WELTLICHE REICHSFÜRSTEN(TÜMER)
ANHALT
I. Das Jahr 1212, in dem Hzg. Bernhard
starb und seine Besitzungen in getrennter Herrschaft an die Söhne Heinrich I. und Albrecht I.
übergingen, darf als Geburtsstunde des Fsm.s
A. angesehen werden, obwohl es zu dem Zeitpunkt keine einheitl. Rechtsbezeichnung für
das Herrschaftsgebiet Heinrichs I. gab. Streng
genommen war es immer noch wie unter seinem Vater und Großvater ein Konglomerat verschiedener allodialer, Lehns-, Grafen- und Vogteirechte, die weitgehend einander nebengeordnet waren. Sie bildeten den ältesten erkennbaren Besitz der Askanier, waren jedoch zu sehr
unterschiedl. Zeiten an diese gekommen und
hatten ihre Heterogenität zu Beginn des 13. Jh.s
noch nicht überwunden. Einzig die Gft.
Aschersleben nahm wie zuvor eine gewisse Sonderstellung ein, so daß auch Heinrich I. sich
vorzugsweise nach dieser Gft. benannte bzw.
danach benannt wurde. Das bedeutet aber trotzdem nicht, daß 1212 die Gft. Aschersleben den
gesamten Herrschaftsbereich Heinrichs I. umfaßte. Sicher hätte sich dann dieser Name für
Heinrichs I. Fsm. durchgesetzt. Doch er wurde
schon in der nächsten Generation zunehmend
verdrängt durch den Namen princeps/principatus
de/in Anhalt, den Heinrich I. selbst erstmals in
einer Urk. vom Febr. 1215 verwendete (princeps in
Anahalt, CDA II, 1875, Nr. 14). Anhalt wurde zum
gemeinsamen Symbol des neuen Fsm.s, das
sich unter Heinrich I. zu formen begann. In der
neuen Bezeichnung kommt wahrscheinl. das
Bestreben zum Ausdruck, die eigene Souveränität auch im Namen des Fsm.s sichtbar zu machen, denn Aschersleben war eine alte Dingstätte, wo im Auftrage des Kg.s Recht gesprochen wurde, während die Burg A., vermutl. auf
Eigengut erbaut, autochthone Macht repräsentierte. Schon der gegenüber princeps de Anhalt geringere Titel comes de Anhalt, der erstmals für
Bernhard 1170 überliefert ist – allerdings in einer verunechteten Urk. –, läßt sich als entspre-
chende Vorstufe deuten, da sich bei Burg A. nie
eine »öffentliche« Dingstätte befand.
Der Umfang der Herrschaft Heinrichs I. und
der Grad der Wahrnehmung der verschiedenen
hoheitl. Rechte sind schwer zu bestimmen. Sicher dürfte sein, daß dem Fs.en um Aschersleben, Ballenstedt und Burg A. ein relativ geschlossener Raum unterstand, der viell. eine
schmale Verbindung zu dem östl. gelegenen
größeren Komplex um Bernburg, Köthen,
Wörbzig und Wörlitz besaß, an den sich wiederum rechts der Elbe die Gegend um Coswig
anschloß. Ferner gehörte Heinrich I. die Vogtei
über die Kl. Nienburg, Hecklingen, Gernrode
und Ilsenburg, doch besagt das nicht, daß damit eine effektive Herrschaft verbunden war.
Bes. gilt das für Kl. Gernrode, das noch lange
im wesentl. souverän agierte. Offen bleibt, wie
die Gft.en Werben und Plötzkau einzuordnen
sind. Über beide hatte Bernhard verfügt, aber
Werben könnte schon gänzl. verloren gegangen
und Plötzkau unter den vorherrschenden Einfluß des Bruders von Kl. Gernrode geraten sein.
Heinrich I. starb 1244/45 oder 1251/52, woraufhin, offenbar in mehreren Schritten bis 1265,
seine Söhne das Fsm. aufteilten und damit eine
Serie von Teilungen einleiteten, die für A. geradezu typ. werden sollten. Heinrich II., der Älteste, begründete die sog. Ascherslebener Linie
mit Aschersleben, Ballenstedt, Wörbzig und
Burg A., Bernhard I. die Bernburger Linie und
Siegfried I. die Köthener Linie mit Köthen, Dessau und Coswig. Von nun an prägten eine Vielzahl größerer und kleinerer Käufe, Verkäufe
und Rückkäufe, Verpfändungen und Belehnungen sowie Anwartschaften und Erbstreitigkeiten die anhalt. Herrschaftsentwicklung, worauf
nur hinsichtl. der wichtigsten Begebenheiten
einzugehen ist. Als erste beachtenswerte Veränderung wäre der Erwerb der rechtselb. Herrschaft Zerbst 1307 zu nennen. Sie gehörte damals den Herren von Barby und ging wohl
durch Kauf an Albrecht I. von A.-Köthen über,
den Sohn Siegfrieds I., unter Anerkennung der
Sonderdruck aus: Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich.
Ein dynastisch-topographisches Handbuch (= Residenzenforschung, Bd. 15.I).
