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University of Zurich Zurich Open Repository and Archive Winterthurerstr. 190 CH-8057 Zurich http://www.zora.uzh.ch Year: 2010 "Sie hätten in ein grosses Institut hineingehört". Robert Doerr und der Boom der Basler Hygiene Berger, S Berger, S (2010). "Sie hätten in ein grosses Institut hineingehört". Robert Doerr und der Boom der Basler Hygiene. In: Burghartz, S; Kreis, G. Universität Basel 1460-2010. Basel, 1-16. Postprint available at: http://www.zora.uzh.ch Posted at the Zurich Open Repository and Archive, University of Zurich. http://www.zora.uzh.ch Originally published at: Burghartz, S; Kreis, G 2010. Universität Basel 1460-2010. Basel, 1-16. DR . SI LV IA B E RG E R «Sie hätten in ein grosses Institut hineingehört» – Robert Doerr und der Boom der Basler Hygiene Im Jahr 1951 verfasste Ernst Freudenberg, Dekan der Medizinischen Fakultät der Universität Basel, ein Gratulationsschreiben zum 80. Geburtstag eines ehemaligen 3URIHVVRUVGHU)DNXOWlW)UHXGHQEHUJOLH‰HVQLFKWEHLK|ÁLFKHQ)ORVNHOQXQGEHVWHQ Wünschen für die Gesundheit des Jubilars bewenden. Schließlich hieß der Adressat Robert Doerr und war der ehemalige Leiter des Hygienischen Instituts. Auch zehn Jahre nach dessen Emeritierung erinnerte sich der Dekan mit größter Hochachtung an Doerrs Tätigkeit: «Sie übernahmen vor 32 Jahren in Basel einen wichtigen Lehrstuhl und eine zur wissenschaftlichen Arbeit kaum eingerichtete Anstalt [...]. Trotz der räumlichen Schwierigkeiten gelang es Ihnen innerhalb kurzer Zeit die zur experimentellen Arbeit notwendigste Einrichtung und eine ausgezeichnete Fachbibliothek zu schaffen. [...] Durch Ihre bahnbrechenden Arbeiten über die Immunitätslehre, die Allergieprobleme, die Virusforschung und über andere Spezialgebiete ist nicht nur Ihr Name, sondern auch unsere Universität mit Ihrem Hygienischen Institut zu einer führenden Stätte der wissenschaftlichen Forschung weltbekannt geworden.»1 Bereits anlässlich der Pensionierung Doerrs hatte ihn die Universität Basel mit Ehrund Dankbarkeitsbekundungen überhäuft. Auf Anregung von Kollegen und Schülern wurde der staatliche Kunstkredit beauftragt, einen Entwurf für eine Bronzebüste auszuarbeiten, die künftig im Kollegiengebäude oder dem Hygiene-Institut stehen sollte. Curt Hallauer, Hygiene- und Bakteriologieprofessor in Bern, hielt ein Denkmal für seinen ehemaligen Lehrer für mehr als angemessen, schließlich habe Doerr seit seinem Amtsantritt 1919 das «Ansehen der Basler Universität im In- und Ausland in hervorragender Weise gemehrt».2 Aufgrund seiner Forschungen im Grenzgebiet zwischen belebter und unbelebter Natur ernannte man den Mediziner zudem zum Ehrendoktor der philosophisch-naturwissenschaftlichen Fakultät – eine Anerkennung, die Doerr trotz zahlreicher anderer Preise, Ehrenmitgliedschaften und Auszeichnungen zeitlebens mit größtem Stolz erfüllte.3 Weshalb so viel Aufhebens um Doerr? Im Folgenden soll der Beitrag des aus Österreich-Ungarn stammenden Mediziners zum augenfälligen Aufschwung der Basler Hygiene und zum enormen Prestigegewinn der Universität in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts näher betrachtet werden. Um Doerrs Wirkung richtig beurteilen 1 Staatsarchiv Basel-Stadt (nachfolgend StaBS), UA X 3,5, Doerr, Robert. 2 Ebd., Brief Curt Hallauer an den Rektor der Universität, 1.2.1944. 3 Privatnachlass Robert Doerr, Autobiographische Notizen, Basel 1945. —› www.unigeschichte.unibas.ch / © Historisches Seminar Basel / Januar 2010 Silvia Berger, «Robert Doerr und der Boom der Basler Hygiene» zu können, ist es notwendig, den Fokus nicht ausschließlich auf seine Ordinariatszeit von 1919–1943 zu richten. Es bedarf einer Ausweitung des zeitlichen Horizonts; auch die Anfänge des um die vorletzte Jahrhundertwende noch jungen Lehrfaches Hygiene müssen in den Blick genommen werden. Im Zentrum steht die Frage, welche Stationen der hygienische Lehrstuhl und die daran gekoppelte «Hygienische Anstalt» seit ihrer Gründung im Jahr 1892 in Bezug auf ihre wissenschaftlichen Referenzpunkte und Bezugsdisziplinen, ihre institutionellen und materiellen Rahmenbedingungen, ihrer personelle Ausstattung sowie ihre internationale Strahlkraft durchlaufen haben. Dabei wird die Zäsur, die Doerr in Basel gegenüber seinem Vorgänger Albrecht Burckhardt markierte, deutlich zutage treten. Dies nicht nur bezüglich des Renommees des Instituts, sondern auch hinsichtlich der konzeptionellen Ausrichtung des Faches sowie den damit einhergehenden Forschungspraktiken und Beiträgen zum öffentlichen Gesundheitswesen. Hygiene auf «bescheidenem Fuss»: Die Gründung der «Hygienischen Anstalt» 1892 Seit Mitte des 19. Jahrhunderts verzeichneten die europäischen Städte als Folge der zunehmenden Industrialisierung einen rapiden Bevölkerungsanstieg. In Basel verdreifachte sich die Einwohnerzahl zwischen 1861 und 1900, besonders aufgrund der Zuwanderung vom Land, von 38‘360 Personen auf 110’010.4 Konfrontiert mit den überfüllten Arbeiterquartieren, der Verelendung, Verschmutzung und dem Auftreten von Seuchen wie Typhus und Cholera lancierten Politiker und Verwaltungsbeamte der 6WlGWH YHUVFKLHGHQH 0D‰QDKPHQ GHU |IIHQWOLFKHQ *HVXQGKHLWVSÁHJH VR HWZD GHQ Ausbau der zentralen Trinkwasserversorgung und Kanalisation, die Verbesserung der Nahrungsmittelversorgung und der Bauhygiene.5 Sie basierten auf den Vorschlägen von Ingenieuren und Technikern, aber auch den Angeboten der hygienischen Wissenschaft.6 Die Hygiene hatte ihre naturwissenschaftliche Konsolidierung durch Max von Pettenkofer (1818–1901) erlangt. Im Gegensatz zur klassischen, auf antiken Traditionen beruhenden «Dietätik»7 verstand Pettenkofer unter Hygiene nicht eine auf den Körper zentrierte «Lebensordnung», sondern eine auf die Gesamtheit der Lebensumwelt erweiterte, angewandte Physiologie. Auf experimentellem Wege untersuchte der ausgebildete Chemiker die Zusammensetzung der Luft, des Wassers, des Bodens und der 4 Burckhardt, Albrecht: Demographie und Epidemiologie der Stadt Basel während der letzten drei Jahrhunderte, Basel 1908, S. 97. Zu den Tendenzen und Strukturen der Bevölkerungsentwicklung Basels im 19. Jh. vgl. Sarasin, Philipp: Stadt der Bürger. Bürgerliche Macht und städtische Gesellschaft, Göttingen 1997, Kap. 1. 5 Zur Entwicklung der städtischen Gesundheit im 19. Jh. vgl. Vögele, Jörg: Sozialgeschichte städtischer Gesundheitsverhältnisse während der Urbanisierung (= Schriften zur Wirtschaftsgeschichte Bd. 69), Berlin 2001; Vögele, Jörg, Woelk, Wolfgang (Hg.): Stadt, Krankheit und Tod. Geschichte der städtischen Gesundheitsverhältnisse in der epidemiologischen Transition, Berlin 2000; Bleker, Johanna: Die Stadt als Krankheitsfaktor. Eine Analyse ärztlicher Auffassungen im 19. -DKUKXQGHUWLQ0HGL]LQKLVWRULVFKHV-RXUQDO  6=XU(QWZLFNOXQJGHV6WlGWHEDXVXQWHUGHP(LQÁXVV GHU+\JLHQHEHZHJXQJYJO3ÀQJVWHQ&ODXV'LH©VDXEHUH.QDSSKHLWGHU)RUPª$UFKLWHNWRQLVFKH)RUPHQWZLFNOXQJXQG 6WlGWHEDXXQWHUGHP(LQÁXVVGHU+\JLHQHEHZHJXQJGHV-KVLQ©6HLVDXEHUª(LQH*HVFKLFKWHGHU+\JLHQHXQG|Ifentlichen Gesundheitsvorsorge in Europa, hrsg. vom Musée d’Histoire de la Ville de Luxembourg, Köln 2004, S. 158-171. 6 Zu den medizinischen Theorien in der Hygienebewegung Deutschlands im 19. Jh. vgl. Hardy, Anne: Ärzte, Ingenieure und die städtische Gesundheit, Frankfurt a.M./New York 2005. 