originalarbeit
Psychotherapie Forum (2020) 24:153–160
https://doi.org/10.1007/s00729-020-00148-z
Der Offene Dialog in der Behandlung von Patient_innen mit
einer Borderline-Persönlichkeitsstörung
Karsten Giertz
· Volkmar Aderhold
Online publiziert: 14. Oktober 2020
© Der/die Autor(en) 2020
Zusammenfassung Im Beitrag stellen die Autoren
das Konzept der bedürfnisangepassten Behandlung
und des Offenen Dialoges vor. Hierbei handelt es sich
um innovative therapeutische Behandlungskonzepte, die ab den 1980er Jahren in Finnland zunächst
für Menschen mit psychotischem Erleben entwickelt
wurden und später auch in mehreren nordeuropäischen Ländern in vielen Regionen des öffentlichen
psychiatrischen Regelversorgungssystems eingeführt
wurden. Mittlerweile wird dieser Ansatz auch bei
weiteren Gruppen von Patient_innen erfolgreich angewendet und hat sich weiter regional weltweit verbreitet.
Bei Erstbehandlungen und Krisen steht die Frühintervention durch Netzwerkgespräche im Vordergrund.
Dabei fokussieren die Netzwerkgespräche auf die Förderung von Dialogen indem jede(r) gehört wird, damit
neue psychologische Bedeutungen von Symptomen
und eine gemeinsame Erfahrung dieses Prozesses entstehen können. Die Netzwerkmitglieder helfen, damit
ein vielstimmiges Bild der Vorgeschichte und wichtiger Ereignisse entsteht und verständigen sich darüber,
was zu tun ist, um so die Handlungsfähigkeit der Betroffenen in ihrem eigenen Leben zu fördern. So kann
ein individuell angepasster Behandlungsprozess entstehen, bei dem die jeweiligen Akteur_innen im Rahmen von Netzwerkgesprächen miteinander in Verbindung gebracht werden, so dass sich die verschiedenen
K. Giertz ()
Landesverband Sozialpsychiatrie
Mecklenburg-Vorpommern e. V., Carl-Hopp-Straße
19a, 18069 Rostock, Deutschland
karstengiertz@o2online.de
V. Aderhold
Institut Sozialpsychiatrie, Bereich Psychiatrie
und Psychotherapie der Universität Greifswald,
Ellernholzstraße 1–2, 17489 Greifswald, Deutschland
K
für sinnvoll erachteten Ansätze gegenseitig ergänzen
und eine Konkurrenz vermieden wird.
Obwohl sich die Mehrzahl der existierenden naturalistischen Evaluationsstudien auf die Behandlung von
Menschen mit erster psychotischer Episode beziehen,
werden die Prinzipien dieses Ansatzes seit vielen Jahren bei allen Krisensituationen und bei Bedarf darüber hinaus angewendet und sind daher nicht als
diagnosespezifisch anzusehen. Wesentliche evidenzbasierte Elemente multiprofessioneller psychotherapeutischer und psychiatrischer Behandlung werden
somit ergänzt durch eine systemisch dialogische Praxis. In diesem Beitrag vertiefen die Autoren die Methodik des Offenen Dialoges im Kontext der psychotherapeutischen und psychiatrischen Behandlung von
Borderline-Patient_innen.
Schlüsselwörter Borderline-Persönlichkeitsstörung ·
Offener Dialog · Bedürfnisangepasste Behandlung ·
Psychosoziale Versorgung
The open dialogue in the treatment of patients
with borderline personality disorder
Summary In the article, the authors present the concept of need adapted treatment and open dialogue.
These are innovative therapeutic treatment concepts
that were initially developed in Finland for people
with a psychotic experience from the 1980s onwards
and were later also introduced in many regions of
the public psychiatric standard care system in several
northern European countries. In the meantime, this
approach has also been successfully applied to other
groups of patients and has spread further regionally
worldwide.
In the case of initial treatment and crises, early intervention through network meetings is in the foreground. The network talks focus on promoting dia-
Der Offene Dialog in der Behandlung von Patient_innen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung
153
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logues by hearing everyone so that new psychological
meanings of symptoms and a shared experience of
this process can arise. The network members help to
create a polyphonic picture of the past and important
events and agree on what needs to be done to promote the ability of those affected to act in their own
lives. In this way, an individually adapted treatment
process can be created, in which the respective actors are brought together in the context of network
meetings, so that the various approaches considered
usefully complement each other and competition can
be avoided
The majority of existing naturalistic evaluation studies
relate to the treatment of people with a first psychotic
episode. The principles of this approach have been
used for many years in all crisis situations and beyond
if necessary and are therefore not to be regarded as diagnosis-specific. Essential evidence-based elements
of multi-professional psychotherapeutic and psychiatric treatment are thus supplemented by a systemic
dialogical practice. In this article, the authors deepen
the methodology of open dialogue in the context of
the psychotherapeutic and psychiatric treatment of
borderline patients.