ISBN 3-7995-4515-8
© Jan Thorbecke Verlag, Ostfildern 2003
anhalt
bereits bestehenden Lehnshoheit der Mgf.en
von Brandenburg. Der Erwerb Zerbsts stellte
eine bedeutende Machterweiterung dar, die sicher mit dafür verantwortl. war, daß Albrecht I.
von A. 1308 für kurze Zeit als einer der Köingskandidaten galt, bevor dann die Wahl auf Heinrich von Luxemburg fiel. 1324 gelang es, die
brandenburg. Lehnshoheit über Zerbst abzuschütteln, so daß die Köthener Linie mehr und
mehr nach dem wichtigeren Zerbst benannt
wurde.
Dem Gewinn der Herrschaft Zerbst für das
Haus A. folgte kurz darauf ein herber Verlust.
1315 starb mit Otto II., dem Enkel Heinrichs II.,
die Ascherslebener Linie aus. Das Erbe trat
Bernhard II., der Sohn Bernhards I., an, fand
aber sofort andere Anwärter, darunter seinen
Bruder Albrecht, der Bf. von † Halberstadt geworden war. Es entspann sich ein jahrzehntelanger Streit, der jedoch de facto schon unter
Bernhard III., dem Sohn Bernhards II., sich zugunsten des Bm.s † Halberstadt entschied. Die
späteren Einsprüche A.s fruchteten nichts; der
ursprgl. Hauptort des Fsm.s war für immer verloren.
Der Fürstentitel – meist in der Form princeps
in Anhalt – war zunächst den Nachkommen
Heinrichs II. vorbehalten, während die beiden
anderen Linien nur den Grafentitel führten. Seit
1315 bestand nun die neue Situation, daß die
Bernburger das Seniorat besaßen. Durch die
Ascherslebener Besitzungen gestärkt – nur
Aschersleben selbst fehlte –, war auch die polit.
Position A.-Bernburgs gewachsen und derjenigen von A.-Köthen/Zerbst ungefähr gleichwertig geworden. Trotzdem schaffte es keine der
beiden Linien, entscheidenden Einfluß auf die
Nachfolge in der Mark † Brandenburg zu gewinnen, nachdem die dortigen Askanier
1319/20 ausgestorben waren. Auch das spätere
Ränkespiel um den »falschen Waldemar«, woran A. vorrangig beteiligt war – Waldemar starb
1357 in Dessau, wo er »Asyl« bekommen hatte –,
brachte keinen Erfolg. Überhaupt blieben nach
dem Verlust Ascherslebens bis zur Mitte des 15.
Jh.s effektive Erwerbungen wie Verluste in größerem Umfange aus – erwähnenswert wäre allenfalls die Belehnung mit Rosslau seitens der
Äbtissin von † Quedlinburg.
743
Dafür führte eine Teilung A.-Köthens/
Zerbsts zu einer eigenartigen Komplikation in
dieser Linie. Dort regierten nach dem Tode Albrechts I. 1316 über längere Zeit mehrere Fs.en
nebeneinander, ohne daß eine deutl. Herrschaftstrennung zu erkennen ist. Nach 1392
waren dies die Brüder Sigmund I. und Albrecht
III., Urenkel Albrechts I., die sich 1396 aber entschlossen, die Herrschaft zu teilen: Sigmund I.
als der ältere Bruder erhielt das rechtselb. Gebiet mit Zerbst, Albrecht III. die andere Elbseite
mit Dessau und Köthen. Als nun Sigmund I.
1405 starb, erhob sein Bruder Anspruch auf
Zerbst und verdrängte Sigmunds minderjährige
Söhne. Es folgte ein jahrelanger Kleinkrieg, der
1416 zu einem Tausch der Herrschaften führte:
Sigmunds Söhne waren seitdem im Besitz von
A.-Köthen-Dessau, Albrecht III. von A.-Zerbst.
Auch danach hörten die Einsprüche nachfolgender Regenten nicht auf, doch blieb es im
wesentl. bei der Entscheidung von 1416, nur
daß der jeweils älteste Vertreter aus Sigmunds
Nachkommenschaft Anteil an Burg und Stadt
Zerbst erhielt.
Während die Linie A.-Köthen/Zerbst ihre
Streitigkeiten austrug, vereinheitlichte sich die
Herrschaft bei den Bernburgern. Nach Bernhard III. regierten auch dort mehrfach Angehörige der Linie ohne Teilung nebeneinander,
bis 1415 Bernhard VI., ein Enkel Bernhards III.,
die alleinige Herrschaft in Bernburg übernahm.
Trotzdem war die Gesamtlage des Hauses A.
wg. der Differenzen in A.-Köthen/Zerbst unbefriedigend, und so verwundert es nicht, daß A.
nach dem Aussterben der Askanier in SachsenWittenberg 1422 fast leer ausging, obwohl gute
Anwartschaften vorhanden waren.
