Universitätsverlag Potsdam
Caroline Fischer | Isabella Proeller (Hrsg.)
Zukunftsszenarien für die digitale
Verwaltung: Ergebnisse eines
studentischen Beratungsprojekts
Schriftenreihe für Public und Nonprofit Management | 25
Schriftenreihe für Public und Nonprofit Management
Schriftenreihe für Public und Nonprofit Management | 25
Caroline Fischer | Isabella Proeller (Hrsg.)
Zukunftsszenarien für die digitale Verwaltung
Ergebnisse eines studentischen Beratungsprojekts
Universitätsverlag Potsdam
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Die Schriftenreihe für Public und Nonprofit Management wird herausgegeben vom Lehrstuhl für
Public und Nonprofit Management der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der
Universität Potsdam.
ISSN (Online) 2190-4561
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Online veröffentlicht auf dem Publikationsserver der Universität Potsdam
https://doi.org/10.25932/publishup-43559
https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:kobv:517-opus4-435593
Dieses Sonderheft der Schriftenreihe des Lehrstuhls für Public und Nonprofit Management
präsentiert Ergebnisse eines studentischen Beratungsprojekts aus dem Wintersemester 2018/19.
Dabei wurde eine Vision für eine digitalisierte öffentliche Verwaltung entworfen. Unter Anwendung
von Szenariomethoden wurden Zukunftsszenarien entwickelt und getestet, die sich entweder mit
Bürger*innen und Unternehmen als Kund*innen der Verwaltung, den öffentlich Beschäftigen oder
der Aufbau- und Ablauforganisation in der Verwaltung beschäftigen.
This Special Issue of the Chair of Public and Nonprofit Management’s publication series presents
results of a student consulting project from the winter semester 2018/19. A vision for a digital public
administration has been designed. By using the scenario method, future scenarios have been
developed and tested. These scenarios deal either with citizens and businesses as clients of the
administration, public employees or organizational structure and internal coordination.
Inhaltverzeichnis
1.
Vorwort ........................................................................................................................................... 1
2.
Einleitung ......................................................................................................................................... 5
3.
Die Kund*innen der digitalen Verwaltung ...................................................................................... 8
4.
Die Organisation der digitalen Verwaltung ................................................................................... 32
5.
Das Personal der digitalen Verwaltung ......................................................................................... 78
6.
Fazit ............................................................................................................................................. 133
7.
Anhang......................................................................................................................................... 139
1. Vorwort
Caroline Fischer, Isabella Proeller
Visionen erarbeiten – Szenariotechniken in Lehre und Forschung der Verwaltungswissenschaft
Die digitale Transformation schreitet in der öffentlichen Verwaltung voran. Immer mehr interne und
externe Prozesse werden digitalisiert. Extern verändert sich die Interaktion mit den Bürger*innen und
anderen Verwaltungskund*innen. Intern ändern sich Kommunikationsformen und Abläufe, aber auch
die nötige Infrastruktur. Häufig herrscht in den Verwaltungen aber Unsicherheit darüber, was dieser
fortschreitende technologische Wandel mit sich bringen wird. Wie wird sich die Personalstärke in
verschiedenen Bereichen und Anforderungsstufen verändern, welche neuen Kompetenzen werden
nötig sein und welche Bedürfnisse haben öffentlich Beschäftigte bei all diesen Veränderungen? Welche
Liegenschaften werden noch gebraucht, wenn alle im Homeoffice arbeiten und die Bürger*innen alle
Behördenwege online erledigen? Welche Veränderungen ruft Digitalisierung in der Ablaufund Aufbauorganisation hervor? Wie müssen sich Prozesse verändern, um nicht einfach nur den
Status Quo zu digitalisieren, wird es in Zukunft überhaupt noch eine klassische Linienorganisation
geben? Und was wollen bei all den technischen Möglichkeiten eigentlich die Bürger*innen –
ein
Bürgerportal, Behördenautomaten oder doch das gute alte Gespräch mit dem/der
Sachbearbeiter*in?
In einem Praxisprojekt (studentisches Beratungsprojekt) sind wir diesen Fragen gemeinsam
mit Studierenden nachgegangen. Die Studierenden beraten hierbei in Teams einen realen
Auftraggeber zu einem konkreten Problem. Dabei geben sich die Studierendenteams als
Beratungsteam einen eigenen Namen und eine Mission. Für den Auftraggeber – in diesem
Fall den Brandenburger Landkreis Havelland – sollten die Studierenden Zukunftsszenarien zur
Digitalisierung
der
öffentlichen
Verwaltung
entwickeln
und
testen.
Drei
studentische
Beratungsteams haben diesen Auftrag jeweils aus einer anderen Perspektive bearbeitet: (1) der Sicht
von Bürger*innen und Unternehmen als Kund*innen der Verwaltung, (2) in Bezug auf
die Bedeutung für die Aufbau- und Ablauforganisation der Verwaltung und (3) hinsichtlich
der Auswirkungen für die öffentlich Beschäftigten. Die entwickelten Szenarien entstammen
dabei
keinesfalls
einem
‚Blick
in
die
sozialwissenschaftlichen
Methoden. Die Studierenden
Dokumentenanalysen
Best-Practice-Fälle
Experteninterviews
und
Glaskugel‘,
haben
herausgearbeitet
sondern
entweder
oder
basieren
auf
Basis
mithilfe
Interviews mit Verwaltungsmitarbeiter*innen
auf
von
von
Informationen
erhoben und diese in Szenarien übersetzt. Diese Szenarien wurden in einem Teilprojekt
mithilfe von schriftlichen und mündlichen Befragungen wiederum von Bürger*innen bewertet.
1
Szenarien wurden somit zugleich als Erhebungsinstrument und Ergebnis der Teilprojekte dieses
Praxisprojektes genutzt. Als Erhebungsinstrument haben sie sich als hilfreich erwiesen, da das
Format erlaubt hat, den Befragten komplexe Situationen einfacher präsentieren und zur Auswahl
stellen zu können. Zur Ergebnispräsentation erwiesen sich die Szenarien vor allem nützlich,
um
Praktiker*innen
die
Ergebnisse zugänglicher zu machen. Denn Szenarien übersetzen
abstrakte Ergebnisse in konkrete Situationen aus dem Verwaltungsalltag. Häufig sind sie auch
visualisiert und somit vergleichsweise leichter vermittelbar (siehe beispielsweise Kapitel 3, Seite
15ff.). Dies ist auch ein Vorteil für die Auftraggeber: Sie können mit diesen zugänglich
präsentierten Ergebnissen direkt weiterarbeiten und diese an ihre Mitarbeiter*innen weitergeben.
Die Szenariomethode hat sich jedoch nicht nur als Forschungsinstrument bewährt, sondern es
konnten auch positive Auswirkungen für das Lernen der Studierenden beobachtet werden. Zum
einen haben die Studierenden gelernt, eine Systematik zu entwickeln (Szenariomatrix), um
Informationen zu erheben und systematisch festzuhalten. Ergebnisse einer Analyse als Szenarien
darzustellen, erfordert zum anderen, dass die Studierenden verschiedene Einflussfaktoren
verknüpfen und in Interaktion betrachten können. Letztlich haben die Studierenden auch gelernt,
komplexe Ergebnisse in praxisnahe Situationen zu übersetzen. Hieran zeigt sich häufig am besten,
wie gut ein Forschungsgegenstand durchdrungen wurde.
Die Szenariomethode entstammt der sogenannten Zukunftsforschung (auch Zukunftsstudien,
forsight study). Diese entstand in den 1950er Jahren in den USA in der Verteidigungs- und
Energieindustrie. Sie wird häufig zur Planung technologie-basierter Investments, Simulation von
Krisensituationen oder strategischen Organisationsausrichtungen genutzt. Szenarien sind dabei
Zukunftsprojektionen, die einer Ungewissheit unterliegen, aber dennoch auf begründeten
Annahmen basieren. Diese Ungewissheit unterscheidet sie auch von Prognosen. Szenarien
müssen eine „Balance zwischen kreativer
Imagination
möglicher
Entwicklungen
und
Restriktionen durch Sachzwänge bzw. Pfadabhängigkeiten“ (Steinmüller 2012) finden. Je nach
strategischem Zweck der Szenarien können diese normativ oder deskriptiv sein, also entweder eine
zu erreichende Vision präsentieren oder aber sehr nah am realen Status Quo ausgerichtet sein
(Rialland und Wold 2009).
Szenarioanalysen
eignen
sich,
um
sich
aktiv
mit
Zukunft
und
Unsicherheiten
auseinanderzusetzen. Sie dienen zur Früherkennung potenzieller Chancen und Gefahren und
einer entsprechenden
2009).
Entwicklung
von
Präventiv-
oder
Reaktionsmaßnahmen
(Mietzner
Als nachteilig wird häufig eingeschätzt, dass Szenarioanalysen von subjektiven
Einschätzungen der am Szenarioprozess beteiligten Akteure abhängig sind (Mietzner 2009). Insofern können Szenarioanalysen nie ganz objektiv sein. Durch die saubere Verwendung sozialwissen2
schaftlicher Erhebungsmethoden kann die beschriebene Subjektivität aber eingedämmt werden.
Zur Erstellung von Szenarien ist es zunächst nötig, dass man sich für einige wenige Faktoren
entscheidet, deren Einfluss auf eine Situation oder Organisation man betrachten möchte.
Idealerweise sind diese Faktoren auch die entscheidenden Treiber von Veränderungen. Diese
Faktoren lassen sich anschaulich in einer Szenariomatrix darstellen, indem sie als Achsen dieser
Matrix verwendet werden (siehe beispielweise Kapitel 4, Seite 50). Gute Szenarien zeichnet
sodann nicht nur aus, dass größtmögliche Unterschiede dargestellt werden (positive und
negative Extremszenarien), sondern diese in sich stimmig, widerspruchsfrei und konsistent sind und
bei
Veränderungen
einzelner
einige Autoren dafür, dass
Faktoren
möglichst
stabil
bleiben.
Zudem
plädieren
Szenarien auch narrative Elemente enthalten und detailreich
gestaltet sein sollten – ähnlich einer Kurzgeschichte (siehe beispielsweise Kapitel 5, Seite
126ff.). Dies fördert den (Mehr-)Wert als praxisnahes, leicht vermittel- und vorstellbares
Kommunikationsformat.
Im
Folgenden
präsentieren
die
Studierenden
des
Praxisprojekts
Public
Management
der Universität Potsdam im Wintersemester 2018/19 die Ergebnisse ihrer Projektarbeit. Nach
einer Einleitung in der das Thema umrissen und die einzelnen Projektgruppen vorgestellt
werden, folgt zunächst der Beitrag der Projektgruppe, die sich mit den Bedürfnissen und
Wünschen der Verwaltungskund*innen auseinandergesetzt hat.
Henna Adams, Michelle Hahn, Lena Metzger, Johanna-Katharina Möller und Dominik
Zeidler haben Bürger*innen des Landkreises Havelland und ansässige Unternehmen befragt
und ihnen verschiedene Szenarien für die zukünftige Interaktion zwischen Verwaltung und
Bürger*innen bzw. Unternehmen präsentiert. Sie kommen zu dem
befragten Bürger*innen automatisch initiierte Verwaltungsprozesse
dennoch
eine
persönliche Kommunikation
mit
und
Zeit
zu
sparen.
Die
bevorzugen,
Verwaltungsvertreter*innen
Unternehmen hingegen präferieren Verwaltungsportale
Wege
Ergebnis, dass die
oder
Autor*innen
mobile
sich
wünschen.
Rathäuser,
resümieren,
aber
dass
um
die
Landkreisverwaltung in Zukunft sowohl weiterhin analog als auch digital aufgestellt sein muss, um
den Bedürfnissen der Kund*innen zu entsprechen.
Im folgenden Kapitel stellen Clementine Bertheau, Georg Heyn, Johannes Hiller, Felix Paffhausen und
Lisa-Sophia Preller Auswirkungen von Digitalisierung auf die Ablauf- und Aufbauorganisation in
der Verwaltung dar. Sie haben exemplarisch vier typische Verwaltungsprozesse erhoben, analysiert
und (digitale) Optimierungsvorschläge erstellt (Baugenehmigung, Elterngeld, Erstausstellung
Führerschein, Beschaffung). Die Autor*innen empfehlen keineswegs Prozesse eins zu eins zu
digitalisieren, sondern diese Veränderung zu nutzen, um die Prozesse grundlegend zu überarbeiten.
3
Sie empfehlen zudem die Einrichtung einer Stabsstelle für Digitalisierung und die Schaffung von
Digitalisierungslotsen*innen in allen Fachgebieten.
Im letzten Kapitel dieses Bandes beleuchten Catherine Breiner, Simon Hammer, Aylin Hardwiger,
Pauline Hobracht und Friederike Martin die Auswirkungen von digitaler Transformation in der
Verwaltung auf die Beschäftigten. Auf Basis einer Best-Practice-Analyse und Experteninterviews
beleuchten sie Veränderungen in Arbeitszeit- und Arbeitsortmodellen, der Aufgabenprofile und
Qualifikationsniveaus
beleuchten
sie
und
benötigter
den Personalbedarf
Kompetenzen
auf
des
verschiedenen
Personals.
Qualifikationsebenen
Auch
und
inhaltlichen Arbeitsbereichen in einer digitalisierten Verwaltung und ziehen Schlussfolgerungen
für Personalentwicklung und -gewinnung.
Die von den studentischen Beraterteams erarbeiteten Szenarien verdeutlichen und durchdenken die
Implikationen der ubiquitär zitierten und diskutierten Digitalisierung
ganz konkret und
anschaulich für den Alltag einer Landkreisverwaltung. Sie liefern damit einen wichtigen
Beitrag
zur
Verdeutlichung
der
zu
erwartenden
„Realitäten“,
denen
sich
Verwaltungsorganisationen in absehbarer Zeit stellen müssen. Wir erwarten ein Interesse
von Verwaltungspraktiker*innen, Politiker*innen und der interessierten Öffentlichkeit an den
erarbeiteten Szenarien zur digitalen öffentlichen Verwaltung und haben uns daher zur
Publikation der studentischen Arbeiten entschieden.
Literatur
Mietzner, D. (2009). Unterschiedliche Ansätze der Szenarioanalyse. In D. Mietzner (Hrsg.), Innovation
und
Technologie
im
modernen
Management.
Strategische
Vorausschau
und
Szenarioanalysen: Methodenevaluation und neue Ansätze, S. 117–161. Gabler.
Steinmüller, K. (2012). Szenarien – Ein Methodenkomplex zwischen wissenschaftlichem Anspruch
und zeitgeistiger Bricolage. In R. Popp (Hrsg.), Zukunft und Wissenschaft, 23, S. 101–137.
Springer.
Rialland, A., & Wold, K. E. (2009). Future Studies, Foresight and Scenarios as basis for better strategic
decisions: Innovation in Global Maritime Production – 2020 (Working Paper). NTNU Norwegian
University of Science and Technology.
4
2. Einleitung
Die Digitalisierung verändert, wie Organisationen agieren, Menschen kommunizieren und unsere
Gesellschaft funktioniert. Ausgelöst vom Einsatz moderner, digitaler Technologien betrifft sie nicht nur
die Privatwirtschaft, sondern zunehmend auch den öffentlichen Sektor über alle Verwaltungsebenen
hinweg. Die Digitalisierung von öffentlichen Verwaltungen, Organisationen und Unternehmen umfasst
neuartige
Kommunikations-
und
Interaktionsmöglichkeiten
zwischen
Bürger*innenn,
den
Verwaltungsmitarbeitenden, anderen Verwaltungen und der Wirtschaft. Zusätzlich führt sie auch zu
einer Reorganisation von internen Prozessen, zur Neugestaltung der angebotenen Produkte und
Dienstleistungen und zu anderen Anforderungen an das Verwaltungspersonal. Diese Entwicklung wird
durch öffentlich bereitgestellte Gelder, Investitionsoffensiven, neue Gesetze und neu ins Leben
gerufene Institutionen, Räte sowie Gremien vielfältig gefördert.
Am 23.11.2018 hat das Land Brandenburg ein E-Government-Gesetz (BgbEGovG) verabschiedet. Ziel
des Landesgesetzes ist es, die elektronische Kommunikation mit der Verwaltung zu verbessern und die
elektronische Durchführung von Verwaltungsverfahren zu erleichtern. Unter anderem sieht es vor, die
Behörden des Landes und der Kommunen dazu zu verpflichten, Formulare und Informationen für
Bürger*innen und Unternehmen online bereitzustellen, E-Rechnungen einzuführen und Nachweise
auch elektronisch zu verarbeiten. Das Land Brandenburg reagiert damit auf das E-Government-Gesetz
sowie das Onlinezugangsgesetz des Bundes und schafft einen einheitlichen und verlässlichen
Rechtsrahmen für die zukünftige Digitalisierung der Verwaltung im Land Brandenburg.
Auf die Auswirkungen und Herausforderungen der Digitalisierung möchte auch der brandenburgische
Landkreis Havelland reagieren und sich entsprechend auf die bevorstehenden Veränderungen
vorbereiten.
Das Havelland kann sich in Zeiten eines demographischen Wandels über stabile bis wachsende
Bevölkerungszahlen freuen. Nicht nur die Nähe zur Landeshauptstadt Potsdam und zur
Bundeshauptstadt Berlin machen es zu einem attraktiven Wohn- und Lebensraum, sondern auch die
zahlreichen Unternehmen, die sich mit Standorten in der Region angesiedelt und somit Arbeitsplätze
geschaffen haben. Zum Landkreis Havelland gehören fünf amtsfreie Städte, fünf amtsfreie Gemeinden
und drei Ämter. Der Landkreis selbst ist mit rund 1.025 Mitarbeiter*innen der drittgrößte Arbeitgeber.
Es wird erwartet, dass die Digitalisierung bis zum Jahr 2030 einen erheblichen Einfluss auf die
Verwaltungsorganisation, die Verwaltungsaufgaben und die Interaktion mit Bürger*innen,
Unternehmen und anderen Verwaltungen nehmen wird. Um sich auf die Auswirkungen der
Digitalisierung einstellen zu können, beauftragte der Landkreis Havelland die Erstellung einer Vision,
die sich mit den Bedürfnissen und Wünschen der Bürger*innen sowie der Unternehmen an die digitale
5
Landkreisverwaltung, den potenziellen Veränderungen der Verwaltungsorganisation des Landkreises
und den spezifischen Auswirkungen auf das Verwaltungspersonal im Jahr 2030 beschäftigt. Diese soll
alle Eventualitäten, Folgen, Risiken, Herausforderungen und Chancen der Digitalisierung abwägen und
sie so für den Landkreis Havelland planbar machen. Dabei soll der Annahme gefolgt werden, dass die
geplanten Digitalisierungsoffensiven, Strategien und Visionen der Bundes- und Landesregierung für die
digitale Modernisierung der Verwaltungen umgesetzt worden. Wie die Digitalisierung des Landkreises
bis dahin selbst ausgestaltet und umgesetzt wird, wurde im Projekt nicht berücksichtigt.
Der Landkreis Havelland beauftragte am 26.11.2018 drei Beratungsfirmen, sich mit der Entwicklung
einer Vision für die digitalisierte Landkreisverwaltung im Havelland in den Teilbereichen „Bürger*innen
sowie Unternehmen“, „Organisation“ und „Personal“ zu beschäftigen. In allen drei Beratungsprojekten
wurde dabei auf die Methodik der Szenarioentwicklung zurückgegriffen, wobei jede Beratungsfirma
ein eigenes Projektvorgehen mit spezifisch angepassten wissenschaftlichen Arbeitsweisen wählte.
Public Management Consulting (PMC) ist eine Vereinigung studentischer Unternehmensberaterinnen
und -berater der Universität Potsdam. Durch verschiedene Fachbereiche der Studierenden wird eine
stets interdisziplinäre und umfassende Betrachtungs- und Lösungsweise in allen Phasen des Projekts
garantiert. Der inhaltliche Schwerpunkt von PMC liegt auf der Modernisierung öffentlicher
Verwaltungen, wobei die Digitalisierung eine zentrale Rolle spielt. In Kapitel 3 stellt PMC die
Bürger*innen- und Unternehmensperspektive vor und geht somit auf die Bedürfnisse und
Erwartungen der Bevölkerung des Havellandes an die digitale Landkreisverwaltung ein. Dafür hat PMC
vier Szenarien erarbeitet und die Bedürfnisse der Bürger*innen sowie der Unternehmen mit Hilfe
dieser Zukunftsbilder abgefragt.
Die studentische Vereinigung CoUPtation, die sich auf die Beratung der öffentlichen Verwaltung
spezialisiert hat, definiert sich über ein Leitbild, dessen drei Grundsätze den Namen bilden –
Cooperation, die Universität Potsdam und Competition. CoUPtation ist eine agile Organisation, die sich
durch die interdisziplinären Hintergründe seiner Mitarbeitenden auszeichnet. Die am Projekt
Beteiligten
stammen
aus
den
Fachbereichen
der
Wirtschaftsinformatik
und
der
Verwaltungswissenschaft der Universität Potsdam (UP). Die Kooperation (Cooperation) innerhalb der
Belegschaft, aber auch mit externen Partnern ermöglicht herausragende Dienstleistungen. Der
schnelllebige Wettbewerb (Competition) im Bereich der Beratungsunternehmen ist für CoUPtation
nicht nur Ansporn und Motivation, sondern auch Gradmesser und Inspirationsquelle. In Kapitel 4
präsentiert CoUPtation eine Vision für die Aufbau- und Ablauforganisation des digitalisierten
Landkreises Havelland im Jahr 2030. Auf Basis einer umfassenden Best-Practice-Analyse sowie einer
Prozessanalyse von ausgewählten Verwaltungsverfahren im Landkreis Havelland war es möglich,
6
realistische und kundenspezifische Szenarien für die Verwaltungsorganisation zu erstellen. Zwei
besonders für den Landkreis Havelland relevante Szenarien werden detailliert vorgestellt.
Digi Consults ist ein junges Beratungsunternehmen, das schwerpunktmäßig Lösungen zum Thema
Digitalisierung im öffentlichen Sektor bereitstellt. Das Unternehmen hat sich ursprünglich aus einer
Initiative der Universität Potsdam im Rahmen einer studentischen Beratung heraus entwickelt – auch
damals schon mit dem Schwerpunkt auf digitalen Themen und Electronic Government. Mit Fach- und
Sachwissen in der Wirtschaftsinformatik, über Politik- und Verwaltungswissenschaft bis hin zu
betriebswirtschaftlichen Kenntnissen ist es Digi Consults möglich, durch einen breiten und
interdisziplinären Wissensschatz Projekte aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Perspektiven zu
bearbeiten und darauf aufbauend konkrete Lösungen zu erarbeiten. Auf Basis von Best-PracticeAnalysen wurden fünf Variablen bestimmt, welche nach Erstellung einer Szenariomatrix durch
verschiedene Experten validiert wurden. Diese werden in Kapitel 5 vorgestellt.
Im Folgenden werden die Ergebnisse der Beratungsprojekte vorgestellt. In einem abschließenden
gemeinsamen Fazit werden dem Landkreis Havelland exemplarisch einige Interdependenzen zwischen
den einzelnen Teilbereichen aufgezeigt sowie allgemeine Handlungsempfehlungen für den Landkreis
Havelland auf dem Weg zu einer digitalisierten Verwaltung präsentiert.
7
3. Die Kund*innen der digitalen Verwaltung
Henna Adams, Michelle Hahn, Lena Metzger, Johanna-Katharina Möller, Dominik Zeidler
Die Kund*innen der digitalen Verwaltung..................................................................................... 8
3.
1.
Ausgangslage des Beratungsprojektes ........................................................................................ 9
2.
Methodik ................................................................................................................................... 10
2.1 Wissenschaftliche Literatur, weitere Studien ......................................................................... 10
2.2 Szenarioanalyse ....................................................................................................................... 11
2.2.1 Vorgehen .......................................................................................................................... 11
2.2.2 Ergebnisse......................................................................................................................... 12
2.3 Konzeption des Fragebogens .................................................................................................. 14
2.3.1 Bürgerumfrage ................................................................................................................. 14
2.3.2 Unternehmensumfrage .................................................................................................... 16
3.
Ergebnisse der Umfragen .......................................................................................................... 18
3.1 Ergebnisse der Bürgerbefragung im Havelland ....................................................................... 18
3.1.1 Erwartungen der Bürger*innen........................................................................................ 18
3.1.2 Reaktionen auf Zukunftsszenarien ................................................................................... 20
3.1.3 Weitere Ergebnisse........................................................................................................... 22
3.2 Ergebnisse Unternehmensbefragung im Havelland ................................................................ 23
3.2.1 Erwartungen der Unternehmen ....................................................................................... 24
3.2.2 Reaktionen auf Zukunftsbilder ......................................................................................... 24
3.2.3 Weitere Ergebnisse........................................................................................................... 25
4.
Handlungsempfehlungen .......................................................................................................... 26
5.
Fazit ........................................................................................................................................... 29
6.
Literaturverzeichnis ................................................................................................................... 31
8
1. Ausgangslage des Beratungsprojektes
Im Havelland des Jahres 2030 sind die allermeisten Verwaltungsleistungen digital verfügbar. Ob die
Beantragung des Elterngeldes oder die Anmeldung eines Autos, dies und noch viel mehr kann online
erledigt werden - und somit unabhängig von Ort und Zeit. Auf dem Weg zu einer digitalen Verwaltung
ist es wichtig, frühzeitig die Bürger*innen mit ins Boot zu holen. Sie treten regelmäßig in Kontakt mit
der Verwaltung und beanspruchen verschiedene Leistungen; somit gehören sie auch zu denen, die von
den Vorteilen einer veränderten, digitalen Verwaltung überzeugt werden müssen. Ebendies gilt auch
für die Unternehmen des Havellandes: Neben den Bürger*innen sind auch sie Nutzer von
verschiedensten
Verwaltungsleistungen
und
müssen
frühzeitig
in
den
digitalen
Transformationsprozess miteinbezogen werden.
Der vorliegende Abschnitt beschäftigt sich mit den Bedürfnissen der Bürger*innen sowie
Unternehmen im Havelland, als Adressaten der digitalen Verwaltungserneuerung. Was ist den
Bürger*innen sowie den ansässigen Unternehmen im Kontakt mit der Verwaltung wichtig? Wie stellen
sie sich die zukünftige Kommunikation mit der Kreisverwaltung vor? Welche Digitalisierungspotentiale
sehen sie? Kann es ein „zu viel“ an Digitalisierung geben?
Um all diese Fragen beantworten zu können, wurden sowohl eine Bürger- als auch eine
Unternehmensumfrage durchgeführt. Die Konzeption wurde so gestaltet, dass sowohl die Bedürfnisse
der Bürger*innen, als auch ihre Erwartungen abgefragt wurden. Auf dieser Basis konnte ein präzises
Bild davon erstellt werden, welche Verwaltungskommunikation gewünscht ist – und welche nicht. Die
generellen Erwartungen werden sich in den kommenden Jahren vermutlich nicht grundsätzlich ändern,
so dass sie eine gute Orientierung darstellen, wenn konkrete Entscheidungen zur Umstrukturierung
der Verwaltung getroffen werden.
Selbstverständlich kann die Kreisverwaltung nicht auf alle Einzelinteressen eingehen und ist zudem an
Bundes- und landesrechtliche Vorgaben gebunden. Dennoch existieren gewisse Stellschrauben, die im
Sinne der Bedürfnisse von Bürger*innen sowie Unternehmen betätigt werden sollten. Hierbei ist zu
beachten, dass die Kreisverwaltung Havelland gleichermaßen in Kontakt ist mit Personen, die
vergleichsweise wenige Erfahrungen mit Computer, Smartphones und Co. vorweisen können, sowie
mit Digital Natives, deren ständiger Begleiter die moderne Technik ist. Daher ist es von immenser
Wichtigkeit, einen Dualismus zwischen digitalen und analogen Angeboten herzustellen und somit eine
Vielfalt der Kommunikationswege zu erzielen.
Im Folgenden wird zunächst die Methodik und Herangehensweise noch einmal ausgeführt (vgl. 2), die
die Grundlage der Fragebogenerstellung darstellen. Anschließend werden die Ergebnisse der beiden
Befragungen detailliert präsentiert: Beginnend mit der Bürgerumfrage (vgl. 3.1) werden die von den
9
Bürger*innen beantworteten Fragen vorgestellt. Daran schließt sich die Darstellung der Ergebnisse der
Unternehmensbefragung an (vgl. 3.2). Aus beiden werden Handlungsempfehlungen abgeleitet, die
wiederum in ein gemeinsames, realistisches Zukunftsbild der Vision 2030 aus Bürger*innensicht
fließen.
2. Methodik
2.1 Wissenschaftliche Literatur, weitere Studien
Eine anfängliche Literaturrecherche zu bestehenden wissenschaftlichen und praktischen Studien
diente der inhaltlichen Vorbereitung der Umfrage. Der Fokus dieses Literaturüberblicks lag dabei auf
Publikationen zum Thema digitale Verwaltung, besonders im Hinblick auf die Bedürfnisse von
Bürger*innen. Als Grundlagenliteratur diente Schuppan (2006). Neben einem Überblick zu EGovernment und den damit einhergehenden Herausforderungen für Gemeinden, gibt Schuppan auch
konkrete Beispiele für Verwaltungsprozesse, wie die Gestaltung der Kfz-Zulassung (Schuppan, 2006, S.
111). Dieses Werk diente zur Definition und Begriffserläuterung.
Die Verbindung zwischen Grundlagenliteratur und einem Bürgerfokus schaffen Schmitt und Hunnius
(2014), indem sie das Bild eines informierten Bürgers zeichnen, der von der modernen IT unterstützt
wird. Eine Folge dieser modernen IT sei die schwindende Autorität der klassischen
Verwaltungsexperten (Schmitt und Hunnius, 2014, S.29). Die Frage danach, inwiefern Bürger*innen
der Zukunft noch auf Face-to-Face-Verwaltungskontakt angewiesen ist, wurde zu einem Hauptaspekt
der hier durchgeführten Bürgerumfrage.
Auf der internationalen Ebene ist die umfassende Studie von Van de Walle et al. (2018) zur Akzeptanz
von E-Services in Lettland von Relevanz. Die Studie macht als einen Hauptfaktor für die Nicht-Nutzung
von Online-Verwaltungsservices fehlende Kompetenzen aus (Van de Walle et al., 2018, S. 405). Dieses
Ergebnis spielte vor allem in der Entscheidung der Einflussfaktoren für die Szenarioanalyse eine Rolle.
Der Einflussfaktor Digitalisierungskompetenz spiegelt dies wieder.
Der zweite Einflussfaktor, Datenschutzbedenken, ergab sich vor allem aus Bitkom (2018) und
Normenkontrollrat (2018), die sich in der Wichtigkeit dieses Faktors einig sind. Sie zeigen auf, dass
Vorbehalte gegenüber der Sicherheit ihrer persönlichen Daten die größten Hemmnisse auf der Seite
der Bürger*innen darstellen. Die Bitkom befragte rund 1006 Personen über 14 Jahren telefonisch.
Haupterkenntnis der Studie war, dass die Mehrheit der Befragten zwar Online-Verwaltungsangebote
nutzen möchte, dem Austausch von persönlichen Daten zwischen Behörden jedoch kritisch gegenüber
steht. Diese Erkenntnis spiegelt sich im Einflussfaktor Datenschutzbedenken wider. Das größte
Potential zur Digitalisierung steckt laut der Studie in Verwaltungsdiensten, die die Familie betreffen.
Hauptanliegen der Bürger*innen waren demnach die Möglichkeit, Kindergeld und Kitaplätze online
10
beantragen zu können (Bitkom, 2018, S. 7). Im Vergleich zu den im Rahmen des vorliegenden Projektes
erhobenen Daten, bezieht Bitkom die Daten ihrer Studie auf nationaler Ebene. Auch der Jahresbericht
des Normenkontrollrates beschäftigt sich mit Datenschutzbedenken. Hier werden aktuelle Gesetze
und Richtlinien aufgezeigt sowie konkrete Vorschläge für die nächsten Jahre in der
Verwaltungsmodernisierung gemacht. Die momentane Gesetzeslage und die damit verbundenen
Einschränkungen, beispielsweise beim Datenaustausch, müssen berücksichtigt werden, wenn es um
die Realisierbarkeit von Vorhaben geht (Normenkontrollrat, 2018, S. 49).
Eine weitere Studie, die sich explizit mit der Digitalisierung in der Kommunalverwaltung beschäftigt,
ist von der Universität Konstanz. Der Fokus dieser Studie lag jedoch nicht auf den Bedürfnissen der
Bürger*innen, sondern auf den Bereichen von Serviceleistungen und möglichen Innovationslabors, mit
dem größten Digitalisierungspotenzial. Die Daten wurden mittels Experteninterviews erhoben. Das
Hauptergebnis für unsere Studie war die Notwendigkeit nach Transparenz und Offenheit der
Verwaltung gegenüber den Bürger*innen, was sich in unseren vier aufgestellten Zukunftsbildern und
der Frage nach der präferierten Art der Hilfestellung wiederfindet (Wonneberger et al., 2018, S. 9).
Eine letzte wichtige Studie, die Einfluss auf die Zukunftsbilder hatte, ist eine Studie der Vereinten
Nationen. Die Studie betont immer wieder die Wichtigkeit alle Bevölkerungsgruppen mit
einzubeziehen, um das Problem der digitalen Teilung zu verringern (Vereinte Nationen, 2018, S. 34).
Dieser Punkt wurde insofern abgedeckt, als dass sowohl Online- als auch Offline-Möglichkeiten sowie
mobile Lösungen in kleineren Gemeinden in den Zukunftsbildern berücksichtigt wurden. So können
auch körperlich eingeschränkte Bürger*innen sowie Personen ohne Zugriff auf digitale Endgeräte von
den Angeboten profitieren.
2.2 Szenarioanalyse
2.2.1 Vorgehen
Es existieren verschiedenste Techniken der Szenarioanalyse. Wir haben uns nach umfassender
Recherche für die Erarbeitung explorativer Szenarien entschieden, da diese der Erkundung möglicher
Zukünfte dienen. Es wurden also – von der Gegenwart ausgehend – mögliche Entwicklungen der
Zukunft untersucht. Ferner haben wir uns für die Erstellung verschiedener Zustandsszenarien
entschieden. Diese Art von Szenarien sind qualitative, detaillierte Gesamtdarstellungen einer
zukünftigen Situation eines Themenfeldes samt seines Umfeldes. Die von uns gewählte Methode zur
Generierung dieser Szenarien ist die Vier-Quadranten-Methode. Bei dieser Methodik werden zwei
relevante Faktoren ausgewählt, welche jeweils zwei Ausprägungen, „hoch” und „niedrig”, aufweisen
(Steinmüller, 2012).
11
Wie mit dem Auftraggeber abgestimmt, wurden die Faktoren „Digitalisierungskompetenz”, also die
Kompetenz im Umgang mit digitalen Anwendungen, und „Datenschutzbedenken” der Bürger*innen
als zwei relevante Faktoren ausgewählt (Anhang 3.1).
2.2.2 Ergebnisse
Aus der Szenarioanalyse resultierten vier Szenarien („Zukunftsbilder”), welche beschreiben, wie die
Verwaltung, insbesondere hinsichtlich ihres Kontaktes zu Bürger*innen, im Jahr 2030 aussehen kann.
1. Mobiles Rathaus
Das mobile Rathaus kommt in regelmäßigen Abständen in kleinere Ortschaften. Der mobile Service
eignet sich insbesondere auch für Menschen mit Schwierigkeiten, den Weg zum Bürgerservicebüro auf
sich zu nehmen. Neben dem mobilen Service, wird es auch weiterhin Bürgerservice in den
Bürgerservicebüros in den größeren Städten im Kreis geben. Sowohl im mobilen Rathaus, als auch in
den Bürgerservicebüros können wie gewohnt alle Verwaltungsleistungen (z.B. Beantragung
Führerschein, KfZ, Bafög) in Anspruch genommen werden. Dieses Szenario entspricht dem Wunsch
weiterhin ausschließlich persönlich mit der Kreisverwaltung zu kommunizieren und erfordert keinerlei
Digitalisierungskompetenz.
Abbildung 1: Szenario 1 „Mobiles Rathaus” (eigene Darstellung)
2. Automatisch ausgelöste Verwaltungsleistungen
In diesem Szenario werden Verwaltungsleistungen automatisch ausgelöst, ohne, dass es Zutun des
Bürgers bedarf. Der Weg zum Amt fällt somit weg, der persönliche Kontakt reduziert sich auf ein
12
Minimum. Ausgelöst werden die Verwaltungsprozesse anhand vorher definierter Situationen. Eine
hohe Digitalisierungskompetenz ist nicht nötig.
Abbildung 2: Szenario 2 „Automatisch ausgelöste Verwaltungsleistungen” (eigene Darstellung)
3. Verwaltungsautomaten
Verwaltungsautomaten stehen gut geschützt an zentralen Orten, ähnlich zu Bankautomaten. Sie
ermöglichen das Stellen von Anträgen und das Erhalten fertiger Dokumente. Die Daten sind sicher, da
sich die Automaten in einem geschützten Netzwerk befinden. Die Bürger*innen sowie Vertreter der
Unternehmen benötigen eine gewisse Kompetenz im Umgang mit der digitalen Technik. Persönlicher
Kontakt findet nicht statt, beziehungsweise nur mit Hilfspersonen, welche bei der Bedienung der
Automaten unterstützen.
Abbildung 3: Szenario 3 „Verwaltungsautomaten” (eigene Darstellung)
13
4. Verwaltungsportal, App
Mittels eines Verwaltungsportals oder einer App können die meisten Verwaltungskontakte online und
vom Smartphone aus abgewickelt werden. Auch Anträge können online und über die App gestellt
werden. Die Kommunikation erfolgt ausschließlich per E-Mail. Bestimmte Standardinformationen
werden zur weiteren Verwendung gespeichert. Auch hier ist kein persönlicher Kontakt mehr nötig,
allerdings müssen alle Nutzer*innen mit der Software kompatible Endgeräte besitzen und diese
bedienen können.
Abbildung 4: Szenario 4 „Verwaltungsportal, App” (eigene Darstellung)
Diese vier Bilder dienten in der Befragung dazu, den Bürger*innen Situationen zu präsentieren, anhand
derer sie ihre Bedürfnisse und Erwartungen hinsichtlich Verwaltungsdienstleistungen äußern konnten.
2.3 Konzeption des Fragebogens
2.3.1 Bürgerumfrage
Um die Bedürfnisse der Bürger*innen an eine digitalisierte Verwaltung zu erfassen, wurde eine
Befragung durchgeführt. In dieser Befragung wurden generelle Bedürfnisse an die Verwaltungen sowie
die konkreten Erwartungen anhand der erstellten Zukunftsbilder abgefragt. Die Zielgruppe der
Befragung ist eine Stichprobe aller Bevölkerungsgruppen im Havelland. Um die Beteiligung aller
Bevölkerungsgruppen zu erreichen, wurden vorab verschiedene Gruppen definiert. Folgende
Merkmale wurden dabei beachtet:
1.
Diversität hinsichtlich Geschlecht, Alter, Beschäftigungsverhältnis und Bildungsniveau
2.
Diversität hinsichtlich Befragungsort und Befragungszeitpunkt
14
Die Diversität hinsichtlich Geschlecht, Alter, Beschäftigungsverhältnis und Bildungsniveau wurde durch
eine direkte Abfrage zu Beginn der Befragung sichergestellt. Eine Diversität hinsichtlich Befragungsort
und -zeitpunkt wurde durch die Befragenden sichergestellt und dokumentiert. Dadurch konnte zum
einen der Einfluss sogenannter Störvariablen verringert werden, gleichzeitig konnte somit
sichergestellt werden, dass nicht nur die Bedürfnisse einiger weniger Bevölkerungsgruppen in die
finalen Ergebnisse einfließen.
Die Befragungen wurden in zwei Durchgängen absolviert, nach dem ersten Durchgang wurde der
Fragebogen nochmals anhand des Feedbacks in der Befragung sowie in der Zwischenpräsentation
angepasst. Da diese Anpassungen jedoch von vergleichsweise geringerem Umfang waren, wurde die
Vergleichbarkeit der Ergebnisse nur minimal eingeschränkt und dennoch wichtige Aspekte mit
einbezogen.
In der ersten Runde bestand der Fragebogen aus insgesamt 14 Fragen. In der zweiten Runde wurden
einige Fragen zusammengefasst sowie weitere Fragen ergänzt, der Fragebogen bestand dann noch aus
12 Fragen (vgl. Anhang 3.2). Die Fragen drei bis sieben (Tabelle 1) beziehen sich auf die erstellten
Zukunftsbilder. Es kann davon ausgegangen werden, dass sich die meisten Menschen ihrer konkreten
Bedürfnisse nicht bewusst sind, oder diese in der Interviewsituation nicht äußern, deshalb verspricht
eine direkte Abfrage einen geringen Nutzen. Bei den Fragen drei bis sieben wurden den Bürger*innen
daher die beschriebenen Zukunftsbilder real vorgelegt, welche wiederum unterschiedliche Bedürfnisse
abbilden und bedienen. Die restlichen Fragen zielen auf generelle Einstellungen und Erwartungen zum
Thema analoger bzw. digitaler Verwaltungskontakt ab.
Tabelle 1 fasst die Intentionen der gestellten Fragen zusammen. Diesen Fragen wurde – wie
beschrieben – die Abfrage demografischer Informationen vorangestellt. Es wurden offene, halboffene
und geschlossene Fragen gewählt. Die Befragten hatten zu jeder Zeit die Möglichkeit Anmerkungen zu
machen, welche wiederum dokumentiert wurden. Vor der Befragung gab es eine kurze Vorstellung
des Projekts sowie des Vorgehens.
Die Befragung fand im persönlichen Kontakt statt, da nicht davon auszugehen ist, dass alle
Bevölkerungsgruppen einen Internetzugang haben. Eine persönliche Ansprache erhöht zudem die
Wertschätzung und lässt die Möglichkeit zur Interaktion und Nachfrage (LUBW 2011: 11). Alle Fragen
des Fragebogens sind in einfachen Worten sowie kurz und konkret formuliert. Bei der Befragung wurde
zudem – im zweiten Durchgang – darauf geachtet, die Reihenfolge der Zukunftsbilder zu rotieren, um
eine Korrelation der Items untereinander zu vermeiden. Im Schnitt dauerte jede Befragung ca. 10
Minuten. Die angestrebte Stichprobe betrug 20 Personen, insgesamt konnten 30 Personen für die
Befragung gewonnen werden.
15
Frage 1
Vorab-Abfrage der Erwartungen an eine Verwaltung ohne
möglichen Bias der Zukunftsbilder
Frage 2
Abfrage der Digitalisierungskompetenz
Frage 3 – 7
Abfrage der Zu- und Abneigung bezüglich der vier Zukunftsbilder
Frage 8 – 9
Abfrage der präferierten Hilfestellung durch die Verwaltung
Frage 10
Abfrage der präferierten Authentifizierung
Frage 11
Abfrage der Datenschutzbedenken
Frage 12
Abfrage der momentanen Zufriedenheit mit der Verwaltung
Frage 13
Abschließende Kommentare
Tabelle 1: Aufbau Fragebogen (eigene Darstellung)
2.3.2 Unternehmensumfrage
Die Unternehmensumfrage orientierte sich stark an der vorher konzipierten Bürgerumfrage, wurde
jedoch auf den Unternehmenskontext angepasst. Sie unterscheidet sich insofern von der
Bürgerumfrage, als dass sie nicht im persönlichen Gespräch, sondern online durchgeführt wurde. Dafür
wurde ein Fragebogen konzipiert, welcher den Unternehmen anschließend mithilfe eines Links
zugeschickt wurde1. Eine Online-Umfrage wurde deshalb einer persönlichen Befragung vorgezogen, da
letztere wahrscheinlich zu wenig Resonanz geführt hätte. Es war denkbar, dass es besonders für
kleinere Unternehmen unkomfortabel gewesen wäre, die Befragenden persönlich zu empfangen und
sich terminlich somit auch nach ihnen richten zu müssen. Stattdessen erhielten die Unternehmen den
Link zur Befragung und konnten selbstständig entscheiden, wann sie die Befragung bearbeiten. Ein
möglicher Nachteil dieses Vorgehens ist jedoch, dass Unternehmen, die ganz und gar nicht digital
kommunizieren (können), durch diese Umfrage nicht erreicht wurden. Diese Gruppe an Unternehmen
scheint jedoch extrem gering zu sein – der Großteil der Unternehmen verfügt über E-Mail-Adressen
und somit einen elektronischen Zugang.
Vorangestellt waren der Unternehmensbefragung eine Frage zu der Branche, in der das Unternehmen
tätig ist, sowie eine Frage zu der Anzahl an Mitarbeitenden. Dadurch konnte bei der späteren
Die Unternehmensumfrage kann unter folgendem Link eingesehen werden:
https://praxisprojekthvl.survey.fm/unternehmensbefragung-im-landkreis-havelland.
1
16
Ergebnisauswertung überprüft werden, inwiefern eine Vielfalt an unterschiedlichsten Unternehmen
an der Befragung teilgenommen hat.
Alle weiteren Fragen basieren auf den Fragen der Bürgerumfrage: Auch die Unternehmen wurden nach
ihren Erwartungen an eine Verwaltung gefragt, nach ihrer Digitalisierungskompetenz, ihrer Zu- bzw.
Abneigung bezüglich der vier Zukunftsbilder, nach der präferierten Art des Kontakts mit der
Verwaltung, ihren Datenschutzbedenken sowie nach ihrer momentanen Zufriedenheit mit der
Verwaltung des Havellandes. Zudem konnten auch sie an zahlreichen Stellen Bemerkungen und
Kommentare abgeben.
Die vier Zukunftsbilder wurden hierfür, da, wo es notwendig war, an die Bedürfnisse der Unternehmen
angepasst. Beispielsweise wurden die Verwaltungsanliegen im Szenario 2 „Automatisch ausgelöste
Verwaltungsleistungen” von Geburt eines Kindes zu Kraftfahrzeuganmeldung und Baugenehmigung
geändert (Abbildung 5). Durch diese Anpassungen konnten sich Unternehmen besser mit den
Szenarien identifizieren.
Abbildung 5: Szenario 2 „Automatisch ausgelöste Verwaltungsleistungen” für Unternehmen (eigene Darstellung)
Die Dauer der Unternehmensbefragung wurde durch vorheriges Testen auf etwa zehn Minuten
geschätzt und war somit in einem für die Unternehmen überschaubaren Rahmen. Es wurden
insgesamt 110 Unternehmen des Havellandes kontaktiert: Darunter die größten Arbeitgeber des
Landkreises, aber auch mittelgroße bis kleinste Unternehmen, deren Kontaktdaten durch die Industrieund Handelskammer öffentlich zugänglich sind. Der Erstkontakt wurde per Mail hergestellt; aufgrund
der geringeren Rückmeldung wurden die Unternehmen zudem auch telefonisch kontaktiert. Die
angestrebte Stichprobe betrug 15 Unternehmen.
17
3. Ergebnisse der Umfragen
3.1 Ergebnisse der Bürgerbefragung im Havelland
An der Bürgerbefragung haben insgesamt 30 Bürger*innen teilgenommen. Die Befragungen wurden
über einen Zeitraum von Ende Januar bis Mitte März 2019 an verschiedenen Orten (in den Städten mit
Bürgerservicebüro als auch in kleineren Ortschaften wie Nennhausen und Paulinenaue) des
Havellandes durchgeführt, um ein bestmögliches Abbild der Havelländischen Bevölkerung zu
erreichen. Die Altersstruktur der Befragten spiegelt mit minimalen Abweichungen die Altersstruktur
der Gesamtbevölkerung im Havelland wider (vgl. Anhang 3.3). Die Abweichungen von der
Grundgesamtheit ergeben sich daraus, dass ausschließlich Personen ab einem Alter von 16 Jahren
befragt wurden. Ein Drittel der Befragten weist als höchsten Bildungsabschluss die Hochschulreife auf,
ein weiteres Drittel verfügt über einen Haupt- oder Realschulabschluss und ein Drittel der Befragten
hat bereits eine Ausbildung oder ein Studium abgeschlossen (vgl. Anhang 3.3). Rund die Hälfte der
Befragten steht in einem Beschäftigungsverhältnis, knapp ein Drittel befindet sich im Ruhestand und
der weitere Anteil verteilt sich auf Studierende, Schülerinnen und Schüler, Auszubildende sowie
Arbeitssuchende (vgl. Anhang 3.3). Die dargestellten Verteilungen spiegeln in ihrer Diversität ein
umfangreiches Meinungsbild wieder und ermöglichen ein valides Datenfundament der Ergebnisse.
Die Ergebnisse der Befragungen werden nachfolgend dargestellt, auf deren Basis im nachfolgenden
Abschnitt die Bedürfnisse der Bürger*innen abgeleitet und schließlich Handlungsempfehlungen für die
Verwaltung des Havellandes im Jahr 2030 formuliert werden.
3.1.1 Erwartungen der Bürger*innen
Obgleich die Erwartungen der Bürger*innen an die Kreisverwaltung des Havellandes eine hohe Varianz
aufweisen, lassen sich Gemeinsamkeiten in der Erwartungshaltung identifizieren, welche sich – trotz
Einschränkungen in der Trennschärfe – in drei übergeordnete Kategorien zusammenfassen lassen:
Service, Erreichbarkeit und Bürgernähe.
Abbildung 6: Erwartungen der Bürger*innen an die Verwaltung (eigene Darstellung)
18
Unter der Erwartungsdimension Service ist primär die Erwartung zahlreicher Bürger*innen nach einer
Bearbeitung in kurzer Zeit verstehen. Diese setzt sich einerseits aus der Erwartung an eine zügige
Bearbeitung ihres Anliegens innerhalb der Kreisverwaltung und andererseits aus dem Anspruch an
geringe Wartezeiten im Servicebüro vor Ort zusammen. Überdies ist Service im Zusammenhang mit
dem persönlichen Kontakt der Bürger*innen zu Kreisverwaltung zu sehen. Dabei gehören zu den
zentralen Ansprüchen an den Service eine kompetente Beratung, bei der sämtliche Fragen
beantwortet werden können und keine Mehrfachabfrage von Informationen erforderlich ist, eine
angenehme Atmosphäre und ein freundlicher Umgang der Mitarbeiter*innen der Kreisverwaltung mit
den Bürger*innen.
Ein vielfach genannter Punkt zielt auf die Öffnungszeiten der Servicebüros ab. Diese sollen aus Sicht
der Bürger*innen so gestaltet sein, dass auch für Arbeitnehmer*innen ein Besuch ohne lange
Planungen im Vorfeld möglich ist. Diese Ansprüche sind Bestandteil der Erwartungsdimension
Erreichbarkeit. Weiterhin zählt hierzu die Möglichkeit, den richtigen Ansprechpartner für das jeweilige
Anliegen einfach und unkompliziert zu finden. Die Erwartungsdimension Erreichbarkeit bezieht sich
auch auf die aus Sicht der Befragten „komplizierte” Aufteilung der Verwaltung nach Anliegen in
Bürgerämter und Bürgerservicebüros, die für Bürger*innen nicht immer nachvollziehbar erscheint.
Als dritte Erwartungsdimension gilt die Bürgernähe. Diese knüpft an die oben genannten Punkte an
und beinhaltet die Erwartung an eine größtmögliche Transparenz in der Antragsbearbeitung, bei der
zu jedem Zeitpunkt der Bearbeitungsstand einsehbar ist. Hinzu kommt die Erwartung, dass die
Kommunikation in einer bürgernahen, einfachen und leicht verständlichen Sprache abläuft und kein
aus Sicht der Bürger*innen mitunter unverständliches „Behördendeutsch“ den Eindruck einer
unnahbaren Verwaltung verstärkt.
Viele dieser Erwartungen sind bereits heute umgesetzt, einige teilweise und einige, wie der Wunsch
nach
einem
einheitlichen
Verwaltungsansprechpartner,
bislang
noch
nicht.
Die
Verwaltungsdigitalisierung bietet hierbei Potentiale für die Umsetzung der genannten Erwartungen.
Die Bedürfnisse der Bürger*innen werden auch im Hinblick auf die von den Bürger*innen favorisierten
Zukunftsszenarien umschrieben.
Bezogen auf die digitale Welt, lässt sich zunächst festhalten, dass die Befragten dieser mit gemischten
Gefühlen gegenüberstehen. So fühlen sich zwar knapp die Hälfte der Befragten in der digitalen Welt
grundsätzlich wohl, die andere Hälfte jedoch eher unwohl oder kann dies nicht genau definieren
(teils/teils oder keine Angabe, vgl. Anhang 3.3). Hinsichtlich der Digitalisierung scheint innerhalb der
Bevölkerung im Havelland noch Unsicherheit zu bestehen. Hier könnte eine Aufgabe der digitalen
19
Verwaltung darin bestehen, die Unsicherheiten zu nehmen und ein Navigieren in der digitalen Welt so
komfortabel wie möglich zu gestalten.
3.1.2 Reaktionen auf Zukunftsszenarien
Allen
Befragten
wurden
vier
Zukunftsbilder
gezeigt,
welche
sich
hinsichtlich
ihres
Digitalisierungsgrades als auch der Digitalisierungskompetenz unterscheiden. Die folgende Darstellung
orientiert sich an dem Grad der gezeigten Zustimmung.
Abbildung 7: Reaktionen auf die Zukunftsszenarien (eigene Darstellung)
Am wenigsten überzeugen konnte das Szenario der Verwaltungsautomaten (vgl. Abbildung 7, oben
links). Die Verwaltungsautomaten wären gemäß unserer Darstellung (ähnlich Bankautomaten) in
einem eigens hierfür bestimmten Raum aufgestellt und wären an ein verschlüsseltes Netzwerk
gekoppelt, um die Sicherheit der eingegebenen Daten zu garantieren. Sie werden zwar vereinzelt als
nützliche Ergänzung zum konventionellen Serviceangebot gesehen, ein besonders häufig genanntes
Gegenargument ist jedoch der nicht mehr gegebene persönliche Kontakt zu Mitarbeitenden der
Verwaltung, falls es zu Unklarheiten oder Problemen kommt. Die Automaten könnten also lediglich
dann eingesetzt werden, wenn garantiert ist, dass eine Hilfsperson „in der Nähe“ ist oder wenn die
Menüführung ausreichend anwendungsfreundlich gestaltet ist, dass eine Bedienung auch durch nichttechnikaffine Bürger*innen ermöglicht wird. Andernfalls bleibt die Nutzung der Automaten auf eine
technikaffine Zielgruppe beschränkt. Trotz der Vorteile einer Reduzierung der Anfahrtswege bei
entsprechender flächenmäßigen Verteilung der Automaten und der Möglichkeit flexiblerer
20
Öffnungszeiten sieht die Mehrheit der befragten Bürger*innen Verwaltungsautomaten nicht als
Verbesserung im Vergleich zu der heutigen Ist-Situation.
Etwa gleichauf mit nur einer Stimme Unterschied liegen die Szenarien des Online-Portals und des
Mobilen-Rathauses. Das Online-Portal (vgl. Abbildung 7, oben rechts) konnte durch seine erwartete
Einfachheit in der Anwendung überzeugen, in der die Hoffnung deutlich wurde, dass es bereits
vorhandenen Portalen ähnelt, so dass keine große Umgewöhnung erforderlich wäre. Zudem entfallen
Anfahrtswege und Wartezeiten komplett, da die Bedienung über den heimischen Computer oder eine
Smartphone-App möglich wäre, was nicht nur eine Zeitersparnis darstellt, sondern vor allem eine
Vereinfachung des Verwaltungskontaktes bieten würde. Gleichzeitig wurden Bedenken geäußert, die
sich zum einen auf die Verwendung des Portals durch nicht-technikaffine Menschen beziehen, als auch
der fehlende persönliche Kontakt, selbst wenn eine Bedienung von den technischen Kenntnissen her
möglich wäre. Wichtigstes Argument gegen eine Nutzung stellten aber Datenschutzbedenken dar,
welche von 12 Personen geäußert wurden. Zahlreiche Personen gaben an, ein solches System aufgrund
von Datenschutzbedenken nicht nutzen zu wollen. Diese Sorgen beziehen sich allerdings weniger auf
die Portallösung an sich, sondern auf das gleichzeitig präsentierte Bürgerkonto, in welchem Daten
gespeichert werden. Das Szenario wird dennoch als sehr wahrscheinliche Lösung angesehen, was
möglicherweise auch an den derzeitigen Bemühungen der Bundesregierung liegt, einen OnlinePortalverbund aufzubauen, der mittlerweile in einer Beta-Version verfügbar ist (Stand März 2019).
