in Baden-WürtteminSüdberg(Stuttgart 1986 3) 208;D.Planck u. wNb・」ォLdイlゥュセ@
westdeutschland (Stuttgart 1987 2) 125; Ptanck, Das Kastell (Anm.
2) 70; Filtzinger (Anm. I) 265; Planck, Archäologischer Plan
(Anm. 2) 13; M. Junkelmann, Die Reiter Roms II (Mainz !991) 83;
92.
7
Dabei verweisendie Zahlen in eckigen Klammem aufdie Nummern der Inschriften in der Erstedition.
Dietz, Die Erneuerung des Limeskastells Aalen
Fl(avia) (milliaria) p(ia)f(idelis)--- (Objekt) j
[vetustate cojnla[ps.. restituitj
[sub cura --- Ajcutia[ni leg(ati) Au[gg. ( = Augustorum duorum) pro pr(aetore)]
[5) = AE 1989, 583
[--- cjo(n)suli !! oder !!fl oder !!fll, ---(Objekt) j
ffeci}t al(a) n f[l(avia) (milliaria) p(ia)f(idelis), cui
praeestj
[-- -jr(...) Vetus p[raef(ectus) ---sub]
{cura -] Scribon[i - - -}
[leg(ati) Aug(usti)] pr(o) pr(aetore) pr[ovinciae Raetiaej.
·
··
[6]
=
AE 1989, 584
[--- a/(a) !I Fl(avia) (milliaria) p(ia) f(idelis), cui
praeestj
L(ucius) Vif---}
suf? [cura-- -leg(ati)Aug(usti)j
pr(o) [pr(aetore) provinciae Raetiae--- (Objekt) j
ffecitj oder [restituitj.
Beginnen wir mit Text [5}, für den die Erstveröffentlichung die Datierungsmöglichkeit in die Zeit des
Commodus ins Auge faßt 8• Die dort erwogene
Gleichsetzung des neuen rätischen Legaten Scribonius mit C. Scribonius Genialis, der 161/169 oder 177 I
180 legatus legionis I Minerviae war, ist natürlich nur
"stark hypothetisch", und paläographisch zeigt die
Inschrift Ähnlichkeiten sowohl mit dem Text von 163
oder 164 (breite, runde 0 und C) als auch mit den Steinen von 208. Mit letzteren "verbinden diese Inschrift
die niedrigere Buchstabenhöhe, die z.T. nach rechts
geneigten Buchstaben, der Gebrauch von Ligaturen,
ferner vor allem die Existenz konsequent durchgezogener Hilfslinien für die einzelnen Schriftzeilen und
die Form der Interpunktionen mit der nach oben
gekehrten Spitze". Nicht zu übersehen sind ferner die
deutlich hochgezogenen Querbalken des A. Daher
wird man dem Erstherausgeber zustimmen, wenn er
für diesen Thxt auch noch einen Ansatz "um die
Wende vom 2. zum 3. Jahrhundert" für möglich hält.
Energisch widersprechen muß man indessen der
Behauptung, sie beziehe "sich ... mit Sicherheit ... nicht
auf die Restaurierungsarbeiten von 208, da im Jahre
208 nicht Scribonius, sondern Acutianus Legat
Rätiens war". Dies überzeugt natürlich, wenn man für
den rätischen Legaten Scribonius das Kognomen
Genialis bereits im Hinterkopf verfestigt hat, unvoreingenommen könnte man indessen mit,demselben
Recht behaupten, im Jahre 208 könne Septimius mit
Sicherheit nicht römischer Kaiser gewesen sein, weil
dies damals Severus war! Da Scribonius-ein Gentilname, Acutianus aber ein Kognomen ist, was hindert
uns daran, zumindest als Arbeitshypothese für 208
einen rätischen Statthalter für möglich zu halten, der
Scribonius Acutianus hieß? Allenfalls die den Erstherausgeber verlockende Annahme 9, die Inschrift des
Scribonius gehöre möglicherweise "zu einer paläographischen Entwicklungsstufe ..., die zwischen derjenigen der Bauinschrift aus dem Jahre 163 oder 164
und derjenigen der mehr als vier Jahrzehnte späteren
Texte liegt". Diese Möglichkeit wird freilich rasch
durch einen Vergleich der Texte [2], [3] und [4]
zunichte gemacht. Weisen doch diese zeitgleichen
Inschriften recht deutliche Unterschiede hinsichtlich
der Ausführung etwa der Proportionalität, der Buchstabentiefe und -dicke auf. Die Bearbeitung von (2]
und [3] wirkt insgesamt zierlicher als die von [4], aber
auch [2] ist im Gesamteindruck wuchtiger als [3], so
differieren etwa auffallend die T, und hinsichtlich der
Dipla steht [2] der Tafel [5] sogar näher als [3}. Soll
man mit derlei Behauptungen auch vorsichtig sein, so
wird man allein aufgrund der Texte [2] bis {4] für das
Jahr 208 in Aalen mindestens zwei, wenn nicht drei
Steinmetze am Werk annehmen. Dannaber kann {5J
von einem weiteren stammen, und die vermeintliche
paläographische Zwischenstufe könnte ihre コキ。ョァセ@
lose Erklärung beispielsweise im höheren Lebensalter dieses Handwerkers finden.