Zwei Jahre später, 1424, deuteten sich in
A.-Köthen/Zerbst neue Teilungen an, deren
letzte Ausführung aber wohl unterblieb: Von
den beiden regierenden Söhnen Albrechts III.
konzentrierte sich der eine auf Coswig, der andere auf Zerbst. Die gleiche Situation bahnte
sich dann 1435 unter den Söhnen Sigmunds I.
mit der Bevorzugung Dessaus bzw. Köthens
noch einmal an. Diese Zwistigkeiten waren
zwar weitgehend wieder behoben, als 1468 mit
Bernhard VI. die Bernburger Linie ausstarb,
doch ergaben sich mit dem Erbfall neue Kom-
Sonderdruck aus: Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich.
Ein dynastisch-topographisches Handbuch (= Residenzenforschung, Bd. 15.I).
ISBN 3-7995-4515-8
© Jan Thorbecke Verlag, Ostfildern 2003
744
b.7. weltliche reichsfürsten(tümer)
plikationen. Denn 1466 hatte Bernhard VI. seine
gesamte Herrschaft einerseits dem Ebm.
† Magdeburg zu Lehen aufgetragen und sie andererseits zum Wittum seiner Frau erklärt, so
daß Georg I., der letzte überlebende Sohn Sigmunds I., der gegen den Verzicht auf seinen
Zerbster Anteil als alleiniger Erbe vorgesehen
war, vorerst warten mußte. Ohne die Nachfolge
angetreten zu haben, starb er 1474, nachdem er
seine Herrschaft geteilt hatte: Je zwei Söhne erhielten Dessau bzw. Köthen mit dem dazugehörigen Gebiet, und sie führten den Erbstreit
über den Tod der Wwe. Bernhards VI. hinaus
untereinander weiter. Dieser Streit bekam neue
Nahrung, als 1508 die beiden letzten männl.
Nachkommen Albrechts III. in den geistl. Stand
traten und A.-Zerbst an Waldemar VI. in Köthen
und Ernst I. in Dessau, den noch lebenden Söhnen Georgs I., übertrugen.
In diese Zeit fallen trotz aller Erbstreitigkeiten wichtige Erweiterungen des anhalt. Gesamtterritoriums. Es handelte sich zum einen um die
ehemalige Gft. Plötzkau, die A. anscheinend nie
ganz aufgegeben hatte, die aber offenbar bis
1466 mehr Einflußgebiet der Abtei Gernrode
war und erst danach wieder ein integrierender
Bestandteil des Fsm.s A. wurde. Zum anderen
hatte A. 1370 Pfandrechte an der Gft. Lindau erworben, die die Fs.en 1457 als wiederkäufl. Besitz erhielten. Die tatsächl. Eingliederung in das
anhalt. Fsm. erfolgte jedoch erst 1524 als letzte
große territoriale Veränderung A.s bis 1648,
nachdem die Gf.en von Lindau ausgestorben
waren. Auch danach blieb A. eines der kleinsten
dt. Fsm.er, was in der Reichsmatrikel von 1521
darin zum Ausdruck kommt, daß für das
Reichsaufgebot ganze neun Reiter und zehn
Mann zu Fuß zu stellen waren.
Zahlr. Todesfälle in der Fürstenfamilie führten dazu, daß sich in A. die Tendenz zur Vereinigung fortsetzte. 1524 war das Fsm. nur noch
in zwei Linien gespalten, die Nachkommen Sigmunds aus der einstigen Herrschaft A.-Köthen/
Zerbst innehatten. 1566 starb dann zwar mit
Wolfgang der Köthener Zweig aus, doch die beiden Fs.en der Dessauer Linie, Joachim Ernst
und Bernhard VII., hatten bereits 1563, als sie
von Wolfgang vorzeitig dessen Herrschaft erhielten, A. neu in Dessau-Zerbst und Köthen-
Bernburg geteilt. 1570 starb Bernhard VII. aber
kinderlos, und so konnte Joachim Ernst in diesem Jahr erstmals nach mehr als 300 Jahren die
Einheit des gesamten Fsm.s A. wiederherstellen. Sie zerbrach recht bald erneut: 1603, 17 Jahre nach dem Tod Joachim Ernsts, gaben die
Söhne die Gemeinschaftsregierung auf, und es
entstanden die Teilfsm.er A.-Dessau, A.-Bernburg, A.-Köthen und A.-Zerbst, zu denen 1611
noch A.-Plötzkau und 1635 Anhalt-Harzgerode
als Abspaltungen von Köthen bzw. Bernburg
hinzukamen. In dieser staatl. Zerrissenheit sah
A. dem Westfälischen Frieden 1648 entgegen.
Helmut Assing
II. Die Kenntnisse über den Hof der Fs.en
von A. sind bislang vergleichsw. gering. Eine
erste Blüte des Hofes kann für das 13. Jh. angenommen werden. Hierfür sprechen internationale Heiratsverbindungen der Anhaltiner (u. a.
mit Schweden und Dänemark) sowie enge Kontakte zu den askan. Verwandten in Brandenburg
und Sachsen. Hinzu kommen Beziehungen zu
den für ihre Prachtentfaltung bekannten Höfen
der Lgf.en von Thüringen, der Hzg.e von †
Braunschweig und der Mgf.en von † Meißen,
die durch dynast. Verbindungen (Heiraten
Heinrichs I. mit einer Tochter des Lgf.en Hermann I., Heinrichs II. mit einer Tochter Ottos
des Kindes von Braunschweig, Ottos II. mit einer Cousine Friedrichs des Freidigen) untermauert wurden. Der Einfluß ritterl.-höf. Kultur
läßt sich v. a. anhand literar. Quellen belegen:
In der Manessischen Liederhandschrift wird Fs.
