museums
verein
jahrbuch
VORARLBERGER LANDESMUSEUMSVEREIN
2013
Inhalt
8 Nicole Ohneberg/Katrin Netter
Mit den Augen der Fotografen
Einblicke in das Schaffen zweiter Vorarlberger Fotografen
Rudolf Dür aus Hard und Johann Jakob Greuss aus Egg
44 Marcel Just
Zwei Hotelbauten der Moderne an der Faschina-Straße: Berghotel
Madlener in Damüls und Sporthotel Faschina in Fontanella
62 Julia Kopf/Karl Oberhofer
Brigantium Bregenz
Kastellareal: Neues zur Lage und Größe des Militärpostens
76 Sarah Leib/Georg Neuhauser
„Am perg bey der arbeit beleiben“
Ein montanarchäologischer Survey zur Bergbaugeschichte im
südlichen Vorarlberg
96 Christoph Walser/Martin Gamon
Heidenhüttli im (Nenzinger) Himmel
Archäologische Wüstungsforschung im hinteren Gamperdonatal
120 Sarah Leib
Ofenkeramiken aus dem vorarlberg museum
Eckpunkte der Kachelentwicklung dargelegt anhand ausgewählter
Ofenkacheln der Studiensammlung
4|
138 Guntram Plangg
Namenprobleme zwischen Dawénna und Arlberg
154 Sebastian Fink
Volapük in Tirol und Vorarlberg
170 Wolfgang Scheffknecht
Akzeptanz und Fremdheit. Jüdische Räume im Spannungsfeld von
Territorium und Reichskreis: Das Beispiel Hohenems
214 Christoph Volaucnik
Geschichte des Radfahrens in Feldkirch
238 Rezensionen
239 buchstäblich vorarlberg (Christof Thöny)
240 Historisches Lexikon des Fürstentums Liechtenstein (Brigitte Truschnegg)
242 Christof Thöny, Vorarlberger Skigeschichte (Andreas Rudigier)
244 Angelika Kauffmann. Heimat Schwarzenberg (Andreas Rudigier)
248 Autor/innenverzeichnis
250 Register
|5
Volapük in
Tirol und Vorarlberg
SEBASTIAN FINK
154 |
Dieser Artikel ist aus der Beschäftigung mit Ferdinand Hilbe entstanden, über
dessen Leben und Werk ich in einer früheren Ausgabe berichten durfte.1 Im Laufe
weiterer Nachforschungen zeigte sich, dass Hilbe ein aktiver Volapükist war
und zusammen mit einigen Mitstreitern versuchte, das Volapük in Tirol und
Vorarlberg zu verbreiten.
Volapük ist die erste Plansprache, das heißt eine zum Zweck der Verbesserung
der internationalen Verständigung planmässig geschaffene Sprache, die für sich
in Anspruch nehmen kann, über das Stadium eines Projekts hinausgekommen zu
sein, das heißt Volapük fand tatsächlich eine nicht unbedeutende Anzahl von
Sprechern. Darüber hinaus etablierte sich eine internationale Organisation von
Volapük-Vereinen, die über das Volapük-Büro in Konstanz vernetzt waren – eine
Struktur, die nach den kurzen Jahren des Erfolgs des Volapük, im Jahr 1888 hatte
die Verbreitung von Volapük ihren Höhepunkt erreicht und man schätzte die
Anzahl der Volapüksprecher auf bis zu zwei Millionen, von der aufstrebenden
Esperantistenbewegung genutzt werden konnte. Viele Volapük-Vereine zeigten
sich von dem viel einfacher zu erlernenden Esperanto begeistert und wechselten
mitsamt ihren Zeitschriften von Volapük zu Esperanto.2
Der Erfinder des Volapük war Johann Martin Schleyer (1831–1912), Pfarrer in
Litzelstetten bei Konstanz.3 Schleyer entwickelte sein Volapük im Jahr 1879 und
sah in seiner Weltsprache, nichts anderes heißt nämlich Volapük, ein Heilmittel
für die akuten nationalen Konflikte, die er etwa auf einer Reise durch ÖsterreichUngarn beobachten konnte.4 Ziel des Volapük, wie auch zahlreicher anderer
Plansprachen, war es die babylonische Sprachverwirrung zu überkommen und
der Menschheit eine Sprache zu geben, die dazu dient, sich zu verständigen und
zu verstehen.5
Ferdinand Hilbe war allem Anschein nach von den Ideen Schleyers begeistert. Er
konnte auch auf einige Gleichgesinnte zurückgreifen, die mit ihm zunächst die
Verbreitung des Volapük vorantreiben wollten. Um den Hintergrund der Aktivitäten Hilbes abzuklären habe ich einige Jahrgänge Tiroler und Vorarlberger
Zeitungen auf Artikeln über Volapük durchgesehen. (Ich hoffe, dass mir hierbei
nicht allzu viel entgangen ist.) Das Ergebnis ist ein Überblick über die Aktivitäten
der Volapükisten in Tirol und Vorarlberg, der die öffentliche Sichtbarkeit der
Plansprachen in der Provinz dokumentiert, was für den heutigen Leser recht
interessant sein mag, wenn man an die eigene Wahrnehmung von Plansprachen
1
2
3
4
5
Fink 2011.
Haupenthal 2008, 74-76.
Eine Biographie sowie zahlreiche Literaturhinweise finden sich im Prälat-Schleyer-Jahrbuch, 2008. Zur Biographie
Schleyers siehe auch Haupenthal 2007 und Haupenthal 2012. Eine Volapük-Bibliographie bietet Haupenthal 1982.
Zur Sprachsituation in der Donaumonarchie vgl. Goebl 1999, 33-61.
Einen immer noch grundlegenden Überblick über Plansprachen bietet Blanke 1985. Blanke diskutiert hier auch
die Hauptmotive für die Schaffung von Plansprachen und findet drei Hauptgruppen: 1. Sprachphilosophische
Motive 2. Motive des Pazifismus und der Völkerversöhnung 3. Nationalistische Motive. Vgl. Blanke 1985, 68-72.
Die auf den ersten Blick etwas verwunderlichen nationalistischen Motive wurden von Blanke für Plansprachenautoren verwendet, deren Ziel es war, die eigene Muttersprache in einer vereinfachten Form zur Weltsprache zu
machen.
| 155
denkt, die selbst bei Gebildeten meist nicht über den Namen Esperanto hinausreicht. Wenngleich hier betont werden muss, dass die Situation in Tirol und
Vorarlberg aufgrund der geographischen Nähe zu Schleyers Wirkungsort in
Konstanz vielleicht eine besondere ist, erscheint es mir doch interessant, dass
auch abseits der Zentren der Weltsprachenbewegung in den europäischen
Hauptstädten auch lokale Zeitungen immer wieder über die Aktivitäten zur
Verbreitung des Volapük berichteten – was, in Kombination mit den angegebenen
Besucherzahlen bei Vorträgen und der Ausstellung, den Schluss zulässt, dass
dem Volapük auch in Vorarlberg und Tirol für einen relativ kurzen Zeitraum ein
reges öffentliches Interesse entgegengebracht wurde.