Auch wenn das Mobile Rathaus (vgl. Abbildung 7, unten links) bereits Realität ist, so war es in der
Umfrage den allermeisten Personen noch unbekannt. Dies mag einerseits daran liegen, dass die
Befragten aus Rathenow, Nauen und Falkensee über ein Bürgerservicebüro im Ort verfügen, so dass
das Mobile Rathaus für sie keine Rolle spielt. Wichtiger als die Kenntnis des Mobilen Rathauses sind
aber die Reaktionen darauf, denn diesem Bild liegt die Idee zugrunde, dass weiterhin persönlicher
Verwaltungskontakt stattfindet und sich die Verwaltung serviceorientiert im direkten Kontakt auf die
Bürger*innen zubewegt. Positiv wurde demnach auch bewertet, dass sich die Attraktivität kleinerer
Orte im Landkreis so steigern lasse und das Szenario eine seniorengerechtete Handhabung darstelle,
da der Weg in den Ortskern weniger Mobilitätsvoraussetzungen erfordert, als die Fahrt zu einem der
drei Bürgerservicebüros. Gleichzeitig wurde aber auch das Argument vorgebracht, dass für wichtige
Termine gerne ein längerer Weg in Kauf genommen würde, wenn auf diesen eine kompetente
Beratung folgt. Für einige jüngere Befragte stellt sich dieses Szenario im Jahr 2030 als nicht mehr
zeitgemäß dar. Sie zweifeln vor allem an der regelmäßigen Nutzung, da das Szenario nicht das Problem
der Gebundenheit an Öffnungszeiten lösen könne. Für viele Befragte stellt das mobile Rathaus keine
maßgebliche Verbesserung dar, könnte aber in der Zukunft, wie auch heute, als Alternative für eine
ältere, eingeschränkt-mobile und nicht digital kommunizierende Zielgruppe dienen.
21
Mit Abstand am besten bewertet wurden die Automatischen Verwaltungsprozesse (vgl. Abbildung 7,
unten rechts). Generell stoßen die automatischen Verwaltungsprozesse auf die höchste Zustimmung.
Es werden zwar vereinzelt Datenschutzbedenken geäußert (6 von 30 Befragten), jedoch scheint
das Szenario auf den ersten Blick bei vielen aufgrund seiner hohen Convenience-Aspekte zu
überzeugen, da es mit einer erheblichen Aufwands- und Zeitersparnis einhergeht. Die Anzahl
der heute noch notwendigen Verwaltungskontakte würde reduziert, was sehr positiv aufgefasst
wurde. Gleichzeitig sorgen sich die Bürger*innen um eine hohe Fehleranfälligkeit, die häufige
Widersprüche in der Fallbearbeitung zur Folge haben könnte, so dass aus der erhofften
Vereinfachung doch ein Mehr an Kontakt entsteht. Zusätzlich bestehen Zweifel an der praktischen
Umsetzbarkeit, da einige Regionen immer noch mit langsamem Internet auskommen müssen,
welches die Grundlage für jegliche Digitalisierungsbestrebungen im Bürgerkontakt ist.
3.1.3 Weitere Ergebnisse
Es kann festgehalten werden, dass vielen Bürger*innen der persönliche Kontakt oder mindestens die
Möglichkeit zu persönlichem Kontakt wichtig ist. So wird dieser auch in der konkreten Abfrage nach
der Präferenz der Kommunikation mit der Verwaltung von 43 Prozent der Befragten genannt. Der
Kontakt per Telefon wird von 20 Prozent der Befragten präferiert oder als sinnvolle Alternative zum
persönlichen Kontakt genannt. Vereinzelt wird auch der Kontakt über Chat (per Video oder per
Chatbot) genannt (vgl. Abbildung 8).
Abbildung 8: Übersicht über die präferierte Art der Verwaltungskommunikation (eigene Darstellung)
Gleichzeitig wurden diejenigen Szenarien positiv bewertet, die eine größtmögliche Convenience
bieten, sprich den Kontakt mit der Verwaltung einfacher und bequemer gestalten. Die Bürger*innen
wollen ihre Zeit sinnvoll nutzen und nicht mit Warten und Fahrtzeiten verbringen. Gleichzeitig
dominieren Datenschutzbedenken die „digitalen Szenarien“, wobei sich die Bedenken vor allem auf
die Kommunikation über heimische Endgeräte und die Speicherung sensibler persönlicher Daten
22
beziehen. Darüber, dass die Daten auch im Bürgerservicebüro digital eingetragen und verarbeitet
werden, gab es keine Beschwerden.
Insgesamt können die Bedürfnisse in den drei Schlagworten Flexibilisierung, Individualisierung und
gesteigerte Schnelligkeit zusammengefasst werden. Wie dies in der Praxis aussehen kann, zeigen die
konkreten Maßnahmen für die Vision einer digitalen Verwaltung 2030.
Im Kontakt mit der Verwaltung werden sowohl Prozessfragen als auch inhaltliche Fragen gestellt (vgl.
Anhang 3.3). Darauf lässt sich ein Bedürfnis nach einer möglichst umfassenden Beratung ableiten, die
sowohl auf die einzelnen Schritte des Verwaltungsprozesses eingeht und weiterführende Nachfragen,
beispielsweise zum Inhalt der Formulare, kompetent beantworten kann.
Hinsichtlich der Authentifizierung wird deutlich, dass die Mehrheit der Befragten eine BenutzernamePasswort-Kombination am besten findet. 25 Prozent der Befragten präferieren eine Authentifizierung
mittels des Personalausweises entweder über ein spezielles Lesegerät oder über das Handy mithilfe
der NFC-Technologie (vgl. Anhang 3.3). Einige der Befragten äußerten explizit, dass nur die „sicherste”
Art der Authentifizierung präferiert wird. Dies steht in einem gewissen Widerspruch dazu, dass die
Mehrheit die Benutzername-Passwort-Kombination präferiert, die nur ein geringes Maß an
Sicherheitsstandards erfüllt. Dies lässt sich jedoch damit erklären, dass diese Art der Authentifizierung
bereits in diversen Onlineforen, in den sozialen Medien und von E-Mail-Anbietern gehandhabt und
somit von den Befragten im privaten Kontext bereits häufig genutzt wird.
Grundsätzlich ist die Mehrheit der Befragten mit der Havelländer Landkreisverwaltung zufrieden.
Diejenigen, die Unzufriedenheit äußern bemängeln die Erreichbarkeit, Zuverlässigkeit, Schnelligkeit
und die Kompetenz der Verwaltungsmitarbeitenden. Generell decken sich die Ergebnisse mit den
Erwartungen, die die Bürger*innen an die Landkreisverwaltung haben. Die Präferenz des persönlichen
Kontakts spiegelt ein Bedürfnis nach Beratung und Service wieder. Die Havelländer
Landkreisverwaltung sollte insbesondere hier ansetzen. Dies bedeutet auf personaler Ebene, dass die
sozialen Kompetenzen sowie Beratungstätigkeiten der Verwaltungsmitarbeitenden forciert und
entsprechend geschult werden sollten (vgl. Kapitel 5). Auf organisationaler Ebene bedeutet dies, dass
die Verwaltung so aufgebaut sein sollte, dass Außenstehende eine zentrale Anlaufstelle in der
Landkreisverwaltung haben, um sich reibungslos zurechtzufinden und dass die Effizienz der Prozesse
so erhöht wird, dass sich Warte- und Bearbeitungszeiten verkürzen (vgl. Kapitel 3).
3.2 Ergebnisse Unternehmensbefragung im Havelland
An der Unternehmensumfrage haben insgesamt neun Unternehmen teilgenommen. Damit konnte die
angestrebte Teilnehmerzahl von 15 trotz Versenden von Erinnerungen an die Umfrage per Mail, die
Gewährleistung absoluter Anonymität der Ergebnisse sowie Herstellen des telefonischen Kontaktes
23
nicht erreicht werden. Kritisch muss hier hinterfragt werden, woraus die mangelnde Resonanz
resultierte. Es ist denkbar, dass bereits eine zehnminütige Umfrage einen zu großen Zeitaufwand
darstellte. Andererseits ist ebenfalls möglich, dass die Unternehmen schlichtweg keinen Bedarf und
somit kein Interesse hatten, an dieser Umfrage teilzunehmen. Es handelte sich bei den befragten
Unternehmen um kleine bis mittelgroße Unternehmen (bis 50 Mitarbeiter*innen) aus den Bereichen
KFZ-Reparatur, Steuerberatung, Produktion und (Elektro-) Handwerk. Größere Unternehmen (über 50
Mitarbeiter*innen) nahmen an der Umfrage leider nicht teil.
3.2.1 Erwartungen der Unternehmen
Die Erwartungen der Unternehmen ähneln stark den Erwartungen der Bürger*innen: Im Kontakt mit
der Verwaltung ist den Unternehmen vor allem eine schnelle Bearbeitung ihrer Anliegen, klare
Zuständigkeiten sowie eine ausgeprägte Kompetenz der Verwaltungsmitarbeitenden wichtig.
Gleichzeitig legen sie Wert auf flexible Öffnungszeiten und eine gute Erreichbarkeit. Wie bei den
Bürger*innen lassen sich die Erwartungen der Unternehmen an die Verwaltung durch die drei
Schlagworte Flexibilisierung, Individualisierung und gesteigerte Schnelligkeit zusammenfassen.
3.2.2 Reaktionen auf Zukunftsbilder
Wie bei der Bürgerbefragung wurden auch den Unternehmen die eingangs beschriebenen vier
Zukunftsbilder gezeigt, welche sich hinsichtlich ihres Digitalisierungsgrades, als auch der
Digitalisierungskompetenz unterscheiden. Bezüglich der Reaktionen zeigen sich jedoch deutliche
Unterschiede: Das bei den Unternehmen beliebteste Zukunftsbild stellen nicht die automatischen
Verwaltungsprozesse, sondern das mobile Rathaus dar (Abbildung 8). Bei der Frage, in welcher die
Unternehmen gebeten werden, die Zukunftsbilder in eine Reihenfolge zu setzen (je nach Zustimmung
bzw. Ablehnung), favorisieren fünf Unternehmen dieses Zukunftsbild, drei Unternehmen wählen es
zumindest an zweiter Stelle. Das zweit-beliebteste Zukunftsbild stellt das Online-Verwaltungsportal
dar: Bei der Einzelabfrage dieses Bildes waren jedoch nur drei Unternehmen damit einverstanden,
wenn alle ihre Verwaltungsanliegen beim Landkreis tatsächlich so erfolgen würden; alle anderen sechs
Unternehmen sprachen sich dagegen aus.
Platz drei des Rankings belegen die automatisch ausgelösten Verwaltungsprozesse, auch hier geben
sich in der Einzelabfrage des Bildes nur drei Unternehmen mit einer tatsächlichen Umsetzung
einverstanden. Eindeutiges Schlusslicht bildet sowohl im Ranking als auch in der Einzelabfrage der
Verwaltungsautomat. Bis auf eine Ausnahme geben alle Unternehmen an, dass sie nicht damit
einverstanden wären, würden ihre Verwaltungsanliegen auf diesem Wege ablaufen.
24
Abbildung 9: Reaktionen auf die Zukunftsszenarien (eigene Darstellung)
3.2.3 Weitere Ergebnisse
Bezüglich der Art und Weise des Verwaltungskontaktes wünschen sich beinahe ausnahmslos alle
Unternehmen einen Dualismus aus persönlichem und telefonischem Kontakt. Der Kontakt über Chat
oder Videochat ist hingegen kaum gewünscht – nur ein Unternehmen wünscht sich diese Art der
Kommunikation, jedoch zusätzlich zu dem persönlichen und telefonischen Kontakt.
Abbildung 10: Übersicht über die bevorzugten Arten der Kommunikation (eigene Darstellung)
Doch nicht nur bei der gewünschten Art des Kontaktes existieren deutliche Parallelen zu den
Ergebnissen der Bürgerbefragung: Bezüglich der Art von Fragen, aufgrund derer sich die Unternehmen
an die Landkreisverwaltung wenden, lässt sich feststellen, dass es sich sowohl um Fragen zum
25
allgemeinen Verwaltungsvorgang (Prozessfragen) als auch um Fachfragen (inhaltliche Fragen) handelt
– beide werden von jeweils vier Unternehmen genannt.
Somit lässt sich auch für den
Unternehmenskontext darauf schließen, dass ein Bedürfnis nach einer möglichst umfassenden
Beratung existiert.
Auffällig ist: In einer imaginären Welt, in der die Sicherheit der Unternehmensdaten vollkommen
garantiert wäre, würden fünf Unternehmen ihre Verwaltungsanliegen dennoch lieber persönlich statt
online erledigen. Drei Unternehmen würden ihre Verwaltungsanliegen stattdessen bevorzugt online
erledigen; ein Unternehmen ist diesbezüglich unentschlossen. Dies ist insofern bemerkenswert, als
dass in einer anderen Frage deutlich wird, dass fünf Befragte ihr Unternehmen als „gewappnet“ für
eine zunehmend digitalisierte Welt betrachten. Drei Befragte sind sich diesbezüglich nicht sicher, nur
ein Unternehmen wird als „nicht-gewappnet“ bewertet.
Bezüglich der Zufriedenheit der Unternehmen mit der Landkreisverwaltung lässt sich auch für den
Unternehmenskontext feststellen: Alle Antworten sind tendenziell positiv - die Unternehmen sind
grundsätzlich mit der Landkreisverwaltung zufrieden. Positiv wird beispielsweise gewertet, dass die
Online-Terminvergabe zu kürzeren Wartezeiten geführt hat. Vereinzelt wird angegeben, dass manche
Prozesse zu lange dauern und dass die Öffnungszeiten besonders für kleine Betriebe schwer
wahrzunehmen sind.
Insgesamt lässt sich konstatieren, dass es keinen immensen Handlungsbedarf der Landkreisverwaltung
in Hinblick auf die Unternehmen zu geben scheint. Optimierungspotentiale sind dennoch vorhanden den Unternehmen ist Schnelligkeit, eine gute Erreichbarkeit und Kompetenz sehr wichtig. Generell
bevorzugen sie jedoch den persönlichen (bzw. telefonischen) Kontakt mit der Verwaltung. Dies spiegelt
sich auch im präferierten Zukunftsbild, dem mobilen Rathaus, wieder.
4. Handlungsempfehlungen
Für die praktische Umsetzung der Vision 2030 lassen sich einige Digitalisierungspotentiale ableiten.
Nur wenige Bürger*innen lehnen eine digitale Kommunikation vollständig ab, viele halten die PortalLösung für möglich und wahrscheinlich. In der praktischen Umsetzung wäre diese in Kombination mit
den häufig präferierten automatisierten Verwaltungsprozessen wünschenswert, also keine reine
digitale Abbildung bestehender Abläufe und Prozesse, sondern eine digitale Anpassung und bestenfalls
Reduzierung der Kontaktpunkte. Der trotzdem weiterhin erforderliche Kontakt mit der
Kreisverwaltung sollte so bürgernah wie möglich gestaltet werden. Dafür ist es wichtig, die
Serviceorientierung als zentralen Leitgedanken zu verfolgen, um eine Flexibilisierung und
Individualisierung der Prozesse zu erreichen. Dies ist über ein personalisiertes Bürgerportal möglich,
welches sowohl den Bürger*innen, als auch den Unternehmen, ermöglicht von überall aus Anträge zu
26
stellen und den Bearbeitungsstand der gestellten Anträge einzusehen. Es entstehen keine zusätzlichen
Anfahrts- und Wartezeiten. Die Kreisverwaltung ist somit jederzeit und von jedem Ort erreichbar.
Die Abfrage des Bearbeitungsstandes durch die Bürger*innen bietet das zweite große Potential, da so
das Bedürfnis nach einer transparenten Verwaltung erfüllt werden kann, ohne dass ein Mehraufwand
für die Verwaltung anfällt. Alle bisherigen und ausstehenden Bearbeitungsschritte, der
Bearbeitungsstatus und weitere Informationen, wie einzureichende Dokumente, können online
abgebildet werden. Ein wirklicher Mehrwert ergibt sich für die Bürger*innen in dem Moment, wo
Verwaltungsgrenzen online nicht mehr ersichtlich sind, also die gesamte staatliche Verwaltung online
als ein Ansprechpartner wahrgenommen wird. Die inhaltliche Bearbeitung im Backend wird davon
nicht angetastet, den Bürger*innen könnte jedoch auf diese Weise der Wunsch nach einer einfacheren
Struktur erfüllt werden. Solch ein Szenario findet sich auch in Kapitel 4 in der Vision für eine zuünftige
Organisation der Verwaltung wieder.
Gleichzeitig dürfen auch diejenigen Bürger*innen, die nicht online kommunizieren können oder
wollen, nicht mit ihren Bedenken alleine gelassen werden. Vor allem für diese Menschen sollten
weiterhin Bürgerservicebüros betrieben werden, in denen Mitarbeiter*innen der Kreisverwaltung bei
Fragen zur Seite stehen. Vor allem für ältere Personen erscheint diese Art des Kontaktes ohne der
Erfordernis, selbst Eingaben vornehmen zu müssen, weiterhin die Vorzugslösung zu sein.
Da die Datenschutzbedenken der Befragten insbesondere auf die Speicherung und die
Datenübertragung vom heimischen PC aus abzielen, wäre es denkbar, beispielsweise PC-Arbeitsplätze
in den Bürgerservicebüros zu schaffen. In diesem Zusammenhang böten sich Verwaltungsautomaten
an, die - den Bedürfnissen der Bürger*innen entsprechend - einer einfachen Menüführung folgen und
von Hilfspersonen betreut werden. Das mobile Rathaus wurde insbesondere von den älteren
Menschen als sehr positiv bewertet. Da es in seiner derzeitigen Form dennoch kaum genutzt wird,
erscheint es ratsam, dieses Modell öffentlichkeitswirksamer der Havelländer Bevölkerung zu
kommunizieren. Somit ist das mobile Rathaus als sinnvolle Übergangslösung bis zur Erreichung der
flächendeckenden Akzeptanz einer deutlich digitaleren Kreisverwaltung zu sehen.
Die Ergebnisse der Unternehmensbefragung müssen hingegen unter größeren Vorbehalten betrachtet
werden: Da lediglich neun Unternehmen an der Umfrage teilnahmen, ist hier durchaus denkbar, dass
zahlreiche Einstellungen und Meinungen bisher noch nicht in den Ergebnissen abgebildet werden. Es
wäre an dieser Stelle wichtig, weitere Unternehmen bezüglich ihrer Erwarten und Wünsche zu
befragen - dies sollte jedoch, den Erfahrungen des vorliegenden Projektes Rechnung tragend - nicht
online geschehen.
27
Aus der Unternehmensbefragung lassen sich dennoch gewisse Schlüsse ziehen, die auch in ersten
Handlungsempfehlungen münden. Zum einen lässt sich festhalten, dass bezüglich der Unternehmen
kein immenser Handlungsbedarf zu bestehen scheint. Die Unternehmen geben sich grundsätzlich
zufrieden mit dem Kontakt mit der Landkreisverwaltung - dies ist positiv zu bewerten. Dennoch
existieren Optimierungspotentiale: Die Unternehmen wünschen sich eine schnellere und besser
erreichbare Landkreisverwaltung; sie bemängeln, dass die aktuellen Öffnungszeiten zu unflexibel und
die Anfahrtswege insbesondere für kleinere Betriebe ein Hindernis darstellen. Hier bietet sich daher
der Aufbau mobiler Rathäuser an. Dieses sollte in regelmäßigen Abständen verschiedene Orte des
Havellandes ansteuern, sodass den Unternehmen der oftmals weite Weg zur Verwaltung
abgenommen werden würde. Das mobile Rathaus würde dabei dieselben Funktionen anbieten wie die
herkömmlichen Verwaltungen - die Unternehmen könnten im mobilen Rathaus beispielsweise ihre
KFZ-Zulassung durchführen oder Baugenehmigungen beantragen.
Da das mobile Rathaus im Havelland bereits umgesetzt wurde, jedoch nach Angaben des
Auftraggebers
nur
vereinzelt
nachgefragt
wurde,
erscheint
eine
zielgerichtete
Kommunikationsstrategie erforderlich. Es ist davon auszugehen, dass vielen Unternehmen das
Angebot des mobilen Rathauses bisher schlichtweg nicht bewusst war, sie die Öffnungszeiten bzw. den
genauen Ort nicht kannten oder nicht wussten, dass das mobile Rathaus alle Verwaltungsanliegen
bedient und somit dem herkömmlichen Wege in puncto Funktionalität in nichts nachsteht. Auf eine
ausreichende Kommunikation all dieser Faktoren ist bei erneutem Einsatz des mobilen Rathauses zu
achten. Gleichzeitig sollte die Landkreisverwaltung auf Multiplikatoren zurückgreifen. In diesem Fall
bieten sich unternehmensnahe Institutionen an, die das Angebot des mobilen Rathauses an die
Unternehmen kommunizieren und idealerweise entsprechende Empfehlungen aussprechen. Als
geeignete Multiplikatoren bieten sich der Unternehmerverband Berlin-Brandenburg e. V., der Verein
Unternehmer für Rathenow e. V. und die Industrie- und Handelskammer an.
Im Zusammenhang mit der Digitalisierung von Verwaltungsprozessen lässt sich folgende
Handlungsempfehlung ableiten: Aktuell scheinen die Unternehmen dem digitalen Kontakt mit der
Verwaltung noch zurückhaltend gegenüberzustehen. Sie wünschen sich einen persönlichen bzw.
telefonischen Kontakt. Dieser sollte ihnen daher auch weiter gewährt werden. Gleichzeitig erscheint
es dennoch ratsam, weiterhin auch auf Online-Kanäle wie Kontakt über Mail oder (Video-) Chat
zurückzugreifen, um das Vertrauen in diese Kommunikationswege zu stärken und auf lange Sicht mehr
Unternehmen von den Vorteilen zu überzeugen. Dies wäre auch insofern wünschenswert, als dass das
von den Unternehmen präferierte mobile Rathaus keine „Pionierlösung” der digitalen Verwaltung
darstellt, da es – auch wenn es auf die Bedürfnisse der Individualisierung und Flexibilisierung reagiert
28
– weiterhin auf analogem Kontakt basiert und gleichzeitig einen kostenintensiven Betrieb erforderlich
macht.
Die Feststellung, dass die Unternehmen des Havellandes dem digitalen Kontakt mit der Verwaltung
zurückhaltend gegenüberstehen, muss jedoch aufgrund der geringen Teilnehmerzahl mit Vorsicht
genossen werden. Es ist durchaus denkbar, dass insbesondere größere Unternehmen, welche an der
Umfrage nicht teilgenommen haben, den Potentialen der Digitalisierung grundsätzlich offener
gegenüberstehen – auch weil diese längst in den jeweils eigenen Abläufen weitreichend Einzug
erhalten haben. Dennoch sollten auch die Unternehmen, die große Vorbehalte gegenüber dem
digitalen Verwaltungskontakt hegen, nicht vernachlässigt werden: Hier bedarf es Überzeugungsarbeit,
um Unternehmen von den Vorteilen der digitalen Verwaltungskommunikation zu überzeugen. Da die
identifizierten Bedürfnisse Individualisierung, Flexibilisierung und Schnelligkeit durch eine digitale
Verwaltung zentral adressiert werden, sollten diese hierbei besonders kommuniziert werden.
Da jeder Mitarbeiter eines Unternehmens auch gleichzeitig ein Bürger bzw. eine Bürgerin ist, scheint
es durchaus plausibel, dass die für den Bürgerkontext angeratenen Handlungsempfehlungen sich auch
auf den Unternehmenskontext auswirken können: Je zufriedener die Bürger*innen mit ihren
individuellen (digitalen) Verwaltungskontakten sind, desto mehr könnten sie sich die Frage stellen,
warum nicht auch ihr Unternehmen diese Vorteile nutzt.
5. Fazit
Aus den Bedürfnissen der Bürger*innen sowie der Unternehmen wird deutlich, dass eine
Landkreisverwaltung im Jahr 2030 digital und analog zugleich aufgestellt sein und dabei ein hohes Maß
an Serviceorientierung verfolgen sollte. Aus der von den Bürger*innen sowie den Unternehmen
formulierten Erwartungen an die Verwaltung lässt sich ein Bedürfnis nach kompetenter und flexibler
Beratung sowie schneller und unkomplizierter Prozesse ableiten. Der Kontakt zwischen Verwaltung
und Bürger*innen bzw. Unternehmen wird im Jahr 2019 hauptsächlich noch über den persönlichen
Wege gewünscht, sollte aber in Zukunft zu großen Teilen über digitale Kontaktmöglichkeiten
umgesetzt werden. Es ist selbstredend, dass eine digitale Verwaltung nicht „von Null auf Hundert”
funktioniert, sondern die Digitalisierung ein Prozess ist, der eine bedachte Umsetzung erfordert. Nur
durch eine schrittweise Transformation, die dem Leitgedanken der Serviceorientierung folgt, kann die
Akzeptanz der Bürger*innen sowie der Unternehmen für eine digitale Verwaltung erhöht werden.
Aufgabe der Verwaltung ist es, diesen Prozess zu lenken und dabei die Nutzer*innen der digitalen
Verwaltungsleistungen – dort, wo es gewünscht wird – an die Hand zu nehmen.
Dies kann zum Teil über eine Kombination oben beschriebener Szenarien erfolgen: Ob ein OnlinePortal als digitaler Kontaktpunkt, Automaten, bzw. Terminals in den Bürgerservicebüros, die von
29
kompetenten Mitarbeiter*innen betreut werden, oder im Hintergrund laufende automatische
Verwaltungsprozesse, die die Effizienz und Schnelligkeit der Verwaltung erhöhen – überall da, wo es
sinnvoll ist, sollten digitale Technologien eingesetzt werden. Sie sollten jedoch so umgesetzt werden,
dass die Bürger*innen sowie die Unternehmen in ihrer Handhabung nicht allein gelassen und Ängste
insbesondere älterer Bürger*innen ernst genommen werden. Die Bürgerservicebüros sollten dabei nie
gänzlich wegfallen, da sie insbesondere bei komplizierten Fällen die Möglichkeit für persönlichen
Kontakt und kompetente Beratung bieten.
Die dargestellten Bedürfnisse, gekoppelt mit den Potentialen der Digitalisierung, machen deutlich,
dass die Landkreisverwaltung auch hinsichtlich ihrer internen Strukturen und Prozesse Veränderungen
in die Wege leiten sollte. Maßnahmen dafür finden sich in den beiden nachfolgenden Kapiteln.
30
6. Literaturverzeichnis
Bitkom (2018). Staat 4.0. Verfügbar unter:
https://www.bitkom.org/sites/default/files/file/import/180919-PK-Staat-40-Status-Quo-Chancenund-Herausforderungen.pdf (Zuletzt zugegriffen: 24.03.2019).
Normenkontrollrat (2018). Deutschland: weniger Bürokratie, mehr Digitalisierung, bessere Gesetze
einfach machen! Jahresbericht 2018, Berlin, Verfügbar unter:
https://www.normenkontrollrat.bund.de/resource/blob/267760/1536236/1bed933ea006098d6807
ab48bd3c8574/2018-10-10-download-nkr-jahresbericht-2018-data.pdf?download=1 (Zuletzt
zugegriffen: 24.03.2019).
Schmitt, S., Hunnius, S. (2014). Informierter Bürger trifft zuständigkeitsorientierte Verwaltung. In:
Hermann Hill (Hrsg.), E-Transformation. Veränderung der Verwaltung durch digitale Medien. Nomos,
S. 29 – 46.
Schuppan, T. (2005). Strukturwandel der Verwaltung mit eGovernment. Eine Untersuchung am
Beispiel von Kreis und Gemeinde. Nomos.
Van de Walle, S., Zeibote, Z., Stacenko, S., Muravska, T., & Migchelbrink, K. (2018). Explaining nonadoption of electronic government services by citizens: A study among non-users of public e-services
in latvia, in: Information Polity, 23(4), S. 399 – 409.
Vereinte Nationen (2018). E-Government Survey 2018. Gearing E-Government to support
transformation towards sustainable and resilient societies. Verfügbar unter:
https://publicadministration.un.org/egovkb/Portals/egovkb/Documents/un/2018-Survey/EGovernment%20Survey%202018_FINAL%20for%20web.pdf (Zuletzt zugegriffen: 24.03.2019).
Wonneberger, P., Zain, A., Baier, E. und Kähler, M., (2018). Digitale Transformation in der
öffentlichen Verwaltung. Verfügbar unter: https://www.digitales-konstanz.de (Zuletzt zugegriffen:
24.03.2019).
31
4. Die Organisation der digitalen Verwaltung
Clementine Bertheau, Georg Heyn, Johannes Hiller, Felix Paffhausen, Lisa-Sophia Preller
Die Organisation der digitalen Verwaltung ................................................................................. 32
4.
1.
Beratungsauftrag und übergreifendes methodisches Vorgehen .............................................. 33
2.
Ergebnisse der Szenariofeldbestimmung und Szenariobildung ................................................ 34
2.1 Ergebnisse der Best-Practice-Analyse ..................................................................................... 34
2.2 Ergebnisse der Prozessanalyse im Landkreis Havelland .......................................................... 37
2.2.1 Baugenehmigung .............................................................................................................. 39
2.2.2 Elterngeld ......................................................................................................................... 40
2.2.3 Führerschein (Erstausstellung) ......................................................................................... 42
2.2.4 Beschaffung ...................................................................................................................... 43
2.2.5 Prozessübergreifende Erkenntnisse ................................................................................. 45
2.3 Szenariobildung ....................................................................................................................... 45
3.
Szenarien ................................................................................................................................... 48
3.1 Szenario: Der Landkreis Havelland als effiziente Fachverwaltung .......................................... 50
3.1.1 Veränderungen in der Aufbauorganisation...................................................................... 50
3.1.2 Veränderungen in der Ablauforganisation ....................................................................... 53
3.1.3 Implikationen der veränderten Ablauforganisation für die Aufbauorganisation ............ 65
3.2 Szenario: Der Landkreis Havelland als bewegliche Projektverwaltung ................................... 67
3.2.1 Veränderungen in der Aufbauorganisation...................................................................... 67
3.2.2 Abläufe in der beweglichen Projektverwaltung ............................................................... 72
4.
Handlungsempfehlungen .......................................................................................................... 74
5.
Literaturverzeichnis ................................................................................................................... 77
32
1. Beratungsauftrag und übergreifendes methodisches Vorgehen
Das Beratungsprojekt konzentriert sich auf die Organisation der Verwaltung des Landkreises
Havelland. Zielstellung dieses Teilprojektes war es, eine Vision für die Verwaltungsorganisation des
Landkreises im Jahr 2030 zu entwickeln, welche insbesondere potenzielle Veränderungen der Aufbauund Ablauforganisation durch die Einflüsse der Digitalisierung berücksichtigt. Die entworfene Vision
soll den Landkreis Havelland dabei unterstützen, seine Verwaltungsorganisation auf die sich durch die
Digitalisierung ergebenden Gegebenheiten ein- und umzustellen, um die Potenziale der Digitalisierung
bestmöglich ausschöpfen zu können.
Um diesen Beratungsauftrag zu erfüllen, wurde ein stufenweises Projektvorgehen gewählt, welches in
Abbildung 1 dargestellt ist.
Best-Practice Analyse
Prozessanalyse
Zunächst wurde die Ausrichtung und das Vorgehen
im Beratungsprojekt bis zur Angebotspräsentation
konkretisiert und mit Vertretern des Landkreises
abgestimmt. Methodisch wurde sich auch in
Szenariobildung
diesem Teilprojekt für die Anwendung einer
Szenariotechnik entschieden.
Szenarioformulierung
Um ein realistisches und kundenspezifischen
Abbildung 1: Projektvorgehen (eigene Darstellung)
Szenario erstellen zu können, wurden im Rahmen
einer Szenariofeldbestimmung parallel eine Best-
Practice- und eine Prozessanalyse durchgeführt. Im Zuge der Best-Practice-Analyse konnten auf Basis
einer umfassenden Recherche von Digitalisierungsprojekten, -maßnahmen und -bestrebungen
zentrale
Digitalisierungstrends
in
der
öffentlichen
Verwaltung
identifiziert
und
zwei
Experteninterviews zu als besonders relevant erachteten Best-Practices durchgeführt werden. Die
Prozessanalyse hatte zum Ziel, anhand exemplarisch ausgewählter Verwaltungsverfahren den
Digitalisierungsgrad von Prozessen in der Landkreisverwaltung des Havellands zu erfassen. Es wurden
hierfür vier Verwaltungsverfahren des Landkreises anhand eines speziell entworfenen Analyserasters
ausgewählt. Anschließend wurden mit den Durchführungsverantwortlichen des Landkreises Havelland
für die jeweiligen Verwaltungsverfahren qualitative Interviews durchgeführt. Die beiden Analysen
wurden bewusst unabhängig voneinander durchgeführt, um möglichst unvoreingenommen den
allgemeinen Stand in der nationalen und internationalen Verwaltungspraxis sowie die aktuelle
Situation im Landkreis Havelland evaluieren zu können. Auf Grundlage dieser Erkenntnisse war es
anschließend möglich, identifizierte Best-Practice-Beispiele auf den speziellen Kontext der
Landkreisverwaltung des Havellands zu projizieren, um konkrete Veränderungen in der
Ablauforganisation herauszuarbeiten sowie spezifische Szenarien für die Veränderung der
33
Aufbauorganisation zu entwerfen. Die Ergebnisse der Szenariofeldbestimmung wurden dem Landkreis
Havelland in einer Zwischenpräsentation vorgestellt. Die Rückmeldungen zu den Zwischenergebnissen
wurden in der weiteren Projektarbeit berücksichtigt.
Zur Szenariobildung wurde eine Vier-Felder-Szenariomatrix entworfen, welche sich aus zwei Achsen –
jeweils eine zu Ausprägungen der Ablauf- sowie der Aufbauorganisation – mit jeweils zwei
gegenüberstehen Extrempolen ergibt. Aus den verschiedenen Kombinationen der Extrempole ergeben
sich vier Szenariofelder, welche Ausgangspunkte für die vier entworfenen abstrakten Szenarien
darstellten. Aufgrund ihrer besonderen Relevanz wurden zwei der vier Szenarien ausgewählt und auf
den Landkreis Havelland projiziert. Es erfolgte eine detaillierte Ausformulierung dieser beiden
Szenarien. Abschließend wurden konkrete Handlungsempfehlungen für den Landkreis Havelland
formuliert. Die Gesamtprojektergebnisse wurden dem Auftraggeber in einer Abschlusspräsentation
vorgestellt.
Im Folgenden sind alle Projektschritte und deren Ergebnisse dokumentiert. Dabei wird zunächst auf
die Ergebnisse der Szenariofeldbestimmung und die Szenariobildung eingegangen. Anschließend
werden die beiden entwickelten Szenarien des Landkreises Havelland als „effiziente Fachverwaltung“
sowie
als
„bewegliche
Projektverwaltung“
präsentiert,
bevor
abschließend
die
Handlungsempfehlungen dargelegt werden.
2. Ergebnisse der Szenariofeldbestimmung und Szenariobildung
In diesem Kapitel werden die Ergebnisse der Szenariofeldbestimmung, also der durchgeführten BestPractice-Analyse sowie der Prozessanalyse von Verwaltungsverfahren im Landkreis Havelland,
präsentiert. Zudem wird das Vorgehen zur Szenariobildung unter Bezugnahme auf die entwickelte
Szenariomatrix vorgestellt, bevor abschließend die vier auf Basis der Szenariomatrix gebildeten
Szenarien kurz erläutert werden.
2.1 Ergebnisse der Best-Practice-Analyse
Im Rahmen der Best-Practice-Analyse haben wir uns eingehend mit vorherrschenden
Digitalisierungstrends in der öffentlichen Verwaltung auseinandergesetzt. Es wurde vorrangig eine
Onlinerecherche durchgeführt. In die Analyse sind Dokumente eingeflossen, die über umgesetzte oder
sich in der Einführung befindliche Digitalisierungslösungen berichten und auf eine einhergehende
Veränderung der Aufbau- oder Ablauforganisation der betroffenen Verwaltungseinheit schließen
lassen. Die Rechercheergebnisse wurden in einem Analyseraster in Form einer Tabelle aufbereitet und
systematisch ausgewertet. Zur Übersicht und besseren Nachvollziehbarkeit wurden zunächst
bibliografische Informationen zu den Dokumenten in einer Tabelle erfasst. Inhaltlich wurden die
thematisierten Lösungen nach den folgenden Vergleichbarkeitsmerkmalen kodiert:
34
Beziehungstyp (G2C, G2B, G2G, intraorganisational)
Betroffene Dimension (Ablauf- / Aufbauorganisation, beides, unklar)
Betroffene kommunale Aufgabe (falls Ablauforganisation betroffen)
Land (von dem die Publikation berichtet)
Betroffene föderale Ebene
Einschätzung der Übertragbarkeit auf den Landkreis Havelland (niedrig, mittel, hoch)
Aufgegriffene Technologien, Trends, Konzepte
Es wurden insgesamt 43 Best-Practice-Fälle aus den Jahren 2008 bis 2019 identifiziert (vgl. Anhang
4.1); davon weisen 31 ausschließlich Implikationen auf die Ablauforganisation und sieben
ausschließlich auf die Aufbauorganisation auf. Fünf Berichte betrachten sowohl Aufbau- als auch
Ablauforganisation. 33 Fälle berichten von der kommunalen Ebene, drei von der Bundesebene und
sieben von Ebenen übergreifenden Vorhaben. Bei der Auswahl der Fälle wurde der Blick vorwiegend
nach Deutschland aber auch nach Dänemark, Estland, in die Niederlande, die USA und die Schweiz
gerichtet, deren Staatsverwaltungen im Bereich des E-Governments eine Vorreiterrolle einnehmen. 19
Fälle weisen nach unserer Einschätzung eine hohe Übertragbarkeit, 21 Fälle eine mittlere
Übertragbarkeit und drei Fälle eine niedrige Übertragbarkeit auf den Landkreis Havelland auf.
In Summe ist zu beobachten, dass in der öffentlichen Verwaltung über alle Verwaltungsebenen hinweg
zunehmend neue Technologien eingesetzt, Prozesse optimiert bzw. automatisiert und neue (teilweise
agile) Organisationsstrukturen eingeführt werden.
In zehn Fällen wird von einer Digitalisierungsstrategie oder einer zentralen Stelle für Digitalisierung
innerhalb der Organisation berichtet. Mobile Endgeräte spielen zunehmend eine wichtige Rolle bei
den Beschäftigten sowie bei den Bürger*innen (drei Best-Practices). Sechs Berichte thematisieren die
Nutzung einer Portallösung zur Kommunikation mit den Bürger*innen bzw. den Unternehmen.
Das Rechercheergebnis ermöglichte es, ein umfassendes Verständnis für die aktuellen
Digitalisierungsentwicklungen und langfristigen Trends in der öffentlichen Verwaltung zu entwickeln.
In der Best-Practice-Analyse konnten zwei besonders relevante Fallbeispiele identifiziert werden. Als
Fallbeispiel zu den Veränderungen der Ablauforganisation wurde die Stadt Rietberg mit ihrem OnlineBaugenehmigungsverfahren ausgewählt. Die Stadt dient als gutes Vergleichsobjekt, da mit demselben
Softwarehersteller wie im Landkreis Havelland kooperiert wird. Als zweites Fallbeispiel wurde die Stadt
Sindelfingen mit ihrem neueingeführten Amt für Digitalisierung in Bezug auf die Aufbauorganisation
näher betrachtet. Diese wurde aufgrund ihrer Vorreiterrolle im kommunalen Bereich berücksichtigt.
35
Um über die ursprünglichen Literaturquellen hinaus Details zu den Implikationen des
Digitalisierungsprojekts für die Verwaltungsorganisation zu erfahren, wurden jeweils halbstrukturierte
Experteninterviews durchgeführt. Für die Durchführung der Interviews wurden Interviewleitfäden
entwickelt, die Anhang 4.2 und Anhang 4.3 zu entnehmen sind. Ziel der Experteninterviews war es, ein
grundlegendes Verständnis von den jeweiligen Best-Practice-Beispielen zu erlangen sowie ihre
Übertragbarkeit auf den Landkreis Havelland einschätzen zu können. Es wurden dabei explizit die
organisationalen Auswirkungen, welche die digitalen Lösungen mit sich brachten, betrachtet. Zudem
wurden die subjektiven Einschätzungen der Interviewpartner zu den zukünftigen Entwicklungen und
den generell zu erwartenden Auswirkungen der Digitalisierung auf die Organisation der öffentlichen
Verwaltung erfragt.
Für die ausgewählten Best-Practice-Beispiele wurden die folgenden Ansprechpartner zu ihren
jeweiligen Digitalisierungsprojekten per Telefoninterview befragt:
1. Der Abteilungsleiter Bauaufsicht & Denkmalpflege der Stadt Rietberg betreut das Verfahren
zur digitalen Baugenehmigung „Bauanträge online". Bereits seit einigen Jahren wird in der
Stadt Rietberg die digitale Abwicklung von Baugenehmigungen vorangetrieben. Der Wegfall
des Schriftformerfordernisses dieses Verfahrens zum 01.01.2019 hat dazu beigetragen, dass
inzwischen über 90 Prozent der Verfahren auf digitalem Wege eingeleitet werden. Auch die
restlichen Vorgänge werden nach Eingang der Dokumente direkt digitalisiert und
softwaregestützt weiterverarbeitet. Hinsichtlich der Aufbauorganisation hat sich durch diesen
Wandel keine Änderung ergeben. Der Prozess wurde bereits vorher für gut befunden und
dementsprechend eins zu eins in einem Softwareprodukt abgebildet. Veränderungen ergeben
sich vor allem im Kommunikationsmedium und in der erhöhten Transparenz. So müssen keine
Papierakten mehr gesucht werden, der Bearbeitungsstand ist für alle Beteiligten jederzeit
ersichtlich, Verzögerungen durch Briefkorrespondenz werden vermieden und einige
Teilschritte des Prozesses können parallel ausgeführt werden. Auswirkungen sind vor allem
durch verkürzte Durchlaufzeiten und weniger Abhängigkeiten zwischen den verschiedenen
Beteiligten spürbar. Die Sachbearbeitenden erfreuen sich an der einfachen Aktenverwaltung
und hatten keine Anpassungsschwierigkeiten, da sich inhaltlich in ihrer Arbeit wenig
Veränderungen ergeben haben. Die Stadt ist nun allerdings auf die korrekte Funktion der
Systeme sowie bei Änderungen auf den Softwarehersteller angewiesen.
2. Die Einführung eines Amts für Digitalisierung in der Stadt Sindelfingen wurde durch den
Gemeinderat beschlossen. Die inhaltliche Ausgestaltung des Amts hat der heutige Amtsleiter
maßgeblich begleitet und gesteuert. Das Amt für Digitalisierung mit seinen vier
Mitarbeitenden (eine Leitung, zwei Referent*innen und eine Assistenz) wurde zum 01.01.2019
36
eingeführt. Es ist dem Dezernat 1 und somit direkt dem Oberbürgermeister der Stadt
zugeordnet. Die Einführung wurde sowohl intern aus der Verwaltung heraus als auch durch
den Stadtrat vorangetrieben. Das Amt hat eine rein strategische Ausrichtung. Es betrachtet
Themen mit einem ganzheitlichen Blickwinkel und erarbeitet konzeptionell richtungsweisende
Vorgehensweisen. Innerhalb dieser Organisationseinheit sollen zukünftig alle Themen, die im
Zusammenhang mit der Digitalisierung anfallen, zentral gebündelt bearbeitet werden. Dafür
wird zunächst eine digitale Agenda erarbeitet. Der erste Schritt dazu sind Gespräche mit allen
Fachämtern. Die Umsetzung der Strategie erfolgt schließlich in den Fachämtern. Teil der Arbeit
des Amts wird auch der Aufbau von Kooperationen mit Unternehmen und anderen Behörden
sein. Dies soll der Standortattraktivität der Stadt dienen und innovationsfördernd wirken. Die
Einführung des Amtes für Digitalisierung ist eine langfristige Veränderung der
Aufbauorganisation. Auch nach Umsetzung der Strategie wird das Amt bestehen bleiben. Zu
allen digitalisierungsrelevanten Themen, die innerhalb der Verwaltung bearbeitet werden, soll
das Amt als beratende Instanz einbezogen werden. Dieses Zusammenarbeitsmodell soll durch
den Stadtrat zukünftig transparent manifestiert werden.
2.2 Ergebnisse der Prozessanalyse im Landkreis Havelland
Um realistische und kundenspezifische Szenarien für eine durch Digitalisierung veränderte
Ablauforganisation im Landkreis Havelland aufstellen zu können, war es zunächst notwendig, die
aktuelle Ablauforganisation anhand von Fallbeispielen zu analysieren. Der zweite Teil der
Szenariofeldbestimmung stellte daher eine Erhebung des Ist-Stands von Prozessen innerhalb der
Landkreisverwaltung Havelland zur Erfüllung ausgewählter kommunaler Aufgaben dar.
Zuerst wurden vier Verwaltungsverfahren des Landkreises Havelland mit besonders hohen digitalen
Veränderungspotenzialen für die Prozessanalyse bestimmt. Zur Identifizierung geeigneter
Verwaltungsverfahren wurde ein Analyseraster in Anlehnung an die Forschungsmethodik eines
Gutachtens im Auftrag des Nationalen Normenkontrollrats der Bundesregierung (Fromm et al., 2015)
aufgestellt. Kriterien für die Auswahl der Untersuchungsgegenstände waren dabei, dass die
Verwaltungsverfahren...
zu
den
Top-Verwaltungsleistungen
gemäß
dem
Umsetzungskatalog
des
Onlinezugangsgesetzes (OZG) gehören, da diese Verwaltungsleistungen bis 2030 mit großer
Wahrscheinlichkeit
digital
umgesetzt werden, dementsprechend über
ein hohes
Digitalisierungspotential verfügen und zudem besonders von Bürger*innen
bzw.
Unternehmen nachgefragt werden.
aus unterschiedlichen Fachbereichen bzw. Lebenslagen von Bürger*innen stammen (hier:
Lebenslagen gemäß OZG-Umsetzungskatalog).
37
unterschiedliche Arten von Verwaltungstätigkeiten repräsentieren.
sich in ihrem Komplexitätsgrad unterscheiden (der jeweilige Komplexitätsgrad der
Verwaltungsverfahren wurde auf Basis von Recherchen zu Prozessabläufen in anderen
Kommunen selbst eingeschätzt).
Zudem wurde verifiziert, dass die Ausführungsverantwortlichkeit für die identifizierten
Verwaltungsverfahren auch tatsächlich beim Landkreis Havelland liegt.
Um nicht ausschließlich Bürger- und Unternehmensdienstleistungen des Landkreises zu untersuchen,
sondern auch organisationale Auswirkungen der Digitalisierung von Prozessen innerhalb der
Verwaltung betrachten zu können, wurden zusätzlich interne Querschnittsprozesse mit hohen
Digitalisierungspotenzialen
identifiziert.
Als
zu
betrachtender
verwaltungsinterner
Querschnittsprozess wurden die Beschaffungsprozesse ausgewählt. Nahezu alle Verwaltungseinheiten
sind Bedarfsträger für spezifische Produkte (z.B. Computer, Büromöbel) und Dienstleistungen (z.B.
Wachpersonal für Flüchtlingsunterkünfte, Reinigungsleistungen) und daher in Beschaffungsprozesse
involviert. Durch die Nutzung digitaler Unterstützungsinstrumente und der damit einhergehenden
Veränderung von Prozessen und Strukturen bestehen hier große Potenziale der Effizienzsteigerung.
Anschließend wurden die folgenden vier kommunalen Verwaltungsverfahren unter Berücksichtigung
der oben genannten Anforderungen pragmatisch ausgewählt und mit dem Kunden abgestimmt:
Verwaltungsverfahren
TOP
OZG
Baugenehmigung
x
Elterngeld
Führerschein
(Erstausstellung)
Beschaffung
Fachbereich/
Lebenslage
Bauen und
Immobilien
Art der
Verwaltungstätigkeit
Komplexitätsgrad
Genehmigung
Sehr hoch
x
Geburt
Bewilligung Sozialleistung
Hoch
x
Führerschein
Antrag
Mittel
Interner
Querschnittsprozess
Hoch
Tabelle 1: Analyseraster zur Auswahl der Verwaltungsverfahren für die Prozessanalyse (in Anlehnung an Fromm et al. 2015)
Im zweiten Schritt wurden qualitative, halbstrukturierte Interviews mit den für die ausgewählten
Verwaltungsverfahren zuständigen Mitarbeitenden innerhalb der Landkreisverwaltung in Rathenow
und Nauen durchgeführt. Ziel dieser Interviews war es einerseits, die aktuellen Prozessabläufe zu
erfassen, andererseits aber auch bereits unternommene Bemühungen zur Digitalisierung der
Verwaltungsverfahren herauszuarbeiten sowie weitere Digitalisierungspotenziale zu identifizieren. Die
eingesetzten Interviewleitfäden sind Anhang 4.4 und Anhang 4.5 zu entnehmen.
Im Folgenden werden die wesentlichen Erkenntnisse der qualitativen Interviews präsentiert. Die
Verwaltungsprozesse werden zur besseren Verständlichkeit komplexitätsreduziert dargestellt.
38
2.2.1 Baugenehmigung
Rahmenbedingungen des Verwaltungsverfahrens
Regelungsebene: Land (Brandenburgische Bauordnung - BbgBO)
Standardisierungsgrad: Das Baugenehmigungsverfahren ist im Ablauf durch gesetzliche Vorgaben, wie
zum Beispiel gesetzliche Fristen, relativ standardisiert. Dazu erfolgt die Bearbeitung der Bauanträge
mit einer einheitlichen Software ProBauG (Firma: PROSOZ Herten GmbH) im gesamten Bundesland
Brandenburg.
Zentrale Digitalisierungsvorhaben: Das Bauordnungsamt Havelland nimmt an einem Pilotprojekt des
Landes Brandenburg zum Ausbau des „virtuellen Bauamts“ teil. Im Rahmen des Projektes wird ein
komplett papierloser Bauantrag sowie die elektronische Beteiligung von allen Fachbehörden getestet.
Aktueller Prozessablauf
1. Analoges sowie
elektronisches Stellen des
Bauantrags
2. Aufnehmen des Antrags
in Software ProBauG
3. Überprüfen des Antrags
auf Vollständigkeit und
Zulässigkeit
4. Bereitstellen der
Zugangsdaten zum OnlinePortal für den Antragsteller
zur Einsicht des
Bearbeitungsstatus
5. Elektronisches Anfordern
der Stellungnahmen und
Genehmigungen von den
internen Fachämtern
6. Elektronisches
Hinterlegen von
Stellungnahmen der
internen Fachämter direkt
in der Software
7. Postalisches Anfordern
von Stellungnahmen und
Genehmigungen von
externen Behörden
8. Scannen und Einpflegen
der Stellungnahmen der
externen Behörden in die
Software
9. Bearbeiten und
Überprüfen des Antrags
durch das Bauamt mit Hilfe
der Software
10. Erteilen der
Baugenehmigung im
Online-Portal sowie
postalisch
Abbildung 2: Aktueller Prozessablauf „Baugenehmigung" (eigene Darstellung)
Ist-Stand Digitalisierungsgrad
Der Bauantrag muss von den Antragstellenden sowohl elektronisch (für die direkte Aufnahme
in ProBauG durch das Bauamt) als auch in Papierform eingereicht werden. Das Einreichen des
Antrags in Papierform inklusive Unterschrift ist momentan eine gesetzliche Vorgabe. Es wird
jedoch aktuell eine mögliche Gesetzesänderung geprüft.
39
Antragstellende können den Bearbeitungsstatus des jeweiligen Bauantrages in einem OnlinePortal einsehen.
Die Bearbeitung durch das Bauamt erfolgt bereits elektronisch mit ProBauG. Die Software
stellt alle Arbeitsschritte des Baugenehmigungsverfahren digital dar.
Die Stellungnahmen der internen Fachämter werden direkt in ProBauG hinterlegt und von
Sachbearbeitenden des Bauamts überprüft. Genehmigungen und Stellungnahmen von
externen Behörden werden in Papierform eingeholt. Dementsprechend müssen analoge
Stellungnahmen von den Sachbearbeitenden im Bauamt eingescannt und händisch in ProBauG
eingepflegt werden.
Identifizierte digitale Optimierungspotenziale
Durch den Wegfall des Unterschrifterfordernisses wäre ein komplett papierloser Bauantrag
möglich. Die anschließende Bearbeitung erfolgt bereits komplett digital in ProBauG.
Die Kommunikation mit externen Behörden könnte digital umgestellt werden, um
Stellungnahmen und Genehmigungen effizienter durch das Bauamt in ProBauG übernehmen
zu können und Bearbeitungszeiten zu reduzieren.
Zugriffsmöglichkeiten auf Registerauskünfte und gemeinsame Datenbanken würden die
Bearbeitung des Antrags durch das Bauamt vereinfachen und könnten die Anzahl der am
Verfahren beteiligten Behörden reduzieren.
Besonders
bei
einfachen
Bauvorhaben
könnten
einige
Prozessschritte
des
Baugenehmigungsverfahrens durch intelligente Softwarelösungen automatisiert werden.
2.2.2 Elterngeld
Rahmenbedingungen des Verwaltungsverfahrens
Regelungsebene: Bund (Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz - BEEG)
Standardisierungsgrad:
Es
bestehen
restriktive
Vorgaben
zur
Ausgestaltung
des
Verwaltungsverfahrens durch die bundesgesetzliche Regelung. Aus diesem Grund erfolgt die
Bearbeitung von Elterngeldanträgen im ganzen Bundesgebiet relativ einheitlich.
Zentrale Digitalisierungsvorhaben: Die Digitalisierung von Verwaltungsleistungen rund um die Geburt
(Einfache Leistungen für Eltern - ELFE) ist Bestandteil des initialen Digitalisierungsprogramms der
Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG). Es ist in den nächsten Jahren mit großen Veränderungen
durch den Bund im Verwaltungsverfahren durch Digitalisierung zu rechnen.
40
Aktueller Prozessablauf
1. Beratungsleistungen
zur Art des
Elterngeldbezugs
2. Ausfüllen des
Elterngeld-Antrags auf
Papier
3. Bereitstellen
notwendiger Nachweise
4. Postalisches Versenden von Antrag und
Nachweisen (eigenständig ODER über
Bürgerservicebüros)
5. Überprüfen des
Antrags auf
Vollständigkeit
6. Ggf. Nachfordern von
Angaben und
Nachweisen
7. Überprüfen der
Richtigkeit der Angaben
anhand der Nachweise
8. Ggf. Rücksprache mit
ausländischen
Elterngeldstellen über
weitere Bezüge
9. Händisches
Übernehmen der
Formularangaben
10. Berechnen des
Elterngeldanspruch
durch ElterngeldSoftware
11. Ausfertigen der
Akte in Papierform
12. Überprüfen der
fertigen Akte im VierAugen-Prinzip
14. Archivieren der
Papierakte
15. Elektronische
Mitteilung des Elterngeldbezug an Stat.
Bundesamt, Bundeskasse Trier, Finanzamt
16. Ggf. nachträgliches
Verändern von
Angaben und Erstellen
von Rückforderungen
(Start bei Schritt 10)
13. Ausdrucken und
Versenden des
Bescheides per Post
Abbildung 3: Aktueller Prozessablauf „Elterngeld" (eigene Darstellung)
Ist-Stand Digitalisierungsgrad
Auf www.havelland.de erfolgt bereits eine zentrale Informationsbereitstellung zum
Verwaltungsleistung und den erforderlichen Anträgen online. Auch das Antragsformular kann
digital gedownloadet werden.
Die Antragsstellung erfolgt komplett analog auf einem Papierformular. Auch die Nachweise
müssen analog und teilweise im Original (z.B. Geburtsurkunde) eingereicht werden. Bei
Nachforderungen von Nachweisen wird zum Teil ein Versand per E-Mail ermöglicht.
Zur Bearbeitung des Elterngeldantrags wird eine Elterngeld-Software (elina, Firma: naviga
GmbH) genutzt, welche die Höhe des Elterngeldes berechnet, Bescheide erstellt und Daten an
die Bundeskasse Trier, das Statistische Bundesamt sowie das Finanzamt Havelland übermittelt.
Die Akte wird als Papierakte ausgestellt und archiviert.
Identifizierte digitale Optimierungspotenziale
Die Antragsstellung durch ein Elternteil könnte komplett digital oder sogar automatisch
erfolgen. Die Übernahme der analogen Daten aus dem Papierformular ist derzeit sehr
zeitaufwendig und fehleranfällig.
41
Durch eine Verknüpfung digitaler Register könnten automatisch Auskünfte von anderen
Verwaltungseinheiten eingeholt werden und damit einzureichende Nachweise (z.B. die
Geburtsurkunde) entfallen.
Die Archivierung und Aktualisierung der Papierakten ist sehr aufwendig und könnte durch eine
digitale Lösung vereinfacht werden.