Keywords Borderline Personality Disorder · Open
Dialogue · Need Adapted Treatment · Community
based Treatment
Einleitung
In den letzten Jahren haben sich in zahlreichen angloamerikanischen und europäischen Ländern innovative und evidenzbasierte gemeindepsychiatrische
Versorgungsmodelle entwickelt, zu deren wichtigsten Merkmalen ein niedrigschwelliger Zugang sowie
eine sektorenübergreifende, flexible und personenzentrierte Ausrichtung der psychosozialen, psychotherapeutischen und psychiatrischen Behandlungsund Unterstützungsleistungen gehören (z. B. Assertive
Community Treatment, Home Treatment, Crisis Resolution Teams). Mit der flächendeckenden Einführung
dieser Modelle hat sich insbesondere die Versorgungssituation von Menschen mit schweren psychischen
Störungen und komplexen Hilfebedarfen erheblich
verbessert. Zudem orientieren sich alle Modelle an
einer menschenrechtsorientierten Ausrichtung der
Psychiatrie, an der UN-BRK sowie an normativen
sozialpsychiatrischen Grundlagen wie Lebensweltorientierung, Empowerment und Recovery (vgl. Schöny
(Hrsg.) 2018).
Zu einem weiteren gemeindepsychiatrischen Versorgungsmodell, das durch seinen innovativen Charakter und aufgrund seiner Effizienz international
Ankerkennung gefunden hat, gehört die bedürfnisangepasste Behandlung (Need Adapted Treatment).
Die bedürfnisangepasste Behandlung wurde in den
1980er Jahren von dem finnischen Psychiater und
psychodynamisch orientierten Familientherapeuten
154
Alanen (1997) bei Patient_innen mit psychotischer
Erstsymptomatik im psychiatrischen Universitätsklinikum in Turku entwickelt und wegen seiner nachgewiesenen Wirksamkeit bei verschiedenen Störungsgruppen in Finnland und anderen nordeuropäischen
Ländern in vielen Regionen als öffentliches psychiatrisches Regelversorgungssystem eingeführt.
Ausgehend von dieser Tradition entwickelten die
finnischen Psychologen Seikkula und Aaltonen sowie
die Psychiaterin Alakare in den frühen 1990er Jahren in Westlappland das Modell des Offenen Dialoges,
um die psychotherapeutische und psychiatrische Behandlung für alle Patient_innen innerhalb ihres eigenen sozialen Umfeldes zu organisieren (vgl. Seikkula
2003; Seikkula und Alakare 2015). Seit 2006 verbreitete sich auch in Deutschland die Praxis des Offenen
Dialoges vorzugsweise durch 16-tägige Grundausbildungen von Teams in psychiatrischen Organisationen
(Aderhold und Borst 2016). Die konkrete Umsetzung
(ca. 35 Organisationen bis heute) blieb jedoch – vor
allem in Abhängigkeit von den unterschiedlichen Finanzierungssystemen und dem Grad der Unterstützung durch die Leitungsebenen – oft noch unvollständig (Aderhold 2016). 2016 begann ein ähnlicher Prozess in der deutschsprachigen Schweiz.
Ursprünglich wurde der Offene Dialog für Patient_innen mit einer schizophrenen oder psychoseähnlichen Störung entwickelt. Mittlerweile wird die
Methode auch bei anderen Zielgruppen erfolgreich
angewendet. So bspw. bei Patient_innen mit Traumafolgestörungen (Seikkula und Arnkil 2007) oder affektiven Störungen (Seikkula et al. 2013). Der folgende
Beitrag widmet sich der Anwendung des Offenen Dialoges im Kontext der Behandlung von Betroffenen,
die unter der Borderline-Persönlichkeitsstörung leiden. Zu Beginn des Artikels werden die wichtigsten
Grundlagen der bedürfnisangepassten Behandlung
und des Offenen Dialoges beschrieben. Danach zeigen die Autoren spezifische Umsetzungsstrategien bei
Patient_innen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung auf.
Grundlagen der bedürfnisangepassten
Behandlung und des Offenen Dialoges
Die bedürfnisangepasste Behandlung
Anfang der 1970er Jahren entwickelte die Arbeitsgruppe um Alanen die bedürfnisangepasste Behandlung
im Kontext der Erstbehandlung von Patient_innen mit
psychotischen Krisen. Das wichtigste Merkmal dieses Behandlungsansatzes waren „Therapieversammlungen“ bzw. Netzwerkgespräche, die bei erstmaligem
Auftreten einer psychischen Krise gleich zu Beginn
mit dem Patienten, seinen Familienangehörigen und
anderen wichtigen Personen seines Netzwerks durchgeführt und über den gesamten Behandlungsprozesses je nach Bedarf fortgesetzt wurden (Alanen 1997).
