Das Haus Zamis 29 – Die Nacht der Skalpelle
Von Catalina Corvo und Logan Dee
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Über dieses E-Book
Der 29. Band von "Das Haus Zamis".
"Okkultismus, Historie und B-Movie-Charme - ›Dorian Hunter‹ und sein Spin-Off ›Das Haus Zamis‹ vermischen all das so schamlos ambitioniert wie kein anderer Vertreter deutschsprachiger pulp fiction." Kai Meyer
enthält die Romane:
75: "Die Fähre des Grauens"
76: "Das Schattenschloss"
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Rezensionen für Das Haus Zamis 29 – Die Nacht der Skalpelle
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Buchvorschau
Das Haus Zamis 29 – Die Nacht der Skalpelle - Catalina Corvo
Die Nacht des Skalpells
Band 29
Die Nacht des Skalpells
von Catalina Corvo und Christian Montillon
nach einer Story von Uwe Voehl
© Zaubermond Verlag 2014
© Das Haus Zamis – Dämonenkiller
by Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt
Lektorat: Dario Vandis
Titelbild: Mark Freier
eBook-Erstellung: story2go | Die eBook-Manufaktur
http://www.zaubermond.de
Alle Rechte vorbehalten
Was bisher geschah:
Die junge Hexe Coco Zamis ist das weiße Schaf ihrer Familie. Die grausamen Rituale der Dämonen verabscheuend, versucht sie den Menschen, die in die Fänge der Schwarzen Familie geraten, zu helfen. Auf einem Sabbat soll Coco endlich zur echten Hexe geweiht werden. Asmodi, das Oberhaupt der Schwarzen Familie der Dämonen, hält um Cocos Hand an. Doch sie lehnt ab. Asmodi kocht vor Wut – umso mehr, da Cocos Vater Michael Zamis ohnehin mehr oder minder unverhohlen Ansprüche auf den Thron der Schwarzen Familie erhebt.
Asmodi, der Fürst der Finsternis, und Graf Nocturno, der Anführer der Oppositionsdämonen, schließen einen Pakt: die Charta Daemonica. Damit ist Asmodi einmal mehr der unumstrittene Herrscher über die Schwarze Familie. Nocturno bedingt sich drei winzige Gebiete aus – und Coco Zamis als seine Begleiterin. Damit er Cocos Begleitung auch sicher sein kann, verwandelt er ihren Vater in einen krötenartigen Freak und entführt Coco ins Innere der Erde. Er selbst verschwindet in Richtung centro terrae, der Heimat der geheimnisumwitterten Zentrumsdämonen. Coco selbst findet sich in Wien wieder. Die Machtverhältnisse sind offen. Dank Asmodis geschickten Winkelzügen wittern die Gegner der Zamis Morgenluft und dringen auf ihre Chance, ihnen die Führung unter den Wiener Sippen streitig zu machen. Thekla Zamis hat sich unterdessen mit Asmodi – ihrem Vater – getroffen, um noch Zeit herauszuschlagen. Asmodi hat ihr daraufhin ein »unmoralisches Angebot« unterbreitet. Die Entscheidung, dieses anzunehmen und damit ihrer Familie zu helfen oder gegen die anderen Sippen in den Kampf zu ziehen, fällt Thekla nicht leicht.
Letztendlich ist Thekla Zamis nicht gewillt, auf Asmodis ungeheuerlichen Vorschlag einzugehen. Im Gegenteil: Sie stellt den Fürsten der Finsternis vor allen Dämonen bloß. Asmodi tobt, und den Zamis bleibt nur eine allerletzte Chance: Thekla entschließt sich zur Flucht ins Exil. Die Zamis verlassen Wien und suchen Schutz und Unterstützung bei befreundeten Dämonen. Doch schnell wird klar: Asmodi gibt sich damit nicht zufrieden. Er gibt die Zamis zur Jagd frei. Ihre Flucht führt die Zamis zunächst nach Belgien …
Erstes Buch: Die Fähre des Grauens
Die Fähre des Grauens
von Christian Montillon
nach einer Story von Uwe Voehl
Vorwort
Zur COCO ZAMIS-Serie gehörte der erste Roman, den ich geschrieben habe – es kommt mir vor, als wäre es in grauer Vorzeit gewesen, als die Gummistiefel noch aus Holz waren. Im achten Band der Zaubermond-Hardcover.