Gar nicht einleuchten will die Behauptung der Erstpublikation 10, in der dritten erhaltenen Zeile von [5}
habe die Buchstabenfolge ]R.VETVS[ zu einem Personennamen gehört, und zwar sei einem abgekürzten
Gentilnamen wie z.B. Aujr(elius) oder Vetujr(ius) ein
Kognomen 1-f!tus, W!tus[tusj oder Vetus[tinusj gefolgt,
denn (so in Parenthese): "an einen Rest der Formel
vetustate con/aps ... ist hier wohl kaum zu denken".
Vielmehr liege die Annahme am nächsten, "daß wir es
mit dem Namen des Präfekten dieser Aalener. Truppe
zu tun haben 11 , der an dieser Stelle - ähnlich wie vermutungsweise auch in den Inschriften Nr. 2 und 6mit der Formel cui praeest- genannt wurde". Hier
wird eine "vermutungsweise" vorgenommene Ergänzung zur Grundlage einer weiteren anstatt - methodisch einwandfrei - die Analogien aus gesicherten
Formularteilen zu deduzieren. Tatsächlich ist doch
auf den beiden sicher gleichzeitigen Inschriften [3]
8
Zum Folgenden Adölfy 322 f.
Ebd. 322: "Es wäre verlockend anzunehmen, ...".
10
Ebd. 321.
11
Er hat bereits Eingang in die gründliche Sammlung H. Devijvers
gefunden: A New Volume of the Prosopographia Militiarum Equestrium. Zeitschr. Papyrolog. Epigr. 89, 1991, 179-187, hier: 185 V
140 bis; vgl. Filtzinger (Anm. I) 265.
9
245
Acta praehistorica et archaeologica 25 (1993)
und [4) jeweils in der vorletzten Zeile das zweite Wort
der vetustas-Forrnel gesichert (Nr. 3: conlaps[- ·]; Nr. 4:
cojnla[ps --}, wobei nach den angebotenen Rekon·
struktionen veustateeinmal am Beginn der vorletzten,
das andere Mal am Ende der drittletzten Zeile gestanden haben müßte. Angesichts dieses Sachverhalts ist
ein nicht näher präzisiertes "wohl kaum" schwerlich
Argument genug 12 , um ein drittes Auftauchen der
Bauformel in einer vorletzten Zeile von der Hand zu
weisen. Im Gegenteil: da, wie gesagt, kein objektiver
Grund die Möglichkeit verbietet, auch [5] in das Jahr
208 zu datieren, bestätigt das ]R vetus![ate conlaps- -in
Inschrift [5) eher die Richtigkeit der Ergänzung dieser
vetustas-Formel in [2] und [4).
So gelangen wir von selbst zur Frage des Formulars
der neuen Inschriften. Diesbezüglich muß den Ergänzungen des Erstherausgebers zufolge in Aalen einige
Verwirrung geherrscht haben. Schematisiert müßten
den Rekonstruktionen folgende Formulare zugrunde
liegen:
[2] (a) Kaiser im Dativ- (b) [Einheit im Nominativ]
- (c) Präfekt [cuipraeest}- (d) Legat [sub cura](e) Objekt- (t) [Verb];
[3] (a) Kaiser [im Dativ]- (b) [Einheit im Nominativ]- (c) Objekt- (d) [Verb) mit vetustas-Formel
- (e) Legat [sub cura];
[4] (a) Kaiser im Dativ - (b) Einheit im Nominativ (c) [Objekt]- (d) [Verb] mit vetustas-Forrnel- (e)
Legat [sub cura];
[5] (a) Kaiser im Dativ- (b) [Objekt]- (c) [Verb](d) Einheit im Nominativ - ( e) [Präfekt cui praeest] - (t) Legat [sub cura];
[6] (a) [Kaiserim Dativ]- (b) [Einheit im Nominativ]-(c)Präfekt {」オゥーイ。・ウセ@
-(d) Legatsub(cura}
- (e) [Objekt]- (f) [Verb].
Besonders fallt auf, wie wenig sichere Formularteile
vorhanden sind. Insbesondere ist weder die sub curaFormel noch cui praeest erhalten. Erstere könnte sich
allenfalls bei Text [6] hinter sub[- - verbergen, jedoch
kann diese Präposition - sofern sie nicht überhaupt
zu einer Bauformel mit dem Verb substituere oder zu
einem Namen wie Subartanus gehörte .;... auch alleine
und ohne Hinweis auf die cura dem Namen des verantwortlichen Statthalters voranstehen 13 • Cui praeest fin-
12
Hintergedanke war wohl, daß unter Commodus ein vetustate
con/aps ... noch nicht sonderlich wahrscheinlich ist.