Die Therapieversammlungen waren strukturell in wei-
Der Offene Dialog in der Behandlung von Patient_innen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung
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tere Behandlungsmöglichkeiten eingebettet, die bedarfsorientiert flexibel in Anspruch genommen werden konnten (Aderhold et al. (Hrsg.) 2003; Aderhold
und Greve 2010)
Multiprofessionelle ambulante mobile Teams
Krisendienst über 24 h
Akutstation im Krankenhaus
Eventuell eine Krisenwohnung (erstmals im Parachute-Projekt in Schweden ab 1996)
Individualpsychotherapie
Kunsttherapie, Musiktherapie, Ergotherapie
Unterstütztes Arbeiten auf dem ersten Arbeitsmarkt
(später hinzugekommen)
Dabei wird in Anlehnung an Ciompi (1982) von einem integrativen biopsychosozialen Krankheitsmodell ausgegangen, das psychische Krisen stets im
Zusammenhang mit belastenden Lebenssituationen
konzeptualisiert. Auch die Borderline-Persönlichkeitsstörung kann nach diesem generischen Modell als eine Störung aufgefasst werden, deren Ätiologie weitestgehend auf eine Wechselwirkung zwischen angeborenen und erworbenen Beeinträchtigungen, späteren
psychosozialen Belastungen (z. B. durch traumatische
Erfahrungen, familiäre Konflikte) sowie mangelnden
kompensatorischen Ressourcen zurück geführt wird
(siehe Schore 1997).
Im Zuge jahrelanger praktischer Erfahrungen wurden Grundprinzipien der bedürfnisangepassten Behandlung formuliert. Hierzu zählen (Alanen 1997,
S. 196 ff.; Aderhold et al. (Hrsg.) 2003, S. 68 f.):
1. Die therapeutischen Aktivitäten werden in jedem
Fall individuell geplant und flexibel ausgeführt, so
dass sie den wirklichen, veränderlichen Bedürfnissen der Patient_innen ebenso entsprechen wie den
Menschen, die ihr persönliches soziales Netzwerk
(meist ihre Familie) bilden.
2. Die Patient_innen sollen in Situationen, die ihre Behandlung betreffen, anwesend sein. Sie gelten als
Expert_innen ihrer eigenen Lebenssituation. Wenn
die Patient_innen beteiligt werden, so ist dies hilfreich, die Realitätskontrolle zurückzugewinnen. Es
ist Aufgabe der Mitarbeiter_innen, die Gespräche so
zu moderieren, dass dies möglich wird.
3. Es werden regelmäßig gemeinsame Treffen von Mitarbeiter_innen mit Patient_innen, Familienangehörigen und/oder anderen wichtigen Personen aus
dem Netzwerk ihrer Beziehungen durchgeführt.
Dies beginnt mit einem intensiven anfänglichen
Assessment, wenn die Patient_innen in die Behandlung kommen. Wiederholte, gemeinsame Erfahrungen von Patient_innen und allen Beteiligten,
Beobachtungen und Hypothesen in Therapieversammlungen und anderen Situationen führen zu
einem gemeinsamen Verstehensprozess im therapeutischen System.
4. Verschiedene therapeutische Zugänge sollten sich
gegenseitig ergänzen anstelle eines „Entweder/
K
Oder“-Vorgehens. Therapeutische Aktivitäten (wie
verschiedene Therapieformen, psychopharmakologische Behandlung und rehabilitative Maßnahmen)
sollen in einem übergreifenden Behandlungsplan
integriert werden. Als Voraussetzung für eine integrierte Behandlung ist die notwendige Kooperation
mit Personen und Einrichtungen herzustellen.
5. Untersuchung und Behandlung sind durch eine
psychotherapeutische Haltung bestimmt. Dies bezieht sich auf den Versuch zu verstehen, was passiert ist, was weiterhin mit den Patient_innen und
den Personen im sozialen Netzwerk geschieht und
wie dieses Verstehen als Basis für die Unterstützung
genutzt werden kann. Eine Haltung dieser Art bezieht auch ganz wesentlich die Beobachtung der
eigenen emotionalen Reaktion ein.
6. Die Behandlung soll die Qualität eines kontinuierlichen Prozesses erreichen und aufrechterhalten.
Dies bedeutet, dass Sitzungsroutinen bzw. schematische Abfolgen zu vermeiden sind.
7. Eine Nachuntersuchung der Wirksamkeit der Behandlungsmethoden im Einzelfall ist wichtig, auch
hinsichtlich der Auswirkung und der Weiterentwicklung des gesamten Behandlungssystems.