Es ging damals auch um einen Ghoul, und ich fand es ziemlich ekelhaft. Laut Exposé (von Dario Vandis) gab es da dieses abgenagte Skelett auf dem Bett, und all das Blut, eingesickert in Laken und Matratze. Natürlich kannte ich die Serie zu diesem Zeitpunkt bereits jahrelang, aber nun selbst einen Beitrag dafür zu schreiben, war … anders.
Besser.
Auch wenn das Ergebnis zu wünschen übrig ließ, das muss ich schon zugeben. Zum Glück (für mich und hoffentlich auch für die Leser) gab es trotzdem einen Verlagsleiter, der ein gewisses Talent in diesem meinem Text erkannte, damals. So nahm er mich zur Brust und zeigte mir gnadenlos, nun ja, sagen wir etwa 4 mal 8 mal 15 mal 16 mal 23 mal 42 ist gleich 7.418.400 Fehler auf. Dann schrieb er den Roman um, und das Ergebnis erschien unter unser beider Namen.
Sehr gut. Dadurch und danach hab ich einiges gelernt. Hoffe ich zumindest. Ha! Ich schrieb mich durch viele Serien, sammelte Erfahrung, übte, übte und (richtig) übte, während etlicher Veröffentlichungen. Dann gelang mir der Einstieg bei PERRY RHODAN; die Kür aller Serien. Dort arbeite ich seitdem mit großem Engagement. Neulich gab ich im PERRY RHODAN-Universum den hundertsten Band ab, den ich entweder selbst geschrieben habe oder der auf meinem Exposé basiert.
Auch sonst hat sich einiges getan in der Zwischenzeit. Die Gummistiefel sind nicht mehr aus Holz, unter anderem verstarb Ernst Vlcek, der stets einer meiner Lieblingsautoren war und den ich noch persönlich kennenlernen, ja sogar mit ihm durch das ZAMIS'sche Wien streifen durfte. Und durch diverse Schnitzel- und Gulasch-Restaurants.
Aber COCO ZAMIS gibt es noch immer. Die Serie läuft und läuft und erfreut sich aus gutem Grund großer Beliebtheit.
Eigentlich bin ich als Autor wegen sonstiger Arbeitsüberlastung ausgestiegen. Aber zu mancher Liebe kehrt man eben stets aufs Neue zurück. So geschehen in Buch 28, wo ich einen richtig schön ekligen Beitrag mit Menschenfressern und gewetzten Skalpellen leisten durfte und gar die Idee einfügte, Lydia als Dämonin zu zwingen, das Fleisch eines wahnsinnigen Menschen zu essen. Igitt! Der serieninternen Logik zufolge muss das Folgen nach sich ziehen. (Welch ein herrlicher Kontrapunkt zu meiner Arbeit als Kinder- und Jugendbuchautor bei den »Drei ???« und den »Drei ??? Kids«: tagsüber spielerisch-rätselhaft durch Rocky Beach, nachts in die Abgründe der Dämonenseele. Was sagt das wohl über mich aus …?!)
Und nun, tja, nun habe ich direkt an diese Handlung mit der flüchtenden Zamis-Familie angeschlossen. Warum ich das schreibe? Hm. Vielleicht einfach, um mich zurückzumelden bei der »alten Liebe« COCO ZAMIS, die man so leicht nicht verlässt.
In diesem Sinne:
Bis bald, und bleibt der Familie Zamis gewogen! Sie kann es in diesen turbulenten Zeiten ohne echtes Familienoberhaupt gebrauchen … gerade und auch, wenn im nächsten Band weiter die Wurzeln der Mutter Thekla erforscht werden.
Wattenheim, im Januar 2012
Christian Montillon
»Hat sie deshalb solche Angst davor,
weil es ihr Spaß macht?«
Stephen King, Firestarter/Feuerkind
Prolog
Ein Rascheln in der Dunkelheit.
»Sind Sie bereit?«
»Selbstverständlich.«
Das Geräusch weicht einem kurzen, scharfen Ratschen, dann zuckt eine Feuerlohe in der Schwärze auf. Eine Fackel beginnt zu brennen, die Flammen wehen blau und grün in der Luft. Gespenstische Schatten tanzen über steinerne Wände. Ein glänzender Käfer krabbelt auf seinen winzigen Beinen davon.