13
Belege sind zahlreich RIB 283; 589; 929; !083; 1276; 1322;
1329; 1463; 1706; 1909; 1914; 2110; IDR II 575 f. usw.
14
RIB 1914 (CSIR 16,266 Taf. 69); AE 1963,281; 1969, 237; 329
usw. Alf61dy 305 Anm. 18.
15
Ein Punkt ist hinter dem S von vetus nicht einmal ansatzweise
erhalten, und auch die möglichen Spuren einer senkrechten Haste
246
det sich auf Militärdiplomen und Weihungen von
Auxiliareinheiten häufig, 。オヲbセイゥウ」ィエ・ョ@
sehr viel
seltener als andere Floskeln wie instante, curtmte
usw. 14• Anders als diese Partizipialkonstruktionen verlangt sie aber den Präfektennamen im Nominativ, wie
er nach der Editio princeps tatsäeblich in [2], [5] und
[6] aufzutreten scheint. Sieht man näher zu. so ist zum
ersten vetus in [5} selbst dann, wenn es wirklich zu
einem Namen und nicht vielmehr zur vetustas-Formel
gehörte, keineswegs sicher ein Nominativ, weil z.B.
Vetust[inoj denkbar wäre 15 • Zweitens ist in der ersten
erhaltenen Zeile von [6] der Punkt nach L alles andere
als sicher 16 • Das vermeintliche Diplum, das sehr hoch
angesetzt worden wäre 17, erwies sich am Stein mit
größter Wahrscheinlichkeit als zufällige Oberflächenverletzung, da ihm zum einen die klaren, von Meißelspitzen herrührenden Konturen fehlen, die die Punkte
- wie üblich - auf allen übrigen Aalener Bauinschriften zeigen, und zum anderen die Eintiefupg viel seichter ist als die glatten Schnittkanten der Lettern. Ganz
eindeutig erkennbar ist in der darüberliege1,1den, weitgehend abgebrochenen Zeile der von der Erstedition
übergangene Rest einer Rasur. Trotz ー。ャ¦ッァイィゥセ@
scher Besonderheiten scheint das Formular dieser
Inschrift "ungefähr demjenigen der bisher behandelten Inschriften entsprochen. zu haben" 18 • Vergleicht
man dazu Text [3}, so müßte LVI eher zur Kennzeich·
nung des Bauobjekts gehört haben, Damit hängt letztlieh alles an- -Jiusin Zeile 7 von [2]19• Der Ersteditor
hat keinen der Buchstaben mit einem Punkt versehen,
dies wäre jedoch zumindest für das V angebracht
gewesen, da dessen Lesung alles a,ndere als sicher, ja
sogar im höchsten Maße unwahrscheinlich ist. Läuft
doch das V auch in dieser Inschrift unten spitz zu 20,
was fiir den in Frage stehenden Hastenrest nicht der
Fall ist; überdies scheint die rechte obere Bruchkante
dieses Fragments fiir ein V viel zu schräg zu sein, und
schließlich verdankt die nominativische Endung
eines Gentilnamens -ius ihr Dasein der Verbindung
von nicht zusammenstoßenden Fragmenten21 • Da
darüberhinaus nicht einmal das I sicher ist, gibt es
keine ausreichende Grundlage für die Annahme eines
Personennamens im Nominativ. putscheidend aber
ist, daß die rekonstruierten Formulare von [2], [5] und
[6] ·dem ·Grundsatz der dignitas widersprechen, der
sind denkbar gering.
16
Bestreiten möchte ich auch ein verkleinertes V, das die Rekonstruktionszeichnung Alf6ldy 324 Abb. iJ nach dem L nahelegt.
Der vermeintliche Präfekt L. Vi[- ·I findet sich bei Devijver (Änm.
11) 185 V 86 bis.
17
Vgl. nämlich Inschrift (5) Zeile 2 bei Alfoldy 320.
18
A1fotdy 323.
19 Devijver (Anm. 11) 185 f. Inc. 67 bis.
Dietz. Die Erneuerung des Limeskastells Aalen
2.1
2.2
2.9a..,..b 2.6a-b
2.3
2.7
2.8
2.4
2.13a-b
2.5
2.1 2 2. 15 2.16
2.14
2.11
o..._..,;s'===--=:::;20cm
Abb .. l: Bauinschrift Nr. 2 aus den Principia in Aalen; veränderter Rekonstruktionsversuch (Grundlage von G. Alfoldy).
auflnschriften staatlich-militärischer Akte die hierarchische Reihung der beteiligten Beamten verlangte.