Volapük in der Presse
Die Meldungen der Vorarlberger und Tiroler Zeitungen zeigen uns eine deutlich
wahrnehmbare Aktivität zur Verbreitung des Volapük in Innsbruck, vor allem
durch Ferdinand Hilbe und Armin Gassner.6 Doch auch außerhalb der Landeshauptstadt muss eine rege Tätigkeit für die Verbreitung des Volapük stattgefunden haben, die bisher jedoch nie dokumentiert worden ist. Das hier Präsentierte
beruht auf eigener Recherche und mit etwas Glück könnte das hier Dargebotene
durch den Fund des Archivs eines Volapük-Vereins bedeutend vermehrt werden.7
Das Volapükistenverzeichnis aus der Zeitschrift „Rund um die Welt“ erwähnt
immerhin fünf Tiroler und zwei Vorarlberger Volapükisten. Dass dieses
Verzeichnis jedoch bei weitem nicht komplett ist, zeigen andere VolapükZeitschriften8 und Dokumente in den Tiroler und Vorarlberger Landesarchiven.
So finden sich hier die Statuten von zwei Vorarlberger Volapükvereinen, und
zwar des ‚Weltsprachevereins für das Oberland‘ (1892 als Verein eingetragen,
zunächst mit Sitz in Satteins) und des ‚Weltsprachevereins in Lustenau‘ (dem
die Vereinsgründung aufgrund von Mängeln in den Statuten allem Anschein
nach verwehrt blieb). Den Antrag des Lustenauer Volapük-Vereins wurde am
19.11.1892 von folgenden Personen unterzeichnet: Otto Hämmerle (Obmann),
6
7
8
156 |
Zu Armin Gassner konnte ich leider keine biographischen Hinweise ermitteln. Nach Ausweis der im Innsbrucker
Bibliothekskatalog verzeichneten Werke war er in den 1890er Jahren Student der Romanistik und später Lehrer an
der Oberrealschule in Innsbruck.
Leider fanden solche Nachlässe und Archive nur allzu oft ihren Weg ins Altpapier. So ist etwa bekannt, dass der
Nachlass des bedeutenden Plansprachlers Julius Lott von seiner Witwe kurzerhand entsorgt wurde. Vgl. Haupenthal
2007a, 13.
So findet sich in den jeweiligen Jahrgängen des Volapük-Almanachs eine Aufstellung der diplomierten VolapükLehrer. In der Ausgabe von 1888 finden sich 50 diplomierte Volapül-Lehrer in Österreich Ungarn, darunter einige
Tiroler und Vorarlberger: Capello, Dr. Osvino med Canal St. Boro, Tirol / Dresel. Eligius, Brunneck, Tirol /
Rhomberg, Aug., Buchhalter, Dornbirn / Kraynág, Marianna, Wwe., Hall bei Innsbruck / Leonhard, P.O. St. Fr. M.
Wörnhardt, Hall bei Innsbruck / Wirsching, Angelika, Hall bei Innsbruck / Backer, Richard, Hilfsbeamter,
Kitzbüchel / Fellner Job., prakt. Arzt, Kitzbüchel.
Vgl. Spielmann 1888, 35. Damit stammten im Jahr 1888 fast 20 Prozent der diplomierten Volapük-Lehrer
Österreich-Ungarns aus Tirol und Vorarlberg. An erster Stelle stand damals jedoch eindeutig Wien mit
14 diplomierten Volapük-Lehrern.
SEBASTIAN FINK
Abb.1
Abb.2
| 157
Sebastian Bösch, Ferdinand Kremmel und Richard Hagen.9 Eine solche Aufstellung findet sich im Akt des Oberländer Vereins nicht, es ist jedoch ein Änderungsantrag vom 31. Oktober 1898 erhalten, in dem vom Vorstandstellvertreter
Jakob Tschavoll wegen des „Ablebens des bisherigen Vorstandes Hochw. Herrn
Josef Birnbaumer“, der Pfarrer in Satteins war, beantragt wird den Sitz des
Vereines nach Weiler zu verlegen, da nun Johann Vith, Schreinermeister aus
Weiler, den Vorstand übernommen habe.10
Der erste Vorsitzende des Oberländer Volapük-Vereins, Pfarrer Josef Birnbaumer,
wurde am 13.03.1827 in Hard geboren und verstarb am 08.08.1898 in Satteins.
Er scheint, zumindest nach Auskunft des Autors seines Nachrufes, der führende
Volapükist Vorarlbergs gewesen zu sein:
Satteins, 11. August. Soeben ist die Leichenfeier des hochw. Herrn Pfarrers
Birnbaumer vorüber. Die schöne Gepfogenheit unseres katholischen
Vorarlberger Volkes, bei den Primizen und Bestattnissen seiner Priester
zahlreich sich zu beteiligen, hat sich auch hier heute wieder vorzüglich
bewährt. Unter großer Anteilnahme der Bewohner von Satteins und
Umgebung, besonders der Männer, wurde die Leiche des Pfarrers
Birnbaumer von Feuerwehr-Leuten zu Grabe getragen; 26 Mitbrüder gaben
ihrem langjährigen Amtsgenossen die letzte Ehre. An seinem Grabe standen der Jünglingsverein von Rankweil, dessen Gründer der Verstorbene
war, seine Fahne mit Trauerflor umhüllt, desgleichen der Musik- und
Feuerwehr-Verein, sowie der Schützen- und Veteranen-Verein von Satteins
mit Fahnen. Die Jungfrauen gingen sämtlich in Schwarz, und die
Schulkinder, deren geliebter Katechet trotz seiner Blindheit Pfarrer
Birnbaumer mit Eifer und Geschick noch gewesen, legten einen Kranz mit
der Inschrift: „Von den dankbaren Schulkindern“ aufs Grab nieder. Der
Volapück (sic!)-Verein des Oberlandes, dessen thätiger Vorstand der
Verblichene war, hatte schon gestern einen Seelengottesdienst für ihn
bezahlt.
In der sehr zeitgemäßen Predigt, die Hochw. Hr. Decan Bell nach der
Beerdigung hielt, wurde des makellosen 47jährigen priesterlichen Wandels
9
10
158 |
Laut Auskunft des Lustenauer Gemeindearchives vom 27.02.2012 befinden sich als einzige Quelle zu diesem Verein
Anzeigen desselben zur Förderung des Volapük im Lustenauer Gemeindeblatt. Auskünfte über die einzelnen
Personen lassen sich ebenfalls schwer finden, da Bösch, Hagen und Hämmerle zu den geläufigsten Namen in
Lustenau gehören und sich im Akt keine Geburtsdaten finden lassen. Oliver Heinzle vom Lustenauer
Gemeindearchiv danke ich für die Zusendung eines Inserates des Volapükvereins im Lustenauer Gemeindeblatt.