Wie Alanen (1997, S. 214 ff.) betont, haben die Therapieversammlungen sowohl eine informative, diagnostische als auch eine therapeutische Funktion. So
werden alle wichtigen Netzwerkmitglieder auf den
gleichen Informationsstand gebracht, wodurch abgestimmte und verbindliche Behandlungsvereinbarungen im Sinne der Patient_innen getroffenen werden
können. Gleichzeitig führen die Informationen aller
Netzwerkmitglieder zu einer komplexen Sichtweise
auf die aktuelle Situation. Durch die Anerkennung der
Bedürfnisse aller Beteiligten und durch die Anregung
produktiver Kommunikationsprozesse können auch
Konflikte oder Spannungen zwischen den einzelnen
Netzwerkmitgliedern (bspw. Familienangehörigen,
Partner_innen) abgebaut werden.
Die Methode des Offenen Dialoges
Inspiriert durch den norwegischen Prof. für Sozialpsychiatrie Andersen (1936–2007) (1987) und beeinflusst durch den russischen Literaturwissenschaftler
Bakhtin (1895–1975) (1988) entwickelte Seikkula die
bedürfnisangepasste Behandlung durch eine weitere Konkretisierung der Handlungsprinzipien und
die Praxis dialogischer systemischer Methoden zum
Modell des Offenen Dialoges weiter (Seikkula 2003).
Die Methode des Offenen Dialoges ist in erster Linie darauf ausgerichtet, die sozialen Netzwerke der
Patient_innen zu fördern, vielstimmige Dialoge zwischen den Netzwerkmitgliedern anzuregen, um komplexe Wissensbestände des sozialen Netzwerkes hinsichtlich der aktuellen Situation der Patient_innen
und ihren Familien zu generieren sowie einen möglichst sicheren Rahmen für einen gemeinsamen of-
Der Offene Dialog in der Behandlung von Patient_innen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung
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fenen Prozess herzustellen, der eine optimale und
nachhaltige Unterstützung der Patient_innen und deren Familie ermöglicht. Ein Einblick in die praktische
Umsetzung des Offenen Dialoges mit Fallbeispielen
findet sich in Brown (2012), Brown et al. (2015) sowie
in Sekkula und Arnkil (2007).
Therapeutische Prinzipien des Offenen Dialoges
Mittels Aktionsforschung in Bezug auf die Prozessevaluation des Offenen Dialoges wurden in Westlappland sieben therapeutische Prinzipien (vgl. Olson et al.
2014) formuliert, welche im Folgenden in Anlehnung
an Aderhold (2016, S. 27–28) kommentiert werden.
1. Sofortige Hilfe: Die Verfügbarkeit sofortiger Hilfe innerhalb von 24 h im Rahmen eines Netzwerktreffens
ist ein essenzieller Bestandteil des Offenen Dialoges. Im Idealfall finden die Netzwerktreffen im unmittelbaren Lebensumfeld der Patient_innen und
deren Familien statt. Die Niedrigschwelligkeit und
Frühintervention unter Nutzung aller verfügbaren
Ressourcen spielt für das therapeutische Gelingen
eine entscheidende Rolle und beeinflusst unter anderem die Wirksamkeit des psychotherapeutischen
Zugangs, wodurch die Notwendigkeit von Neuroleptika oder stationären Hospitalisierungen sinkt.
Im weiteren Behandlungsprozess bleibt ein Krisendienst im Hintergrund bestehen, der bei Bedarf von
den Betroffenen hinzugezogen werden kann und
die Hospitalisierungsrate weiter verringert. Auch
im späteren Verlauf bilden Reaktionsflexibilität und
Frühintervention bei Krisen einen essenziellen Bestandteil.
2. Soziale Netzwerkperspektive: Von Anfang an werden wichtige Mitglieder des sozialen Netzwerkes der
Patient_innen in die Netzwerktreffen einbezogen.
Dies geschieht auch dann, wenn die Patient_innen
sich in einer akuten Krise befinden. Das persönliche Netzwerk wird mit als wichtigste Ressource
der Patient_innen aufgefasst. Im Laufe des Behandlungsprozesses können auch weitere Personen in
die Therapieversammlungen eingeladen werden.
3. Flexibilität und Mobilität: Da jeder Fall als einmalig angesehen wird, gibt es im Offenen Dialog
keine standardisierte Behandlung oder festgelegten Behandlungsprogramme. Alle Therapiemethoden müssen an die Sprache, Lebensweise, die individuellen Möglichkeiten und Interessen der Patient_innen und deren Familien angepasst werden.
Die Flexibilität von Ort und Frequenz der Sitzungen gehört ebenfalls dazu. Nach den Netzwerkgesprächen wird daher meist nur die nächste Sitzung
vereinbart.
4. Gemeinsame Verantwortung: Im gesamten Verlauf
nimmt das psychiatrische System Verantwortung
für die Organisation des Netzwerkgespräches nach
einem Hilferuf. Im Zuge der ersten Sitzungen wird
gemeinsam entschieden, wer zu dem längerfristig
156
verantwortlichen Team gehört. Bei komplexen Problemlagen sind es in der Regel Mitarbeiter_innen
aus unterschiedlichen Einrichtungen und Institutionen. Alle Teammitglieder kümmern sich um das
Einholen der erforderlichen Informationen, um die
bestmöglichen Entscheidungen treffen zu können.