7 Zur Bezugnahme des hygienischen Diskurses des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jhs. auf die antike «Dietätik» als Lehre von den sechs «res non naturales» (Licht und Luft, Essen und Trinken, Bewegung und Ruhe, Wachen und Schlafen, Ausscheidungen, Gemütsbewegungen), die der Mensch beachten musste, damit sein Leben einem Gesundheitsregiment entsprach vgl. Sarasin, Philipp: Reizbare Maschinen. Eine Geschichte des Körpers 1765-1914, Frankfurt a.M. 2001. —› www.unigeschichte.unibas.ch / © Historisches Seminar Basel / Januar 2010 2 Silvia Berger, «Robert Doerr und der Boom der Basler Hygiene» Nahrung und prüfte in Zusammenarbeit mit Physiologen die Effekte auf die menschliche Gesundheit, z.B. auf die Atmung oder die Stoffwechselprozesse. Auch der Lehre von den Ursachen und Folgen der Seuchen – der Epidemiologie – widmete sich Pettenkofer. Gemäß seiner auf statistischen Studien basierenden Boden-GrundwasserTheorie entfalteten sich Seuchen aufgrund eines durch einen Ansteckungsstoff im verunreinigten Boden ausgelösten Fäulnisprozesses, aus dem sich ein krankmachendes Gift (Miasma) entwickelte, dem es durch Verbreitung in der Luft gelang, Menschen zu LQÀ]LHUHQ8 Praktische Maßnahmen der Seuchenverhütung zielten deshalb primär auf die Entwässerung des gefährlichen Bodens und die Abdichtung von Sickergruben. Obwohl für Pettenkofer 1865 in München der erste Lehrstuhl für Hygiene geschaffen wurde, verhinderte die Vielzahl der im hygienischen Feld weiterhin verwendeten Methoden (physikalische, chemische, physiologische, statistische) und die fehlende systematische Zusammenstellung des Forschungsgebietes seine Institutionalisierung an den medizinischen Fakultäten der Universitäten.9 Auch für die Durchsetzung des +\JLHQLNHUVDOV([SHUWHQIUGLH|IIHQWOLFKH*HVXQGKHLWVSÁHJHZDUGDV)DFK]XZHQLJ abgegrenzt und strukturiert. Dies sollte sich durch die Erfolge Robert Kochs und Louis Pasteurs ändern, den bekanntesten Exponenten der Ende des 19. Jahrhunderts zur prestigeträchtigen Leitwissenschaft aufsteigenden Bakteriologie.10 Der Nachweis von kleinsten, dem bloßen Auge unsichtbaren Mikroorganismen als Auslöser von ansteckenden Krankheiten – erzielt dank ‹moderner› bakteriologischer Untersuchungsmethoden, -techniken und -apparate – erlaubte es nicht nur, Epidemien in einem frühen Stadium zu erkennen und sie gezielt zu bekämpfen.11 Mit Blick auf die DOOJHPHLQHQ 0D‰QDKPHQ GHU SULYDWHQ XQG |IIHQWOLFKHQ *HVXQGKHLWVSÁHJH IKUWH HU DXFK ]XU (QWZLFNOXQJ HLQHV .DWDORJV VSH]LÀVFKHU 3UlYHQWLRQVSUDNWLNHQ ]% Desinfektionsmaßnahmen). Infolge der zunehmenden Dominanz der gesundheitspolitisch viel versprechenden Ansätze der Bakteriologie innerhalb der Hygiene entschlossen sich in Deutschland, aber auch in anderen europäischen Staaten ab Mitte der 1880er Jahre immer mehr Universitäten zur Einrichtung von hygienischen Lehrstühlen. In Deutschland wurden viele der neuen Ordinariate von Schülern und Mitarbeitern Robert Kochs besetzt.12 Nachdem auch in Zürich und Genf Institute für Hygiene geschaffen wurden, fühlte sich die medizinische Fakultät in Basel unter Zugzwang und schlug dem Grossen Rat 1892 vor, ein hygienischen Institut «auf bescheidenem Fuß» und einen Lehrstuhl für 8 Zu Pettenkofer vgl. aktuell Weyer-von Schoulz, Martin: Max von Pettenkofer (1818-1901). Die Entstehung der modernen Hygiene aus den empirischen Studien menschlicher Lebensgrundlagen, Frankfurt a.M. 2006. 9 Vor der Ära der Bakteriologie entstanden insgesamt nur drei Institute für Hygiene im deutschen Sprachraum. Vgl. Jakobs, Peter: Die Hygiene-Institute im deutschen Sprachraum (1856-1925), Köln 1994. 10 .ODVVLVFKHhEHUEOLFNH]XU*HVFKLFKWHGHU%DNWHULRORJLHÀQGHQVLFKEHL%XOORFK:LOOLDP  7KH+LVWRU\RI%DFWHULRlogy, New York; Foster, William D.: A History of Medical Bacteriology and Immunology, London 1970; Porter, Roy: The *UHDWHV%HQHÀWRI0DQNLQG$0HGLFDO+LVWRU\RI0DQNLQG/RQGRQLQVE.DS'DUPRQ3LHUUH/·KRPPHHWOHV microbes, XVIIe-XXe siècle, Paris 1999. Zu Koch vgl. aktuell Gradmann, Christoph: Krankheit im Labor. Robert Koch und die medizinische Bakteriologie, Göttingen 2005, zur Pasteurisierung Frankreichs vgl. Latour, Bruno: Les microbes. Guerre et paix, suivi de irréductions, Paris 1984; ders.: Pasteur. Une Science, un style, un sciècle, Paris 1994. 11 Zu dem nur partiell eingehaltenen Versprechen der Bakteriologen, die Infektionskrankheiten kontrollieren und sogar DXVURWWHQ]XN|QQHQYJO*UDGPDQQ&KULVWRSK©.ULHJGHQ%DFWHULHQª:XQVFKXQG:LUNOLFKNHLWGHU0HGL]LQLVFKHQ %DNWHULRORJLHXQGGHU/DERUPHGL]LQDP(QGHGHV-DKUKXQGHUWVLQ©6HLVDXEHUª ZLH)Q 6 12 Vgl. Briese, Olaf: Angst in den Zeiten der Cholera. Über kulturelle Ursprünge des Bakteriums, Berlin 2003 (Seuchen-Cordon I), S. 364; Eulner, Hans-Heinz: Hygiene als akademisches Fach, in: Artelt, Walter et al. (Hg.), Städte-, Wohnungs- und Kleidungshygiene des 19. Jahrhunderts, Stuttgart 1969, S. 52-69. —› www.unigeschichte.unibas.ch / © Historisches Seminar Basel / Januar 2010 3 Silvia Berger, «Robert Doerr und der Boom der Basler Hygiene» den praktischen und theoretischen Unterricht in der Hygiene einzurichten.13 In der %HJUQGXQJKLH‰HVGDVVVLFKLQGHU*HVXQGKHLWVSÁHJHGHUOHW]WHQ-DKUHGXUFKGLH Entwicklung der Bakteriologie eine bedeutende Umwälzung vollzogen habe und man jetzt in allen Zweigen der Hygiene begonnen habe, «das von der Praxis dargebotene Material in streng wissenschaftlicher Weise auf experimenteller Basis von neuem durchzuarbeiten». Die bakteriologischen Untersuchungsmethoden würden dabei eine genaue Analyse all jener Erscheinungen ermöglichen, die für die öffentliche und SULYDWH *HVXQGKHLWVSÁHJH YRQ :LFKWLJNHLW VHLHQ 'LH *UQGXQJ HLQHV +\JLHQH Instituts im Jahr 1892 bot sich allerdings nicht nur aufgrund des national und international spürbaren Institutionalisierungsdrucks an. Universität und Kanton konnten mit einem neuen Lehrstuhl für Hygiene zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, hätte sich damit doch auch die «längst schwebende» Frage des kantonalen Schularztes lösen lassen. Der Zeitpunkt war nicht zuletzt auch deshalb günstig, weil im Gebäude des Laboratoriums des neu angestellten «öffentlichen Chemikers», dessen Nähe zum Hygieniker auf der Hand lag, ein Stockwerk frei war.14 Als ersten außerordentlichen Professor des 1892 durch Großratsbeschluss genehmigten /HKUVWXKOVIU+\JLHQHGHUQLFKWQXUDNDGHPLVFKHQ3ÁLFKWHQXPIDVVHQVROOWHVRQGHUQ auch die schulärztliche Aufsicht des Kantons und Ratgeberaufgaben im öffentlichen Sanitätswesen, berief man Albrecht Burckhardt (vgl. Abb. 1). Die Berufung des aus altem Basler Patriziergeschlecht stammenden Burckhardts15 erstaunt angesichts der ursprünglichen Motive für die Gründung des Instituts, die explizit auf die Bedeutung der Bakteriologie und ihre experimentellen Untersuchungsmethoden für die wissenVFKDIWOLFKH+\JLHQHXQG|IIHQWOLFKH*HVXQGKHLWVSÁHJHDEVWHOOWHQXQGGDPLWGLH]Xkünftige Ausrichtung des Lehrstuhls annoncierten. Als bakteriologisch informierten Hygieniker konnte man Burckhardt nun aber nicht bezeichnen. Der seit 1882 als 3ULYDWGR]HQW LQ 7R[LNRORJLH XQG |IIHQWOLFKHU *HVXQGKHLWVSÁHJH DE  DXFK LQ Hygiene an der Medizinischen Fakultät lesende Burckhardt hatte nach seinem Medizinstudium und seiner Assistenzzeit an der medizinischen und chirurgischen Klinik in Basel 1878 eine klinische Untersuchung über die Basler Typhusepidemie des Jahres 1877 geschrieben. In den 1880er Jahren legte er zwei kleinere Aufsätze zur Physiologie und Chemie des Blutes sowie zwei statistisch gesättigte Monographien zu den Gesundheitsverhältnissen der Fabrikarbeiter und Buchdrucker in der Schweiz vor.16 13 Nach Bonjour wurde die Errichtung eines speziellen Lehrstuhls für Hygiene indirekt durch eine vom Appenzeller Arzt Jakob Laurenz Sonderegger publizierte Broschüre befördert, in der er die Leistungen der Schweizerischen Universitäten auf dem Gebiet der Hygiene behandelte und mit Ausnahme von Zürich auf den unzulänglichen Status des Faches in der Schweiz hinwies. Bonjour, Edgar: Die Universität Basel von den Anfängen bis zur Gegenwart, 1460-1960, Basel 1960, S. 611; Sonderegger, Jakob Laurenz: Der Hygiene-Unterricht in der Schweiz, Basel 1890. 