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Dendemann

Erlangen liegt nicht im Sauerland. Wohl aber Menden. Daher stammt er, der Dende. Wirklich und wahrhaftig eine "Unschuld vom Lande", wenn man es so betrachtet. Bedenkt man weiter, dass Kleinstadtjungs vor allem eines reichlich haben, nämlich Langeweile, kann man auf Knien dankbar sein, dass Daniel Ebel auf der Suche nach einer Beschäftigung zunächst auf Platten von Public Enemy und De La Soul und dann auf ein Mikrofon stößt. Anderenfalls wäre die deutsche Hip Hop-Landschaft um einen ihrer derbsten Reimer ärmer. "Ebel" tönt nicht gerade glamourös. Aber unser Dende hat schließlich Ralph Macchio in "Karate Kid" gesehen: "Daniel Larusso" nennt sich der MC der Crew Arme Ritter, die zwar keine eigene Veröffentlichung an den Start, es aber trotzdem zur Vorgruppe von Fettes Brot bringt. Eine Frage der Zeit, bis der Rapper des Support-Acts auf den DJ der Headliner trifft: Dies geschieht bei einem Soundcheck, etwa Ende 1994. Es ist anzunehmen, dass Thomas Jensen aka DJ Rabauke, zu dieser Zeit Tour-DJ der Brote, sich von Daniel Larusso schlicht an die Wand schwätzen lässt. Wie auch immer: Der Entschluss, ein gemeinsames Projekt auf die Beine zu stellen, resultiert in der Gründung des Duos Eins Zwo. Halt! Nicht so hastig. Zunächst bleiben einige Dinge zu erledigen. Das Jahr 1996 sieht Dendemanns erste in Vinyl verewigte Gehversuche auf dem Rap-Parkett: Auf dem Fettes-Brot-Album "Außen Top Hits, Innen Geschmack" ist er in "Mikrokosmonaut" und (mit den Armen Rittern) in "Ich Geh Nicht Zum Arzt" zu hören. Ein Praktikum bei einer Videoproduktionsfirma ermöglicht ihm die Flucht aus der Provinz in die Großstadt. Auch Rabauke, der aus Zeitgründen seinen Tour-DJ-Job bei Fettes Brot aufgegeben hat, hat es mittlerweile nach Hamburg verschlagen. 1997 begeben sich Eins Zwo mit Fünf Sterne Deluxe auf Tour. Währenddessen entsteht ihr erstes Demotape "Sport", das 1998 generalüberholt als EP erscheint. Dendemanns Gastauftritt bei Fischmob in "Susanne Zur Freiheit" stammt aus demselben Jahr. Zwei Alben ("Gefährliches Halbwissen" und "Zwei"), eine Maxi ("Tschuldigung/Weltretten") und eine EP ("Discjockeys") später ist Trauer angesagt. Eins Zwo ist irgendwo unterwegs der Crew-Gedanke abhanden gekommen. Seit 2003 gehen Dendemann und Rabauke getrennte Wege. In für das Hip Hop-Geschäft erstaunlich zivilisierter Weise waschen sie in der Öffentlichkeit keinerlei schmutzige Wäsche, nur so viel: Es funktioniere eben einfach nicht mehr. Dendemann präsentiert 2003 als Appetithäppchen für eine Solo-LP, die bald folgen soll, die EP "Das Schweigen Dilemma". Ein dehnbarer Begriff, dieses "bald". Bis Mitte 2005 ist von dem (ebenfalls "Das Schweigen Dilemma" betitelten) Album nichts zu sehen und zu hören. Über die Durststrecke helfen diverse Gastauftritte auf Platten von Nico Suave (übrigens ein alter Mendener Sandkastenfreund), Tefla & Jaleel, den Moqui Marbles, I.L.L. Will und DJ Thomilla. Dendemann tourt 2003 als Support-Act der Beginner, später alleine mit DJ Mirko Machine. Im Juni 2005 mehren sich die Anzeichen, dass das Warten ein Ende haben könnte: Es erscheinen Single und Video von "Es Tut Mir Leid" (mit J-Luv). "Das Schweigen Dilemma" ist