Darüber hinaus sind sich auch die Professionellen bewusst, dass sie bereits mit dem ersten Netzwerkgespräch Teil des Problemsystems sein können
(d. h. auch die Professionellen wissen, dass sie nicht
nur Lösungen, sondern auch Probleme erzeugen).
Alle Themen der Netzwerkgespräche und Behandlungsmaßnahmen werden im Voraus nicht geplant,
sondern in der Sitzung gemeinsam mit allen Beteiligten entschieden bzw. entwickelt.
5. Psychologische Kontinuität: Therapieabbrüche oder
Wechsel der professionellen Netzwerkmitglieder
sollen so weit wie möglich vermieden werden. Weitere wichtige Personen, die im späteren Verlauf aus
verschiedenen Unterstützungssettings kommen,
können über die Therapieversammlungen in den
Gesamtprozess integriert werden.
6. Toleranz von Unsicherheit: Um ein vertieftes Verstehen und den dialogischen Prozess zu ermöglichen,
sollten die Professionellen auf vorschnelle Festlegungen (z. B. Diagnosen, Krankheitsmodelle oder
familiendynamische Erklärungen) und damit auf
gewohnte Sicherheiten so weit wie möglich verzichten. Eine wichtige Basis hierfür bildet das Vertrauen
in einen gemeinsam noch unbekannten Prozess,
der von allen Beteiligten gestaltet wird. Behutsame
nur vorübergehende Schlussfolgerungen und gemeinsam getragene Entscheidungen, die als sinnvoll erachtet werden sowie die konsequente Einbeziehung möglichst aller Beteiligten, und somit die
Erhöhung statt Minderung der Polyphonie durch
Ausschluss von Stimmen stärkt dieses Vertrauen in
den gemeinsamen Prozess und erleichtert das Ertragen von Unsicherheit. In Krisen kann dies durch
eine Erhöhung der Frequenz der Netzwerktreffen
sichergestellt werden. Auch die Transparenz unterschiedlicher Einschätzungen der Netzwerkmitglieder in der Form gemeinsamer Reflektionen sowie
das Aufschieben von Entscheidungen zur weiteren
Klärung kann das Vertrauen der Beteiligten in den
Prozess erhöhen.
7. Förderung des Dialoges (Polyphonie): Der Schwerpunkt der therapeutischen Konversation liegt auf
der Förderung von Offenen Dialogen und Vielstimmigkeit im sozialen Netzwerk.
Das Netzwerktreffen
Die zentrale therapeutische Arbeitsform des Offenen
Dialoges bildet dabei das Netzwerktreffen, womit eine
Begegnung aller wichtigen persönlichen und professionellen Bezugspersonen der Patient_innen gemeint
ist, die etwas zur aktuellen Situation beitragen können. Das Netzwerktreffen sollte möglichst die erste
Der Offene Dialog in der Behandlung von Patient_innen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung
K
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professionelle Reaktion auf eine Krise darstellen und
im weiteren Behandlungsverlauf immer dann stattfinden, wenn ein Teil der Beteiligten dies für sinnvoll erachtet. Angeleitet und moderiert wird das Treffen von
mindestens zwei Mitgliedern eines multiprofessionellen therapeutischen Teams, das anlässlich einer Krise oder eines wichtigen Ereignisses beauftragt wird.
Bei komplizierten Problemlagen können auch weitere
Teammitglieder – meist nur vorübergehend – hinzugezogen werden.
Zu Beginn kommt jede(r) Anwesende zu Wort. Gelingt es den Professionellen, respektvoll zu sein, jedem aktiv zuzuhören und ausreichende emotionale
Sicherheit zu gewährleisten und durch interessierte
offene Fragen, das nachfragende Aufgreifen von zuvor
gesprochenen Worten und andere systemische Frageformen wie den zirkulären Fragen den Austausch der
Netzwerkmitglieder anzuregen, entsteht ein gemeinsamer dialogischer Prozess.
Oft befinden sich die Menschen in anfänglichen
Therapieversammlungen in extremen Lebenssituationen mit tiefen emotionalen Erfahrungen. Am Beginn
steht oft ein Gefühl der Ohnmacht und Hoffnungslosigkeit. Dieses darf jedoch zugelassen werden und
kann eine Chance sein, um ein Gemeinschaftsgefühl
zu entwickeln. Auch Therapeut_innen können mit intensiven Gefühlen reagieren und bewegen sich in einem Feld jenseits therapeutischer Technik.