14 Als erster «öffentlicher Chemiker» wurde 1892 Hans Kreis eingestellt. Er nahm seine Tätigkeit zusammen mit einem Assistenten und einem Abwahrt im Januar 1893 auf. 15 Albrecht Eduard Burckhardt war jüngster Sohn von August Burckhardt-Dick (1809-1894). Vgl. His, Eduard: Basler Gelehnrte des 19. Jahrhunderts, Basel 1941, S. 283. 16 Vgl. Burckhard, Albrecht: Beiträge zur Kenntniss der Basler Typhusepidemie von 1877. 300 Beobachtungen gesammelt auf der medicinischen Klinik zu Basel, Diss. Med. Basel 1878; ders.: Beiträge zur Chemie und Physiologie des Blutserums, in: Archiv für experimentelle Pathologie 1882; ders., zusammen mit Fridolin Schuler: Untersuchungen über die Gesundheitsverhältnisse der Fabrikbevölkerung in der Schweiz mit besonderer Berücksichtigung des Krankenkassenwesens, Aarau 1888; Eingabe des Vereins schweizerischer Buchdruckereibesitzer an den hohen schweizerischen Bundesrat betreffend die «Petition» der «Typographia Bern» für Reduktion der täglichen Arbeitszeit im Buchdruckergewerbe, Gutachten verf. von Albrecht Burckhardt, Bern 1889. Zu Burckhardts Lebensstationen vgl. Zur Erinnerung an Herrn Dr. med. et phil. Albrecht Burckhardt-Friedrich. Professor der Hygiene in Basel, Basel 1921. —› www.unigeschichte.unibas.ch / © Historisches Seminar Basel / Januar 2010 4 Silvia Berger, «Robert Doerr und der Boom der Basler Hygiene» Diese Arbeiten standen in klarer Tradition zu Pettenkofers physiologisch-chemisch orientierter Hygiene oder bezogen sich auf die Ansätze und methodischen Zugänge der traditionellen historisch-statistisch-geographischen Epidemiologie.17 Die Begründung der Kuratel für die Wahl des in bakteriologischen UntersuchungsPHWKRGHQ XQG EDNWHULRORJLVFKHU +\JLHQH XQHUIDKUHQHQ %XUFNKDUGW ÀHO GHQQ DXFK etwas fadenscheinig aus. Nachdem Burckhardts Vorlesung zur Hygiene im Jahr 1892 statt der üblichen 7 bis 13 Hörer erstmals über die Marke von 20 Zuhörern schnellte – Burckhardt hatte zusätzliche Mittel für neue «Veranschaulichungsmöglichkeiten» in der Vorlesung erhalten –, attestierte man ihm aufgrund dieses «schönen Erfolgs» ein «höchst anerkennenswertes Lehrtalent». Von den wissenschaftlichen Leistungen würden überdies «verschiedene» Publikationen Zeugnis ablegen.18 v Abb.1: Albrecht Burckhardt19 Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass mit Burckhardt die einfachste Lösung favorisiert wurde und die Fakultät den traditionellen theoretischen Unterricht in Hygiene und besonders die Aufgabe der ärztlichen Beaufsichtigung der Schulen im Kanton letztlich doch als wichtiger erachtete als den Aufbau eines leistungsfähigen und international konkurrenzfähigen Hygiene-Instituts, das in der Forschung die aktuellen Strömungen und Tendenzen zu integrieren vermochte. Für den weit hinter den ursprünglichen Lippenbekenntnissen zurück bleibenden Status des Instituts spricht auch seine Ausstattung: Burckhardt erhielt im ersten Stock des «Stachelschützenhauses» am Petersplatz einen Hörsaal, einige Arbeitszimmer für seine «Expertise im Interesse des öffentlichen Sanitätswesens» und ein Laboratorium für 17 18 19 —› Burckhardt selbst bezog sich u.a. auf die historisch-geographische Pathologie von August Hirsch. Zur epidemiologischen Tradition im 19. Jh. vgl. Bleker, Johanna (1984): Die historische Pathologie, Nosologie und Epidemiologie des 19. Jhs., in: Medizinhistorisches Journal 19, S. 33-52. 6WD%6(U]LHKXQJVDNWHQ$$D3URIHVVXUIU+\JLHQH6FKXOJHVXQGKHLWVSÁHJH Bildnachweis: http://pages.unibas.ch/alumni-medizin/burckhardt.jpg: Medizinische Lehrstühle nach 1900 in Bildern (21.2.2009). www.unigeschichte.unibas.ch / © Historisches Seminar Basel / Januar 2010 5 Silvia Berger, «Robert Doerr und der Boom der Basler Hygiene» einfache chemische Untersuchungen (Trinkwasser). Für den Betrieb stand ihm jährlich ein Kredit von maximal 5000 Franken zur Verfügung, wissenschaftliche Assistenten oder Laboratoriumsräume für bakteriologisch-serologische Arbeiten waren nicht vorgesehen.20 Da der Unterricht in Bakteriologie und bakteriologischer Methodik aufgrund der fehlenden Ausbildung Burckhardts im Hygiene-Institut ausgeschlossen blieb, hielt die Fakultät an der Lösung fest, allfällige bakteriologische Arbeiten in der pathologischen Anstalt vornehmen zu lassen und einem Privatdozenten der Pathologie Lehraufträge für Bakteriologie zu erteilen. Als dieser 1897 allerdings zurücktrat und der Betrieb der pathologischen Anstalt sich immer umfangreicher gestaltete, gerieten die bakteriologischen Kurse und die Ausführung der sanitätspolizeilichen Untersuchungen immer mehr ins Hintertreffen. Im Verlauf der ersten Dekade des neuen Jahrhunderts verschlechterte sich die Situation zusehends. Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs schließlich verfügte Basel weder über einen Vertreter für das Lehrfach Bakteriologie noch über eine Amtsstelle für bakteriologische Untersuchungen. Mikrobiologische Forschungsbeiträge aus Basel fehlten komplett. Burckhardt, im Basler Bürgertum mit dem Spitznamen «Schiishüsli-Burckhardt» bedacht21, zeigte wenig Engagement, seine Lehre und die «Hygienische Anstalt» gemäß dem bakteriologisch reformulierten «modernen» Kanon der hygienischen Wissensordnung umzustrukturieren. Er schrieb Gutachten für den schulärztlichen Dienst, hielt Vorträge über Schulhygiene und verfasste, besonders nach der Jahrhundertwende, immer öfter historisch-statistische Arbeiten, sei es zur epidemiologisch-demographischen Entwicklung der Stadt Basel seit dem 17. Jahrhundert, der Geschichte der medizinischen Fakultät seit dem Mittelalter oder zu Paracelsus Tätigkeit in der Rheinstadt.22 Auch das anlässlich seiner Anstellung hochgelobte Lehrtalent zog nicht die erhofften Studentenscharen an. Für das Jahr 1901 listete der Bericht der Hygienischen Anstalt 14, 17, 13 und 7 Zuhörer für seine Vorlesungen über «Spezialgebiete» auf.23 Umbau und Neubesetzung des Lehrstuhls Als der Kantonschemiker 1916 aus dem «Stachelschützenhaus» auszog, war der Zeitpunkt gekommen, an dem auch Burckhardt die Augen nicht mehr vor den unliebsamen Tatsachen verschließen konnte: Der bisherige Modus, bakteriologische Kurse und Untersuchungen vorübergehend und meist ganz provisorisch dem pathologischen Institut zu überantworten, war nicht länger tragbar; die Vereinigung der Bakteriologie mit der «Hygienischen Anstalt» unausweichlich. Ein Umbau des frei gewordenen Erdgeschosses im «Stachelschützenhaus» zum Zwecke der Bakteriologie und die Anstellung eines bakteriologischen Assistenten wurde deshalb von Burckhardt ins Auge 20 Ebd. 21 Interview mit Edith und Agathe Doerr, Basel 3.3.2005. 22 Vgl. Burckhardt, Albrecht: Die Reorganisation des schulärztlichen Dienstes in Basel. Gutachten an das hiesige Erziehungsdepartement, Basel 1906; ders.: Die Bekämpfung der ansteckenden Krankheiten in der Schule, in: Jahrbuch der 6FKZHL]HULVFKHQ*HVHOOVFKDIWIU6FKXOJHVXQGKHLWVSÁHJH-J7HLO  GHUV'HPRJUDSKLHXQG(SLGHPLRORJLH der Stadt Basel während der letzten drei Jahrhunderte 1601-1900, Basel 1908; ders.: Wie lange und in welcher amtlichen Stellung war Paracelsus in Basel? in: Correspondenz-Blatt für Schweizer Ärzte Nr. 12 (1914); ders.: Geschichte der medizinischen Fakultät zu Basel 1460-1900, Basel 1917. Vor allem die letztgenannte Arbeit begründete Burckhardts Nachruhm als «guter Altbasler» und (Medizin)Historiker. Vgl. Deutsches Biographisches Archiv (DBA) III 130, 317-18. 