Mögen solche Verstöße gegen die staatliche Ordnung
und die militärische Disziplin auf den niederen Kommandoebenen gelegentlich vorgekommen sein (Beispiele sind mir im Moment nicht parat), so wird niemand glauben, daß ein hochqualifizierter, erfahrener
und im Normalfall ehrgeiziger ritterlicher Offizier wie
der Präfekt einer ala mil/iaria solche gleich mehrfach
geduldet hätte. In jedem Fall aber sollte man sie für
Ergänzungen nur dann in Betracht ziehen, wenn
zwingende Gründe alle anderen Möglichkeiten verschließen. Dies ist indessen nicht der Fall!
Da in [6] der untere Rand des Schriftfeldes erkennbar
ist, und die fünftletzte Zeile mit einer Rasur beginnt,
beobachten wir - abgesehen vom fehlenden Vacat in
der letzten Zeile - eine ganz ähnliche Konstellation
wie bei [3]. Wir dürfen daher hier wie dort die Eradie·
rung Getas postulieren und, wie angedeutet, die Buchstabenreste zu Beginn der Folgezeile zum Bauobjekt
rechnen. Vorstellbar wäre etwa sacelfllutrZ, ォ。ウエ・ャェオセ@
oder va/]1/um. Da aber saceflum als Bezeichnung für
das "Fahnenheiligtum" nur auf Vermutungen beruht2 2
20
und denkbare Formeln wie al(a) // Fl(avia)(milliaria)
p(ia) f(idelis) kastel]llum [vetustate conlapsum restituit]
I sub[--, al(ae) II Fl(avtae) (milliariae) p(iae)f(idelis)
kastel]llum [cum ponis et muris restitutum] I sub {セ@ •
oder auch.al(ae) n Fl(aviae) (milliariae)p(iae)j{idelis)
kastel]llum fcum portis et muris lapidibusj I sub[stitu·
tum Scribonio Acutiano leg(ato) Augg(ustornm)] I pr(o)
[pr(aetore) et +I- 15 praef ·-]I (vacat) f- (vacat).]- -23
entweder ohne Analogie 24 oder vermutlich doch zu
lang sind, wird folgende Ergänzung vorzuziehen
sein:25
[[[P(ublio) Sept(imio) Getae Caes(ari)jj, ala II Flavia (milliaria) p(ia)f(idelis) val]- 31
/um [cum portis et turribus restituit] 31
ウオセ@
[Scribonio Acutiano leg(ato) Augustor(um)j 31
pr(o) [pr(aetore) et oder cur(ante) - - praef(edo)/
(vacat) [alae milliariae2 6 eiusdem. (vacat).j
Das Formular wird wohl im Wesentlichen das Richtige treffen. Die Wahl der Bauformel könntedurch ein
gewisses Konkurrenzdenken der Ala Milliaria in
Bezug auf die sie in den siebziger Jahren des 2. Jahr-
22
AlfOldy 302 Abb. 4: Fragmente 2,6a; 2,7; 2,9.
Ebd. Fragmente 2.14 und 2.12. Nach der zeichnerischen Rekonstruktion Alföldys (303 Abb. 5) müßte es sich bei dem I- wenn es
denn ein solches war - um einen Kleinbuchstaben gehandelt
Früher ftir das "Fahnenheiligtum" erwogen, siehe Alföldy 312
m.Anm.32.
23 AE 1983, 7 30. Vgl. K. Dietz, Chiron 13, 1983, 505 f.
24 Zu Begriffen wie castra, castellum Y. Le Bohec, La troisieme
haben; tatsächlich sieht man auf dem Foto (Alf6Idy 302 Abb. 4)
Iegion Auguste (Paris 1989) lll f.
21
. unterhalb der unteren Serife eine deutliche Rißlinie, die auf der
Zeichnung fehlt bzw. viel weiter unten, außerhalb des erhaltenen
Bereichs steht.
25 Exempli gratia, versteht sich: ein paar Buchstaben mehr oder
weniger je Zeile sind bei dieser Schrift kein Problem.
26 Hierzu weiter unten im Text.
247
hunderts von ihrem alteingestammten Rang als vornehmste Truppe in Riitien verdrängende Regensburger Legion veranlaßt worden sein: 7• Wie dem auch
sein möge. wir haben in [6] mit großer Wahrscheinlichkeit den Rest einer Lagertorinschrift aus dem Jahr
208 n. Chr. vor uns. Betrachtet man nunmehr die bisherige Ergänzung von [2]. so fallt auf daß hier Objekt
und Verb am Ende genannt sein sollen. Natürlich
wäre das möglich. Nur fragt m31n einmal nach den
Gründen für die (unter:;tellte) Vielfalt gleichzeitiger
Bauformulare. zum anderen aber angesichts der
Lesung Capif/tol[ifum cum pri[ncipiis/ in [3], warum
die Restitution der /prfin[cipia auch noch in [2], also
zweimal inschriftlich gewürdigt worden sein soll?
