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IKARUS 3 INNSBRUCKER KLASSISCHARCHÄOLOGISCHE UNIVERSITÄTSSCHRIFTEN Akten des 11. Österreichischen Archäologentages in Innsbruck 23.−25. März 2006 SERIES IKARUS Series Editor: E. Walde, G. Grabherr, B. Kainrath Band 3 www.uibk.ac.at/iup IKARUS INNSBRUCKER KLASSISCHARCHÄOLOGISCHE UNIVERSITÄTSSCHRIFTEN Band 3 Gerald Grabherr / Barbara Kainrath (Hrsg.) Akten des 11. Österreichischen Archäologentages in Innsbruck 23.−25. März 2006 Innsbruck 2008 IKARUS 3 Gedruckt mit Förderung des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung in Wien Umschlagbild vorne: nach Vorlagen aus den Beiträgen von M. Meyer Abb. 7a und F. M. Müller Abb. 1. Umschlagbild hinten: nach Vorlagen aus den Beiträgen von Ch. Baier Abb. 1 und M. Golin Abb. 12. © 2008 1. Auflage Alle Rechte vorbehalten. Univ.-Prof. Dr. Dr.h.c.mult. Tilmann Märk Universität Innsbruck Christoph-Probst-Platz, Innrain 52 A-6020 Innsbruck www.uibk.ac.at/iup Herausgeber: Gerald Grabherr, Barbara Kainrath Redaktion: Gerald Grabherr, Barbara Kainrath Verlagsredaktion: Carmen Drolshagen Layout: Gerald Grabherr, Barbara Kainrath Herstellung: Athesia-Tyroliadruck GmbH A-6020 Innsbruck, Exlgasse 20 ISBN: 978-3-902571-34-2 Inhaltsverzeichnis ● Vorwort . . . . . . . . . . 8 ● Programm . . . . . . . . . . 9 . . . 13 ● Christoph Baier Frühe Baubefunde im Areal von Haus II der Zivilstadt Carnuntum . . . 27 ● Federico Bellitti Die Gefäßkeramik der römischen Villa II von Grafendorf bei Hartberg. Ein exemplarischer Überblick. . . . 37 ● Lydia Berger Die Keramik von Ägina Kolonna zur Zeit der großen Korridorhäuser (FH II) . 57 ● Fritz Blakolmer Gab es eine mittelhelladische Bildkunst? ● Martin Auer Die Stadtmauer von Aguntum − Neue Ergebnisse zur Datierung . . . . . . . . 65 ● Veronika Gertl Zeugnisse weiblicher Übergangsriten im Demeterheiligtum von Herakleia in Lukanien . . . . . . . . 73 ● Marta Golin Typen der archaischen Votivterrakotten aus dem „Demeterheiligtum“ von Siris-Herakleia . . . . . . . . . 83 ● Marion Großmann Einige Überlegungen zur ‚Basis von Sorrent’ . . . . . 93 ● Bernhard Hebert Funde in Archiven − was in der (steirischen) Archäologie alles längst bekannt sein könnte . . . . . . . 99 ● Michael Huber Anton Roschmanns Inscriptiones . . . . . 103 ● Franz Humer Die Wiederherstellung eines römischen Wohnhauses in der Zivilstadt Carnuntum . . . . . . . . 113 ● Doris Knauseder Die römischen Bronzefunde der Grabungen 1985−2004 aus der Stadt Salzburg . . . . . . . . 125 ● Julia Kopf Bregenz/Brigantium im 3. Jahrhundert n. Chr. . . . . 139 ● Felix Lang Nadeln mit Kopf in Form einer Hand − Zeichen des Sabaziuskults in den nordwestlichen Provinzen? . . . 151 . . 159 . . . . ● Dominik Maschek Neue Untersuchungen im sog. „Peristylhaus“ der Zivilstadt Carnuntum ● Marion Meyer Strategien visueller Kommunikation am Beispiel attischer Vasenbilder . . 167 ● Elisabeth Mlinar Isoliert stehende Türme auf Kreta in klassischer und hellenistischer Zeit . . 177 ● Martin Mosser Eine Translatio cadaveris in der Nachbarschaft des M. Antonius Tiberianus in Vindobona Ausgrabungen in der römischen Zivilstadt von Vindobona (Grabung Wien 3., Rennweg 16 im Jahr 2005) . . . . . 