Heinrich I. als Herzoge von Anhalte in einer Turnierszene abgebildet; ihm werden zwei Minnelieder zugeordnet. Eine frühe Beschreibung des
anhalt. Wappens in Versform enthält Konrads
von Würzburg Dichtung »Das Turnier von Nantes«. Mehrere Turnierteilnahmen anhalt. Fs.en
sind bezeugt, u. a. 1263 in † Lüneburg und 1309
in † Quedlinburg. Hauptaufenthaltsorte des
Hofes im 13. Jh. waren die Burgen Aschersleben
(Ascharien), Bernburg, A., Lippehne, Griebo,
Wegeleben und Coswig.
Die fortdauernden Herrschaftsteilungen im
14. und 15. Jh., die zahlr. getrennte Hofhaltungen, Besitzverpfändungen und Verkäufe von
Sonderdruck aus: Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich.
Ein dynastisch-topographisches Handbuch (= Residenzenforschung, Bd. 15.I).
ISBN 3-7995-4515-8
© Jan Thorbecke Verlag, Ostfildern 2003
anhalt
Herrschaftsrechten nach sich zogen, führten zu
einem Niedergang der Organisation und Ausstrahlung des Hofes. Die Anzahl der sich dauerhaft im Umfeld der Fs.en aufhaltenden Personen läßt sich nicht genau bestimmen, dürfte
jedoch gering gewesen sein. Bei Fs. Sigmund I.
aus der Zerbster Linie, dem eine vergleichsw.
stattl. Hofhaltung und die Gründung eines Hofordens (Sichelorden) zugeschrieben wird, sollen sich um 1400 »sechs oder sieben Ritter und
mehr guter Mannschaft« ständig aufgehalten
haben. Symptomat. für den Verlust einer größeren Außenwirkung des anhalt. Hofes ist das
Fehlen von Heiratsverbindungen mit auswärtigen Fürstenhäusern in der zweiten Hälfte des
15. Jh.s. Die Anhaltiner vermählten sich mit Angehörigen benachbarter Grafen- und Herrengeschlechter; auffallend viele Töchter und etl.
Söhne wurden in kirchl. Institutionen untergebracht. Dennoch nahm die Zahl der fsl. Personen, die Teil an der Herrschaft besaßen und
standesgemäß versorgt werden mußten, gegen
Ende des 15. Jh.s zu, was die mögl. Aufwendungen für Hof und Repräsentation begrenzte.
Mehrere Res.en mußten unter den fsl. Verwandten in einzelne Gebäudekomplexe aufgeteilt werden, so um 1480 die Burg Zerbst und
1497 das Schloß Bernburg unter den vier Söhnen Georgs I. Als bevorzugte Aufenthaltsorte
der Fs.en im 15. Jh. lassen sich Dessau, Köthen,
Bernburg, Zerbst und Hoym ausmachen. Weitere fsl. Burgen und Schlösser dienten v. a. als
Leibgedinge und Witwensitze (Coswig, Freckleben, Gröbzig, Lippehne, Plötzkau, Roßlau,
Sandersleben) oder als Pfandobjekte (Güntersberge, Harzgerode, Warmsdorf). Die aus den
finanziellen Schwierigkeiten resultierenden geringen herrschaftl. Gestaltungsspielräume und
Repräsentationsmöglichkeiten führten bereits
im SpätMA zu einem für das 17. und 18. Jh. bekannten Phänomen: Viele anhalt. Fs.en hielten
sich über längere Zeit an den Höfen benachbarter Territorien (v. a. † Brandenburg, Sachsen, †
Magdeburg) auf oder suchten Stellungen im
Militärdienst fremder Herren. Zentral für das
15. Jh. war zudem der Bezug zu Ks. und Reich.
Durch Königsdienst und aufwendiges Zeremoniell am Reichstag ließen sich Privilegien für A.
gewinnen und gefährdete Rangpositionen fe-
745
stigen. Hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang Fs. Rudolf († 1510), der als »OberstStabelmeister« das Heer Ks. † Maximilians im
geldr. Krieg führte und als ksl. Feldhauptmann
in Norditalien starb, sowie Fs. Magnus (1455–
1524), der zeitweilig als ksl. Rat und Beisitzer
am Reichskammergericht tätig war. Inwieweit
die auswärtigen Erfahrungen auf die eigene
Hofführung in A. rückwirkten, ist bislang nicht
untersucht worden.
Die Nachweise über die Hofämter unterstreichen die Beobachtungen zum Wandel der
Größe und Bedeutsamkeit des anhalt. Hofes.