23 StaBS, UA XII 25, Bericht der Hygienischen Anstalt 1901. —› www.unigeschichte.unibas.ch / © Historisches Seminar Basel / Januar 2010 6 Silvia Berger, «Robert Doerr und der Boom der Basler Hygiene» gefasst. Gegenüber dem Erziehungsdepartement kaschierte er sein im internationalen Kontext de facto spätes Anliegen zur Integration der Bakteriologie in die Hygiene, indem er zum Einen die begrenzten Räumlichkeiten für die langjährige Ausklammerung der Bakteriologie verantwortlich machte und zum Andern die Geschichte seines Faches kurzerhand umschrieb. «Erst im letzten Jahrzehnt», so Burckhardt in einem %HULFKWVHL©GLHRIÀ]LHOOH%DNWHULRORJLHªDQ©VlPWOLFKHQVFKZHL]HULVFKHQXQG deutschen Hochschulen» von der Pathologie an die Hygiene übergegangen. Deshalb müsse nun auch Basel die «dringend notwendige» Neuordnung vollziehen.24 Für die Situation in der Schweiz mochte Burckhardts Lesart zumindest mit Blick auf einzelne Universitäten eine gewisse Berechtigung haben. So vereinigte die Universität Bern ihr seit 1894 bestehendes – von der Pathologie allerdings unabhängiges – Institut für Bakteriologie im Jahr 1906 mit dem Institut für Hygiene.25 In Zürich übernahm 1910 William Silberschmidt, der beim Berner Bakteriologen Ernst Travel promoviert und sich am Pasteur Institut in Paris bakteriologisch weitergebildet hatte, den Lehrstuhl für Hygiene.26 Im Deutschen Kaiserreich hingegen lässt sich bereits seit den späten 1880er Jahren in der Leitung der neu gegründeten, meist selbständigen Institute eine Dominanz der Bakteriologen der Koch-Schule festhalten; entsprechende räumliche Erweiterungen der Institute nicht nur für bakteriologisch-serologische Studien, sondern auch für medizinalpolizeiliche Untersuchungen wurden denn auch früh in Angriff genommen. Dass Burckhardt keine Kenntnis von diesen Entwicklungen hatte, scheint unwahrscheinlich. Es drängt sich vielmehr die Vermutung auf, dass er den Umbau des Instituts und die Umstrukturierung der Hygiene in Basel eher widerwillig und mit wenig Begeisterung einleitete. Erhärtet wird diese Annahme dadurch, dass Burckhardt kurze Zeit nach dem Einbau der neuen bakteriologischen Laboratoriumsräume, der Anschaffung von Mobiliar, Beleuchtung und Apparaten und der Erstellung eines Anbaus für die Unterbringung kleiner Tiere seine Entlassung beantragte.27 In seinem Demissionsschreiben an den Regierungsrat machte er im März 1919 zunehmende Altersbeschwerden für seinen Abschied verantwortlich, erwähnte allerdings als weiteren Grund auch die kürzlich vollzogene «Vereinigung» der hygienischen Anstalt mit der Bakteriologie. Damit sei die Anstalt in eine «neue Phase» eingetreten – eine Phase, die eine vollkommen neue Organisation erfordere, die nur von einer «jüngeren Kraft» bewerkstelligt werden könne. Als die Fakultät Burckhardt bat, sich den Entschluss nochmals zu überlegen und die jüngste Umstrukturierung im Institut nicht als Demissionsgrund gelten lassen wollte, beharrte Burckhardt auf seinem Rücktritt und bekannte, er fühle sich der Aufgabe der Neuorganisation des Faches nicht mehr gewachsen.28 Damit war der Weg frei für eine grundlegende Neuausrichtung und Neupositionierung der Basler Hygiene. Und die Medizinische Fakultät nutzte die Chance: Auf Platz eins der Kandidatenliste für den Lehrstuhl der Hygiene setzte sie im August 1919 Robert Doerr. Der 1878 im ungarischen Técsö geborene, durch den frühen Tod seines Vaters 24 StaBS, Bau BB 28, Stachelschützenhaus: Bericht Burckhardt an das Erziehungsdepartement, 4.4.1916. 25 Jakobs, Die Hygiene-Institute (wie Fn. 9), S. 130. 26 Vgl. Loretan, Maria: William Silberschmidt 1896-1947. Hygieniker und Bakteriologe, Med. Diss. Zürich 1988, S. 10f. 27 Die Umbau-Kosten beliefen sich insgesamt auf stolze 53‘000 Franken. StaBS, Erziehungsakten AA 16a, Professur für +\JLHQH6FKXOJHVXQGKHLWVSÁHJH 28 StaBS, ebd. —› www.unigeschichte.unibas.ch / © Historisches Seminar Basel / Januar 2010 7 Silvia Berger, «Robert Doerr und der Boom der Basler Hygiene» mittellos gewordene Doerr hatte schweren Herzens darauf verzichtet, ein rein naturwissenschaftliches Studium biologischer Richtung in Angriff zu nehmen. Stattdessen studierte er in Wien mit Hilfe eines militärärztlichen Stipendiums das ökonomisch mehr Sicherheit versprechende Fach Medizin und erhielt daraufhin als Assistent von Richard Paltauf Gelegenheit, sich experimentellen Studien in pathologischer Anatomie, Bakteriologie und Immunitätslehre zu widmen. 1908 habilitierte er sich an der Wiener Medizinischen Fakultät in allgemeiner und experimenteller Pathologie, 1912 wurde er zum außerordentlichen Professor ernannt. Vor seiner Tätigkeit als beratender Hygieniker in der österreichisch-ungarischen Armee während des Ersten Weltkriegs leitete er das bakteriologische Laboratorium des k. u. k. Militärsanitätskomitees.29 Die von der Basler Fakultät eingesetzte Expertenkommission zeigte sich besonders beeindruckt von Doerrs «originellen» und wissenschaftlich hervorragenden Studien ]XU$XINOlUXQJGHUbWLRORJLHXQG(SLGHPLRORJLHGHV3DSSDWDFLÀHEHUVHLQLQ%RVQLHQ XQG +HU]HJRZLQD KHUUVFKHQGHV 'UHLWDJHÀHEHU 'RHUU KDWWH GLH .UDQNKHLW  LP Auftrag des österreichisch-ungarischen Kriegsministeriums bakteriologisch erforscht und für seine Ergebnisse einen Orden erhalten.30 Auch seine Studien auf dem Gebiet der Serologie und Immunologie, insbesondere zu den Überreaktionen des erworbenen Immunsystems, aber auch zur Pathogenese und Serotherapie der bazillären Dysenterie31, und seine großen praktischen Erfahrungen bei der Bekämpfung der Seuchen beeindruckten die Basler offenkundig.32 Neben seinem exzellenten wissenschaftlichen Ausweis33, der Doerr nach dem Krieg eine Berufung an das Robert Koch-Institut in Berlin eingetragen hatte, sprach außerdem auch sein Talent für die Lehre für ihn sowie seine Fähigkeit, immer wieder neue Mitarbeiter und Schüler an sich zu binden. Was für die Basler Behörden letztlich aber GHQ$XVVFKODJJDEZDU'RHUUVZLVVHQVFKDIWOLFKHV3URÀO6HLQ)RUVFKXQJVJHELHWVHL vor allem dasjenige der Bakteriologie, der Serologie und der Erforschung der Infektionskrankheiten – Gebiete, die in Basel bisher «wenig betreten» worden seien und gerade in der gesundheitlich beunruhigenden Nachkriegszeit von Nutzen sein konnten.34 Auch die Bedenken Burckhardts, Doerr würde einem Ruf nach Basel kaum Folge leisten und seine klare Favorisierung des auf Rang zwei stehenden Kandidaten .DUO6SÁH²HLQHP©ZLUNOLFKHQ+\JLHQLNHUª35, wie Burckhardt betonte – konnte an der Portierung Doerrs nichts mehr ändern. 29 30 Privatnachlass Robert Doerr, Autobiographische Notizen, Basel 1945; Nachruf Robert Doerr, in: Basler Studentenschaft Jg. 33, Heft 3, Januar 1952. 'RHUU5REHUW3DSSDWDFLÀHEHU/HLS]LJXQG:LHQ 31 Vgl. etwa Doerr, Robert: Das Dynsenterietoxin, Jena 1907; ders./Kraus, Rudolf: Die experimentelle Grundlage einer antitoxischen Therapie der bazillären Dysenterie, in: Zeitschrift für Hygiene und experimentelle Therapie 55 (1906/07), S. 1-43; Doerr, Robert: Die Wertbemessung des Dysenterieserums, in: Deutsche Medizinische Wochenschrift 34 (1908), S. 1178-1181; Doerr, Robert: Dysenterietoxin und Antitoxin, in: Handbuch der Technik und Methodik der Immunitätsforschung, Erg.