Besonders bedeutsam ist dabei jedoch, dass die
Mitglieder des therapeutischen Teams aus ihrem gesamten körperlichen Sein heraus reagieren und aufrichtig daran interessiert sind, was jede einzelne Person im Raum zu sagen hat. Sie vermeiden dabei jede Anmutung, dass jemand etwas Falsches gesagt haben könnte. Indem das Team die Alltagssprache der
Klient_innen verwendet und aufgreift, erleichtern die
Fragen der Teammitglieder das Erzählen der Erfahrungen auf eine Art, in der die alltäglichen Details
und die problematischen Emotionen durch die Ereignisse enthalten sind. Indem sie dann die übrigen
Netzwerkmitglieder um Kommentare zu dem Gesagten bitten, helfen die Teammitglieder, ein vielstimmiges Bild des Ereignisses entstehen zu lassen. Wenn
dieser Prozess den Netzwerkteilnehmer_innen ermöglicht, ihre jeweilige eigene Stimme zu finden, können
sie sich selbst Antworten geben. Alle Anwesenden erzeugen dadurch einen gemeinsamen Sprachraum zur
Annäherung des Verständnisses der benutzen Worte.
Der Raum für neue Bedeutungen entsteht dabei
nicht in jedem Einzelnen, sondern im interaktionellen Raum zwischen den Gesprächsteilnehmer_innen
während der dialogischen Praxis. Jede neue Antwort
kann dabei die vorhandenen Bedeutungen verändern,
insofern ist der Dialog offen und niemals abgeschlossen. Nicht endgültige Beschreibungen oder Erklärungen sind das Ziel, sondern der Dialog selbst ist ein gegenseitiges Handeln, das Subjekt-Subjekt-Beziehungen erzeugt, die auch die Therapeut_innen einbeziehen.
K
Wirklichkeit, Wahrheit und Selbst werden als Ergebnis sozialer und kultureller Prozesse aufgefasst. Sprache bildet dabei nicht Wirklichkeit ab, sondern bringt
diese hervor. Verschiedene Wahrheiten sind damit
unausweichlich. Es kann demnach immer nur eine
vorübergehende subjektive oder situativ gemeinsam
empfundene Wahrheit entstehen. Sie entsteht durch
Bezogenheit, Engagement und Hingabe und in einem
dafür geeigneten Kontext. Diese polyphone Wahrheit
braucht viele gleichzeitige Stimmen. Menschliche Begegnungen werden als grundsätzlich einzigartig und
einmalig aufgefasst, sodass sich in jedem wahrhaft
dialogischen Gespräch immer wieder neue Begegnungen (sogenannte „Begegnungsmomente“) (Stern
2007) und Wege des Miteinanders eröffnen können.
Damit werden die Erzählungen, die subjektiven
Erfahrungen und ihre Bedeutungen, das Aussprechen
von bisher Ungesagtem bis hin zu traumatischen
Erfahrungen und tiefgreifenden Dilemmata weitaus
wichtiger als die Symptome, die erst im Licht dieser
Erzählungen verständlich werden können. So können
neue psychologische Bedeutungen von Symptomen
und die gemeinsame Erfahrung dieses Prozesses entstehen.
Das Vorgehen erfolgt stets auf Augenhöhe mit den
Patient_innen und allen Beteiligten und stellt die Ziele
und Wünsche, Ressourcen und Stärken in den Fokus
der Arbeit miteinander. Auch werden meist zwei Mal
im Gesprächsverlauf Reflektionen der Professionellen
miteinander angeboten. Immer entscheidet das anwesende Netzwerk, ob sie tatsächlich stattfinden. Sie
sollten jeweils kurz sein und das subjektiv Wichtige
wiedergeben.
Durch das Reflektieren wird dem Netzwerk zum
einen deutlich, wie aufmerksam die Professionellen
die Dialoge verfolgen, was meist die Ernsthaftigkeit
des Gesprächs nach der Reflektion verstärkt. Des Weiteren existieren in jedem Anwesenden neben der geäußerten „Stimme“ weitere und durchaus divergierende innere Stimmen (die sog. innere oder vertikale Polyphonie), die jedoch nicht ausgesprochen werden. Indem zentrale Inhalte der „äußeren Stimme“
gespiegelt werden, werden diese oft gegensätzlichen
inneren Stimmen aktiviert und so beginnt ein innerer Dialog. Zugleich werden auch die anderen evtl.
im Konflikt stehenden Gesprächsteilnehmer_innen zu
Hörenden dieser gespiegelten Inhalte. Werden diese
jetzt wertschätzend von anderen wiedergegeben, können sie neu gehört und bereitwilliger aufgenommen
werden (sog. Ricochet-Effekt). Auch dies führt oft zu
neuen weiteren Dialogen. Die (noch) nicht ausgesprochenen inneren Stimmen sind oft wichtiger als die
formulierten. Sie können auch unausgesprochen bleiben, bestimmen jedoch unter Umständen die weitere
Entwicklung mit. In späteren Gesprächen werden sie
möglicherweise ausgesprochen.