Truchseß, Marschall und Kämmerer werden
erstmals in einer Urk. des Hzg.s Bernhard aus
dem Jahr 1181 erwähnt. Alle vier klass. Hofämter
erscheinen seit der zweiten Hälfte des 13. Jh.s
jedoch selten nebeneinander. Am bedeutendsten war das Truchsessenamt, das zw. 1181 und
1288 kontinuierl. nachweisbar ist und mit Ministerialen besetzt war, die dem Ritterstand angehörten. Ein Marschall tritt mit Ulrich von
Aschersleben, der ausgesprochen häufig im
Umfeld der Fs.en begegnet, erst ab 1263 deutl.
in Erscheinung. Seltener ist das zuerst 1229
nachgewiesene Schenkenamt bezeugt; ledigl.
mit Johann vom Berge (1263–70) gewinnt es an
Gewicht. Ein Kämmerer wird nach 1181 nur zw.
1291 und 1315 mit Heinrich Hobusch, der unter
den famuli testiert, erwähnt. Der Bedeutungsverlust des Hofes im 14. Jh. spiegelt sich auch in
seiner Organisation: Die klass. Hofämter verschwinden in der ersten Hälfte des 14. Jh.s aus
den Quellen, ohne daß eine Funktionsübertragung auf neue Ämter erkennbar wird. Ledigl.
ein Küchenmeister (1317–38) und ein Kammermeister (1375–77), beide aus dem Stand der
Knappen, werden urkundl. erwähnt.
Kommen die Inhaber der Hofämter im 13.
und Anfang des 14. Jh.s v. a. im Umfeld der
Fs.en der Ascherslebener Linie vor, lassen sich
Angehörige einer Kanzlei bei allen Linien nachweisen. Fsl. Notare und Schreiber werden ab
1200 regelmäßig gen., wobei eine feste Rangabstufung zunächst zweifelhaft ist. Für eine baldige Hierarchisierung spricht die Erwähnung
eines Protonotars 1229 sowie die Unterscheidung von notarius und scriptores in einer Urk. von
1259. Notare und Schreiber waren im 13. und
Sonderdruck aus: Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich.
Ein dynastisch-topographisches Handbuch (= Residenzenforschung, Bd. 15.I).
ISBN 3-7995-4515-8
© Jan Thorbecke Verlag, Ostfildern 2003
746
b.7. weltliche reichsfürsten(tümer)
14. Jh. ausnahmslos Geistliche, meist Pfarrer
eines Ortes, seltener Kapläne. Die Erwähnung
eines Protonotars als cancellarius 1350 bleibt zunächst die Ausnahme. Erst seit der Mitte des 15.
Jh.s findet sich in den Urk.n häufiger das Amt
des Kanzlers, das vergleichsweise spät zunehmend mit bürgerl., jurist. gebildeten Laien besetzt wurde. Herausragende Kanzlerpersönlichkeiten waren Johannes Büchener (erwähnt
1435–81) unter Fs. Georg I. sowie Paulus von
Berge (1475–1539) unter den Fs.en Georg II.
und Joachim. Sekretäre und Kanzleischreiber
als Unterbeamte lassen sich erst seit den 1530er
Jahren sicher nachweisen.
Kaum zu trennen ist der Kanzler zunächst
vom fsl. Rat, der wichtigsten »Behörde« am
Hof. Die Beratung des Fs.en durch seine Mannschaft ist bereits Anfang des 13. Jh.s bezeugt,
die Erwähnung von bestimmten Räten enthält
jedoch erstmals eine Urk. des Fs.en Bernhard
III. aus dem Jahr 1323. Häufiger werden die
Nachrichten über die Räte erst seit dem Ausgang des 14. Jh.s. Zum Rat gehörten auch der
Kanzler und andere Inhaber bedeutsamer Ämter am Hof. Bürgerl. Räte mit akadem. Bildung
finden sich neben den Räten aus der Ritterschaft vermehrt seit Anfang des 16. Jh.s. Wann
sich der Rat von einem losen Gremium zu einer
fester strukturierten Behörde entwickelt, ist bisher nicht genauer untersucht, jedoch wahrscheinl. nicht vor 1500 anzusetzen, wobei zeitl.
Unterschiede zw. den einzelnen Höfen der anhalt. Fs.en nicht auszuschließen sind. Da der
Rat auch Funktionen der Rechtssprechung
übernahm, gab es ein eigenständiges Hofgericht als dauerhafte Einrichtung nicht. Ledigl.
sporad. ist ein Hofrichter nachweisbar, so 1458
in Köthen.
Ein Aufschwung des Hofes und ein damit
einhergehender Anschluß an Entwicklungen,
die in den größeren Nachbarterritorien bereits
im 15. Jh. stattfanden, läßt sich im 16. Jh. beobachten. Insbes. die Reformationszeit kann als
eine Aufbruchsphase des Fürstenhauses gewertet werden, die durch Modernisierungsschübe
gekennzeichnet war. Die Verringerung der an
der Herrschaft teilhabenden Linien der Anhaltiner, die in der vorläufigen Vereinigung A.s unter den Fs.en Joachim Ernst und Johann Georg I.