wieder einmal angekündigt. Die Aussicht auf Beats von Korben Dallas und The One und Cuts von Mirko Machine ist nicht die Schlechteste. Aber wer derart derbe Lovesongs wie "Lieblingsmensch" in die Welt rotzt, dem verzeiht man problemlos auch das ein oder andere Jahr Verspätung. Muss man auch: 2005 neigt sich dem Ende zu, aber außer hin und wieder ein Download-Track ward von Dendemann nichts gehört. Der vermeintliche Lichtblick, zwar nicht das versprochene Album, so aber doch ein großartig kompiliertes Best Of-Mixtape mit ein wenig neuem Material, erweist sich als Irrlicht. Aufgrund rechtlicher Schwierigkeiten findet dieses Werk nie den Weg zu den dürstenden Fans. Der Neujahrsvorsatz, sich 2006 zur Abwechslung einmal nicht auf das versprochene Album zu freuen, zeigt Wirkung, die jahrelang bewiesene Geduld zahlt sich aus. Anfang September erscheint zeitgleich mit der Single "3 1/2 Minuten" "Die Pfütze Des Eisbergs": trotz leichter Schwächen in den Beats ein großer Wurf, mit dem Herr Larusso lyrisch wie raptechnisch seinen Status als Geschichtenerzähler Nummer eins weiter zementiert. "Dende 74" mit einem Feature von Gwen McCrae bietet einen Abschluss allererster Güte: Wer auch nur einen Hauch eines 70er-Babys oder eines 80er-Kindes in sich trägt, reitet mit Tränen in den Augen auf der Nostalgie-Welle. Die schwappt für Dendemannsche Verhältnisse rasend schnell weiter: Bereits zwei Jahre später liegt mit "Vom Vintage Verweht" der nächste Longplayer vor. Dazwischen liegen "Abersowasvonlive" und ein krasses Umstyling, um die Modepolizei gründlich vor den Kopf zu stoßen. Dem Sound hört man dies ebenfalls an: "astreiner Garagen-Rap" lautet inzwischen die Devise. Musikalisch bleibt Dende diesem Motto treu. Jahrelang verschwindet er in der Versenkung, bis ihn TV-Moderator Jan Böhmermann 2015 überraschend aus dem Hut zaubert. Für den Sprung aus der Neo-Sparte zum großen ZDF schreibt sich Böhmermann nicht nur "Royale" unter den "Neo Magazin"-Schriftzug, er holt sich gleich eine eigene Hausband ins Boot, ganz nach amerikanischen Vorbildern wie Jimmy Fallon. Böhmer- ernennt Dendemann zum musikalischen Direktor. Zusammen mit seiner Band Freie Radikale sorgt selbiger seit Februar des Jahres mit kleinen Freestyle-Parts für die musikalische Untermalung der Sendung. Wie gut das funktioniert, beweisen Kollaborationen mit den musikalischen Gästen. Die Fans müssen dank Dendes neuer Beschäftigung im Fernsehen weiterhin auf neue Musik verzichten. Clips wie die elfminütige Hommage an Deutschrap, die Dende zusammen mit Böhmermann im "Neo Magazin Royale" zum Besten gibt, trösten darüber hinweg. Im Juli 2016 tweeten verschiedene Größen des deutschen Musik- und Showlandschaft, darunter Casper, Beatsteaks und Jan Böhmermann selbst, den Hashtag #FreeEinsZwo in die Runde. Wer die Hoffnung noch nicht längst begraben hat, hofft auf eine Reunion des Duos. Die bleibt aus, dafür droppt der Sauerland-Export am 25. Januar 2019 sein Album "Da Nich Für!" Es stimmt eben immer noch, was spätestens dann jedem aufgegangen sein dürfte, als Dendemann einst zusammen mit Herbert Grönemeyer auf Tour ging: "Jedes kleine d hat ein großes Ende, Mann!"
© Laut

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