2.2.3 Führerschein (Erstausstellung)
Rahmenbedingungen des Verwaltungsverfahrens
Regelungsebene: Bund (Straßenverkehrsgesetz, Fahrerlaubnis-Verordnung)
Standardisierungsgrad: Das Verfahren zur Erstausstellung eines Führerscheins ist durch gesetzliche
Vorgaben im Prozessablauf stark standardisiert. Im Land Brandenburg gibt es geringe Unterschiede in
der Organisation des Verwaltungsverfahren, beispielsweise dass im Landkreis Havelland die
Bürgerservicebüros als erste Anlaufstelle für die Beantragung des Führerscheins dienen.
Zentrale Digitalisierungsvorhaben: Das Verfahren ist im OZG-Umsetzungskatalog priorisiert (Priorität
2). Daher ist mit einer digitalen Umsetzung des Verfahrens in den kommenden Jahren zu rechnen. Der
aktuelle Umsetzungsstand des Vorhabens ist nicht bekannt.
Aktueller Prozessablauf
1. Elektronisches Aufnehmen
des Antrags und
Entgegennehmen der
Nachweise in den
Bürgerservicebüros
2. Ausdrucken des Antrags
und Unterschreiben durch
Bürger*innen
3. Weiterleiten des Antrags
in Papierform sowie
elektronisch an
Führerscheinstelle
4. Überprüfen des Antrags
auf sachliche Richtigkeit
5. Elektronisches Überprüfen
von Einträgen in den
Registern von
Bundeskraftfahramt und
DEKRA
6. Scannen und Einpflegen
der Originalnachweise und
Passbild in die eAkte
7. Weiterleiten der eAkte an
die DEKRA
8. Postalisches Versenden
der Antragsbestätigung an
Antragssteller
9. Archivieren der eAkte und
Vernichten der Papierakte
10. Eintragen der Ergebnisse
der Fahrprüfung nach
Rückmeldung durch die
DEKRA
11. Bei bestandener Prüfung:
Elektronisches Beantragen
des Drucks des Führerscheins
bei der Bundesdruckerei
12. Zusenden des
Führerscheins an Bürger
oder Bereitstellen zur
Abholung in den
Bürgerservicebüros
Abbildung 4: Aktueller Prozessablauf „Führerschein (Erstausstellung)" (eigene Darstellung)
42
Ist-Stand Digitalisierungsgrad
Der Antrag zur Erstausstellung eines Führerscheins wird elektronisch im Bürgerservicebüro
aufgenommen und anschließend für eine Unterschrift des/der Antragsstellenden ausgedruckt.
Alle Originalnachweise (z.B. Sehtest, Erste-Hilfe-Kurs) sowie das Passbild müssen analog
eingereicht werden.
Der Antrag wird sowohl in Papierform als auch elektronisch an die Führerscheinstelle
weitergeleitet. Hier werden alle Nachweise eingescannt. Die anschließende Bearbeitung des
Antrags erfolgt dann elektronisch mit einer Software.
Die Führerscheinstelle kann Registerauskünfte des Kraftfahrt-Bundesamts und der DEKRA
elektronisch abrufen.
Der Antrag wird nach vollständiger Überprüfung elektronisch an die DEKRA weitergeleitet und
als elektronische Akte archiviert. Die Papierakte wird nicht verwahrt.
Identifizierte digitale Optimierungspotenziale
Die Antragstellung durch den Bürger/die Bürgerin könnte komplett digital über ein
Onlineformular erfolgen. Dafür müsste es für die erforderlichen Nachweise eine digitale
Echtheitsprüfung geben und das Schriftformerfordernis entfallen.
Die Bearbeitung des Antrags könnte komplett digital abgewickelt werden oder sogar
vollständig automatisiert werden.
Die Weiterverarbeitung von Daten – besonders an der Schnittstelle zwischen
Bürgerservicebüro
und
Führerscheinstelle
–
könnte
durch
eine
elektronischen
Datenübermittlung erleichtert werden.
2.2.4 Beschaffung
Rahmenbedingungen des Verwaltungsverfahrens
Regelungsebenen: EU, Bund, Land (EU-Richtlinien, umgesetzt in nationalem Vergaberecht)
Standardisierungsgrad: Es existieren vielfältige verbindliche Standards zur Ausgestaltung und
Veröffentlichung von Ausschreibungen, dem Erhalt von Angeboten und der Erteilung von Zuschlägen.
Die Bedarfserhebung, der Erstellungsprozess der Ausschreibung und die Rechnungslegung sind nicht
einheitlich geregelt.
Zentrale Digitalisierungsvorhaben: Seit dem 01.05.2018 ist der Landkreis Havelland zur ordentlichen
e-Vergabe über das Portal vergabemarktplatz.brandenburg.de verpflichtet.
43
Aktueller Prozessablauf
1. Bedarfsmitteilung
ODER Bedarfsabfrage
bei großen
Beschaffungen per EMail
2. Erstellen der
Ausschreibung mit Hilfe
einer Vergabemanagementsoftware
3. Veröffentlichen der
Ausschreibung auf
vergabemarktplatz.
brandenburg.de
4. Erhalten der
Angebote auf
Vergabemarktplatz
ODER per Post
5. Prüfen der Eignung
der Anbieter und
Bewerten der Angebote
6. Ausstellen eines
Vergabevorschlags
7. Versenden des
Vergabevorschlags an
Rechnungsprüfungsamt
in der Software
8. Prüfen und
Bestätigen des
Vergabevorschlags
durch
Rechnungsprüfungsamt
in der Software
9. Erteilen des Auftrags
über
Vergabemarktplatz
ODER per Post
10. Eingang der
Rechnung per E-Mail
ODER per Post
11. Prüfen der
Rechnung auf
Richtigkeit und Vermerk
auf Papier
12. Weitergeben der
Rechnung an Kämmerei
per Hauspost
Abbildung 5: Aktueller Prozessablauf „Beschaffung" (eigene Darstellung)
Ist-Stand Digitalisierungsgrad
Die Mitteilung von Beschaffungsbedarfen erfolgt elektronisch per E-Mail an die zentrale
Beschaffungsstelle des Landkreises Havelland.
Zur
Erstellung
vergaberechtskonformer
Ausschreibungen
wird
eine
Vergabemanagementsoftware genutzt (Firma: cosinex GmbH).
Die Aktenführung erfolgt komplett elektronisch, die Papierakte wurde abgeschafft.
Die Veröffentlichung von Ausschreibungen, der Erhalt von Angeboten und die Erteilung von
Zuschlägen werden digital über das Portal vergabemarktplatz.brandenburg.de abgewickelt.
Der Posteingang sowie die Bearbeitung von Rechnungen erfolgen zu großen Teilen analog.
Derzeit wird die Beschaffung teilweise noch dezentral in den Fachbereichen (z.B. Schulamt)
und nicht in der zentralen Beschaffungsstelle des Landkreises durchgeführt, sodass es zu
Abweichungen im Digitalisierungsgrad der einzelnen Beschaffungsprozesse kommen kann.
Identifizierte digitale Optimierungspotenziale
Die Bedarfserhebung könnte direkt in der Vergabemanagementsoftware vorgenommen
werden, um eine bessere Bedarfsbündelung zu erreichen und die Weiterverarbeitung von
Bedarfsmitteilungen zu Ausschreibungen in der Software zu erleichtern.
Durch die Digitalisierung des Posteingangs könnten die Medienbrüche bei Angebots- und
Rechnungserhalt abgeschafft werden.
44
Mit der Einführung eines E-Rechnungs-Systems könnte die Prüfung und Bearbeitung von
Rechnungen optimiert werden.
2.2.5 Prozessübergreifende Erkenntnisse
Die betrachteten Verwaltungsverfahren weisen unterschiedliche Digitalisierungsgrade auf. Während
beispielsweise die Beschaffungsprozesse bis auf wenige Medienbrüche komplett digital abgewickelt
werden, erfolgt die Beantragung des Elterngelds weiterhin ausschließlich per Papierformular, sodass
Angaben zunächst händisch in die Software zur Berechnung der Elterngeldhöhe übernommen werden
müssen. Der Automatisierungsgrad ist in allen Verwaltungsverfahren bislang sehr gering.
Digitale Optimierungspotenziale lassen sich unter anderem im Bereich des Posteingangs, der
Bezahlung und der Aktenführung identifizieren. Bürger*innen müssen zudem bei der Beantragung von
Verwaltungsleistungen häufig benötigte Nachweise in analoger Form bereitstellen. Auch existiert
derzeit kein zentrales Online-Verwaltungsportal des Landkreises mit einem zugehörigen Bürgerkonto,
in welchem der Bürger bzw. die Bürgerin alle Verwaltungsleistungen auch online beantragen kann.
Allgemein festzustellen ist, dass bei Verwaltungsverfahren, deren Ausgestaltung komplett in der Hand
des Landkreises liegt, bereits einige Bemühungen zur Digitalisierung von Prozessen unternommen
wurden und dadurch der Digitalisierungsgrad hier besonders hoch ist (z.B. Beschaffungsprozesse).
Zudem nimmt der Landkreis an Modellprojekten zur Digitalisierung von Verwaltungsverfahren auf
Landesebene teil (z.B. Baugenehmigungsverfahren).
2.3 Szenariobildung
Auf Basis der Erkenntnisse und Inspirationen aus der Best-Practice- und Prozessanalyse wurden in
mehreren Kreativworkshops Szenarien entwickelt. Um dabei möglichst verschiedenartige Szenarien zu
erzeugen, wurde zunächst eine Vier-Felder-Szenariomatrix entworfen. Die aufgestellte Szenariomatrix
besteht aus zwei Achsen mit jeweils zwei gegenüberstehen Extrempolen der Schlüsselvariablen,
sodass sich in ihrer Kombination vier Szenariofelder ergeben. Da der Projektauftrag sowohl die
Betrachtung der Aufbau- als auch Ablauforganisation vorsieht, bildet jede Achse eine der beiden
Organisationsdimensionen als Schlüsselvariable ab.
Die Achse der ablauforganisatorischen Ausprägung reicht von den Extrempolen einer „1:1
Digitalisierung“ bis hin zu einer „fundamentalen, digitalen Prozessneugestaltung“ der Abläufe in der
Landkreisverwaltung. Der Achse liegt die Annahme zu Grunde, dass 2030 alle Prozesse in der
Landkreisverwaltung Havelland auf digitale Optimierungspotenziale hin analysiert worden und diese
umfassend digital umgesetzt sind. Die Digitalisierung von Verwaltungsprozessen kann jedoch von zwei
verschiedenen Zielstellungen geleitet sein. Während bei der „1:1 Digitalisierung“ auf bestehenden
Prozessen aufgebaut wird und diese lediglich in bewährter Form digital abgebildet werden, wird bei
45
der „fundamentalen, digitalen Prozessneugestaltung“ davon ausgegangen, dass die Prozesse auf der
„grünen Wiese“ grundlegend neu entwickelt werden müssen und es darüber hinaus auch ihrer
kontinuierlichen Weiterentwicklung bedarf. In der Literatur wird die Vorgehensweise in der Regel als
Business Process Reengineering bezeichnet.
Die Extrempole der aufbauorganisatorischen Entwicklungen prägen sich als „Linienorganisation“ auf
der einen und „agile Netzwerkorganisation“ auf der anderen Seite aus. Die Linienorganisation ist durch
eine fachliche Segmentierung der Verwaltung, hierarchische Strukturen und klare, einheitliche
Weisungsbefugnisse gekennzeichnet. Dem gegenüber beschreibt der Extrempol der „agilen
Netzwerkorganisation“ einen gegensätzlichen Ansatz der Organisationstheorie. So werden
Verwaltungsangelegenheiten nicht mehr in fachlich abgegrenzten Ämtern und Sachgebieten statisch
und pauschal nach Verantwortungsbereichen bearbeitet, sondern dynamisch und fallbezogen in
agilen, interdisziplinären Teams. Ausgangsbasis für die Teams sind die Angestellten der
Landkreisverwaltung mit ihren individuellen Fähigkeiten, die den Ressourcenpool für das agile
Netzwerk bilden. Sie arbeiten – je nach Bedarf – in Abhängigkeit von ihrer Expertise in einem Team an
einem konkreten Projekt innerhalb eines bestimmten Aufgabenbestandes.
Aus der sich aus den zwei Achsen ergebenden Szenariomatrix lassen sich vier mögliche Szenarien
konstruieren, die in Abbildung 6 dargestellt sind und im Folgenden grob skizziert werden.
46
Abbildung 6: Aufgestellte Szenariomatrix (eigene Darstellung)
Das Szenario im ersten Quadranten, das unter Berücksichtigung der Extrempole „Agile
Netzwerkorganisation“ und „Fundamentale, digitale Prozessneugestaltung“ entsteht, ist die
sogenannte Bewegliche Projektverwaltung. Die Landkreisverwaltung ist in diesem Szenario durch agil
arbeitende
Einheiten
charakterisiert,
die
in
interdisziplinärer
Zusammensetzung
Verwaltungsleistungen in nach Lebenslagen geordneten Teams erbringen oder zu Querschnittsthemen
der Verwaltung zusammenarbeiten. Jeder Verwaltungsvorgang wird als eigenes Projekt betrachtet,
welches von einem Team von Anfang bis Ende verantwortet wird. In diesem Szenario wurden die
Prozessabläufe der Verwaltungsverfahren komplett digital neugestaltet. Es werden zudem Agilitätsund Digitalisierungslotsen in die Teams integriert, welche die Potenziale der Digitalisierung
kontinuierlich mitdenken und Veränderungen in der Ablauforganisation vorschlagen. Durch die
neuartigen Strukturen kann es in diesem Szenario – vor allem in den Anfangsphase – zu
Reibungsverlusten kommen. Die fundamentale digitale Prozessneugestaltung kann ebenfalls dafür
sorgen, dass unerprobte Prozesse anfangs nicht zufriedenstellend funktionieren und einiger
Iterationen bedürfen bis sie dann das volle Potenzial der Digitalisierung ausschöpfen und den
Erwartungen entsprechen.
47
Im zweiten Quadranten der Matrix liegt das Szenario der Routinierten Kompetenzverwaltung. In
diesem Szenario ist die Landkreisverwaltung nicht mehr in Fachbereichen organisiert, sondern
Verwaltungseinheiten bilden sich nach der Art der verrichteten Arbeit aus (Kompetenzteams). Die
Verwaltungsverfahren werden in bewährten, aber nun digital unterstützten Prozessen ausgeführt.
Durch
die
veränderte
Organisationsform
ergeben
sich
jedoch
andere
Durchführungsverantwortlichkeiten für die einzelnen Prozessschritte. Außerdem kommt es zu
Veränderungen in den Hierarchien und aufgrund der veränderte Aufgabenverortung ebenfalls zu
Veränderungen hinsichtlich der Entscheidungskompetenzen. Hierbei ist vor allem entscheidend, wie
die bestehenden Prozesse dahingehend angepasst werden können, dass Entscheidungen nicht mehr
„Top-Down“, sondern in den Kompetenzteams getroffen und verantwortet werden. Fachkräfte für
Digitalisierung sind direkt in den jeweiligen Kompetenzteams unterstützend tätig.
Aus den Extrempolen „1:1 Digitalisierung“ und „Linienorganisation“ ergibt sich das Szenario der
Weberschen Digitalverwaltung. Dieses Szenario baut auf einer vielfach bewährten Organisationsform
auf, die auf geordneten Strukturen, hierarchisch geprägten Verantwortlichkeiten und klaren
Entscheidungskompetenzen beruht. Bewährte Prozesse werden durch digitale Techniken lediglich
unterstützt und nicht neuorganisiert, sodass sich in der Arbeitsorganisation, in der Arbeitsaufteilung
und bei den Schnittstellen zwischen den einzelnen Verwaltungseinheiten nur wenige Veränderungen
ergeben. Die jeweilige Verwaltungseinheit wählt mit ihrem Fachwissen die für sich optimal geeignete
Lösung und setzt diese um.
Das vierte Szenario wird als Effiziente Fachverwaltung bezeichnet. Die effiziente Fachverwaltung ist
durch die Fachspezifität der Verwaltungseinheiten und eine stark segmentierte und hierarchisierte
Verwaltungsstruktur geprägt. Die Potenziale der Digitalisierung können nach einigen Iterationen der
neuen Prozesse gut ausgeschöpft werden, da Prozesse auf Basis der digitalen Möglichkeiten
fundamental neu gedacht wurden. Lähmend wirken allerdings die notwendigen Verwaltungseinheiten
übergreifenden Abstimmungsbedarfe, da Entscheidungswege in der Linienorganisation komplex sind.
Für vergleichbare Standards und Grundlagen sorgt eine in zentrale Stelle für Digitalisierung, die neu in
der Verwaltungsorganisation Berücksichtigung findet.
3. Szenarien
Im Folgenden werden zwei der in Kapitel 2 eingeführten Szenarien im Detail und auf die
Landkreisverwaltung Havelland projiziert vorgestellt. Es wurden dabei die beiden Szenarien mit der
Ausprägung „fundamentalen, digitalen Prozessneugestaltung“ fokussiert (vgl. Abbildung 7). Dies liegt
darin begründet, dass im wissenschaftlichen Diskurs weitestgehend Einigkeit darüber besteht, dass
Verwaltungsprozesse nicht einfach digital überführt werden sollten, sondern es einer umfassenden
Prozessneugestaltung bedarf, um die Potenziale der Digitalisierung bestmöglich ausnutzen zu können.
48
Dies stellt die Verwaltungen jedoch auch gleichzeitig vor große Herausforderungen hinsichtlich der
Umsetzung von Prozessrestrukturierungen (Weerakkody et al., 2011, S. 320).
Abbildung 7: Aufgestellte Szenariomatrix mit Fokus (eigene Darstellung)
Nach unserer Auffassung könnten die Potenziale der Digitalisierung im Szenario der beweglichen
Projektverwaltung, welches sich zusätzlich durch eine agile Netzwerkorganisation auszeichnet, am
besten ausgeschöpft werden. Die Umsetzung dieses Szenarios wird jedoch im Hinblick auf den
Zielzeitraum bis zum Jahr 2030 als unrealistisch eingeschätzt. Im Landkreis Havelland ist heute eine
Form der Linienorganisation implementiert.
Unter Leitung des Landrates
besteht die
Landkreisverwaltung aus fünf Dezernaten und den jeweils dazugehörigen Ämtern und Sachgebieten.
Zusätzlich unterstützen mehrere Stabstellen den Landrat, sodass die Organisationsform als
Stablinienorganisation charakterisiert werden kann. Da die Landkreisverwaltung mit der digitalen
Neugestaltung von Verwaltungsprozessen bereits große Vorhaben zu stemmen haben wird, würde
eine gleichzeitige grundlegende Veränderung der Aufbauorganisation die Verwaltung überlasten und
zu enormen Risiken für die ordnungsgemäße Aufgabenerbringung führen.
Die Umsetzung des Szenarios der effizienten Fachverwaltung, bei welchem die bewährte
Linienorganisation beibehalten wird, ist daher hinsichtlich der betrachteten Zeitachse realistischer, da
49
hier der Fokus lediglich auf der umfassenden Veränderung der Ablauforganisation mit Hilfe digitaler
Mittel gelegt wird. Die notwendigen Anpassungen der Aufbauorganisation sind im Szenario der
effizienten Fachverwaltung weniger umfassend und wirken dennoch unterstützend bei der effektiven
Nutzung von Digitalisierungspotenzialen.
Dementsprechend wird in diesem Kapitel zunächst das Szenario des Landkreises Havelland als
effiziente Fachverwaltung vorgestellt und anschließend das fernerliegende Szenario der beweglichen
Projektverwaltung sowie dessen Implikationen thematisiert. Eine zukünftige Entwicklung von einer
effizienten Fachverwaltung hin zu einer beweglichen Projektverwaltung ist nach unserer Einschätzung
allerdings gut möglich. Haben sich die neu gestalteten Verwaltungsabläufe erst bewährt, können agile
Verwaltungsstrukturen einfacher und mit weniger Risiko implementiert werden.
3.1 Szenario: Der Landkreis Havelland als effiziente Fachverwaltung
Im Szenario des Landkreises Havelland als effiziente Fachverwaltung kommt es nur zu geringen
Veränderungen in der Aufbauorganisation, dafür sind großen Restrukturierungen in der
Ablauforganisation auszumachen. Da die Landkreisverwaltung bereits heute als Linienorganisation
strukturiert ist, baut das Szenario auf den bewährten Organisationsstrukturen, Hierarchien und
Entscheidungskompetenzen auf. Das organisationale Arbeitsumfeld bleibt damit für die
Mitarbeiterinnen und -mitarbeiter des Landkreises gleich. Aufgrund der zweiten dem Szenario
zugrunde liegenden Annahme, nämlich dass die Verwaltungsprozesse fundamental digital
neugestaltet werden, ändern sich jedoch die Abläufe von Verwaltungsverfahren deutlich. Es wird im
Szenario davon ausgegangen, dass die digitalen Optimierungspotenziale in den betrachteten
Verwaltungsverfahren umfassend ausgenutzt und zum Teil Prozesse auf der „grünen Wiese“ neu
aufgesetzt worden.
Für dieses Szenario liegen bereits heute viele Best-Practices in Deutschland und international vor,
welche gut auf den Landkreis Havelland übertragbar sind. Die Risiken der Umsetzung dieser BestPractices sind aufgrund ihrer Erprobung in anderen öffentlichen Verwaltungen gut einschätzbar.
Passende Best-Practice-Beispiele werden direkt im Szenario vorgestellt und kurz erläutert.
Im Folgenden werden nun die konkreten Veränderungen der Aufbau- und Ablauforganisation im
Szenario „Der Landkreis Havelland als effiziente Fachverwaltung“ vorgestellt.
3.1.1 Veränderungen in der Aufbauorganisation
Da die Landkreisverwaltung des Havellands bereits heute eine Linienorganisation besitzt, ändert sich
die Aufbauorganisation der Landkreisverwaltung im Szenario der effizienten Fachverwaltung nur
geringfügig. In der Betrachtung wurde das Jobcenter (Dezernat 5) nicht berücksichtigt, da es
weitestgehend unabhängig von den anderen Verwaltungseinheiten des Landkreises agiert und
50
aufgrund der komplexen bundesgesetzlichen Vorgaben der Sozialgesetzbücher eine besondere
Verwaltungsstruktur aufweist.
Themen der Digitalisierung spiegeln sich bislang jedoch nicht explizit in der Aufbauorganisation wieder.
Um den Herausforderungen, welche die Digitalisierung für die Landkreisverwaltung mit sich bringt,
gewachsen zu sein, wird in der effizienten Fachverwaltung eine zusätzliche Verwaltungseinheit mit
mehreren Personalstellen für die Lenkung und strategische Ausrichtung der Verwaltungsdigitalisierung
geschaffen. Zum aktuellen Zeitpunkt wird die Digitalisierung der Landkreisverwaltung lediglich von
einem Mitarbeiter zentral betreut, welcher direkt dem Landrat unterstellt ist.
Für die Ansiedlung der neuen Verwaltungseinheit zur Steuerung der Digitalisierung im Organigramm
ergeben sich vor allem zwei Optionen. Es könnte zum einen eine Stabsstelle für Digitalisierung errichtet
werden, welche direkt dem Landrat unterstellt ist. Die Stabstelle für Digitalisierung erhält direkt
Aufträge vom Landrat und berichtet an diesen. Dies hätte den Vorteil, dass das Thema auf der
Leitungsebene präsent ist. Die Einrichtung einer Stabsstelle hätte zudem eine wichtige Signalwirkung:
Digitalisierung würde als zentrale Führungsaufgabe und damit als Priorität in der gesamten
Landkreisverwaltung wahrgenommen werden. Auch der Implementierungsaufwand einer Stabsstelle
ist überschaubar. Allerdings ist es für Stabsstellen
schwieriger, in die Fachämter und Sachgebiete
Best-Practice: Landkreis Leer
mehr direkt beim Landrat angesiedelt. Dies könnte zur
Der Landkreis Leer führte 2018 ein Amt
für Digitalisierung (und Wirtschaft) ein.
Der Landrat sieht insbesondere für den
ländlichen Raum enorme Chancen im
digitalen Zeitalter. Er geht davon aus,
dass in wenigen Jahren alle
Dienstleistungen auch digital angeboten
werden müssen. Die „Initiative Digital“
beinhaltet u.a. die Realisierung einer
elektronischen Aktenführung. Das Amt
ist im Organigramm des Landkreises im
Dezernat 1 aufgehängt.
Folge haben, dass das Thema Digitalisierung als
Anhang 4.1: Nummer 41
hineinzuwirken, da sie eine relativ isolierte Position in
der Verwaltungsorganisation innehaben. Zum anderen
könnte ein eigenes Amt für Digitalisierung geschaffen
werden, welches im Zentraldezernat (Dezernat I)
angesiedelt ist. Das neue Amt könnte ähnlich wie das
Haupt- und Personalamt besser in alle Bereiche der
Landkreisverwaltung hineinsteuern, wäre aber nicht
weniger prioritär wahrgenommen wird.
Wir empfehlen zunächst die Etablierung einer Stabstelle mit mehreren Fachkräften (ca. vier bis fünf
Personalstellen) und ähnlichen Aufgabenbereichen wie denen des Amtes für Digitalisierung in der
Stadt Sindelfingen. Zwar hat sich die Stadt Sindelfingen für die Einrichtung eines Amts für
Digitalisierung entschlossen, allerdings kann das Aufgabenprofil, das in einem Experteninterview
erhoben wurde, auch auf eine Stabstelle übertragen werden. Es ist vor allem am Anfang wichtig, dass
51
Best-Practice: Stadt Sindelfingen
Die Stadt hat ein eigenes Amt für
Digitalisierung eingerichtet. Das
Amt soll eine digitale Agenda für
die Stadt Sindelfingen erarbeiten
und Projekte im Bereich
Digitalisierung gemeinsam mit
Partnern umsetzen. Die
Beschreibung der Stabstelle für
Digitalisierung in diesem Abschnitt
basiert auf dem Experteninterview
mit der Stadt Sindelfingen.
Anhang 4.1: Nummer 15
das Thema Digitalisierung auf der Leitungsebene präsent ist
und die angemessene Aufmerksamkeit erfährt. Hat sich die
Verwaltungseinheit erstmal etabliert und entsprechende
Akzeptanz und Aufmerksamkeit in allen Teilen der
Landkreisverwaltung bekommen, kann sie zu einem
späteren Zeitpunkt auch als Amt in die Linienorganisation
überführt werden.
Die Stabstelle nimmt dabei ausschließlich eine strategische
Rolle ein. Die Umsetzungsverantwortung für die operativen
Maßnahmen liegt in den Fach- und Sachgebieten der
Dezernate. Die Aufgaben der Stabstelle sind die Entwicklung
einer Digitalisierungsstrategie (digitale Agenda), die federführende Betreuung und Bearbeitung aller
Themen der Digitalisierung, Innovationsförderung und die Erhöhung der Bürgerbeteiligung mithilfe der
Digitalisierung. Die Handlungsfelder könnten dabei verwaltungsinterne Prozesse, Kontakte nach außen
(Bürgerkontakt / Öffentlichkeitsarbeit), städtisches Leben (Kitas, Schulen, Wohnen, Kultur, Sport,
Tourismus), digitale Infrastruktur (Glasfaserausbau, Verkehr) und Vernetzung sein. Die Vernetzung
sollte Nachbarkommunen, Unternehmen, Hochschulen und Verbände umfassen.
Die Stabstelle für Digitalisierung sollte bei allen Projekten/Aufgaben der einzelnen Fach- und
Sachgebiete, die mit der Digitalisierung zusammenhängen, einbezogen werden, damit sie effektiv
arbeiten kann. Durch die Stabstelle könnten Leuchtturmprojekte angestoßen werden, die den
Landkreis attraktiver machen und für Popularität sorgen. Dies können beispielsweise die Initiierung
und Teilhabe an Technologie-Hubs sein. Die Stabstelle sollte aus einem interdisziplinären Team
bestehen. Dabei sollte aber das technische Know-how neben dem organisatorischen Verständnis
keinesfalls fehlen.
Auch andere Best-Practices aus unterschiedlichen Ländern, die verschiedene föderale Ebenen
betreffen wie die Stadt Amsterdam (Anhang 4.1: Nummer 7) oder der Staat Schweiz (Anhang 4.1:
Nummer 14), zeigen, dass die Einführung von zentralen strategischen Einheiten, die sich mit dem
Thema Digitalisierung beschäftigen zunehmend an Attraktivität gewinnt.
Die genannten aufbauorganisatorischen Änderungen sind in Abbildung 8 in Form eines Organigramms
dargestellt. Dezernate, die ohne Ämter und Sachgebiete dargestellt werden, erfahren in ihrer internen
Organisation keine Veränderung. Veränderte Organisationseinheiten sind gelb hinterlegt.
52
Abbildung 8: Organigramm Landkreis Havelland als effiziente Fachverwaltung (eigene Darstellung)
3.1.2 Veränderungen in der Ablauforganisation
Anhand der exemplarisch ausgewählten vier Verwaltungsverfahren „Baugenehmigung“, „Elterngeld“,
„Führerschein (Erstausstellung)“ sowie „Beschaffung“ sollen Veränderungen in der Ablauforganisation
in diesem Szenario vorgestellt werden.
1. Baugenehmigung
Der Bauantrag wird im Jahre 2030 komplett digital gestellt, denn die heute noch bestehende
Unterschrifterfordernis wurde bis dahin abgeschafft. Bei der Bearbeitung wird das Bauordnungsamt
durch eine Softwarelösung unterstützt, welche bisherige Prozessschritte automatisiert. Zentrale
Datenbanken und Register verringern die Anzahl der einzubeziehenden externen Stellen. Da es sich
um ein komplexes Verfahren handelt, sind die Mitarbeiter*innen des Bauordnungsamtes nach wie vor
maßgeblich an der Bearbeitung von Bauanträgen beteiligt, jedoch wird der Arbeitsaufwand durch
digitale Lösungen erheblich reduziert. In Abbildung 9 ist der restrukturierte Prozessablauf grafisch
dargestellt.
53
Stellen des Bauantrags
online im Bürger- bzw.
Unternehmenskonto
Automatische
Bearbeitung
des Bauantrags
durch Software
Bei einfachem
Bauvorhaben
und eindeutiger
Datengrundlage
Ggf. Nachforderungen an
Antragsstellenden
Automatisierte
Überprüfung auf
Vollständigkeit
Automatisiertes
Ermitteln und
Kontaktieren von zu
beteiligten Fachämtern
und externen Behörden
Ggf. Digitaler
Kontakt zu
Außenstellen
wie Baustelle
Bearbeiten des Antrags
durch das
Bauordnungsamt
Bereitstellen der
Stellungnahmen und
Genehmigungen durch
Fachämter und externe
Behörden
Selbständiges Zugreifen auf
zentrale Datenbanken und
Register
Erteilen der
Baugenehmigung
online
(auf Wunsch
postalisch)
Abbildung 9: Digitaler Prozess „Baugenehmigung" (eigene Darstellung)
Um eine Baugenehmigung zu beantragen, loggen
sich
Bürger*innen
online
in
das
Bürger-
Serviceportal des Landkreises Havelland (für
Unternehmen
existiert
das
Unternehmens-
Serviceportal) ein und werden über die Kategorie
„Bauen & Wohnen“ zum virtuellen Bauamt
weitergeleitet. Hier besteht die Möglichkeit, ein
neues Verfahren zu starten oder ein bereits
beantragtes einzusehen. Im virtuellen Bauamt
befinden
sich
zudem
eine
informative
Handreichung zur Antragsstellung sowie eine
54
Best-Practice: Stadt Straubing
Das Bürgerservice-Portal der Stadt
Straubing bietet online diverse
Verwaltungs-dienstleistungen an, die über
eine Terminvereinbarung in den örtlichen
Behörden hinausgehen. In manchen Fällen
ist ein persönliches Erscheinen des
Antragsstellers weiterhin notwendig, in
anderen Fällen wird die Bearbeitung des
Antrags sofort online angestoßen.
Anhang 4.1: Nummer 8
Übersicht
über
die
erforderlichen
Dokumente.
Im
Vergleich
zu
früher
entfällt
die
Unterschrifterfordernis und der Antrag wird rein digital gestellt.
Im ersten Schritt der Antragsstellung identifiziert sich der/die Antragstellende über das Bürger- bzw.
Unternehmenskonto. Alle Formulare können direkt im virtuellen Bauamt online ausgefüllt und
erforderlichen Dokumente, wie Baupläne online hochgeladen werden. Da der Zugang zum Antrag mit
verschiedenen Personen innerhalb des Unternehmens geteilt werden kann, ist eine parallele
Antragsbearbeitung möglich, die zu einer Zeitersparnis führt. Mit Hilfe der Software prüft das Portal
den Antrag automatisch auf Vollständigkeit und gibt Hinweise auf noch einzureichende Dokumente,
noch bevor der Antrag an das Bauordnungsamt weitergeleitet wird. Sollten im weiteren Verfahren
doch noch weitere Dokumente benötigt werden, können diese ganz einfach über das Portal
nachgereicht werden. Alle weiteren Genehmigungen und Stellungnahmen für das Bauvorhaben
werden durch das Bauordnungsamt eingeholt, sodass die Antragstellenden nach Antragsabgabe nur
noch den Status der Bearbeitung online verfolgen und den Bescheid abwarten müssen.
Best-Practice: Österreich
Automatische Registerauskünfte
ermöglichen Verwaltungseinheiten
das selbständig Einholen bestimmter
Auskünfte. Durch den automatischen
Datenaustausch werden Verfahren
deutlich effizienter, bei denen
normalerweise Wartezeiten durch
langwierige Anfragen entstehen. In
Österreich werden solche digitalen
Registerauskünfte zum Beispiel im
Verfahren der Familienbeihilfe
erfolgreich angewendet.
Anhang 4.1: Nummer 10b
Nach der automatischen Prüfung des Antrags auf
Vollständigkeit
wird
Bauordnungsamt
er
elektronisch
weitergeleitet
an
und
das
die
Antragsbearbeitung kann beginnen. Zunächst werden alle
Daten
automatisch
in
die
Bearbeitungssoftware
aufgenommen. Je nach Komplexität des Bauvorhabens
kann
es
bei
der
Antragsaufnahme
zu
ersten
automatischen Bearbeitungsschritten durch die Software
kommen.
Moderne
digitale
Registerauskünfte
ermöglichen das automatische Abrufen bestimmter
Informationen in Bezug auf das Bauvorhaben. Bei
eindeutiger
Datengrundlage
kann
somit
die
Baugenehmigungssoftware Antrag in gewissen Teilen
schon vorweg auf Zulässigkeit prüfen. Da es sich bei der Baugenehmigung jedoch um ein komplexes
Verfahren handelt, werden alle anderen Fälle nach wie vor durch einen Mitarbeitenden des
Bauordnungsamtes überprüft und bearbeitet.
In vielen Bearbeitungsschritten werden die Mitarbeitenden durch die Baugenehmigungssoftware
unterstützt und die Bearbeitung vereinfacht. Nach Antragsaufnahme ermittelt die Software
automatisch alle zu beteiligenden Fachämter und externen Behörden und kontaktiert diese
elektronisch, um Stellungnahmen bzw. Genehmigungen anzufordern. Durch gemeinsamen
Onlinezugriff auf die Bearbeitungssoftware können alle beteiligten Stellen ihre Stellungnahmen direkt
55
in das Programm einpflegen und müssen im Anschluss nur noch einmal von Mitarbeitenden des
Bauordnungsamtes überprüft werden. Der langwierige Briefverkehr in Papierform entfällt.
Grundsätzlich können so verschiedene Stellen parallel an einem Antrag arbeiten und die
Bearbeitungszeit verkürzt werden.
Die Schnittstellen zwischen dem Bauordnungsamt und den anderen beteiligten Akteuren waren in der
Vergangenheit fehleranfällig und führten zu Verzögerungen in der Bearbeitung. Um die Anzahl der
beteiligten Stellen zu reduzieren, wurden dem Bauordnungsamt erweiterte Zugriffsrecht auf Register
und Datenbanken gewährt. Hierdurch können gewisse Auskünfte durch das Bauordnungsamt selbst
eingeholt werden, zum Beispiel in Bezug auf denkmal- oder umweltgeschützte Gebiete. Der Zugriff auf
zentrale Datenbanken erweitert die Kompetenz des Bauordnungsamtes in der Bearbeitung des
Antrags und ermöglicht zunehmend eine eigenständige Bearbeitung ohne die Beteiligung einer
Mehrzahl verschiedener Stellen.
Die Bearbeitung durch das Bauordnungsamt wird
Best-Practice: Stadt Rietberg
zudem durch mobile digitale Arbeitsweisen
Die Stadt Rietberg hat das
Baugenehmigungsverfahren restrukturiert
und digitalisiert hin zu einem komplett
papierlosen Antrag ohne
Unterschrifterfordernis. Darüber hinaus führt
das Bauordnungsamt digitale mobile
Arbeitsweisen ein. Zum Beispiel könnten
Daten, die bei Baustellenbesuchen
entspringen, direkt über mobile Endgeräte in
die Antragsbearbeitungssoftware eingepflegt
werden.
vereinfacht. Ein Best-Practice-Beispiel der Stadt
Rietberg zeigt wie mobile Endgeräte eingesetzt
werden, um Auskünfte von externen Orten direkt
in die Bearbeitungssoftware aufnehmen zu
können. Die Mitarbeitenden werden auch hier
durch
Software
unterstützt
und
der
Arbeitsaufwand vermindert, in dem Angaben
nicht erst händisch aufgeschrieben und dann
Anhang 4.1: Nummer 9
digital erfasst werden müssen.
Nach vollständiger Prüfung durch das Bauordnungsamt wird der Antrag bewilligt bzw. abgelehnt. Der
entsprechende Bescheid wird sowohl im Bürger- bzw. Unternehmenskonto sichtbar und dauerhaft
hinterlegt, als auch auf Wunsch per Mail oder Post versandt. Zum Abschluss des
Baugenehmigungsverfahren wird die elektronische Bauakte automatisch archiviert und Anteile daraus
können bei Bedarf für weitere Baugenehmigungen wiederverwertet werden.
2. Elterngeld
Während das Elterngeld früher analog auf einem Papierformular beantragt werden musste und die
Sachbearbeiter*innen der Elterngeldstelle umfassend mit der Prüfung von Nachweisen wie den Lohnund Gehaltsabrechnungen beschäftigt waren, fallen im Jahr 2030 durch Automatisierung großer Teile
56
des
Verwaltungsverfahrens
kaum
noch
Aufgaben
für
beantragende
Eltern
und
Verwaltungsmitarbeiter*innen an. Der digitale Prozess ist in Abbildung 10 grafisch dargestellt.
Geburt
des
Kindes
Direkte Mitteilung an
Staat durch
Krankenhaus oder
Hebamme
Automatisierte
Berechnung des
Elterngeldanspruchs
Beratungsleistungen zur Art des
Elterngeldbezugs durch Chatbot ODER
persönliche Beratung
Vermerken der gewünschten Art des
Elterngeldbezugs im Bürgerkonto
Nein
Ausländischer
Antragssteller?
Ja
Automatisiertes
Erstellen des
Elterngeldbescheids für
E-Akte
Automatisierte
Registerauskünfte
Automatisiert
durch
Softwarelösung
Automatisiertes
Bereitstellen des
Bescheids im
Bürgerkonto und
Benachrichtigung
Einspruch gegen den
Bescheid im
Bürgerkonto?
Automatisierte
Mitteilung des
Elterngeldbezug an
Bundeskasse Trier,
Finanzamt, Stat.
Bundesamt
Ggf. automatisiertes
Einpflegen von
nachträglichen
Änderungen in E-Akte,
Erstellen von
Rückforderungen
Ja
Nein
Einspruch gegen
Nachforderungen
im Bürgerkonto?
Abbildung 10: Digitaler Prozess „Elterngeld" (eigene Darstellung)
57
Ja
Analoge Sachbearbeitung
die
Steht die Geburt eines Kindes ins Haus, so müssen sich
Best-Practice: Stadt Wien
die Eltern auch weiterhin vorab darüber informieren,
Die Stadt Wien entwickelt derzeit an
einem Chatbot, der zukünftig über den
Facebook-Messenger für jegliche
Bürgeranfragen zur Verfügung stehen
und die Informationssuche zu allen
Themen, welche die Stadt betreffen,
erleichtern soll. Der Fokus liegt auf
Informationen, die sich bereits auf der
Homepage der Stadt verbergen, die aber
einfacher zugänglich gemacht werden
sollen.
vielen Bürger*innen dennoch der persönliche Kontakt
Anhang 4.1: Nummer 19
zur Verwaltung wichtig ist (vgl. Kapitel 3 und Kapitel 5)
welche Art des Elterngeldbezugs (z.B. Basiselterngeld,
ElterngeldPlus, Partnerschaftsbonus) sie erhalten
möchten. Beratungsleistungen hierzu können in der
digitalen Landkreisverwaltung nun jedoch auch über
einen Chatbot bezogen werden, welcher über die
Webseite des Landkreises aber auch über SocialMedia-Kanäle wie etwa Facebook erreichbar ist. Da
und es auch kompliziertere Nachfragen gibt, welche
der Chatbot nicht beantworten kann, ist es wichtig, dass auch weiterhin eine persönliche Beratung
durch das zuständige Sachgebiet oder aber auch in den Bürgerservicebüros ermöglicht wird.
Erblickt das Kind schließlich das Licht der Welt, müssen
sich die frisch gebackenen Eltern nicht mehr um das
Best-Practice: Österreich
müssen sie nun lediglich vermerken, ob sie Elterngeld
Die Familienbeihilfe in Österreich ist eine
Familienleistung vergleichbar mit dem
Kindergeld in Deutschland und wird
antraglos gewährt. Nach einer
Identifizierung der Eltern mit dem
Ausweis wird die Geburt durch das
Krankenhaus an die
Personenstandsbehörde (Standesamt)
gemeldet, die das Kind in das Zentrale
Personenstandsregister (ZPR) einträgt.
Die Daten werden automatisch an die
zuständige Finanzverwaltung
weitergeleitet, welche die
Familienleistung auszahlt (One-Stop-Shop
Geburt).
beziehen wollen und wenn ja, welche Art des
Anhang 4.1: Nummer 10a
Ausfüllen von Formularen sorgen. Das Krankenhaus
oder die Hebamme teilt die Geburt des Kindes immer
dem Staat mit und es wird unter anderem
automatisiert das Verwaltungsverfahren zum Bezug
von Elterngeld eröffnet (One-Stop-Shop-Geburt).
Die vom
Krankenhaus als
Bürger*innen
erhalten
Eltern
gemeldeten
daraufhin
eine
Benachrichtigung in ihrem Bürgerkonto auf dem
Bürger-Serviceportal des Landkreises Havelland. Dort
Elterngeldbezugs gewünscht wird.
Anschließend erfolgt die Berechnung des Elterngeldanspruchs und die Erstellung des
Elterngeldbescheids komplett automatisiert mit Hilfe einer Softwarelösung. Dabei sind keine
Nachweise mehr durch die Eltern einzureichen, da aufgrund nun bestehender zentraler Register und
automatischer Registerauskünfte alle notwendigen Informationen (z.B. Einkommen der Eltern,
Bescheinigungen zum Mutterschaftsgeld, Adressangaben) direkt durch das System automatisiert
eingeholt werden können. Lediglich bei Antragstellenden, welche keine deutsche Staatsangehörigkeit
58
besitzen, ist weiterhin eine analoge Sachbearbeitung notwendig, da nicht alle benötigten
Informationen über automatisierte Registerauskünfte vorliegen.
Hat die Software alle Daten aus den Registern
Best-Practice: Kreis Düren
Der Kreis Düren hat in vielen seiner
Verwaltungsbereiche, unter anderem im
kommunalen Jobcenter, die Aktenführung
komplett von der Papierakte auf die
elektronische Akte (E-Akte) umgestellt. Auf
die E-Akte können die
Verwaltungsmitarbeiter*innen nun
ortsunabhängig von jedem PC aus zugreifen,
sofern sie über die entsprechenden
Zugriffsberechtigungen verfügen. In Folge
der Einführung der E-Akte konnte der Kreis
nach eigenen Angaben Kosten für
Verbrauchsmaterial und Druck einsparen,
Arbeitsprozesse optimieren, die
Raumnutzung verbessern sowie die Kundenund Mitarbeiterzufriedenheit steigern.
zusammengetragen und die Höhe des Elterngeldes
berechnet,
erstellt
elektronischen
sie
automatisch
einen
Elterngeldbescheid.
Dieser
Elterngeldbescheid wird in einer elektronischen
Akte
hinterlegt,
damit
andere
Verwaltungseinheiten, wenn nötig auf den
Elterngeldbescheid zugreifen können.
Eine Überprüfung des Elterngeldbescheids nach
dem Vier-Augen-Prinzip ist nicht mehr notwendig,
da das Computersystem den Bescheid fehlerfrei
berechnet.
Die
Eltern
erhalten
nun
eine
Benachrichtigung, dass sie den Elterngeldbescheid
in ihrem Bürgerkonto abrufen können. Sie
Anhang 4.1: Nummer 43
erhalten die Möglichkeit, direkt auf dem Portal
gegen den Bescheid Einspruch zu erheben, wenn sie doch Fehler im Bescheid feststellen sollten. Wird
Einspruch
erhoben,
so
gehen
diese
Fälle
in
die
analoge
Sachbearbeitung
durch
Verwaltungsmitarbeiter*innen im entsprechenden Sachgebiet für Familienleistungen über.
Wenn kein Einspruch erhoben wird, teilt das System automatisch die Höhe der Elterngeldbezüge an
die Bundeskasse Trier mit, welche die Auszahlung an die Eltern vornimmt. Außerdem werden die
Bezüge automatisch an das Statistische Bundesamt sowie das Finanzamt weitergeleitet.
Sollten sich Änderungen bei den Angaben der Eltern ergeben, zum Beispiel Adressänderungen durch
einen Umzug oder eine Veränderung der Anspruchsberechtigung durch Aufnahme eines Jobs, erfasst
das Computersystem automatisch die Veränderungen in den jeweiligen Registern. Es pflegt
eigenständig die Änderungen in der entsprechenden E-Akte ein und erstellt ggf. Rückforderungen an
die Eltern. Mögliche Rückforderungen werden den Eltern in ihrem Bürgerkonto angezeigt. Auch hier
existiert wieder die Möglichkeit, gegen die Rückforderung online Einspruch zu erheben. Auch diese
Fälle werden dann in der analogen Sachbearbeitung weiterbearbeitet.
Auf den einzelnen Vorgang kann jederzeit und auch noch Jahre später durch die elektronische
Aktenführung digital zugegriffen werden.
59
3. Führerschein (Erstausstellung)
Der manuelle Arbeitsaufwand des Verfahrens zur Erstausstellung des Führerscheins wurde im Jahr
2030 durch eine umfassende Automatisierung der Prozesse erheblich vermindert und die Wartezeiten
für die Bürger*innen reduziert. Zudem wurde mit dem Bürger-Serviceportal eine kundenfreundliche
Alternative zur Antragsstellung vor Ort in den Bürgerservicebüros geschaffen (vgl. Kapitel 3). Die
Funktionen umfassen Dokumentendienste, Information, Authentifizierung, Versand- und Postdienste
und unter anderem auch der digitale Antrag zur Erstausstellung des Führerscheins. Der digitale Prozess
der Führerscheinerstausstellung ist in Abbildung 11 dargestellt.
Bürgerkonto
Hochladen der
erforderlichen
Nachweise und des
Passbildes
Identifizieren mit
eID und digitaler
Signatur
Bezahlen des
Antrags per
ePayment
Automatisches Überprüfen des Antrags auf Vollständigkeit
Aufnehmen des Antrags über den elektronischen Posteingang in der
Führerscheinstelle in eAkte
Bei Einträgen:
Sonderfall überprüfen
durch
Sachbearbeitenden
Automatische Registerauskunft vom Bundeskraftfahramt sowie der
DEKRA
Automatisches Überprüfen des Antrag auf Zulässigkeit
(Automatisches)
Weiterleiten des
Antrags an die
DEKRA
Hinterlegen der
Antragsbestätigung
im Bürgerportal
(oder per Post)
Auf Wunsch:
Weiterleiten der
Antragsbestätigung
an Fahrschule
Nach absolvierter Fahrprüfung:
Automatisches
Übernehmen der
Automatisches Anfordern des Drucks des
Führerscheins bei der Bundesdruckerei
Prüfungsergebnisse
der DEKRA
Zusenden des Führerscheins nach Hause
oder Bereitstellen zur Abholung in
Bürgerservicebüros
Abbildung 11: Digitaler Prozess „Führerschein (Erstausstellung)" (eigene Darstellung)
Im Bürger-Serviceportal des Landkreises Havelland können die Bürger*innen verschiedene
Verwaltungsvorgänge online erledigen, ohne persönlich im Bürgerservicebüro zu erscheinen. In der
Onlineanwendung unter dem Bereich „Wirtschaft & Verkehr“ können die Bürger*innen die
Antragserstellung mit einem Klick beginnen. Das Programm führt den Antragstellenden Schritt für
Schritt durch den Antrag und unterstützt mit hilfreichen Hinweisen.
60
Im ersten Schritt identifiziert sich die Bürgerin oder
Best-Practice: Estland
der Bürger in ihrem Bürgerkonto über die Smart-ID.
Estland verfügt mit seiner „Smart-ID“
über eines der höchst entwickelten
nationalen Ausweissysteme. Der
moderne Lichtbildausweis enthält
verschlüsselte Daten, die als eindeutiger
ID-Nachweis in einer elektronischen
Anwendung benutzt werden können.
Damit können sich Bürger*innen unter
anderem in Online-Verfahren
identifizieren und offizielle Dokumente
digital signieren.
Damit übernimmt die Software die persönlichen
Stammdaten sowie das Passbild für den Antrag, ohne
das weitere Eingaben nötig sind. Im selben Zug wird
der Antrag mit einer digitalen Signatur versehen, die
sich später auch auf dem ausgestellten Führerschein
befindet.
Die
digitale
Signatur
ist
Teil
der
elektronischen ID und durch die Verschlüsselung von
Daten einzigartig für jede Bürgerin und jeden Bürger.
Damit
ermöglicht
die
digitale
Signatur,
Anhang 4.1: Nummer 32
die
Authentifizierung und das Unterschreiben von offiziellen Dokumenten.
Alle erforderlichen Nachweise, wie zum Beispiel der Seh-Test oder das Erste-Hilfe-Zertifikat, werden
vom Optiker bzw. dem Schulungsanbieter im Unternehmens-Portal hochgeladen. Hierfür finden die
Antragstellenden auf der Website hilfreiche Hinweise für zertifizierte Stellen, wo entsprechende
standardisierte Nachweise erworben werden können. Die Nachweise können dank digitaler Lösungen
von der Software im Bürgerkonto direkt auf Echtheit überprüft werden. Im Gegensatz zu früher
müssen die Nachweise nicht mehr in Papierform in den Bürgerservicebüros abgegeben und dort
überprüft werden.
Best-Practice: Washington State,
USA
Auf der Onlineplattform des
Bundesstaates Washington werden
verschiedene ePayment
Möglichkeiten angeboten. Die
bürgerfreundliche Anwendung
ermöglicht Antragsstellenden
anfallende Gebühren für Anträge
oder Genehmigungen direkt online
über gängige Anbieter zu bezahlen.
Anhang 4.1: Nummer 32
Die Bezahlung der Antragstellung wird ebenfalls über das
Bürgerkonto
abgewickelt.
Nach
automatischer
Überprüfung des Antrags auf Vollständigkeit durch die
Software,
kann
über
verschiedene
ePayment
Möglichkeiten bezahlt werden. Der Bürger oder die
Bürgerin hat damit die Antragsstellung abgeschlossen und
der
Antrag
wird
Führerscheinstelle
elektronisch
weitergeleitet.
an
die
Das
zuständige
Bürgerkonto
übernimmt damit im Vergleich zu früher bereits bei der
Antragstellung
die
ersten
Arbeitsschritte
der
Antragsbearbeitung.
Die Bearbeitung in der Verwaltung selbst ist komplett automatisiert. Mitarbeitende der
Führerscheinstelle werden nur bei Sonderfällen einbezogen. Die Möglichkeit einer analogen
Antragstellung bleibt nach wie vor bestehen. In diesem Fall wird der Antrag in einem der
Bürgerservicebüros gestellt, durch einen Mitarbeitenden der Bürgerservicebüros geprüft und dann
61
elektronisch in die Bearbeitungssoftware aufgenommen. Die Software holt nach Antragseingang
zunächst automatische Registerauskünfte ein. Dabei werden Einträge Verkehrszentralregister sowie
bei der DEKRA automatisch abgefragt und der Antrag somit auf Zulässigkeit geprüft. Bei Einträgen oder
anderen Sonderfällen meldet die Software einen entsprechenden Vermerk, woraufhin der Antrag
dann an einen Sachbearbeitenden der Führerscheinstelle vermittelt und persönlich bearbeitet wird.
Zulässige Anträge werden unmittelbar automatisch und digital an die DEKRA weitergeleitet.
Gleichzeitig wird die Antragsbestätigung im Bürgerkonto hinterlegt, per Mail versandt und auf Wunsch
auch direkt an eine Fahrschule weitergeleitet. Für die Mitarbeitenden in der Führerscheinstelle ist
damit das Verwaltungsverfahren abgeschlossen, denn alle weiteren Schritte nach der
Führerscheinprüfung sind ebenfalls automatisiert.
Nach der Fahrprüfung werden die Ergebnisse von der DEKRA elektronisch an die Führerscheinstelle
übermittelt und dort automatisch in die E-Akte aufgenommen. Daraufhin wird auch der Druck des
Führerscheins automatisch in Auftrag gegeben. Hierfür können die Bürger*innen im Bürgerkonto bei
der Antragsstellung angeben, ob der Führerschein nach Hause oder zur Abholung in ein
Bürgerservicebüro geschickt werden soll. Abschließend wird die Akte elektronisch archiviert und kann
für zusätzliche Anträge im Bereich Kraftfahrt und Führerschein von der Software wiederverwendet
werden.
4. Beschaffung
Im Jahr 2030 wurden auch die letzten Medienbrüche im Beschaffungsprozess abgeschafft. Das
Verwaltungsverfahren wird von der Erhebung von Beschaffungsbedarfen bis zum Empfang und der
Bearbeitung von Rechnungen komplett digital unterstützt. Dennoch ist auch weiterhin
hochqualifiziertes Fachpersonal zur Abwicklung von Beschaffungen notwendig. Der restrukturierte
Prozess der Beschaffung ist in Abbildung 12 grafisch dargestellt.
62
Eintragen der Beschaffungsbedarfe in
Vergabemanagementsoftware
Erstellen der Ausschreibung mit Hilfe der Software
Veröffentlichen der Ausschreibung auf
vergabemarktplatz.brandenburg.de
Erhalten der digitalen Angebote auf
Vergabemarktplatz
ODER über digitalen Posteingang
Prüfen der Eignung der Anbieter und Bewerten der
Angebote mit Hilfe digitaler Assistenzsysteme
Ausstellen eines Vergabevorschlags mit Hilfe der
Software
Versenden des Vergabevorschlags an
Rechnungsprüfungsamt in der Software
Prüfen und Bestätigen des Vergabevorschlags durch
Rechnungsprüfungsamt in der Software
Erteilen des Auftrags über Vergabemarktplatz ODER
per Post
Empfangen und Bearbeiten der E-Rechnung
Abbildung 12: Digitaler Prozess „Beschaffung" (eigene Darstellung)
Die einzelnen Sachgebiete teilen ihre Bedarfe zur Beschaffung von Wirtschaftsgütern und
Dienstleistungen der Beschaffungsstelle mit. Dies erfolgt nicht mehr wie früher per E-Mail, sondern
Bedarfe werden direkt in einer Vergabemanagementsoftware eingetragen, zu der jedes Sachgebiet
einen
Zugang
besitzt.
So
ist
Beschaffungsbedarfe
es
möglich,
unterschiedlicher
Best-Practice: Bad Hersfeld
Wirtschaftsgütern zu prüfen, ob keine äquivalente
Die nordhessische Stadt Bad Hersfeld hat
ihre städtischen Richtlinien für VergabeEntscheidungen so angepasst, dass
digitalen Produkten der Vorrang
eingeräumt wird. Vor der Beschaffung von
analogen Produkten muss zunächst am
Markt geprüft werden, ob keine
entsprechenden digitalen Lösungen
existieren.
digitale
Anhang 4.1: Nummer 13a
Verwaltungseinheiten
zu
bündeln,
größere
Ausschreibungen zu erstellen und damit Aufwand
und Kosten zu sparen. Bei der Eintragung von
Beschaffungsbedarfen sind die Sachgebiete zudem
dazu
verpflichtet,
Lösung
vorab
existiert,
bei
um
analogen
unnötige
63
Beschaffungen zu vermeiden und die digitalen Prozesse in der Landkreisverwaltung zu stärken (vgl.
Best-Practice: Bad Hersfeld).