1570–1603 gipfelte, wirkte hierbei unterstützend. Mit der Entstehung der jüngeren
Teilfsm.er nach der Landesteilung 1603 vollzog
sich die Entwicklung der Höfe nun weitgehend
separat an den Res.en Dessau, Bernburg, Köthen und Zerbst unter den Bedingungen minimaler Herrschaftsräume.
Hofordnungen, die in Einzelbestimmungen
auf ältere Burgfrieden zurückgehen und auch
im Zusammenhang mit gleichzeitig erlassenen
Landes- und Regimentsordnungen gesehen
werden müssen, sind seit der Mitte des 16. Jh.s
überliefert. Während die Hofordnung Fs. Johanns in Zerbst (1548) v. a. den Tagesablauf am
Hofe und die Einnahme der Mahlzeiten regelte,
ermöglicht die Ordnung Fs. Bernhards VII. in
Dessau (1570) einen genaueren Einblick in Aufgaben und Zuständigkeiten einzelner Ämter.
Leiter der Hofhaltung war der Marschall, welcher der landsässigen Ritterschaft entstammte
und die Aufsicht über alle Beamten und das Gesinde am Hof führte. Ihm beigeordnet war ein
Hauptmann (teilw. auch Haushofmeister) mit
ähnl. Aufgaben. Die Küche beaufsichtigte ein
Küchenschreiber; ihm unterstanden die Köche
und Küchenjungen. Die Getränkeausgabe oblag
dem Schenk (Kastkeller). Ein Kornschreiber
stand der Futterkammer, ein Stallmeister dem
Marstall vor. Wagenställe, Heuvorräte und
Schlüssel verwaltete ein Vogt, Wachfunktionen
übernahmen Torwächter. In anderen Quellen
werden u. a. Hofprediger, fsl. Leibärzte (Wolf
Fuhrmann unter Georg III., Melanchthons
Schwiegersohn Caspar Peucer unter Joachim
Ernst), Barbiere und Hofgärtner gen.
Das mit der organisator. Ausdifferenzierung, Ressortierung und Reglementierung des
Hofes korrespondierende Bedürfnis nach vermehrter Repräsentation im 16. Jh. läßt sich in
verschiedenen Bereichen belegen. Zum einen
entstanden seit den 1530er Jahren zahlr. Umund Neubauten der fsl. Res.en im aufwendigen
Stil der Renaissance, so in Dessau, Bernburg,
Zerbst, Lippehne, Harzgerode und Warmsdorf,
später auch in Plötzkau und Köthen. Zum anderen änderten die Fs.en um 1530/40 ihr Wappen, indem der bisher geführte fünffeldige
Schild auf neun Plätze erweitert wurde, womit
zusätzl. Herrschaftsrechte und höheres Prestige
Sonderdruck aus: Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich.
Ein dynastisch-topographisches Handbuch (= Residenzenforschung, Bd. 15.I).
ISBN 3-7995-4515-8
© Jan Thorbecke Verlag, Ostfildern 2003
747
anhalt
zum Ausdruck gebracht werden sollten. Auch
eine Hofgeschichtsschreibung setzte ein. Bereits 1519 war als fsl. Auftragsarbeit der »Panegiricus Genealogiarum Illustrium Principum
Dominorum in Anhalt« des Ballenstedter
Mönchs Heinrich Basse erschienen, der 1556 in
Ernst Brotuffs »Genealogia und Chronica des
Durchlauchten hochgebornen Königlichen und
fürstlichen Hauses der Fürsten zu Anhalt« eine
elaborierte Fortsetzung fand. Tenor der Werke
war die Herausstellung der Anciennität des fsl.
Hauses und seine Gleichrangigkeit mit den polit. bedeutenderen Dynastien der größeren
Nachbarterritorien. Auch Festlichkeiten boten
Anlaß für höf. Repräsentation, wobei fsl.
Kindstaufen und Hochzeiten (z. B. die Vermählung Johanns IV. mit Margarete von Brandenburg 1534) hervorzuheben sind. Bei solchen
Feiern wurden die Aufgaben der Hofämter
durch Adlige als »Ehrendienst« versehen.
Die wirtschaftl. Grundlagen des ma. Hofes
sind wenig erforscht. Die Versorgung wurde
durch die Einnahmen aus dem Eigenbesitz und
den Herrschaftsrechten der Fs.en gewährleistet;
Inhaber von Hofämtern und geistl. Kanzleibedienstete erhielten Lehen bzw. Pfründen verliehen. Münzprägung ist seit der Frühzeit der askan. Herrschaft nachgewiesen; Münzmeister in
Zerbst und Köthen werden im 14. Jh. gen. Seit
dem Ausgang des MA spielten die Bergwerke
am Harz als Einnahmequelle eine gewisse Rolle; die Einkünfte aus den Städten nahmen zu.