Hier heißt es: „Volapük! Die Unterzeichneten machen hiermit bekannt, daß sie wieder einen neuen Volapükcurs
eröffnen. Lernlustige Schüler und Schülerinnen werden höflichst eingeladen, sich heute, Sonntag den 27. März
nachmittags 4 Uhr im ehemaligen „Lamm“ zu versammeln. Bei genügender Anzahl von Theilnehmerinnen wird
für Mädchen ein Extracurs errichtet. Menade bal, püki bal! Aiefiedü masal! Sebastian Bösch, spodal opa,
Correspondent der Weltsprache. Richard Hagen, löpitidel opa, Oberlehrer der Weltsprache. Otto Hämmerle, tidel
opa, Lehrer der Weltsprache. Ferdinand Kremmel, tidel opa, Lehrer der Weltsprache.“ Lustenauer Gemeindeblatt, 10
Jahrgang, Nr. 13 vom 27.03.1892, 129.
Die Akten befinden sich im Tiroler und Vorarlberger Landesarchiv und sind über die Fundbücher
erschlossen. Unterlagen über den Oberländer Weltspracheverein: Tiroler Landesarchiv, Statth. 1892, Bz.
Feldkirch, Verein 10.923 (Fasz. 1110). Die Akten beider Vereine: Vorarlberger Landesarchiv: BH Feldkirch,
234-1892 / BH Feldkirch, 234-1898 / BH Feldkirch, 244-1892.
SEBASTIAN FINK
des Bestatteten, seiner großen Geduld und Ergebung in Gottes Willen während seiner 18jährigen vollständigen Blindheit besonders Erwähnung gethan, sowie seines Scharfblickes für die Mängel und Bedürfnisse unserer
Zeit. Schon im Anfange seines Priesterthums gründete Birnbaumer die
Besprechungs-Abende von Männern in Frastanz, deren geistige Leitung er
ausgezeichnet besorgt. Später gründete er, wie bereits erwähnt, den noch
frisch blühenden Jünglingsverein in Rankweil und das gleichfalls noch
sehr regsame Casino in Au im Bregenzerwald. In Satteins war Birnbaumer
seit 17 Jahren unermüdlich thätig, und die Volapückisten (sic!) Vorarlbergs
verehrten in ihm ihren ältesten Veteranen und, so viel mir bekannt, auch
ihren tüchtigsten Vertreter. Sogar von Lustenau waren heute Volapückisten
(sic!) da. Am letzten Sonntag noch war der nunmehr unter der Erde Ruhende
aufrecht und tätig, vor acht Tagen feierte er noch das hl. Meßopfer. Nun ist
mit ihm ein Priester in die Ewigkeit hinüber gegangen, der sein ganzes
Leben in den Dienst der guten Sache gestellt und bis an den Lebensabend
auf seinem Platze gearbeitet hat. Möge ihm der ewige Richter ein gnädiger
Vergelter sein!11
Leider lässt sich auch zu Josef Birnbaumer nicht viel Persönliches ermitteln.
Neben dem oben zitierten Nachruf gibt es eine Übersicht über seine dienstliche
Verwendung im Diözesanarchiv Feldkirch und einen kurze Zeitungsmeldung, die
auf die Gründung des Volapük-Vereins Bezug nimmt und uns über die Übersetzungstätigkeit Birnbaumers informiert.12
Tätigkeiten zur Verbreitung des Volapük
Nach Rupert Knieles Angaben in seinem Bericht über das erste Jahrzehnt der
Weltsprache Volapük fand bereits in der ersten Hälfte des Jahres 1885 in Innsbruck Unterricht durch „Herrn volapükatidel Richard Bacher“13 statt. Ins Jahr
1885 fällt auch ein Besuch des Volapük-Erfinders Johann Martin Schleyer in Tirol.
11
12
13
Vorarlberger Volksblatt, Nr. 182 vom 13.08.1898, 4.
Ich danke Michael Fliri vom Diözesanarchiv Feldkirch für diese Hinweise. Das Vorarlberger Volksblatt
Nr. 162 vom 19.07.1892 berichtet auf S. 898: „Oberland, 16. Juli. (Volapük) Nachdem nun die Statuten des
Oberländer Volapük-Vereins von der k. k. Statthalterei angenommen sind, ist dieser Verein definitiv gegründet und es wurde mit allen gegen seine Stimme der Hochw. Hr. Pfarrer Birnbaumer in Satteins zum
Vorstande gewählt (endgiltig). Er hat vorgestern vom Erfinder Schleyer, nachdem er früher schon im Besitz
von 4 Volapük-Diplomen war, das Diplom als Vorstand unseres Vereines und zugleich ein Diplom als Ehrenmitglied des Volapük-Vereins in Konstanz erhalten. Hr. Pfarrer Birnbaumer ist der Autor der ausgezeichnet
gelungenen Übersetzung der österr. Volkshymne; er verehrte dieselbe unserem Verein als Eigenthum (Im
Selbstverlage des Vereins; Adresse: Oberländer Volapük-Verein in Satteins.) Die nächste Volapük-Vereinsversammlung findet am 31.Juli, 4 Uhr, im „Engel“ in Weiler statt. – Ein Beispiel der Einfachheit und Kürze des
Volapük: Bukis valik evego epotolöl obe, ya eli lädob. Deutsch: Die Bücher, die du mir die vorletzte Woche
geschickt hast, habe ich alle schon gelesen.“ Vor Pfarrer Birnbaumer war Karl Breuß aus Röthis Vorstand des
Vereins. So berichtet das Vorarlberger Volksblatt Nr. 100 vom 03.05.1892 auf S. 556-557: „Oberland,
1. Mai: Unser Weltsprachevereinsvorstand Karl Breuß aus Röthis ist leider nach Amerika zu seinen Verwandten ausgewandert. An dessen Stelle wurde in der letzten Versammlung (24. April) der Hochw. Herr
Pfarrer Birnbaumer in Statteins einstimmig gewählt. All sein Streuben und Wehren half nichts. Für
Volapükfreunde sei jetzt schon angezeigt, daß die nächste Versammlung am 29. Mai in Uebersaxen stattfindet.“
Kniele 1889, 34. Bacher wird von Kniele auch nur einmal erwähnt.