183 ● Florian Martin Müller Die daunische Siedlung auf dem Colle Serpente in Ascoli Satriano (Provinz Foggia / Italien) . . . . . . . . 195 ● Karl Oberhofer Die Bäckerei VII, 2, 22 in Pompeji . . . 205 ● Toshihiro Osada Ein Gott, der nicht richtet. Das Zeusbild am olympischen Ostgiebel und die Religionsanschauung der Griechen . . . . . . 215 ● Georg A. Plattner Werkstatt und Muster. Überlegungen zu Steinmetzbetrieben in Rom und Kleinasien . . . . . . . . 225 ● Katharina Pruckner Sagenbilder in der protoattischen Kunst − Entwicklungen, Merkmale und Tendenzen . . . 231 ● Ursula Quatember Der sog. Straßenbrunnen des Tiberius Claudius Aristion. Zur Geschichte seiner Erforschung, seiner Rekonstruktion und seiner Bauornamentik . . 243 ● Elisabeth Schemel Daunische Kieselpflasterungen in Ascoli Satriano, Prov. Foggia (Apulien) . . 251 ● Georg Schifko Zoologische Anmerkungen zu zwei minoischen Siegelabdrücken und einem klassischen Siegel aus Griechenland . . . . . . 261 ● Gabriele Schmidhuber Die Nymphen-Mänaden-Problematik in der griechischen Vasenmalerei . . 267 ● Veronika Sossau Der römische Tempel von Kalapodi . . . . . . . . . . . . . . 277 ● Ulla Steinklauber Das Antikenkabinett am Landesmuseum Joanneum . . . . . 287 ● Martin Steskal Das Vediusgymnasium von Ephesos in der Spätantike . . . . 293 ● Karl Strobel Zum Verhältnis von Archäologie und Geschichtsforschung: Das „Dritte Jahrhundert“ − Die sogenannte spätrömische Stadtmauer von Pergamon . . . . 303 ● Johanna Struber, Die römischen Eisenfunde aus der Stadt Salzburg . . . 311 ● Reinhold Wedenig Römerzeitliche Webgewichte aus der Steiermark als Schriftträger . . . 323 ● Jörg Weilhartner „ἡ λήμη τοῦ Πειραιέως“ Über das negative Bild der Insel Aigina und ihrer Einwohner in der attischen Geschichtsschreibung . . . 343 ● Wolfgang Wohlmayr Zu einer weiblichen Gewandstatue in München . . . . . 353 ●Verzeichnis der Autoren . . . . . 361 . . . . . Der sog. Straßenbrunnen des Tiberius Claudius Aristion. Zur Geschichte seiner Erforschung, seiner Rekonstruktion und seiner Bauornamentik∗ Ursula Quatember, Wien Der sog. Straßenbrunnen (Abb. 1) − manchmal auch als „Brunnen an der Straße zum Magnesischen Tor“ bezeichnet − gehört mit dem sog. Hydrekdocheion des C. Laecanius Bassus1 und dem Nymphaeum Traiani2 zu den drei großen, bislang in Ephesos bekannten monumentalen Fassadennymphäen. Anders als die beiden letztgenannten Bauten hat der Straßenbrunnen jedoch bislang in der Forschung relativ wenig Aufmerksamkeit erhalten3. Dies liegt in erster Linie daran, dass die im Jahr 1926 ausgegrabene Anlage im Zuge von Straßenbauarbeiten in den 50er Jahren des 20. Jhs. zugeschüttet und überbaut wurAbb. 