»Wer wird gehen?«
»Zwei meiner Kinder.«
»Und Ihre … Sprösslinge sind ebenfalls bereit?«
Wieder ertönt dieselbe Antwort: »Selbstverständlich.«
Ein spielerisches Pusten und eine durch die Luft wischende Handbewegung: Die Fackel erlischt. Der Besucher mag keine unnötige Zurschaustellung von diversen magischen Fähigkeiten. »Sie werden also sterben?«
»Sie – und die gesamte Familie Zamis, genau wie von Ihnen gewünscht.«
»Gut.«
Er geht.
Es ist nicht nötig, weitere Worte zu verschwenden.
1.
Nebel auf den Straßen,
Wahnsinn im Leib
»Der irrsinn sey verfluchet«, las Adalmar Zamis. Seine Stimme klang matt, müde und trotzdem voller Abscheu.
So kannte ich meinen Bruder gar nicht. Er schien fast … verletzlich. Und doch war er im Vergleich zu meiner Schwester Lydia das blühende Leben. Immer wieder würgte sie, aber sie trug längst nichts mehr in sich, das sie hätte ausbrechen können.
»Zum Teufel, Lydia, kotz bloß kein zweites Mal in den Wagen!«, zischte Georg sie an und kicherte.
Zum Teufel, ja, wie passend, dachte ich. Das passte aber auch als Einziges. Georgs spöttisches und unangemessen albernes Verhalten war alles andere als typisch für ihn. Als ob uns sonst keine Sorgen quälen würden.
Lydia siechte immer wieder in Anfällen einer Art Krankheit vor sich hin … wir alle flohen eingepfercht in einen Leichenwagen quer durch Europa … mein Vater, das ach so stolze Sippenoberhaupt Michael Zamis, war von Asmodi in ein hässliches, krötenartiges Freakwesen verwandelt worden … Asmodi hetzte Dämonenheerscharen hinter uns her, die uns töten sollten … und Verbündete, die uns unterstützen könnten, gab es keine mehr, abgesehen vielleicht von Rodolphe, diesem jämmerlichen Menschenfresser mit seinem Feinschmeckerrestaurant in Antwerpen, das nach unserem Besuch wahrscheinlich Dämonen überrannt und zerstört hatten.
Rosige Zeiten, aber nur wenn man die sygillinische Todesrose zum Vergleich heranzog, deren Blütenblätter sich durch Haut, Fleisch und Knochen aller Dämonenstämmigen fraßen. Eine Pflanze, die zum Glück ausgerottet worden war; es hieß, Skarabäus Toth hätte das letzte Exemplar in seiner Jugend – die wohl schon ziemlich lange zurücklag – eigenhändig zerstört.
»Sei still, Georg!«, befahl meine Mutter Thekla vom Fahrersitz aus. Ihre Hände krampften sich fester um das Lenkrad.
Ich saß zurzeit neben ihr und roch den Schweißgestank ihrer Achseln. Sie fuhr seit inzwischen vierzehn Stunden pausenlos, von einem kurzen Halt abgesehen, als Adalmar am Stadtrand von Antwerpen in ein dubioses, in Kreisen der Schwarzen Familie wohlbekanntes Antiquariat gehetzt war, über dessen Tür ein schlichtes Holzschild verkündete: GARIONDA – MYSTIK – MAGIE – SPIRITISMUS. Er hatte nicht sonderlich zufrieden ausgesehen, als er wieder in den Leichenwagen gekommen war. Seitdem studierte er die Pergamente, die er sich dort besorgt hatte.
Antwerpen lag inzwischen weit hinter uns – und ein elender, nicht enden wollender Stau, der uns eine schiere Ewigkeit lang im Schneckentempo hatte vorwärtsrollen lassen. Vor uns zeigte eine Blechlawine auf der Straße schon die nächste Verzögerung an. Und zu allem Überfluss verschwand deren Ende in dichtem Nebel, aus dem geisterhaft matt einige Rücklichter leuchteten.