Anschließend erfolgt die Erstellung der Ausschreibung durch die Sachbearbeitenden im neuen
Sachgebiet „Beschaffungen“. Der Erstellungsprozess wird, wie bereits seit vielen Jahren erprobt, durch
die Vergabemanagementsoftware unterstützt. Diese Software hilft beispielsweise dabei, die richtigen
Fristen zu berechnen oder auch die Art des Vergabeverfahrens anhand des Gesamtauftragsvolumens
zu bestimmen. Die Ausschreibung wird digital in der Software angefertigt und in einer E-Akte
archiviert.
Die finale Ausschreibung wird nun auf der zentralen und verpflichtend zu nutzenden Vergabeplattform
des Bundeslandes Brandenburg, dem Vergabemarktplatz Brandenburg, hochgeladen. Hier können
Unternehmen direkt Bieterfragen stellen, sodass der Landkreis diese transparent und für alle Bieter
zugänglich auch direkt online beantworten kann. Es ist zudem für die Bieter möglich, ihre Angebote
direkt über den Vergabemarktplatz Brandenburg an den Landkreis Havelland zu übermitteln. Die auf
der Plattform eingerichteten technischen Möglichkeiten sichern auch das Einhalten von weiteren
Vergaberegularien, zum Beispiel das gleichzeitige Öffnen der Angebote nach Verstreichen der
Angebotsfrist.
Da es auch im Jahr 2030 noch Unternehmen geben
wird, die ihre Angebote
nicht
über
den
Vergabemarktplatz Brandenburg einreichen, muss
sichergestellt werden, dass auch postalisch
eingesendete Angebote ihre Berücksichtigung im
digitalen Vergabeprozess finden. Aus diesem
Grund wird alles auf dem Postweg beim Landkreis
eingehende Schriftgut in einem elektronischen
Posteingang,
angesiedelt
Sachgebiet
in
einem
neuen
„Dokumentenmanagement“,
digitalisiert. Die nun digitalisierten Angebote
werden auf dem elektronischen Weg an das
Sachgebiet „Beschaffung“ weitergeleitet und
automatisch
in
der
jeweilige
E-Akte
zum
Vergabeverfahren hinterlegt. Nun kann mit Hilfe
eines digitalen Assistenzsystems die Eignung des
Best-Practice: Ortenaukreis
Im Ortenaukreis werden alle bei der
Landkreisverwaltung eingehenden
Postsendungen im „Elektronischen
Posteingang“ per Scan digitalisiert, mit einer
elektronischen Signatur versehen und
anschließend elektronisch an die
entsprechende Verwaltungseinheit
weitergeleitet. Dadurch kommt es zum einen
zu Zeitersparnissen in Verwaltungsverfahren,
da das mühsame händische Verteilen der
Post entfällt. Zum anderen wird der
elektronische Posteingang in Kombination
mit der Einführung eines
Dokumentenmanagementsystems (DMS) als
Grundvoraussetzung für die flächendeckende
Einführung der E-Akte betrachtet. Es ist nun
eine medienbruchfreie Abwicklung von
Verwaltungsprozessen möglich.
Anhang 4.1: Nummer 24
Bieters überprüft und das Angebot bewertet werden. Mit Hilfe der Vergabemanagementsoftware wird
ein Vergabevorschlag erstellt, welcher direkt in der Software an das Rechnungsprüfungsamt
64
übermittelt wird. Das Rechnungsprüfungsamt prüft den Vergabevorschlag in der Software und
übermittelt über diese das Ergebnis seiner Prüfung an das Sachgebiet „Beschaffung“.
Die Bieter werden anschließend über ihre Platzierung im Vergabeverfahren sowie ggf. den Erhalt des
Zuschlags über den Vergabemarktplatz Brandenburg informiert. Sollte das Angebot eines Bieters per
Post eingegangen sein, wird dieser per Post oder E-Mail benachrichtigt.
Nachdem der Zuschlag an ein Unternehmen erteilt wurde, sendet dieses eine Rechnung an den
Landkreis Havelland. Während die Rechnungen früher zumeist per Post eingingen, sind die
Unternehmen im Jahr 2030 dazu verpflichtet, ihre Rechnungen als elektronische Rechnung an den
Landkreis zu senden. Bei diesem standardisierten Format enthält die PDF-Datei zusätzlich einen
Datensatz im XML-Format, sodass die wesentlichen Rechnungsinformationen direkt maschinell
ausgelesen werden können. Mit einem neu aufgesetzten Rechnungsworkflow zwischen dem
Sachgebiet „Dokumentenmanagement“, bei welchem die Rechnungen eingehen, dem Sachgebiet
„Beschaffung“, welches digital die sachliche Richtigkeit bestätigt und der Kämmerei des Landkreises,
welches schließlich die Rechnung begleicht, können Medienbrüche vermieden und die
Rechnungsbearbeitung vereinfacht und beschleunigt werden.
Best-Practice: Bad Hersfeld
Best-Practice: Landkreis Dahme-Spreewald
Die Stadt Bad Hersfeld erhält
mittlerweile fast ausschließlich
Rechnungen von Unternehmen im PDFFormat. Papierrechnungen werden
durch einen externen Dienstleister
gescannt und in ein elektronisches
Rechnungssystem eingespielt.
Zielvorstellung ist es, dass eine
komplette elektronische
Datenübertragung mittels XMLDatensätzen zwischen Unternehmen
und Stadtverwaltung eingerichtet wird.
Der Landkreis Dahme-Spreewald hat ein
Modellprojekt zur Einführung der E-Rechnung als
verpflichtendes Rechnungsformat in der
Kommunalverwaltung durchgeführt. Mit der
Einführung des neuen Prozesses erfolgt die
Rechnungsbearbeitung (Annahme und
Weiterverarbeitung) vollständig digital. Damit
entfallen die bisherigen Medienbrüche. Jede ERechnung enthält einen strukturierten Datensatz
im XML-Format, welcher maschinenlesbar ist und
so in den Workflow zur Rechnungsbearbeitung
eingespeist werden kann.
Anhang 4.1: Nummer 13b
Anhang 4.1: Nummer 22
3.1.3 Implikationen der veränderten Ablauforganisation für die Aufbauorganisation
Trotz der im Szenario beibehaltenen Linienorganisation der Landkreisverwaltung kommt es in Folge
der
Restrukturierung
von
Verwaltungsverfahren
zu
kleineren
Veränderungen
in
der
Aufbauorganisation. Diese sollen exemplarisch anhand der vier untersuchten Verwaltungsverfahren
dargestellt werden.
65
Die Neugestaltung der Verwaltungsverfahren macht die Einrichtung zusätzlicher Sachgebiete
notwendig. Im Zuge der Einführung eines zentralen elektronischen Posteingangs, in welchem
eingehende Postsendungen digitalisiert, mit einer digitalen Signatur versehen und auf elektronischem
Weg an die betreffenden Verwaltungseinheiten weitergeleitet werden, muss eine neue
verantwortliche Verwaltungseinheit geschaffen werden. Auch die Einführung der E-Akte, deren
Zugänglichkeit
rund
um
die
Uhr
gewährleistet
sein
muss
und
welche
komplexe
Archivierungsanforderungen besitzt, erfordert klare Verantwortlichkeiten sowie rechtliche und
technische Expertisen, welche in einer Verwaltungseinheit gebündelt werden sollten. Das
neugeschaffene Sachgebiet „Dokumentenmanagement“, welches diese beiden Aufgaben in Zukunft
verantwortet, kann beispielsweise im Haupt- und Personalamt im Dezernat I angesiedelt sein und als
interner Dienstleister für die gesamte Landkreisverwaltung fungieren. In Folge der kompletten
Zentralisierung der Beschaffung des Landkreises ist zudem die Beschaffungsstelle personell, aber auch
organisational zu stärken und als eigenes Sachgebiet „Beschaffung“ innerhalb des Haupt- und
Personalamtes aufzuwerten. Die Veränderungen im Haupt- und Personalamt sind in dem Ausschnitt
des Organigramms in zu Abbildung 13 dargestellt.
Abbildung 13: Verortung der zusätzlichen Sachgebiete im Organigramm des Landkreises Havelland (eigene Darstellung)
Darüber hinaus kann es auch zu strukturellen Veränderungen innerhalb von Sachgebieten kommen.
Beim Elterngeld ist nur noch für die Beratungsleistungen, die Bearbeitung von Fällen von NichtDeutschen-Bezugsberechtigten sowie bei Einsprüchen gegen Elterngeld-Bescheide oder gegen
Nachforderungen eine Sachbearbeitung durch einen Sachbearbeiter oder eine Sachbearbeiterin
notwendig. Ähnlich gestaltet sich die Situation im digitalen Prozess für die Erstausstellung des
Führerscheins:
hier
wird
eine
analoge
Sachbearbeitung
nur
noch
bei
Einträgen
im
Verkehrszentralregister, bei analoger Antragstellung oder bei anderen Sonderfällen erforderlich.
Aufgrund des geringeren Arbeitsumfangs für die Sachbearbeiter*innen in diesen durch
Automatisierung stark vereinfachten Verwaltungsverfahren ist es nicht mehr notwendig, dass sich
Sachbearbeiter innerhalb eines Sachgebiets nur mit diesen Verfahren beschäftigen. Es könnte also eine
66
Umverteilung von Aufgaben innerhalb des Sachgebiets geprüft werden (vgl. Kapitel 5). Zudem ist es
sinnvoll, alle Prozessschritte, bei welchen Bürgerkontakt notwendig ist (z.B. Beratungsleistungen), von
den Sachgebieten auf die Bürgerservicebüros zu übertragen, um nur noch eine zentrale Anlaufstelle in
der Verwaltung für Bürger*innen zu schaffen (Verwaltung mit Single-Point-of-Contact) (vgl. Kapitel 3).
Bei komplexen Verwaltungsverfahren, welche die Beteiligung vieler Verwaltungseinheiten erfordern,
kommt es zu weniger großen Veränderungen in der Aufbauorganisation. Aufgrund der Komplexität
des Baugenehmigungsverfahrens wird es beispielsweise auch weiterhin notwendig sein, dass
Spezialist*innen aus verschiedenen Fachämtern am Baugenehmigungsverfahren beteiligt sind. Es
kommt daher im Bauordnungsamt und den anderen beteiligten Fachämtern zu keinen nennenswerten
organisationalen Veränderungen, obgleich sich auch die Arbeitsweise innerhalb der Ämter durch neue
digitale Möglichkeiten geringfügig verändern könnte.
3.2 Szenario: Der Landkreis Havelland als bewegliche Projektverwaltung
Durch die digitale Transformation ist eine immer schnellere Implementierung von Technologien und
Innovationen notwendig. Dies erfordert auch neue Führungs- und Zusammenarbeitsstrukturen. In der
beweglichen Projektverwaltung sollen diese Herausforderungen effektiv adressiert werden.
Das Szenario beinhaltet als Ausgangsbasis die notwendige Restrukturierung der Abläufe. Da diese zu
einem hohen Automatisierungsgrad in der Bearbeitung von Standardsachbearbeitungsfällen führen
wird, erhöht sich die Komplexität der verbleibenden manuellen Tätigkeiten in der Landkreisverwaltung
Havelland erheblich. Dies stellt die bisherigen Aufbauorganisation des Landkreises in Frage, da die
Bearbeitung komplexer Fälle in einem teamfokussierten Arbeitsmodus durch die bisherigen
Hierarchien und Entscheidungskompetenzen nicht optimal unterstützt wird.
Nachdem die Veränderung der Prozesse bereits im vorherigen Kapitel ausführlich dargestellt wurde,
fokussiert dieses Szenario im Speziellen die strukturellen Veränderungen und die Veränderung der
Arbeitsweisen
innerhalb
der
Landkreisverwaltung.
Best-Practices
von
anderen
Verwaltungsorganisationen, die zum Beispiel auf agile Methoden setzen, dienen hierbei als
Orientierungshilfe. Anschließend werden die Implikationen auf die restrukturierten Abläufe dargelegt.
3.2.1 Veränderungen in der Aufbauorganisation
Die bewegliche Projektverwaltung zeichnet sich durch die Zusammenarbeit von interdisziplinären,
agilen Teams aus. Dies hat enorme Auswirkungen auf die Aufbauorganisation der Verwaltung
des Landkreises. Im folgenden Exkurs wird eine kurze Einführung zum Thema agile Methoden
gegeben.
67
Agile Methoden stammen ursprünglich aus der Softwareentwicklung, werden jedoch zunehmend
häufiger auch im Projektmanagement eingesetzt. Sie lassen sich folgendermaßen verstehen:
Methoden, die situativer, weniger zentral verwaltet und stärker selbstverwaltet sind, wobei der
Schwerpunkt auf einer nahezu kontinuierlichen Reaktion auf die Kundenbedürfnisse liegt. Im
Vordergrund steht die Qualität des Ergebnisses, auch wenn das Ergebnis zu Beginn nicht sehr
vorhersehbar und nicht planmäßig ist. (Goodpasture, 2016, S.30)
Der zentrale Punkt, der hier betont wird, ist die Fokussierung auf eine kundennahe iterative
Entwicklung und die Qualität des Ergebnisses. Das Endergebnis ist vor und auch während der
Entwicklung nicht vollständig definiert und vorhersehbar. Dementsprechend gibt es auch keinen
strikten Plan, an den sich die Entwickler während der Umsetzung des Produkts halten können. Das
Management der Entwicklung ist nicht wie bei den klassischen Methoden zentralisiert. Agile
Methoden sind im Großen und Ganzen durch enge Zusammenarbeit zwischen den Entwicklern und
den Kunden bzw. Nutzern, iterative Prototypentwicklung, kontinuierliche Reviewschleifen und Tests
gekennzeichnet (Andén et al., 2016, S. 21). Hinter Agilität stehen zwei zentrale Werte: Kommunikation
und Einfachheit. Darüber hinaus gehören Feedback, Mut und Respekt zum Wertesystem der agilen
Projektorganisation. Die Kommunikation sollte möglichst direkt verlaufen, sodass die Bedürfnisse der
einzelnen Beteiligten unmittelbar im Projekt berücksichtigt werden können. Nur über eine direkte und
kurzfristige Kommunikation kann gewährleistet werden, dass das gemeinsame Ziel verfolgt und
erreicht wird. So umfasst die direkte Kommunikation auch ein regelmäßiges gemeinsames
Problemlösen. Die Einfachheit sollte sich in drei Bereichen widerspiegeln: Technik, Organisation und
Methodik. Die Organisation sollte nicht aufwändiger gestaltet werden als notwendig, d.h. es sollten
keine zusätzlichen Rollen geschaffen werden. Das Team sollte befähigt werden und fähig sein, sich
selbst zu organisieren. Auch die Methodik sollte in diesem Sinne gehalten werden, sodass das
Vorgehen für das ganze Team verständlich bleibt und die Umsetzung durch alle Teammitglieder
möglich ist (Wolf und Bleek, 2011, S.10 f.).
Im Jahr 2001 wurde durch Vertreter verschiedener agiler Methoden ein agiles Manifest zu diesen
Werten formuliert:
Individuen und Interaktionen statt Prozesse und Werkzeuge
Funktionierende Software statt umfassender Dokumentation
Kundenzusammenarbeit statt Vertragsverhandlungen
Reaktion auf die Änderungen statt Planverfolgung
Das heißt, während die Elemente auf der rechten Seite ihren Wert haben, sind die Elemente auf
der linken Seite wertvoller für uns. (Beck et al., 2011)
68
Darüber hinaus haben sich die Vertreter auf 12 Prinzipien, die dem Manifest zugrunde liegen geeinigt.
An erster Stelle steht das Bestreben, die Kundenbedürfnisse zu befriedigen. Auch liegt ein Fokus
darauf, dass veränderte Anforderungen auch spät in der Entwicklung noch gern gesehen sind und
berücksichtigt werden sollten. Ergebnisse sollten in kurzen Zeitabständen geliefert werden. Diese
gelten als Maß für den Fortschritt des Projekts. Die Teammitglieder sollten gemäß dem Manifest
täglich zusammenarbeiten und eine konstante Entwicklungsgeschwindigkeit halten. Um ein
selbstständiges Arbeiten aller Beteiligten zu unterstützen, muss diesen Eigenverantwortlichkeit
zugestanden werden. Dafür sei eine passende Umgebung erforderlich. Die Teams sollten sich selbst
organisieren und direkt kommunizieren. Einfachheit äußere sich darin, dass die Arbeit auf ein
Minimum reduziert werden sollte. Die Effektivität des Teams sollte regelmäßig durch die Mitglieder
evaluiert werden, damit eine Steigerung möglich ist (Beck et al., 2011).
In der agilen Methode Scrum gibt es nur drei definierte Rollen, auf die alle Managementaufgaben
übertragen werden: Den Scrum Master als Prozessverantwortlichen, den Product Owner, der die
Interessensvertretung aller Beteiligten übernimmt und das Scrum Team, welches für jedes Zwischenund das Endprodukt verantwortlich ist (Schwaber, 2007, S.7). Scrum zeichnet sich auch durch seine
Einfachheit aus: kleine Teams mit fünf bis zehn Mitgliedern, geführt von einem Scrum Master,
entwickeln in kleinen Einheiten die durch den Product Owner im Product Backlog priorisierten
Anforderungen der Software. Zeitlich erfolgt eine Unterteilung in sogenannte Sprints: Ein Sprintzyklus
wird vorab festgelegt und dauert zwei bis vier Wochen (Andén et al., 2016, S. 21).
Anwendung agiler Methoden im Landkreis Havelland
Um eine bewegliche Projektverwaltung im Havelland zu realisieren, könnten Teams im Sinne der
Scrum-Logik initiiert werden. Demnach gehört zu jedem Team ein Product Owner (im Folgenden
Lebenslagen-Vertreter genannt) und bis zu zehn interdisziplinäre Teammitglieder. Darüber hinaus gibt
es Scrum Master (im Folgenden: Agilitäts- und Digitalisierungslotsen), die je nach Größe eines Teams
für ein oder mehrere Teams verantwortlich sein können. Der Lebenslagen-Vertreter eines jeden Teams
pflegt das Backlog (im Folgenden Aufgabenbestand genannt). Die Teams arbeiten eigenverantwortlich
an den Themen, die in ihrem Aufgabenbestand liegen. Im Fall der Verwaltung des Landkreises
Havelland handelt es sich bei den Aufgaben nicht um Softwarekomponenten, sondern vor allem um
Härtefälle oder Sachbearbeitungsfälle, gegen die Einspruch eingelegt wurde. Ein Großteil der
Sachbearbeitungsfälle wird, gemäß der vorangegangenen Prozessbeschreibungen maschinell
bearbeitet. Des Weiteren können die Lebenslagen-Teams mit Beschaffungen, anstehenden
Umsetzungen von Gesetzesänderungen, Bürgerinitiativen und sonstigen Anforderungen befasst sein.
69
Die Aufgaben im Aufgabenbestand werden zunächst
gemeinsam im Team priorisiert und auf die einzelnen
Teammitglieder
verteilt.
Der
Lebenslagen-
Verantwortliche in jedem Team ist für die Nachhaltung
des Bearbeitungsstands und die Qualitätssicherung der
Aufgaben zuständig. Bearbeitete Anträge werden
beispielweise durch ihn überprüft. Dadurch wird ein
Vier-Augen-Prinzip
hergestellt.
Der
Lebenslagen-
Verantwortliche ist auch die Person, die mit den
Lebenslagen-Verantwortlichen der anderen Teams
Best-Practice: Kreis Soest
Im Kreis Soest wurde das Projekt Agilkom
gemeinsam mit der FOM Hochschule für
Ökonomie & Management ins Leben
gerufen. Der Anlass des Projekts sind u.a.
die durch die Digitalisierung erforderliche
zunehmend beschleunigte
Implementierung technologischer
Innovationen und neue Agilität der
öffentlichen Verwaltung. Im Zuge des
Projekts sollen „neue Formen und
Strategien zur Bündelung der Aufgaben und
Initiierung von Maßnahmen zur
Verbesserung der Angebotssituationen in
den Kommunen und zur verbesserten
Führungs-, Kommunikations- und
Kooperationsstrukturen“ erreicht werden.
Anhang 4.1: Nummer 32
Best Practice: Stadt Heidelberg
Nachdem das Thema Agilität ein TOPThema der Führungskräfte-Klausur der
Stadt Heidelberg im Sommer 2017 war,
hat sich die Stadt entschlossen, das
Thema im Jahr 2019 noch stärker
voranzutreiben. Aus Sicht der Stadt wird
die Beteiligung von Bürger*innen und
Beschäftigten in wichtigen
Entscheidungen immer relevanter.
Aufgrund der demographischen
Entwicklung und der Digitalisierung
müssen mehr innovative
Vorgehensweisen eingesetzt werden.
Die Stadt will in Zukunft in
verschiedenen Handlungsfeldern agil
arbeiten, dazu gehört u.a. der Bereich
„Qualifizierung".
Anhang 4.1: Nummer 42
kommuniziert
Abarbeitung
und
des
Absprachen
trifft.
Aufgabenbestands
ist
Die
eine
Teamleistung. Es gibt keine langfristige Planung und
Erfolgskontrolle, sondern es wird in kurzen
Bearbeitungszyklen gearbeitet. Alle zwei Wochen
werden die Leistung der einzelnen Teams überprüft
und durch das Team selbst evaluiert. Die Agilitätund Digitalisierungslotsen begleiten die Teams bei
ihrer Arbeit und schützen sie vor unnötigen
Einflussnahmen von außen, moderieren Meetings
und haben besondere Expertise zum Thema Digitalisierung. Sie bedenken die Einflüsse der
Digitalisierung in allen Prozessen und überdenken konstant die bestehenden Prozesse um etwa
Digitalisierungspotenziale zu identifizieren und Prozesse zu restrukturieren.
Zur Bildung der Teams wird die Logik von Lebenslagen herangezogen. Dazu wurden die
Themenbereiche des OZG-Umsetzungskatalogs (IT-Planungsrat, 2018) mit den Lebenslagen, die auf
der Internetpräsenz des Landkreises Havelland verwendet werden, gekreuzt. Diese Vorgehensweise
erscheint für den Moment sinnvoll, da ohnehin davon auszugehen ist, dass es bis zum Jahr 2030 zu
Verschiebungen von Aufgabenkompetenzen zwischen den föderalen Verwaltungsebenen kommen
wird. Da die Teams nicht nach Unternehmens- und Bürgerleistungen unterschieden werden sollen,
70
ergeben sich bei der Synthese mit den Lebenslagen des Landkreises zwölf Lebenslagen, die je nach
Aufwand von mehreren Teams gleichzeitig bearbeitet werden und in Abbildung 14 dargestellt sind.
Abbildung 14: Synthese der Lebenslagen (in Anlehnung an IT-Planungsrat, 2018) (eigene Darstellung)
Neben den Lebenslagen-Teams soll es Querschnitt-Teams, die sich um interne Angelegenheiten, wie
IT-Services, Kämmerei, Dokumentenmanagement und Personalangelegenheiten kümmern. Als
gewähltes Organ und oberster Verwaltungsbeamter bildet der Landrat den Mittelpunkt der
beweglichen Projektorganisation. Um den Landrat herum sind die Querschnitts-Teams und die
Lebenslagen-Teams kreisförmig angesiedelt.
Die beschriebene Aufbauorganisation illustriert ein Idealbild. Dabei werden die spezifischen
gesetzlichen Vorschriften zur Aufbauorganisation, die in der Kommunalverfassung des Landes
Brandenburg verankert sind, nicht berücksichtigt (z.B. § 101 i.V.m. § 131 BbgKVerf - Unabhängigkeit
zwischen Leiter des Rechnungsprüfungsamts und Kämmerer). Die Aufbauorganisation in der
beweglichen Projektverwaltung ist in Form eines Organigramms in Abbildung 15 dargestellt.
71
Abbildung 15: Organigramm Landkreis Havelland als bewegliche Projektverwaltung (eigene Darstellung)
Die Lebenslagen- und Querschnitt-Teams sind bewusst nicht hierarchisch angeordnet, sondern
arbeiten weitestgehend unabhängig voneinander jeweils auf der gleichen Ebene an ihren Aufgaben.
Die Mitarbeiter*innen der bisherigen Dezernate werden nach Expertise auf die einzelnen LebenslagenTeams aufgeteilt. In bestimmten Fällen kann es sinnvoll sein, dass Teammitglieder aufgrund einer
besonderen Expertise ihr Team temporär oder dauerhaft wechseln. Dies sollte über die Agilitäts- und
Digitalisierungslotsen organsiert werden. Insbesondere für die derzeitigen Führungspositionen ist die
in diesem Szenario beschriebene Aufgabenorganisation eine Umstellung, denn sie geben
Verantwortung an die eigenverantwortlichen Teams ab.
Durch die Agilität der Verwaltung kann effektiver auf die Bedürfnisse der Bürger*innen und
Unternehmen eingegangen werden, denn es können auch kurzfristig Anfragen – je nach Priorisierung
innerhalb der Teams – bearbeitet werden. Eine Kundenzentriertheit soll auch durch die Organisation
in Lebenslagen erreicht werden. Trotzdem müssen sich die Teams zunächst einspielen. Ziel ist es,
zukünftig Reibungsverluste zu vermeiden und effektiver Probleme zu lösen, Fälle zu bearbeiten und
Herausforderungen zu meistern.
3.2.2 Abläufe in der beweglichen Projektverwaltung
Im Szenario der beweglichen Projektverwaltung kommt es wie im zuvor vorgestellten Szenario der
effizienten Fachverwaltung zu einer umfassenden Restrukturierung von Verwaltungsprozessen. In den
vier exemplarisch betrachteten Verwaltungsverfahren ist dabei die neue Ablauforganisation nahezu
identisch. Die Einführung von agilen Arbeitsstrukturen in diesem Szenario führt jedoch zu
Veränderungen
von
Durchführungsverantwortlichkeiten,
72
Entscheidungskompetenzen
und
Eskalationswegen in den Verwaltungsprozessen. Dies wird im Folgenden beispielhaft anhand der
untersuchten Verwaltungsverfahren dargestellt.
Im Baugenehmigungsverfahren bieten sich agile Arbeitsstrukturen in der Verwaltung besonders an,
da zum einen jeder Bauantrag eine sehr individuelle Prüfung erfordert und es sich zum anderen um
ein
komplexes
Verfahren
handelt,
das
eine
interdisziplinäre
Zusammenarbeit
von
Verwaltungsmitarbeitenden notwendig macht. Jeder Bauantrag wird in diesem Szenario als eigenes
Projekt betrachtet. Ein Bauantrag wird zuerst von einem Lebenslagen-Vertreter in den
Aufgabenbestand des Lebenslagenteams „Bauen, Immobilien & Wohnen“ aufgenommen, bevor es
dann von einem interdisziplinären Team, welches aus unterschiedlichen Fachexperten besteht,
aufgrund seiner Priorität zur Bearbeitung ausgewählt wird. Der Bauantrag wird dann von dem Team
von Anfang bis Ende bearbeitet. Durch die unterschiedlichen Kompetenzen der Teammitglieder
können die inhaltlich vielfältigen Ansprüche des Antrags effizienter und dadurch auch schneller
bearbeitet werden. Gleichzeitig kommt es dabei zu einer verbesserten Kommunikation und zu einem
Wissenstransfer zwischen den beteiligten Akteuren. Das Verfahren der Baugenehmigung kann somit
kontinuierlich verbessert werden und auch der Arbeitsaufwand der Teams wird reduziert.
Sowohl im Verwaltungsverfahren zum Elterngeld, als auch bei der Erstausstellung des Führerscheins
erfordern nur noch Sonderfälle eine persönliche Sachbearbeitung. Die Regelfälle werden über das
Verwaltungsportal des Landkreises sowie durch Softwarelösungen komplett automatisiert bearbeitet.
Ist eine analoge Sachbearbeitung im Verwaltungsverfahren zum Elterngeld oder zum Führerschein
notwendig, so wird dies in diesem Szenario nicht mehr durch das jeweils zuständige Sachgebiet
übernommen, sondern vom entsprechenden Lebenslagen-Team, welchem die Verwaltungsleistung
zugeordnet ist.
Erhebt beispielsweise eine Bürgerin oder ein Bürger im Bürgerkonto Einspruch gegen den automatisch
erstellten Elterngeld-Bescheid, so übernimmt ein Lebenslagen-Vertreter des Lebenslagen-Teams
„Familie & Kind“ den Fall in den Aufgabenbestand. Sobald das Team den Fall zur Bearbeitung
übernimmt, obliegt ihm nun die Prüfung des Vorgangs und die mögliche Korrektur des Bescheids.
Innerhalb
des
Teams
existieren
keine
festen
Verantwortlichen
für
eine
bestimmte
Verwaltungsleistung. Die Teammitglieder werden durch die enge Zusammenarbeit im Team mehr und
mehr zu All-Roundern in ihrer Lebenslage. Beratungsleistungen zum Elterngeld werden in diesem
Szenario nicht innerhalb des Lebenslagen-Teams, sondern gemäß dem Gedanken der
Bürgerservicebüros als Single-Point-of-Contact für Bürger*innen durch das Querschnittsteam
„Bürgerservicebüros“ übernommen. Dieses wiederum kann besonders schwierige Fälle an die
jeweiligen Lebenslagen-Vertreter weitergeben. Durch die organisationalen Veränderungen ergeben
sich auch andere Anforderungen an das Verwaltungspersonal (vgl. Kapitel 5).
73
Ähnlich sieht es bei der Erstausstellung des Führerscheins aus. Im Falle eines Eintrags im
Verkehrszentralregister oder bei der DEKRA muss der Sachverhalt vom Lebenslagen-Team „Mobilität,
Logistik & Transport“ überprüft werden. Die Teammitglieder kontrollieren, ob der Antrag trotz des
Eintrags laut Straßenverkehrsgesetz zulässig ist und entscheiden über das weitere Vorgehen. Die
Mitarbeitenden schreiten im Prozess der Erstausstellung des Führerscheins nur bei solchen
Sonderfällen ein und widmen sich ansonsten anderen Aufgaben aus dem Aufgabenbestand der
Lebenslage „Mobilität, Logistik & Transport“, wie zum Beispiel der weiteren Automatisierung von
Verfahren oder der Umsetzung möglicher Gesetzesänderungen.
Auch im Szenario der beweglichen Projektverwaltung ergibt es Sinn, die Beschaffung von Produkten
und Dienstleistungen zu zentralisieren, da nur hierdurch Skaleneffekte durch gemeinsame
Ausschreibungen erreicht werden können. Beschaffungen werden jedoch im Gegensatz zur
organisationalen Lösung im Szenario der effizienten Fachverwaltung nicht von einem Sachgebiet
durchgeführt, sondern es existiert in der beweglichen Projektverwaltung ein eigenes QuerschnittsTeam „Beschaffung“. Die Bedarfserhebung erfolgt innerhalb der Lebenslagen- und Querschnittteams.
Der jeweilige Lebenslagen-Vertreter ist dafür zuständig, die jeweiligen Bedarfe zur Beschaffung von
Produkten und Dienstleistungen in die Vergabemanagementsoftware einzutragen und damit den
Beschaffungsprozess auszulösen. Auch bei Beschaffungsvorgängen stehen die Agilitäts- und
Digitalisierungslotsen unterstützend zur Seite.
4. Handlungsempfehlungen
Auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse aus der Szenarioentwicklung lassen sich verschiedene
Handlungsempfehlungen für den Landkreis Havelland ableiten. Dabei müssen stets auch die Vorgaben
und Entwicklungen zur Verwaltungsdigitalisierung auf Bundes- und Landesebene beobachtet und bei
den eigenen Digitalisierungstätigkeiten des Landkreises berücksichtigt werden.
Die höchste Priorität bei der Reorganisation der Verwaltung des Landkreises Havelland im Zuge der
fortschreitenden Digitalisierung sollte die digitale Restrukturierung von Verwaltungsprozessen
darstellen. Prozesse sollten dabei nicht nur mit Hilfe moderner digitaler Technologien und Techniken
1:1 digital übernommen werden, sondern zunächst grundlegend überdacht und – sofern sinnvoll –
fundamental
neugestaltet
werden.
Hierdurch
können
erst
alle
Potenziale
der
Verwaltungsdigitalisierung ausgeschöpft werden. Eine (Teil-) Automatisierung der Prozesse wird in
vielen Fällen die Folge der Restrukturierung darstellen. Besonders für die betrachteten
Verwaltungsprozesse ergeben sich in diesem Kontext konkrete Handlungsempfehlungen:
Die Digitalisierungsbestrebungen im Bereich der Baugenehmigung sind im Landkreis Havelland
aufgrund der Teilnahme an einem Pilotprojekt des Landes Brandenburg zum „virtuellen Bauamt“
74
bereits weit fortgeschritten. Die Arbeit im Pilotprojekt muss weiter aktiv vorangetrieben werden. Der
Landkreis Havelland sollte beim Land darauf hinwirken, dass das Schriftformerfordernis des
Bauantrags abgeschafft und damit die Einführung eines komplett papierlosen Antrags ermöglicht wird.
Das Momentum sollte zudem genutzt werden, um weiterhin an neuen digitalen Lösungsansätzen für
die Kommunikation und den Datenaustausch zwischen internen Fachämtern sowie mit externen
Behörden
zu
arbeiten.
Zudem
könnte
die
bisherige
schrittweise
Digitalisierung
des
Baugenehmigungsverfahren im Landkreis Havelland als internes Best-Practice-Beispiel für die
Digitalisierung anderer Antragsverfahren in der Landkreisverwaltung herangezogen werden.
Im Rahmen des Initialprogramms der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) werden derzeit die
Verwaltungsleistungen rund um die Geburt („Einfach Leistungen für Eltern - ELFE“) digitalisiert. Dem
Landkreis Havelland wird daher empfohlen, abzuwarten bis in den kommenden Monaten
bundeseinheitliche digitale Lösungen zum Elterngeld vorliegen und dann sorgfältig zu prüfen, welche
organisationalen Anpassungen erforderlich sind. Dies könnten Umstrukturierungen innerhalb des
Jugendamts oder die Überführung der Beratungsleistungen auf die Bürgerservicebüros sein.
Die Digitalisierung des Verwaltungsverfahrens zur Erstausstellung des Führerscheins ist ebenfalls im
Rahmen der Umsetzung des Onlinezugangsgesetz vorgesehen. Daher ist es auch hier ratsam, auf
einheitliche Digitalisierungslösungen von der Bundesebene zu warten. Da sich die digitale Umsetzung
dieses Verwaltungsverfahrens jedoch noch um einige Jahre verzögern kann, sollte der Landkreis schon
jetzt im Rahmen seiner Möglichkeiten erste Schritte zur Prozessdigitalisierung und damit zur
Steigerung der Effizienz des Prozesses unternehmen. Insbesondere die Schnittstelle zwischen
Bürgerservicebüros und Führerscheinstelle birgt große Optimierungspotentiale. Indem Nachweise auf
Papier (z.B. der Sehtest) direkt im Bürgerservicebüro geprüft, elektronisch erfasst und damit nur noch
digitale Daten an die Führerscheinstelle übermittelt werden, könnte die Fehleranfälligkeit der
Datenübermittlung reduziert und eine doppelte Prüfung der Nachweise vermieden werden. Zudem
sollte geprüft werden, ob Bürger*innen den Antrag zur Führerscheinausstellung nicht bereits selbst
digital vorausfüllen können (z.B. über die Webseite des Landkreises), sodass für die Sachbearbeitenden
in den Bürgerservicebüros die zeitaufwendige und fehleranfällige händische Übernahme der
Personenangaben entfällt.
Der Landkreis Havelland sollte aufgrund digitaler Möglichkeiten der Bedarfserhebung die komplette
Beschaffung in einem eigenen Sachgebiet bündeln. Zudem sollten die letzten in diesem
Verwaltungsverfahren noch bestehenden Medienbrüche beseitigt werden. Dies könnte konkret durch
die
digitale
Erhebung
von
Beschaffungsbedarfen
in
der
bereits
genutzten
Vergabemanagementsoftware, die Einführung der E-Rechnung oder die Einrichtung eines digitalen
75
Posteingangs geschehen und würde eine komplett digitale und effizientere Prozessabwicklung
ermöglichen.
Die beschriebenen Restrukturierungsmaßnahmen der ausgewählten Verwaltungsverfahren sollen
eine Orientierung zur Heran- und Vorgehensweise bei der Digitalisierung der Ablauforganisation
geben. Im Zuge der Veränderungen der Ablauforganisation sollten auch Veränderungen an der
Aufbauorganisation vorgenommen werden. Insgesamt sollte das Thema Digitalisierung im Landkreis
Havelland zur zentralen Führungsaufgabe gemacht sowie durch eine eigene Digitalisierungsstrategie
mit konkreten Maßnahmen unterfüttert und dadurch strukturierter angegangen werden. Die
Erarbeitung der Strategie sollte nicht im operativen Tagesgeschäft erfolgen, sondern unter breiter
Einbeziehung von Bürger*innen und dem Kreistag stattfinden, damit nutzerzentrierte und allgemein
akzeptierte digitale Lösungsansätze entstehen. Zur Strategieerarbeitung und zur Koordination der
hieraus resultierenden Digitalisierungsprojekte wird die Einrichtung einer Stabstelle für Digitalisierung
empfohlen. Sie sollte mit der tatkräftigen Unterstützung des Landrats in die gesamte Verwaltung
wirken und könnte perspektivisch auch als eigenes Amt für Digitalisierung in die Linienorganisation
überführt werden. Zudem sollte ein neues Sachgebiet „Dokumentenmanagement“ für den Aufbau und
die Verwaltung einer flächendeckend angewendeten E-Akte und eines digitalen Posteingangs
geschaffen werden.
Mit geringerer Priorität wird die Einführung von agilen Zusammenarbeitsmethoden in der
Landkreisverwaltung empfohlen. Es sollte zunächst eine Pilotierung agiler Arbeitsmethoden in
einzelnen Verwaltungseinheiten vorgenommen werden, um der Transformation zu einer beweglichen
Projektverwaltung ein Stück weit näher zu kommen.
Der Landkreis Havelland steht bei den notwendigen Veränderungen der Verwaltungsorganisation
aufgrund der Digitalisierung nicht allein da. Dieser Bericht soll erste Ansatzpunkte liefern, wie andere
Kommunen bezüglich der Digitalisierung ihrer Verwaltungsorganisation aufgestellt sind und welche
Best-Practice-Beispiele existieren. Der Landkreis Havelland muss bei seinen Digitalisierungstätigkeiten
das Rad nicht neu erfinden, sondern kann auf bewährten Digitalisierungslösungen aufbauen. Die
Vernetzung und Zusammenarbeit mit anderen Kommunen ist durchaus sinnvoll.
Die recherchierten Best-Practice-Fälle zeigen zudem, dass der Mut, als kommunale Verwaltung neue
digitale Wege zu gehen und nicht nur auf gesetzliche Vorgaben von Bund und Land zu warten, zum
Erfolg führen kann.
76
5. Literaturverzeichnis
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https://www.normenkontrollrat.bund.de/Webs/NKR/Content/DE/Download/2015_11_12_gutachte
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Wolf, H. und Bleek, W.-G. (2011). Agile Softwareentwicklung: Werte, Konzepte und Methoden.
dpunkt.verlag.
77
5. Das Personal der digitalen Verwaltung
Catherine Breiner, Simon Hammer, Aylin Hardwiger, Pauline Hobracht, Friederike Martin
Das Personal der digitalen Verwaltung........................................................................................ 78
5.
1.
Ausgangssituation, Projektziele und -vorgehen ........................................................................ 79
2.
Projektergebnisse ...................................................................................................................... 82
2.1 Arbeitsmodelle ........................................................................................................................ 82
2.1.1 Ort der Arbeitsleistung ..................................................................................................... 83
2.1.2 Zeitliche Lage der Arbeitsleistung .................................................................................... 85
2.1.3 Familie und Beruf ............................................................................................................. 87
2.1.4 Status Quo – Landkreis Havelland .................................................................................... 88
2.2 Kompetenzen .......................................................................................................................... 90
2.2.1 Soziale und emotionale Kompetenzen ............................................................................. 91
2.2.2 Methoden- und Handlungskompetenzen ........................................................................ 92
2.2.3 Digitale Kompetenzen ...................................................................................................... 93
2.2.4 Zwischenfazit .................................................................................................................... 94
2.3 Aufgabenprofil und Qualifikationsniveau................................................................................ 95
2.3.1 Aufgabeninhalte und Organisation der Aufgaben ........................................................... 95
2.3.2 Aufgabenprofil .................................................................................................................. 98
2.3.3 Qualifikation ..................................................................................................................... 99
2.3.4 Zwischenfazit .................................................................................................................. 101
2.4 Personalbedarf ...................................................................................................................... 101
2.4.1 Ebene der Sachbearbeiter*innen ................................................................................... 102
2.4.2 Ebene der Führungskräfte .............................................................................................. 105
2.4.3 Ebene des IT-Personals ................................................................................................... 106
2.5 Personalentwicklung und Weiterbildung .............................................................................. 107
2.5.1 Art der Fortbildung ......................................................................................................... 108
2.5.2 Personalplanung ............................................................................................................. 110
2.5.3 Inhalte der Personalentwicklung .................................................................................... 112
2.5.4 Personengruppen ........................................................................................................... 114
2.6 Personalgewinnung ............................................................................................................... 115
2.6.1 Ansprache von Bewerberinnen und Bewerbern ............................................................ 115
2.6.2 Arbeitgeberattraktivität ................................................................................................. 117
3.
Handlungsempfehlungen ........................................................................................................ 119
4.
Szenarien ................................................................................................................................. 122
5.
Literaturverzeichnis ................................................................................................................. 130
78
1. Ausgangssituation, Projektziele und -vorgehen
Die Digitalisierung wird 2030 insbesondere die Arbeit des Verwaltungspersonals im Landkreis
Havelland sowohl im Hinblick auf das eigene Arbeitsumfeld, die zu bearbeitenden Aufgaben, als auch
die persönlichen Fähigkeiten und inhaltlichen Schwerpunkte verändert haben.
Das Verwaltungspersonal im Landkreis Havelland wird sich den aufgrund des technologischen
Fortschritts veränderten Anforderungen der Bürger*innen – Dienstleistungen einfacher, schneller und
sicherer zu erhalten – durch Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen, neue Arbeitsmodelle sowie
persönliche Weiterentwicklung angepasst haben. Gleichzeitig wird das Landratsamt selbst ein
entsprechendes Personalkonzept, in welchem die Arbeitsplätze in der Behörde zukunftsgerecht
gestaltet sind, erarbeitet haben. So wird zugleich die Attraktivität der Verwaltung als Arbeitgeber
gefördert.
Wie die Beschäftigten in der Landkreisverwaltung Havelland ihren Arbeitsalltag im Jahr 2030 im
digitalisierten Brandenburg gestalten, wird im Folgenden erläutert. Ziel bestand darin, ein
Zukunftsszenario im Hinblick auf das Personal der Landkreisverwaltung Havelland zu entwickeln. Mit
dem Zukunftsbild im Sinne eines Frühwarnmechanismus kann sich der Landkreis Havelland
entsprechend frühzeitig aktiv auf die prognostizierten Veränderungen gemeinsam mit den
Beschäftigten in der Landkreisverwaltung vorbereiten und eigene Handlungsstrategien entwickeln.
Ziel war es, einen möglichen Zustand des Verwaltungspersonals der Landkreisverwaltung Havelland im
Jahr 2030 zu ermitteln, unter der Annahme, dass die aktuelle Digitalisierungsoffensive des Bundes, des
Landes Brandenburg sowie des Landkreises selbst, erfolgreich umgesetzt wurde und alle relevanten
Verwaltungsprozesse die technologische Entwicklung durchlaufen haben. Dabei wurde vorgegangen,
wie in Abbildung 1 dargestellt.
Begleitende Literaturrecherche
BestPracticeAnalyse
Experteninterviews
Realitätscheck
mit dem
Landkreis
Havelland
Konzept für
das Personal
2030
Abbildung 1: Projektvorgehen (eigene Darstellung)
Um sich eine umfassende Übersicht über die technologischen Entwicklungen, die verschiedenen
Handlungsfelder und aktuellen Debatten in Wissenschaft, Verwaltung und Politik zu erschaffen, wurde
zunächst eine umfassende Literaturrecherche durchgeführt. Gleichzeitig wurden Best-PracticeBeispiele auf nationaler (Kommunal-, Landes- und Bundesebene) bzw. internationaler Ebene
79
miteinander verglichen und parallel Priorisierungen und praktische Abwägungen vorgenommen, um
die sinnvolle Anwendbarkeit auf das eigene Projekt jederzeit gewährleisten zu können.
Auf dieser Grundlage konnten spezifische Handlungsfelder ermittelt werden, die notwendig waren,
um das Personalkonzept 2030 zu entwickeln. Hierbei haben sich folgende strategische
Handlungsfelder mit ihren jeweiligen Ausprägungen als entscheidend herausgestellt (Abbildung 2).
Arbeitsmodelle
• Arbeitsort
• Arbeitszeit
• Familie und Beruf
Aufgabenprofil /
Qualifikationsniveau
• Aufgabenprofil
• Aufgabeninhalte
• Organisation / Struktur der
Aufgaben
• Qualifikation
Kompetenzen
• Digitale Kompetenzen
• Methoden- und
Handlungskompetenzen
• Soziale Kompetenzen
Personalentwicklung /
Weiterbildung
• Art der Fortbildung
• Personalplanung
• Inhalte der
Personalentwicklung
• Personengruppen
Personalbedarf
• Sachbearbeiter
• Führungskraft
• IT-Kraft
Zusatz:
Personalgewinnung
• Bewerberansprache
• Arbeitgeberattraktivität
Abbildung 2: Übersicht der identifizierten Handlungsfelder (eigene Darstellung)
Damit für den Landkreis Havelland ein möglichst konkretes Zukunftsbild eines Personalkonzepts im
Jahr 2030 erarbeitet werden konnte, wurde nach der Ermittlung bisheriger Trends und aktueller
Debatten entschieden, den kommunalen Bezug zu den spezifischen Charakteristiken zu betonen.
Als Konsequenz wurden projektintern Expertenbefragungen organisiert, mit dem Ziel, die bisherigen
Erkenntnisse einem Realitätscheck zu unterziehen und die Rechercheergebnisse validieren zu lassen.
Ausgewählten Expert*innen wurden vor Beginn der Interviews die Stärken und Schwächen sowie das
aktuelle Arbeitsumfeld des Landkreis Havellands näher erläutert.
Insgesamt wurden zehn jeweils 60-minütige Experteninterviews mit Vertreter*innen aus Verwaltung,
Wissenschaft und Wirtschaft telefonisch sowie persönlich durchgeführt. Die ausgewählten
Interviewpartner*innen werden in Abbildung 3 vorgestellt.
80
Wirtschaft
Verwaltung
Praxis
Verwaltungsverbund
Ausbildung
cuckoo eG
Sitz: Berlin
Interviewter: Gründer
Ziel: Entwicklung von Tools für
flexibles und mobiles Arbeiten
Heidekreis – Bereich Digitalisierung
Brandenburgische Kommunalakademie
Bundesverwaltungsamt
Sitz: Soltau
Interviewter: Leiter Fachgruppe IT
Ziel: Coaching für nachhaltiges Wachstum zur
Gestaltung zukunftsorientierter
Sitz: Potsdam
Interviewter: Akademieleiter
Ziel: Zertifizierter Bildungsträger für Aus-und
Fortbildungen und Seminare der Verwaltung
Sitz: Köln mit 5.500 Mitarbeitern
Interviewter: Leiter für
Digitalisierung
Ziel: Erledigung von
Verwaltungsaufgaben des Bundes
DocuWare Europe GmbH
KL.digital GmbH
Hochschule der Bundesagentur für Arbeit
IT-Planungsrat
Sitz: Germering mit 12.000 Kunden
Interviewter: Manager Public Sector
Ziel: Entwicklung von Tools zur
Digitalisierung von Informationen
und Geschäftsprozessen
Sitz: Kaiserslautern mit derzeit 7 Mitarbeitern
Interviewter: Geschäftsführer
Ziel: Außenpräsentation und Voranbringung
digitaler Projekte (z.B. Chatbot, autonomes
Fahren) und Prozesse
Sitz: Schwerin mit ca. 1.000 Studierenden
Interviewter: Professor für Digitalisierung von Staat
und Verwaltung und Public-Management-Themen
Ziel: Interdisziplinäre Studiengänge der Rechts-,
Sozial-, Wirtschafts- und Erziehungswissenschaften
Sitz: Berlin mit 21 Mitgliedern
Interviewter: Geschäftsstellenleiter
Ziel: Koordination der
Zusammenarbeit von Bund und
Ländern in Fragen der
Informationstechnik
Kreisverwaltung Cochem Zell
Sitz: Cochem und Zell
Interviewter: Landrat
Ziel: Verantwortung für die Umsetzung der
Beschlüsse des Kreistages und seiner Ausschüsse
Abbildung 3: Übersicht der befragten Expert*innen (eigene Darstellung)
Kommunale ADVAnwendergemeinschaft West
Sitz: Ibbenbüren (40 Kommunen)
Interviewter: Geschäftsführer
Ziel: Interkommunale
Zusammenarbeit für ITLösungsansätze
Im Voraus der Expertenbefragungen wurde ein Fragebogen konzipiert, der je nach Gesprächspartnerin
und -partner in den inhaltlichen Schwerpunkten angepasst wurde. Dabei wurden den Expert*innen
sowohl offene Fragen gestellt, als auch zwei konträre Szenarien, die auf der Grundlage der bisherigen
Ergebnisse entwickelt wurden, präsentiert. Vorteil dieser Vorgehensweise war es, sowohl die
individuellen Ideen und Vorstellungen der/des jeweiligen Expertin/-en erfassen und zugleich den
bisherigen Kenntnisstand ergänzen zu können. Parallel konnten die beiden Szenarien auf deren
praktische Realisierbarkeit im Landkreis Havelland überprüft werden.
2. Projektergebnisse
Im Folgenden werden die endgültigen Ergebnisse, differenziert nach den jeweiligen Erkenntnissen auf
der Grundlage der Best-Practice-Analyse sowie der Expertenbefragung, erläutert.
2.1 Arbeitsmodelle
Die Art und Weise wie wir arbeiten, wird durch die digitale Transformation zunehmend beeinflusst.
Individuelle Bedürfnisse rücken mehr denn je in den Mittelpunkt. Dabei bieten sich neue
Arbeitsmodelle vor allem für Arbeitsprozesse an, die bereits digital ablaufen. Die Digitalisierung macht
es möglich, auf die individuellen Wünsche der Arbeitnehmer*innen einzugehen. Zugleich bietet sie
eine Umgestaltung der Arbeit, bei der die Präferenzen nach mehr Souveränität hinsichtlich Art, Ort
und Zeit ihrer Arbeitsleistung berücksichtigt werden können (Schulz, 2019). Deshalb bedarf es auch in
Landkreisverwaltung Havelland einer zielgerichteten Steuerung, um die Erwartungen der Angestellten
erfüllen zu können. Die Herausforderung besteht darin, etablierte Standards unter Berücksichtigung
des Arbeits-, Gesundheits- und Datenschutzes an die neuen Technologien und Arbeitsmodelle der
digitalisierten Leistungserbringung anzupassen (Brenke, 2016, S. 95 ff.). Bereits heute gibt es eine
Vielzahl an Arbeitsmodellen, sowohl auf Voll- als auch auf Teilzeitbasis, geeignet für eine Vielzahl von
Tätigkeiten, auch für Fach- und Führungskräfte. Abbildung 4 zeigt das Ergebnis einer Befragung von
793 deutschen Organisationen unterschiedlichster Wirtschaftszweige, zum Angebot und Nutzung
diverser Arbeitsmodelle (Bessing et al., 2017, S. 89).
Doch wie sehen die Arbeitsmodelle von morgen in der Landkreisverwaltung Havelland tatsächlich aus?
Eine Antwort soll das folgende Kapitel geben. Es fokussiert die Konsequenzen der Digitalisierung auf
Arbeitsmodelle und die Frage, wie sich diese mit Blick auf die digitale Transformation bis zum Jahr 2030
weiterentwickelt haben werden. Ziel ist es herauszufinden, welche Arbeitsmodelle als wahrscheinlich
und erfolgreich gelten. Über die Priorisierung soll ein Vergleich vorgenommen werden. Dabei sollen
die genannten Beispiele dem Landkreis Havelland Anregungen und Empfehlungen geben und ihn dazu
einladen, von Erfahrungen zu profitieren.
82
66%
15%
79%
82%
1%
27%
38%
69%
2%
48%
14%
81%
2%
46%
0%
25%
wird von mir genutzt
50%
75%
100%
wird in meiner Organisation angeboten
Abbildung 4: Angebot von Arbeitsmodellen und die eigene Nutzung (in % aller Befragten), Quelle: Bessing et al., 2017
2.1.1 Ort der Arbeitsleistung
Der Arbeitsort ist ein entscheidender Faktor für eine bessere Vereinbarkeit von bestimmten Arbeitsund Lebenssituationen – sowohl langfristig als auch kurzfristig bei vorübergehendem Bedarf, zum
Beispiel in Notfällen (Bessing et al., 2017, S. 84ff.). Einen wichtigen Beitrag leistet hier das
ortsunabhängige Arbeiten ohne fest eingerichteten PC mit mobilen Endgeräten außerhalb der
Dienststelle.
Im europäischen Vergleich liegt Deutschland jedoch beim Anteil der Personen mit Heimarbeit unter
dem Durchschnitt und mit Abstand hinter Ländern wie Frankreich, den skandinavischen Ländern oder
dem Vereinigten Königreich (Brenke, 2016, S. 95ff.). Dabei neigen vor allem Beschäftigte, die von zu
Hause arbeiten können, im Durchschnitt zu einer größeren Arbeitszufriedenheit – insbesondere als
jene, die sich Heimarbeit wünschen, aber nicht die Möglichkeit dazu erhalten. Hingegen tendieren
unzufriedene Arbeitskräfte vergleichsweise häufig zu einem Jobwechsel.
Gute Praxis
Die Niederlande bietet grundsätzlich für alle Arbeitnehmer*innen das Recht auf Heimarbeit (Kafsack,
2015). Seit Juli 2015 haben die Beschäftigten einen Rechtsanspruch auf Heimarbeit. Es obliegt dem
Arbeitgeber nachzuweisen, wenn ein „Home Office“ aus betrieblichen Erfordernissen nicht möglich ist.
Dass Heimarbeit nicht ausschließlich für die Arbeitnehmer*innen in den Niederlanden eine Alternative
ist, zeigt unter anderem die Stadt Potsdam (Stadt Potsdam, o.D.). Seit 2008 forciert die
Landeshauptstadt
die
Digitalisierung
ihrer
Verwaltung.
Infolge
des
Ergebnisses
einer
verwaltungsinternen Umfrage, innerhalb derer ein Drittel der Befragten Familie und Beruf als doppelte
Belastung empfanden, entwickelte die Kommune das Modellprojekt MAT, die sogenannten „Mobilen
Arbeitstage“ (Meck, 2017, S. 49ff.). Mitarbeiter*innen aller Funktions- und Hierarchieebenen haben
83
ein monatliches Kontingent von max. vier mobilen Arbeitstagen, an denen sie Teile ihrer Arbeit von zu
Hause erledigen können. In einer Online-Umfrage gaben 78,8 Prozent von über 35 Beschäftigten, die
das Angebot regelmäßig nutzen, an, dass MAT die Vereinbarkeit von Beruf und Familie positiv
beeinflusst haben. Außerdem konnte eine verbesserte Arbeitszufriedenheit erfasst werden. Nutzende
bestätigten, dass MAT einen Mehrwert für sie darstelle, auch infolge des Umstands, ohne störende
Unterbrechung arbeiten zu können.
Auch in Wuppertal (Stadt Wuppertal, o.D.) und Empfingen (Begemann, 2018) zählt die Flexibilisierung
des Arbeitsortes als unerlässlicher Baustein der Verwaltungs-Digitalisierung. Das Besondere: Auch
Führungskräften wird die Möglichkeit zur Heimarbeit geboten. In Empfingen beispielsweise arbeitet
der Bürgermeister einmal pro Woche von Zuhause aus.