1: Der Straßenbrunnen nach der de4, ohne dass es davor zu einer eingehenden Ausgrabung 1926 Untersuchung oder gar abschließenden Publikation gekommen wäre. An Dokumentation liegt einzig vor, was von M. Theuer im Zuge der Ausgrabung erstellt wurde und sich bis heute im Archiv des ÖAI erhalten hat5. ∗ Mein Dank gilt I. Benda-Weber, N. Gail, A. Pülz, G. Wlach sowie insbesondere H. Thür, die zahlreiche Hinweise sowie Diskussionsbeiträge lieferten bzw. die Archivarbeit und Bildbearbeitung unterstützten. Ohne die Dokumentation M. Theuers (1878−1949) wäre eine Neubearbeitung der Brunnenanlage nicht möglich gewesen. Abkürzungen und Sigel folgen den Richtlinien des ÖAI, vgl. ÖJh 69, 2000, 357−359 bzw. im Internet (http://www. oeai.at/publik/autoren.html). K. JUNG, Das Hydrekdocheion des Gaius Laecanius Bassus in Ephesos, in: G. WIPLINGER (Hrsg.), Cura Aquarum in Ephesus. Proceedings of the Twelfth International Congress on the History of Water Management and Hydraulic Engineering in the Mediterranean Region, Ephesus/Selçuk, Turkey, October 2−10, 2004, 12. Suppl. BaBesch = SoSchrÖAI 42 (2006) 79−86 mit älterer Literatur; J. AUINGER − E. RATHMAYR, Zur spätantiken Ausstattung der Thermen und Nymphäen in Ephesos, in: F. A. BAUER − CH. WITSCHEL (Hrsg.) Statuen und Statuensammlungen in der Spätantike − Funktion und Kontext. Akten des internationalen Workshops München 2004, Spätantike − Frühes Christentum − Byzantinische Kunst im ersten Jahrtausend (in Druck) 1 U. QUATEMBER, The Water Management and Delivery System of the Nymphaeum Traiani at Ephesus, in: WIPLINGER (Anm. 1), 73–77 mit älterer Literatur; U. QUATEMBER, Das Nymphaeum Traiani in Ephesos, FiE XI 2 (in Druckvorbereitung). 2 Grundlegende Literatur zum Straßenbrunnen: J. KEIL, XII. Vorläufiger Bericht über die Ausgrabungen in Ephesos, ÖJh 23, 1926, Beibl. 272−278; J. KEIL, Ephesos. Ein Führer durch die Ruinenstätte und ihre Geschichte5 (1964) 138f.; RE Suppl. 12 (1970) 1605f. s.v. Ephesos B. Archäologischer Teil (W. ALZINGER); D. KNIBBE − R. MERKELBACH, Ephesische Bauinschriften 1. Der Straßenbrunnen, ZPE 31, 1978, 80; A. BAMMER, Elemente flavisch-trajanischer Architekturfassaden aus Ephesos, ÖJh 52, 1978−80, 86f. Abb. 18 f. 22; C. DORL-KLINGENSCHMID, Prunkbrunnen in kleinasiatischen Städten. Funktion im Kontext, Studien zur antiken Stadt 7 (2001) 187f. Abb. 114. 3 ALZINGER (Anm. 3) 1605 gibt das Jahr 1955 an, T. WOHLERS-SCHARF, Die Forschungsgeschichte von Ephesos, Europäische Hochschulschriften 38, 54 (1995) 198 hingegen nennt das Jahr 1956. 4 Alle angesprochenen Originalunterlagen befinden sich heute im Archiv des Österreichischen Archäologischen Instituts in Wien. 5 243 Ursula Quatember Hauptbecken Schöpfbecken N 0 10m Brunnen an Straße zum Magnesischen Tor Grundriß und Rekonstruktion U. Quatember 3/06 Abb. 2: Der von M. Theuer aufgenommene Plan (1926) und seine schematische Umzeichnung (U. Quatember) Wie aus der auf den Architraven des Untergeschoßes angebrachten und später eradierten, aber noch lesbaren Stifterinschrift hervorgeht6, wurde der Straßenbrunnen von Ti. Claudius Aristion und seiner Gattin Iulia Lydia Laterane zu Ehren der Artemis von Ephesos, des Kaisers Traian und des Demos errichtet. Auf Grund der Titulatur Traians ergibt sich eine Datierung der Errichtung in die Jahre zwischen 102 und 114 n. Chr.7. Damit handelt es sich bei der Anlage um einen „Schwesterbau“ des Nymphaeum Traiani an der Kuretenstraße, das von denselben Stiftern im gleichen Zeitraum errichtet wurde. Relativ gesehen ist allerdings der Straßenbrunnen offenbar älter, da Iulia Lydia Laterane den Titel einer Prytanin noch 6 IvE II 424a. Der in der Inschrift erwähnt Titel Dacicus wurde Traian im Herbst 102 n. Chr. verliehen, der im Spätsommer 114 n. Chr. verliehene Titel Optimus bzw. seine griechische Entsprechung hingegen kommt nicht vor. Vgl. dazu D. KIENAST, Römische Kaisertabelle2 (1996) 123. 