| 159
Im Juni 1885 verbrachte er elf Tage in Hall in Tirol.14 Leider lässt sich Bachers
Unterricht nicht in sonstigen Quellen nachweisen, es ist jedoch durchaus möglich, dass die Innsbrucker Zeitungen zu diesem Zeitpunkt noch kein Interesse an
Volapük hatten. Ebenfalls 1885 wurde in „Kitzbüchl (Tirol) durch Herrn Dr. Josef
Fellner (prakt. Arzt)“ Volapük-Unterricht erteilt.15
Ab 1887 können in Innsbruck Vorträge zu Volapük nachgewiesen werden und
zwar durch Julius Röck und Wladimir Kuk.16 Kuk hielt seinen Vortrag am
24.09.1887. Röck referierte am 29.09.1887 über „Volapük vom praktischen
Standpunkte“. Es ist also von einer Zusammenarbeit der beiden Vortragenden
auszugehen. Wladimir Kuk hielt allem Anschein nach einen eher allgemeinen
Vortrag, in dem es darum ging die Notwendigkeit der Weltsprache darzulegen
und der staatlich geprüfte Lehrer fremder Sprachen Julius Röck übernahm die
Interessierten für den praktischen Teil. Die Innsbrucker Nachrichten berichten
„von nahezu 300 Personen, sowohl Herren als auch Damen aus den besseren
Kreisen der Gesellschaft“ die Kuks Vortrag über „Schleyers’s Weltsprache“17
besuchten. Der Vortrag wird folgendermaßen geschildert:
Im Verlaufe seines dreiviertelstündigen, allseits mit größtem Beifalle aufgenommenen Vortrages hob derselbe hervor, wie der stets zunehmende
Handel und Verkehr die Nationen einander näher gerückt und das
Bedürfniß nach einem allgemeinen Verständigungsmittel wach gerufen,
und dieses Problem schon seit Jahrhunderten die Köpfe großer Denker
und Philosophen beschäftigt habe; Zeuge hierfür seien die weltsprachlichen Werke von Descartes, Leibnitz, Willkies, Krause, Damm, Bachmann
Sinibald de Mas u.a., ohne daß es einem derselben gelungen wäre, dieses
Problem in zufriedenstellender Weise zu lösen. Erst in neuester Zeit ist es
dem katholischen Pfarrer zu Litzelstetten bei Konstanz, Johann Martin
Schleyer gelungen eine Weltsprache zu konstruiren, welche alle
Eingeschaften in sich vereinigt, um dem Zwecke zu entsprechen. Nachdem
der Vortragende in mehreren Beispielen die Schönheit (?) und leichte
Erlernbarkeit des „Volapük“ dargethan, erklärte er seine persönliche
Anschauung über dieselbe dahin, daß „Volapük“ keineswegs eine der
bestehenden Sprachen verdängen soll, wohl aber berufen sei, ein Binde
und Verkehrsmittel unter den verschiedenen Nationen, hauptsächlich aber
die Korrespondenzsprache der gesammten Handelswelt zu werden. Nach
14
15
16
160 |
17
Kniele 1889, 34-35. Vermutlich war Schleyer hier zu Besuch bei Angelika Wirsching, die zahlreiche Beiträge zu Schleyers „Sionsharfe“, einer Zeitschrift für religiöse Dichtung, lieferte. Vgl. Kniele 1889, 5.
Zur Sionsharfe vgl. Eble 2008. Von Eble wird auch eine Werksaufstellung von „Wirsching, Angelika
(1836-1895). Gouvernante bei Fräulein von Eichtal zu Hall in Tirol, erste Dichterin der Weltsprache und
Korrespondentin in derselben“ geliefert, siehe Eble 2008, 54. Im Stadtarchiv Hall konnte ich trotz der
Durchsicht aller Findbücher vom Jahr 1885 bis 1900 keine Unterlagen zu Tätigkeiten eines VolapükVereins ausfindig machen.
Kniele 1889, 32.
Neue Tiroler Stimmen, Nr. 221 vom 20. September 1887, 3-4 und Innsbrucker Nachrichten, Nr. 218
vom 26. September 1887, S. 4. Zu Kuk und Röck konnte ich leider nichts ermitteln, sie tauchen auch in
späterer Zeit nicht mehr auf.
Innsbrucker Nachrichten, N 218 vom 26. September 1887, 4.
SEBASTIAN FINK
einen Ueberblicke über die Ausbreitung und die Erfolge, welche „Volapük“
bisher gewonnen, empfahl der Vortragende diese großartige Erfindung der
Neuzeit nicht vornehm zu ignoriren, sondern einer ernsten Prüfung zu
unterziehen. Zum Schluße erklärte Herr Kuk, daß er besonnen sei, bei
genügender Betheiligung einen auf 2 Monate berechneten „Volapük“ Curs
zu eröffnen.18
Von einem Kurs unter Kuks Leitung ist nichts bekannt, die Zeitung informierte
hier vielleicht nicht ganz korrekt, denn allem Anschein nach hat Röck diese
Aufgabe übernommen. Denn die Innsbrucker Nachrichten berichten über seinen
Vortrag vom 29.09.1887, dass er „vor einem dichtgedrängten Auditorium“ stattfand, dort die Vorzüge des Volapük darstellte und seinen Zuhörern „gegen das
wahrhaft sehr bescheidene Honorar von einem Gulden per Theilnehmer“ einen
einmonatigen Volapük-Kurs in Aussicht stellte.19 Allem Anschein nach ließen sich
viele der Zuhörer diese gute Gelegenheit nicht entgehen, denn Kniele berichtet,
dass der Unterricht von Röck von 168 Schülern besucht worden sei.20 Für den
16.10.1887 wird für Schwaz ein Vortrag über Volapük des Herrn Kleinappel
„Sekretär der Tabakfabrik“ angekündigt.21
Am 02.11.1887 wird über den Stand des Volapük-Kurses berichtet:
Der erste Monat, seitdem die Volapükkurse des diplomierten Sprachlehrers
Julius Röck eröffnet wurden, ist zu Ende und weist ziffernmäßig folgende
Ergebnisse auf. Den einmonatlichen Probekurs besuchten 53 Herren, von
denen die Meisten zur Verfestigung und Erweiterung ihrer Kenntnisse den
sog. Ausbildungkurs mitzumachen gedenken. Mit dem 3. ds. beginnt abermals ein solcher Probekurs für Anfänger, zu dem bereits viele
Anmeldungen stattfanden und noch entgegengenommen werden. Die
Spezialkurse wurden von 27 Damen und 26 Herren frequentiert, die in
kleinen Gruppen gesondert dem gründlichen, für 3 Monate berechneten
Studium oblagen. Angesichts dieser Erfolge, welche ebenso für die
Faßlichkeit und praktische Eignung der Sprache, wie für die Tüchtigkeit
des Lehrers nachdrücklich sprechen, ist an der stets zunehmenden
Verallgemeinerung des Volapük in unserer Stadt kaum mehr zu zweifeln.22
Danach wird für einige Zeit nicht mehr über Volapük-Aktivitäten in Innsbruck
berichtet. Nach dem Zeugnis von Kniele fand bereits im März des Jahres 1887
in Dornbirn, Vorarlberg, ein Vortrag über Volapük durch den, uns aus dem
Volapükisten-Verzeichnis bekannten, Buchhalter August Rhomberg statt.23
Am 04.01.1888 findet sich eine eher kritische Meldung über Volapük in den
Innsbrucker Nachrichten:
18
19
20
21
22
23
Innsbrucker Nachrichten, N
Innsbrucker Nachrichten, N
Kniele 1889, 57.