Rekonstruiert man hingegen Inschrift [2] um eine
Zeile länger als bisher. indem man die entsprechenden Fragmente 28 auseinanderrückt so wird dies nicht
nur den unterschiedlichen Abständen der Rißlinien
auf beiden Bruchstücken gerecht. es ergibt sich auch
eine analoge Rekonstruktion zu [6]. Dementsprechend sei für [2] vorgeschlagen (Abb. I):
Abb. 2: Detailaufnahme der Bauinschritl Nr. 3 aus den
Principia in Aalen (Foto W ürttembergisches Landesmuseum Stuttgart).
Parallele dastehenden Restitution wie Capij/tolfijum
mm pri[ncipiisj einer Überprüfung Wert sein.
Die Erstveröffentlichung hielt für den dritten Buchstaben am Beginn der 4. Zeile von Fragment 3.1. an
welchen ein kleiner Rest (Fragment J.la) anpaßt.
grundsätzlich nur die Lettern. D. L L. N und T für
möglich. schloß sodann aber alle außer L aus. Entscheidend ist der rechte Rand von Fragment 3.1 a. das
wesentlich schmäler ist als Abb. 5 der Erstedition
:· IBR 362: dazu vorläutig K. Dietz. Chiren 19. 1989.424-429.
:s Alföldy Abb. 4 Fragmente 2.12 und 2.13.
:v Vgl. die Belegsammlung bei J. E. Bogaers in: Studien zu den
Militärgrenzen Roms. 111: 13. l nternationaler Limeskongreß Aalen
!983. Vorträge (Stuttgart 19861 133 Anm. 25.
248
[ljmp( eratori) /Cfaes( ari) [L(ucio)} Sept(imio)
Severo Pflo Pejrt[inacij
[Ajug(usto), fArjab(ico), Adiab(enico), P[arjt(hico)
m·ax(imo ), fpc;nt(ffici) max(imo )/. .
(tjrii?(unicia) fpojt(estate) XV,l jm[p(eratori) Xll
co(n)s(u/i) l/lproco(n)s(uli), p(atri) p(atriae), etj
fmp(eratori) [Cajes(ar!J J1(arco) [Aurel(io) Anto· nino
Pio Fe/(ici)j
p[ot(estate) XI, co(n)s(uli)f
5 Au{g(usto), エイゥェセHキコ」。I@
!fl fi!l(p( eratori) ll proco(n)s(uli) etj
[[P(ublio J$fepl( imio) Getaej c。セウH@
ari)jj, [ala !I F!avia (milliaria) p(ia)j(idelis) ml/[lum cum portis etwrribujs !festituitj
[sub Scribonio Acutiano. /ejg(ato) Aufgustor(um)/
[pr(o) pr(aetore) et oder cur(ante) +/- 14/[n[o
prat;j(ecto)j
(vacat) {alae mi/limjiae feiusdemj (vacat).
Mehrere ähnliche oder gleichlautende Lagertorinschriften waren nichts Ungewöhnliches 29 • und der
nördlich der Alpen weit und breit exzeptionelle Rang
der Einheit erklärt zwanglos die stolze Hervorhebung
von mi!/iaria in der Schlußzeile. Gerade die Tatsache.
daß es sich bei [2] und [6] um bedeutsamere Bauinschriften. nämlich um Lagertorinschriften handelte.
dürfte der Grund dafür sein. warum diese Texte um
eine Zeile länger waren alsjedenfalls Inschrift [3], die
-wie schon die Erstedition sah- für die Ergänzung
des Präfekten keinen Raum läßt. Sie warwohl einst im
Innenbereich des Lagers angebracht. Freilich dürfte
das Fundament einer so außergewöhnlichen. ohne
Dietz. Die Erneuerung des Limeskastells Aalen
3.2
3.1
3.1 a 3.3
3.9
3.10
3.6a-b
0
3.5
3.8
3.4a-b
5
-==-
20cm
===.j
3.7
Abb. 3: Bauinschrift Nr. 3 aus den Principia in Aalen; veränderter Rekonstruktionsversuch (Grundlage von G. Alfoldy).
glauben machen könnte. Den wirklichen Sachverhalt
trifft schon eher die dortige Rekonstruktionszeich·
nung in Abb. 6. Der Freundlichkeit von Hans-Peter
Kuhnen verdanke ich ausgezeichnete Detailaufnah·
men, die einen korrekten Eindruck vermitteln (Abb.
2). Hier sieht man am linken Schriftfeldrand in etwa
halber Zeilenhöhe sogar den Anriß von Mittellinien.
Im Bereich der ersten Buchstaben treten diese ein kurzes Stück überall auf. Vielleicht hat der Steinmetz hier
ein Lineal angelegt. Nun ist in ungefährer Höhe der
beschriebenen Mittellinie von Zeile 4, und zwar links
von der rechten Bruchkante des Fragments 3.la eine
winzige Vertiefung auszumachen, wie sie zu einem
offen auslaufenden Bogen des P oder R gehört haben
kann. Da zudem in dieser Schrift der Abstrich des R
gelegentlich weit rechts angesetzt wurde 30, sehe ichda auch Fragment 3. 7 ohne weiteres verschiebbar istkeine Schwierigkeit, statt dem bisher akzeptierten L
ein R mit einem nachfolgenden kleinen I zu ergänzen
cum prf[ncipiis. Insund damit zu lesen: ーイェ。セOエッAヲゥオュ@
gesamt ergibt sich so ein durchaus viel weniger spektakulärer Text (Abb. 3):
[3J
30 Natürlich konnte das bei dieser unregelmäßigen Schrift erheblich variieren: weniger weit rechts ist der Ansatz des Abstriches in
derselben Zeile bei pR[incipiis, weiter bei Text Nr. 2.