7 244 Der sog. Straßenbrunnen des Tiberius Claudius Aristion nicht inne hat, den sie in der Inschrift des Nymphaeum Traiani hingegen trägt8. Bei Aristion und seiner Gattin handelt es sich um bedeutende Bürger von Ephesos, die an der Errichtung mehrerer öffentlicher Bauten der Stadt beteiligt waren9. Auf Grundlage der Unterlagen Theuers versuchte erstmals A. Bammer eine Rekonstruktion des Straßenbrunnens, die nach einer eingehenden Prüfung jedoch in großen Teilen zu revidieren ist. Im Folgenden soll deshalb ein alternativer Rekonstruktionsvorschlag des ursprünglichen Baubestandes summarisch vorgestellt werden10, wobei zu beachten ist, dass die Fassade zu einem späteren Zeitpunkt unter Verwendung von Spolien teilweise neu aufgebaut oder zumindest repariert wurde11. Aus diesem Grund muss Theuers Dokumentation zumindest teilweise kritisch hinterfragt werden. Aus dem von Theuer aufgenommenen Plan lässt sich eine schematische Umzeichnung des Grundrisses erstellen (Abb. 2). Daraus ergibt sich eine u-förmige Gestaltung der zweigeschoßigen Tabernakelfassade, wobei die beiden Seitenflügel − anders als bei Bammers Rekonstruktion − eine durchlaufende Rückwand besaßen. Zunächst zur Säulenordnung des Untergeschoßes: Eindeutig dem Untergeschoß zuzurechnen sind ein komposites Säulen- (Abb. 3) sowie zwei Pilasterkapitelle (eines davon Abb. 4), die zur Gruppe der ephesischen Kapitelle mit Kranzblattgrund gehören, wie sie auch an der Celsus-Bibliothek und am Hadrianstor auftauchen12. Es handelt sich dabei um Stücke, die offenbar einem Herstellungszusammenhang zuzurechnen sind, und von denen die Exemplare des StraßenAbb. 3: Säulenkapitell vom Straßenbrunnen brunnens die ältesten Vertreter darstellen13. (Aufnahme von 1926) Darüber folgte der Architrav mit der Stifterinschrift (Abb. 5). Auch ein Zahnschnittgesims, das in Theuers Unterlagen dokumentiert ist, kann auf Grund seiner Proportionen eindeutig dem Untergeschoß zugerechnet werden. Die Höhe des dazwischen liegenden Frieses lässt sich in Analogie zu zeitgleichen Bauten aus Ephesos relativ genau rekonstruieren. Ebenfalls 8 Zur Inschrift des Nymphaeum Traiani s. IvE II 424. P. SCHERRER, Das Ehrengrab des Kaiserpriesters am Embolos – Eine Personensuche, in: H. THÜR (Hrsg.), „... und verschönerte die Stadt…“. Ein ephesischer Priester des Kaiserkultes in seinem Umfeld. SoSchrÖAI 27 (1997) bes. 115−125; F. KIRBIHLER, Les Notables d’Ephèse. Essai d’Histoire Sociale (133 av. J.-C. − 262 ap. J.-C.) (unpubl. Dissertation Universität Tours 2003) 289−299; bes. zu den Bauten s. auch U. QUATEMBER, Neue Zeiten − Alte Sitten? Ti. Claudius Aristion und seine Bauten in Ephesos, in: M. MEYER (Hrsg.), Neue Zeiten − Neue Sitten. Zu Rezeption und Integration römischen und italischen Kulturguts in Kleinasien WForsch 12 (2007) 101−113. 