Für das späte 15. Jh. ist der Bezug von Luxusartikeln für den Hof aus † Leipzig bezeugt. Die
seit 1536 überlieferten Amts- und Landregister
bieten einen guten Einblick in die fsl. Einnahmen und Hofdienste, sind bislang jedoch nicht
erschöpfend ausgewertet. Nach der Hofordnung von 1570 mußte der Hofmarschall die
Ausgaben für die Hofhaltung wöchentl. mit
dem Vorsteher der Kammer, dem Rentmeister,
abrechnen. Die immensen Finanznöte der Fs.en
führten im 16. Jh. zur Übernahme der Schulden
durch die Stände (Landschaft), wodurch die
Aufwendungen für den Hof gleichzeitig einen
festgesteckten Rahmen erhielten. So beschränkte der Landtagsabschied von 1589 die
fsl. Hofhaltung auf die Einnahmen aus bestimmten Ämtern (Dessau, Bernburg, Harzger-
ode, Güntersberge); allerdings wurde bereits
1593 ein Zuschuß seitens der Stände notwendig, der durch die Einführung einer neuen Steuer realisiert werden mußte. Die Tätigkeit jüd.
Hoffaktoren ist erst seit der zweiten Hälfte des
17. Jh.s nachgewiesen.
Die Nachrichten über Bildung und Erziehung am Hofe sind sehr spärlich. Um 1400 ist
ein Prinzenerzieher (»Zuchtmeister«) für Waldemar, Sohn Sigmunds I., nachgewiesen. Daneben spielte der teilw. längere Aufenthalt der fsl.
Söhne an fremden Höfen eine wichtige Rolle.
Universitätsstudium (v. a. in † Leipzig) gewann
bereits im 15. Jh. an Bedeutung, da es den Fs.en
erlaubte, neben ihrer Herrschaft auch geistl.
Pfründen zu erlangen. v. a. die Generation der
in der Reformationszeit regierenden Fs.en hatte
humanist. Bildung genossen, was sich u. a. in
der zunehmenden Sammlung von Büchern am
Hof manifestierte. Insbes. die auf Georg III. zurückgehende »Fürst-Georg-Bibliothek« im Dessauer Schloß sticht hierbei durch die Vielzahl
der Bücher und durch prachtvolle Einbände hervor. Unter den Höfen der anhalt. Teilfsm.er
nach 1603 war es v. a. derjenige in Köthen, der
unter Fs. Ludwig (Gründung der »Fruchtbringenden Gesellschaft« 1617) und Fs. Leopold
(Hofkapellmeister Johann Sebastian Bach) eine
größere kulturelle Ausstrahlung besaß.
Michael Hecht
† A. Askanier † B.2. Brandenburg † B.2. Sachsen
† B.7. Sachsen-Lauenburg † C.7. Bernburg † C.7. Dessau † Köthen † Zerbst
Q. Anhaltische Hofordnung, in: Hofordnungen, 2,
1907, S. 23–26. – Annales Anhaltini, hg. von Hermann
Wäschke, Dessau 1911. – Codex Anhaltinus minor oder
die vornehmsten Landtags-, Deputations- und Landrechnungs-Tags-Abschiede, Leipzig 1864. – CDA. – Die anhaltischen Land- und Amtsregister des 16. Jahrhunderts,
Tl.e 1–3, bearb. von Reinhold Specht, Magdeburg
1935–40. – Regesten der Urkunden zu Zerbst, 1909.
L. Assing, Helmut: Die askanischen Herrschaftsrechte auf dem Territorium des Herzogtums Anhalt in der
Zeit Albrechts des Bären, in: Mitteilungen des Vereins für
Anhaltische Landeskunde 3 (1994) S. 11–31. – Beckmann, Johann Christoph: Historie des Fürstentums Anhalt, 7 Tl.e, Zerbst 1710. – Freitag, Werner: Kleine
Sonderdruck aus: Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich.
Ein dynastisch-topographisches Handbuch (= Residenzenforschung, Bd. 15.I).
ISBN 3-7995-4515-8
© Jan Thorbecke Verlag, Ostfildern 2003
748
b.7. weltliche reichsfürsten(tümer)
Reichsfürsten im 15. Jahrhundert – das Beispiel Anhalt,
in: Sachsen und Anhalt 23 (2001) S. 141–160. – Freitag,
Werner: Anhalt und die Askanier im Spätmittelalter. Familienbewußtsein, dynastische Vernunft und Herrschaftskonzeptionen, in: Hochadelige Herrschaft im mitteldeutschen Raum (1200–1600). Formen – Legitimation –
Repräsentation, hg. von Jörg Rogge und Uwe Schirmer, Stuttgart 2003, S. 197–226. – Grote, Ludwig: Das
Land Anhalt, aufgenommen von der staatlichen Bildstelle, Berlin 1929. – Haebler, Konrad: Deutsche Bibliophilen des 16. Jahrhunderts. Die Fürsten von Anhalt, ihre
Bücher und ihre Bucheinbände, Leipzig 1923. – Hecht,
Michael: Landesherrschaft im Spiegel der Heraldik: Das
große Wappen des Fürstentums Anhalt in der frühen
Neuzeit, in: Sachsen und Anhalt 22 (1999/2000) S. 267–
288. – Hecht, Michael: Hofordnungen, Wappen und
Geschichtsschreibung. Höfische Organisation und dynastische Repräsentation in Anhalt im 15. und 16. Jahrhundert, in: Die Fürsten von Anhalt. Herrschaftssymbolik, dynastische Vernunft und politische Konzepte im
Spätmittelalter und früher Neuzeit, hg. von Werner
Freitag und Michael Hecht, Halle 2003 (im Druck). –
Jablonowski, Ulla: Anhalt, das Land und seine Fürsten, im Zeitalter der Reformation, in: Reformation in
Anhalt. Melanchthon – Fürst Georg III., Dessau 1997,
S. 84–100. – Jablonowski, Ulla: Das Rote oder Blutbuch der Dessauer Kanzlei (1542–1584), Beucha 2002. –
Jänicke, Fritz: Beiträge zum Urkunden- und Kanzleiwesen der gräflichen Anhaltiner, vornehmlich im 13. und
14. Jahrhundert, Leipzig 1902. – Lenz, Heinrich, Die
landständische Verfassung in Anhalt, in: Sachsen und
Anhalt 11 (1935) S. 83–136. – Peper, Hans: Die Ascherslebische Linie der Askanier: Heinrich II., Otto I., Otto II.