„Die Krise erscheint bald in einem neuen Licht, ein
vertieftes Verständnis wird möglich, und oft beginnen
konfliktreiche Beziehungen sich konstruktiv zu ver-
Der Offene Dialog in der Behandlung von Patient_innen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung
157
originalarbeit
ändern. Auch das Behandlungssetting wird gemeinsam überlegt und möglichst im Konsens entschieden
(Aderhold 2016, S. 26).“ Am Ende werden die wichtigsten Themen und die eventuell getroffenen Entscheidungen zusammengefasst und bei Bedarf ein weiterer
Termin vereinbart.
Durch diese Dialoge über Schwierigkeiten und Probleme entsteht die Erfahrung von Handlungsfähigkeit im eigenen Leben. Vorschnelle Schlussfolgerungen und Entscheidungen über die Behandlung werden so vermieden. Die Professionellen werden vor allem zu Helfer_innen mit den Fähigkeiten, Dialoge zu
fördern.
Der Offene Dialog in der Therapie von
Patient_innen mit einer BorderlinePersönlichkeitsstörung
Mittlerweile ist die Wirksamkeit des Offenen Dialoges recht gut belegt. Obwohl sich die Mehrzahl
der existierenden naturalistischen Evaluationsstudien
über 2 bzw. 5 Jahre auf die Behandlung von Menschen mit erster psychotischer Episode beziehen,
werden die Prinzipien des Ansatzes seit vielen Jahren
bei allen Krisensituationen und bei Bedarf darüber
hinaus angewendet und sind daher nicht als diagnosespezifisch anzusehen. Allerdings bedarf es weiter
Evaluation, um bei den verschiedenen Gruppen von
Patient_innen genauere Aussagen treffen zu können.
Eine ausstehende randomisierte Vergleichsstudie hat
2019 mit 664 Teilnehmer_innen in Großbritannien
im Rahmen der Nationalen Gesundheitsdienstes begonnen. Eingeschlossen werden Klient_innen mit
unterschiedlichen Diagnosen in Krisen.
Die bisherigen Ergebnisse weisen darauf hin, dass
der Offene Dialog zur Reduktion von stationären
Aufenthalten, psychischen Symptomen und sekundären Krankheitsfolgen beiträgt (Seikkula et al. 2006,
2011; Übersicht bei Freeman et al. 2019). Auch die
Einnahme von Neuroleptika konnte stark reduziert
werden. Zudem berichten qualitative Studien, die
überwiegend im Rahmen einer nutzer- bzw. nutzerinnenorientierten Aktionsforschung zur Wirksamkeit
des Offenen Dialoges durchgeführt wurden, dass positive Outcomes besonders mit der spezifischen Netzwerkperspektive und weniger mit der individualisierten Patient_innenperspektive einhergehen. Ebenso
wird der Offene Dialog auf Seiten der Patient_innen
mit einer Zunahme von Partizipation in Verbindung
gebracht, was wiederum zu besseren Behandlungsergebnissen beitragen kann. Allgemein werden die
Netzwerktreffen von den Befragten positiv bewertet.
Vor allem Faktoren wie Offenheit und Toleranz für
Unsicherheit während der Netzwerktreffen, Qualität
und Vielfalt der Dialoge, die Netzwerktreffen an sich
und der häufige Effekt der Netzwerkgespräche einen
persönlichen Wandel zu erfahren sowie die Methode des reflektierenden Teams bringen die Befragten
158
mit einem positiven Krankheitsverlauf in Verbindung
(Freeman et al. 2019).
Als multiprofessionelle und flexible Krisenintervention kann der Offene Dialog bei Patient_innen
mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung zu einer
signifikanten Reduktion von stationären Aufenthalten, sekundären Krankheitsfolgen wie Verlust des
Arbeitsplatzes, Abbruch von Ausbildung oder Schule
beitragen, womit im Vergleich zu herkömmlichen Behandlungsformen die soziale und berufliche Integration verbessert wird (siehe hierzu Giertz und Grabe in
diesem Heft). In diesem Zusammenhang kann auch
konstatiert werden, dass die Krisenintervention im
unmittelbaren Lebensumfeld die Entwicklung und
Umsetzung von individuellen Bewältigungsstrategien fördert, welche die Patient_innen möglicherweise
in einer Gruppen- und Einzeltherapie oder darüber
hinaus erlernt haben.
Auch krisenauslösende Faktoren, die bei Borderline-Patient_innen häufig mit interpersonellen Konflikten oder Überforderung in Zusammenhang stehen
(Chaudhury et al. 2017), können im Rahmen des Offenen Dialoges nachhaltig bewältigt werden. Durch die
dialogische Praxis entstehen Klärungsprozesse und
korrigierende emotionale Erfahrungen. Der interpersonelle Austausch in einem sicheren Rahmen der
Netzwerkgespräche und die reflektierenden Beiträge
der Professionellen regen dabei wichtige Mentalisierungsprozesse (Bateman und Fonagy (Eds.) 2019)
an, die die konfliktfreien Persönlichkeitsanteile der
Betroffenen stärken, das intrapsychische Erregungsniveau reduzieren und somit zu einer Stabilisierung
in Krisensituationen beitragen können, ohne dabei
auf eine stationäre Einweisung oder Medikamente
zurückgreifen zu müssen.