9 Eine ausführliche Darstellung inklusive aller Pläne und Archivunterlagen, die den Rahmen dieser Publikation sprengen würden, ist in Vorbereitung. 10 11 Darauf wies bereits KEIL (Anm. 3: 1926) 273 in seinem Grabungsbericht hin. s. dazu bereits H. THÜR, Das Hadrianstor in Ephesos, FiE XI 1 (1989) 92−95; G. PLATTNER, Ephesische Kapitelle des 1. und 2. Jhs. n. Chr. Form und Funktion kaiserzeitlicher Architekturdekoration in Kleinasien (unpubl. Dissertation Wien 2003) 132−135; QUATEMBER (Anm. 9) 108 f. 12 Ein Beitrag mit übergreifenden Überlegungen zu dieser Kapitellgruppe durch G. A. Plattner und U. Quatember ist in Vorbereitung. 13 245 Ursula Quatember berechnet werden muss die ursprüngliche Säulenhöhe, für die jedoch der Durchmesser der attisch-ionischen Säulenbasen sowie der untere Durchmesser der Kapitelle verlässliche Rückschlüsse liefern. Die so rekonstruierte Säulenordnung des Untergeschoßes (Abb. 6) entspricht damit zwar dem üblichen Schema der ephesischen Fassaden- und Tabernakelarchitekturen der 1. Hälfte des 2. Jhs. n. Chr., wie sie bereits von der Celsus-Bibliothek14, dem Nymphaeum Traiani15 und dem Hadrianstor16 bekannt sind. Gleichzeitig besitzt die Anlage aber besonders Abb. 4: Pilasterkapitell vom Straßenbrunnen in der Gestaltung der Architekturornamentik (Aufnahme von 1926) einige Besonderheiten: Architrave und Gesimse sind auf Grund der schmucklosen, unausgearbeiteten Profile mit einer Gruppe anderer ephesischer Bauten ähnlicher Zeitstellung zu verbinden, die zwar nicht unbedingt dem selben Werkstattzusammenhang zuzurechnen sind, aber eine ähnliche Reduktion in Ornamentik und Dekor aufweisen17. Gleichzeitig besitzt der Straßenbrunnen jedoch Säulenkapitelle, die zu den qualitativ hochstehendsten Beispielen dieser Periode gehören. Es dürfte Abb. 5: Architrav vom Straßenbrunnen sich dabei wohl um einen bewusst eingesetz(Aufnahme von 1926) ten „Blickfang“ bei der Gestaltung der Fassade gehandelt haben. Wie ökonomisch man bei der Konzeption vorging, zeigen hingegen die zur selben Gruppe gehörenden Pilasterkapitelle, deren Bearbeitung wesentlich weniger detailliert und sorgfältig ist als jene der Säulenkapitelle. Der Grund dafür ist wahrscheinlich in der wesentlich geringeren Sichtbarkeit der im Schatten hinter den Säulenkapitellen gelegenen Pilasterkapitelle zu suchen18. Eine Besonderheit bei der Gestaltung der Säulenordnung des Untergeschoßes ergeben auch die zahlreichen von Theuer dokumentierten attisch-ionischen Basen19, die einzeln gearbeitet waren und somit die Existenz von Säulenpostamenten mit großer Wahrscheinlichkeit Grundlegend zur Celsusbibliothek: W. WILBERG, Die Bibliothek, FiE V 1 (1943); V. M. STROCKA, Zur Datierung der Celsus-Bibliothek, in: Proceedings of the Xth International Congress of Classical Archaeology in Ankara (1978) 893−899; F. HUEBER, Beobachtungen zu Kurvatur und Scheinperspektive an der Celsusbibliothek und anderen kaiserzeitlichen Bauten, in: Bauplanung und Bautheorie der Antike, DiskAB 4 (1985) 175−200; V.M. STROCKA, Wechselwirkungen der stadtrömischen und kleinasiatischen Architektur unter Traian und Hadrian, IstMitt 38, 1988, bes. 295−297. 