(1233–1315). Ein Beitrag zur Geschichte des Anhaltischen
Fürstenhauses, 3 Tle., Ballenstedt 1912/13. – Ritterorden,
1991, S. 190f., Nr. 42 [Sichel]. – Schrecker, Ulrich: Das
landesfürstliche Beamtentum in Anhalt von seinen ersten
Anfängen bis zum Erlass bestimmter Verwaltungsordnungen, Breslau 1906. – Schroeder, Arthur: Grundzüge der Territorialentwicklung der anhaltischen Lande
von den ältesten Zeiten bis zur Begründung der Landesherrschaft unter Heinrich I. (um 1250), in: Anhaltische
Geschichtsblätter 2 (1926) S. 5–92. – Struck, Wolf-Heino: Archiv und Verwaltung der Magdeburger Dompröpste Adolf, Magnus und Georg, Fürsten von Anhalt
(1488–1553), in: Archivalische Zeitschrift 54 (1958) S. 11–
48. – Thomas, Michael: Magnus von Anhalt, Fürst und
Magdeburger Dompropst (1455–1524), in: Mitteldeutsche Lebensbilder. Menschen im späten Mittelalter, hg.
von Werner Freitag, Köln u. a. 2002, S. 89–111. –
Wäschke 1-3, 1912–13.
BADEN
I. Seit dem 12. Jh. (erstmals 1112) Mgf.en
von B., daneben noch bis in die Zeit Mgf. Rudolfs I. († 1288) auch Mgf.en von Verona (urkundl. seit 1072 bez.); auf Mgf. Heinrich I.
(† 1231) zurückgehende Seitenlinie der Mgf.en
von Hachberg (bis 1418 bzw. Sausenberg-Röttler Zweig bis 1503). In der Neuzeit seit 1803
auch Hzg.e von Zähringen und Kfs.en, 1806
Großhzg.e von B.
Abgesehen von der nur zeitweilig im Rahmen der Italienpolitik der frühen † Staufer faßbaren Amtstätigkeit als Mgf.en von Verona verfügten die mit den Hzg.en von Zähringen
stammverwandten mgfl. »Hermanne« über die
Breisgaugft. (wohl seit 1061), die bei der Teilung
des Erbes Mgf. Hermanns IV. († 1190) zusammen mit der im nördl. Breisgau gelegenen Burg
Hachberg der damals entstehenden Seitenlinie
der Mgf.en von Hachberg zufiel. Der eigentl.
Besitzschwerpunkt der Mgf.en von B. mit der
ersten mgfl. Grablege im Backnanger Pankratiusstift befand sich während des 12. Jh.s im
Gebiet des mittleren Neckars und der Murr. Erst
im 13. Jh. verlagerte sich das Herrschaftszentrum nach W an den Oberrhein und damit in das
räuml. Umfeld der um 1100 auf altem Königsbesitz erbauten, namengebenden Burg B. (Hohenb.). Die im 12. Jh. dem sal. und stauf. Kgtm.
eng verbundenen Mgf.en von B. übernahmen
am Oberrhein und im südl. Kraichgau seit 1219
stauf. Besitzpositionen und Herrschaftsrechte.
Zu der aus dem Erbe der Pfgf.en stammenden
Stadt Pforzheim und den Stauferstädten Durlach und Ettlingen, die Kg. † Friedrich II. den
Mgf.en übertragen hatte, kamen mit dem Zerfall der stauf. Macht die Grafschaftsrechte im Ufund Pfinzgau, namentl. die dortigen, umfangr.
Güter des Kl.s † Weißenburg sowie die Reichsburg und Zollstätte Mühlburg. In diesem Zusammenhang läßt sich auch eine bedeutende
Vergrößerung der Dienst- und Lehnsmannschaft beobachten, die zunächst v. a. dem Breisgau, der Ortenau, dem südl. Ufgau sowie dem
Sonderdruck aus: Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich.
Ein dynastisch-topographisches Handbuch (= Residenzenforschung, Bd. 15.I).
ISBN 3-7995-4515-8
© Jan Thorbecke Verlag, Ostfildern 2003