Mutter machte sich gut in ihrer Rolle als Familienoberhaupt in Vertretung meines Vaters, das musste ich neidlos anerkennen. In dieser Hinsicht waren wir uns alle einig. Lydia, die momentan ohnehin keine Kraft fand zu rebellieren, sah es genauso; auch Georg, den ich manchmal gar nicht wiedererkannte. Die Situation setzte ihm offenbar sehr zu, sodass er versuchte, sich in Sarkasmus zu flüchten. War früher das Wort von Michael Zamis Gesetz gewesen, so galt das nun für die Entscheidungen, die seine Frau traf.
Mit einem Mal erkannte ich, was wirklich in Thekla Zamis steckte, und die wenigen Einblicke, die sie uns bisher in ihre Jugenderlebnisse gegeben hatte, verstärkte diesen Eindruck noch. Ich empfand eine dumpfe Faszination, war begierig darauf mehr zu erfahren aus der Vergangenheit meiner Mutter, die damals noch den Namen Christine Fodrek getragen hatte. Zum ersten Mal fühlte ich mich ihr verbunden, ja fast nahe – und ich glaubte sogar, gewisse Parallelen zu meinem eigenen Leben zu erkennen. Ob Mutter mich wohl die ganzen Jahre über weit besser verstanden hatte, als sie jemals zugab? Sie hatte stets geschwiegen, hatte meinen Vater reden, bestimmen und mich maßregeln lassen. Aber was mochte in ihr vorgegangen sein? Oder bildete ich mir das nur ein? Suchte ich in ihr nach etwas, das mir ähnelte, um mich und mein Tun vor mir selbst zu rechtfertigen?
Eine Weile herrschte Stille im Wagen, in der offenbar nicht nur ich meinen Gedanken nachhing. Wir erreichten die ersten langsam im Stau vorwärtskriechenden Autos. Der Nebel kroch ebenso – allerdings auf uns zu. Dunkle Wolken hingen darüber am Himmel. Beides verschluckte die Welt.
»Lies weiter, Adalmar«, forderte Thekla schließlich.
Mein älterer Bruder räusperte sich; im Rückspiegel sah ich, wie er Georg einen geringschätzigen Blick zuwarf. »Der irrsinn sey verfluchet«, wiederholte er. Das Pergament, von dem er ablas, raschelte in seiner Hand. »Er treibet der menschen geiste in dunkle gefilde.« Er gab einen verächtlichen Laut von sich. »Nur Unfug! Oberflächliches Geschwätz, das Lydia nicht weiterhelfen wird. Gariondas Ware ist auch nicht mehr das, was sie mal war.«
»Was willst du von einem Freak schon erwarten?«, fragte Mutter. »Er trauert seinen glorreichen Zeiten in Diensten des dämonischen Archivars Zakum nach. Ich sagte dir doch, dass du dir den Weg in sein Antiquariat sparen kannst. Wir müssen einen anderen Weg finden, wenn wir Lydia helfen wollen. Es gibt keine alten magischen Überlieferungen, die Lydias Fall beschreiben. Etwas derart … Perverses ist noch niemals geschehen.«
Der Kellner Maxime in Rodolphes Spezialrestaurant hatte Lydia gezwungen, das Fleisch eines verrückten Menschen zu essen. Schon die Ausstrahlung eines Irren war für Dämonen kaum erträglich, und nun trug sie diesen Wahnsinn quasi in sich. In Schüben litt sie seitdem an extremen Schmerzen, und wir konnten ihr nicht helfen. Keiner wusste, wie sich ihr Fall entwickeln würde.
»Nichts geschieht zum ersten Mal«, widersprach Adalmar. »Aber du hast recht, Mutter, es wäre ein absonderlicher Zufall gewesen, wenn ich so schnell und leicht fündig geworden wäre. Es geht hier um die Auswirkung des Wahnsinns auf Menschen, geschrieben von einem alten Alchimisten.«
Mir fiel plötzlich etwas ein, das ich während meiner Ausbildung auf Schloss Behemoth gelernt hatte. »Darf ich das Pergament mal haben?« Ich wandte mich um und streckte auffordernd die Hand in den Laderaum des Leichenwagens, wo es sich meine Geschwister mehr oder weniger bequem machten. Lydia wand sich abseits auf dem Boden, einige Meter von Georg und Adalmar entfernt, in einem Bereich, der nur durch Magie zugänglich war; das Innere des Wagens war weitaus größer als das Äußere. Auch eine Methode, sich aus dem Weg zu gehen, dachte ich.