-Bd., Jena 1911; ders.: Allergie und Anaphylaxie, in: Kraus, Rudolf/Levaditi, Constantin (Hg.), Handbuch der SDWKRJHQHQ0LNURRUJDQLVPHQ$XÁ%G-HQD6 32 Während seiner Kriegsjahre verfasste Doerr mehrere Publikationen zur Seuchenbekämpfung, u.a. Doerr, Robert: Die Salubritätskomissionen, in: Wiener Klinische Wochenschrift 25 (1917); Ders. Die Bakteriologischen Feld-Laboratorien, Verlag der österreichischen Gesellschaft vom Roten Kreuze 1914. 33 Doerrs Schriftenverzeichnis umfasste 1919 insgesamt 55 Publikationen. 34 StaBS, ED-Reg 1a, 1: Medizinische Fakultät, Prof. Dr. Robert Doerr, Sitzung der Expertenkommission betreffend die Neubesetzung des Lehrstuhls für Hygiene, 30. Juni 1919. 35 Ebd. —› www.unigeschichte.unibas.ch / © Historisches Seminar Basel / Januar 2010 8 Silvia Berger, «Robert Doerr und der Boom der Basler Hygiene» Mit klaren, den Bruch gegenüber der Ära Burckhardt deutlich markierenden Worten wurde dem Erziehungsdepartement die Berufung Doerrs empfohlen: «Der Kuratel ist der Ansicht, dass gerade in der Nachkriegszeit ein Meister der Bakteriologie und aller sich daran anschließender wissenschaftlicher Zweige für Basel eine gute Erwerbung sein könnte.»36 Abb. 2: Robert Doerr mit Mikroskop und Reagenzgläsern mit bakteriologischen Ausfällungen37 – den «Insignien» des bakteriologischen «Meisters» Boomtown Basel Wie gut die «Erwerbung» für Basel war, zeigte sich schon in den ersten Jahren des ab September 1919 neu tätigen Lehrstuhlinhabers. Da die «Hygienische Anstalt» zukünftig nicht nur als hygienische und bakteriologische Lehr- und Forschungsstätte, sondern auch als Amt für bakteriologisch-serologische Untersuchungen von infektionsverdächtigem Material aus dem Kanton dienen sollte, bemühte sich Doerr als erste Amtshandlungen um die Erweiterung der Räumlichkeiten, die Anschaffung einer adäquaten Ausstattung des Instituts und die Einstellung neuen Personals. Die Behörden zeigten sich, sichtlich geehrt durch Doerrs Entscheid zu Gunsten Basels und gegen eine Anstellung am Robert Koch-Institut38, von ihrer großzügigen Seite und gestatteten bereitwillig eine Erhöhung des Institutskredits. Auch wenn Burckhardt erste Umbauten und Anschaffungen für die Bakteriologie in den ehemaligen Räumen des Kantonschemikers veranlasst hatte, genügten sie in den Augen Doerrs längst nicht, um alle beabsichtigten Kurse, experimentellen Untersuchungen und Forschungen durchführen zu können. Er habe in Basel, so Doerr in einer Retrospektive, ein Institut 36 Ebd., Brief Universitätskuratel an den Vorsteher des Erziehungsdepartements, Regierungsrat Hauser, 12. Juli 1919. 37 Bildnachweis: http://pages.unibas.ch/alumni-medizin/doerr.jpg, Medizinische Lehrstühle nach 1900 in Bildern, Mikrobiologie (21.2.2009). 38 Die fast perfekte Bindung zum RKI löste Doerr, weil er sich nach eigenen Aussagen in Berlin nochmals um eine venia legendi hätte bemühen müssen. Privatnachlass Robert Doerr, Autobiographische Notizen, Basel 1945. Aus den PersonalakWHQLP6WDDWVDUFKLY%DVHONDQQYHUPXWHWZHUGHQGDVVDXFKÀQDQ]LHOOHhEHUOHJXQJHQIUGLH$EVDJH'RHUUVYHUDQWZRUWOLFK waren. Vgl. StaBS, ED-REG 1a, 1, Medizinische Fakultät, Prof. Dr. Robert Doerr: Brief Doerr an Burckhardt, 18.7.1919. —› www.unigeschichte.unibas.ch / © Historisches Seminar Basel / Januar 2010 9 Silvia Berger, «Robert Doerr und der Boom der Basler Hygiene» übernommen, das «nicht einmal mit den dürftigsten Einrichtungen versehen war und auch in baulicher Hinsicht nicht einmal die primitivsten Ansprüche befriedigen konnte».39 Es erstaunt denn auch wenig, dass Doerrs Institutsbericht aus dem Jahr 1920 Ausgaben für Instrumente (16‘641 Franken), Apparate (Neuanschaffungen im Wert von 5000 Franken), Bücher, Zeitschriften, Chemikalien, Tiere, den Betrieb und GHQ8QWHUKDOWLQ+|KHYRQNQDSS·)UDQNHQDXÁLVWHWH40 – eine Verzehnfachung gegenüber den Ausgaben für die «Hygienische Anstalt» um die Jahrhundertwende. 1921 beantragte Doerr einen Anbau, in dem Tierstallungen, ein Operationssaal und Laboratoriumsräume für schwierige Versuche auf dem Gebiet der Infektion und Immunität untergebracht werden konnten. Die Kosten für das Projekt beliefen sich auf insgesamt 53‘000 Franken. Sie wurden vom Regierungsrat anstandslos bewilligt und so konnte der neue Tierstall bereits 1923 in Betrieb genommenen werden.41 Auch personell expandierte das Institut: Neben Doerr widmeten sich bald vier vollamtliche wissenschaftliche Assistenten der Lehre und Forschung. Für die untersuchungs-amtlichen Arbeiten wurden mehrere Laborantinnen angestellt. Sie bewältigten in der bakteriologischen Abteilung die vertraglich mit dem Sanitätsdepartement geregelten Einsendungen von infektiösem Material, das ihnen von den praktizierenden Ärzten im Kanton Basel-Stadt zugeschickt wurde. Im Jahr 1923 erledigten sie 6451 Einzeluntersuchungen im Hinblick auf vermutete Fälle von Diphterie, Tuberkulose, Syphilis, septischen Prozessen, Pneumokokken oder Gonorrhoe; knapp zehn Jahre später waren es bereits 16‘234 Untersuchungen jährlich. Ab 1926 bot das Institut auch Blutgruppenbestimmungen zu forensischen Zwecken an.42 Im hygienischen und bakteriologischen Unterricht explodierten die Studenten- und Hörerzahlen nachgerade: Während sich bei Burckhardt trotz seiner Fokussierung auf den Unterricht selten über 20 Studenten in den Hygiene-Vorlesungen einfanden, schrieben sich bei Doerr bereits 1923 doppelt so viele Personen ein. Ihre Zahl stieg in den folgenden Jahren kontinuierlich an und pendelte sich um 1930 bei ca. 100 Zuhörern ein, womit auch die Kapazitätsgrenze des Hörsaals längst erreicht war.43 Da Doerr ein begnadeter Redner war, seine Vorlesungen frei hielt und oft Anekdoten aus seiner Zeit als beratender Hygieniker im Ersten Weltkrieg einstreute, fanden sich auch KlXÀJ 6WXGHQWHQ GHU SKLORVRSKLVFKHQ )DNXOWlW RGHU VRJDU 0DWKHPDWLNHU XQWHU GHP zahlreichen Publikum.44 Auf ebenso rege Beteiligung stießen die bakteriologischen Kurse, die auch von den Pharmazeuten absolviert werden mussten, und die Vorlesungen in Immunitätslehre. Um die anfangs der 1920er Jahren virulent gewordenen 39 Privatnachlass Robert Doerr, Autobiographische Notizen, Basel 1945. 40 StaBS, Erziehungsakten DD 19, Hygienische Anstalt, 1889-1932. 41 StaBS, Universitätsarchiv, XII 25. 42 Zur Praxis der Blutgruppenbestimmung vor Gericht in den 1920er Jahren vgl. Spörri, Myriam: Mischungen und Reinheit. Eine Kulturgeschichte der Blutgruppenforschung, Dissertation Universität Zürich 2009, Kap. 7. 43 StaBS, Erziehungsakten DD 19, Hygienische Anstalt, 1889-1932. 44 Vgl. dazu die Reminiszenzen ehemaliger Schüler, z.B. Meuli, Hans: Herrn Professor Dr. Robert Doerr zum 80. Geburtstag, in: Schweizerische Medizinische Wochenschrift 81: 44 (1951), S. 107; Fanconi, Guido: Erinnerungen eines Kinderarztes, Stäfa 1996; Hallauer, Curt: Robert Doerr zum 70. Geburtstag, in: Klinische Wochenschrift 20: 44 (1941), S. 1087-88; Schlesinger, Robert: Robert Doerr – Prophet of the nature of viruses, founder of the «Archives of Virology», in: Archives of Virology 142: 4 (1997), S. 867. —› www.unigeschichte.unibas.ch / © Historisches Seminar Basel / Januar 2010 10 Silvia Berger, «Robert Doerr und der Boom der Basler Hygiene» Forderungen nach einer verstärkten Präsenz der Sozialhygiene innerhalb des Hygiene-Unterrichts gerecht zu werden und möglichen Spaltungstendenzen zuvor zu kommen, integrierte Doerr ab 1922 auch die «soziale Hygiene» in den Lehrplan und bot überdies Vorlesungen über Gewerbehygiene an.45 Abb. 3: Das «Stachelschützenhaus» ca. 193046 Bedeutsam für den Aufstieg der Basler Hygiene war nicht nur die Begeisterung, die Doerr unter Studenten und Hörern für sein Fach zu entfachen vermochte, sondern vor allem die am Institut getätigten Forschungen. Von praktischen hygienischen Aufgaben wenig in Anspruch genommen, entfaltete Doerr bereits kurz nach der Aufstockung seines Instituts eine umfangreiche experimentelle Tätigkeit. Zusammen mit seinen Assistenten, die er nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Österreich47 und Deutschland rekrutierte, entstanden in der «Hygienischen Anstalt» zahlreiche experimentelle Arbeiten über serologische Probleme, zur Anaphylaxie und anderen aktuellen Fragen auf dem Gebiet der Immunitätsforschung sowie über die Rickettsien- und Viruskrankheiten. Bekannt wurden vor allem die Basler Studien über die so genannten Bakteriophagen48²YHUPHKUXQJVIlKLJHEDNWHULHQDXÁ|VHQGH6WRIIH²XQGGLH$UEHLWHQEHUGLH 45 6WD%6(U]LHKXQJVDNWHQ$$3URIHVVXUIU+\JLHQH6FKXOJHVXQGKHLWVSÁHJH5REHUW'RHUU©9RUVFKODJIU die Umgestaltung des Hygiene-Unterrichts». Zur Bestärkung sozialhygienischer Tendenzen in der Hygiene vgl. Moser, Gabriele (2002): «Im Interesse der Volksgesundheit...”