Expertensicht
Firmensitz und Arbeitsplatz waren lange Zeit fest miteinander verbunden. Mit jedem neuen
Technologieschub verschwindet jedoch zunehmend die Notwendigkeit fester Arbeitsplätze. Laut
Experten sei demnach der Havelland-Landkreis gezwungen, erweiterte bzw. neue Wege
einzuschlagen. Mobile Endgeräte wie Smartphones und Laptops gehören zur Grundausstattung und
ermöglichen das Arbeiten an allen Orten. Ob im eigenen Garten, unterwegs in öffentlichen
Verkehrsmitteln oder im Home Office: der Arbeitsplatz wird mobil. Wer bereits das mobile Arbeiten
nutzt, spart sich anfallende Transportwege, sowie Zeit und Nerven, meint der Leiter der
Kommunalakademie Brandenburg. Dass Home Office in der Verwaltung sehr beliebt ist, bestätigt
ebenfalls der Landrat von Cochem Zell: Es würde zu einem erhöhten Wohlbefinden sowie zu einer
gesteigerten Produktivität beitragen. Zudem würden manche Orte die Kreativität mehr fördern, als die
eigenen Bürowände. Die gewonnene Flexibilität und Mobilität hätten aber auch ihre Kehrseite, warnt
der Leiter des Digitalisierungsbereichs im Bundesverwaltungsamt in Köln. Demnach erfordere
Heimarbeit ein hohes Maß an Organisation und Selbstdisziplin. Der fehlende Druck einer Führungskraft
kann zur Beeinträchtigung der eigenen Motivation führen. Eine Lösung sei die Einführung von
Gemeinschaftsbüros, den sogenannten Co-Working-Spaces. Hiermit ist nicht nur die räumliche
Zusammenarbeit gemeint, sondern auch die geistige. Gemeinschaftsbüros haben den Vorteil, dass sie
neben einer guten Ausstattung vor allem das „Netzwerken“ fördern. Ein Grund für den Gründer der
Organisation cuckoo eG, welche Tools für das mobile Arbeiten entwickelt, weshalb die Verwaltung
verstärkt auf die Einrichtung von Co-Working-Spaces setzen sollte.
Insgesamt tendieren die befragten Experten dazu, dass im Jahr 2030 eine zunehmende Entwicklung
von realen hin zu virtuellen Teams stattgefunden haben wird. Voraussetzung dafür sind natürlich
flächendeckende technische Lösungen, sowie gut funktionierende IT-Systeme – konsistent hinweg
über Organisationseinheiten, Ländergrenzen und Standorte. Der Datenaustausch kann etwa durch
84
Cloud-Computing und Kollaboration-Lösungen erfolgen. Diese ermöglichen den Datenzugriff zu jeder
Zeit, von jedem Ort oder Endgerät. Durch den Einsatz könne man das Verwaltungspersonal
individueller fördern und die Motivation steigern. Die Kehrseite: Fehlende Gespräche unter vier Augen
erschweren die Arbeit im virtuellen Team. Darüber hinaus müssen vorab wichtige Fragen, wie
rechtliche Grundlagen, Richtlinien für den Datenschutz und mögliche Auswirkungen von Datenlecks
und Viren geklärt werden.
2.1.2 Zeitliche Lage der Arbeitsleistung
Neben dem Arbeitsort stellen flexible Arbeitszeiten einen entscheidenden Faktor bei der
Arbeitgeberwahl dar. Unter diesen werden Arbeitszeitmodelle verstanden, die eine stetige Wahl
seitens des Arbeitgebers, des Beschäftigten oder beider hinsichtlich des Ausmaßes und der zeitlichen
Lage der Arbeitsverrichtung vorsehen. Innerhalb dieser kann die Arbeitszeit ständig an den
betrieblichen Bedarf und an die Präferenzen der Arbeitnehmer angepasst werden (BAUA, 2017, S.
13ff.).
Gute Praxis
Die Stadt Aschaffenburg bietet ihren Beschäftigten unter anderem flexible Arbeitszeitlösungen an
(Stadt Aschaffenburg, 2004). Eine familienorientierte Personalpolitik, welche Veränderungen
hinsichtlich Dauer, Lage und Verteilung der wöchentlichen bzw. monatlichen Arbeitszeit beinhaltet,
soll den Wunsch nach mehr Zeitsouveränität seitens der Angestellten erfüllen. Seit Jahren schon
werden unterschiedliche Teilzeitmodelle praktiziert. Viele Beschäftigte arbeiten täglich weniger als 8
Stunden, wegen schulpflichtiger Kinder oder pflegebedürftigen Angehörigen – auch in
Führungsposition. Andere nutzen flexible Arbeits-/Servicezeiten. In vielen Bereichen der
Stadtverwaltung können die Mitarbeiter*innen ihre Arbeitszeit selbst festlegen. Es gibt aber auch
Dienststellen mit festen Arbeitszeiten. Auf eine strenge Zeiterfassung wird verzichtet. Stattdessen wird
ein digitales Arbeitszeitkonto mit Zeitguthaben genutzt, um beispielsweise zusätzliche Ferientage
abzudecken.
Die Stadt Empfingen beschäftigt rund 60 Mitarbeiter*innen. Seit Beginn der Amtszeit des
Bürgermeisters bietet die Stadt Gleitzeit an, zunächst in der klassischen Variante, dann mit sich
ändernden Rahmenbedingungen in erweiterten Formen (Begemann, 2018). Die Ämter müssen zu den
Öffnungszeiten besetzt sein, ansonsten werden den Beschäftigten größere Freiheiten eingeräumt.
Die Grundlage der zukünftigen digitalen Organisation bilden Arbeitsplätze mit digitalisierten Abläufen,
Kooperationen, Kommunikationen und Werkzeugen. Dies ermöglicht eine vermehrte Entkopplung von
Arbeit und Arbeitsplatz bzw. bisherigen Kern- bzw. Öffnungszeiten. Auf Basis digitaler Abläufe,
Kommunikation und entsprechender technischer Gegebenheiten (z.B. mobile Endgeräte, VPN) können
85
dann auch zeitlich-räumlich flexible Arbeitsmodelle (z.B. Home Office) realisiert bzw. erweitert
werden. Gut sichtbar wird dies derzeit beispielsweise an den vielerorts entstandenen Chat-Bots: Die
Stadt Kremsmünster in Österreich setzt den Cloud-basierten Sprachdienst ALEXA von Amazon für den
Bürgerservice ein (Bareis et al., 2018, S. 5ff.). Insgesamt wurden 82 Fragen/Antworten aus dem Bereich
Bürgerservice (Themen sind u.a.: „Woher bekomme ich einen Meldezettel?“, „Wieviel kostet ein Pass
und was braucht man dafür?“) definiert und programmiert. So entsteht durch die Digitalisierung eine
Möglichkeit eine automatisierte, rund-um-die-Uhr-Interaktion zwischen den Bürger*innen und der
Verwaltung Kremsmünster zu realisieren und bisher papiergebundene Formulare elektronisch
abzuwickeln.
Expertensicht
Der technologische Fortschritt ermöglicht den Trend von starren hin zu flexiblen Arbeitszeitmodellen.
Experten teilen die Meinung, dass individuelle Bedürfnisse eine immer wichtigere Rolle spielen und
dass in Rathenow entsprechend stärker auf die Anforderungen der Mitarbeiter*innen eingegangen
werden muss. Es gilt also, mehr Freiraum bezüglich der Wahl ihrer Arbeitszeit zu gewährleisten.
Flexible Arbeitszeitmodelle wie Wahlarbeitszeit, Teilzeit oder Gleitzeit sind die Zukunft – machen
Mitarbeiter*innen glücklich und leistungsbereiter. Nach Meinung eines Professors für Digitalisierung
an der Hochschule der Bundesagentur für Arbeit, kann auf diese Art jeder herausfinden, welche
Arbeitsweise für einen persönlich am effektivsten ist. Damit dies funktioniert, wird das Havelland
künftig mehr auf Vertrauensarbeitszeit setzen, erklärt der Professor. Letztlich zählt das Ergebnis und
nicht die zeitliche Präsenz. Was tagsüber nicht möglich ist – ob privat oder geschäftlich begründet –
kann auch zu einer anderen Tageszeit erledigt werden. Neue Arbeitszeitmodelle ermöglichen in
Eigenregie zu entscheiden, zu welcher Tageszeit gearbeitet wird und zu welcher nicht. Dies bedeutet
ein Plus an Produktivität. Zeiterfassungen über mobile Endgeräte wie dem Smartphone oder dem Web
werden eine unabhängige Zeitgestaltung erlauben. So empfiehlt der Geschäftsführer der KAAW,
welche innovative IT-Lösungen zur interkommunalen Zusammenarbeit entwickelt, dass eine Cloud
etwa umständliche Excel-Tabellen oder Stundenzettel ersetzen kann.
Muss jedoch weiterhin persönliche Präsenz gezeigt werden, etwa bei einem Meeting, kann das auch
mit einer Videokonferenz gelöst werden, meint der Manager Public Sector von DocuWare. Hingegen
kann die physische Präsenz in manchen Fällen, wie zum Beispiel zu den Öffnungszeiten/Kernzeiten im
Bürgerservice, nicht umgangen werden.
Nach Meinung des Leiters der Brandenburgischen Kommunalakademie bedeutet eine Flexibilisierung
bzgl. der Arbeitszeit ebenfalls weniger Sicherheit und mögliche Ausnutzung. Demnach würden neue
Arbeitszeitmodelle Beruf und Privatleben immer mehr verschmelzen lassen. Statt Zeit mit dem
Ehemann zu verbringen während die Kinder schlafen, heißt es plötzlich auch arbeiten. Ebenfalls warnt
86
er, dass dadurch bei manch einem das Privatleben zu kurz kommen kann. Psychische Probleme bis hin
zum Burn-Out seien die Folge.
2.1.3 Familie und Beruf
Die Lebenszufriedenheit hat positiven Einfluss auf die psychische und physische Gesundheit (Brenke,
2016, S. 104). Dazu sollten der Arbeitsplatz, Familie und Freizeit in einem guten Verhältnis
zueinanderstehen. Wer das Gefühl hat, dass sich alles der Arbeit unterordnen muss und nicht
ausreichend Zeit für andere Lebensbereiche zur Verfügung steht, wird unzufrieden, unproduktiv und
letztendlich krank. Verschiedene Maßnahmen können zu einer Balance beitragen, was
Arbeitszufriedenheit und Lebensqualität verbessert (Hans-Böckler-Stiftung, 2016, S. 10ff.).
Gute Praxis
Das Betriebliche Gesundheitsmanagement der Bundesagentur für Arbeit legt seinen Schwerpunkt auf
die Aspekte Balance zwischen Berufs- und Privatleben, Engagement, sowie Führung und
Zusammenhalt (Meck, 2017, S. 49ff.). Die Bundesagentur fördert die psychische Gesundheit, bietet
Seminare und Service für Familien. Zugleich trägt ein Inklusionsmanagement dazu bei, Menschen mit
körperlichen Beeinträchtigungen einen Arbeitsplatz zu bieten. Diese können unter anderem die Arbeit
mit Hilfe mobiler Endgeräte von zu Hause aus erledigen.
Baden-Württemberg hat als erstes Bundesland eine ressortübergreifende Digitalisierungsstrategie
entwickelt. Zu den zentralen Handlungsfeldern zählt neben Gesundheit und Wirtschaft 4.0 auch die
digitale Verwaltung (Rosenberger, 2018, S. 4ff.). Ein wichtiges Vorhaben im Digitalisierungsbericht
2018 lautet: Gesundheit mit Digitalisierung verbessern. Mit dem Projekt DocDirekt hat BadenWürttemberg etwa das Fernbehandlungsverbot gelockert. Per Telefon, Video oder Chat bekommen
Patienten eine schnelle telemedizinische Fernberatung. Die 24-Stunden-Verfügbarkeit soll helfen, das
Wohlbefinden und die Gesundheit der eigenen Arbeitnehmer*innen zu stärken und Krankheitsausfälle
vorzubeugen.
Expertensicht
Die Experten sind sich einig, dass die digitale Transformation längst in vollem Gange ist. Mit ein wenig
Selbstmanagement und Organisationstalent wird die örtliche und zeitliche Flexibilität zum Vorteil der
Mitarbeiter*innen der Landkreisverwaltung im Havelland werden, berichtet der IT-Leiter des
Heidekreises. Diese Aussage wird durch den Geschäftsstellenleiter des IT-Planungsrats gestützt.
Demnach würden im Jahr 2030 flexible Arbeitsorte und Arbeitszeiten helfen, Arbeits- und Privatleben
in Einklang zu bringen. Starre Jobmodelle werden für viele Arbeitnehmer*innen immer unattraktiver
sein. So wird auch die Landkreisverwaltung, wenn sie gut ausgebildete Mitarbeiter*innen anwerben
und halten möchte, mehr bieten als ein gutes Gehalt: Die Menschen bevorzugen eine ausgewogene
87
Work-Life-Balance. Flexibel, global, mobil – so lassen sich die zukünftigen Arbeitsmodelle beschreiben.
Diese sind nicht nur familienfreundlich, sondern werden auch langfristig für zufriedene und gesunde
Mitarbeiter*innen sorgen, ist sich der Geschäftsführer von KL.digital GmbH mit Sitz in Kaiserslautern
sicher. Zur Betreuung von Kindern oder zur Pflege von Angehörigen bietet die öffentliche Verwaltung
bereits
Arbeitszeitreduzierungen.
Weiterhin
seien
zur
weiteren
Steigerung
der
Arbeitgeberattraktivität zusätzliche Teilzeitmodelle für (junge) Beschäftigte denkbar, die damit ihre
Weiterbildung zum Beispiel im Bereich IT fortsetzen könnten.
Sollte die Landkreisverwaltung Havelland dennoch in einigen Bereichen in naher Zukunft auf die durch
die physische Präsenz bedingten starren Arbeitsmodelle setzen, so wird sie sich in der digitalen Welt
schwertun. Denn die Privatwirtschaft bietet seit langen vielfältigen Möglichkeiten, den Wünschen nach
einer gesunden Work-Life-Balance ihrer Mitarbeiter*innen zu entsprechen, ist sich der
Digitalisierungsleiter des Bundesverwaltungsamts in Köln sicher. Das wird ebenfalls der Landkreis tun,
um im harten Kampf um Fachkräfte mithalten zu können. Dabei würde bei jedem Mitarbeitenden
individuell ermittelt werden, was sie oder er in der aktuellen Lebenssituation für ein Arbeitsmodell
benötigt. Denn die Experten sind sich einig: Die passenden Rahmenbedingungen sind für jeden von
Bedeutung – unabhängig von Geschlecht, Nationalität, Alter oder Fähigkeiten.
2.1.4 Status Quo – Landkreis Havelland
Der Landkreis Havelland nutzt ebenfalls die Chancen diverser Arbeitsmodelle, um die
Arbeitsorganisation sowohl im Interesse der Dienststelle als auch der Mitarbeiter*innen der
Landkreisverwaltung flexibler gestalten zu können – kurzum die Zukunftsfähigkeit der Verwaltung zu
sichern. Wichtige Meilensteine bei der Etablierung flexibler Lösungen sind neben der
Dienstvereinbarung zur Einführung der alternierenden Telearbeit und zum mobilen Arbeiten im
Landkreis Havelland, auch die Dienstvereinbarung über die gleitende Arbeitszeit. Abbildung 5 stellt die
Inhalte beider Dienstvereinbarungen vor, fasst die Voraussetzungen der Bestimmungen zusammen
und weist auf wesentliche Grenzen hin. Im Fazit werden aus den Ergebnissen abgeleitete
Handlungsempfehlungen erläutert.
88
Dienstvereinbarung
… des Arbeitsortes
Alternierende Telearbeit
Informations- und Kommunikationstechnologie gestützte
Tätigkeit, welche am häuslichen Arbeitsplatz und
Arbeitsplatz in der Landkreisverwaltung Havelland
umgesetzt wird.
Mobiles Arbeiten
Informations- und Kommunikationstechnologie gestützte
Tätigkeit, bei dem die Beteiligten des Landkreis Havelland
zusätzlich bei Bedarf über elektronische
Kommunikationsmittel online miteinander verbunden sind.
Voraussetzungen
- Aufgaben-, arbeitsplatzbezogene- und persönliche Voraussetzungen
- Eignung der jeweiligen Teleplatz-Umgebung
- Einhaltung gesetzlicher Anforderungen an Arbeitsräume
- Hard- und Software-Bereitstellung durch Landkreis Havelland
- Einrichtung durch Arbeits- und Datenschutzbeauftragten
- Einbehaltung des Datenschutz
- Einhaltung tariflicher/gesetzlicher Bestimmungen
Inkrafttreten: 01. September 2017
… der Arbeitszeit
Gleitende Arbeitszeit
Variable Gestaltung der Arbeitszeit des
Verwaltungspersonals des Landkreises Havelland im
Gleitzeitrahmen.
- von 6:30 Uhr – 20:00 Uhr (montags-freitags)
- von 8:00 Uhr – 13:00 Uhr (samstags)
- Auswahl der Arbeitszeit muss wöchentliche Arbeitszeit gewährleisten
- Festlegung + Kontrolle einer Servicezeit und Mindestbesatzungsstärke
Grenzen
Vom Geltungsbereich ausgeschlossen:
- Auszubildende, Praktikanten und Studierende,
- Vorzimmer- und Sekretariatsdienste,
- Beratungs- und Betreuungsbereiche, sofern Servicezeiten und Mindestbesetzung
nicht eingehalten werden können
- Beschränkung auf max. zwei Arbeitstage/Woche
- Beschränkung auf max. 40% der wöchentlichen Arbeitszeit
- Ansammlung von Zeitguthaben nicht gestattet
- Keine maschinellen Leistungs- und Verhaltenskontrollen
- Beendigung sofern Teleplatzeinrichtung durch Beauftragte nicht vollzogen werden
kann
- Etwaige Systemstörungen
- Begrenzung der Anzahl an Telearbeitsplätze
Besondere Regelungen für:
- Auszubildende (Grund: Jugendschutzgesetz)
- Beschränkung auf Arbeitszeiten des Gleitzeitrahmens
Zeitguthaben
Verrechnung der persönlichen Anwesenheitszeit mit der
Sollarbeitszeit.
- Zeitausgleich innerhalb der Service- und Gleitzeit
- Stundenweiser Zeitausgleich nur durch Genehmigung der Führungskraft
- Beschränkung auf max. 10 Minus-/ 120 Plusstunden zum Quartalsende
- Kappungsstunden gelten nicht für Beamte und befristet Beschäftigte
- Begrenzung des zusammenhängenden Zeitabbaus auf 173 Stunden
Gesondertes Arbeitszeitkonto
Erfassung von Zeitguthaben aus Zeitkonto, genehmigten
Kappungsstunden, etc.
- Unbefristete Beschäftigung
- Beschränkung auf unbefristete Beschäftigte
- Beschränkung des Zeitguthabens auf max. 200 Stunden
Zeiterfassungssystem „Zeus“
Ermittlung der geleisteten Arbeitszeit über ein IT-gestütztes
elektronisches System.
- Zugriffsmöglichkeit auf einen PC mit Anschluss an das Intranet der
Landkreisverwaltung Havelland
- Manuelle Zeiterfassung für Personen ohne Zugriff auf das Intranet der Landkreisverwaltung Havelland
Freistellung für ärztliche Behandlungen
Gewährung einer Abwesenheit aufgrund einer
unaufschiebbaren ärztlichen Behandlung
- Abwesenheit zwischen 9:00 – 15:00 Uhr, sofern kein anderer Termin
vereinbart werden kann
Für beide Arten gilt:
- Begrenzung der Fortzahlung der Bezüge auf Umfang der Sollarbeitszeit
Freistellung für die Wahrnehmung öffentlicher Ehrenämter
Vergütung/Besoldung ehrenamtlicher Tätigkeiten, sofern die
Freistellung gesetzlich vorgeschrieben ist
- Gesetzliche Vorschreibung der Freistellung
- Teilnahme an Einsätzen/Übungen von Rettungskräften
Inkrafttreten: 01. Februar 2016
… für Beruf
und Familie
Inkrafttreten: 01. Februar 2016
Abbildung 6: Flexible Arbeitsmodelle und ihre Konsequenzen (eigene Darstellung)
2.2 Kompetenzen
Die digitalen Technologien, welche auch in der Verwaltung angewendet werden, sowie die
veränderten Arbeitsbedingungen und Kommunikationsweisen stellen unterschiedliche Anforderungen
an das Verwaltungspersonal. Neben dem Aufgabenprofil- und Qualifikationsniveau (vgl. 2.3), soll es im
Folgenden darum gehen, welche Fähigkeiten von Mitarbeiter*innen des Landkreises Havelland
benötigt werden, um sich auf die mit dem digitalen Fortschritt ändernde Arbeitswelt anpassen zu
können. Diese Variable lässt sich unterscheiden in soziale Kompetenzen, Methoden- und
Handlungskompetenzen, sowie digitale Kompetenzen. Die digitalen Kompetenzen umfassen dabei
natürlich sowohl soziale, als auch Methoden- und Handlungskompetenzen, werden der Relevanz
halber aber als einzelner Punkt betrachtet.
Als Kompetenz versteht man die erlernbare Fähigkeit, situationsadäquat zu handeln. Kompetenz
beschreibt die Relation zwischen der an eine Person oder Gruppe herangetragene oder selbst
gestaltete Anforderung und ihre Fähigkeit bzw. ihr Potenzial, dieser Anforderung gerecht zu werden
(Reinhardt und North, 2003).
90
Kompetenz ist ein in den Grundzügen eingespielter Ablauf zur Aktivierung, Bündelung und zum Einsatz
von persönlichen Ressourcen für die erfolgreiche Bewältigung von anspruchsvollen und komplexen
Situationen, Handlungen und Aufgaben. Kompetentes Handeln beruht auf der Mobilisierung von
Wissen,
von
kognitiven
und
praktischen
Fähigkeiten
sowie
sozialen
Aspekten
und
Verhaltenskomponenten wie Haltungen, Gefühlen, Werten und Motivation (Weinert, 2001; Rychen
und Salganik, 2003). Messbar und erlebbar ist nicht die Kompetenz selbst, sondern das Ergebnis
kompetenten Handelns, die sogenannte Performanz.
Digitale Kompetenz versteht man im Sinne eines kompetenten Umgangs mit digitalen Medien und des
Aufbaus einer grundständigen IT-Kompetenz (Bitkom, 2018). Die Unterformen der digitalen
Kompetenz werden im dritten Abschnitt dieses Kapitels näher beleuchtet.
Die folgenden Ergebnisse setzen sich aus der Literaturrecherche und den Inhalten der
Experteninterviews zusammen. Meinungsverschiedenheiten der befragten Interviewpartner*innen
werden hierbei nicht betrachtet. Im Großen und Ganzen waren die Positionen der Expert*innen, sowie
die Theorien in der Literatur in sich konsistent, sodass im Folgenden die prognostizierten Ist-Zustände
der Verwaltung 2030 im Havelland beschrieben werden.
2.2.1 Soziale und emotionale Kompetenzen
Gute Praxis und Expertensicht
Durch die flexiblen Arbeitsmodelle, welche raum- und zeitunabhängiges Arbeiten ermöglichen,
veränderten sich auch die Arbeitsweisen der Mitarbeiter*innen in der Verwaltung. Dies wirkte sich auf
die geforderten Kompetenzen aus, welche benötigt werden, um weiterhin zufriedenstellende Arbeiten
jeglicher Art zu verrichten. Ein wichtiger Punkt ist die Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der
Verwaltungsmitarbeiter*innen im Havelland. Diese ist vor allem dort gefragt, wo sich die
Zusammenarbeit in temporären oder gar virtuellen Teams aus wechselnden internen und externen
Akteuren mit einem unterschiedlichen beruflichen Hintergrund, statt in stabilen und homogenen
Strukturen vollzieht. Gleiches gilt auch für Arbeitsbeziehungen, die über große räumliche Distanzen
hinweg aufrechterhalten werden müssen. Dies kann insbesondere im Home Office der Fall sein. Die
Kollaborationsfähigkeit gewährleistet einen gelungenen Austausch und eine funktionierende
Zusammenarbeit der beteiligten Personen.
Beim Format des Home-Office verfügen die Personen über ausreichend Selbst-ManagementQualitäten, um einen reibungslosen Ablauf zu garantieren. Dies beinhaltet Selbstständigkeit,
Selbstorganisation, Selbstführung und Selbstkontrolle. Es wird also jedem selbst überlassen wann und
wo er arbeitet, solange die Ausführung und Evaluation durch die Mitarbeiter*innen selbst
vorgenommen und auf die Souveränität gesetzt wird. Dies setzt unter anderem auch
91
Verantwortungsbereitschaft, Flexibilität und Spontanität voraus. Auch die Lernfähigkeit und
Lernbereitschaft sind ein wichtiger Punkt um kontinuierliche Weiterentwicklungen in der analogen,
aber auch der digitalen Arbeitsweise zu ermöglichen. Dazu zählen ebenso die Anpassungs- bzw.
Veränderungsbereitschaft und -fähigkeit, sowie die rasche Auffassungsgabe. Dies erfordert ein hohes
Maß an Aufgeschlossenheit und Neugier.
Neben der Eigeninitiative und -verantwortung, bleibt jedoch auch die Teamfähigkeit ein relevanter
Faktor; die Art und Weise der Zusammenarbeit ändert sich zwar, die Anforderungen an das
vollständige und rechtzeitige Erarbeiten bleiben jedoch gleich. Im Team kommt es darauf an mit der
ggf. transdisziplinären Zusammensetzung, Interkulturalität und Diversität kompetent zu arbeiten.
Im Kontakt mit dem Bürger oder der Bürgerin handeln die Verwaltungsangestellten, welche etwa im
Bürgerservicebüro arbeiten auch weiterhin empathisch und authentisch und sind belastbar,
konfliktfähig und resilient.
Führungskräfte sind wichtiger geworden und benötigen vielfältige Führungskompetenzen. Sie müssen
leiten, delegieren und motivieren. Sie fungieren eher als Mentor bzw. Coach und es wird nicht länger
Mikro-Management betrieben, d.h. es werden keine exakten, kleinteiligen Arbeitsanweisungen
gegeben, sondern es wird, wie schon benannt, eher auf die Eigeninitiative und Handlungskompetenzen
der Mitarbeiter*innen gesetzt. Die Führungskräfte wissen aber trotzdem über ihre Mitarbeiter*innen
Bescheid, d.h. was können diese, wo können und müssen diese eingesetzt werden, jederzeit auch vor
dem Hintergrund des flexiblen Arbeitens wie bspw. Home-Office. Allgemein herrscht ein großes
Vertrauensverhältnis hinsichtlich der erbrachten Leistungen. Das Feedback-System und die
Kommunikation zwischen Führungskräften und Mitarbeiter*innen müssen jedoch weiterhin auch bei
flexiblen Arbeitszeiten gewährleistet sein, zum Beispiel durch Telefon- oder Videokonferenzen.
Die Motivation erfolgt dabei immer gemeinwohlorientiert. Die Leitungskompetenz umfasst zudem die
Integration aller Mitarbeiter*innen, etwa durch Coachings und Teambuildings.
2.2.2 Methoden- und Handlungskompetenzen
Gute Praxis und Expertensicht
Die Mitarbeiter*innen in der Landkreisverwaltung Havelland besitzen im Jahr 2030 ausgewogene
Methoden- und Handlungskompetenzen. Planungs- und Organisationsfähigkeit wird vor allem in
Funktionen abverlangt, innerhalb derer die Entscheidungsverantwortung delegiert wird, um schnelle,
sachgemäße Reaktionen auf unvorhergesehene Umstände zu ermöglichen. In einer vernetzten
Arbeitswelt sind die Beschäftigten in Rathenow fähig, mit den anderen Teilnehmer*innen eines
Netzwerks, bzw. Kolleg*innen zu kommunizieren und zu kooperieren. Neben der komplexen
Informationsverarbeitung und -interpretation müssen gewisse Problemlösekompetenzen und
92
Projektmanagement-Fähigkeiten vorhanden sein. Kreatives und agiles Arbeiten findet statt und
Zeitmanagement, sowie Abstraktionsfähigkeit sind etabliert.
Die Mitarbeiter*innen müssen ergebnisorientiert handeln, sowie systematisch, vernetzt, kritisch und
disruptiv Denken und Entscheiden. Auch hier steht die Dienstleistungs- bzw. Kundenorientierung im
Vordergrund.
Führungskräfte beherrschen das Change-Management, d.h. sie sind in der Lage ihre Mitarbeiter*innen
auf dem Weg der veränderten Arbeitswelt mitzunehmen, sie zu motivieren und ihnen zu helfen.
2.2.3 Digitale Kompetenzen
Die digitalen Kompetenzen lassen sich in folgende Bereiche unterscheiden: Digital Literacy (Digitale
Grundbildung), Digitale Haltung und Digitales Lernen, Digitale Interaktion und Kollaboration, Digitale
Ethik, sowie Digital Leadership.
Unter der digitalen Grundbildung versteht man den selbstverständlichen Umgang mit Internetquellen,
wie insgesamt mit neuen, mobilen Computer- und Internetmedien (Endgeräte, Web-2.0Anwendungen).
Die
digitale
Haltung
und
das
digitale
Lernen
beschreiben
die
Offenheit
gegenüber
Informationstechnologien um mit ihnen die Organisation zu gestalten. Hierzu zählt auch die Fertigkeit
im Umgang mit digitalen Medien, sowie die Bereitschaft und Fähigkeit achtsam, d.h.
verantwortungsvoll und zielgerichtet steuernd mit Informationstechnologien, digitalen Medien und
Daten umzugehen.
Die digitale Interaktion und Kollaboration bezieht sich auf die Kommunikation und Zusammenarbeit
der
Verwaltungsmitarbeiter*innen.
So
sollten
etwa
Wissen
und
Kenntnisse
der
Verwaltungsmitarbeiter*innen im Havelland darüber vorhanden sein, wie raum- und zeitunabhängig,
also mobil und flexibel, d.h. über digitale Medien Projekte und Aufgaben bewältigt werden, oder auch
Videokonferenzen abgehalten werden können.
Die digitale Ethik umfasst Kenntnisse über die Sicherheit der Geräte, personenbezogene Daten, den
Umgang
mit
digitalen
Technologien,
der
elektronischen
Aktenführung
und
dem
Dokumentenmanagement, elektronischen Identitäten und sozialen Medien. Des Weiteren geht es
hierbei auch um eine Grundsensibilität und Wissen über Datensicherheit und Datenschutz.
Als Digital Leadership versteht man die Erwartung an Führungskräfte, neue digitale Fähigkeiten an den
Tag zu legen, um die digitale Transformation in Organisationen zu meistern und den Wandel zum Erfolg
der Organisationen vorantreiben zu können. Dies umfasst unter anderem die Chancen,
Einsatzmöglichkeiten, Risiken und Wirkmechanismen von Informationstechnologien zu kennen, zu
93
bewerten
und
im
Sinne
Digitalisierungsstrategie
der
des
Führungskompetenz
Havellandes
zu
mitgestalten
nutzen.
zu
Es
können
heißt
und
zudem
im
die
eigenen
Verantwortungsbereich zu fördern und umzusetzen. Des Weiteren bedeutet es in und mit digitalen
Netzwerken im Sinne der Gemeinwohlorientierung zu arbeiten und sie zu gestalten, sowie digitale
Medien und internetbasierte Kommunikations- und Zusammenarbeitsdienste (insbesondere Social
Media) zu kennen und strategisch zu nutzen.
Eine weitere Unterscheidung die man bei digitalen Kompetenzen vornehmen kann ist die Unterteilung
in medienbezogene und inhaltsbezogene Kompetenzen. Medienbezogene Kompetenzen beziehen sich
dabei auf das operationale Handeln. Inhaltsbezogene Kompetenzen sind unter anderem
informationsbezogene Kompetenzen (suchen, bewerten und auswählen von Information),
Kommunikationskompetenzen (mailen, kontaktieren, Schaffen von Online-Identitäten), sowie
strategische Kompetenzen (d.h. die Fähigkeit, digitale Medien zur Erreichung bestimmter Ziele
einzusetzen).
2.2.4 Zwischenfazit
Es werden nicht zwangsläufig IT-Spezialisten im Jahr 2030 in der Landkreisverwaltung Havelland
benötigt. Die Anwendungen orientieren sich an den Mitarbeiter*innen und unterstützen etwa OnceOnly, also vorausgefüllte Dokumente, was zum Einen weniger Kompetenz der Mitarbeiter*innen
benötigt, zum Anderen auch die Akzeptanz fördert. Digitale Kompetenzen sind bei der jüngeren,
nachkommende Generationen eher vorhanden und werden dann zwangsläufig als selbstverständliche
Arbeitskompetenzen verstanden.
Jüngere Leute besitzen eher eine rasche Auffassungsgabe, eine schnelle Anpassungs- und
Wahrnehmungsgeschwindigkeit sowie eine hohe (Kurzzeit-) Gedächtnisleistung. Ältere Leute
hingegen verfügen verstärkt über Erfahrungswissen, Sprachgewandtheit, abwägende Wahrnehmung,
Gelassenheit sowie ein stabiles Selbstkonzept. Sie müssen jedoch auch lernen, sich anzupassen. Eine
Verknüpfung dieser beiden Kompetenzprofile stellt eine wesentliche Voraussetzung für Innovationen
dar.
Die hohen Komplexitäts-, Abstraktions- und Problemlöseanforderungen werden schon an Angestellten
auf mittlerer Qualifikationsebene gestellt.
Die Kernaussage, welche sich zusammenfassend ableiten lässt, lautet, das Fachwissen gleich bleibt.
Die Zwischenmenschlichkeit, d.h. der Umgang bzw. Kontakt mit Bürger*innen kann, anders als
standardisierte Verfahren, nicht automatisiert werden. Die sozialen und emotionalen Kompetenzen
im Umgang mit Kund*innen (Bürger*innen), Mitarbeitenden, Kolleg*innen und Führungskräften
bleiben gleich bzw. werden zum gegebenen Zeitpunkt, laut Aussagen der Experten, verstärkt an
94
Bedeutung gewonnen haben. Es muss ggf. eine noch verbesserte Kundenorientierung stattfinden um
Kontaktpunkte zu schaffen und diese mit positiven Emotionen zu besetzen. Die Kernaufgabe des
Verwaltungspersonals im Landkreis Havelland wird daher auch im Jahr 2030 die Kommunikation und
Interaktion mit dem Bürger sein, um deren Bedürfnisse optimal umzusetzen.
Man sollte jedoch auch nicht vergessen, dass in elf Jahren voraussichtlich Kompetenzen benötigt
werden, die bisher überhaupt noch nicht absehbar sind.
2.3 Aufgabenprofil und Qualifikationsniveau
Die
Digitalisierung
wird
sich
insbesondere
auf
die
zu
bearbeitenden
Aufgaben
des
Verwaltungspersonals im Landkreis Havelland auswirken. Damit verbunden werden sich die
Aufgabenprofile und damit zusammenhängend ebenfalls die notwendigen Qualifikationen für die
auszuführenden Inhalte verändern.
Die spezifischen Aufgabenprofile lassen sich durch unterschiedliche Aufgabeninhalte definieren und
voneinander abgrenzen. Konkret wurde untersucht, welche Aufgabeninhalte und Arbeitsprojekte im
Jahr 2030 mit fortgeschrittener Digitalisierung des Landkreises vom Verwaltungspersonal bearbeitet
und welche Tätigkeiten ausgeführt werden müssen. Daraus ergeben sich spezifische Aufgabenprofile,
die im Rahmen der Entwicklung des Personalkonzepts als festgelegte Verrichtung bestimmter Inhalte
im Sinne von konkreten Tätigkeitsfelder definiert sind. Die jeweiligen Aufgabenprofile verlangen dabei
bestimmte Qualifikationen, über die der Aufgabenträger zur erfolgreichen Verrichtung der Aufgaben
verfügen muss. Aus diesem Grund wurde parallel sowohl im Rahmen der Literaturrecherche als auch
der Experteninterviews ermittelt, über welche Befähigungen und Kenntnisse das Verwaltungspersonal
des Landkreises Havelland im Jahr 2030 verfügen muss, um die Aufgabeninhalte entsprechend
bearbeiten zu können. Dabei lässt sich die jeweilige Qualifikation zum einen über die spezifische
Ausbildung und den Bildungsabschluss definieren, als auch über zusätzliche Kompetenzen und
Fähigkeiten, die den Aufgabenträger für eine bestimmte Aufgabenverrichtung qualifizieren. Da die
Aufgabenprofile im Jahr 2030 divers sein werden, wurde angenommen, dass sich die jeweilig
notwendigen Qualifikationen der Aufgabenträger hinsichtlich ihres Niveaus unterscheiden werden.
2.3.1 Aufgabeninhalte und Organisation der Aufgaben
Im Hinblick auf die Aufgabeninhalte wurde zum einen untersucht, welche spezifischen Aufgaben vom
Personal des Landkreises Havelland 2030 bearbeitet und welche Tätigkeiten potenziell automatisiert
wurden und nicht länger durch menschliche Verrichtung erledigt werden müssen. Gleichzeitig wurden
potenzielle Veränderungen der Arbeitsanforderungen an den Aufgabenträger ermittelt. Konkret
wurde daher sowohl im Rahmen der Literaturrecherche und der Best-Practice-Analyse als auch im
Hinblick auf die Experteninterviews die Notwendigkeit der Bearbeitung konkreter Aufgaben abgefragt.
95
Daneben wurde die Organisation der Verrichtung der jeweiligen Inhalte betrachtet. In welchem
organisatorischen Rahmen die jeweiligen Aufgaben erledigt werden, wirkt sich dementsprechend auch
auf die Aufgabenprofile aus.
Gute Praxis und wissenschaftliche Debatte
In der wissenschaftlichen Debatte im Hinblick auf die Auswirkung der Digitalisierung auf die
Aufgabeninhalte und Tätigkeiten von Beschäftigten in der öffentlichen Verwaltung werden aktuell zwei
gegenläufige Entwicklungen diskutiert, die ebenfalls die Anforderungen der zu bearbeitenden
Aufgaben des Verwaltungspersonals und damit auch die notwendigen Qualifikationen maßgeblich
verändern würden. Hierbei wird zum einen die These des sogenannten Upgradings der
Aufgabeninhalte formuliert, wobei angenommen wird, dass die zu bewältigenden Aufgaben im Zuge
der Digitalisierung komplexer und inhaltlich anspruchsvoller würden, was entsprechend Auswirkungen
auf die notwendige Qualifikation des Verwaltungspersonals zur Folge hätte. Es wird eine
Informatisierung der Tätigkeiten angenommen. Eine gegenläufige These nimmt an, dass die
technologische Entwicklung zu einer Polarisierung der Aufgabeninhalte führe, was für das
Verwaltungspersonal in Rathenow bedeuten würde, dass die Erledigung von Aufgaben auf der
dispositiven als auch ausführenden Ebene weiterhin notwendig wäre, gleichzeitig aber eine Erosion
der mittleren Aufgabeninhalte stattfinden würde, da diese vollständig automatisiert würden (HirschKreinsen, 2015, S. 8 f. ).
Im Hinblick auf künftige Aufgabeninhalte und die Organisation der Aufgabenerledigung wird
tendenziell erwartet, dass im Zuge der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung, Aufgaben
zusammengelegt werden und künftig in einer zentralen Stelle innerhalb einer Behörde gebündelt und
gemeinsam bearbeitet werden (Lünendonk GmbH, 2015, S. 14 f.).
Beispielhaft kann hierbei die Errichtung eines zentralen IT-Services für die Verwaltung des Landes
Baden-Württemberg angeführt werden, über den mehrere Behörden des Landes den IT-Dienstleister
BITBW nutzen (Landesregierung Baden-Württemberg, 2017, S. 59 ff.). Daneben könnte auch
beispielsweise die Einführung einer Digitalisierungsagentur nach dänischem Vorbild realisiert werden.
Bezüglich der Organisation der Aufgabenerledigung wird im wissenschaftlichen Diskurs verstärkt die
Aufgabenform des Crowdsourcing, häufig im Sinne von Clickjobs und Microtasks, besprochen
(Haberfellner, 2015a). Diese Struktur würde Aufgaben in einfachste Tätigkeiten herunterbrechen,
wobei digitale Basiskenntnisse der Aufgabenträger notwendig würden. Die Aufgaben würden sich auf
die Inhalte beschränken, die nicht durch die Bearbeitung durch Algorithmen ersetzt werden können,
was beispielsweise Tätigkeiten wie die Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit von Texten oder
Übersetzungen umfassen würde.
96
Expertensicht
Eine grundlegende Erkenntnis, die mehrheitlich aus den Gesprächen mit den befragten Experten im
Hinblick auf die Veränderung der Aufgabeninhalte deutlich wurde, ist die Annahme einer
Halbautomatisierung bisheriger Aufgaben und Tätigkeiten. Gemeint ist damit, dass bestimmte
Arbeitsschritte durch den Einsatz von Informationstechnologie automatisiert und von Computern
übernommen werden können, andere Arbeitsprozesse im selben Aufgabenbereich jedoch weiterhin
durch das Verwaltungspersonal selbst vollzogen werden müssen. Hier wurden von den Experten
diverse
Beispiele
angeführt,
die
verdeutlicht
haben,
dass
gerade
das
menschliche
Beurteilungsvermögen und die Fachexpertise in Spezialfällen keinesfalls durch die Verwendung von IT
ersetzt werden kann. Im Hinblick auf die verschiedenen Arbeitsschritte, die zur Verrichtung einer
bestimmten Tätigkeit notwendig sind, würden insbesondere Prozesse mit hoher Fallzahl in Form von
Standardaufgaben automatisiert sein. Gerade für diese Aufgabentypen, im Rahmen derer die
Datenerfassung automatisiert bzw. zumindest schneller und digitalisiert erfolgen wird, werde die
Aufgabenbewältigung für das Verwaltungspersonal in Rathenow im Jahr 2030 erleichtert. Im Bereich
der Prüfung und Kontrolle bestimmten Verwaltungshandelns werde die spezifische Expertise des
Verwaltungspersonals im Havelland nach wie vor für die tägliche Aufgabenbewältigung insbesondere
in Einzelfällen notwendig sein. Die Expert*innen nehmen größtenteils an, dass durch den Fokus auf
Spezialfälle und Fachverfahren, die persönliche Beratungs- und Servicetätigkeit mit verstärkter
Kundenorientierung des Verwaltungspersonals 2030 deutlich gestiegen sein wird.
Grundsätzlich unterscheiden sich die Zukunftsbilder der befragten Expert*innen im Hinblick auf das
Ausmaß der Veränderung der Aufgabeninhalte: Während ein Experte aus dem Bereich Ausbildung
prognostiziert, dass sich rund 70 Prozent der Aufgabeninhalte verändern würden, legt ein Experte aus
der Verwaltung selbst den Fokus auf die Veränderung des Charakters bzw. der Art und Weise der
Ausführung von Aufgaben und sieht weniger veränderte Inhalte. Im Hinblick auf die Organisation von
Aufgaben, das heißt konkret die Art und Weise der Aufgabenverrichtung, nehmen die befragten
Expert*innen einheitlich an, dass wie auch bereits in der Wissenschaft prognostiziert, eine
Zusammenlegung und damit Dezentralisierung von Aufgaben stattgefunden habe.
Gleichzeitig wird davon ausgegangen, dass bestimmte Aufgabeninhalte vollständig weggefallen sein
werden. Zu nennen wären hier insbesondere die Post- und Archivverwaltung - aber auch die Tätigkeit
als IT-Fachkraft sei 2030 bereits überflüssig. Letzteres sei insbesondere der Tatsache geschuldet, dass
im Hinblick auf die Zusammenlegung von Aufgaben, die Kommunen nicht länger über eigene
Rechenzentren verfügen würden und stattdessen zentrale Softwaresysteme verwendet werden.
97
Tendenziell rechnen die Experten eher mit gestiegenen Anforderungen und einem Upgrading der
Aufgabeninhalte aufgrund zunehmender Komplexität, wobei hier die Befragten aus der
Brandenburgischen Kommunalakademie skeptisch sind.
Weiterhin sehen die befragten Expert*innen aus der Verwaltungspraxis einen Schwerpunkt bei
Aufgaben im Bereich Prozessmanagement sowie der Organisation von bestimmten Arbeitsabläufen.
Damit verbunden ist die Annahme, dass der inhaltliche Schwerpunkt darauf liege, bestimmte Aufgaben
und Verwaltungsanwendungen freizuschalten und zu prüfen, die dann automatisiert ausgeführt
würden.
2.3.2 Aufgabenprofil
Zunächst wurden im Rahmen der Entwicklung des Personalkonzepts die unterschiedlichen
Aufgabenprofile untersucht. Hierbei lag der Fokus darauf, zu erfassen, welche Aufgabenprofile im Jahr
2030 in Rathenow weggefallen sein werden, welche Profile weiterhin notwendig sind bzw. ob und in
welcher Ausprägung im Zuge der Digitalisierung bisher unbekannte, neue Aufgabenprofile im
Havelland entstanden sein werden.
Gute Praxis und wissenschaftliche Debatte
Schwierig festzustellen, war die Erfassung der Notwendigkeit bestimmter Aufgabenprofile bzw. die
Erfassung einheitlicher Tendenzen im Hinblick auf die Etablierung neuer Aufgabenprofile oder dem
vollständigen Wegfall bisheriger Tätigkeitsfelder. Unter anderem ist dies auch der Tatsache
geschuldet, dass sich die Aufgabenprofile bereits zwischen den Landkreisen unterscheiden, da hier
große Diversität im Hinblick auf Organisation und Struktur der Behörden besteht. Das Australische Amt
für Statistik hat exemplarisch eine Klassifizierung von Beschäftigtengruppen in der Verwaltung
vorgenommen, die im Zuge der Digitalisierung vollständig wegfallen würden. Diese Einordnung
entspricht mehrheitlich den Annahmen der wissenschaftlichen Debatte. Es wird davon ausgegangen,
dass insbesondere die Tätigkeiten im Bereich Archivierung/Registrierung und Postbearbeitung künftig
vollständig
überflüssig
sein
werden,
sowie
Beschäftigungen
im
Telefon-
und
Kontaktinformationszentrum großzügig eingespart werden. Im Bereich der Etablierung neuer
Aufgabenprofile würden insbesondere Tätigkeiten in der Datenanalytik und Spezialisten für
Netzsicherheit als wahrscheinlich eingestuft. Als Paradebeispiel eines zukünftigen Jobprofils innerhalb
einer digitalisierten Behörde wird häufig der sogenannte Data Scientist angeführt (Haberfellner,
2015a).
Expertensicht
Die befragten Expert*innen sehen aufgrund der technologischen Entwicklung Veränderungen der
bisherigen Aufgabenprofile auf das Verwaltungspersonal des Landkreises zukommen. Dabei nehmen
98
sowohl die Vertreter aus der Verwaltungspraxis als auch externe Dienstleister, sowie die Befragten aus
dem Bereich Aus- und Weiterbildung an, dass bestimmte bisherige Aufgabenprofile im Jahr 2030
vollständig ersetzt worden sind. Entsprechend der Kategorisierung, die vom Australischen Amt für
Statistik erstellt wurde, wurde während der Experteninterviews deutlich, dass alle Befragten davon
ausgehen,
dass
die
im
Havelland
im
Rahmen
der
Papierverwaltung
beschäftigten
Verwaltungsangestellten im Jahr 2030 vollständig andere Aufgaben bearbeiten werden als diejenigen,
die ihnen aufgrund ihres aktuellen Aufgabenprofils zugeschrieben sind. Ebenfalls wird erwartet, dass
das Havelland im Jahr 2030 nicht länger eigene IT-Fachkräfte bzw. verwaltungsinterne Programmierer
rekrutiert, da die Landkreisverwaltung kein eigenes Rechenzentrum besitzt, sondern stattdessen
zentrale IT-Systeme mitbenutzt. Alle Befragten sind davon überzeugt, dass im Landkreis in elf Jahren
insbesondere verstärkte Nachfrage nach teilweise bisher unbekannten, neuen Tätigkeitsfeldern
besteht. Exemplarisch zu nennen wären hier Beschäftigungen als IT-Steuerer bzw. -Manager mit
Aufgaben im Bereich der Pflege von Algorithmen sowie der Instandhaltung von zentralen IT-Systemen.
Auch im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit würden verstärkt neue Tätigkeitsfelder beispielsweise in der
Verwaltung der Social Media-Kanäle bestehen. Daneben sind sich die Expert*innen einig, dass die
Transformation bestimmter Tätigkeiten weder alle Aufgabenprofile betreffen wird noch abschließend
sei. Gerade im Bereich der rechtlichen Prüfung und Kontrolle bestimmter Verwaltungsverfahren
würden nach wie vor, mit steigender Tendenz, weiterhin Verwaltungsfachwirte und speziell Juristen
notwendig sein. Im Hinblick auf den Spezialisierungsgrad der künftigen Aufgabenprofile im Jahr 2030
sind Prognosen nur schwer zu formulieren, da sich hier die Expert*innen uneinig sind.
2.3.3 Qualifikation
Im Hinblick auf die Qualifikationen standen die Erfassung der verschiedenen Ausbildungen und
Bildungsabschlüsse bzw. weitere Fähigkeiten und Kenntnisse zur erfolgreichen Verrichtung der
Aufgaben im Jahr 2030 im Vordergrund. Ermittelt wurden der notwendige Spezialisierungsgrad
einerseits bzw. ausreichend interdisziplinäre Fähigkeiten andererseits.
Gute Praxis und wissenschaftliche Debatte
Im Hinblick auf die notwendigen Qualifikationen reihen sich die Ergebnisse entsprechend in die
wissenschaftliche Debatte bezüglich der Aufgabeninhalte ein. Diskutiert wird zum einen ein
sogenannter
skill
biased
technological
change,
der
von
insgesamt
steigenden
Qualifikationsanforderungen und damit einhergehend höheren Bildungsabschlüssen im Zuge der
technologischen Entwicklung ausgeht. Der sogenannte routine based technological change nimmt
hingegen an, dass eine zunehmende Polarisierung auf oberer und unterer Qualifikationsebene und
einem damit verbundenen Rückgang der mittleren Qualifikationsgruppe stattfinden wird
(Haberfellner, 2015b, S.
33 f.). Betrachtet wurden ebenfalls Untersuchungen bzw. Prognosen
99
außerhalb des öffentlichen Sektors, die allerdings sinnvoll auf die Aufgaben der Verwaltung übertragen
werden können. Für den Industriesektor wird beispielsweise häufig die These formuliert, dass eine
kontinuierliche Aufwertung der Qualifikationsanforderungen im Zuge der digitalen Transformation
stattfinden würde. Als Argument wird hierbei, und dies kann ebenfalls auf die Arbeit in der Verwaltung
übertragen werden, steigende Arbeitsanforderungen in Folge von computertechnologisch
ermöglichten verbreiterten Aufgabenzuschnitten genannt. Umfragen zeigen, dass Beschäftigte
gestiegene Anforderungen an ihre Arbeit aufgrund der technologischen Neuerungen wahrnehmen
(BMAS, 2016a, S. 14). Daneben wird ebenfalls die Etablierung von funktionsspezifischen
Anforderungsprofilen diskutiert. Weiterhin hat sich in der Literatur gezeigt, dass verstärkte Nachfrage
nach interdisziplinären Fähigkeiten prognostiziert wird. Gleichzeitig würde der Fokus auf einer
spezialisierten Ausbildung liegen. Nach umfassender Recherche blieb zunächst unklar, wie sich die
Ausbildung des Verwaltungspersonals im Hinblick auf eine verstärkte Spezialisierung und das Erlernen
von vorrangig interdisziplinären Fähigkeiten auswirken wirkt, da hier keine einheitlichen Tendenzen
erkennbar sind.
Expertensicht
Tendenziell erwarten die Expert*innen, dass der Landkreis Havelland im Jahr 2030 darauf angewiesen
sein wird, Personal zu rekrutieren, das verstärkt über Fachwissen bei einem gleichzeitig hohen
Bildungsabschluss verfügt, was insbesondere für Beschäftigungen im gehobenen Dienst zutrifft. Diese
Prognose reiht sich an die Erwartung, dass sich das Verwaltungspersonal im Jahr 2030 inhaltlich
insbesondere mit Spezialfällen beschäftigt, da Routineaufgaben künftig durch Mechanismen der
Informationstechnologie
übernommen
wurden.
Somit
erwarten
die
Expert*innen
einen
entsprechenden skill biased technological change, wobei dieser vorrangig für den gehobenen Dienst
vermutet wird. Teilweise unterschiedliche Prognosen werden im Hinblick auf den Spezialisierungsgrad
der jeweiligen Qualifikationen erkennbar. Während die befragten Expert*innen aus der Verwaltung
tendenziell annehmen, dass die Beschäftigten im Landkreis Havelland über einen höheren
Spezialisierungsgrad verfügen, um insbesondere die Sonderfälle bearbeiten zu können, nehmen
einzelne externe Dienstleister an, dass im Jahr 2030 verstärkt auf interdisziplinäre Qualifikationen mit
einem breiten Wissensstand hin ausgebildet wird, da für die in der Landkreisverwaltung beschäftigten
Generalisten täglich die Notwendigkeit bestehen wird, sich flexibel in unterschiedliche und fachfremde
Aufgaben einzuarbeiten. Einigkeit besteht dahingehend, dass in naher Zukunft neben dem erlernten
Vorwissen, das im Zuge der jeweiligen Ausbildung erworben wurde, zusätzliche Fähigkeiten und
Kenntnisse für eine erfolgreiche Verrichtung der künftigen Aufgabeninhalte vorhanden sein müssen.
Genannt wurden in den Interviews insbesondere Methodenwissen sowie soziale Kompetenzen und
Moderationsfähigkeit zwischen mehreren Akteuren.
100
2.3.4 Zwischenfazit
Insgesamt waren die bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnisse im Hinblick auf die betrachtete
Variable eher vage und ungenau, da in der aktuellen wissenschaftlichen Diskussion große Unsicherheit
herrscht, wie konkrete Veränderungen aufgrund der technologischen Entwicklung ausgestaltet sein
werden. Auch bei der Untersuchung von Praxisbeispielen wurde schnell sichtbar, dass eine
Übertragbarkeit auf den Landkreis Havelland nur schwer umsetzbar ist. Umso hilfreicher war es,
Experteninterviews durchzuführen, um konkrete Einschätzungen und Prognosen für das
Personalkonzept des Landkreises zu erfahren:
„Kein Computer ist annähernd intelligent“, verdeutlicht die Mehrheitsmeinung der befragten
Expert*innen im Hinblick auf das Ausmaß der anstehenden Veränderungen in Bezug auf die
Aufgabeninhalte, Tätigkeitsfelder und dafür notwendigen Qualifikationen des Verwaltungspersonals
im Landkreis Havelland (IT-Planungsrat, 2017). Keinesfalls werden im Jahr 2030 in der Havelländischen
Landkreisverwaltung alle aktuellen Aufgabeninhalte automatisiert sein und von Computern
übernommen werden. Vielmehr besteht die grundlegende Veränderung darin, dass in naher Zukunft
im Vergleich zu heute, eine Halbautomatisierung der Aufgabeninhalte stattgefunden hat, wodurch
unter anderem neue Tätigkeitsfelder entstanden sind, was neue Qualifikationen notwendig gemacht
hat.
Die über hohe Bildungsabschlüsse mit speziellem Fachwissen ausgestatteten Beschäftigten der
Landkreisverwaltung Havelland beschäftigen sich im Jahr 2030 insbesondere mit Spezialfällen und
Fachverfahren im Hinblick auf Verwaltungsdienstleistungen, wobei sie in ihrer Arbeit vielfältig durch
Künstliche Intelligenz und diverse Anwendungen von Informationstechnologie unterstützt werden. Die
automatisierten
Routinetätigkeiten
sind
der
eigentlichen
Aufgabenbearbeitung
des
Verwaltungspersonals vorgelagert. Das Verwaltungspersonal im gehobenen Dienst verfügt über hohes
Fachwissen und arbeitet spezialisiert als Kontrollinstanz sowie in der Einzelfallprüfung. Dabei
verrichten die Beschäftigten teilweise intensiv komplexe und kundenorientierte Beratungs- und
Servicedienstleistungen. Gleichzeitig arbeitet das Verwaltungspersonal verstärkt im Bereich des
Organisations- und Prozessmanagements von Verwaltungsverfahren. Neben spezialisierten
Verwaltungsfachwirten, werden die Beschäftigten im Havellandkreis Prozesse steuern, gleichzeitig ITSysteme aktualisieren und pflegen, wobei die Beschäftigten in Rathenow teilweise getrennte
Aufgabenbereiche parallel bearbeiten.
2.4 Personalbedarf
Das Stichwort „Digitalisierung“ ruft oftmals nicht bei allen Mitarbeiter*innen positive Assoziationen
hervor. Vielmehr wird dieses häufig mit einem Personalabbau in Verbindung gebracht. Dabei kann die
Streichung von Stellen als ein Dauerthema in der öffentlichen Verwaltung verstanden werden.
101
Budgetärer Druck zwang in den letzten Jahren viele Verwaltungen dazu, Personal abzubauen. Kommt
nun mit der Digitalisierung ein weiterer Antrieb in der Abbauspirale hinzu?
Es gibt zahlreiche Studien die prognostizieren, dass in wenigen Jahren ein Großteil der Arbeitsplätze in
der öffentlichen Verwaltung aufgrund von Automatisierungen eingespart werden wird. Das Institut für
Arbeitsmarkt- und Berufsforschung beispielsweise sieht ein Substituierbarkeitspotential in Folge der
Digitalisierung für Verwaltungsberufe im öffentlichen Dienst von 16,2 Prozent, auf Ebene der Fachkraft
sogar bei 37,9 Prozent (IAB 2015, S. 32). Wie sich eine digitale Verwaltung auf den Personalbedarf
auswirkt, wird Bestandteil des folgenden Kapitels sein. Dabei wird zwischen den Ebenen der
Sachbearbeiter*innen, den Führungskräften und dem IT-Personal unterschieden. Zunächst wird
jedoch ein Überblick geschaffen, was unter dem Begriff des Personalbedarfs konkret zu verstehen ist.