Innsbrucker Nachrichten, N
Innsbrucker Nachrichten, N
Kniele 1889, 51.
218 vom 26. September 1887, 4.
224 vom 03. Oktober 1887, 3.
235 vom 15. Oktober 1887, 4.
249 vom 02. November 1887, 4.
| 161
Von der amerikanischen philologischen Gesellschaft wurde ein Ausschuß
zur Prüfung der Frage, ob sich die Einführung einer Weltsprache empfehle, eingesetzt. Derselbe hat sich gegen das Volapük ausgesprochen. Der
Ausschuß verkennt nicht, daß bei dem gegenwärtigen regen internationalen Gedankenaus tausche eine allgemein verstandene Sprache geschaffen
werden sollte, jedoch müsse diese sich auf die sechs bedeutendsten arischen Sprachen, die englische, französische, deutsche, spanische, italienische und russische gründen. In dieser Beziehung bilde das Volapük geradezu einen linguistischen Rückschritt. Auch meint der Ausschuß, eine
einzelne Person werde kaum im Stande sein, eine den Bedürfnissen der
civilisierten Nationen entsprechende Weltsprache zu erfinden, hiezu sei
vielmehr die Einsetzung einer aus Mitgliedern der sechs oder sieben
bedeutendsten arischen Nationalitäten bestehenden internationalen
Kommision erforderlich.24
Erst im Oktober des Jahres 1888 wird wieder ein Volapük-Vortrag angekündigt,25
über dessen Ergebnisse aber nicht mehr weiter berichtet wird. Noch im selben
Monat berichten die Innsbrucker Nachrichten über die Erfolge des Volapük in
China, das nun auch seine eigene Volapük-Zeitung aufzuweisen hatte.26 Im
Oktober wird über die Ergebnisse der Londoner philologischen Gesellschaft
berichtet, deren Vize-Präsident Alexander John Ellis folgendes Urteil über das
Volapük abgibt:
Eine eingehende Prüfung des Volapük hat mir gezeigt, daß diese
Universalsprache dem Zweck einer Weltsprache vorzüglich entspricht. Es
herrscht ein großer Scharfsinn in der Konstruktion derselben. Wir haben
in Volapük eine Allsprache, welche nicht nur höchst geistreich gebildet
ist, sondern auch den Charakter einer lebenden Sprache besitzt. Aus diesen Gründen muß Volapük, wenn es sich um die Verwirklichung der
Weltsprachidee handelt, ganz besonders berücksichtigt werden.27
Für die Interessierten wird noch auf einen Artikel in der österreichischen
Volapük-Zeitung „Rund um die Welt“ verwiesen, der nähere Details zu diesem
Bericht enthält.28
Der angebliche Tod Schleyers und Hilbes erster öffentlicher Auftritt als
Volapükist
Ende Oktober 1888 ging das Gerücht vom Tod Schleyers durch die Presse.
Die Innsbrucker Nachrichten berichteten davon am 23.10.1888:
24
25
26
27
28
162 |
Innsbrucker Nachrichten, N 3 vom 04. Jänner 1888, 5-6.
Innsbrucker Nachrichten, N 225 vom 01. Oktober 1888, 3-4.
Innsbrucker Nachrichten, N 229 vom 05. Oktober 1888, 5.
Innsbrucker Nachrichten, N 238 vom 16. Oktober 1888, 3.
Rund um die Welt, Nr. 11, 1888, Sp. 161-167.
SEBASTIAN FINK
(Personalnachrichten.) […] Der Erfinder des Volapük, Pfarrer Schleyer ist
am 18. ds. in Konstanz gestorben.29
Bereits in der nächsten Nummer vom 24.10.1888 erschien eine Entgegnung
Hilbes:
(Schleyer nicht todt.) Wir erhalten folgende Zuschrift: „Mit Bezug Ihrer
Mittheilung vom heutigen Tage betreffs „J.M. Schleyer's Tode in Konstanz“
bin ich in der Lage Ihnen mittheilen zu können, daß ich am 20. ds.
(Poststempel auf Konstanz 18. ds. M.) aus dem Volapük Bureau in
Konstanz die Mittheilung erhielt, daß der Herr Erfinder des Volapük
gesund sei, und daß die in den letzten Tagen ausgestreuten Nachrichten
über seine neuerliche Erkrankung, bezw. seinen Tod, auf Unwahrheit beruhen; hingegen war derselbe anfangs September d. J. sehr schwer krank
gewesen. Mit Hochachtung Hilbe, Volapük-Oberlehrer.30
Dies bestätigt Hilbes Aussage in der Czernowitzer Zeitung,31 dass er im Jahr
1888 ein eifriger Verfechter des Volapük gewesen sei. Zudem nahm er in
Innsbruck wohl eine führende Stellung in Volapük-Kreisen ein, da er in engem
Kontakt mit dem „Volapük Bureau in Konstanz“ stand und sich befleißigt sah, die
Falschmeldung vom Tod Schleyers zu berichtigen.
Im Jahr 1889 erscheint ein längerer Artikel über die Vorzüge des Volapük von
Armin Gassner (unter dem Pseudonym Hermann Arminius) im Innsbrucker
Tagblatt.32 Interessant ist auch die Tatsache, dass der spätere kaiserliche Rat
zumindest indirekt über Armin Gassner mit einem bekannten Sozialisten, nämlich Ignaz Saska33 zusammenarbeitete, um das Volapük unter Tirols Arbeitern zu
verbreiten – worüber die konservative Innsbrucker Tagespresse nicht berichtete.
In der Volapük-Zeitung „Rund um die Welt“ findet sich jedoch folgender Bericht,
der nebenbei die Erfolge von Kuk und Röck um die Verbreitung des Volapük in
Innsbruck relativiert:
Obwohl Schleyer‘s geistreiche Erfindung im Allgemeinen in Tirol auf grossen Widerstand stösst, ist es dem eifrigen Volapük-Lehrer Armin Gassner
im Vereine mit Herrn Ferdinand Hilbe, pl. vpa., doch endlich geglückt, in
Innsbruck einiges Interesse für Volapük wachzurufen.
Durch die Bemühungen des Herrn Ignaz Saska in Innsbruck ist es Herrn
Gassner gelungen, einen Arbeiter-Volapük-Curs zu gründen. Die Schüler
arbeiten mit Fleiss, Liebe und vollster Hingebung an der Erlernung des
Schleyer‘schen Idioms. Es ist natürlich, dass diesen angehenden
Volapükisten die Erlernung der Weltsprache schwerer fällt, wie den
Besuchern des zweiten Curses, den Herr Gassner am Staatsgymnasium zu
29
30
31
32
33
Innsbrucker Nachrichten, N 244 vom 23. Oktober 1888, 3.
Innsbrucker Nachrichten, N 245 vom 24.10.1888, 3.