. Sozialhygiene und öffentliches Gesundheitswesen in der Weimarer Republik und der frühen SBZ/DDR, Frankfurt a.M. 46 Bildnachweis: StaBS, Bildersammlung, AL 45, 7-26-2 Stachelschützenhaus, http://pstabi11.adminbs.ch/query/detail. aspx?ID=397066 (21.2.2009). 47 Doerrs erster Assistent in Basel, Alfred Schnabel, arbeitete schon in Wien unter Doerr im bakteriologischen Laboratorium des k.k. Militärsanitätskomitees. Erich Zdansky, Assistent am Basler Hygiene-Institut von 1922-24, arbeitete vorher am Institut für allgemeine und experimentelle Pathologie in Wien bei Prof. Richard Paltauf. 48 Vgl. etwa Doerr, Robert: Die Bakteriophagen, in: Klinische Wochenschrift 30/31 (1922), S. 1489ff, S. 1537ff.; Doerr, Robert, Grüninger, W.: Zeitliche und quantitative Beziehungen zwischen Bakterienvermehrung und Zunahme des lytischen Agens, in: Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten 97 (1923), S. 209-231; Meuli, Hans: Die Konzentration des lytischen Prinzips und ihre Beziehungen zum Ablauf der Bakteriophagenreaktion, in: Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten 99 (1923), S. 46-66; Doerr, R., Zdansky, E.: Quantitativer und qualitativer Nachweis der Lysine. Ihr Dispersitätsgrad und die Aufteilbarkeit ihrer Lösungen, in: Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten 100 (1923), S. 79-101. —› www.unigeschichte.unibas.ch / © Historisches Seminar Basel / Januar 2010 11 Silvia Berger, «Robert Doerr und der Boom der Basler Hygiene» Herpes- und Encephalitis-Virusarten49 sowie über die Hühnerpest50 und das FleckÀHEHU51 Auf serologischem und bakteriologischem Gebiet erhielt die «Hygienische Anstalt» ab 1922 Anfragen für experimentelle Studien von der Gesundheitsorganisation des Völkerbunds52. Großzügige Spenden der Gesellschaft für Chemische Industrie und der amerikanischen Rockefeller-Foundation erlaubten es Doerr in den 1930er Jahren, etatmäßig konkurrenzfähig zu bleiben. Mit diesen Geldern konnten kostspielige Apparaturen wie z.B. Spektrographen, Dunkelfeld (Kardioid)-Kondensoren und Fluoereszenzmikroskope angeschafft werden – eine unabdingbare Voraussetzung für die vielfältigen, am Institut lancierten Forschungen im Bereich der submikroskopischen Virusarten.53 Der jährliche wissenschaftliche Output des Instituts umfasste bald durchschnittlich 20 Publikationen, die in internationalen Fachzeitschriften und Monographien erschienen. Dass Doerr ab 1923 dem Herausgeberstab der von Robert Koch in Deutschland begründeten Zeitschrift für Hygiene und Infektionskrankheiten angehörte, erleichterte die internationale Präsenz des Instituts sicherlich zusätzlich. Doerr selbst widmete sich nicht nur experimentellen Arbeiten, sondern verfasste auch zusammenfassende Übersichten über die Phänomene der Anaphylaxie und Allergie, die Idiosynkrasien, über Herpes, Cholera, die allgemeine Infektionslehre und die Virusforschung in Handund Lehrbuchartikeln der bedeutendsten Nachschlagewerke der Mikrobiologie, pathologischen Physiologie und inneren Medizin.54 In dem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts konzeptionell und methodisch noch stark mit der Bakteriologie verknüpften, von heftigen Kontroversen über die Natur der Viren geprägten Feld der Virusforschung wurde Doerr zur festen Grösse.55 1938 gründete er die international erste Fachzeitschrift zur Virusforschung, das Archiv für die gesamte Virusforschung, das die besten Forscher im Feld versammelte.56 Ebenfalls ab 1938 gab er zusammen mit seinem ehemaligen Schüler Curt Hallauer das Handbuch für die gesamte Virusforschung bei Julius Springer in Wien heraus. Das Handbuch repräsentierte die erste 49 Vgl. zusammenfassend Doerr, R., Berger, E.: Herpes, Zoster, und Encephalitis, in: Handbuch der pathogenen Mikroorganismen Bd. 8:2 (1930), S. 1415ff. 50 Zwischen 1923 und 1932 entstanden acht «Untersuchungen über das Virus der Hühnerpest» von Doerr und seinen Mitarbeitern E. Zdansky, S. Seidenberg, L. Whitman. 51 9JOHWZD'RHUU5'DV)OHFNÀHEHUYLUXVXQGVHLQHLPPXQLVDWRULVFKHQ(LJHQVFKDIWHQ6HSDUDWGUXFN 52 Das Institut erstellte die experimentellen Grundlagen für die Standardisierung der Antidysenteriesera. StaBS, Universitätsarchiv XII 25, Berichte der Hygienischen Anstalt über das Jahr 1922 und 1923. Außerdem übernahm die Anstalt 1923 die Typisierung der in der Schweiz vorkommenden Pneumokokkenstämme und bearbeitete 1926 die Frage der nach Kuhpokkenimpfung beobachteten Hirnerkrankungen. StaBS, XII 25, Berichte der hygienischen Anstalt aus den Jahren 1923 und 1926. 53 Ebd., Berichte der hygienischen Anstalt aus dem Jahr 1932ff. 54 Zu Doerrs wichtigsten Überblickdarstellungen gehören: Allergische Phänomene, in: Handbuch der normalen und pathologischen Physiologie, Bd. 13 (1929); ders.: Allergie und Anaphylaxie, in: Handbuch der pathogenen Mikroorganismen, 3. $XÁDJH%G,  6IIGHUV'LH/HKUHYRQGHQ,QIHNWLRQVNUDQNKHLWHQLQDOOJHPHLQHU'DUVWHOOXQJLQ/HKUEXFK GHULQQHUHQ0HGL]LQ$XÁDJH%G  6IIGHUV'LH(QWZLFNOXQJGHU9LUXVIRUVFKXQJXQGLKUH3UREOHPDWLN in: Handbuch der Virusforschung, 1. Hälfte (1938), S. 1-125; Nach seiner Emeritierung erschien als Kompendium der Immunitätsforschung Doerr, Robert: Die Immunitätsforschung. Ergebnisse und Probleme in Einzeldarstellungen, 8 Bde. 1947-1951. 55 Zur Entwicklung der Virusforschung vor der eigentlichen Etablierung einer eigenständigen Disziplin «Virologie» in den 1950er Jahren vgl. Lüdtke, Karlheinz: Zur Geschichte der frühen Virusforschung, Max Planck Institut für Wissenschaftsgeschichte, Preprint 125 (1999). 