Der Personalbedarf zeigt auf, welches Arbeitskräftepotential gegenwärtig bzw. zukünftig benötigt
wird, um die Ausführung aller betrieblichen Aktivitäten zu gewährleisten. Dabei ist zwischen
quantitativem und qualitativem Personalbedarf zu unterscheiden.
Der quantitative Personalbedarf ermittelt, wie viele Mitarbeiter*innen konkret benötigt werden, um
die betrieblichen Aufgaben zu erfüllen. Der qualitative Personalbedarf hingegen untersucht die
fachlichen Anforderungen an Mitarbeiter*innen. Es wird dabei jeder Arbeitsplatz anhand der zu
erbringenden Leistungen analysiert und anschließend besetzt. Dieses Verfahren hilft zusätzlich dabei,
qualitative Missstände aufzudecken und mittels Neuanstellung oder Weiterbildungsmaßnahmen
darauf zu reagieren und so die Qualität innerhalb des Betriebs zu verbessern.
Um den Personalbedarf zu ermitteln, ist eine Personalbedarfsplanung notwendig. Diese berechnet
nicht nur den künftigen Bedarf an Arbeitskräften, sondern kann gleichzeitig Beschäftigungsprobleme
aufzeigen und dazu dienen, diese aufzufangen. Es gibt drei Grundverfahren, um den Personalbedarf
zu ermitteln: das analytische Berechnungsverfahren, das analytische Schätzverfahren und die
Arbeitsplatzmethode. Das analytische Berechnungsverfahren ist insbesondere im Hinblick auf
Behörden und öffentliche Verwaltungen das empfehlenswerteste Verfahren. Der Personalbedarf wird
hierbei anhand von aktuellen Ist-Daten berechnet und eruiert mittels der Ergebnisse, wie hoch der
zukünftige Personalbedarf sein wird. Diese Methode eignet sich insbesondere bei feststehenden,
wiederkehrenden und quantifizierbaren Aufgaben (BMI und BVA 2018).
2.4.1 Ebene der Sachbearbeiter*innen
Auf der Ebene der Mitarbeiter*innen, die sachbearbeitende Aufgaben übernehmen, ist zwischen den
Laufbahnen zu unterscheiden. Konkret werden an dieser Stelle einerseits der mittlere, andererseits
der gehobene Dienst betrachtet.
102
Zunächst lässt sich jedoch allgemein folgende Ausgangsposition feststellen: Die Aufgabenprofile der
künftigen Mitarbeiter*innen verschieben sich. Routinemäßige und sich wiederholende Aufgaben
werden durch Automatisierungen wegfallen. Wie genau sich die Aufgaben verändern werden, lässt
sich dem Handlungsfeld „Aufgabenprofil“ (vgl. 2.3) entnehmen.
An dieser Stelle gilt es zu erwähnen, dass im Gegensatz zu anderen Variablen für den Personalbedarf
innerhalb der Best-Practice-Analyse keine Beispiele gefunden werden konnten, welche einen kausalen
Zusammenhang zwischen Personalabbau und der Digitalisierung der Verwaltung aufzeigt. Zwar lassen
sich zahlreiche Beispiele finden, in denen die Personalzahlen im Vergleich zu den Vorjahren teilweise
stark abfielen, allerdings konnte dabei kein Rückschluss auf die genauen Gründe gefunden werden.
Daher werden im Folgenden die Ergebnisse der Experteninterviews ausgewertet, um eine Aussage
über den zukünftigen Personalbedarf an Sachbearbeiter*innen treffen zu können.
Expertensicht
Mittlerer Dienst
Zu den Aufgaben für Mitarbeiter*innen, welche in einer Verwaltung im mittleren Dienst beschäftigt
sind,
zählen
unter
anderem
die
Beratung
von
Bürger*innen,
die
Vorbereitung
von
Verwaltungsentscheidungen sowie die Durchführung von sachbearbeitenden Aufgaben. Die
Auswirkungen der digitalen Arbeitswelt auf Sachbearbeiter*innen im mittleren Dienst gehört zu den
Komponenten, über deren Ausprägung die meisten Uneinigkeiten zwischen den Expert*innen
herrschte.
Durch die Verschiebungen im Aufgabenprofil verändert sich auch die Personalstruktur. Es wird von
allen Expert*innen erwartet, dass durch Automatisierungen Arbeitsplätze in diesem Aufgabenbereich
im Jahr 2030 weggefallen sein werden. Der Vertreter des IT-Planungsrates geht davon aus, dass
routinemäßige Aufgaben einen Anteil von ca. 80 Prozent einnehmen, was wiederum dazu führt, dass
80 Prozent der Arbeit durch Automatisierungen abgenommen werden. Was genau das für die
Arbeitsplätze des Verwaltungspersonals im Landkreis bedeutet, brachte unterschiedliche Meinungen
hervor. Während insbesondere die Vertreter*innen aus der Wirtschaft einen Personalabbau
prognostizieren, sind die Expert*innen aus der Praxis anderer Auffassung. Es wurden drei
Vertreter*innen aus Kommunen interviewt, welche im Rahmen des Projekts „Modellkommunen EGovernment“ 2014 ausgewählt wurden. In diesen Kommunen wurden bereits große Fortschritte
hinsichtlich einer digitalen Verwaltung gemacht, weswegen diese Erfahrungen von großem Wert für
dieses Konzept sind. Das Ergebnis unterscheidet sich dahingehend von den anderen Expert*innen,
dass alle drei Modellkommunen aussagen, dass die Digitalisierung zu keinem Stellenabbau geführt hat.
Dies begründeten sie durch die Verschiebung der Aufgabeninhalte und eine damit verbundene
Verschiebung des Personals. Dieses konnte nun an anderer Stelle, an der durch eine zunehmende
103
Komplexität der Aufgaben mehr Bedarf herrscht, eingesetzt werden. Das bedeutet, dass die
Digitalisierung zwar einen Großteil an Arbeitsplätzen gekostet hat, welche hauptsächlich durch
Sachbearbeiter*innen im mittleren Dienst wahrgenommen wurden, allerdings hatte dies keinen
Abbau des Personals zur Folge. Vielmehr wurde dieses auf andere Positionen verschoben. Durch eine
solche Verschiebung können Arbeitskapazitäten eingespart werden, welche für die Erfüllung weiterer
Aufgaben benötigt werden. Dies wiederum führt dazu, dass beispielsweise die Abarbeitung von
Anträgen schneller erfolgen kann, was zudem die Zufriedenheit seitens der Bürger*innen steigert. Es
wurde betont, dass der Kontakt zu Bürger*innen auch weiterhin bestehen wird. Das bedeutet, dass
durch den Wegfall von repetitiven Aufgaben der Interaktion mit den Bürger*innen mehr Zeit und Raum
geschaffen werden kann.
Gehobener Dienst
Mitarbeiter*innen im gehobenen Dienst übernehmen neben Sachbearbeitungsaufgaben zusätzlich
auch Führungsaufgaben. Das bedeutet, dass sie neben den Aufgaben im sachbearbeitenden Bereich
und der Beratung von Bürger*innen auch Verwaltungsentscheidungen treffen und ihnen unterstellte
Mitarbeiter*innen leiten. Die Sachbearbeitungsaufgaben unterscheiden sich dabei von den
Kolleg*innen im mittleren Dienst aufgrund ihrer Komplexität und ihres Anspruches.
Es wurde eine Unterteilung zwischen mittlerem und gehobenem Dienst vorgenommen, weil sich das
Aufgabenprofil zwischen diesen beiden Laufbahnen unterscheidet. Mitarbeiter*innen im gehobenen
Dienst bearbeiten bereits jetzt Fälle, welche aufgrund ihrer Komplexität nur schwer automatisiert
werden können. Das bedeutet, dass diese auch weiterhin zu einem Großteil manuell gelöst werden
müssen. Das wiederum hat zur Folge, dass die Expert*innen an dieser Stelle ebenfalls keinen
Personalabbau sehen. Vielmehr wird der Personalbedarf in dieser Laufbahn aufgrund von einer
zunehmenden Komplexität der Arbeit, beispielsweise durch Informationssicherheit, steigen. Diese
Bedarfserfüllung muss jedoch nicht zwingend durch Neueinstellungen durch Externe erfolgen, sondern
kann durch die bereits beschriebenen Verschiebungen des eigenen Personals stattfinden. Dieses ist
bereits innerhalb der internen Abläufe und Systeme geschult, weshalb an dieser Stelle eine schnelle
und reibungslose Übernahme der Aufgaben gelingen kann. Auch wird hier der Kundenkontakt
weiterhin notwendig sein. Insbesondere Menschen, welche komplexe Anliegen haben, bedürfen
oftmals einer persönlichen Beratung. Da Mitarbeiter*innen im gehobenen Dienst auch
Führungsaufgaben übernehmen können, welche zukünftig mehr gefordert sein werden, kann auch
hier kein sinkender Personalbedarf festgestellt werden.
Zwischenfazit
Zusammenfassend ist davon auszugehen, dass im Jahr 2030 der Bedarf an Sachbearbeiter*innen im
mittleren Dienst in der Landkreisverwaltung Havelland abgenommen haben wird. Dies bedeutet
104
jedoch nicht, dass dieses Personal freigesetzt werden muss. Stattdessen ist eine qualitative Analyse
der Arbeitsplätze ratsam. Diese hilft aufzuzeigen, an welcher Stelle Personal durch Automatisierung
eingespart und an welchen anderen Arbeitsplätzen dieses eingesetzt werden kann. Durch die
zunehmende Komplexität der Aufgaben können Sachbearbeiter*innen an eben jenen Arbeitsplätzen
eingesetzt werden, in denen die Aufgabenvielfalt zunehmen werden. Zudem ermöglichen
Weiterbildungsmaßnahmen den Aufstieg von Sachbearbeiter*innen vom mittleren in den gehobenen
Dienst. Diese können anschließend drohende Personallücken aufgrund zunehmender Komplexität
auffangen.
Aufgrund dieser Ergebnisse wird davon ausgegangen, dass zumindest in der Übergangsphase der
aktuelle Personalbedarf in der Landkreisverwaltung erhalten bleiben wird, um den Wandel zu
gestalten. Das bedeutet, dass keine Entlassungen jetziger Mitarbeiter*innen notwendig sein werden.
Auf Ebene der Sachbearbeiter*innen im mittleren Dienst wird davon ausgegangen, dass zukünftige
Neubesetzungen der Stellen zu einem Großteil nicht notwendig sein werden.
2.4.2 Ebene der Führungskräfte
Gute Praxis und Expertensicht
Wie bereits innerhalb des Handlungsfeldes der Kompetenzen (vgl. 2.2) beschrieben wurde, werden
Führungskompetenzen zukünftig immer wichtiger werden. Das bedeutet, dass der Bedarf an
Führungskräften im Jahr 2030 in der Landkreisverwaltung Havelland voraussichtlich gestiegen sein
wird.
Führungskräfte in der öffentlichen Verwaltung sind ein zentraler Bestandteil für die Funktionsfähigkeit
dieser. Sowohl die Best-Practice-Analyse, als auch die anschließenden Experteninterviews haben
gezeigt, dass sich sowohl die Rolle, als auch die Aufgaben von Führungskräften zukünftig verändern
werden. Während Führungskräfte heute noch zu einem Großteil kontrollieren und Befehle erteilen,
sollen sie zukünftig mehr als ein Coach verstanden werden, welcher seine unterstellten
Mitarbeiter*innen motiviert und dafür Sorge trägt, dass diese unter günstigen Rahmenbedingungen
ihr Potential optimal entfalten können. Eine Führungskraft sollte ihre Mitarbeiter*innen und deren
individuellen Interessen kennen und versuchen, diese mit den Zielen der Organisation zu vereinbaren
(u.a. Eisvogel, 2014, 7ff.). Welche weiteren Kompetenzen Führungskräfte der Zukunft besitzen sollten,
ist dem Handlungsfeld über die Kompetenzen (vgl. 2.2) zu entnehmen.
Oftmals zeigt sich erst nach Anstellung neuer Führungskräfte, ob diese die erforderlichen
Führungsqualitäten auch wirklich besitzen und nach außen tragen können. Daher haben sich in der
Praxis verschiedene Methoden entwickelt, mit Hilfe derer die Führungsqualität erhöht werden soll. So
werden neben der Verpflichtung zu zahlreichen Weiterbildungsseminaren auch Modelle wie die
105
Einstellung von Führungskräften auf Probe eingeführt. Im Kreis Soest beispielsweise werden neue
Führungskräfte zunächst für zwei Jahre auf Probe eingestellt (Deutscher Landkreistag, 2013, S. 14).
Die Experteninterviews haben ergeben, dass ein Wandel der Führungsebenen stattfinden wird bzw.
im Jahr 2030 bereits stattgefunden hat. Während weiterhin die Landrätin beziehungsweise der
Landrat, Dezernent*innen sowie Abteilungsleiter*innen im Havelland von zentraler Bedeutung sein
werden, wird auf den Ebenen darunter mehr Führungspotential notwendig sein. Die Arbeit wird
zunehmend projektbasierter abgehalten werden, parallel werden sich mehr Arbeitsgruppen gebildet
haben (vgl. Kapitel 4). Das bedeutet, dass in den einzelnen Arbeitsgruppen Führungskräfte notwendig
sein
werden.
So
werden
neben
den
Referatsleiter*innen
die
Sachgebiets-
und
Arbeitsgruppenleiter*innen wichtiger. Diese Aufgaben können von Mitarbeiter*innen im gehobenen
Dienst übernommen werden.
Da davon ausgegangen wird, dass sich Führungskräfte zukünftig weniger mit inhaltlichen Fragen,
sondern verstärkt mit reinen Führungsaufgaben auseinandersetzen werden, wurde vom Experten aus
dem Bundesverwaltungsamt darauf hingewiesen, dass eine Öffnung der Landkreisverwaltung für diese
Positionen hinsichtlich der Ausbildung und Qualifikation notwendig sein wird.
2.4.3 Ebene des IT-Personals
Expertensicht
Durch die voranschreitende Digitalisierung steigt gleichzeitig der Bedarf an IT-Fachkenntnissen. Jedoch
sieht sich die öffentliche Verwaltung mit einer starken Konkurrenz aus der freien Wirtschaft
konfrontiert. Aufgrund von fehlenden finanziellen Mitteln ist es der öffentlichen Verwaltung meist
nicht möglich, konkurrenzfähig zu sein. Jedoch gibt es verschiedene Möglichkeiten, qualifiziertes ITPersonal für die öffentliche Verwaltung zu finden. Genaue Strategien lassen sich innerhalb des
Handlungsfeldes „Personalgewinnung“ (vgl. 2.6) nachlesen.
An dieser Stelle soll lediglich auf die durch die Expert*innen genannten Lösungen, welcher der
steigende Bedarf mit sich bringt, eingegangen werden. Da qualifiziertes IT-Personal für eine öffentliche
Verwaltung schwer zu finden ist, wird es notwendig sein, zunehmend auf die Weiterbildung des
eigenen Verwaltungspersonals zu setzen. Interessierte und geeignete Mitarbeiter*innen würden
beispielsweise bei der Einrichtung einer neuen Software durch den Softwarehersteller geschult
werden. Diese „Experten“ schulen dann wiederum das gesamte Verwaltungspersonal und helfen
diesem bei auftretenden Problemen. Die Schulung solcher „Experten“ hat den Vorteil, dass das eigene
Personal die spezifischen Abläufe besser kennt als der Hersteller der Software, sodass irrelevante
Extras nicht vermittelt würden, sondern sich lediglich auf die für die eigenen Aufgaben wichtigen
Abläufe konzentriert werden kann.
106
Neben diesen Schulungsmaßnahmen wurden sowohl bei der Best-Practice-Analyse, als auch bei den
Experteninterviews die Einrichtung und Beteiligung an sogenannten IT-Pools als künftige Lösung für
den steigenden Bedarf an der Steuerung von IT-Prozessen genannt. Solche Pools werden gemeinsam
mit anderen Verwaltungen gepflegt und genutzt. Sie bestehen aus mehreren IT-Fachkräften, auf
welche bei Bedarf zurückgegriffen werden kann. Ein ähnliches Pool besitzt die Finanzbehörde
Hamburg. Dieses ist jedoch nicht nur für IT-Fachkräfte gedacht, sondern allgemein für die Umsetzung
von IT-Projekten. Dieses besteht aus derzeit 16 Mitarbeiter*innen und kann von den Behörden und
Landesbetrieben Hamburgs bei IT-Projekten konsultiert werden (IT-Planungsrat 2017, S. 28). Als
weiteres Beispiel für einen solchen Pool lässt sich der Service experts on demand des international
agierenden Dienstleisters t-systems nennen, welcher zur Telekom AG gehört. Dieser bietet
Organisationen weltweit ein Pool aus über 100.000 IT-Expert*innen unterschiedlichster
Spezialisierungen an, auf welche diese bei Bedarf zugreifen und für einen notwendigen Zeitraum in
ihre Organisation holen können (t-systems, o.D.). Dieses Prinzip der Nutzung von IT-Fachkräften auf
Zeit wird vielfach als eine Lösungsstrategie genannt, um den steigenden Bedarf an der Steuerung von
IT-Prozessen in einer Verwaltung trotz budgetären Druckes zu begegnen.
2.5 Personalentwicklung und Weiterbildung
Wirkungsvolle Personalentwicklungsmaßnahmen helfen Verwaltungseinrichtungen anfallende
Anforderungen effizient und effektiv zu bearbeiten, denn nicht bei jeder Veränderung und Innovation
können neue Verwaltungsangestellte eingestellt werden. Zum einem aufgrund der Kostenintensität,
zum
anderen
schadet
eine
lange
Einarbeitungszeit
der
Prozesseffizienz
sowie
der
Mitarbeitermotivation. Gerade im Hinblick auf den demografischen Wandel in Verbindung mit der
Digitalisierung steigt der Bedarf an Weiterbildung in der Landkreisverwaltung Havelland, die zum Ziel
hat, alle Mitarbeiter*innen eines tendenziell alten Verwaltungsapparats an die neuen, digitalen
Gegebenheiten heranzuführen und Fach- und Spezialwissen zu vermitteln. Arbeitnehmer*innen sollen
dadurch an neue Arbeitsfelder und Aufgabenstrukturen herangeführt werden. Auch insbesondere die
Art und Weise wie (zusammen)-gearbeitet wird, ändert sich durch die Digitalisierung radikal. Auch der
Landkreis Havelland fördert Qualifizierungs- und Berufsausbildungsmaßnahmen, wodurch sich eine
starke Relevanz für das Thema im Landkreis Havelland ausmachen lässt. Zuletzt wurden diese in der
Dienstvereinbarung Nr. 606 (01/2016), in der Landrat und der Vorsitzende des Personalrats sich unter
anderem auf folgende Inhalte verständigen konnten, festgehalten:
Qualifizierung ist gemeinsames Interesse von Beschäftigten, Beamten und Arbeitgeber, da dies zur
Steigerung von Effektivität und Effizienz führt, Verbesserung der Dienstleistungen für den Bürger,
Motivation der Beschäftigten und Förderung von Nachwuchskräften
Kostenbeteiligungsregelung, Treueverpflichtung und Bildungsfreistellung
107
Art der Qualifizierung/Förderung: Erhaltungs- und Einführungsqualifizierung, Fort- und
Weiterbildung sowie Umschulung
Art und Weise der Planung: Bedarfsanalyse mit Fachvorgesetzten (mind. einmal im Jahr), um
eine individuelle Qualifizierungsvereinbarung zu schließen
Die Literatur beschreibt Personalentwicklung als die zielgerichtete Qualifikation und Weiterbildung
von Arbeitnehmer*innen im Hinblick auf die spezifischen Anforderungen einer Organisation. Dies
umfasst
berufsbegleitende
und
-einführende
sowie
arbeitsplatznahe
Aus-
und
Weiterbildungsmaßnahmen. Ziel ist es, eine langfristige Personalplanung, trotz immer unsicherer und
wandelnder Umweltbedingungen, sicherzustellen. Des Weiteren können die Maßnahmen zum Halten
und Fördern von Mitarbeiter*innen und somit auch als Attraktivitätsfaktor für potenzielle
Bewerber*innen
dienen.
Zudem
werden
Arbeitsmotivation,
Arbeitszufriedenheit
und
Leistungspotenzial gesteigert und Fluktuationskosten sowie Fehlzeiten gesenkt. Somit stellt die
Personalentwicklung einen strategischen Erfolgsfaktor für die gesamte Organisationsentwicklung dar.
Im Hinblick auf die zu gestaltende Vision für das Personal der Landkreisverwaltung im Havelland 2030
wurde die Personalentwicklung und Weiterbildung anhand von Literaturrecherche und
Experteninterviews als eines von sechs relevanten Handlungsfeldern identifiziert. Im Zuge weiterer
Best-Practice-Analysen und Experteninterviews wurden die vier Dimensionen Art der Fortbildung,
Zertifizierung/Personalentwicklung, Inhalte und Personengruppen entwickelt. Die entsprechenden
Ergebnisse werden in den folgenden Abschnitten beschrieben.
2.5.1 Art der Fortbildung
Die „Art der Fortbildung” beschreibt die Art und Weise der Übermittlung von Weiterbildungsinhalten
an die Verwaltungsangestellten der Landkreisverwaltung. Ziel ist die Etablierung von innovativen
Konzepte, die einen reibungslosen Wissenstransfer ermöglichen und zugleich Verwaltungsangestellte
motivieren, sich in neue Aufgabenfelder und -strukturen einzuarbeiten. Eine bewährte Methode ist
Blended Learning, welches eine Kombination aus unterschiedlichen Medien und Methoden zur
Wissensvermittlung beschreibt. Diese Mischform hilft dabei Inhalte nachhaltig und flexibel zu
vermitteln (Davis, 2001). Dies ist vor allem im Hinblick auf die flexiblen und ortsunabhängigen
Arbeitsmodelle der Verwaltungsangestellten im Landkreis Havelland ein entscheidender Faktor. Des
Weiteren ist die 70-20-10-Regel ein hilfreicher Ratgeber bei der Planung der Fortbildungsmaßnahmen,
die der Wissenschaftler Charles Jennings entwickelt hat. 70 Prozent des neuen Wissens eignen sich
Mitarbeiter*innen informell durch Aufgaben und Herausforderungen in der Praxis an. 20 Prozent
lernen Arbeitnehmer*innen durch ihre Kolleg*innen im Berufsalltag und 10 Prozent von Wissen
entsteht durch die Teilnahme an klassischen Maßnahmen wie Vorträgen und Workshops (Haufe,
108
2019). Hierdurch kann die Verteilung und der Aufbau der Blended Learning Gestaltung zwischen
Seminaren, Selbstlernen, Training on the Job und internen Projekten gesteuert werden.
In der Vision 2030 hat der Landkreis Havelland eine E-Learning-Plattform etabliert, welche
Verwaltungsangestellten
eine
unkomplizierte
und
dem
individuellen
Profil
angepasste
Weiterbildungsangebote nach den vorherig beschriebenen Paradigmen zur Verfügung stellt. Hierbei
ist eine enge Verzahnung zwischen On- und Offline-Maßnahmen gegeben, der persönliche
Wissenstransfer und die Möglichkeit der Anwendung von Gelerntem stehen im Vordergrund. Die
Plattform hat die Möglichkeit, das schon vorhandene Wissen zu kategorisieren, um den
Wissenstransfer zwischen Angestellten zu vereinfachen und somit ein digitales Wissensnetzwerk zu
erschaffen.
Im
Jahr
2030
fördert
der
Landkreis
Havelland
auch
arbeitsferne
Weiterbildungsmaßnahmen. Hierzu würden zum Beispiel Sprach- und Kunstkurse zählen. Dies fördert
Beschäftige in ihrer Kreativität und hilft in immer agiler-werdenden Arbeitsmethoden in
interdisziplinären Teams ein Out-of-the-Box-Denken zu etablieren.
Gute Praxis
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie fordert in der „Digitale Strategie 2025” unter
anderem neue didaktische Mittel und Verbreitungswege sowie interaktive Lernformate, die für einen
erweiterten Zugang zu Wissen sorgen (BMWE, 2016, S. 49). Diese Erkenntnis müsste auch in den
Landkreisen übernommen werden. Organisationen haben längst erkannt, dass ein Wandel bei Bildung
und Ausbildung notwendig ist. Schon heute sind sich acht von zehn Organisationen über alle Branchen
hinweg darüber im Klaren, dass die Weiterbildung ihrer Fachkräfte für die digitale Arbeitswelt
entscheidend ist, insbesondere auch für die eigene Konkurrenzfähigkeit (BMWI, 2016, S.50). Diese
Erkenntnis, die insbesondere für die Wirtschaft gilt, könnte ebenso als Paradigma für die Verwaltung
gesehen werden. Im Allgemeinen lässt sich auch in der nationalen Strategie eine Forderung nach
Wandel in der Art der Fortbildung erkennen.
Ergebnisse einer bundesweiten Umfrage (96 Kommunen) zum Thema Personalentwicklung in der
Kommunalverwaltung aus dem Jahr 2017 gewähren folgende Einblicke (Franke, 2017). Die befragten
Kommunen bieten zu:
98,9 Prozent externe Seminare
91,5 Prozent interne Seminare Mitarbeitergespräche
89,4 Prozent Mitarbeitergespräche
66,0 Prozent Messen
65,4 Prozent Coaching
54,3 Prozent Teamentwicklung
109
34,0 Prozent Berufsbegleitende Masterstudiengänge
5,3 Prozent Führungskräfte Feedbacks an.
Zu erkennen ist, dass vielen Kommunen die Entwicklung von Mitarbeiter*innen wichtig ist, jedoch die
Formen der Weiterbildung noch stark variieren. Eine umfassendere Durchmischung könnte umgesetzt
werden, um weitere Lernpotenziale freizusetzen.
Expertensicht
Die Aussagen, die zur Art der Fortbildung aus Expertensicht getroffen wurden sind heterogen. Vor
allem wird von den Expert*innen gefordert, dass alle Mitarbeiter*innen im Umgang mit digitalen
Hilfsmitteln geschult werden, damit keine Nachteile für Nicht-Digital-Natives entstehen. Digitale
Grundlagen können vor allem durch praxisnahe Schulungen und persönlichem Wissenstransfer
geschult werden. Schulungen sollten dabei immer so angelegt sein, dass die geschulten
Mitarbeiter*innen als Multiplikator*innen in der Landkreisverwaltung Havelland agieren können, und
ihr Wissen im Rahmen von Schulungen oder informell innerhalb der Landkreisverwaltung weitergeben.
Die Expert*innen sind sich darüber einig, dass im Voraus einer Weiterbildungs- und
Qualifizierungsmaßnahme, zunächst eine Bedarfsanalyse bei jeder/-m Mitarbeiter/-in individuell
durchgeführt werden muss. Danach sollte ein Schulungsplan entwickelt werden, der nutzer- bzw.
mitarbeiterorientiert gestaltet ist. Dieses Vorgehen wird bereits in der Landkreisverwaltung im
Havelland angewendet, jedoch müsste dies im Jahr 2030 ein ständiger Prozess sein, der sowohl digital
als auch monatlich in einem Gespräch abgebildet werden kann. Darauf aufbauend sollten dynamische
E-Learning-Tools angewendet werden, die auf die individuellen Nutzerbedürfnisse eingehen und
flexibles zeit- und ortsunabhängiges Lernen zulassen.
2.5.2 Personalplanung
Unter Zertifizierung, in Bezug auf das Personalwesen, sind alle Maßnahmen eines Arbeitgebers zu
verstehen, die formelle und informelle Qualifikationen von Mitarbeiter*innen bescheinigen. Hierzu
zählen zum Beispiel Abschlüsse von Berufsausbildungen oder Hochschulzeugnisse, aber auch
Zertifikate, die die Fähigkeit der Bedienung eines Fachverfahrens nachweisen. In der
Landkreisverwaltung Havelland sind zur Ausübung bestimmter Aufgaben aktuell bestimmte Zertifikate
notwendig.
Personalplanung beschreibt die Maßnahmen, die eine Verwaltung ergreift, um in naher, mittlerer und
ferner Zukunft, die erforderlichen Mitarbeiter*innen zu beschäftigen, um die anvisierten Ziele zu
erreichen.
Immer mehr Fähigkeiten werden informell erworben, entweder durch die Adaption von anderen
Mitarbeiter*innen oder auch durch das eigene Engagement (selbstorganisiertes Lernen).
110
Vorkenntnisse aus anderen Arbeitsverhältnissen werden Arbeitnehmer*innen oft nicht umfassend
bescheinigt. Gerade aus diesen Gründen ist im Jahr 2030 in der Landkreisverwaltung im Havelland, ein
zusammenhängendes
Zertifizierungssystem
etabliert,
welches
Qualifikationen
transparent
bescheinigt. Auf Grundlage dessen ist eine dynamische Personalplanung möglich. Die
Personalabteilung des Landkreises Havelland hat hierdurch einen genauen Überblick über alle
Qualifikationen der einzelnen Mitarbeiter*innen und kann so Anreizsysteme schaffen, die
Weiterbildungsmaßnahmen
von
Individuen
mit
den
Anforderungen
freigewordener
Stellenbeschreibungen zu verbinden. Dadurch ist eine zukunftsorientierte Personalplanung möglich,
die stets die Besetzung aller Stellen garantiert.
Gute Praxis
Evolution des Lernens (IEB, 2019):
●
●
●
●
Lernen 1.0:
○ Belehrung in der Präsenzschulung
○ Unsortiert auf Vorrat
○ Wenig nachhaltiger Lerneffekt
○ Großer Verlust zwischen Energieaufwand und Einsatz
Lernen 2.0:
○ Lernen mit technischen Hilfsmitteln
○ Verbundene Informationen
○ Kein emotionaler Kontext zum Stoff
○ Erhöhung der Zugänglichkeit von Wissen
Lernen 3.0:
○ Mit digitalen Hilfsmitteln
○ Keine direkte Verbindung zwischen Zeitpunkt und Gebrauch
○ Keine Anwendung
○ Verhältnismäßig große neue Speicherkapazitäten zum Sammeln von Informationen
Lernen 4.0:
○ Kontextbasiertes und vernetztes Lernen
Das kontextbasierte Lernen entsteht durch individuelle Anwendungsfälle am eigenen Arbeitsplatz. Um
diese Form des Lernens weiter zu fördern, bedarf es Zertifizierungssystemen, die informell erworbenes
Wissen bescheinigen. Hierdurch werden Anreize für Mitarbeiter*innen geschaffen. Die Zertifizierung
der Absolvierung von Tests kann durch Kolleg*innen erfolgen.
Die Digitalisierungsstrategie von Nordrhein-Westfalen erkennt die Wichtigkeit von Qualifikation und
Zertifizierung an. Hierdurch würden Mitarbeiter*innen motiviert. Außerdem ist es ebenfalls für
Arbeitnehmer*innen einfacher, sich gegen Unsicherheiten der Zukunft zu rüsten (NRW, 2018, S.28).
Das Land Nordrhein-Westfalen setzt auf Qualifizierung und Zertifizierung von neu gewonnenem
Wissen als wichtigen Schritt in eine digitale Zukunft. Hierfür werden Arbeitnehmer*innen mit Mitteln
111
des Landes gefördert. Ziel ist es unter anderem auch digitale Themen prominenter zu platzieren und
Bewusstsein für den stattfindenden Umschwung zu schaffen.
Expertensicht
Auch zum Thema Zertifizierung und Personalplanung zeigt sich bei den Expert*innen ein heterogenes
Meinungsbild. Ein wichtiger inhaltlicher Schwerpunkt der Experteninterviews war, dass Qualifikationsund Zertifizierungsmaßnahmen in der konkreten Fachlichkeit erfolgen müssen, so dass eine
dynamische Personalplanung etabliert werden kann. Des Weiteren sollte es ein digitales System
geben, welches die Qualifikation der Mitarbeiter*innen sowie die ausgeschriebenen Stellenanzeigen
miteinander vergleicht, um eventuelle Weiterbildungsmaßnahmen den Mitarbeiter*innen
vorzuschlagen. Ziel sollte es laut Expert*innen immer sein, das Qualifikationsniveau konstant
anzuheben. Dies gelinge vor allem mit einem auf die gesamte Verwaltung abgestimmten
Schulungsplan. Weiterbildungssysteme müssen sich am Zertifizierungsstatus der Mitarbeiter*innen
ausrichten und davon ausgehend einen Schulungsplan entwickeln.
2.5.3 Inhalte der Personalentwicklung
Inhalte von Weiterbildungsmaßnahmen im Landkreis Havelland sind laut Dienstvereinbarung 606:
Fortentwicklung von fachlichen, methodischen und sozialen Kompetenzen
Erwerb zusätzlicher Qualifikationen und Schlüsselqualifikationen
Umschulungsmaßnahmen zur Arbeitsplatzsicherung
Im Jahr 2030 sind diese Inhaltstypen erhalten, mit dem Zusatz, dass Mitarbeiter*innen von der
Verwaltung unabhängige Fortbildungen besuchen können, wie z. B. einen Sprach- oder Fotokurs. Dies
dient dazu, die Kreativität der Mitarbeiter*innen zu fördern und Problemlösungsfähigkeiten in
anderen Gebieten zu erlangen, die dann anschließend auf Verwaltungsaufgaben angewendet werden
können.
Des Weiteren hat der Landkreis Havelland im Rahmen der Digitalisierung eine Grundlagenqualifikation
entwickelt, welche zum Arbeiten mit digitalen Hilfsmitteln sowie allgemein zur Digitalisierung, Wissen
vermittelt. Mitarbeiter*innen verstehen hierdurch die Wirkungszusammenhänge der verschiedenen,
digitalen Themen. Sie werden dazu befähigt, aktiv an der möglichen Integration weiterer digitaler
Lösungen mitzuarbeiten. Themen, die hier besonders im Fokus stehen, sind: Big Data, Algorithmen,
Open Data, Open Government, Künstliche Intelligenz und Datenschutz. Meta-Themen betreffen vor
allem die digitalen Möglichkeiten der Kommunikation. Hier ist es wichtig, ein Bewusstsein dafür zu
schaffen, in welchen Fällen digitale Lösungen zur Effizienz beitragen und in welchen sie einen Prozess
eher hindern. Hauptthemen sind hier der Einsatz von digitalen Tools, Projektmanagement, Teamarbeit
und die Nutzung digitaler Kanäle.
112
Die Schulung von Fachverfahren, die täglich von Verwaltungsangestellten benutzt wird, ist sinnvoll und
wird beibehalten. Jedoch werden diese Fachverfahren in Zukunft immer einfacher und intuitiver zu
bedienen sein, so dass nur noch der zu bearbeitende Themenkomplex inhaltlich zu verstehen sein wird.
Gute Praxis
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie fordert in dem Papier „Digitale Strategie 2025” den
Wandel von Bildung und Ausbildung von heutigen und zukünftigen Mitarbeiter*innen. Gerade im
Hinblick auf die digitale Welt, soll in Deutschland Konkurrenzfähigkeit gewährleistet sein (BMWI, 2016,
S.49). Wichtige Kenntnisse sind vor allem:
Datenanalyse (45 Prozent)
Social Media (35 Prozent)
Programmieren (35 Prozent)
Datenschutz und Datensicherheit (25 Prozent).
Die Aussagen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie lassen erkennen, dass zukünftig
digitale Themen in Schulungen und Weiterbildungen aufgegriffen werden. Hierbei ist ein
grundsätzliches Verständnis für Digitalisierung notwendig. Dies ist auch eine sinnvolle Richtlinie für
den Landkreis Havelland.
Expertensicht
Auch die Expertenmeinung zu den Inhalten Personalentwicklung und Weiterbildung divergieren.
Konsens der Expert*innen ist, dass eine digitale Grundbildung zumindest notwendig ist. Diese
Grundlage sollte bei allen Mitarbeiter*innen geschaffen werden, so dass ein gemeinschaftliches
Verständnis in der Art und Weise wie Sachverhalte bearbeitet werden, entwickelt werden kann.
Hierbei sollte auf die Möglichkeiten der klassischen Frontalschulung, zusammen mit e-Learning und
Praxisaufgaben zurückgegriffen werden, damit die verschiedenen Aspekte bestmöglich erklärt werden
können. Wichtig ist hierbei laut Expert*innen, Zusammenhänge zwischen den verschiedenen
Themengebieten herzustellen.
Eine weitere Voraussage der Expert*innen ist, dass es im Jahr 2030 immer weniger reine
Wissensvermittlung geben wird. Es wird mehr Methodenwissen gefragt sein, sodass in
interdisziplinären Teams, Aufgaben entlang einer Methode gelöst werden können.
Der Wissenstransfer und die Anwendung in der Praxis sind wichtige Bestandteile. Laut Expert*innen
erlernen Mitarbeiter*innen neue Inhalte so am sinnvollsten.
113
2.5.4 Personengruppen
Der Landkreis Havelland beschäftigt Angestellte im mittleren (E/A6 – E/A9), gehobenen (E/A9 – E/A13)
und höheren Dienst (E/A13 – E/A16), wobei die Mehrheit in der Landkreisverwaltung im gehobenen
Dienst arbeitet (Haushalt 2018). Anhand der Besoldungsgruppen werden Mitarbeiter*innen auch
unterschiedliche Konditionen bei der Wahrnehmung von Weiterbildungsmaßnahmen angeboten (z. B.
bei Qualifizierungsmaßnahmen von mehr als zehn Arbeitstagen im Jahr).
Im Jahr 2030 werden Weiterbildungsmaßnahmen aufgrund eines individuellen Persönlichkeitsprofils
erstellt und ermittelt. Mitarbeiter*innen werden hierfür aufgrund von Vorkenntnissen eingestuft,
Hierarchien und Besoldungsstufen sind keine entscheidenden Faktoren für die Einordnung. Des
Weiteren sollten je nach Einsatzgebiet und Verantwortungsbereich unterschiedliche Maßnahmen
ergriffen werden.
Trends für die Zukunft sind: Mitarbeiter*innen im mittleren Dienst werden stärker in die
Kundeninteraktion mit eingebunden und sollen auf digitalen und analogen Kanälen mit den
Bürger*innen kommunizieren. Mitarbeiter*innen aus dem gehobenen und höheren Dienst müssen die
Zusammenhänge der Digitalisierung verstehen und Potenziale erkennen, wie neue, digitale
Möglichkeiten
eingesetzt
werden
können.
Zu
jedem
Zeitpunkt
der
Fortbildung
der
Verwaltungsangestellten wird ein Kontakt zu Themen der Digitalisierung oder vernetztem Arbeiten
hergestellt sein. So könnten in den Rahmenplänen von Ausbildung und Studium, digitale Inhalte einen
elementaren Anteil bilden. Arbeitnehmer*innen, die bereits eine Ausbildung abgeschlossen haben,
könnten sich in Zukunft dem Paradigma des lebenslangen Lernens anschließen und offen für neue
Inhalte sein.
Gute Praxis
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales fordert in seinem, durch ein Dialog-Format
entstandenem, Weißbuch – Arbeiten 4.0, die schrittweise Erweiterung der Kompetenzen, welche eine
zentrale Aufgabe der Personalentwicklung darstelle. Weiterbildung und individuelle Teilhabe seien
zentrale Stellschraube für alle Mitarbeiter*innen (BMAS, 2016b, S. 106). Hierdurch wird zusätzlich
deutlich, dass von Weiterbildungen keine Personengruppen ausgeschlossen werden sollten und dass
zur persönlichen Entwicklung die Weiterbildung elementar ist.
Die Digitale Akademie Baden-Württemberg verfolgt das Ziel, Führungskräfte aus der Verwaltung auf
die Potenziale, die der digitale Wandel bietet, aufmerksam zu machen. Der Grund dafür ist: Die
Führungskräfte haben eine Schlüsselrolle. Ihre Aufgabe ist es, die digitale Transformation zu gestalten.
In innovativen Formaten lernen Mitarbeiter*innen in der Führungsakademie die Kompetenzen, die für
den digitalen Wandel erforderlich sind (DABW, 2019). Solche Fortbildungsmaßnahmen sind sehr
114
positiv zu bewerten, da Entscheider*innen die Möglichkeiten der Veränderung aufgezeigt und für
mögliche Lösungen sensibilisiert werden.
Expertensicht
In den Experteninterviews gab es wenige Äußerungen, die spezifische Personengruppen betreffen.
Einige Expert*innen sind jedoch der Meinung, dass Mitarbeiter*innen aus Personengruppen, deren
Berufsbild durch Automatisierung stark verändert oder ersetzt wird, sich im Thema Kundeninteraktion
weiterbilden sollten, damit eine Nähe zum Bürger auch in Zukunft sichergestellt ist.
Eine weitere interessante aber zum Teil widersprüchliche Aussage ist, dass Expert*innen
Generalist*innen in der Verwaltung fordern, die eine gewisse Grundbildung mitbringen, dann jedoch
flexibel in verschiedenen Bereichen und Projekten eingesetzt werden können.
2.6 Personalgewinnung
Der Zusatz der Personalgewinnung wird in diesem Bericht als eine Art Handreichung für den Landkreis
Havelland verstanden. Anders als bei den vorherigen Handlungsfeldern verändert die Digitalisierung
diese nicht grundlegend, sondern erweitert ihre Möglichkeiten. Die bisherigen Ausführungen haben
gezeigt, dass die Arbeit in der digitalisierten Verwaltung immer komplexer wird und daher vermehrt
nach qualifiziertem Personal gesucht werden muss. Da die Landkreisverwaltung Havelland künftig
verstärkt mit der Privatwirtschaft um Personal konkurrieren wird, muss dieses gezielt und über neue
Wege angesprochen werden. Ebenfalls ist wichtig, dass die Landkreisverwaltung ihren Markenkern
herausstellt, um als attraktiver Arbeitgeber im Havelland qualifiziertes Personal finden zu können.
Personalgewinnung gilt als ein Aspekt des Personalmanagements und meint die Beschaffung von
neuen Mitarbeiter*innen. Synonym werden dafür auch die Begriffe der Personalrekrutierung der
Personalbeschaffung genannt. Es lassen sich zwei Arten der Personalgewinnung definieren, die
externe und die interne. Interne Personalgewinnung meint, dass innerhalb der Organisation Personal
an die Stellen verschoben wird, an denen es benötigt wird. Diese Art der Personalbeschaffung bringt
einige Vorteile mit sich. So sind die Fähigkeiten samt Stärken und Schwächen der Bewerberin
beziehungsweise des Bewerbers bekannt und die Fluktuationswahrscheinlichkeit sinkt. Zudem kann
die Aussicht auf eine Besetzung auf eine Stelle in höherer Position motivierend auf das eigene Personal
wirken. Bei der externen Personalgewinnung hingegen werden die zu besetzenden Stellen
ausgeschrieben und durch Externe besetzt. Durch die Einstellung neuer, betriebsfremder
Mitarbeiter*innen können neue Perspektiven Einzug in die Organisation finden (Onpulson, o.D.).
2.6.1 Ansprache von Bewerberinnen und Bewerbern
Es gibt zahlreiche Wege, neue Mitarbeiter*innen für eine Position in der Landkreisverwaltung
Havelland anzusprechen.
115
Gute Praxis und wissenschaftliche Debatte
Soziale Medien und Netzwerke sind zu einem wichtigen Bestandteil im Leben von jungen
Mitarbeiter*innen geworden. Ein Ende dieses Trends wird auch für das Jahr 2030 nicht abzusehen sein.
Den öffentlichen Verwaltungen wird hinsichtlich der strategischen Nutzung diverser Medien zur
Ansprache von Bewerber*innen große Defizite zugeschrieben. Daher wurde während der Recherche
das sogenannte Social Media Recruiting als einer der wichtigsten Aspekte der Ansprache
herauskristallisiert. Dabei lässt sich zwischen einer direkten und einer indirekten Ansprache
unterscheiden. Beim indirekten Social Media Recruiting wird vermehrt auf die Schaltung von
Werbeanzeigen innerhalb der verschiedenen Netzwerke wie Facebook, Instagram, YouTube und
Twitter gesetzt. Direktes Social Media Recruiting hingegen bedeutet, dass gezielt qualifizierten
Menschen auf Portalen wie XING und LinkedIn gesucht und diese dort persönlich kontaktiert werden.
Eine solche Methode hat den Vorteil, dass auch Menschen angesprochen werden, welche eine
Anstellung bei der Landkreisverwaltung Havelland bis dahin noch gar nicht in Betracht gezogen haben
(u.a. Schwarz et al., 2012, S. 7).
Ein weiteres hilfreiches Instrument zur Ansprache von qualifizierten Menschen sind zeitgemäße
Kampagnen. Das Bundesverwaltungsamt kann an dieser Stelle als exemplarisches Beispiel genannt
werden. Dieses hat im Jahr 2017 mittels Großflächenplakaten deutschlandweit um Nachwuchskräfte
geworben. Unter dem Motto „Bewirb dich so, wie du bist“ wurde in Zusammenarbeit mit einer
Kommunikationsagentur eine Personalgewinnungskampagne erstellt, welche mit dem Zeit Karriere
Award 2018 ausgezeichnet wurde (Fink & Fuchs, 2018). Des Weiteren hat das Bundesverwaltungsamt
ein Imagevideo erstellt. In diesem Video stellt sich das Bundesverwaltungsamt auf humoristische Art
als Arbeitgeber vor. Mitarbeiter*innen erklären in diesem Video, was das Besondere an ihrer Arbeit
beim Bundesverwaltungsamt ist und warum dieses einen großartigen Arbeitgeber darstellt (BVA,
2018). Eine solche Kampagne beziehungsweise die Erstellung eines Imagevideos wäre auch im kleinen
Rahmen für das Havelland möglich. Mit Hilfe diverser Online-Medien kann die Arbeit der
Landkreisverwaltung transparenter und anschaulicher dargestellt werden. Zudem wäre das Versenden
eines Imagevideos bei einer direkten Ansprache über XING oder LinkedIn eine gute Möglichkeit, sich
als modernen Arbeitgeber zu präsentieren.
Expertensicht
Auch die Expert*innen sind der Auffassung, dass die Landkreisverwaltung Havelland den steigenden
Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften nur bewältigen kann, indem sie im Jahr 2030 vermehrt
innerhalb der sozialen Medien vernetzt ist. Auch darf das Havelland nicht auf Bewerbungen warten,
sondern wird offensiv auf Menschen zugehen und diese kontaktieren müssen. Neben Ständen auf
Karrieremessen bieten die sozialen Medien ganz neue Wege, qualifiziertes Personal zu finden und
116
anzusprechen. Es wurde auch hier auf verschiedene Imagefilme hingewiesen, beispielsweise von der
Bundeswehr. Einige Expert*innen sind der Auffassung, dass dies auch für die Landkreisverwaltung
Havelland ein geeignetes Mittel sei, die Arbeit anschaulicher zu gestalten und so mehr
Bewerber*innen zu finden. Als Beispiel wurde an dieser Stelle die Filmuniversität Konrad Wolf in
Potsdam genannt. Dort gibt es viele Studierende, die nach Projekten suchen und beispielsweise mit
der Erstellung eines Imagevideos beauftragt werden könnten. Selbes gilt für Studierende aus Fächern
aus ähnlichen kreativen Bereichen, beispielsweise Design.
Zudem wurde darauf hingewiesen, dass viele Menschen sich mit dem Komplex der öffentlichen
Verwaltung gar nicht auseinandergesetzt haben. Eine transparente und leicht zugängliche Darstellung
der Arbeit, beispielsweise durch soziale Medien, kann hierbei helfen.
2.6.2 Arbeitgeberattraktivität
Es wird immer wieder betont, dass die öffentliche Verwaltung ein schlechtes Image besäße. Die
Verwaltungen seien verstaubt, zu hierarchisch, unmodern und Mitarbeiter*innen hätten keine
Möglichkeiten, um sich zu entfalten. Doch all dies sind Klischees, die schon heute kaum noch zutreffen.
Insbesondere die Digitalisierung bietet dem Landkreis Havelland für das Jahr 2030 eine Vielzahl an
Möglichkeiten, sich von diesen Klischees zu befreien. Öffentliche Verwaltungen besitzen viele Vorteile,
die sie zu einem attraktiven Arbeitgeber werden lassen. Wichtig ist, diese hervorzuheben und in der
Außendarstellung zu betonen.
Gute Praxis und wissenschaftliche Debatte
Der wohl größte Vorteil, den die Landkreisverwaltung gegenüber den meisten Organisationen in der
Privatwirtschaft besitzt, ist die gesellschaftliche Relevanz der Arbeit. Ziel der Arbeit einer öffentlichen
Verwaltung ist nicht Gewinnmaximierung, sondern die Funktionsweise des gesamten öffentlichen
Sektors aufrecht zu erhalten. Damit orientiert sich die öffentliche Verwaltung am Gemeinwohl. Zudem
kann eine öffentliche Verwaltung oftmals bessere Arbeitsbedingungen als eine Organisation in der
Privatwirtschaft bieten. Dazu zählt eine hohe Familienverträglichkeit, welche beispielsweise durch
einen Wechsel in Teilzeit und die Rückkehr aus dieser ermöglicht werden kann. Des Weiteren gilt die
Arbeit in der öffentlichen Verwaltung nicht nur für Beamt*innen, sondern auch für Tarifbeschäftigte
als sicherer als in der Privatwirtschaft. Zudem herrscht für die Beschäftigten in der öffentlichen
Verwaltung eine vergleichsweise hohe Tarifbindung und sie besitzen einen Anspruch auf eine
Jahressonderzahlung (§ 20, Abs. 1 TVöD). Hinzu ermöglichen neue Arbeitsmodelle, wie beispielsweise
die Telearbeit, eine flexible und familienfreundliche Arbeit. Darüber wurde bereits innerhalb des
entsprechenden Handlungsfeldes zu den Arbeitsmodellen (vgl. 2.1) berichtet und Beispiele aufgezeigt.
Auch bieten öffentliche Verwaltungen zahlreiche Weiterbildungsmöglichkeiten, welche ebenfalls
bereits im Handlungsfeld zur Personalentwicklung (vgl. 2.5) dargestellt wurden.
117
Eine weitere Möglichkeit für die Landkreisverwaltung Havelland, um sich als potentieller Arbeitgeber
zu präsentieren, ist die Zusammenarbeit mit Bildungseinrichtungen. Die Möglichkeit einer Ausbildung
oder eines dualen Studiums ist ein wichtiger Schritt, Mitarbeiter*innen zu finden. Zudem können über
die Schaffung von Werkstudententätigkeiten und umfangreichen Praktika Studierende die Arbeit der
Landkreisverwaltung als potentiellen Arbeitgeber kennenlernen. Selbes gilt für die Begleitung von
Bachelor-, Master- und Doktorarbeiten, wobei die Landkreisverwaltung dabei gleichzeitig von den
Ergebnissen dieser Arbeiten profitieren. Ein weiterer Schritt zur Bindung qualifizierter
Mitarbeiter*innen sind Trainee-Programme. Dabei durchlaufen diese für einen gewissen Zeitraum
verschiedene Bereiche innerhalb der Verwaltung und werden auf verschiedene Positionen als
Führungs-
oder
Fachkraft,
vorbereitet.
Diese
Programme
gibt
es
nicht
nur
für
Verwaltungsmitarbeiter*innen, sondern auch für IT-Fachkräfte. Exemplarisch lässt sich hier die Stadt
Hamburg nennen. Diese bietet Master-Absolvent*innen die Möglichkeit eines 18-monatigen ITTraineeprogramms.
Dank
solcher
Programme
werden
jungen
Menschen
bereits
früh
Karrieremöglichkeiten aufgezeigt und diese so an die öffentliche Verwaltung gebunden (IT-Planungsrat
2017, 16ff.).
Für viele junge, hoch qualifizierte Menschen sind Aufstiegsmöglichkeiten bei der Berufswahl wichtig.
Allerdings unterscheiden sich die Wünsche und Vorstellungen häufig von dem, was in der Praxis
angeboten wird. Um auf diesen Missstand zu reagieren, haben sich in den letzten Jahren alternative
Laufbahnmodelle etabliert. Die Literaturrecherche hat ergeben, dass die Einführung einer
Fachlaufbahn als ein erfolgreiches Mittel zur Steigerung als Attraktivität als Arbeitgeber in der
öffentlichen Verwaltung gesehen werden kann (u.a. Richenhagen et al., 2014, S. 23). Eine Fachlaufbahn
ist für Menschen attraktiv, welche gern mehr inhaltliche Verantwortung übernehmen wollen. Mittels
einer Fachkarriere können diese speziellere und anspruchsvolle Aufgaben übernehmen, ohne dabei
für das Personalmanagement und zusätzliche administrative Angelegenheiten verantwortlich zu sein,
welche oft mit einem Karriereaufstieg verbunden sind. Als Expert*innen für einen Sachbereich
genießen die Mitarbeiter*innen den Status und das Gehalt einer Führungskraft und befinden sich auf
der
Hierarchieebene parallel
zu
dieser. Mittels
Fachkarrieren können
hochqualifizierte
Mitarbeiter*innen in der Verwaltung weiterentwickelt und gehalten werden (Pola, 2010, S. 12ff.).
Dieses Modell ist auch für die Gewinnung von IT-Personal zu empfehlen (IT-Planungsrat 2017, S. 37).
Die Vorteile, welche eine Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung mit sich bringt, entsprechen
auch den Wünschen, welche junge Menschen an einen Arbeitgeber stellen. Der deutsche
Beamtenbund hat gemeinsam mit Forsa eine Studie durchgeführt und 14- bis 18-Jährige befragt, was
für sie die wichtigsten Gründe bei der Auswahl ihrer Ausbildung und des späteren Berufs sind. Gute
Weiterbildungsmöglichkeiten, die Entfaltung der eigenen Interessen, das Leisten hochwertiger Arbeit,
118
Nähe zur Familie und ein sicherer Arbeitsplatz rangieren ganz Oben bei den wichtigsten Gründen. Dies
zeigt auf, dass die Landkreisverwaltung Havelland viele Qualitäten besitzt, um einen attraktiven
Arbeitgeber für jungen Menschen darzustellen (Dempele et al., 2017, S. 58).
Expertensicht
Alle Expert*innen waren der Auffassung, dass die Landkreisverwaltung im Jahr 2030 ihren Markenkern
stärker herausstellen wird, um konkurrenzfähig zu bleiben. Dazu zählen die Arbeitsplatzsicherheit,
Karriere- und Entwicklungsmöglichkeiten und die Nutzung flexibler Arbeitsmodelle hinsichtlich der
Arbeitszeit und dem Arbeitsort. Während einige Expert*innen darauf hinweisen, dass die Gehälter
erhöht werden, sehen andere dies nicht so. Der Vertreter des Bundesverwaltungsamtes bezeichnete
das Gehalt als einen „Hygienefaktor“. Die Höhe des Gehaltes wird auch im Jahr 2030 nicht einzig
ausschlaggebender Grund für die Jobentscheidung sein. Ab einer gewissen Gehaltsgrenze, welche
jeder Mensch für sich individuell festlegt, zählen nicht mehr das Geld, sondern der Spaß und die
Sinnhaftigkeit der Arbeit. Auch hier wurde wieder auf gemeinwohlorientierten Ansatz der Arbeit in
einer öffentlichen Verwaltung hingewiesen.
Insbesondere bei der Arbeit für Gemeinden und Kommunen wurde der Vorteil der lokalen
Verbundenheit genannt. Qualifizierte Mitarbeiter*innen müssen für einen guten Job nicht in
Großstädte ziehen oder pendeln, sondern können auch in kleineren Ortschaften leben und arbeiten,
was ein Vorteil des Landkreises Havelland und seiner Verwaltung ist. Des Weiteren wurde auf
Leistungsprämien hingewiesen, um die Arbeit in der Verwaltung des Landkreises Havelland mit der
Privatwirtschaft konkurrenzfähig zu gestalten.
3. Handlungsempfehlungen
Arbeitsmodelle
Kernaussage: Individuelle Bedürfnisse spielen eine immer wichtigere Rolle.
Für viele Arbeitnehmer*innen ist es unabdingbar, ihre/n bzw. seine/n Arbeitszeit/-ort flexibel
auszuwählen. Als Konsequenz sollte der Landkreis Havelland Lösungen für Arbeitsort und -zeit – unter
Berücksichtigung der Vereinbarkeit mit der Behörde selbst und den veränderten Bedürfnissen der
Mitarbeiter*innen – anbieten.
Folgende Maßnahmen sind empfehlenswert: Erweiterung des Angebots von flexiblen Arbeitsmodellen
auf allen Funktions- und Hierarchieebenen. Angebote des Home-Office unter anderem auch für
Servicebereiche und Ämter mit Beratungsleistungen wären denkbar, ebenso wie Angebote für Teilzeit
auch für junge Beschäftigte, sowie Vereinbarungen zur Vertrauensarbeitszeit. Dabei sollten
119
individuelle Lösungen für jeden Einzelnen, unabhängig von Geschlecht, Alter oder Nationalität
entwickelt werden und somit ein lebensphasenorientiertes Personalmanagement stattfinden.