Die Wirkfaktoren von Netzwerkgesprächen können
ganz unterschiedliche Ebenen umfassen. Vom ernsthaft gehört und anerkannt werden zum mehr verstehenden Dialog. Der Zugang zu tieferen Ebenen durch
das Aufgreifen von Momenten der Brüchigkeit sowohl
auf Seiten der Netzwerkteilnehmer_innen als auch der
Therapeut_innen (Brown 2012), und so die polyphone Erweiterung vorangegangener Monologe durch ein
Netzwerk, das sich verändern darf. Durch das Aussprechen von bisher Ungesagtem, und das Annähern
an das innere Erleben, wird das Abgleiten in dissoziativen Schutz seltener erforderlich. Das berührt Werden durch Aussagen von anderen, auch durch reflexive Beiträge des therapeutischen Teams sowie die innere Polyphonie des bzw. der Therapeut_in in Gedanken, Bilder, körperlichen Empfindungen, Erinnerungen, Ideen (Rober 2005), als Teil eines gemeinsamen
geteilten energetischen Feldes, von denen etwas intuitiv zum Ausdruck gebracht oder bewahrt werden
kann. (Brown 2012).
Die Emergenz von existenziellen Begegnungen in
Momenten, in denen die Schalen der sozialen Rollen
abgelegt werden, genuin Persönliches zum Ausdruck
gebracht wird und die Erfahrung einer Ich-Du Bezie-
Der Offene Dialog in der Behandlung von Patient_innen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung
K
originalarbeit
hung, eines Begegnungsmomentes gemacht werden
kann: eine existenzielle Selbsterweiterung durch ein
Verbundensein mit dem oder den anderen, dass sich
Einschwingen und sich sehr persönlich Einlassen auf
andere ohne den eigenen Boden zu verlieren (Brown
2015).
Dieses sich öffnen für den existentiellen Zwischenraum zwischen Menschen beinhaltet eine gemeinsame Veränderung. Ein nicht abschließbarer Fluss von
Verstehen und immer auch Missverstehen entfaltet
sich, mit Momenten der Begegnung und „Vergegnung“ (mis-meeting) (Brown 2015), Gemeinsamkeiten
und Distanz, die koexistieren können. Eine Sicherheit
besteht auch darin, das anderes unausgesprochen
bleiben kann, so dass ein inneres Eingeständnis nicht
mit einer sozialen Beschämung einhergeht.
Die stärkere Einbindung in ein unterstützendes
Netzwerk, dass sich gemeinsam auf die Suche nach
den Möglichkeiten eines besseren Lebens für alle
macht, und dazu kontinuierlich Netzwerkgespräche
nutzen kann. Und am Ende werden ganz praktisch
in jedem Netzwerkgespräch gemeinsam gangbare
Schritte verabredet oder erst nach einem Gespräch
explizit oder implizit auf den Weg gebracht werden.
Ein weiterer Aspekt betrifft die therapeutische Vernetzung. Borderline-Patient_innen gelten bei vielen
Psychotherapeut_innen wegen der Tendenz zu Suizidalität, selbstverletzenden und impulsiven Verhaltensweisen als eine schwierig zu behandelnde Gruppe, die häufig zu hohen Belastungen führt (Jobst et al.
2010). Trotz der Entwicklung von evidenzbasierten Behandlungsverfahren in den letzten Jahren, stellen Borderline-Patient_innen immer noch eine stigmatisierte Gruppe innerhalb der psychotherapeutischen und
psychiatrischen Versorgung dar (Breneise et al. 2020).
In vielen therapeutischen Manualen wird daher neben
Supervision und Fortbildung auch die Vernetzung von
Therapeut_innen mit anderen Institutionen oder therapeutischen Gemeinschaften als Voraussetzung für
die Behandlung von Borderline-Patient_innen empfohlen, um Überlastungen, negativen therapeutischen
Reaktionen oder Behandlungsabbrüchen entgegenzuwirken (vgl. Stiglmayer in diesem Heft). Der Offene
Dialog trägt in diesem Kontext dazu bei, dass eine
Vernetzung stattfindet und die Verantwortung der Behandlung auf alle Schultern verteilt wird, wodurch eine Entlastung von einzelnen Akteur_innen möglich
wird. Dies hilft Behandlungsabbrüche und schwierige
Krankheitsverläufe zu vermeiden. Wenn flexible ambulante Teams mit dialogisch-systemischer Kompetenz zur Verfügung stehen, können sie insbesondere
in Krisen und zur Krisenprävention schnell hinzugezogen zu werden, um Netzwerkgespräche zu organisieren und zu moderieren.
Interessenkonflikt K. Giertz und V. Aderhold geben an, dass
kein Interessenkonflikt besteht.
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Literatur
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