56 Heute: Archives of virology. —› www.unigeschichte.unibas.ch / © Historisches Seminar Basel / Januar 2010 12 Silvia Berger, «Robert Doerr und der Boom der Basler Hygiene» enzyklopädische Bestandesaufnahme der gemeinsamen Charakteristiken und Funktionen aller Viren, die man zu dieser Zeit kannte und versammelte Autoritäten wie die späteren Nobelpreisträger Wendell Meredith Stanley der Princeton University oder Frank Macfarlane Burnet vom Hall Institute in Melbourne.57 In Doerrs Überblicksdarstellungen, aber auch in einzelnen Vorträgen und Aufsätzen kommt immer wieder seine Bemühung zum Ausdruck, sowohl das Feld der Virologie als auch die Problematik der Infektionskrankheiten im breiteren Kontext aller anderen biologischen Wissenschaften zu behandeln und die medizinische Begriffsbildung NULWLVFK ]X UHÁHNWLHUHQ 6R ZHKUWH HU VLFK HWZD YHKHPHQW JHJHQ GLH PHWDSKRULVFK strukturierte Auffassung der Infektion als «Kampf» zwischen dem «feindlichen» (UUHJHU XQG GHP ©DQJHJULIIHQHQª LQÀ]LHUWHQ 2UJDQLVPXV XQG SURSDJLHUWH HLQH parasitologisch-biologisch fundierte Perspektive, die die Infektion als eine auf gegenseitigen Anpassungsmechanismen basierende «Gast-Wirt-Beziehung» entwarf.58 Doerrs naturwissenschaftlich geschärfter Blick wurde auch in seinen Virusarbeiten offenkundig, als er bereits in den 1920er Jahren bei den kleinsten Infektionsstoffen QDFKGHU'HÀQLWLRQGHV/HEHQVVXFKWHXQGPLWGLHVHQhEHUOHJXQJHQHLQ7HUUDLQEHWUDW das für die Biologie von fundamentaler Bedeutung war.59 Im Verlauf seiner Tätigkeit in Basel gelang es Doerr immer wieder, junge Wissenschaftler aus renommierten Instituten nach Basel zu locken, so etwa 1923–25 Gerhard Rose und 1926–34 Erwin Berger vom Robert Koch Institut in Berlin. Für Berger schuf er 1931 eine Oberassistenzstelle und erklärte ihn zu seinem Stellvertreter. Wie stark die «Hygienische Anstalt» mit Doerr an Reputation gewann und durchaus karriereI|UGHUQG ZLUNHQ NRQQWH LOOXVWULHUHQ GLH EHUXÁLFKHQ XQG ZLVVHQVFKDIWOLFKHQ (UIROJH ehemaliger Schüler, Mitarbeiter und Gastwissenschaftler am Institut. Der bereits erwähnte Curt Hallauer übernahm im Jahr 1936 den Lehrstuhl für Hygiene und Bakteriologie in Bern. Hans Meuli, der sich nach seiner Promotion bei Doerr an den Basler Bakteriophagenstudien beteiligt hatte, wurde später Oberfeldarzt und Chef der Abteilung für Sanität des Eidgenössischen Militärdepartements.60 Auch Guido Fanconi, der spätere Professor für Kinderheilkunde und Direktor des Zürcher Kinderspitals, gehörte anfangs der 1920er Jahre zu den Mitarbeitern Doerrs.61 Sein erster Assistent in Basel, der Österreicher Alfred Schnabel, wurde bereits 1921 zum Abteilungsleiter an das Robert Koch-Institut berufen und erhielt 1924 den Titel eines Professors.62 Ein weiterer österreichischer Mitarbeiter Doerrs, Erich Zdansky, arbeitete nach seiner zweijährigen Assistenzzeit in Basel und der Rückkehr nach Wien im Jahr 1924 an der dortigen Medizinischen Klinik, wechselte anschließend zur medizinischen Radiologie und wurde nach dem Zweiten Weltkrieg zum Professor für Medizinische Radiologie und Direktor des Universitätsinstitut für Röntgendiagostik und Strahlen- 57 Vgl. Schlesinger, R.W.: Robert Doerr – Prophet of the nature of virus, founder of the «Archives of Virology», in: Archives of Virology 142:4 (1997), S. 861-873. 58 Vgl. dazu Berger, Silvia: Bakterien in Krieg und Frieden. Eine Geschichte der medizinischen Bakteriologie in Deutschland, 1890-1933, Göttingen 2009 (im Druck), Kap. 12.1. 59 Vgl. Doerr, Robert: Die invisiblen Ansteckungsstoffe und ihre Beziehungen zu Problemen der Allgemeinen Biologie, in: Klinische Wochenschrift 20 (1923), S. 909-912; ders.: Filtrierbare Virusarten als Erreger menschlicher Infectionskrankheiten, Sonderabdruck Ned. Tijdschrift v. Hygiëne, Microbiologie en Serologie, 1926; ders.: Die submikroskopischen Lebensformen, in: Verhandlungen der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft II (1929), S. 92ff.; ders.: Das Lebensproblem in der Forschung, in: Schweizerische Hochschulzeitung, 1. Heft Juni 1938, S. 7-18. 60 Vgl. Meuli, Hans: Aus meinem Leben, Wabern 1967. 61 Vgl. Fanconi, Erinnerungen eines Kinderarztes (wie Fn. 44). 62 Schnabel starb allerdings bereits im Dezember 1924 einer septischen Erkrankung. Vgl. R. Doerr: Alfred Schnabel, in: Klinische Wochenschrift 3 (1925), S. 143. —› www.unigeschichte.unibas.ch / © Historisches Seminar Basel / Januar 2010 13 Silvia Berger, «Robert Doerr und der Boom der Basler Hygiene» therapie in Basel ernannt.63 Flaviano Magrassi hatte Mitte der 1930er Jahre eine ganze Reihe von Publikationen zum so genannten «Magrassi-Phänomen», einem frühen Beispiel viraler Konkurrenz, am Basler Hygiene-Institut angestoßen. Wenige Jahre nach seiner Rückkehr nach Italien erhielt er an der Universität Sassari einen Lehrstuhl für Infektionskrankheiten.64 Gerhard Rose kehrte nach seiner Assistenzzeit bei Doerr 1925 ans Robert Koch-Institut zurück und durchlief als ehemaliges Freikorpsmitglied und frühes Mitglied der NSDAP nach der «Machtergreifung» Hitlers eine steile Karriere in der Tropenmedizin und als beratender Hygieniker im Sanitätswesen des Dritten Reichs.65 Ob Doerr über Roses zweifellos schon in den 1920er Jahren erkennbaren politischen Positionsbezüge informiert war, ist nicht bekannt. Dass Doerr selbst mit völkischem oder nationalsozialistischem Gedankengut sympathisiert hätte, lässt sich allerdings mit Sicherheit ausschließen. Dafür sprechen nicht nur die Zusammensetzung seines Mitarbeiterstabes, der seit Beginn seiner Laufbahn viele Wissenschaftler mit jüdischem Hintergrund umfasste, sondern auch seine Bemühungen, Mitarbeitern oder Schülern nach dem politischen Umsturz in Deutschland Hilfestellungen für die Ausreise in die USA zu geben oder für ihre längere Anstellung in Basel zu sorgen. Der in Hamburg geborene Robert Walter Schlesinger etwa, der nach seinem in Basel abgeschlossenen Medizinstudium im Jahr 1938 acht Monate am Institut bei Doerr verbrachte und dort auf die Bewilligung seines Ausreisevisums in die USA wartete, bahnte Doerr durch seine Kontakte zum Bakteriologen und Virologen Thomas Milton Rivers vom Rockefeller Institut in New York den Weg nach Amerika. Dort erhielt er in den 1950er Jahren eine Professur für Mikrobiologie an der St. Louis School of Medicine.66 Nach Aussagen seiner Töchter war Doerr bestürzt über die Einsetzung Hitlers und besonders den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs.67 In seinen autobiographischen Notizen konstatierte Doerr Ende des Zweiten Weltkrieges, dass es eine glückliche Fügung gewesen sei, von Wien nach Basel gewechselt zu haben. Wäre er nach dem Ersten Weltkrieg in Österreich geblieben oder dem Ruf nach Deutschland gefolgt, wäre er Opfer des faschistischen Regimes geworden: «Da ich meine Meinung gern offen heraussage, wäre ich mit ‹tödlicher› Sicherheit dem nationalsozialistischen Regime zum Opfer gefallen».68 63 Vgl. http://www.radiodiagnostik-akhwien.at/index.aspx?ID=51&LID=1, 21.2.2009; Deutsches Biographisches Archiv II 1440, 238-40. 64 Vgl. Campanacci, Domenico: Necrologio. Flaviano Magrassi, in: Giornale die clinica medica 55 (1977), Dezember, S. 900-901. 65 Gerhard Rose war während des Zweiten Weltkriegs an Menschenversuchen beteiligt. Im Mittelpunkt der Anklage standen GDEHLGLH)OHFNÀHEHUYHUVXFKHLQGHQ.RQ]HQWUDWLRQVODJHUQ%XFKHQZDOGXQG1DW]ZHLOHU5RVHZXUGHLQGHQ1UQEHUJHU Prozessen zu lebenslanger Haft verurteilt und nach Haftreduktion im Jahr 1955 wieder entlassen. Biographische Angaben ]X'RHUUÀQGHQVLFKEHL'|UQHU.ODXV'HU1UQEHUJHUbU]WHSUR]HVV:RUWSURWRNROOH$QNODJHXQG9HUWHLGLgungsmaterial, Quellen zum Umfeld, München 2000, S. 136; Klee, Ernst: Auschwitz, die NS-Medizin und ihre Opfer, 3. $XÁDJH)UDQNIXUWD06=X5RVHV9HUVXFKHQPLW0DODULD,PSIVWRIIDQ,QVDVVHQYRQ3ÁHJHXQG+HLODQVWDOten vgl. Hulverscheidt, Marione: Die Beteiligung von Mitarbeitern des Robert Koch-Institut an «Verbrechen gegen die Menschlichkeit» – tropenmedizinische Menschenversuche im Nationalsozialismus, in: dies., Laukötter, Anja (Hg.): Das Robert Koch-Institut in der Zeit des Nationalsozialismus, Göttingen 2009 (im Druck). 66 Vgl. Schlesinger, Robert Doerr, S. 867; Dr. R. Walter Schlesinger, 89; Developed Dengue Fever Vaccine, in: The New York Times, January 20 (2003). 67 Interview mit Edith und Agathe Doerr, Basel, 3.3.2005. 