Kompetenzen
Kernaussage: Die Zwischenmenschlichkeit kann nicht automatisiert werden. Führungskräfte werden
wichtiger und müssen bessere Führungsqualitäten haben.
Die Verwaltungsmitarbeiter*innen sind stets zu motivieren und durch ihre Führungskräfte auf dem
Weg der Digitalisierung, zum Beispiel durch Coachings und Teambuildings, mitzunehmen und zu
unterstützen.
Jeder Mitarbeiter muss eine Digital Literacy, d.h. eine Digitale Grundbildung besitzen, offen gegenüber
neuen Entwicklungen im digitalen Bereich sein, sowie Kenntnisse über den Datenschutz und ähnliche
Richtlinien besitzen. Zudem müssen digitale Interaktions- und Kollaborationskompetenzen vorhanden
sein, um virtuelles Kommunizieren und Zusammenarbeiten stattfinden zu lassen.
Die Zwischenmenschlichkeit, d.h. der Kontakt mit Bürger*innen wird weiter bestehen bleiben. Die
Mitarbeiter*innen
im
Bürgerservicebüro
müssen
daher
auch
weiterhin
empathisch,
verantwortungsbewusst und konfliktfähig im Umgang mit Bürger*innen agieren.
Aufgabenprofil und Qualifikationsniveau
Kernaussage: Halbautomatisierung der Aufgabeninhalte ersetzt teilweise Tätigkeiten, schafft aber
auch Notwendigkeit für neue Aufgabenprofile.
Es sollten Bedarfsanalysen durchgeführt werden, um die Betroffenheit einzelner Referate und
Dezernate hinsichtlich der Zusammenlegung und Dezentralisierung zu bewerten und davon ableitend
Aussagen über den Personalbedarf zu treffen. Zudem ist aktive Prozessmanagement und -steuerung
zu betreiben. IT-Systeme sollten gemeinschaftlich genutzt werden. Durch die Anpassung der
Lehrmethoden in Zusammenarbeit mit zuständigen Bildungsstätten, die Feststellung des notwendigen
Spezialisierungsgrads für unterschiedliche Ausbildungswege und die Stärkung des Wissenstransfers
werden künftige Ausbildungsinhalte und -profile konzeptualisiert.
Personalbedarf
Kernaussage: Der Personalbedarf ist abhängig von Position und Bereich. Digitalisierung kostet
niemanden den Arbeitsplatz.
Zukünftig wird eine qualitative Analyse der Arbeitsplätze notwendig sein. Auf diesem Wege kann
ermittelt werden, an welchen Stellen Arbeitskapazitäten eingespart und an welchen zusätzliche
Arbeitskräfte benötigt werden. Eine Verschiebung des Personals an notwendige Arbeitsplätze ist zu
empfehlen und von einer Freisetzung des aktuellen Personals ist abzusehen. Um den steigenden
120
Bedarf an hochqualifiziertem Personal, insbesondere im Bereich der Führungskräfte, zu begegnen, ist
eine Öffnung hinsichtlich der Qualifikationsanforderungen notwendig. Zur Sicherstellung des
Wissenstransfers über IT-Prozesse muss eine adäquate Fortbildung des eigenen Verwaltungspersonal
gewährleistet werden. Eine Beteiligung an IT-Pools gemeinsam mit anderen Verwaltungen stellt eine
zusätzliche Unterstützung bei umfangreichen Fragen und Problemen dar und sollte daher initiiert
werden.
Personalentwicklung und Weiterbildung
Kernaussage: Personalentwicklung wird digitaler, individueller, flexibler.
Es
sollte
eine
landkreisübergreifende
Mitarbeiter*innen
erlaubt,
ein
E-Learning-Plattform
individuelles
Lern-
und
entwickelt
Expertenprofil
werden,
die
anzulegen,
es
um
Weiterbildungsmaßnahmen eigenständig zu planen und den internen Wissenstransfer anzuregen.
Dabei sollte eine Mischung aus Online- und Präsenzschulungen (Blended Learning) stattfinden und
somit ein individuelles Lerntempo und ein individueller Lernort ermöglicht werden. Nicht-DigitalNatives sollten verstärkt in digitalen Themen geschult werden. Die Weiterbildungsmaßnahmen
können gebündelt, mit benachbarten Landkreisen oder dem Land oder Bund stattfinden, um Kosten
zu sparen und Vernetzungen zu fördern. Die Fortbildungsmaßnahmen sollen dabei unabhängig von
Hierarchie- und Besoldungsgruppen ausgewählt werden. Zudem soll die Entwicklung eines
transparenten und landesweit anerkannten Zertifizierungssystems vorangetrieben werden.
Personalgewinnung
Kernaussage: Herausstellung des Markenkerns.
Der Ausbau der Präsenz in sozialen Medien und des Social Media Recruiting ist unerlässlich im
Konkurrenzkampf um hochqualifiziertes Personal. Auch darf die Landkreisverwaltung nicht auf
Bewerbungen warten, sondern muss offensiv auf potentielle Mitarbeiter*innen zugehen und diese
ansprechen. Die Erstellung von Kampagnen und Imagevideos, kann dabei helfen, eine Vielzahl von
Menschen anzusprechen und sich als modernen Arbeitgeber zu präsentieren. Zudem muss die
Landkreisverwaltung ihren Markenkern und ihre Vorteile gegenüber der Privatwirtschaft hervorheben
und
bspw.
auf
sachgrundlose
Befristung
verzichten.
Die Etablierung
von
alternativen
Karrierelaufbahnen wie der Fachlaufbahn, sowie das Aufzeigen zahlreicher Aufstiegs- und
Weiterbildungsmaßnahmen helfen, die eigene Attraktivität als Arbeitgeber zu steigern und
hochqualifiziertes Personal zu rekrutieren.
121
4. Szenarien
Marianne Müller wohnt und arbeitet in Rathenow. Nach ihrer zweijährigen Ausbildung zur
Verwaltungsfachangestellten hat sie der Ehrgeiz gepackt, weshalb sie sich entschieden hat, im
Anschluss ein Studium der Öffentlichen Verwaltung an der Berliner HWR zu absolvieren. Frau
Müller hat sich sehr darüber gefreut, als sie vor einigen Jahren über XING von einer Personalerin
aus der Landkreisverwaltung Havelland angeschrieben wurde. Da sie gebürtig aus dem Saarland
stammt, kannte sie Brandenburg nicht besonders gut und hätte daher wahrscheinlich nie eine
Stelle im Havelland in Betracht gezogen. Neben einer interessanten Stellenbeschreibung wurde
ihr auch ein Video zugeschickt, in welchem sich die Landkreisverwaltung mit einigen
Mitarbeiter*innen vorstellte. Nach weiteren Recherchen in diversen Sozialen Medien konnte
Frau Müller die Landkreisverwaltung als einen modernen, familienfreundlichen und digital-agilen
Arbeitgeber kennenlernen, was genau ihren Wünschen entsprach. Daher hat sie noch am selben
Tag ein erstes persönliches Kennenlerngespräch vereinbart.
Kurze Zeit später ist Frau Müller dann ins Havelland gezogen. Ein großer Vorteil ist, dass die
Mieten im Vergleich zur Hauptstadt noch bezahlbar sind, was für sie als alleinerziehende Mutter
eine große Erleichterung darstellt. Sie ist sehr froh über ihren Arbeitsplatz (in Teilzeit) bei der
Landkreisverwaltung Rathenow, der ihr die Möglichkeit bietet, ihre zweijährige Tochter neben
dem Job gut betreuen zu können.
Bei der Landkreisverwaltung arbeitet sie im gehobenen Dienst als Führungskraft im
Bauordnungsamt, das mittlerweile mit dem Kataster- und Vermessungsamt zusammengelegt
wurde, aber weiterhin im Dezernat IV angesiedelt ist. Frau Müller ist 33 Jahre alt und ein Digital
Native. Sie hat Erfahrung im Umgang mit digitalen Anwendungen. Das Ziel von Frau Müller ist
die erfolgreiche Erfüllung der Aufgaben einer Führungskraft trotz einer Anstellung in Teilzeit.
In Marianne Müller spiegeln sich die veränderten Anforderungen der Arbeitnehmer*innen gegenüber
dem Arbeitgeber sehr gut wider. Sie legt ihren Schwerpunkt nicht mehr allein auf das Gehalt – eine
ausgeglichene Work-Life-Balance ist für sie zunehmend wichtig. Da Frau Müller das notwendige KnowHow besitzt, konnte ihr eine Führungsposition in Teilzeit, obwohl für diese ursprünglich eine
Vollzeitkraft vorgesehen war, gewährt werden. Seit einigen Jahren ist es in der havelländischen
Landkreisverwaltung nun schon möglich, auch als Führungskraft in Teilzeit zu arbeiten. Falls Frau
Müller ihre Arbeit ab einem gewissen Grad nicht mehr schaffen sollte, sieht die Landkreisverwaltung
eine Lösung im Job-Splitting. Entsprechend könnte ihre Position auf zwei Teilzeitkräfte aufgeteilt
werden, was bedeuten würde, dass die Hälfte der Arbeit von Frau Müller und die andere Hälfte von
einer anderen Teilzeitkraft erledigt wird. Nur eine Lösung dafür, dass Marianne Müller weiterhin Zeit
mit ihrer Tochter im schönen Havelland verbringen kann. Sollte diese jedoch mal nicht ausreichen,
steht es Frau Müller offen, auch als Führungskraft Teile ihrer Arbeit im Home-Office zu erledigen.
Ähnlich wie die internen Servicebereiche IT, Kämmerei oder Rechnungsprüfung kann auch sie örtlich
122
ungebunden arbeiten. Die Landkreisverwaltung hat Frau Müller mit entsprechender Hard- und
Software ausgestattet. Da sie regelmäßig an Datenschutzschulungen teilnimmt und sie im Umgang mit
digitalen Anwendungen geübt ist, sieht die Landkreisverwaltung Havelland kein Problem an der Arbeit
im Home-Office. Durch die von der Landkreisverwaltung erneuerte Dienstvereinbarung von 2027, kann
Frau Müller nun an mehr als zwei Tagen alternierende Telearbeit praktizieren. Darüber hinaus werden
Überstunden im Home-Office anerkannt und über das Zeiterfassungssystem „Zeus” mit Hilfe eines
Online-Zugriffs erfasst. Zuvor wurde Frau Müller darüber informiert, dass Telearbeit oder das mobile
Arbeiten negative Folgen (z.B. psychische Folgen) haben können. Sollte ihre zeitnahe örtliche Präsenz
etwa für ein Mitarbeitergespräch benötigt werden, kann sie auf Online-Konferenzen zurückgreifen und
den direkten Kontakt zu ihren Kolleg*innen aufnehmen.
Marianne Müller besitzt ausgereifte soziale Kompetenzen, Methoden- und Handlungskompetenzen,
sowie Know-How im Bereich der Digitalisierung. Sie ist kommunikations-, kooperations-, sowie
kollaborationsfähig, verantwortungsbewusst und besitzt ausgesprochen viel Empathie und
Kundenorientierung. Sie ist in der Lage sich selbst zu managen, d.h. ihre Zeit und Arbeit auch im HomeOffice sinnvoll einzuteilen und sich dabei eigenständig zu kontrollieren. Frau Müller ist lernbereit und
will sich trotz ihrer Führungsposition kontinuierlich weiterentwickeln. Ihre digitalen Kompetenzen
liegen insbesondere in der digitalen Interaktion und Kollaboration. Sie weiß zudem vor dem
Hintergrund des Datenschutzes mit personenbezogenen Daten und neuen Technologien entsprechend
umzugehen. Sie ist in der Lage, ihre Kolleg*innen in der Landkreisverwaltung zu leiten und zu
motivieren, gleichzeitig kann sie delegieren. Als Führungskraft besitzt sie zudem Change-Management, sowie Digital-Leadership-Kompetenzen, ist also in der Lage, ihre Mitarbeiter*innen auf dem Weg der
digitalen Veränderung mitzunehmen, ihnen den Wandel zu vereinfachen und mit Rat und Tat beiseite
zu stehen. Ihr selbst erklärtes Ziel ist es, dass alle in ihrer Abteilung Beschäftigten sich persönlich und
individuell in ihrer Arbeit verwirklichen können. Daher beauftragt sie das Verwaltungspersonal in
Rathenow mit jenen Fällen, bei denen sie weiß, dass die Mitarbeiter*innen dort ihre persönlichen
Stärken nutzen können. Als Führungskraft ist es ihr demnach wichtig, ihre Mitarbeiter*innen gut zu
fördern. Damit sie auch diese Fähigkeiten erlernt, hat sie sich Dank des Wissensnetzwerks des Landes
Brandenburg mit älteren Führungskräften kurzgeschlossen, die ihr wertvolle Tipps im Themengebiet
Personalführung geben.
Da Frau Müller sehr technikaffin ist, wurde sie ausgewählt, um an Schulungen zu Software-Updates
teilzunehmen. Als Führungskraft hat sie einen genauen Überblick, welche Anwendungen für ihre
Mitarbeiter*innen ausschlaggebend sind. Nachdem Frau Müller Seminare und Coachings dieser Art
erhalten hat, bildet sie ihre eigenen Mitarbeiter*innen fort. Da diese in eher familiärer Umgebung
abgehalten werden, ist die Hemmschwelle für Nachfragen seitens der Mitarbeiter*innen gering. Das
123
ist für Frau Müller ein wichtiges Anliegen. Die Verwaltungsfachwirtin legt viel Wert auf eine entspannte
Arbeitsatmosphäre. Dank der Einführung der Fachlaufbahnen ist es Frau Müller möglich, sich neben
den technischen Weiterbildungen voll und ganz auf ihre Mitarbeiter*innen zu konzentrieren, da es nun
spezialisierte Expert*innen für jedes Sachgebiet gibt, welche den Mitarbeiter*innen bei fachlichen
Fragen zur Seite stehen. Dennoch lässt es sich Frau Müller nicht nehmen, auch den ein oder anderen
kniffligen Fall selbst zu bearbeiten.
Nachdem es zu einigen inhaltlichen Umstrukturierungen und Zusammenlegungen in der
Havelländischen Landkreisverwaltung in den letzten Jahren gekommen ist, hat Frau Müller eine
dreijährige berufsbegleitende Weiterbildung absolviert und sich auf das Kommunal- und Baurecht
spezialisiert. Seit zwei Jahren betreut Frau Müller, mittlerweile zuständig für Dezernat IV, gelegentlich
Spezialfälle im Bereich Baugenehmigungen und Bauanträge. Heute steht für Frau Müller unter
anderem eine schwierige Einzelfallprüfung an. Vergangene Woche hatte sie kurzfristig einem
Antragsteller die Baugenehmigung entziehen müssen, nachdem sie die elektronisch eingereichten
Unterlagen noch einmal persönlich prüfen musste, da die Software sie auf einen Fehler im
Bearbeitungsvorgang aufmerksam gemacht hat. Die Verwaltungswirtin ist Expertin in diesem
Fachverfahren. Durch die Automatisierung in der Bearbeitung von Standardfällen, stehen Frau Müller
nun mehr Mitarbeiter*innen zur Lösung solcher komplexen Fälle zur Seite, die erst aktiv werden,
sobald die Software eine Fehlermeldung aufzeigt. Als emphatische Führungskraft kennt Frau Müller
alle ihre Mitarbeiter*innen sehr gut und weiß, wo deren Stärken und Schwächen liegen. Dennoch hat
Frau Müller den Anspruch, als Führungskraft immer weiter zu wachsen und sich insbesondere gegen
die nach wie vor männerdominierte Führungsetage erfolgreich durchzusetzen, weswegen sie aktuell
einmal pro Woche ein dreistündiges Führungskräfte-Seminar in Potsdam besucht. Als Führungskraft
im Bauordnungsamt möchte Frau Müller immer über die aktuellen, digitalen Möglichkeiten informiert
werden. Vor allem sucht sie nach Potenzialen im Kataster- und Vermessungsamt in den Bereichen
Datenerhebung, Datenspeicherung und Datenauswertung. Hierdurch will sie die Genauigkeit und die
Prozesseffizienz steigern. Um neues Wissen zu erlangen, besucht sie viele Fachkongresse um sich
weiterzubilden, aber am meisten hilft die E-Learning-Plattform des Landkreises, wo sie
aufgabenspezifisch verschiedene Module auswählen kann. Die Weiterbildungsmaßnahmen kann sie
gut mit ihrer kleinen Familie vereinbaren. Wenn sie ihre Tochter ins Bett gebracht hat, kann Frau
Müller noch an Online-Kursen teilnehmen.
124
Regina Drews ist 55 Jahre alt und wohnt zusammen mit ihrer Familie (verheiratet, zwei Kinder) in
der kleinen Gemeinde Seeblick im Westen des Havellands. Regina wohnt dort sehr gerne und freut
sich, für die Landkreisverwaltung im mittleren Dienst als Sachbearbeiterin arbeiten zu dürfen. Seit
ihrer Ausbildung, die sie im Jahr 1994 in der Landkreisverwaltung abgeschlossen hat, hat sich in der
Arbeitswelt einiges geändert. Vor allem mit dem Inkrafttreten des Onlinezugangsgesetzes ist die
Digitalisierung stark vorangeschritten, nicht nur innerhalb der Landkreisverwaltung werden Prozesse
mit Hilfe von elektronischer Aktenführung effizienter durchgeführt - auch der Bürger verfügt nun
über digitale Schnittstellen, um mit der öffentlichen Verwaltung zu kommunizieren. Alle Prozesse
sind von Ende-zu-Ende digital aufgestellt. Dies hat natürlich auch die Arbeitsweise von Regina und
ihren Kolleg*innen grundlegend verändert. Regina hat teilweise Probleme bei der Bedienung der
digitalen Anwendungen.
Die Landkreisverwaltung die Arbeitszeit, vor allem aber den Arbeitsort von Frau Drews, wenig
flexibilisieren, weil diese die digitalen Anwendungen nur unzureichend bedienen kann. Im
Servicebereich wurde bereits 2025 ein Bürgerautomat angeschafft, welcher dem Kunden
automatisierte Antworten bereitstellt. Leider tut sich Frau Drews weiterhin schwer im Umgang mit
dem Automaten. Die Konsequenz: Kunden können von Frau Drews keine wirkliche Hilfe im Umgang
mit dem Automaten erhalten und sind weiterhin auf den persönlichen Kontakt während der
Servicezeiten angewiesen. Die technischen Probleme haben auch zur Folge, dass Frau Drews das
Angebot des Home-Office nicht in Anspruch nehmen kann und sie weiterhin nicht für das „Mobile
Rathaus“, welches dem Kunden den Service nach Hause bringt, einsetzbar ist. Trotzdem positiv: Da
weiterhin der Bedarf an physischer Präsenz in der Landkreisverwaltung besteht, wird Frau Drews oft
von jungen Arbeitskolleg*innen gefragt, ob sie diese besetzen mag. Aufgrund des Gleitzeitrahmens
gelingt es aber auch Frau Drews, ihre Arbeitszeiten flexibel auswählen zu können. Die individuellen
Arbeitszeiten erfasst Frau Drews, anstatt mit dem Zeiterfassungssystem „Zeus“, weiterhin manuell.
Aufgrund ihres Alters tut sich Frau Drews etwas schwer mit den neuen Technologien. Sie mag ihre
geregelten Arbeitszeiten, da es ihr so leichter fällt sich zu organisieren und ihre eigene Arbeit zu
kontrollieren. Frau Drews ist lernbereit und ambitioniert, die digitalen Veränderungen zu verstehen
und besitzt bereits Kompetenzen im Bereich der digitalen Grundbildung und ist in der Lage,
Videokonferenzen mit anderen Mitarbeiter*innen abzuhalten. Sie ist teamfähig und kann in der Arbeit
mit Kolleg*innen, welche nicht stets vor Ort sind, einen reibungslosen Ablauf garantieren. Von ihren
Vorgesetzten fühlt sie sich motiviert und integriert.
125
Die gelernte Verwaltungsfachangestellte ist seit 2008 offiziell im Ordnungs- und Verkehrsamt und hier
in der Abteilung Öffentliche Sicherheit und Ordnung beschäftigt. Ihre Aufgabeninhalte und
Zuständigkeiten haben sich allerdings mit der Automatisierung vieler Verwaltungsanwendungen in
diesem Amt nahezu vollständig verändert, was Frau Drews teilweise große Schwierigkeiten bereitet.
Viele Kolleg*innen, welche mit ihr im mittleren Dienst tätig waren, sind mittlerweile aus dem
Berufsleben ausgeschieden. Neben den ganzen technologischen Veränderungen hatte Frau Drews
Angst, dass die Digitalisierung auch ihr den Job kosten würde, so wie es Bekannte von ihr selbst erlebt
haben. Da Frau Drews einer tollen Führungskraft unterstellt ist, konnte sie sich schon früh mit ihren
Ängsten an diese wenden. Herr Schmidt konnte ihr versichern, dass sie sich keine Sorgen um ihre
Anstellung machen muss. Dennoch hat sich in den letzten Jahren viel verändert. Die freigewordenen
Stellen ihrer Kolleginnen und Kollegen wurden kaum nachbesetzt und viele ihrer bisherigen Aufgaben
wurden automatisiert. Gleichzeitig hat die Abteilung Organisation des Hauptamtes vor fünf Jahren
beschlossen, einige Aufgaben zusammenzulegen, um langfristig Personal einzusparen. Heute muss
Frau Drews die Version des Fachverfahrens für den automatischen Bußgeldbescheid aktualisieren, da
dieses aufgrund einer neu hinzugekommenen Anwendung nicht mehr korrekt funktioniert.
Nach einigem Ausprobieren, entscheidet sich Frau Drews beim zentralen, in der Landeshauptstadt
ansässigen IT-Service anzurufen. Ein kompetenter IT-Manager erklärt ihr glücklicherweise Schritt für
Schritt per Videoschalte, wie sie das neue Fachverfahren in das System einpflegen muss. Sie bedankt
sich bei dem Digital Native, macht ihn aber darauf aufmerksam, dass sie nach dieser langen Erklärung
den Bußgeldbescheid hätte schneller manuell ausfüllen können. Durch die Zusammenlegung
verschiedener Ämter und Aufgabenbereiche, ist Frau Drews daneben auch in der jüngst eingeführten
Abteilung für Breitbandversorgung der Landkreisverwaltung zuständig. Dabei besteht ihre Aufgabe
insbesondere darin, die Hauptakteure der Telekommunikation, Infrastrukturanbieter und die
hausinterne
Verwaltung
miteinander
zu
vernetzen
und
die
aktuellen
Konzepte
zur
Versorgungsgewährleistung mitzutragen. Hier sind vor allem ihre Moderationsfähigkeiten verlangt.
Seit ihrer abgeschlossenen Ausbildung im Jahr 1994 hat Frau Drews schon viele Weiterbildungen
besucht. Meist waren diese mit fachlichen Themen belegt, wie zum Beispiel die Art und Weise der
Abarbeitung eines neuen Verfahrens. Auch waren die Karrieremöglichkeiten damals schon starr
festgelegt. Heute ist vieles flexibler. Da durch die Digitalisierung die standardisierte Fallbearbeitung
weniger geworden ist, kann sich Frau Drews frei entscheiden, inwieweit sie ihre Arbeitskraft in andere
Bereiche intensiver mit einbringen möchte, zum Beispiel: intensivere Kundenbetreuung. Um neue
Fähigkeiten zu erlernen kann Frau Drews aus unterschiedlichen Weiterbildungsmöglichkeiten wählen.
Eine E-Learning-Plattform des Landkreises Havelland bietet eine große Auswahl an Möglichkeiten sich
fortzubilden. Hierbei kann Frau Drews ihre eigene Geschwindigkeit wählen, diese Angebote werden
mit Vor-Ort-Schulungen kombiniert, um ein nachhaltiges Lernen sicherzustellen. Meistens schließen
126
sich verschiedene Landkreise zusammen, um Kosten der Maßnahmen, gerade bei Spezialthemen, zu
sparen. Darüber hinaus steht ihr auch die Möglichkeit zur Verfügung, sich in arbeitsfernen Bereichen
fortzubilden, zum Beispiel in Fremdsprachen oder Kunst. Das dient vor allem dazu, die Kreativität bei
der Mitgestaltung neuer digitaler Arbeitsprozesse zu fördern. Frau Drews findet das super. Mithilfe
eines Programms hat sie einen guten Überblick über ihre Qualifikationen, ihre aufgewendete Zeit und
die Rahmenbedingungen der Weiterbildung. Hier kann auch eingesehen werden, welche
Qualifikationen noch zur nächst höheren Zertifizierung fehlen, die dann womöglich die Anforderungen
an eine neue Arbeitsstelle erfüllen.
127
Jürgen Johannis ist 62 Jahre alt, hat drei Kinder und wohnt schon sein ganzes Leben in Premnitz im
Havelland. Seit er seine Ausbildung mit 19 Jahren abgeschlossen hat, arbeitet er für die
Landkreisverwaltung. Über die Jahre hat sich Herr Johannis einen Namen bei der
Landkreisverwaltung gemacht. Seit nunmehr über 35 Jahren arbeitet er im Bürgerservice, der
organisatorisch nach wie vor im Haupt- und Personalamt des Dezernats I angesiedelt ist. Herr
Johannis ist schwer davon zu überzeugen, dass die Digitalisierung einen wirklichen Nutzen hat. Die
Zustimmung zur Etablierung von digitalen Projekten fällt ihm immer noch sehr schwer.
Da Herr Johannis den bürgernahen und persönlichen Kontakt bevorzugt, liegen seine Arbeitszeiten
parallel zu den Kern- bzw. Öffnungszeiten der Landkreisverwaltung, welche er durch die Nutzung des
E-Autos ebenfalls auch in Form eines Hausbesuches umsetzen kann. Aufgrund seiner langjährigen
Arbeit für die Landkreisverwaltung ist das Arbeitsverhältnis von Jürgen Johannis schon lange nicht
mehr befristet. Herr Johannis hat somit gegenüber befristeten Angestellten den Vorteil, dass er
Kappungsstunden auf seinem gesonderten Arbeitszeitkonto geltend machen kann. So sammelt er
häufig Plusstunden auf seinem Zeitkonto. Darüber hinaus kann sich Herr Drews für die Stunden, für
die er ehrenamtlich für das THW tätig ist, freistellen lassen. Ihm ist bewusst, dass die Fortzahlung der
Bezüge auf den Umfang der Sollarbeitszeit begrenzt ist.
Herr Johannis bevorzugt den direkten Kontakt mit den Bürger*innen sowie seinen Kolleg*innen und
den
Vorgesetzten.
Dadurch
hat
er
ausgeprägte
Kommunikations-,
Kooperations-
und
Kollaborationsfähigkeiten über die Zeit erlangt. Jürgen Johannis ist verantwortungsbewusst,
konfliktfähig und empathisch im Umgang mit den Bürger*innen und hilft diesen gerne bei ihren
Anliegen. Man spricht ihm in der Landkreisverwaltung eine ausgezeichnete Dienstleistungs- bzw.
Kundenorientierung zu. Er ist allerdings weniger veränderungs- bzw. anpassungsbereit und seine
Lernbereitschaft in digitalen Themen wird nur durch seine Vorgesetzten gefördert. Diese fungieren als
Mentor bzw. Coach und können auch Herrn Johannis mit seinen kritischen Ansichten mitnehmen und
motivieren. Herr Johannis ist teamfähig und wird von allen gemocht. Er verfügt über sehr viel
Erfahrungswissen, ist gelassen, sprachgewandt und hat ein stabiles Selbstkonzept. Er verfügt zwar über
eine digitale Grundbildung, kann also Emails schreiben sowie Endgeräte bedienen, hat aber dennoch
Angst etwas falsch zu bedienen und lässt die „neumodischen” Dinge lieber seine Kolleg*innen machen.
128
Der direkte Kontakt mit den Bürger*innen aus dem Havelland erfüllt den Verwaltungsfachangestellten
sehr, vor allem, wenn er dabei mal wieder auf einen alten Bekannten oder seinen langjährigen
Nachbarn Herrn Schmitt trifft, der erneut Hilfe beim Ausfüllen seines Rentenantrags benötigt, obwohl
dies eigentlich nicht zu seinen Aufgaben gehört. Er ist froh, dass er nach wie vor seinem Job nachgehen
darf. Was ihn ein wenig traurig macht, ist die Tatsache, dass in den letzten Jahren bereits viele seiner
Kolleg*innen in Rente gegangen sind und aufgrund der mittlerweile vollständig online-zugänglichen
Dienstleistungen im Bereich Bürgerservice kein zusätzliches Personal mehr rekrutiert wird. Als einer
der letzten Beschäftigten im Bürgerservice verfügt er noch über ein eigenes kleines Büro in Rathenow.
Mit dem von der Landkreisverwaltung zur Verfügung gestellten E-Auto, stattet er regelmäßig
insbesondere den Ü70-Einwohner*innen Hausbesuche ab, damit diese sich ihre Amtsgänge sparen
können. Heute hat er Reinhard Paul besucht, der zu seiner Tochter nach Mexiko fliegen möchte und
dazu einen neuen Reisepass beantragen muss. Dem Online-Service zur Beantragung traut er aus
datenschutzrechtlichen Gründen immer noch nicht. Im Anschluss an den Hausbesuch in Nennhausen
muss er die handschriftlich ausgefüllten Dokumente in die vom Land bereitgestellte Cloud hochladen,
die alle personenbezogenen Daten der Bürger*innen im Landkreis verwaltet. Obwohl der
Einpflegeprozess benutzerfreundlich gestaltet ist und der Hochladevorgang auf Anfrage umfassend per
Video bei jeder neuen Eingabe erklärt wird, fällt es ihm noch sehr schwer, weshalb er häufig seinen
jüngeren Kollegen im Nebenzimmer darum bittet, dies für ihn zu übernehmen. Dadurch, dass er bereits
seit 43 Jahren arbeitet, kann er in zwei Jahren in den Ruhestand gehen.
Jürgen Johannis mag am liebsten Weiterbildungsmaßnahmen, die frontal durchgeführt werden, zum
Beispiel in Form eines Fachforums, im Rahmen dessen Expert*innen von der Bühne aus über aktuelle
Entwicklungen in verschiedenen Themenbereichen berichten. Im Zuge der Einführung der E-LearningPlattform im Havelland, kann sich Jürgen Johannis den Lernmix zusammenstellen, der ihn persönlich
am meisten weiterbringt. Durch die Möglichkeit der Zertifizierung auf der Lernplattform, war es Herr
Johannis sogar möglich, verschiedene Fähigkeiten, die er sich über seine Laufbahn selbstständig
angeeignet hat, zu zertifizieren. Viele junge Kolleg*innen finden Herrn Johannis über die Plattform und
befragen ihn zu bestimmten Themenbereichen. Herr Johannis freut sich sehr, anderen weiterhelfen zu
können.
129
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132
6. Fazit
Im Rahmen dieses Beratungsprojektes wurde eine Vision für die digitalisierte Landkreisverwaltung im
Havelland im Jahr 2030 entwickelt. Dieser Band dokumentiert die Beratungsergebnisse der drei
Teilprojekte zu den Themenschwerpunkten Verwaltungskund*innen, Organisation und Personal der
digitalen Verwaltung.
Den am Beratungsprojekt Beteiligten ist bewusst, dass die Auswirkungen der Digitalisierung auf die
Landkreisverwaltung nicht ausschließlich singulär in den einzelnen Themenschwerpunkten betrachtet
werden können. Eine funktionierende Verwaltung muss gleichzeitig die Anforderungen der
Bürger*innen, der Unternehmen sowie der Verwaltungsmitarbeitenden berücksichtigen und sich eine
zur effizienten Aufgabenerfüllung geeignete Aufbau- und Ablauforganisation geben. Nur wenn all diese
Aspekte gemeinsam gedacht werden, können die Potenziale der Digitalisierung ausgeschöpft werden.
Dementsprechend wird im Folgenden versucht, exemplarisch einige Interdependenzen und
Schnittstellen zwischen den Teilprojekten aufzuzeigen:
Wie im Teilprojekt Verwaltungskund*innen der digitalen Verwaltung herausgearbeitet werden
konnte, wollen die Bürger*innen sowie Unternehmen des Havellands einen unkomplizierten
Kontakt mit einer erreichbaren Landkreisverwaltung (vgl. Kapitel 3). Den Bürger*innen sowie
Unternehmen kommt es dabei nicht darauf an, wer konkret die Verwaltungsleistung innerhalb
der Landkreisverwaltung erbringt. Für die Organisation der digitalisierten Landkreisverwaltung
bedeutet dies, dass alle Dienstleistungen, welche der Landkreis für Bürger*innen sowie
Unternehmen erbringt, gebündelt und zentral online zugänglich gemacht werden sollten. Die
Schaffung eines Bürger- und Unternehmens-Serviceportals für den Landkreis Havelland ist
daher notwendig. Die Einbindung eines solchen Portals in die Verwaltungsprozesse des
Landkreises wurde im Teilprojekt Organisation der digitalen Verwaltung anhand ausgewählter
Verwaltungsverfahren exemplarisch dargestellt (vgl. Kapitel 4).
Die Bürger*innen des Havellands fordern zudem eine zügige und fehlerfreie Bearbeitung ihrer
Anliegen (vgl. Kapitel 3). Um Verwaltungsverfahren mit Hilfe digitaler Mittel und Techniken zu
optimieren, bedarf es einer Restrukturierung von Verwaltungsprozessen. Auch durch eine
Automatisierung von Prozessschritten ist es möglich, die Effizienz von Verwaltungsverfahren
zu steigern (vgl. Kapitel 4). Durch Prozessrestrukturierungen und -automatisierungen
verändern sich auch die Aufgabenprofile der Verwaltungsmitarbeitenden. Da gleichzeitig
andere Aufgabenfelder im Zuge der Digitalisierung entstehen und daher eine Verschiebung
von Personal erfolgen kann, sind keine Entlassungen des aktuellen Personals notwendig. Von
einer Nachbesetzung frei gewordener Stellen im Mittleren Dienst kann jedoch langfristig
abgesehen werden (vgl. Kapitel 5).
133
Trotz der Chancen, welche die Digitalisierung bietet, ist den Bürger*innen sowie Unternehmen
der persönliche Kontakt zur Verwaltung und eine kompetente, individuelle und flexible
Beratung durch die Verwaltungsmitarbeitenden wichtig (vgl. Kapitel 3). Der andauernde
Einsatz von Verwaltungspersonal im Bürgerkontakt ist damit weiterhin notwendig.
Dementsprechend
müssen
die
Mitarbeitenden
des
Landkreises
sowohl
über
Beratungskompetenzen als auch über soziale Kompetenzen wie Empathie, Konfliktfähigkeit
und Authentizität verfügen (vgl. Kapitel 5). Aufgrund von Prozessrestrukturierungen und automatisierungen wird es jedoch deutlich weniger persönliche Interaktionen zwischen der
Verwaltung
und
den
Bürger*innen
sowie
Unternehmen
in
den
einzelnen
Verwaltungsverfahren geben. Es ist daher sinnvoll, alle noch notwendigen persönlichen
Kontakte zwischen der Verwaltung und ihren Kunden (z.B. Beratungsleistungen) in einer
zentralen Verwaltungseinheit (z.B. den Bürgerservicebüros) zu bündeln. Durch dieses Prinzip
des „Single-Point-of-Contact” ist für die Bürger*innen sowie Unternehmen zu jeder Zeit klar
ersichtlich, wie und wo sie sich an die Landkreisverwaltung wenden können (vgl. Kapitel 4).
Falls – wie im Szenario des Landkreises Havelland als „Bewegliche Projektverwaltung”
veranschaulicht
(vgl.
Kapitel
Organisation)
–
agile
Arbeitsmethoden
in
der
Landkreisverwaltung eingeführt werden, würden sich auch die Anforderungen an das
Verwaltungspersonal deutlich verändern. Agiles Arbeiten erfordert ein verändertes
Kompetenzprofil der Verwaltungsmitarbeitenden, wie etwa hohe SelbstmanagementQualitäten sowie eine angepasste Personalentwicklung. Zudem würde es zu einer Öffnung
bezüglich der Arbeitsmodelle hin zu einer individuellen und flexiblen Arbeitszeit- und
Arbeitsortgestaltung kommen (vgl. Kapitel 5).
Auch hinsichtlich der Umsetzung von Digitalisierungsvorhaben in der Landkreisverwaltung
ergeben sich sowohl Implikationen für das Personal als auch für die Verwaltungsorganisation.
Zum einen muss jeder Verwaltungsmitarbeitende über eine digitale Grundbildung (Digital
Literacy) verfügen (vgl. Kapitel 5). Zum anderen sollte in der Aufbauorganisation des
Landkreises eine zentrale Stelle für Digitalisierung errichtet (Szenario des Landkreises
Havelland als „Effiziente Fachverwaltung”) bzw. Digitalisierungslotsen in den einzelnen
Querschnitts- und Lebenslagen-Teams eingeführt (Szenario des Landkreises Havelland als
„Bewegliche Projektverwaltung”) werden (vgl. Kapitel 4).
Über alle drei Beratungsprojekte hinweg ergeben sich allgemeine Handlungsempfehlungen für den
Landkreis Havelland auf dem Weg zu einer digitalisierten Verwaltung.
134
1. Der Landkreis Havelland sollte bei Umsetzung der Digitalisierung ein hohes Maß an
Serviceorientierung und Bürgernähe berücksichtigen.
Die Verwaltung hat die primäre Aufgabe, Dienstleistungen für Bürger*innen sowie
Unternehmen zu erbringen. Viele analoge Prozesse orientieren sich derzeit nur wenig daran,
wie Verwaltungsverfahren für Bürger*innen sowie Unternehmen möglichst einfach gestaltet
werden können. Durch den Einsatz digitaler Mittel ist es nun möglich, dies zu verändern. Die
Organisation der Verwaltung und der spezifische Einsatz von Personal haben sich daher an der
Prämisse der Serviceorientierung und der Bürgernähe zu orientieren. Die Kundenzentriertheit
muss bei der digitalen Umsetzung von Verwaltungsangeboten konsequent mitgedacht
werden. Daneben ist es wichtig, auch den von Bürger*innen sowie Unternehmen
gewünschten persönlichen Kontakt zur Verwaltung zu gewährleisten (zum Beispiel über die
Bürgerservicebüros) und somit Bürgernähe zu schaffen.
2. Eine erfolgreiche Digitalisierung kann nur funktionieren, wenn der Landkreis Havelland
die Bedürfnisse der Bürger*innen sowie der Unternehmen und seines Personals
berücksichtigt.
Es ist essentiell, bestehende Ängste der Bürger*innen bezüglich des Datenschutzes und des
Wegfalls von Ansprechpartner*innen in der Verwaltung ernst zu nehmen. Auch
Unsicherheiten in Bezug auf die technischen Anforderungen an Bürger*innen sowie
Verwaltungsmitarbeitende, welche durch die neue digitale Umgebung entstehen sowie
solche, die sich aus der Veränderung von gewohnten Verwaltungsprozessen ergeben, sollten
bei Restrukturierungsmaßnahmen beachtet werden. Um diesen Ängsten adäquat zu
begegnen, müssen alle Verwaltungsmitarbeitenden eine digitale Grundbildung besitzen,
Kenntnisse zum Thema Datenschutz haben und aufgeschlossen gegenüber neuen, digitalen
Entwicklungen sein.
3. Der Landkreis Havelland sollte sich bei Digitalisierungsprojekten an Best-PracticeBeispielen anderer Verwaltungen orientieren.
Dies hilft dabei, von den Erfahrungen anderer Verwaltungen zu lernen und zu profitieren.
Pilotprojekte wie das Bundesprojekt „E-Government-Modellkommunen” haben gezeigt, wie
Digitalisierungsvorhaben – auch auf der Landkreisebene – erfolgreich umgesetzt werden
können. Der Landkreis Havelland sollte auf bewährte Lösungen setzen, sowohl im Umgang mit
Bürger- sowie Unternehmensanforderungen als auch hinsichtlich des Personalmanagements
und hinsichtlich innovativer Veränderungen der Aufbau- und Ablauforganisation. Dadurch
können auch die Umsetzungsrisiken besser eingeschätzt werden.
135
4. Der Landkreis Havelland sollte sich mit anderen Kommunen vernetzen und mit diesen
kooperieren.
Auch andere Kommunen stehen vor ähnlichen Herausforderungen im Umgangs mit Bürgerund Unternehmensanforderungen, veränderten Personalanforderungen und -bedarfen sowie
der Optimierung ihrer Verwaltungsorganisation aufgrund der Digitalisierung. Aus
Ressourcengründen sollten daher Digitalisierungsprojekte gemeinsam angegangen werden.
Zum Beispiel könnten Fort- und Weiterbildungen des Verwaltungspersonals zusammen
durchgeführt werden, wodurch nicht nur Kosten gesenkt werden, sondern auch eine
Vernetzung der Mitarbeitenden untereinander erfolgen könnte. Auch die Zusammenlegung
von Wartung und Betrieb von Rechentechnik könnte beispielsweise Skaleneffekte erzeugen.
5. Die Digitalisierung kann nur durch mutige und innovative Entscheidungen in der
Landkreisverwaltung vorangetrieben werden.
Die Landkreisverwaltung sollte den Mut haben, auch eigenständig neue digitale Wege zu
gehen und Pilotprojekte zu starten. Hierbei ist es unerlässlich, Bürger*innen sowie
Unternehmen einzubeziehen, damit an den Stellen von den Potentialen der Digitalisierung
profitiert werden kann, an denen es besonders relevant und sinnvoll ist. Eine mutige und
offene Landkreisverwaltung präsentiert sich gleichzeitig auch als moderner und attraktiver
Arbeitgeber und kann dadurch leichter junges, technikaffines und innovatives Fachpersonal
rekrutieren.
6. Der Landkreis Havelland sollte die Digitalisierung zur Chefsache machen.
Die Digitalisierung wird in den kommenden Jahren den zentralen Fortschrittsbeschleuniger in
der öffentlichen Verwaltung darstellen. Damit der Weg zu einer digitalen Landkreisverwaltung
erfolgreich beschritten werden kann, ist es notwendig, dass die Digitalisierung zur Priorität des
Verwaltungshandelns gemacht wird. Die Untersuchungen haben gezeigt, dass in anderen
Kommunen vor allem treibende Kräfte aus Politik und Verwaltung dazu beigetragen haben,
dass die Verwaltungsdigitalisierung vorankommt und Digitalisierungsprojekte erfolgreich
umgesetzt werden. Diese Verantwortung sollte der Landkreis Havelland annehmen und die
Digitalisierung bewusst vorantreiben.
7. Der Landkreis Havelland benötigt eine durchdachte Digitalisierungsstrategie.
Eine Digitalisierungsstrategie sollte alle konkreten Maßnahmen des Landkreises zur
Digitalisierung seiner Verwaltung zusammenführen, um ihre strukturierte und anschlussfähige
Umsetzung zu ermöglichen. Sie muss unter Einbeziehung der Bürger*innen, des
136
Verwaltungspersonals des Landkreises sowie des Kreistages entwickelt werden. Nur eine
durchdachte Digitalisierungsstrategie, welche in einem breiten Beteiligungsprozess erstellt
wurde, kann sowohl die Bedürfnisse der Bürger*innen, als auch die Potentiale der
Verwaltungsmitarbeitenden für sich nutzbar machen und den Rahmen für die Transformation
der Verwaltung in ihren Strukturen und Prozessen schaffen.
Das Beratungsprojekt konnte entsprechend der vereinbarten Anforderungen und innerhalb der
vorgegebenen Fristen abgeschlossen werden. Aufgrund der Komplexität des Beratungsprojektes und
seines visionären Charakters lassen sich jedoch einige Grenzen dieser Arbeit identifizieren.
Aus Kapazitätsgründen konnte im Beratungsprojekt nicht, wie ursprünglich vom Kunden gewünscht,
auf die sich durch die Digitalisierung verändernden Anforderungen an die Infrastruktur der
Landkreisverwaltung eingegangen werden. Bei Digitalisierungsvorhaben der Landkreisverwaltung
sollte auch diese Implikation berücksichtigt werden. Es ergibt sich zum Beispiel die Frage, ob es zu einer
möglichen Reduzierung von Liegenschaften des Landkreises kommen kann.
Bei den vorliegenden Beratungsergebnissen handelt es sich zudem um Szenarien, welche auf Basis der
derzeitigen Lebenswirklichkeit entworfen worden. Für eine Umsetzung der vorgeschlagenen
Digitalisierungsvorhaben ist es entscheidend, die beschriebenen Visionen mit den Gegebenheiten der
künftigen politischen und gesellschaftlichen Realität abzugleichen. Die Entwicklung vieler
Einflussfaktoren, zum Beispiel technischer Innovationen, demographischer Entwicklungen sowie
politischer Veränderungen und deren Auswirkungen auf die Landkreisverwaltung sind derzeit nicht
valide einschätzbar.
In dieser Arbeit wurde außerdem bewusst auf einen zu hohen Detailgrad verzichtet. Das
Hauptaugenmerk der Arbeit bestand darin, ein Gespür in der Landkreisverwaltung dafür zu schaffen,
wie die Digitalisierung den Landkreis Havelland bis zum Jahr 2030 prägen könnte. Es sollte zunächst
bewusst das große Bild gemalt werden. Nun ist es an der Landkreisverwaltung, die einzelnen
Pinselstriche selbst zu setzen.
Es ist selbstredend, dass der Landkreis Havelland nicht alleine für die Umsetzung der
Verwaltungsdigitalisierung verantwortlich ist. Gesetzliche Vorgaben und Entwicklungen auf Bundesund Landesebene müssen daher bei der Digitalisierungsarbeit im Landkreis Havelland Beachtung
finden.
Der Landkreis Havelland hat bereits einige Schritte zur Digitalisierung seiner Verwaltung
unternommen.
Allerdings
sind
sowohl
hinsichtlich
der
Umsetzung
von
Bürger-
und
Unternehmensanforderungen an eine digitale Verwaltung als auch der Implementierung eines
zukunftsfähigen Personalmanagements und einer digital optimierten Verwaltungsorganisation noch
137
Potentiale vorhanden. Die Beratungsergebnisse der drei Teilprojekte zu den Themenschwerpunkten
Verwaltungskund*innen, Organisation und Personal verdeutlichen, welche Möglichkeiten sich für die
Landkreisverwaltung im digitalen Zeitalter ergeben. Die im Zuge dieses Beratungsprojektes
entwickelten Handlungsempfehlungen sollen als Anregung für den Landkreis Havelland dienen und
eine Orientierung für die Richtung bieten, in die sich eine digitale Landkreisverwaltung bewegen kann.
Es liegt nun am Landkreis Havelland, die Chancen, welche die Digitalisierung mit sich bringt, zu
ergreifen und für sich zu nutzen.
138
7. Anhang
Anhang 3.1: Vier-Quadranten-Matrix
139
Anhang 3.2: Fragebogen für die Bürgerbefragung
1. Was ist Ihnen im Kontakt mit der Verwaltung wichtig
2. Der Begriff Digitalisierung ist in aller Munde. Fühlen Sie sich wohl/unwohl in einer
zunehmend digitalisierten Welt?
3. Mit Blick auf Zukunftsbild Nr. 1 (mobiles Rathaus): Wären Sie damit einverstanden, wenn alle
Ihre Verwaltungsanliegen (z. B. Beantragung Führerschein/KfZ/Bafög) tatsächlich so erfolgen
würden? Was gefällt Ihnen, was gefällt Ihnen nicht? (Ja, Nein, weil…; Bemerkungen)
4. Mit Blick auf Zukunftsbild Nr. 2 (automatisch ausgelöste Verwaltungsleistungen): Wären Sie
damit einverstanden, wenn alle Ihre Verwaltungsanliegen (z.B. Beantragung
Führerschein/KfZ/Bafög) tatsächlich so erfolgen würden? Was gefällt Ihnen, was gefällt Ihnen
nicht? (Ja, Nein, weil…; Bemerkungen)
5. Mit Blick auf Zukunftsbild Nr. 3 (Verwaltungsautomat): Wären Sie damit einverstanden, wenn
alle Ihre Verwaltungsanliegen (z.B. Beantragung Führerschein/KfZ/Bafög) tatsächlich so
erfolgen würden? Was gefällt Ihnen, was gefällt Ihnen nicht? (Ja, Nein, weil…; Bemerkungen)
6. Mit Blick auf Zukunftsbild Nr. 4 (Verwaltungsportal, App): Wären Sie damit einverstanden,
wenn alle Ihre Verwaltungsanliegen (z. B. Beantragung Führerschein/KfZ/Bafög) tatsächlich
so erfolgen würden? Was gefällt Ihnen, was gefällt Ihnen nicht? (Ja, Nein, weil…;
Bemerkungen)
7. Bringen Sie die beschriebenen Zukunftsbilder in eine Reihenfolge von „1 - finde ich am
besten“ bis „4 – finde ich am schlechtesten“. (Nr. 1 (mobiles Rathaus), Nr. 2 (automatisch
ausgelöste Verwaltungsprozesse), Nr. 3 (Verwaltungsautomat), Nr. 4 (Verwaltungsportal,
App))
8. Jeder benötigt an irgendeinem Zeitpunkt Hilfe bei Verwaltungsprozessen. Was wäre hier Ihre
Präferenz? (Persönlicher Kontakt, Kontakt über Videochat, Kontakt über Chat, Kontakt über
Telefon, Keine Präferenz; Bemerkungen)
9. Welche Art von Fragen haben Sie in den meisten Fällen? (Fachfragen (inhaltlich),
Prozessfragen zum Verwaltungsvorgang (administrativ), Sonstiges)
10. Wenn Sie mit der Behörde online in Kontakt treten ist eine sichere Authentifizierung
notwendig. Welches Medium würden Sie dafür bevorzugen? (Personalausweis in
Kombination mit Lesegerät, Benutzername-Passwort Kombination, Personalausweis in
Kombination mit dem Handy (NFC-Funktion), Pin-/Tan Verfahren (vgl. Online-Banking),
Biometrische Merkmale (Fingerabdruck, Irisscan…); Bemerkungen)
11. Wenn die Sicherheit Ihrer Daten vollkommen garantiert wäre: Würden Sie Ihre
Verwaltungsanliegen lieber online erledigen statt persönlich bei der Verwaltung zu
erscheinen? (Ja, Nein, weil…, Ich weiß es nicht)
12. Sind Sie mit der momentanen Verwaltung zufrieden? Was gefällt Ihnen/ was gefällt Ihnen
nicht?
13. Abschließende Bemerkungen/Kommentare
140
Anhang 3.3: Deskriptive Statistik
Altersgruppe
16-30 (9)
30-65 (14)
Über 65 (6)
Bildungsstand (N=29)
Hauptschule/Realschule
(10)
Abitur/Ausbildung
(15)
Diplom/Master
(2)
Sonstiges (2)
Beschäftigungsverhältnis
(N=29 )
Schüler/Azubi/Student (7)
Angestellter (14)
Arbeitsuchend
(1)
Rentner(8)
Wohlfühlen in digitaler
Welt (N=29 )
Unwohl (10)
Teils/teils (4)
Wohl (14)
Keine Angabe.
(2)
Art Fragen an Verwaltung
(N=19)
Prozessfragen (7)
Fachfragen (7)
Beides (5)
Präferierte
Authentifizierung (N=16)
Benutzername- Passwort
oder Pin-Tan-Verfahren
(8)
Personalausweis
und Lesegerät/NFC
(5)
Biometrische
Merkmale (2)
Angaben in absoluten Zahlen
141
Keine (1)
Anhang 4.1: Best-Practice-Analyseraster
Nr. Titel
Abstract (eigene Worte)
Jahr
Untersuchungsobjekt
Land
Herausgeber
Beziehungstyp
Ablauf / Aufbau
Kommunale Aufgabe
(falls Ablauf)
Föderale Ebene
Übertrag- Aufgegriffene Technologien,
Quelle (URL)
barkeit
Trends
G2C
Ablauf
Parkausweisvergabe
Kommune
mittel
Blockchain
https://digitales.nrw/aktuelles/nachrichten/
koeln-testet-blockchain-fueranwohnerparkausweise
Kommune
niedrig
Digitalisierungsstrategie,
Breitbandausbau
https://www.iitberlin.de/de/publikationen/zukunftsradar2018
1
Zuteilung und Kontrolle von Anwohnerparkausweisen
Köln testet Blockchain werden mit der Blockchain-Technologie abgebildet, es
für
müssen keine Parkausweise mehr verschickt werden.
Anwohnerparkausweise Die Kontrolle des Kennzeichens des Autos soll zukünftig
ausreichen.
2
Zukunftsradar Digitale
Kommune
Ergebnisbericht zur
Umfrage 2018
Statistik zum Stand der Digitalisierung in Kommunen auf
Basis einer Selbsteinschätzung der Kommunen (u.a. zu
Deutsche Städte und
Digitalisierungsstrategien). Die Relvanz der
Gemeindebund, Institut für
Digitalisierung für die Kommunen wird als hoch
2018 Kommunalverwaltungen Deutschland Innovation und Technik (iit)
eingeschätzt, gleichzeitig fehlt es häufig an
in der VDI/VDE Innovation +
Digitalisierungsstrategien. Aus Sicht der Herausgeber
Technik GmbH
sollte Digitalisierung als "Chefsache" behandelt werden.
intraorganisational Aufbau
3
Digitales Rathaus:
Keine analoge
Verwaltung in einer
digitalen Gesellschaft
Überblick zu den Fortschritten hin zu einem
digitalisierten Rathaus (z.B. Standards) sowie zwei
Deutsche Städte und
konkreten Beispielen zur Digitalisierung von Prozessen: E- 2018 Kommunalverwaltungen Deutschland
Gemeindebund
Rechnungen im Workflow und Wasserzählerwechsel
App.
G2B, G2C
Ablauf
Wasserzählerwechsel,
Rechnungsbearbeitung
Kommune
mittel
Prozessoptimierung, ERechnung, IoT
https://www.dstgb.de/dstgb/Homepage/Pu
blikationen/Stadt%20und%20Gemeinde%20
digital/StuG_0518.pdf (S. 18)
4
Digitales Dorf Wohnen
& Bildung
Schaffung einer digitalen Beratung zum altersgerechten
Wohnen und Konzeption von Bildungsangeboten zur
Gemeindeverbund
2018
Digitalisierung, welche auf die individuellen Bedarfe der
Steinwald-Allianz
älteren Bürger abgestimmt sind.
Deutschland Digitales Dorf Bayern
G2B
Ablauf
Wohnberatung,
Bildungsangebot
Kommune
mittel
Onlineplattform, e-learning
https://digitales-dorf.bayern/index.php/diemodelldoerfer/dd-projekt-nord/digitalesdorf-wohnen-bildung/#15408091252101c402c2e-e366
5
Digitales
Gesundheitsdorf
(Oberes Rodachtal)
Vernetzung von Stakeholdern der Gesundheitswirtschaft
sowie den Patienten u.a. hinsichtlich eines
2018 Oberes Rodachtal
Datenaustauschs.
Deutschland Digitales Dorf Bayern
G2N, G2B, G2C
Ablauf
Gesundheits- und
Pflegeangebot
Kommune
mittel
Datenaustausch, IoT
https://digitales-dorf.bayern/index.php/diemodelldoerfer/digitales-gesundheitsdorfoberes-rodachtal/#15409137046252763c24d-c130
6
Ganzheitliches Service-Ökosystem für Städte, Landkreise
Integreat – kommunale
und Initiativen zur Integration von Menschen mit FluchtApp für Informationen
oder Migrationshintergrund. App erleichtert
2017 Stadt Augsburg
und Integration der
Kommunikation zwischen Asylsuchenden und
Stadt Augsburg
Kommunalverwaltung.
Deutschland
Bundesinstitut für Bau-, Stadtund Raumforschung (BBSR) im
G2C
Bundesamt für Bauwesen und
Raumordnung (BBR), Bonn
Ablauf
Asylbearbeitung
Kommune
mittel
App
https://www.bmu.de/fileadmin/Daten_BM
U/Download_PDF/Stadtentwicklung/smart_
city_charta_langfassung_bf.pdf
7
Amsterdam hat ein Office zur Steuerung der Aktivitäten
Chief Technology Office im Hinblick auf die Digitalisierung eingeführt. Dieses
2017 Stadt Amsterdam
der Stadt Amsterdam
vernetzt, stellt technische Unterstützung zur Verfügung,
fördert Innovationen und koordiniert Smart City Projekte.