Adalmar reichte mir das Schriftstück. Ich musterte es. »Es gibt einen Zauber, der dämonische Inhalte hinter menschlicher Fassade verbirgt«, murmelte ich. Ohne zu zögern, schnitt ich mit dem Nagel des rechten Zeigefingers in die linke Handfläche. Ein Tropfen Blut quoll aus der kleinen Wunde.
Zu wenig.
Ich drückte den Nagel tiefer in das Fleisch, und mehr Blut trat aus. Das sollte genügen. Ich ließ es auf das Pergament fallen, das die Gabe durstig aufsog. Die dunkle Flüssigkeit verschwand darin, und die Buchstaben veränderten sich.
»Der menschen irrsinn ist tödlich für die, die schwarzen blutes sind«, las ich nun. »Es bleibet den kreaturen der nacht nur, zu fliehen. Wer nicht zu fliehen vermag, mag sterben. Keine magie zum schutze ist bekannt.«
Ich fluchte, und impulsiv zerknüllte ich das Pergament. Da hatte ich die verborgene Botschaft ans Licht gebracht, und das für eine Floskel. Der Schreiber musste ein Narr gewesen sein, eine derart stumpfsinnige angebliche Weisheit mit einem komplizierten Zauber extra zu verbergen.
Hinten im Laderaum schrie Lydia auf. Ich drehte mich um und sah gerade noch, wie sie sich zusammenkrümmte und mit bebendem Körper hustete. Kleine Blutströpfchen spritzten aus ihrem Mund. Dann …
… lag sie völlig still.
Der Nebel wallte inzwischen über und um uns. Wir standen im Stau, irgendwo vor uns blitzte das Signallicht eines Notarzt- oder Polizeiwagens.
Momentan allerdings hatten wir andere Sorgen. Lydia lag reglos, und wir fragten uns, ob sie sterben würde. Alle beugten wir uns über sie, völlig rat- und hilflos. Was sollten wir tun?
»Sie ist krank, weil sie … schlechtes Fleisch gegessen hat«, sagte Georg. »Es mag ja verrückt klingen, aber wieso versuchen wir sie nicht zu heilen, indem wir ihr gute Nahrung geben?«
»Und was soll das sein?«, ätzte Thekla.
»Etwas, das unsere Schwester seit jeher ausmacht.« Er grinste. »Sie liebt Sex, nicht wahr?«
»Du Arschloch!« Adalmar fuhr fast aus seiner Haut. So hatte ich ihn noch nie erlebt. »Sie krepiert hier, und du hast nur dumme Sprüche? Wie soll sie …«
»Sobald es ihr besser geht, sollten wir ihr die Gelegenheit verschaffen«, unterbrach Mutter. »Vielleicht hat Georg in dieser Hinsicht sogar recht. Aber in diesem Zustand kann sie wohl kaum …« Sie brach ab. »Wenn sie sich überhaupt noch einmal erholt.«
Lydia gab ein Ächzen von sich. »Das werde ich«, drang es leise über ihre Lippen. »Verlasst euch drauf. Ich lass mich … nicht unterkriegen.« Sie rollte sich auf die Seite, setzte sich auf, stützte sich dabei auf beide Hände. Ihre Arme zitterten. Langsam wischte sie sich über den Mund. »Es geht wieder. Fahren wir weiter.«
»Wir stecken fest«, erklärte ich. »Wer weiß, wann wir weiterkommen in diesem Stau.«
»Wo wollen wir überhaupt hin?«
Ich konnte nur die Schulter zucken und Mutter fragend ansehen.
Diese wand sich. »Ostende«, sagte sie schließlich. »Eine Hafenstadt hier in Belgien.«
»Hafen?« Georg deutete aus dem Frontfenster. »Deshalb auch dieser Nebel, was? Kommt vom Meer?«
Thekla zögerte mit ihrer Antwort. »Ich hoffe es. Ehrlich gesagt erscheint es mir reichlich seltsam. Aber ich kann keine dämonische Aktivität spüren. Trotzdem müssen wir damit rechnen, angegriffen zu werden. Wer weiß, ob Rodolphe in seinem Spezialitätenrestaurant unsere Verfolger tatsächlich hat aufhalten können.«
»Töten, Mutter«, stellte Adalmar nüchtern fest.