14 15 QUATEMBER (Anm. 2) in Druck; QUATEMBER (Anm. 9) 101−113. 16 Grundlegend zum Gebäude: THÜR (Anm. 12). H. THÜR, Ephesische Bauhütten in der Zeit der Flavier und der Adoptivkaiser, in: Lebendige Altertumswissenschaft. FS H. Vetters (1985) 181−187, bes. 183. Thür sah darin Hinweise auf eine gemeinsame Werkstatt. Anders hingegen R. KÖSTER, Die Bauornamentik von Milet I. Die Bauornamentik der Frühen und Mittleren Kaiserzeit, Milet I 7 (2004), der in der „zurückhaltenden“ Ornamentierung der jeweiligen Bauten zum Teil finanzielle Gründe, zum Teil aber auch ein Stilmittel sieht. 17 Bereits W. KOENIGS − W. RADT, Ein kaiserzeitlicher Rundbau (Monopteros) in Pergamon, IstMitt 29, 1979, 334f. wiesen darauf hin, welche Bedeutung die Positionierung eines Ornaments für die Qualität seiner Ausarbeitung besitzt. 18 Zu Form und Verbreitung derartiger Basen s. L. S. MERITT, The Geographical Distribution of Greek and Roman Ionic Bases, Hesperia 38, 1969, 186−204, bes. 195 f. 19 246 Der sog. Straßenbrunnen des Tiberius Claudius Aristion m 0,42 [0,36] 0,428 0,675 [~4,70] 0,25 m Ephesos sog. Brunnen an der Straße zum Magnesischen Tor Rekonstruierte Säulenordnung des Untergeschosses Maßangaben in Metern rekonstruierte Maße in eckigen Klammern 0 1m U. Quatember 2/06 Abb. 6: Rekonstruierte Säulenordnung des Untergeschoßes (U. Quatember) ausschließen, da diese üblicherweise in einem Stück gearbeitet sind. Die meisten anderen Bauten der ersten Hälfte des 2. Jh. n. Chr. − so etwa Nymphaeum Traiani, Celsus-Bibliothek und Hadrianstor − weisen hingegen durch Postamentbasen erhöhte Säulenstellungen auf20. Die Rekonstruktion der Säulenordnung des Obergeschoßes (Abb. 7) erfolgt auf ähnliche Weise wie jene des Untergeschoßes. Auch wenn im Detail nicht gesichert ist, welches der von Theuer dokumentierten Kapitelle dem ursprünglichen Bau Aristions zuzurechnen ist21, geht daraus zumindest hervor, dass es sich um eine korinthische Ordnung gehandelt haben muss. Architrave und Fragmente eines Konsolengesimses finden sich in den Archivunterlagen Theuers, die Höhe des Frieses wurde wiederum rechnerisch ermittelt. Von großer Bedeutung ist die Zeichnung eines ganz erhaltenen Architraves, der auf Grund seiner technischen Anschlüsse sicherlich in die südöstliche Innenecke der Fassade zu setzen ist. So lässt sich nachweisen, dass die Verkröpfung des Obergeschoßes parallel zu jener des Untergeschoßes erfolgte. Die Kombination einer kompositen Ordnung im Untergeschoß mit einer korinthischen Ordnung im Obergeschoß findet sich neben dem Straßenbrunnen auch an zahlreichen anderen Bauten des s. dazu WILBERG (Anm. 14) 4. Abb. 6; THÜR (Anm. 12) 88−90. Zur Entwicklung dieser architektonischen Form s. D. WANNAGAT, Säule und Kontext. Piedestale und Teilkannelierung in der griechischen Architektur (1995) 17−48. 