Ferdinand Hilbe. Der Erfinder der Zahlensprache. In: Theater-, Kunst- und Litteraturzeitung Czernowitz,
1897 (April), 10.
Innsbrucker Tagblatt, Nr. 203 vom 05.09 1889, 3.
Zu Ignaz Saska ist recht wenig bekannt. Die von Oberkofler 1986, 337 zusammengetragenen Fakten zeigen ihn
als einen der führenden Tiroler Sozialisten, der unter anderem als Tiroler Abgeordneter am Hainfelder
Einigungsparteitag 1888/1889 teilnahm und zu den Gründervätern der Tiroler Arbeiterpartei gehört.
| 163
Innsbruck abhält. Den Arbeitern mangelt eben das Wichtigste bei der
Erlernung einer neuen Sprache – die Kenntnis der eigenen (Mutter-)
Sprache. Durch das Studium des Volapük aber werden sie auch mit der
deutschen Grammatik vertraut; ein Vortheil, den sie selbst sehr hoch
anschlagen. Trotz aller dieser Schwierigkeiten gibt sich Herr Gassner der
festen Überzeugung hin, dass auch jene von seinen Schülern, welche dem
Arbeiterstande angehören, in 10 Monaten Volapük werden sprechen können.
Die propagatorische Thätigkeit des Herrn Gassner verdient vollste
Anerkennung und wir wünschen lebhaft, dass auch anderwärts das vortreffliche Beispiel dieses noch sehr jugendlichen Weltsprach-Lehrers
Nachahmung finden möge.34
Die Innsbrucker Volapük-Ausstellung
Den Höhepunkt der Bemühungen Hilbes und Gassners um die Verbreitung des
Volapük in Innsbruck stellt sicherlich die Volapük-Ausstellung dar. Die Ausstellung fand vom 03.04–08.04.1890 statt und wurde von mehr als 1200 Personen
besucht.35 Der Ausstellungsort war sehr prominent und wahrscheinlich nicht
gerade einfach zu bekommen: man hatte den Rundsaal des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum für die Ausstellung organisiert, leider finden sich im
dortigen Archiv keinerlei Hinweise auf die Ausstellung. Wahrscheinlich war
jedoch die Organisation dieser Ausstellung mit einem nicht unerheblichen finanziellen Aufwand verbunden, den der Student Armin Gassner wohl nicht tragen
konnte, weshalb wahrscheinlich Ferdinand Hilbe, sowie der Buchhändler F.J.
Gaßner (aller Wahrscheinlichkeit nach der Vater von Armin Gaßner) die Ausstellung finanziert haben.36 Nach Auskunft der Innsbrucker Nachrichten war „eine
hochinteressante Sammlung literarischer Erzeugnisse, Bücher, Zeitschriften,
Broschüren, Flugschriften, Briefe und Diplome“ zu sehen, „die in Volapük verfaßt
und geschrieben“ worden waren. Die Innsbrucker Presse berichtete täglich über
den Verlauf der Ausstellung (teilweise mit identischen Artikeln, die wohl von
Armin Gassner selbst verfasst und an die Zeitungen verschickt wurden). So
wurde über die Eröffnung der Ausstellung berichtet:
(Die Volapük-Ausstellung) wurde gestern eröffnet und erfreute sich schon
am ersten Tage eines sehr zahlreichen Besuches, indem sie von nahezu
200 Personen (darunter vielen Damen) besichtigt wurde. Auch Se.
Excellenz der Herr Statthalter Baron Widmann, sowie Hofrath Baron
Puthon beehrten dieselbe mit ihrem Besuche. Dieselben nahmen die
Ausstellung unter Führung des Weltsprach-Oberlehrers Armin Gaßner
durch 20 Minuten in Augenschein. Nachmittags ½ 3 Uhr traf folgendes
Telegramm des Erfinders Vpa. Herrn Joh. Martin Schleyer in Konstanz im
34
35
164 |
36
Rund um die Welt, Nr. 18 vom 16.09.1889, Sp. 284.
Innsbrucker Nachrichten, Nr. 80 vom 09.04.1890, 4
Die unterschiedlichen Schreibweisen Gassner / Gaßner lassen sich wohl durch Nachlässigkeit bzw. typographische
Gewohnheiten erklären.
SEBASTIAN FINK
Ausstellungssaale ein: „Meine herzlichsten Grüße und Glückwünsche der
rühmlichen Ausstellung. Ich bin im Geiste bei Euch. Auch habe ich mich
entschlossen, Herrn Buchhändler F. J. Gaßner in Anerkennung seiner
Verdienste um Volapük zum Ehrenmitgliede der Weltsprache-Gesellschaft zu
ernennen. Schleyer.“ Das Telegramm war in Schleyers Weltsprache, die am
31. März ihren 11. Geburtstag feiert, abgefaßt.37
Während der Ausstellung berichten die Innsbrucker Nachrichten über prominente Besucher und die Besucherzahlen der Ausstellung und sogar im Bregenzer
Tagblatt ist eine Meldung über die Volapük-Ausstellung in Innsbruck zu finden.38
Über den letzten Ausstellungtag wird Folgendes berichtet:
(Die Volapük-Ausstellung) wurde gestern nachm. 3 Uhr ebenso geräuschlos, wie sie eröffnet worden war, geschlossen. Unter den 150 Besuchern
des gestrigen Tages ist einer der berühmtesten Volapükisten der Welt,
Herr Gymnasial-Professor Heinrich Schnepper aus Wien bemerkenswert.
Anläßlich der Anwesenheit dieses hervorragenden Volapükisten entspann
sich im Ausstellungssaale zwischen einem der Aussteller und Herrn Prof.
Schnepper eine sehr lebhafte Discussion, die den gerade Anwesenden
beredtes Zeugnis gewährt, das man in Volapük auch sprechen, ja sogar ein
sehr lebhaftes Wortgefecht durchführen kann. Im Ganzen wurde die
Ausstellung von mehr als 1200 Personen besucht.
Die Meldung ist besonders interessant, da es gut sein kann, dass es sich bei dem
erwähnten Aussteller um Ferdiand Hilbe handelt, der mit Prof. Schnepper, „einem
der berühmtesten Volapükisten der Welt“, der jedoch nicht in Wien, sondern in
München tätig war,39 ein lebhaftes Wortgefecht in Volapük führte. Vielleicht zeigte sich hier schon Hilbes Separatistentum, das schlussendlich zu seiner Abwendung vom Volapük und zur Schaffung seiner Zahlensprache führte.
Vielleicht hatten sich Hilbe und Gassner mehr von der aufwändigen Ausstellung
erwartet, doch die Zeit der großen Erfolge des Volapük war bereits vorüber – das
Esperanto übernahm nun mehr und mehr die Rolle des Hoffnungsträgers für alle
Freunde und Förderer einer universellen Verkehrssprache.40 Auf alle Fälle stellt
die Volapük-Ausstellung im Ferdinandeum den Höhepunkt und aller Wahrscheinlichkeit nach auch das Ende des öffentlichen Einsatzes dieser beiden Herren für
Volapük dar, obwohl sich gerade in Vorarlberg noch Volapük-Inseln in Lustenau
und im Oberland halten konnten, deren Mitglieder sich erst auf die VolapükBewegung eingelassen hatten, als sie eigentlich schon gescheitert war.