2: SeveRo
und Z. 3. tRib.
31
Zur notwendigenUnterscheidungder Begriffe R. Fellmann. Die
Principia des Legionslagers Vindonissa und das Zentralgebäude
der römischen Lager und Kastelle (Brugg 1958 = Fortdruck aus
Jahresber. Ges. Pro Vindonissa 1956/57,5 tT. und 1957/58,75 ff.);
ders., Principia-Stabsgebäude. Stuttgart o. J. [1983}; vgl. noch H.
von Petrikovits, Die Innenbauten römischer Legionslager während
der Prinzipatszeit ( Opladen 197 5) 68-78; zuletzt die Hinweise bei
Le Bolec (Anm. 24) 116 Anm. 123.
z,
c
[lmp(eratori) Caes(ari) L(ucio) Sept(imio) Severo
Pio Pertinaci]
[Aug(usto), Arab(ico), Adiab(enico), Part(hico)
max(imo), pont(ifici) max(imo)j,
[trib(unicia) pot(estate) XVI, co(n)s(uli) lll,
i]mp(eratori) XII, [proco(n)s(uli), p(atri)
..
.
p(atriae), et}
Imp(eratori)
Caes(ari) M(arco) [Aurel(io)
Ant]91}[ino Pio Fel(ici)}
5 Aug(usto), trib(unicia) p[ot(estate) Xl co(n)s(uli)
!I/, imp(eratori) I/, proco(n)s(uli) et]
[[P(ub/io) S[ejpt(imio) [Get]ae Cae[s(ari)jj, al(a) !I
· Fl(avia) (mtÜiaria) p(ia)f(idefis) ーイェ。セᆳ
to!fi]um cum prf{ncipiis vetust}at[ej
conlap[s(um) restituit sub Scribonio]
a{」セエOゥ。スoL@
leg(ato)
Augustor(um) pr(o)
pr(aetore)j.
Danach hätte man 208 den Kommandantenpalast
(praetorium) und die Zentralgebäude des Lagers (principia) erneuert31 • Das Domizil des Kastellkomman·
249'
Acta praehistorica et archaeologica 25 ( 1993)
4.3a-c
4.4a-b
Abb. 4: Bauinschrift Nr. 4 aus den Principia in Aalen; veränderter Rekonstruktionsversuch (Grundlage von G. Alfoldy).
danten 32 , das ursprünglich den Mittelpunkt des
Marschlagers gebildet hatte, verlor auch im Standlager der Kaiserzeit "den Kontakt zu seinem ehemali·
gen Kontext nicht. Im Idealfalle nämlich rückte das
Praetorium des Kommandanten hinter die Principia
und setztemit diesen achsengleich die alte Einheit fort
... Im anderen Falle wurde es seitlich neben die Princi·
pia plaziert, welches Modell in den meisten Kastellen
an den Limites die Regel ist..." 33• Auch in Aalen hat
man südöstlich neben den Principia die auch aus der
Luft sichtbaren Spuren eines Wohngebäudes ent·
deckt, die man schon früh als "Quartier eines oder
mehrerer Offiziere" 34 ansprach und die sich am Ver·
lauf der Principia orientieren35 ; Ist das Nebeneinan. der von Principia und Praetorium anderweitig auch
epigraphisch gut belegt36, so stellt selbst die Nennung
des Praetoriums an erster Stelle kein Problem dar. In
32
Fellmann, Vindonissa (Anm. 31) 89-92; ders., Principia-Stabs·
gebäude (Anm. 31) 23 f.; vgl. auch A. Johnson, Römische Kastelle
des I. und 2. Jahrhunderts n. Chr. in Britannien und in dengermani·
sehen Provinzen des Römerreiches (Mainz 1987) 152 f.; 335 m.
Anm. 79.
33
Fellmann, Principia·Stabsgebäude (Anm. 31) 23 f. Sachlich und
terminologisch zu unterscheiden sind von diesen militärischen
praetoriadie Statthaltersitze, hierzu A. Martin, Praetoriaas Provin·
cial Governor's Palaces. In: M. Pierart u. 0. Curty (Hrsg.), Historia
testis. Melanges d'epigraphie, d'histoire ancienne et de philologie
otferts a T. Zawadzki (Fribourg 1989) 229-240; R. Haensch,
Geschichte in Köln 33, 1993, 17- 19.Eine ausfUhrliehe Sammlung
der epigraphischen Belege für praetoria bietet R. Jucca, in: A.