20 Zwei Exemplare können eindeutig in augusteische Zeit datiert werden und sind deshalb den bereits erwähnten sekundären Veränderungen der Fassade zuzurechnen. Zu einem der beiden Stücke s. W. ALZINGER, Augusteische Architektur in Ephesos, SoSchrÖAI 16 (1974) 90. Abb. 121. Von zwei weiteren dokumentierten Kapitellen wurde für die Rekonstruktion jenes ausgewählt, das sich eher mit der zeitlichen Stellung des Brunnens vereinbaren lässt. 21 247 Ursula Quatember m 0,36 [0,22] 0,32 0,52 [~3,65] 0,29 m Ephesos sog. Brunnen an der Straße zum Magnesischen Tor Rekonstruierte Säulenordnung des Obergeschosses Maßangaben in Metern rekonstruierte Maße in eckigen Klammern 0 1m U. Quatember 2/06 Abb. 7: Rekonstruierte Säulenordnung des Obergeschoßes (U. Quatember) 22 QUATEMBER (Anm. 2) in Druck. 23 s. beispielsweise WILBERG (Anm. 14) Abb. 13; Abb. 64. 24 KÖSTER (Anm. 17) bes. 68−70. 25 KÖSTER (Anm. 17) 158. 2. Jhs. n. Chr. in Ephesos und andernorts in Kleinasien, genannt seien etwa das Nymphaeum Traiani22, die Celsus-Bibliothek23 oder auch das Markttor von Milet24. R. Köster bezeichnet in seiner Abhandlung zur milesischen Bauornamentik diese Abfolge als „kanonisch“25. Ebenso üblich ist die Anbringung eines Zahnschnittgesimses im Unter- bzw. eines Konsolengesimses im Obergeschoß, eine ähnliche Abfolge findet sich wiederum am Nymphaeum Traiani und an der Celsus-Bibliothek26. Die Verbindung des Grundrisses mit den oben dargestellten Säulenordnungen ergibt die Neurekonstruktion des Brunnens (Abb. 8). Für den dargestellten Giebel finden sich zwar keine Belege in den Unterlagen, gleichzeitig ist durch Vergleiche mit Bauten ähnlicher Zeitstellung aber davon auszugehen, dass ein solcher existiert haben muss. Der hier gewählte gesprengte Giebel besitzt beispielsweise Vorbilder am Nymphaeum des C. Laecanius Bassus27 oder am Markttor von Milet28. Aus Theuers Unterlagen leider nicht mehr rekonstruierbar ist die originale Skulpturenausstattung des Bauwerks. Alle bei der Ausgrabung dokumentierten Statuenfragmente sind in die Zeit nach der Errichtung zu datieren und können deshalb nicht Teil des von Ti. Claudius Aristion und seiner Gattin gestifteten Gebäudes sein29. Zum Nymphaeum Traiani s. QUATEMBER (Anm. 2) in Druck; zur Celsus-Bibliothek WILBERG (Anm. 14) Abb. 56f. Das Konsolengesims des Straßenbrunnens gehört zum Typus der Balkenkonsolen. Zur Entwicklung dieses Typus s. H. V. HESBERG, Konsolengeisa des Hellenismus und der frühen Kaiserzeit, 24. Ergh. RM (1981) passim. 26 27 Vgl. Anm. 1. 28 Vgl. dazu H. KNACKFUSS, Der Südmarkt und die benachbarten Bauanlagen, Milet I 7 (1924) 69−155. 29 Zu den Skulpturen s. KEIL (Anm. 3: 1926) 273−276; zuletzt s. AUINGER − RATHMAYR (Anm. 1) in Druck. 248 Der sog. Straßenbrunnen des Tiberius Claudius Aristion 0 10m U. Quatember 3/06 Ephesos sog. Brunnen an der Straße zum Magnesischen Tor Rekonstruktion der Tabernakelfassade Abb. 8: Rekonstruktion des sog. Straßenbrunnen des Ti. Claudius Aristion (U. Quatember) ßenbrunnens wirft nicht nur neues Licht auf ein seit mehr als 80 Jahren scheinbar bekanntes Gebäude in Ephesos; die verbesserte Kenntnis dieses Einzelmonuments bereichert so gleichzeitig unsere Kenntnis der Geschichte kleinasiatischer Tabernakelarchitekturen. Abbildungsnachweis Abb. 1. 2 (oben). 3−5: ÖAI, Archiv. Abb. 2 (unten). 6−8: U. Quatember. 249