37
38
39
40
Bote für Tirol und Vorarlberg, Nr. 78 vom 03. April 1890, 667 und Innsbrucker Nachrichten, Nr. 76 vom
3. April 1890, 4.
Innsbrucker Nachrichten, Nr. 79 vom 8. April 1890, 2 / Bregenzer Tagblatt, Nr. 1276 vom 11. April 1890, 2.
Zu Heinrich Schnepper (1853-?) vgl. Spielmann 1888, 18 / 21 / 24 / 42 / 50 / 79 und Kniele 1889
32 / 35 / 41 / 44 / 45 / 47 / 49 / 51 / 54 / 120 / 122. Der königliche Seminar-Präfekt Heinrich
Schnepper war Herausgeber einer Volapük-Zeitung sowie der Autor eines Volapük-Lehrbuches (Schnepper 1887)
und hatte hohe Funktionen in Schleyers Volapük-Akademie inne. Seine großen Verdienste um die Verbreitung des
Volapük werden von Kniele und Spielmann betont.
Vgl. dazu Haupenthal 2008, 74-76.
| 165
166 |
Abb.3
SEBASTIAN FINK
Statuten für den „Weltspracheverein für
das Oberland“ in Vorarlberg.
Jetziger Sitz
Gemeinde: Satteins im
Pol. Bezirk: Feldkirch
Land:
Vorarlberg.
//
Statuten:
— §1 —
Name des Vereins.
Derselbe nennt sich „Weltspracheverein für das
Oberland“ in Vorarlberg.
— §2 —
Sitz des Vereins.
Der Sitz desselben ist am Wohnorte des jeweiligen Vorstandes.
—§3—
Errichtung und Zweck des Vereins.
Dieser Verein bildet sich dadurch, dass sich etliche Personen in der Absicht vereinigen, um nach
dem Weltsprachesistem des hochw. Herrn
Pfarrers Schleyer J. Martin in Konstanz zu arbeiten u. zu wirken; und nur aus solchen Personen,
welche den Erfinder u. die WeltspracheAkademie als in dieser Sache entscheident, anerkennen, zu folgenden Zwecken:
a.) Die Mitglieder untereinander im Eifer für
diese Sache zu erhalten und zu ermutigen.
b.) Die möglichst große Verbreitung derselben.
c.) Die Übung der Mitglieder hierin, nämlich in
volapük.
—§4—
Mittel des Vereins.
Zur Erreichung obigen Zweckes bedient sich der
Verein folgender Mittel:
a.) Geeigneten Bücher und Schriften.
b.) Öffentliche und unentgeldliche Lehrkurse.
c.) Vereinskassa (zur Bestreitung allfälliger
Unkosten)
d.) Durch allmonatliche von jedem Mitgliede
schriftliche ausgearbeitete Aufgaben.
—§5—
Mitglieder des Vereins:
Die Mitglieder erstellen sich aus folgenden Orten:
aus Götzis, Klaus, Weiler, Fraxern, Vicktorsberg,
Röthis, Sulz, Rankweil, // Zwischenwasser, Übersaxen, Satteins, Frastanz, Feldkirch, Altenstadt,
Göfis. Auch von anderen Orten werden Mitglieder angenommen; die Glieder der Vorstandschaft aber; sollen nicht außer den
namentlich angeführten Orten ihren Wohnsitz
haben.
Frauenzimmer können auch beitreten, diese
aber haben nur aktives, nicht passives Wahlrecht.
—§6—
Beitritt,, Rechte und Pflichten der Mitglieder.
a.) Die Aufnahme erfolgt durch die Vorstandschaft, nach gemachter Anmeldung.
b.) Der Monatsbeitrag der Mitlieder ist zehn
Kreuzer.
c.) Strafbetrag für jedes unentschuldigte Fernbleiben von Versammlungen ist ebenfalls zehn
Kreuzer.
d.) Bei Versammlungen können die Mitglieder
Anträge stellen;
e.) Und mit Zustimmung des Vorstandes sachliche Reden oder Vorträge halten.
f.) Jedes Mitglied hat an allen Mitteln des
Vereins Anthail.
—§7—
Austritt und Ausschluß aus dem Verein.
Der Austritt ist dem Vorstande ehestens zu melden.
Ausgeschloßen werden solche Mitgleider, die
gegen den Verein oder dessen Statuten arbeiten.
Ausgetretene u. Ausgeschloßene verlieren mit
dem Tage des Austrittes oder Ausschlußes jedes
Recht an das Vereinsvermögen.
—§8—
Vereinsleitung.
Die
Vereinsleitung
besteht
aus
der
Vorstandschaft, als:
1. Der Vorstand.
2. Vorstandstellvertreter. //
3. Bibliothekar u. Schriftführer.
4. Kaßier.
Die Vorstandschaft hat folgende Rechte u.
Pflichten:
a.) Der Vorstand eröffnet u. leitet die
Versammlungen; bekümmert sich allerseits
Angelegenentlichst um den Verein und bewacht
die Einhaltung der Statuten.
b.) Zu Abwesenheit des Vorstandes, hat dessen
Stellvertreter die nämlichen Rechte u. Pflichten
wie der Vorstand.
c.) Dem Bibliothekar u. Schriftführer ist die
Verwaltung der Bibliothek unterstellt; Zugleich
besorgt er alle im Verein nöthigen Schreibereien
u. führt die Korrespondenz nach Außen.
d.) Der Kaßier begleicht die Einnahmen u
Ausgaben des Vereins und führt genaue Rechnung über das Vermögen desselben. Alljährlich
bei der Generalversammlung soll er über den
Kassastand Rechenschaft ablegen.
—§9—
Thätigkeistdauer der Vorstandschaft.
Die periodische Thätigkeitsdauer ist drei Jahre
nach Ablauf derselben wird gelegentlich der
Generalversammlung die Neuwahl vorgenom-
| 167
men bei welcher die Glieder der alten
Vorstandschaft ebenfalls wieder wählbar sind.
Für den Fall, daß im Laufe dieser drei Jahre, aus
irgend einem Grunde ein Mitglied der
Vorstandschaft auf diese Stelle verichtet oder
verzichten muß, wird die bezügliche Ersatzwahl
ehestens vom Vorstande beziehungsweise
Stellvertreter bei den darauffolgenden //
Monatsversammlung angeordnet, über welches
die Mitglieder vorher zu verständigen sind.
— § 10 —
Vorstandswahl.
Die Glieder der Vorstandsschaft sollen in den bei
§ 5, dieser Statuten namentlich angeführten
Orten ihren Wohnsitz haben, u. thunlichst aus
verschiedenen Orten gewählt werden.