68 Privatnachlass Robert Doerr: Autobiographische Notizen, Basel 1945, S. 6. —› www.unigeschichte.unibas.ch / © Historisches Seminar Basel / Januar 2010 14 Silvia Berger, «Robert Doerr und der Boom der Basler Hygiene» Universitäre Umarmungen Doerrs bakteriologisch-serologische Arbeiten und Virusforschungen in der «Hygienischen Anstalt» trugen ihm zahlreiche Ehrungen, Mitgliedschaften und Preise ein. 1929 verlieh ihm die Universität Würzburg für seine Studien zur Encephalitis die Goldene Schneider-Medaille, für das 1933 veröffentlichte Kompendium «Filtrierbare Virusarten» erhielt er den mit 30‘000 Franken dotierten Marcel-Benoist Preis für die Förderung wissenschaftlicher Forschung. Er wurde unter anderem Ehrenmitglied der königlichen Akademie Lund, fand Aufnahme in der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, war korrespondierendes Mitglied der Gesellschaft der Ärzte in Wien und der Académie de Médicine in Paris.69 Angesichts des Nimbus, den Doerr umgab, konnte es nicht ausbleiben, dass sich andere Universitäten für ihn zu interessieren begannen. Bereits 1922 erhielt Doerr einen Ruf an das Hygiene-Institut in Freiburg im Breisgau. Zwei Jahre später stand er in :LHQDQHUVWHU6WHOOHIUGLHK\JLHQLVFKH3URIHVVXUGHURIÀ]LHOOH5XIMHGRFKEOLHEDXV Im Jahr 1925 hätte Doerr den prestigeträchtigen, von Max von Pettenkofer begründeten Lehrstuhl für Hygiene in München übernehmen können. Der bisherige Amtsinhaber Max von Gruber, der sich in seinem Alter immer mehr der Sozial- und Rassenhygiene ]XZDQGWH VSUDFK VRJDU SHUV|QOLFK EHL 'RHUU YRU XP LKQ IU GLH ÀQDQ]LHOO XQG institutionell zweifellos attraktiv ausgestattetete Stelle zu gewinnen. 1929 schließlich erhielt Doerr eine weitere Berufung an die Universität Marburg.70 Doerr blieb trotz dieser Verlockungen im «Stachelschützenhaus». Weshalb? Die Gründe für seinen Verbleib in Basel sind vielfältig, können auf der Basis der in der Schweiz gesichteten Quellen allerdings nicht im Detail geklärt werden. Im Fall der Wiener Professur war es wohl schlicht eine glückliche Fügung: Hätte sich der Ruf nämlich bestätigt, wäre Doerr, der sich in den ersten Jahren im Basel der Seidenbandund Handelsherren beengt fühlte und immer wieder mit Heimweh zu kämpfen hatte, aus «privaten Gründen» nach Österreich zurückgekehrt. Trotz der Unterstützung einer QLFKW JDQ] HLQÁXVVORVHQ *UXSSH GHU :LHQHU )DNXOWlW VFKHLWHUWH 'RHUUV 5XI DQ GHQ Aktionen des Unterrichtsministeriums und die Option Wien zerschlug sich.71 Die Motive für Doerrs Ablehnung der Berufungen nach Freiburg, München und Marburg lassen sich aus den Akten des Basler Universitätsarchivs nicht im Einzelnen rekonstruieren. Klar scheint aber, dass er sich nach der Heirat mit seiner ehemaligen Laborantin Bertha Maria Herzog Mitte der 1920er Jahre immer heimischer in Basel zu fühlen begann. Eine durchaus bedeutsame Rolle spielte auch das Engagement der Universität. Mit großzügigem Entgegenkommen bei der Anrechnung von Amtsjahren für die Pension, mit der wohlwollenden Regelung der Witwen- und Waisenrente und schließlich auch mit handfesten jährlichen Zulagen über die gesetzlich vorgeschriebene Maximalbesoldung hinaus setzte sie sich dezidiert für Doerrs Verbleib am Lehrstuhl ein. Schließlich war der «ausgezeichnete Gelehrte und Dozent» – wie es 1925 in einem Schreiben des Rektors hieß – «für unsere Stadt und unsere Universität von größter Wichtigkeit».72 Der Versuch der Vereinnahmung durch die Basler Universität war beinahe allumfassend, bemühte sich doch nicht nur die medizinische, sondern auch 69 Ebd., S. 7. 70 6WD%6(U]LHKXQJVDNWHQ$$D3URIHVVXUIU+\JLHQH6FKXOJHVXQGKHLWVSÁHJH 71 Vgl. Hubenstorf, Michael: Österreichische Ärzte-Emigration, in: Stadler, Friedrich (Hg.), Vertriebene Vernunft. Emigration und Exil österreichischer Wissenschaft 1930-1940, Wien, München 1987, S. 370-371. 72 Ebd. —› www.unigeschichte.unibas.ch / © Historisches Seminar Basel / Januar 2010 15 Silvia Berger, «Robert Doerr und der Boom der Basler Hygiene» die philosophisch-naturwissenschaftlichen Fakultät um Doerr. Sie verlieh ihm im Jahr 1939 den Doktortitel honoris causa in Anerkennung seiner Verdienste um die Erforschung der Beziehungen zwischen Parasit und Wirtorganismus und besonders seiner Studien über das Wesen der submikroskopischen Wirkstoffe (Viren), die das Grenzgebiet zwischen belebter und unbelebter Natur behandelten.73 Wie groß die Freude war, die sie dem Wissenschaftler mit dieser Auszeichnung bereitete, konnte die philosophisch-naturwissenschaftliche Fakultät nicht erahnen. Tatsächlich traf sie mit ihrer Ehrung den Kern von Doerrs wissenschaftlichem Selbstverständnis. Wie er nämlich in seinem Dankesschreiben betonte, hatte er in seinem medizinisch orientierten Forschungsgebiet immer danach getrachtet, das «Hauptgewicht auf die naturwissenschaftliche Einstellung» zu legen.74 Mit dem Ehrendoktortitel erfuhr sein kontinuierliches Streben nach einer Integration der naturwissenschaftlichen Perspektive in das mikrobiologische und immunologische Wissen eine nachträgliche Bestätigung. Wenige Jahre später gestand Doerr in seinen autobiographischen Notizen denn auch, dass ihm die Ernennung zum Dr. phil. h.c. deshalb so viel bedeute, weil sie ihm eine «Entschädigung» für den «versagten Wunsch der Jugend» gewesen sei, sich ganz einem naturwissenschaftlichen Fach wie etwa der Biologie oder Parasitologie zuzuwenden.75 Mit Robert Doerr als Hygiene-Professor vollzog sich in Basel nach der in älteren hygienischen und historisch-pathologischen Traditionen verhafteten Ära Burckhardt nicht nur in kürzester Zeit die längst überfällige, zeitgenössisch als «modern» wahrgenommene Wende und Reorientierung des Lehrfaches hin zu bakteriologischen, serologischen und sozial-hygienischen Wissensfeldern. In nur wenigen Jahren war es auch gelungen, im «Stachelschützenhaus» ein wissenschaftlich hochkarätiges mikrobiologisches Forschungsinstitut zu installieren, das besonders auf dem Feld der experimentellen und theoretischen Virusarbeiten zu den ‹hot spots› der internationalen Forschung zählte. Die unverkennbaren Boomjahre der Basler Hygiene hinterließen bei den Verantwortlichen der Universität je länger je mehr das Gefühl einer grenzenlosen, zuweilen in Verklärung übergehenden Dankbarkeit gegenüber Doerr. So sprach ihm der Rektor kurz vor seiner Emeritierung im Jahr 1942 im Namen der Universität seinen Dank aus, und zwar «für alles, was sie in Basel geleistet haben». Nie habe man aus dem Munde von Ärzten und Studenten, aber auch von Zuhörern in Volks- und Hochschulkursen und aus der Bevölkerung Basels so viele spontane Äußerungen des Lobes und der Begeisterung gehört, als wenn von Doerr die Rede gewesen sei. «Sie verstehen es meisterhaft Jedem etwas zu bieten». Und mit unverkennbarem Anklang an das Motiv des allein auf Forschergeist und Persönlichkeit gründenden Erfolgs von wissenschaftlichen Heroen schloss er: «Sie hätten in ein großes Institut mit unermesslichen Hilfsmitteln hineingehört. Damit, dass Sie Ihr großes Werk in dem kleinen Stachelschützenhaus mit seinen bescheidenen Einrichtungen durchführen, erbringen Sie den Beweis, dass nicht die Räume, die verfügbaren Gelder und der Umfang der Assistenten den Erfolg des Forscher bedingt, sondern dass seine Persönlichkeit allein maßgebend ist.»76 73 StaBS, UA X 3,5, Robert Doerr, Vorschlag für Ehrendoktortitel an Doerr von Prof. Senn, Botanische Anstalt, Universität Basel. 74 StaBS, UA X 3,5, Robert Doerr. 75 Privatnachlass Robert Doerr, Autobiographische Notizen, Basel 1945. 76 StaBS, UA X 3,5, Robert Doerr. —› www.unigeschichte.unibas.ch / © Historisches Seminar Basel / Januar 2010 16 Silvia Berger, «Robert Doerr und der Boom der Basler Hygiene» —› www.unigeschichte.unibas.ch / © Historisches Seminar Basel / Januar 2010 17