Niederlande
Bundesinstitut für Bau-, Stadtund Raumforschung (BBSR) im
intraorganisational Aufbau
Bundesamt für Bauwesen und
Raumordnung (BBR), Bonn
Kommune
hoch
CTO
https://www.bmu.de/fileadmin/Daten_BM
U/Download_PDF/Stadtentwicklung/smart_
city_charta_langfassung_bf.pdf
Diverse
Verwaltungsdienstleistunge Kommune
n
hoch
Bürgerportal, E-Payment
http://hoehn-consulting.de/WP/wpcontent/uploads/2017/03/BPA_DG_Inhalt_1
601_FINAL.pdf
8
Bürgerservice-Portal
Straubing
2018 Stadt Köln
Das Bürgerservice-Portal der Stadt Straubing bietet
online diverse Verwaltungsdienstleistungen an, die über
eine Terminvereinbarung in den örtlichen Behörden
hinausgehen. In manchen Fällen ist ein persönliches
2017 Stadt Staubing
Erscheinen des Antragsstellers weiterhin notwendig, in
anderen Fällen wird die Bearbeitung des Antrags sofort
online angestoßen.
Deutschland Land NRW
Deutschland HÖHN CONSULTING GmbH
G2C
Ablauf
Die Stadt Rietberg hat das Baugenehmigungsverfahren
restrukturiert und digitalisiert hin zu einem komplett
papierlosen Antrag ohne Unterschrifterfordernis.
Darüber hinaus hat das Bauordnungsamt digitale mobile
2017 Stadt Rietberg
Arbeitsweisen eingeführt. Zum Beispiel können Daten,
die bei Baustellenbesuchen entspringen, direkt über
mobile Endgeräte in die Antragsbearbeitungssoftware
eingepflegt werden.
Deutschland HÖHN CONSULTING GmbH
G2C
Ablauf
Baugenehmigung
Kommune
hoch
Formularsystem,
WorkflowmanagementSystem, Bürgerportal
http://hoehn-consulting.de/WP/wpcontent/uploads/2017/03/BPA_DG_Inhalt_1
601_FINAL.pdf
Antraglose
10a Familienbeihilfe
Österreich
Die Familienbeihilfe in Österreich ist eine
Familienleistung vergleichbar mit dem Kindergeld in
Deutschland und wird antraglos gewährt. Nach einer
Identifizierung der Eltern mit dem Ausweis wird die
Geburt durch das Krankenhaus an die
2017 Staat Österreich
Personenstandsbehörde (Standesamt) gemeldet, die das
Kind in das Zentrale Personenstandsregister (ZPR)
einträgt. Die Daten werden automatisch an die
zuständige Finanzverwaltung weitergeleitet, welche die
Familienleistung auszahlt (One-Stop-Shop-Geburt).
Österreich
Bertelsmann Stiftung
G2C
Ablauf
Kindergeldantrag
Bund
hoch
One-Stop-Shop,
Prozessautomatisierung,
Automatischer
Datenaustausch
https://www.bertelsmannstiftung.de/fileadmin/files/Projekte/Smart_
Country/DigiTransVerw_2017_final.pdf
Antraglose
10b Familienbeihilfe
Österreich
Automatische Registerauskünfte ermöglichen
Verwaltungseinheiten das selbständig Einholen
bestimmter Auskünfte. Durch den automatischen
Datenaustausch werden Verfahren deutlich effizienter,
2017 Staat Österreich
bei denen normalerweise Wartezeiten durch
langwierige Anfragen entstehen. In Österreich werden
solche digitalen Registerauskünfte zum Beispiel im
Verfahren der Familienbeihilfe erfolgreich angewendet.
Österreich
Bertelsmann Stiftung
G2C
Ablauf
Registermodernisierung
Bund
hoch
One-Stop-Shop,
Prozessautomatisierung,
Automatischer
Datenaustausch
https://www.bertelsmannstiftung.de/fileadmin/files/Projekte/Smart_
Country/DigiTransVerw_2017_final.pdf
Deutschland
Wegweiser Media &
Conferences GmbH Berlin
G2C
Ablauf
Kommunikation
Kommune
mittel
Social Media
https://www.verwaltung-derzukunft.org/digitale-kommune/digital-lokalhannover-kommuniziert-quartiersbezogen
Deutschland
Wegweiser Media &
Conferences GmbH Berlin
G2C
Ablauf
Diverse
Verwaltungsdienstleistunge Kommune
n
hoch
Digitalisierungsstrategie,
Bürgerportal, Plattform
https://www.verwaltung-derzukunft.org/digitale-kommune/digitaleagenda-amt-huettener-berge
9
11
12
Bauanträge online der
Stadt Rietberg
Hannover setzt lokales soziales Nachbarschaftsnetzwerk
ein, um Nachbarn näher zusammenzubringen und den
gegeseitigen Austausch und Ehrenamt zu fördern.
Digital-lokal – Hannover
Eigenes soziales Netzwerk wirkt dem entgegen, dass die
kommuniziert
2018 Stadt Hannover
Nachrichten der Kommune zwischen den anderen
quartiersbezogen
Nachrichten auf Twitter, Facebook & Co untergehen.
Außerdem sind insbesondere auch ältere Menschen
adressiert.
Digitale Agenda Amt
Hüttener Berge
Kommune Am Hüttener Berge hat gemeinsam mit einer
Beratungsfirma eine digitale Agenda zur Umsetzung in
der Kommune erarbeitet. Somit hat die Kommune das
Thema zur "Chefsache" gemacht. Darin haben sie
verschiedene Handlungsfelder adressiert, wie z.B. einen
digital unterstützten Personennahverkehr, digitale Lehr2018 Amt Hüttener Berge
und Lernangebote in den Schulen, digitale
Bekanntmachungskästen (Terminals) neben den
sozialen Netzwerken und dem Bürgerportal der
Kommune sowie Dorfgemeinsschaftshäuser. In der
Agenda sind viele verschiedene Beispiele für
kommunale digitale "Produkte".
Bad Hersfeld kooperiert
mit LogistikUnternehmen,
13a
automatisiert sein
Rechnungswesen und
macht ernst beim IoT
Die nordhessische Stadt Bad Hersfeld hat ihre
städtischen Richtlinien für Vergabe-Entscheidungen so
angepasst, dass digitalen Produkten der Vorrang
2018 Stadt Bad Hersfeld
eingeräumt wird. Vor der Beschaffung von analogen
Produkten muss zunächst am Markt geprüft werden, ob
keine entsprechenden digitalen Lösungen existieren.
Deutschland
Wegweiser Media &
Conferences GmbH Berlin
G2B
Ablauf
Beschaffung
Kommune
hoch
IoT, Organisationsstruktur,
Datananalyse, E-Rechnung
https://www.verwaltung-derzukunft.org/politik-und-strukturen/wirdrehen-den-spiess-um
Bad Hersfeld kooperiert
mit LogistikUnternehmen,
13b
automatisiert sein
Rechnungswesen und
macht ernst beim IoT
Die Stadt Bad Hersfeld erhält mittlerweile fast
ausschließlich Rechnungen von Unternehmen im PDFFormat. Papierrechnungen werden durch einen externen
Dienstleister gescannt und in ein elektronisches
2018 Stadt Bad Hersfeld
Rechnungssystem eingespielt. Zielvorstellung ist es,
dass eine komplette elektronische Datenübertragung
mittels XML-Datensätzen zwischen Unternehmen und
Stadtverwaltung eingerichtet wird.
Deutschland
Wegweiser Media &
Conferences GmbH Berlin
G2B
Ablauf
Digitaler Workflow im
Rechnungswesen
Kommune
hoch
IoT, Organisationsstruktur,
Datananalyse, E-Rechnung
https://www.verwaltung-derzukunft.org/politik-und-strukturen/wirdrehen-den-spiess-um
BCG definiert fünf Faktoren für eine erfolgreiche
Digitalisierung der Verwaltung in der Schweiz, davon
beziehen sich zwei auf die Aufbauorganisation: es sollte
eine zentrale Koordinationsstelle für die Digitalisierung
der Verwaltung (CDO) eingerichtet werden und es
2017 Staat Schweiz
sollten agile Arbeitsmethoden zum Einsatz kommen.
Ziel ist es, Prozesse zu verschlanken und zu
beschleunigen, die Bürgerinteraktion zu verbessern und
die Daten nutzbar zu machen (KI).
Schweiz
Boston Consulting Group
intraorganisational Aufbau
alle Ebenen
hoch
Organisationsstruktur CDO,
Agilität,
Prozessautomatisierung,
Datenanalyse
http://image-src.bcg.com/Images/BCGstudie-Digitale-Verwaltung-Schweiz_tcm9168176.pdf
14
Digitale Verwaltung
Schweiz
Wie gelingt der
Aufstieg zur Spitze?
15
Die Stadt hat ein eigenes Amt für Digitalisierung
Sindelfingen schafft ein eingerichtet. Das Amt soll eine digitale Agenda für die
Amt für Digitalisierung Stadt Sindelfingen erarbeiten und Projekte im Bereich
Digitalisierung gemeinsam mit Partnern umsetzen.
2018 Stadt Sindelfingen
Deutschland Stadt Sindelfingen
intraorganisational Aufbau
Kommune
hoch
https://www.sindelfingen.de/site/Sindelfing
Organisationsstruktur, Amt enfür Digitalisierung
Internet/node/15430123/Lde?QUERYSTRIN
G=digitalisierung
16
Public Sector
Digitisation:
The Danish Approach
Es existiert eine Agency of Digitisation mit 245
Mitarbeitern, die für die Digitalisierung des Landes
zuständig ist.
2018 Staat Dänemark
Dänemark
Agency for Digitisation
intraorganisational Ablauf
alle Ebenen
mittel
Organisationsstruktur
https://www.publieksdiensten.nl/wpcontent/uploads/2018/05/DENMARK-0-1Public-sector-Digitisation-the-Danishapproach.pdf
eGovernment in
Denmark eGovernment Strategy
Das Hauptziel der Digitalisierung war es, dass selfservice Lösungen bis 2015 die Hauptart der
Verwaltungsleistungen sind, was die Benutzung von
Technologie auf allen Ebenen vorantrieb. Wichtige
Punkte waren: Abschaffung der Papierakte und der Post,
neue digitale Sozialleistungen (z.B. IT-Initiativen in
Schulen, Gesundheitstechnologie), eine engere digitale
2015 Staat Dänemark
Zusammenarbeit der verschiedenen
Verwaltungsebenen, damit gemeinsame Lösungen
entwickelt werden (Hauptpunkt: 1. gemeinsame digitale
Infrastruktur, 2. effektives Teilen von Daten zwischen
den Verwaltungen, 3. ein Gesetz, das die digitale
Gesellschaft unterstützt und weiterentwickelt, 4. engere
Koordinierung öffentlicher Digitalisierungsbestrebungen)
Dänemark
European Commission
G2C,G2B, G2G
Diverse
Verwaltungsdienstleistunge alle Ebenen
n und -prozesse
mittel
Digitalisierungsstrategie
https://joinup.ec.europa.eu/sites/default/fil
es/inlinefiles/eGovernment_Denmark_February_201
6_18_01_v3_02.pdf
17
Aufbau und
Ablauf
18
Digital optimierter
Schulbusverkehr
Die Route der Schulbusse wird dadurch optimiert, dass
beim Einsteigen der Schüler deren Endhaltestelle erfasst
wird und die Route in Bezug auf mitfahrende Schüler
2017 Stadt Olfen
optimiert wird. Dadurch konnte die Anzahl der Busse
(und damit auch Fahrer) von 3 auf 2 reduziert werden,
da Leerfahrten vermieden werden.
Deutschland
Entwicklungsagentur RheinlandG2C, G2B
Pfalz e.V.
Ablauf
Öffentlicher Nahverkehr
Kommune
mittel
Chipkarte, Lesegerät,
Routenoptimierung, IoT,
Datenanalyse
19
Digitaler
Ansprechpartner
erleichtert die
Orientierung in der
Stadt
Die Stadt Wien entwickelt derzeit an einem Chatbot, der
zukünftig über den Facebook-Messenger für jegliche
Bürgeranfragen zur Verfügung stehen und die
Informationssuche zu allen Themen, welche die Stadt
2017 Stadt Wien
betreffen, erleichtern soll. Der Fokus liegt auf
Informationen, die sich bereits auf der Homepage der
Stadt verbergen, die aber einfacher zugänglich gemacht
werden sollen.
Österreich
Entwicklungsagentur RheinlandG2C
Pfalz e.V.
Ablauf
Diverse
Verwaltungsdienstleistunge Kommune
n
mittel
Chatbot, Social Media,
Bürgerportal
20
Digitalisierung schafft
neue Arbeitsformen
Das Modellprojekt „Schreibtisch in Prüm“ untersucht in
einer Pendlerregion das Konzept Coworking Space im
ländlichen Raum – neue Arbeitsformen könnten das
Leben außerhalb von Städten attraktiver gestalten.
Entwicklungsagentur RheinlandG2C, G2B
Pfalz e.V.
Ablauf
Wirtschaftsförderung
Kommune
mittel
Co-Working-Space
21
LippeJob-Interaktiv Kommunikation
verbessern, Bürger
interaktiv und effizient
bei der Jobsuche
unterstützen
Bereitstellung von mobilen Endgeräten (Pilotphase), z.B.
Tablets für Arbeitsuchende, Arbeitsvermittler und
Jobcenter Lippe - Anstalt
Jobcenter Lippe - Anstalt des
Arbeitgeber sowie Einsatz eines Infobuses. Ziel ist es,
des öffentlichen Rechts
öffentlichen Rechts und
durch medienbruchfreie und prozessintegrierte Technik 2012 und Kommunales
Deutschland
Kommunales Rechenzentrum
Arbeitsuchende zielgenau und schnell mit JobRechenzentrum MindenMinden-Ravensberg/Lippe
Angeboten zu versorgen und dadurch Einsparungen
Ravensberg/Lippe
durch Reduzierung der Vermittlungszeit zu realisieren.
G2C
Ablauf
Jobcenter
Kommune
hoch
Mobile Endgeräte, Tablet,
Mobiles Büro
22
Modellprojekt zur
Einführung der
E-Rechnung in der
Kommunalverwaltung
im Landkreis DahmeSpreewald:
Erfahrungsbericht und
Umsetzungsleitfaden
Der Landkreis Dahme-Spreewald hat ein Modellprojekt
zur Einführung der E-Rechnung als verpflichtendes
Rechnungsformat in der Kommunalverwaltung
durchgeführt. Mit der Einführung des neuen Prozesses
erfolgt die Rechnungsbearbeitung (Annahme und
Landkreis Dahme2017
Weiterverarbeitung) vollständig digital. Damit entfallen
Spreewald
die bisherigen Medienbrüche. Jede E-Rechnung enthält
einen strukturierten Datensatz im XML-Format, welcher
maschinenlesbar ist und so in den Workflow zur
Rechnungsbearbeitung eingespeist werden kann.
G2B, G2N
Ablauf
Finanzbuchhaltung
Kommune
hoch
E-Rechnung
23
Die Studie stellt den Status quo in Bezug auf die
Nutzung privater Geräte und Software in der
Gefährliche Ignoranz? – Kommunalverwaltungen dar. Sie zeigt Chancen für die
Bring-Your-Own-Device, Realisierung individueller Produktivitätspotenziale am
IT Consumerization und Arbeitsplatz auf und zeigt, dass das Verbieten der
Co in der öffentlichen
Nutzung der Attraktivität als Arbeitgeber schadet. Es
Verwaltung
werden konkrete Handlungsempfehlungen für
Verwaltungen aufgezeigt, die einer aktiven Gestaltung
des digitalen Arbeitsplatzes den Weg ebnen können.
Diverse
Verwaltungsprozesse
Kommune
mittel
Mobile Endgeräte, BringYour-Own-Device, IT
Consumerization, Apps
2017 Verbandsgemeinde Prüm Deutschland
Deutschland Landkreis Dahme-Spreewald
Universität Siegen, ERCIS,
2015 Kommunalverwaltungen Deutschland NEGZ
intraorganisational Ablauf
https://landleben-digital.de/wpcontent/uploads/2017/11/landleben_unsere
_zukunft_im_digitalen_dorf.pdf
https://landleben-digital.de/wpcontent/uploads/2017/11/landleben_unsere
_zukunft_im_digitalen_dorf.pdf
https://landleben-digital.de/wpcontent/uploads/2017/11/landleben_unsere
_zukunft_im_digitalen_dorf.pdf
http://www.egovernmentwettbewerb.de/praesentationen/2012/krz_L
ippeJob-Interaktiv_Publikumspreis.pdf
https://www.pdg.de/fileadmin/Daten/Referenzen/170221_
Erfahrungsbericht_E-Rechnung_LDS.pdf
https://negz.org/wpcontent/uploads/2016/11/NEGZ_BYOD-inKommunen_2015_Niehaves-KoefferOrtbach_FINAL.pdf
24
Elektronischer
Posteingang
Im Ortenaukreis werden alle bei der
Landkreisverwaltung eingehenden Postsendungen im
„Elektronischen Posteingang“ per Scan digitalisiert, mit
einer elektronischen Signatur versehen und anschließend
elektronisch an die entsprechende Verwaltungseinheit
weitergeleitet. Dadurch kommt es zum einen zu
Zeitersparnissen in Verwaltungsverfahren, da das
2016 Ortenaukreis
mühsame händische Verteilen der Post entfällt. Zum
anderen wird der elektronische Posteingang in
Kombination mit der Einführung eines
Dokumentenmanagementsystems (DMS) als
Grundvoraussetzung für die flächendeckende Einführung
der E-Akte betrachtet. Es ist nun eine medienbruchfreie
Abwicklung von Verwaltungsprozessen möglich.
25
Einführung eines
elektronischen
Baulastenverzeichnisses
und Umstellung aller
baulastbezogenen
Verwaltungsverfahren
auf vollständig
elektronische
Aktenführung und
Sachbearbeitung
Das Baulastenverzeichnis mit mehr als 30.000
Dokumenten wurde im laufenden Betrieb binnen vier
Wochen in die elektronische Form überführt. Alle
zugehörigen Verwaltungsverfahren einschließlich der
automatisierten Online-Auskunft sind vollständig
elektronisch umgesetzt und befinden sich aktuell im
Regelbetrieb.
26
Es wurden bestimmte Aufgaben ausgewählt, für die die
Kommunikation mit dem "Kunden" nun über De-Mail
abgewickelt wird. Die Vorteile des Verfahrens in der
Stadtverwaltung Halle (Saale) wurden dabei vor allem in
Stadtverwaltung Halle
Einführung von De-Mail
2016
der schnelleren Zustellung, der Vermeidung von
(Saale)
Medienbrüchen, des sicheren elektronischen Versands
sensibler Daten und nicht zuletzt in der Einsparung von
Prozesskosten verortet.
27
28
2016 Heidekreis
Deutschland BMI
Deutschland BMI
Deutschland BMI
Bürgerhaushalt
Landkreis MayenKoblenz
Bürgerinnen und Bürgern wird seit 2013 ermöglicht, sich
an den Haushaltsplanungen zu beteiligen. Der
Bürgerhaushalt ist damit zum festen jährlichen
Bestandteil der Entscheidungsfindung geworden. Die
2017 Landkreis Mayen-Koblenz Deutschland HÖHN CONSULTING GmbH
Partizipation erfolgt ausschließlich online. Gegenstand
sind sowohl Sparmaßnahmen als auch Investitionen und
Ausgaben.
Agile Verwaltung
Agile Verwaltungen sind besser in der Lage,
Zusammenhänge und Wechselwirkungen mitzudenken,
schnelle und realistische Ziele zu setzen und schnell auf
Änderungen der Gegebenheiten zu reagieren. Sie haben
Stadtverwaltung
2018
die funktionalen Beschränkungen (Silodenken)
Karlsruhe / Mannheim
überwunden und das Agieren nach Zuständigkeiten um
neue Organisationsformen ergänzt, um agiles Arbeiten
zu ermöglichen.
intraorganisational Ablauf
G2C, G2B
G2C, G2B
G2C
Diverse
Verwaltungsprozesse
Kommune
hoch
Dokumentenmanagementsys
tem, Elektronischer
Posteingang, Scannen, eAkte, digitale Signatur
https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/dow
nloads/DE/veroeffentlichungen/2016/projek
tbericht-e-governmentmodellkommunen.pdf;jsessionid=28CEBCC57
EF539F2D1E080322A6295A8.2_cid295?__bl
ob=publicationFile&v=1
E-Akte, Online-Auskunft
https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/dow
nloads/DE/veroeffentlichungen/2016/projek
tbericht-e-governmentmodellkommunen.pdf;jsessionid=28CEBCC57
EF539F2D1E080322A6295A8.2_cid295?__bl
ob=publicationFile&v=1
Ablauf
Bereitstellung des
Baulastenverzeichnisses
Ablauf
Empfangen von Anträgen
und Versenden von
Bescheiden zu
Veranstaltungen,
Versammlungen,
Feuerwerken und Märkten
Kommune
mittel
De-Mail, digitale Signatur
https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/dow
nloads/DE/veroeffentlichungen/2016/projek
tbericht-e-governmentmodellkommunen.pdf;jsessionid=28CEBCC57
EF539F2D1E080322A6295A8.2_cid295?__bl
ob=publicationFile&v=1
Ablauf
Bereiche des Haushalts zur
Debatte:
- Schulen
- Sport
- Straßen
- Sicherheit und Ordnung
- Gesundheit
- Kinder, Jugend und
Soziales
Kommune
hoch
Open Government, EBürgerpartizipation,
Bürgerportal
http://hoehn-consulting.de/WP/wpcontent/uploads/2017/08/BPA_DG_Ausg2_
Digital.pdf
Referat Ic1 – Zukunftsgerechte
Gestaltung der Arbeitswelt und
Deutschland Arbeitskräftesicherung
intraorganisational Aufbau
Bundesministerium für Arbeit
und Soziale
Kommune
mittel
https://www.karlsruhe.de/iq/presse/HF_sec
tions/content/ZZn9YyhzZaW3PS/ZZn9YyZ4Jc
qapF/Beitrag%20Jahrbuch.pdf
Kommune
mittel
Agilität
https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloa
ds/DE/PDF-Publikationen/a883weissbuch.pdf;jsessionid=69717D0A17DAEC
08E0007081E6A3A7DD?__blob=publicationFi
le&v=9
29
30
31
32
Bausteine eines
kommunalen
Musterprozesses
Es werden Prozessbausteine definiert, und diese mit EGovernment-Mitteln verbessert. Bausteine:
-Informationen zu einer Verwaltungsleistung einholen
-Eine Verwaltungsleistung auslösen
-Eingangsbearbeitung in der Kommunalverwaltung
-Sachbearbeitung
-Zusammenarbeit mit Leistungspartnern
-Öffentlichkeitsbeteiligung
-Entscheidung
-Übermittlung der Ergebnisse
-Überwachung der Umsetzung der Entscheidung
-Bearbeiten von Rechtsbehelfen
-Archivierung oder Vernichtung der Akte
Kita-Navigator
Dieser Navigator ist ein Online-Vormerkverfahren, in
dem sich Eltern sowohl durch bebilderte Informationen
über 125 Tageseinrichtungen im Kreisgebiet klicken
als auch per Internet ihr Kind zur Anmeldung registrieren 2018 Kreis Heinsberg
können. Die Eltern müssen nicht mehr jede
Tageseinrichtung einzeln aufsuchen und jeweils einen
eigenen Anmeldebogen ausfüllen.
Digitalisierung. Die
Kreisverwaltung packt
an.
Darstellung der Handlungsbereiche, in denen im Kreis
gearbeitet wird. Besonders interessant ist der Bereich
"mobiles Arbeiten". Fortschrittliche Ansätze mit BYOD
und dienstliche zur Verfügung gestellten Apps, die
integriert sind.
Digitale
Unterschrift/eID
Estland verfügt mit seiner „Smart-ID“ über eines der
höchst entwickelten nationalen Ausweissysteme. Der
moderne Lichtbildausweis enthält verschlüsselte Daten,
die als eindeutiger ID-Nachweis in einer elektronischen
2018 Kreis Soest
Anwendung benutzt werden können. Damit können sich
Bürgerinnen und Bürger unter anderem in OnlineVerfahren identifizieren und offizielle Dokumente digital
signieren.
2016 Kommunalverwaltungen Deutschland Bundesministerium des Innern intraorganisational Ablauf
2018 Kreis Nordfriesland
Deutschland Landkreistag
G2C
Ablauf
https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/dow
nloads/DE/veroeffentlichungen/2016/egovernmentkochbuch.pdf?__blob=publicationFile&v=1
Abstrahierte Bausteine, die
sich auf verschiedene
Kommune
Aufgaben anwenden lassen
hoch
Prozessmanagement,
Prozessautomatisierung,
Prozessstandardisierung
Kinderbetreuung
hoch
https://www.landkreistag.de/images/storie
App, Prozessautomatisierung, Bürgerportal
s/publikationen/bd-136.pdf
Kommune
Deutschland Kreis Nordfriesland
intraorganisational
Ablauf und
Aufbau
Diverse
Verwaltungsdienstleistunge Kommune
n und -prozesse
hoch
Mobile Endgeräte, BringYour-Own-Device, Apps, IT- https://www.nordseeStrategie, Agile
akademie.de/fileadmin/user_upload/verans
Organisation, Antragstaltungen/gemeindeseminar_februar_2018_
Assistent, Workflowpr%C3%A4sentation_tiedemann_digitalisier
Management, E-Rechnung, E- ung_kreis_nordfriesland.pdf
Akte
Deutschland Kreis Soest
intraorganisational
Aufbau und
Ablauf
Diverse
Verwaltungsdienstleistunge Kommune
n und -prozesse
mittel
Agilität, Tools, Labs
https://www.staedtebund.gv.at/fileadmin/
USERDATA/staedtetag/2018/tagungsunterla
gen/2018AK4_A_03_Praesention_Dirk_Loen
necke.pdf
Success stories - eEstonia
Estlands Transformation zu einer digitalisierten
Verwaltung begann 1997 mit der Einführung von
eGovernance. 2000 wurde e-Tax eingeführt, was es
Unternehmen ermöglichte dieses schnell digital zu
gründen und zu führen, Steuererklärung konnten
komplett elektronisch eingereicht werden. Heute
werden Steuern allgemein digital abgewickelt. X-Road
(2001) verlinkt öffentliche und private e-service
Datenbanken und ist 24/7 verfügbar. 2002 wurde die
digitale ID eingeführt, die es jedem Bürger ermöglicht
die e-services in Anspruch zu nehmen. 2005 wurden
2018 Staat Estland
digitale Wahlen möglich. 2007 wurde die Polizei
digitalisiert, was deren effektivität steigerte (haben z.B.
Daten aller Autos zur Verfügung und müssen keine
Verkehrsteilnehmer für Kontrollen anhalten). Um die
Sicherheit zu erhöhen, wurde 2008 die Technologie
Blockchain eingeführt. Im gleichen Jahr wurde eine
Gesundheitsdatenbank eingeführt, die es Bürgern
ermöglicht, ihre Daten gleich nach einem Arztbesuch
einzusehen. 2014 wurde es auch für transnationale
Unternehmen möglich, eine digitale ID zu erhalten und
so auf die Government Services zuzugreifen.
Estland
e-estonia
alle
Ablauf
Gesundheit, Bürgerservices,
Bund
Wahlen, u.A.
mittel
Digitaliserungsstrategie,
Datenaustausch, eTax,
Blockchain
https://e-estonia.com
34
Building blocks of eestonia
Beispiel an Dienstleistungen und Technologien: Smart-ID
(App zur digitalen Unterschrift von offiziellen
Dokumenten), e-law, e-justice, e-police,
Mobilitätsservices (z.B. Parkgebühren per App
bezahlen), Bildung (e-School ist ein Board, was ähnlich
wie Moodle funktioniert, hier tragen Lehrer Noten und 2018 Staat Estland
Hausaufgaben ein, kontaktieren Eltern und ihre Klassen,
Eltern können hier die Lernerfolge der Kinder verfolgen,
Schüler können ihre besten Arbeiten in ihr e-portfolio
speichern, die lokale Verwaltung hat die Möglichkeit
statistische Daten abzufragen).
Estland
e-estonia
alle
Aufbau und
Ablauf
Bildung, Steuern, Polizei,
Ordnungsamt
niedrig
e-ID, e-law, e-justice, epolice, e-payment, elearning
https://eestonia.com/solutions/education/e-school/
35
Schritte, um die kommunale Ebene zu digitalisieren:
1. Einführung von elektronischen Datenbanken
öffentlicher Informationen
2. Webseiten für alle Bevölkerungssschichten anpassen,
Information Technology
so dass dort vorhandene Services gut verstanden und
in Public Administration
einfach gefunden werden können
of Estonia
3. lokale Regierende sollen über alle Möglichkeiten und
2.1.5. Co-ordination of
2008 Staat Estland
Gefahren der Digitalisierungsstrategien aufgeklärt
information society
werden
development at local
4. alle Dienstleistungen der lokalen Verwaltungen sollen
level in 2008
digitalisiert werden
5. die Bedürfnisse von lokalen Regierungen in Bezug auf
Digitalisierung sollen weiter analysiert werden und
Lösungen gefunden werden
Estland
Ministry of Economic Affairs
and Communications
intraorganisational
,
Ablauf
G2G, G2C
mittel
e-Services, Webseite
https://www.digar.ee/arhiiv/en/download/
214868
33
alle Ebenen
Digitalisierungsstrategie, IT
Kommune
Services
36
MyBuilding Permit
MyBuilding Permit ist die erste Onlineplattform in den
USA, auf der Baugenehmigungen beantragt werden
können. Auf der Onlineplattform des Bundesstaates
Washington werden verschiedene ePayment
Möglichkeiten angeboten. Die bürgerfreundliche
Anwendung ermöglicht Antragsstellenden anfallende
Gebühren für Anträge oder Genehmigungen direkt
online über gängige Anbieter zu bezahlen.
37
Sammamish 21 TV
Fernsehsender der Stadt, der Gemeindesitzungen und
Informationen über die Stadt und andere Städte der
Umgebung überträgt.
38
USA
eCityGov Alliance
G2C, G2B
Aufbau und
Ablauf
Baugenehmigung
Kommune
hoch
e-Payment, Online
Baugenehmigung
https://mybuildingpermit.com/about-us
USA
City of Sammamish
G2C, G2B
Ablauf
Bürgerinformationen
Kommune
niedrig
e-Services
https://www.sammamish.us
eID in Dänemark
Die eID (NemID) ermöglicht es jedem Dänen, sich digital
auszuweisen und offizielle Dokumente zu
unterschreiben. Außerdem können sie hiermit digitale
2018 Staat Dänemark
Funktionen wie z.B. eBanking, kommunale Services
2018 oder Steuererklärungen nutzen.
Dänemark
Agency for Digitisation
intraorganisational Ablauf
Bürgeridentität
alle Ebenen
mittel
e-ID
https://en.digst.dk/digitisation/eid
39
Online Portal in
Dänemark
Im Online Portal Dänemark findet man Informationen
zu allen Leistungen der Behörden, kann Post an die
Behörden verschicken und erhält diese auch im Portal
und alle Informationen einsehen, die den Behörden
über den Bürger vorliegen
2018 Staat Dänemark
Dänemark
Agency for Digitisation
G2C
Ablauf
Bürgerinformationen und services
alle Ebenen
mittel
e-Services
https://en.digst.dk/digitisation/nationalcitizen-portal/
40
Onlinerechungen für
Unternehmen
Unternehmen haben hierüber die Mögichkeit,
Rechnungen zu schreiben und zu verschicken, es soll
Arbeitsschritte wie Papierrechnungen und die
Digitalisierung dieser durch Scannen ersparen, in dem
sie bereits digital gestellt und abgelegt werden.
2018 Staat Dänemark
Dänemark
Agency for Digitisation
G2B
Ablauf
Services für Unternehmen
alle Ebenen
mittel
e-Services
https://en.digst.dk/digitisation/nemhandel/
Amt für Digitalisierung
in Planung
Der Landkreis Leer führte 2018 ein Amt für
Digitalisierung (und Wirtschaft) ein. Der Landrat sieht
insbesondere für den ländlichen Raum enorme Chancen
im digitalen Zeitalter. Er geht davon aus, dass in
wenigen Jahren alle Dienstleistungen auch digital
2017 Landkreis Leer
angeboten werden müssen. Die „Initiative Digital“
beinhaltet u.a. die Realisierung einer elektronischen
Aktenführung. Das Amt ist im Organigramm des
Landkreises im Dezernat 1 aufgehängt.
Deutschland Kommune 21
intraorganisational Aufbau
Kommune
hoch
Organisationsstruktur Amt
für Digitalisierung
https://www.kommune21.de/meldung_271
61_on.html
http://www.presseservice.de/data.aspx/static/969245.html
Heidelberg auf dem
Weg zur agilen
Stadtverwaltung. Ein
Werkstattbericht.
Nach dem Agilität ein TOP Thema der FührungskräfteKlausur der Stadt Heidelberg im Sommer 2017 war, hat
sich die Stadt entschlossen, das Thema noch stärker
voranzutreiben. Aus Sicht der Stadt wird die Beteiligung
von Bürgerinnen und Bürgern und Beschäftigten in
wichtigen Entscheidungen immer relevanter. Aufgrund 2019 Stadt Heidelberg
der demographischen Entwicklung und der
Digitalisierung müssen mehr innovative
Vorgehensweisen eingesetzt werden. Die Stadt will in
Zukunft in verschiedenen Handlungsfeldern agiler
arbeiten, dazu gehört u.a. der Bereich "Qualifizierung".
Deutschland Stadt Heidelberg
intraorganisational Aufbau
Kommune
hoch
Agilität
https://agileverwaltungorg.files.wordpress.c
om/2019/02/20190221_keynotefavkonferenz_20190221.pdf
41
42
2018 Washington State
2018
Stadt Sammamish,
Washington
43
eAkte im Kreis Düren
Der Kreis Düren hat in vielen seiner
Verwaltungsbereiche, unter anderem im kommunalen
Jobcenter, die Aktenführung komplett von der
Papierakte auf die elektronische Akte (E-Akte)
umgestellt. Auf die E-Akte können die
Verwaltungsmitarbeiter nun ortsunabhängig von jedem
PC aus zugreifen, sofern sie über die entsprechenden
2017 Jobcenter im Kreis Düren Deutschland Deutscher Landkreistag
Zugriffsberechtigungen verfügen. In Folge der
Einführung der E-Akte konnte der Kreis nach eigenen
Angaben Kosten für Verbrauchsmaterial und Druck
einsparen, Arbeitsprozesse optimieren, die
Raumnutzung verbessern sowie die Kunden- und
Mitarbeiterzufriedenheit steigern.
G2C,
Ablauf
intraorganisational
Jobcenter
Kommune
hoch
eAkte, digitaler Postausgang
http://www.kreise.de/__cms1/images/stori
es/publikationen/Bd.%20132.pdf
150
Anhang 4.2: Interviewleitfaden – Experteninterview zur Lösung
„Bauanträge online“ der Stadt Rietberg
Eingangsfrage: Wann wurden Sie zuletzt auf die Lösung „Bauanträge online“ angesprochen
(von allen Parteien - Angestellte, Bürger, Wissenschaft, Presse)?
Fragenblock 1: Bitte beschreiben Sie uns die Lösung / das Verfahren, für das
Sie verantwortlich sind.
•
•
Wie wird die Lösung von den Bürgern angenommen?
Gibt es parallel die analoge Bauantrags-Lösung?
Fragenblock 2: Welche organisatorischen Änderungen haben sich durch die Einführung der
Lösung ergeben?
•
•
•
•
•
•
•
•
Wer ist alles in den Prozess involviert?
o Bürger
o Abteilungen / Dezernate
o Unternehmen
o weitere Behörden
Wie sah der Prozess vor Einführung der Lösung aus?
Wie sah der Prozess nach Einführung der Lösung aus?
Wie hat sich die Komplexität des Prozesses verändert?
Wie haben sich Durchlaufzeiten verändert?
Hat das Projekt eine Veränderung der Zuständigkeiten ausgelöst?
o Haben sich Verantwortlichkeiten (innerhalb von Dezernaten / Ämtern)
verschoben?
o Unterstützung durch IT-Abteilung?
o Unterstützung / Abhängigkeit durch externe Dienstleister?
Welche Auswirkungen hatte die Einführung der Lösung auf
o Aktenpläne
o das Organigramm
o Arbeitslast der Sachbearbeiter
Was für Rückmeldungen haben Sie in Bezug auf das Verfahren bekommen? Von:
o Bürgermeister
o Bürgern
o Dezernatsleitern
o anderen Behörden
o Sachbearbeitern
o Externen
Fragenblock 3: Wie schätzen sie die zukünftige Entwicklung ein?
•
•
•
•
•
Mehr analoge / mehr digitale Nutzung
Fallzahlen
Komplexität
Mehr oder weniger Mitarbeiter
Wird die Abteilung für die Bearbeitung der Bauanträge weiterhin notwendig sein?
o Ist diese an der richtigen Stelle im Organigramm eingegliedert?
Abschlussfrage: In zwei bis drei Sätzen zusammengefasst: Was wird sich aus Ihrer Sicht in
der Ablauf- und Aufbauorganisation aufgrund der Digitalisierung der Verwaltung
verändern?
151
Anhang 4.3: Interviewleitfaden – Experteninterview zum Amt für
Digitalisierung bei der Stadt Sindelfingen
Eingangsfrage: Wann wurden Sie zuletzt auf die Einführung des Amts für Digitalisierung
angesprochen (von allen Parteien - Angestellte, Bürger, Wissenschaft, Presse)?
Fragenblock 1: Bitte beschreiben Sie uns das Amt für Digitalisierung der Stadt Sindelfingen.
•
•
•
•
•
•
Welchem Dezernat gehört das Amt an?
Was sind Ihre Aufgabenbereiche?
Mit welchen Themen beschäftigen Sie sich gerade besonders?
Welche Kompetenzen hat das Amt? (eigene Mittel, nur beratend?)
Wie kam es zur Einführung des Amtes?
Wie viele Mitarbeiter arbeiten in diesem Amt?
Fragenblock 2: Welche organisatorischen Änderungen haben sich durch die Einführung
des Amts für Digitalisierung ergeben?
•
•
•
•
Welche Umstellungen gab es? In Bezug auf:
o Bürgerkontakt
o Unternehmenskontakt
o Zusammenarbeit Abteilungen / Dezernate
o Zusammenarbeit mit weiteren Behörden
Wie wurde mit dem Thema Digitalisierung vor der Einführung des Amts
umgegangen?
Hat das Projekt eine Veränderung der Zuständigkeiten ausgelöst?
o Haben sich Verantwortlichkeiten (innerhalb von Dezernaten / Ämtern)
verschoben?
o Unterstützung durch IT-Abteilung?
o Unterstützung / Abhängigkeit durch externe Dienstleister?
Was für Rückmeldungen haben Sie in Bezug auf die Einführung des Amts erhalten?
Von:
o Bürgermeister
o Dezernatsleitern
o Sachbearbeitern
o Bürgern
o Anderen Behörden
o Externen
Fragenblock 3: Wie schätzen sie die zukünftige Entwicklung ein?
•
•
•
•
•
Aufgabenbereich / Themenbereiche
Verantwortung
Mitarbeiterzahlen
Komplexität der Aufgaben
Ist das Amt an der richtigen Stelle im Organigramm eingegliedert?
Abschlussfrage: In zwei bis drei Sätzen zusammengefasst: Was wird sich aus Ihrer Sicht
in der Ablauf- und Aufbauorganisation aufgrund der Digitalisierung der Verwaltung
verändern?
152
Anhang 4.4: Interviewleitfaden – Qualitative Interviews zu Bürger- und
Unternehmensdienstleistungen
Einleitung
•
•
Erläuterungen zu Forschungsvorhaben / Interviewdauer / Nachfragen im Interview
Biographische Fragen zur interviewten Person
1. Rahmenbedingungen des Verwaltungsverfahrens
1. Auf welchen gesetzlichen Grundlagen baut der Verwaltungsverfahren auf?
2. Wie sehr ist der Verwaltungsprozess auf Landes- bzw. Bundesebene standardisiert?
Welche Freiheitsgrade verbleiben in der Prozessgestaltung bei der
Landkreisverwaltung?
2. Prozessablauf
3. Um ein Verständnis von der aktuellen Abwicklung des Verwaltungsverfahrens
innerhalb der Landkreisverwaltung zu erlangen, bitten wir Sie, uns den
Prozessablauf von der Antragstellung bis zu dessen Abschluss kurz zu schildern.
2.1 Verwaltungsinterne Perspektive:
4. Welche Verwaltungseinheiten sind am Prozess beteiligt? Welche Schnittstellen
zwischen den Verwaltungseinheiten gibt es wo im Verwaltungsprozess?
5. Wie kommunizieren die Verwaltungseinheiten untereinander bzw. wie werden
Daten/Informationen übertragen?
6. Sind Kompetenzen zur Bearbeitung des Verwaltungsverfahrens in einer
bestimmten Verwaltungseinheit gebündelt?
7. Sollten und könnten beteiligte Verwaltungseinheiten im Verwaltungsaufbau
enger zusammengeführt werden?
2.2 Bürgerperspektive:
8. Welche Informationen werden vom Bürger/der Bürgerin benötigt? Wo
existieren hierbei Schriftformerfordernisse?
9. Welche Bemühungen wurden bereits unternommen, dass
Verwaltungsverfahren bürgerfreundlich zu gestalten?
10. Ist ein einheitlicher Ansprechpartner für Bürgerinnen und Bürger in der
Verwaltung vorhanden?
11. Sind Informations-, Kommunikations- und Transaktionsmöglichkeiten für
Bürgerinnen und Bürger zentral zusammengeführt?
3. Digitalisierung des Verwaltungsverfahrens
12. Welche Bemühungen wurden bereits in der Landkreisverwaltung unternommen,
um den Verwaltungsprozess digital zu optimieren?
13. Wo sehen Sie im Verwaltungsverfahren weitere Optimierungspotentiale durch die
Nutzung von digitalen Technologien?
153
Anhang 4.5: Interviewleitfaden – Qualitatives
einem internen Querschnittsprozess
Interview
zu
Einleitung
•
•
Erläuterungen zu Forschungsvorhaben / Interviewdauer / Nachfragen im Interview
Biographische Fragen zur interviewten Person
1. Rahmenbedingungen des Verwaltungsverfahrens
1. Auf welchen gesetzlichen Grundlagen baut der Beschaffungsprozess auf?
2. Wie sehr ist der Beschaffungsprozess auf Landes- bzw. Bundesebene
standardisiert?
Welche Freiheitsgrade in der Prozessgestaltung verbleiben bei der
Landkreisverwaltung?
2. Prozessablauf
3. Um ein Verständnis von der aktuellen Abwicklung des Verwaltungsverfahrens
innerhalb der Landkreisverwaltung zu erlangen, bitten wir Sie, uns den
Prozessablauf von der Bedarfserhebung bis zur Bedarfsdeckung kurz zu schildern.
4. Wie werden Beschaffungsbedarfe in den einzelnen
Ämtern/Verwaltungsbereichen erhoben?
5. Wie erfolgt die Kommunikation zwischen dem Bereich „Beschaffung Bewirtschaftung“ im Personal- und Hauptamt und den Bedarfsträgern bzw. wie
werden Informationen übertragen?
6. Welche Verwaltungseinheiten sind neben dem Bereich „Beschaffung Bewirtschaftung“ im Personal- und Hauptamt und den bedarfstragenden
Verwaltungseinheiten noch am Beschaffungsprozess beteiligt? Welche
Funktion übernehmen diese Verwaltungseinheiten?
7. Gibt es Verwaltungseinheiten die selber Beschaffungsprozesse durchführen?
Wenn ja, warum?
8. Wie wird die tatsächliche externe Beschaffung abgewickelt? Wie wird mit den
Lieferanten kommuniziert?
3. Digitalisierung des Verwaltungsverfahrens
9. Welche Bemühungen wurden bereits in der Landkreisverwaltung unternommen,
um den Verwaltungsprozess digital zu optimieren?
10. Wo sehen Sie im Verwaltungsverfahren weitere Optimierungspotentiale durch die
Nutzung von digitalen Technologien?
154
Anhang 5.1: Interviewleitfaden Experteninterviews
1. Fragenblock: Einleitende & Allgemeine Fragen
1.1 Welche Aufgaben haben Sie in der Muster GmbH?
1.2 Welche Perspektiven können Sie uns mit Hinblick auf das Personal vermitteln?
1.3 Was wird sich beim Verwaltungspersonal verändern im Zuge der
Digitalisierung?
1.4 Welche erfolgreichen Maßnahmen wurden bisher umgesetzt?
1.5 Welche Faktoren sind für eine zukunftsträchtige Belegschaft der Verwaltung
wichtig?
2. Fragenblock: Arbeitsmodelle
2.1 Welche räumlichen Arbeitsmodelle sind für die Zukunft der Verwaltung
erfolgversprechend?
2.2 Welche zeitlichen Arbeitsmodelle sind für die Zukunft der Verwaltung
erfolgversprechend?
2.3 Welche Auswirkungen bietet insbesondere die Digitalisierung bei der
Umsetzung?
2.4 Welche digitalen Gegebenheiten müssen gegeben sein, um neue
Arbeitsmodelle zu etablieren?
3. Fragenblock: Aufgabenprofil und Qualifikationsniveau
3.1 Welchen Einfluss hat die Digitalisierung auf die Aufgabeninhalte des
Verwaltungspersonals (sowohl Sachbearbeiter als auch IT)?
3.2 Welche Aufgabenprofile und damit einhergehende Qualifikationsniveaus
werden benötigt?
3.3 Inwieweit werden in der Zukunft (Routine-)Aufgaben von Computern
übernommen?
4. Fragenblock: Personalbedarf
4.1 Werden durch die Digitalisierung neue Arbeitsplatze entstehen oder wegfallen?
Warum?
4.2 In welchen Bereichen und Hierarchieebenen werden Arbeitsstellen entstehen und
wegfallen?
4.3 Werden sich der Fachkräftemangel und der sinkende Personalbedarf
„ausgleichen”?
5. Fragenblock: (Digitale) Kompetenzen
5.1 Welche Kompetenzen (digital und analog) brauchen die Mitarbeitenden der
Verwaltung in Zukunft?
5.2 Welche Kompetenzen besitzen Verwaltungsangestellte schon?
5.3 Welche Kompetenzen werden insbesondere von Führungskräften im Rahmen der
Digitalisierung erwartet?
6. Fragenblock: Personalbeschaffung
6.1 Welche Maßnahmen empfinden Sie als wichtig, um die Attraktivität der
Verwaltung zu erhöhen?
6.2 Wie kann die Verwaltung die Motivation und Beschäftigungsfähigkeit jedes
Mitarbeitenden über die gesamte Erwerbslaufbahn erhalten werden?
155
6.3
Welche Art von Fachkräften sollten in Zukunft rekrutiert werden?
7. Fragenblock: Personalentwicklung
7.1 Welche Formen der Weiterbildung werden künftig notwendig sein?
7.2 In welchem Rahmen werden die Weiterbildungsmaßnahmen erfolgen?
7.3 Wie können entsprechend dem Bedarf Fachkräfte entwickelt werden?
7.4 Ist es sinnvoller, eigene Fachkräfte zu entwickeln oder externe Expertise
einzukaufen?
8. Fragenblock: Abschluss
Wie oder inwiefern konnte/wird das Verwaltungspersonal von der Digitalisierung
profitieren?
Vorläufige Szenarien
Frage: Bitte kommentieren Sie folgende Szenarien, welchem würden Sie eher zustimmen?
Szenario: Online-Verwaltung
Die Kommunalverwaltung im Jahr 2030 ist im Netz leicht zugänglich, konnte die
Verwaltungsdienstleistungen bereits vollständig auf zentrale Online-Verfahren umstellen und
hat den ortsgebundenen Kundenkontakt gänzlich eingestellt. Die standardisierten Verfahren
wirken sich in vielerlei Hinsicht auf das Verwaltungspersonal aus. Der mobile Arbeitsplatz,
Telearbeit und Home-Office sind an der Tagesordnung, flexibilisieren den Arbeitsalltag und
erhöhen die Work-Life-Balance. Durch den Wegfall von Bürgerservices in der Fläche und die
technologische Automatisierung und Standardisierung von Arbeitsprozessen reduziert sich der
Personalbedarf von Sachbearbeiter*innen, erhöht jedoch gleichzeitig den Bedarf an
qualifizierten IT-Kräften. Insgesamt müssen anspruchsvollere und komplexere Tätigkeiten
ausgeführt werden. Letztendlich sinkt jedoch der Personalbedarf. Das Kompetenzprofil hat sich
dahingehend verschoben, dass digitale Kompetenzen die Soft Skills ablösten.
Szenario: Interaktive Verwaltung
Die Kommunalverwaltung im Jahr 2030 ist im Netz leicht zugänglich, konnte die
Verwaltungsdienstleistungen bereits in vielen Bereichen auf zentrale Online-Verfahren
umstellen, pflegt jedoch trotzdem weiterhin den ortsgebundenen Kundenkontakt. Die
Möglichkeit, Arbeitsmodelle wie Telearbeit, Teilzeit und Home-Office zu nutzen besteht. Trotz
dessen müssen Kernzeiten in der Verwaltung besetzt werden. Es besteht weiterhin Nachfrage
an Sachbearbeiter*innen, sowie auch IT-Fachkräften und Führungspersonal. Neben Aufgaben
mit komplexem IT-Inhalt, müssen auch weiterhin ausführende und serviceorientierte
Tätigkeiten bedient werden. Auf der einen Seite sind digitale Kompetenzen gefordert. Vor allem
jedoch besitzt das Verwaltungspersonal Soft Skills im Umgang mit Kunden.
156
Schriftenreihe für Public und Nonprofit Management
Herausgegeben vom Lehrstuhl für Public und Nonprofit Management
der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Potsdam
In dieser Reihe erschienen:
Band 1
Polzer, Tobias: Verwendung von Performance-Informationen in der öffentlichen
Verwaltung : eine Untersuchung der Berliner Sozialhilfeverwaltung / Tobias Polzer.
- 83 S.
2010 | URN urn:nbn:de:kobv:517-opus-42357
Band 2
Radke, Marlen: Die Balanced Scorecard zur Unterstützung der politischen Planung
und Steuerung der Vorhaben einer Landesregierung / Marlen Radke. - 85 S.
2010 | URN urn:nbn:de:kobv:517-opus-42395
Band 3
Krischok, Arndt: Die Rolle von Policy-Netzwerken in Public Private Partnerships /
Arndt Krischok. – 98 S.
2010 | URN urn:nbn:de:kobv:517-opus-43046
Band 4
Vogel, Dominik: Dem Gemeinwohl verpflichtet? - Was motiviert die Beschäftigten
des öffentlichen Dienstes? / Dominik Vogel. – 75 S.
2011 | URN urn:nbn:de:kobv:517-opus-51554
Band 5
Rackow, Maja: Personalmarketing in der öffentlichen Verwaltung : Analyse und
Implikationen eines Best Practice-Ansatzes /
Maja Rackow. – VI, 68 S.
2011 | URN urn:nbn:de:kobv:517-opus-51652
Band 6
Schnitger, Moritz: Pflegekonferenzen als geeignetes Instrument zur Optimierung
des deutschen Pflegemarktes? : Steuerungspotential lokaler Politiknetzwerke im
Rahmen von Wohlfahrtsmärkten /
Moritz Schnitger. – VI, 137 S.
2011 | URN urn:nbn:de:kobv:517-opus-52567
Band 7
Kunath, Marcus: Personalpolitik in der Landesverwaltung und demografischer
Wandel : unausgewogene Altersstrukturen als Handlungsfeld des strategischen
Personalmanagements in den Landesverwaltungen Berlin und Hamburg /
Marcus Kunath. – vi, 93 S.
2011 | URN urn:nbn:de:kobv:517-opus-53386
Band 8
Hengel, Martin: Beteiligungsmanagement in Zeiten des kommunalen
Gesamtabschlusses / Martin Hengel. – iii, 67 S.
2011 | URN urn:nbn:de:kobv:517-opus-53392
Band 9
Nijaki, Nadine: Public Service Motivation im Nonprofit-Bereich : eine Fallstudie am
Beispiel des Deutschen Roten Kreuzes / Nadine Nijaki. – 26, XVI S.
2011 | URN urn:nbn:de:kobv:517-opus-54487
Band 10
Was machen Verwaltungsmanager wirklich? : Explorative Ergebnisse eines
Lehrforschungsprojekts / Alexander Kroll, John Philipp Siegel (Hrsg.). – 66 S.
2011 | URN urn:nbn:de:kobv:517-opus-54526
Band 11
Kramer, Ansgar: Organisationale Fähigkeiten des öffentlichen Sektors : zur
Übertragbarkeit der Capability Based View auf die Öffentliche Verwaltung /
Ansgar Kramer. – 68 S.
2012 | URN urn:nbn:de:kobv:517-opus-57298
Band 12
Döring, Matthias: Der Einfluss von Verwaltungskultur auf die Verwendung von
Performance-Daten : eine quantitative Untersuchung der deutschen kreisfreien
Städte / Matthias Döring. – 28 S.
2012 | URN urn:nbn:de:kobv:517-opus-57698
Band 13
Bögel, Simon: Anreize bei der Budgetierung : Welche dysfunktionalen
Verhaltensweisen der Manager resultieren aus der Berliner MedianBudgetierung? / Simon Bögel. – VI, 66 S.
2012 | URN urn:nbn:de:kobv:517-opus-58124
Band 14
Faasch, Britta: Der Einfluss der leistungsorientierten Bezahlung auf die Public
Service Motivation und die intrinsische Motivation von Beschäftigten im
öffentlichen Sektor: Ein empirischer Test der Motivation Crowding Theory am
Beispiel der Kreisverwaltung Potsdam-Mittelmark/ Britta Faasch. – VI, 73 S.
2012 | URN urn:nbn:de:kobv:517-opus-61892
Band 15
Kalm, Nicolas von: Personalführung in der öffentlichen Verwaltung
in Zeiten des demographischen Wandels : eine Untersuchung der Wirkung
altersspezifischer Führung auf die Arbeitsbeziehung von Führungskraft und
Mitarbeiter am Beispiel einer Dienststelle der Bundesagentur für Arbeit / Nicolas
von Kalm. – VI, 66 S.
2012 | URN urn:nbn:de:kobv:517-opus-63056
Band 16
Wenzek, Eva: Organisationale Fähigkeiten in Museen :
eine explorative Fallstudie / Eva Wenzek. – XVI, 28 S.
2012 | URN urn:nbn:de:kobv:517-opus-63645
Band 17
Muriu, Abraham Rugo: Decentralization, citizen participation and local public
service delivery : a study on the nature and influence of citizen participation on
decentralized service delivery in Kenya / Abraham Rugo Muriu. – VIII, 79 S.
2013 | URN urn:nbn:de:kobv:517-opus-65085
Band 18
Nickenig, Julia: Mitarbeitermotivation in der Wissenschaft am Beispiel des LeibnizInstituts für Agrartechnik Potsdam-Bornim e. V. /
Julia Nickenig. – vi, 76 S.
2014 | URN urn:nbn:de:kobv:517-opus-71353
Band 19
Creusen, Leander: Die Arbeit der Organisationseinheit „Beteiligungsmanagement“
im Gesamtkontext der Steuerung öffentlicher Unternehmen auf kommunaler
Ebene /
Leander Creusen. – VI, 82 S.
2014 | URN urn:nbn:de:kobv:517-opus-71938
Band 20
Ansel, Simon: Die Diffusion von Innovationen in deutschen Kommunen : eine
Untersuchung zu Komponenten des E-Government / Simon Ansel – IV, 67 S.
2015 | URN urn:nbn:de:kobv:517-opus4-80370
Band 21
Schinck, Kai Philipp: Erfolgsfaktor Qualitätsmanagement? Die effektive
Implementierung von Qualitätsmanagementsystemen in öffentlichen
Organisationen / Kai Philipp Schinck – 54 S.
2017 | URN urn:nbn:de:kobv:517-opus4-400520
Band 22
Marienfeldt, Justine: Qualitätsmanagement in Nonprofit-Organisationen : eine
mikropolitische Analyse am Beispiel des Landesverbandes der Arbeiterwohlfahrt
Berlin / Justine Marienfeldt – I, 30 S.
2018 | URN urn:nbn:de:kobv:517-opus4-408877
Band 23
Birk, Dolores: Mikrofinanzinstitutionen und ihre soziale Performance – eine
Literaturdiskussion : welchen Einfluss hat die Organisationsform von
Mikrofinanzinstitutionen auf ihre soziale Performance? / Dolores Michaele Birk –
III, 44 S.
2018 | URN urn:nbn:de:kobv:517-opus4-410856
Band 24
Holtz, Johannes Niklas: Civil servants’ commitment to change – a factor of success
regarding the reform of public budgeting and accounting in the State of
Brandenburg? / Johannes Niklas Holtz – IV, 79.
2018 | URN urn:nbn:de:kobv:517-opus4-420792
Band 25
Zukunftsszenarien für die digitale Verwaltung : Ergebnisse eines studentischen
Beratungsprojekts / Caroline Fischer, Isabella Proeller (Hrsg.). – 156 S.
2019 | URN urn:nbn:de:kobv:517-opus-435593