Stimmenmehrheit entscheidet, bei Anwesenheit
wenigstens der Hälfte der Mitglieder. (Siehe § 11,
b. c.) Die Abstimmungen bei Wahlen sollen
schriftlich geschehen.
— § 11 —
Beschlußfaßung des Vereins.
a.) Giltige Beschlüße werden nur in Vereinsversammlungen gefaßt.
b.) Beschlußfähig ist eine Versammlung, wenn
wenigstens die Hälfte der Mitglieder anwesend
sind.
c.) Bei Beschlüßen entscheidet einfache Stimmenmehrheit.
d.) Ort u. Zeit der Vereinsversammlungen sind
den Mitgliedern rechtzeitig vom Vorstande
bekannt zu geben.
NB (?) Die Punkte b, c, entfallen bei solchen Beschlußfaßungen, bei welchen diesbezugs andere
ausdrückliche Bestimmungen getroffen sind
(Siehe § 19.)
— § 12 —
Generalversammlung.
Die jährliche Generalversammlung findet stets
im Monat März am Sitze des Vereins statt; mit
folgender Tagesordnung:
1. Namensaufruf der Mitglieder u. Verlesung des
Protokolles der letztjährigen Generalversammlung. //
2. Überblick über die Vereinsthätigkeit im verfloßenen Jahre. (gehalten durch den Vorstand.)
3. Rechnungslegung des Kassiers über die
Vereinskasse.
4. Wahl zweier rechnungsrevisoren u. Revidierung der Rechnung.
5. Bericht des Bibliothekars u. Schriftführers.
6. Eventuelle Neuwahl der Vorstandschaft. §§ 9,
10, 8 )
7. Allfällige Anträge der Mitglieder.
168 |
— § 13 —
Gewöhnliche Versammlungen.
Solche werden allmonatlich regelmäßig abgehalten, abwechselnd an jenen Orten, die im § 5 d
Statuten namentlich angeführt sind, aber durch
Mitglieder vertreten (?) sein sollen.
Über Gutachten der Vorstandschaft können auch
zu
beliebiger
Zeit
außerordentliche
Versammlungen einberufen werden.
— § 14 —
Vertretung des Vereins.
Den Verein als solchen, vertritt nach Innen u.
Außen der jeweilige Vorstand desselben.
— § 15 —
Außfertigungen und Bekanntmachungen.
Die im Verein nöthigen Ausfertigungen u.
Bekanntmachungen werden vom Vorstande mit
Vorwissen u. im Auftrage der Vorstandschaft giltig ausgestellt.
— § 16 —
Streitigkeiten in dem Vereinsverhältnisß.
Bei Streitigkeiten wählt jede Parthei zwei
Schiedsrichter, welche vier noch einen Obmann
als fünten // wählen. Dem Entscheide dieses
Schiedsgerichtes haben sich beide Theile zu
fügen.
— § 17 —
Vereinskasse.
Die Vereinskasse gründet sich auf die
Monatsbeiträge u. event. Strafgelder der
Mitglieder oder Schenkungen.
— § 18 —
Bibliothek.
Diese besteht aus durch Vereinsgelder angeschafte Bücher u. Schriften; oder solche Lektüre,
welche schenkungsweise ihm überlaßen werden.
— § 19 —
Auflösung des Vereins.
a.) Der Verein ist als von sich selbst aufgelößt,
wenn die Zahl der Mitglieder unter fünf herabsinkt, oder die
b.) Auflösung von einer eigens zu diesem
Zwecke anberaumten Hauptversammlung mit
der Anwesenheit zwei dritttheilen aller
Mitglieder durch absolute Stimmenmehrheit
beschlossen wird.
c.) Für den Fall der Auflößung, fällt das gänzliche Baarvermögen dem Erfinder oder dessen
Nachfolger, zu Gunsten der Weltsprache zu.
d.) Die vorhandene Bibliothek soll möglichst
gleichmäßig unter die Mitlieder verteilt werden.
Z 13563
Gesehen!
Innsbruck., am 28. Mai 1892
Für den k.k. Statthalter:
(unleserlich)
SEBASTIAN FINK
Abbildungsnachweis
Abb.1: Lustenauer Gemeindeblatt 10 Jg. Nr. 13 vom 27.3.1892, 128-129.
Abb.2: Lustenauer Gemeindeblatt 10 Jg. Nr. 13 vom 27.3.1892, 129.
Abb.3: Vorarlberger Landesarchiv: BH Feldkirch 234 1892.
Literaturverzeichnis
Blanke 1985 = Blanke Detlev, Internationale Plansprachen – Eine Einführung, Berlin, 1985.
Eble 2008 = Eble Alfred, Die Sionsharfe, eine katholische Zeitschrift für christliche Poesie. In: Prälat-Schleyer-Jahrbuch 1,
2008, S.29-54.
Fink 2011 = Fink Sebastian, Der Vorarlberger Retter der Donaumonarchie, in: Museumsverein Jahrbuch, Bregenz, 2011,
204-229.
Goebl 1999 = Goebl Hans, Die Sprachsituation in der Donaumonarchie. In: Ohnheiser Ingeborg/Kienpointner Manfred/
Kalb Helmut (Hg.), Sprachen in Europa. Sprachsituation und Sprachpolitik in europäischen Ländern, Innsbruck, 1999, 33-61.
Haupenthal 1982 = Haupenthal Reinhard, Volapük-Bibliographie, Hildesheim / Zürich / New York, 1982. (Angebunden an
Schleyer 1982).
Haupenthal 2007 = Haupenthal Reinhard, Prälat Johann Martin Schleyer (= Schriften zur Esperantologie und Interlinuistik 6),
2007.
Haupenthal 2007a = Haupenthal Reinhard, Die Plansprache Volapük in Archiven und Bibliotheken (= Schriften zur
Esperantologie und Interlinuistik 4), 2007.
Haupenthal 2008 = Haupenthal Reinhard, Über die Startbedingungen zweier Plansprachen: Schleyers Volapük (1879/80) und
Zamenhofs Esperanto (1887), In: Prälat-Schleyer-Jahrbuch 1, 2008, 55-80.
Haupenthal 2012 = Haupenthal Reinhard, Johann Martin Schleyer (1831-1912) und seine Plansprache Volapük. In: Zwischen
Utopie und Wirklichkeit – Konstruierte Sprachen für die globalisierte Welt. (=Bayerische Staatsbibliothek. Ausstellungskataloge
85), 63-84.
Kniele 1889 = Kniele Rupert, Yelbalsüp balid volapüka. Das erste Jahrzehnt der Weltsprache Volapük. Überlingen, 1889.
Oberkofler 1986 = Gerhard Oberkofler, Die Tiroler Arbeiterbewegung (=Materialien zur Arbeiterbewegung Nr. 43),
Wien, 1986.
Spielmann 1888 = Spielmann Sigmund, Volapük-Almanach für 1888, Leipzig, 1888.
| 169