Mastino (Hrsg.), D\frica romana 9 (Sassari 1992) 627-636.
250
anderer Form findet sie sich auch in Birdoswald am
Hadrianswall:37 praet(orium) quod, erat humo
co(o)pert(um) et in labe(m) conl(apsum) et princ(ipia)
et bal(neum) rest(ituit).
Dem Formular (a) Kaiser im Dativ- (b) Einheit im
Nominativ- (c) Objekt- (d) Verb mit カ・エオウセfッイᆳ
mel- (e) Legat mit sub lassen sieb ohne weiteres auch
die beiden noch übrigen Texte einpassen (Abb. 4 ):
[4]
[Imp(eratori) Caes(ari) L(ucio) Sf!![Pt(imio) Severoj
Pio [Pertinacij
[Aug(usto), Arab(ico)j, Adiap(enico), [Part(hico)
max(imo), pont(iflci) max(imo)j,
[trib(unicia) pot(estate) X]Vl, )tnp(eratori) XI[!,
co(n)s(uli) Ill, proco(n)s(uli), p(O.tri) p(atriae), etj
[Imp(eratori) Caes(ari)j M(arco) Aur(ello)
34
H. Steimle, Das Kastell Aalen. ORL B Nr. 66 (1904) 9; vgl. Fellmann, Principia-Stabsgebäude (Anm. 31) 6 7 Abb. I; vgl. Filtzinger
(Anm. I) 99 f.
35 D. Planck in: Studien zu den Militärgrenzen Roms, 111: 13. Inter·
nationaler Limeskongreß Aalen 1983, Vorträge (Stuttgart 1986)
247; Johnson (Anm. 31) 310: "Der rechts neben dem Stabsgebäude
beobachtete Steinbau dürfte ein Flügel des Praetoriums gewesen
Fachwerk bestanden".
sein, dessen übrige drei Flügel wohl 。セオウ@
Nebeneinander von Praetorium und Principia z.B. im Kastell
Samum Hc¦セ・ゥオI@
in Norddakien: TIR L 34, 99.
36 RIB 107 5 und 1092; 1685 f. mit Fellmann, Vindonissa (Anm. 31)
91; zu den Weihungen an den Genius des Praetoriums: M. P. Spei·
del, Roman Army Studies I (Amsterdam 1984) 360m. Anm. 27.
37 RIB 1912.
Dietz, Die Erneuerung des Limeskastells Aalen
An[tonino Pio Fel(ici)j
5 [Aug(usto) trib(unicia)j pot(estate) <X> I,
f{mp(eratori) II, co(n)s(uli) Ill, proco(n)s(uli)
etj
[[P(ublio) Sept(imio) Getae Caes(ari)jj, al(a) [I/
Fl(avia) (milliaria) p(ia) f(idelis) ---(Objekt)]
[vetustate cojnla[ps(. .. ) restituit sub}
[Scribonio Ajcutia[no /eg(ato) Augg(ustorum duorum) pr(o) pr(aetore)j
Während hier das Bauobjekt nicht zu eruieren ist (zu
denken wäre vielleicht an die basilica) 38 , könnte man
im folgenden Fall an eine eigene Inschrift für das Fahnenheiligtum denken, das in der bekannten, auf das
Jahr fast zeitgleichen Inschrift aus Regulbium (Seculver)39 als aedes principiorum bezeichnet wird.
[5]
[lmp(eratori) Caes(ari) L(ucio) Sept(imio) Severo
Pio Pertinacij
[Aug(usto), Arab(ico), Adiab(enico), Part(hico)
max(imo), pont(ifici) max(imo)j,
[trib(unicia) pot(estate) XVI, imp(eratori) XII,
co(n)s(uli) /I/, proco(n)s(uli), p(atri) p(atriae), et}
[/mp(eratori) Caes(ari) M(arco) Aur(elio) Antonino
Pio Fel(ici)j
5 [Aug(usto) trib(unicia) pot(estate) XI, imp(eratori)
II, cjo(n)s(uli) l/[1, proco(n)s(u/i) et}
[[P(ublio) Sept(imio) Getae c。・セHイゥIスェL@
al(a) II
ffl(avia) (milliaria)
38
Eine kleine Auswahl an Bauformeln bei R. Goodburn u. H.
Waugh, The Roman Inscriptions of Britain I. Inscriptions .on
Stone. Epigraphic Indexes (Gloucester 1983) 87 f.
39 AE 1962, 258 dazu Alfoldy 310m. Anm. 23 und E. Bir1ey, The
Roman Army. Papers 1929-1986 (Amsterdam 1988) 430.
40 Alföldy 294. Vgl. H.·P. Kuhnen in: Ders. (Hrsg.), Gestürmtgeräumt- vergessen? Der Limesfall und das Ende der Röinerherr·
schaft in Südwestdeutschland (Stuttgart 1992) 70; einen weiteren
Kalkbrennofen bei der Südecke des Kastells publizierte Krause
(Anm. 2) 90 f.
41
Problematisch ist das prjov. auf dem kleinen Fragment Alf6ldy
325 Nr. 7; ob hier wirklich eine Bauinschrift zugrunde lag, ist fraglieb, weil der prinzipatszeitliche Statthalter vor dem Ende des 3.
· Jh.s normalerweise keine Veranlassung hatte, auf dieser seine Pro·
vinz zu verzeichnen (selbst auf Weihungen war dies nicht anders:
W. Eck, Zeitsc;:hr. Papyrolog. Epigr. 90, 1992, 207 f.). Mir bekannte
Ausnahmen sind selten und ganz unsicher. wie Riß 1205 und dazu
A. R. Birley, The Fasti ofRoman Britain (Oxford 1981) 166f.; CIL
XIII 5203 - G. Walser, Römische Inschriften in der Schweiz ll
(Bern 1980) 94 f. Nr. 155; weiteres bei W. Eck. Die Statthalter der
germanischen Provinzen vom 1.-3. Jahrhundert (Köln u. Sonn
[p(ia)f(idelis), aedem principio}r(um) (?) vetus![atej
[conlaps(am) restituit sub]Scribon[ioj
[Acutiano leg(ato) Augustojr(um) pr(o) pr[aet(ore)j.
Die Überprüfung der zwischen 1981 und 1984 in den
Aalener Principia gefundenen Bauinschriften ergibt
also, daß damals mit großer Wahrscheinlichkeit nicht
nur das Zentralgebäude, sondern das gesamte Lager
einschließlich dem Kommandantenpalast erneuert
wurde. Damit dürfte sich die Ansicht bestätigen,
wonach sich die Konzentration der zwischen 1981
und 1984 gefundenen Inschriften "unweit vom Eingangin das Lagerheiligtum dadurch erklären läßt, daß
sie hier von den mittelalterlichen Kalkbrennern
zusammengetragen wurden, um das Rohmaterial für
die Kalkgewinnung in der Nähe der Öfen innerhalb
der Mauern des Heiligtums zu lagern"40 • Es spricht
ferner einiges dafür, daß der damalige Legat der 3. italischen Legion und legatus Augusti pro praetore provinciae Raetiatf1 den Namen Scribonius Acutianus trug.
Denkbar wäre, daß er ein Nachkomme des erwähnten
C. Scribonius Genialis und mit Q. Scribonius Tenax,
der unter Septimius Severus die Provinz Arabien verwaltete42, verwandt war.
Prof. Dr. Karlheinz Dietz
Seminar ftir Alte Geschichte
Residenzplatz 2
0·97070 Würzburg
1985) 97, ist schon spät und möglicherweise zu ergänzen: restituel·
[runt pef Iegioneis prov(inciae) G(ermaniae s(uperioris), qui conl·
{fecerunt. CIL XIII6752; 5090; 7417; 8201 sind allesamt keine Bau·
inschriften. Besonders deutlich kommt die Angelegenheit durch
den Vergleich von CILXIII 11758 mitAE 1977,593 zumAusdruck
(diese Texte bei Eck a.a.O. 92). Im Falle des Aalener Fragments
könnte man durchaus an eine der. ftir Rätien nicht so seltenen
Inschriften zu Ehren Caracallas auf Tafeln denken; wenn nicht
alles täuscht, weilte der Kaiser 212/213 selbst in dieser Gegend
(CIL Vl2086; AE 1987, 698 f. mit dem Kommentar K. Dietz, Ger·
mania 63, 1985, 81-86; danach gehören die Steine vor und nicht
nach den 9. Dezember 212. wie in AE behauptet; die schon Dietz
a.a.O. 75 Anm. 2 angezeigte moderne Erfindung AE 1987, 697
hätte besser nicht Eingang in eine Standardsammlung gefunden;
vgl. noch H. Halfmann,Itinera principum. Geschichte und Typolo·
gie der Kaiserreisen im Römischen Reich (Stuttgart 1986) 225 f.,
wodurch sich auch die Anwesenheit des Provinzlegaten erklären
ließe.
42
B.E.Thomasson,Laterculipraesidumi(Arlöv 1984)331 Nr.17.
- Für Auskünfte und Hilfe bin ich Dr. Hans·Peter Kuhnen und Dr.
Martin Luik herzlich dankbar.
251
Acta praehistorica et archaeologica 25 ( 1993)
Abkürzungen:
AE
IBR
IDR
RIB
セ@ 0\nnee Epigraphique.
セ@ F. Vollmer, Inscriptiones Baivariae Romanae s!ve Ins-.
criptiones provinciae Raetiae adiectis aliquot Noricis ltalicisque (München 1915).
= Inscriptiones Daciae Romanae (lnscriptiile Daciei
Romane).
= R.G. Collingwood u. R. P. Wright, The Roman Inscriptions ofBritain I. Inscriptions on Stone (Oxford 1965).