Glückliche Fälle
4/5
()
Über dieses E-Book
»Ein erstaunliches Meisterwerk, verfasst in einer zeitgemäßen, hochintelligenten Sprache, die die Tradition von Gogol und Charms wiederauferstehen lässt, um zu beschreiben, wie es den Frauen in der Ukraine heute ergeht.« - Eugene Ostashevsky
Yevgenia Belorusets
Yevgenia Belorusets, 1980 geboren, ist Fotografin, Künstlerin und Schriftstellerin. Sie lebt abwechselnd in Kiew und Berlin und beschäftigt sich mit den Schnittstellen von Kunst, Medien und Gesellschaft. Belorusets engagiert sich in einer Reihe kultureller und politischer Initiativen. 2022 wurde sie mit dem Horst Bingel-Preis für Literatur ausgezeichnet, 2023 erhielt sie den Preis Frauen Europas.
Ähnlich wie Glückliche Fälle
Ähnliche E-Books
Ein zimmer für sich (übersetzt) Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSöhne und Planeten Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenIch bin Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Nachkommende Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSchwarzlicht Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Frequenzen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenHerumtreiberinnen: Roman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenRosa in Grau. Eine Heimsuchung Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenOkaasan: Meine unbekannte Mutter Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenPhilosophische Schriften: Über die ästhetische Erziehung des Menschen + Über das Erhabene + Über Anmuth und Würde: Über das Pathetische + Über die nothwendigen Grenzen beim Gebrauch schöner Formen + Zerstreute Betrachtungen über verschiedene ästhetische Gegenstände + Über naive und sentimentalische Dichtung... Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDas Wasser des Sees ist niemals süß Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Osten: Eine politische Himmelsrichtung Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenJuja: Roman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenTrost: Vier Übungen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenHerr Katō spielt Familie Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenWenn Gefühle auf Worte treffen: Ein Gespräch mit Elisabeth Bronfen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSommerfrische Bewertung: 3 von 5 Sternen3/5Zahlen sind Waffen: Gespräche über die Zukunft Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSuperheldinnen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenWir wollen die ganze Freiheit: Über Feminismus und Identität. Ein notwendiges Manifest. Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenBodentiefe Fenster: Roman Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Hitzewelle Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5TEXT+KRITIK 216 - Christian Kracht Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSommerhelle Nächte: Unser Jahr in Island Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Lob der Melancholie: Rätselhafte Botschaften Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenFünfzig. Ein Tagebuch Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenLibellen im Winter: Roman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenWeil Venus bei meiner Geburt ein Alpenveilchen streifte Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer doppelte Boden: Ein Gespräch über Literatur und Kritik Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenChinas leere Mitte: Die Identität Chinas und die globale Moderne Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen
Fiktion für Sie
Radetzkymarsch Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Heiße Sexgeschichten: Ich liebe Sex: Sex und Erotik ab 18 Jahre Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Das gute Buch zu jeder Stunde Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Prozess (Weltklassiker) Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Les Misérables / Die Elenden: Alle 5 Bände (Klassiker der Weltliteratur: Die beliebteste Liebesgeschichte und ein fesselnder politisch-ethischer Roman) Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDas achte Leben (Für Brilka) Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenIm Sparadies der Friseure: Eine kleine Sprachkritik Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenI Love Dick Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Die Jakobsbücher Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Die Infantin trägt den Scheitel links: Roman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDas Schloss Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Der Graf von Monte Christo Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Zärtlich ist die Nacht: Amerikanischer Literatur-Klassiker Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenTabu: Sexgeschichten - Heiss und Obszön: Erotik-Geschichten ab 18 unzensiert deutsch Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenAmerika Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Ausweitung der Kampfzone Bewertung: 3 von 5 Sternen3/5Wo die Liebe ist, da ist auch Gott: Erzählungen Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Dantes Inferno I: Der Astroführer durch die Unterwelt, Frey nach Dantes "Göttlicher Komödie" Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Sex-Dates: Erotischer Roman Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Die Stadt ohne Juden Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Duft von Schokolade (eBook) Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Ehrlich & Söhne (eBook) Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Sturmhöhe: Wuthering Heights - Klassiker der Weltliteratur Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Frequenzen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenPetersburger Novellen: Die Erzählungen des verfremdeter: Die Nase + Das Porträt + Der Mantel + Der Newskij-Prospekt + Aufzeichnungen eines Wahnsinnigen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenHerr und Knecht Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5
Rezensionen für Glückliche Fälle
1 Bewertung0 Rezensionen
Buchvorschau
Glückliche Fälle - Yevgenia Belorusets
Charakter.«
Die Menschen, die ich getroffen habe
Ungefähr in der Mitte des begrenzten Raums, den mein verwunderter Blick erfasste, mitten auf einer stillen, im Herbstnebel versinkenden Straße döste ein Mann, über den jemand fürsorglich eine Decke gebreitet hatte.
Die Haltung dieses Menschen ist eigentlich die Zusammenfassung dieses Buches.
Die Nadel im Hemd
Es war einmal eine Frau, nett, freundlich und angenehm in allen Dingen. Klug und schön sei sie, sagten die einen. Andere hoben sie gar in den Himmel. Sie lebte in Kiew, in der Malaja-Schitomirskaja-Straße, und hatte jeden Tag Freude daran, die Straße hinabzulaufen, nicht jedoch, sie hinaufzusteigen. Sie lief gern hinunter, stieg aber ungern hinauf, so einfach war ihr Charakter. Sie war dreißig, vielleicht auch vierzig oder fünfundzwanzig Jahre alt. Im Schein der abendlichen Straßenlaternen wirkte sie wie vierzig, und früh am Morgen, besonders wenn man sie von hinten sah und wusste, dass sie im Konsum Milch kaufte, sah sie beinahe aus wie ein Kind.
Was lässt sich noch über sie berichten? Sie war ordentlich, aufmerksam, herzlich. Am Wochenende besuchten sie die Kinder einer engen Freundin, sie spielte mit ihnen, während die Freundin zu ihren Verabredungen lief. Ich habe noch keine Kinder, sagte die Frau, also schenke ich diesen Kindern meine Liebe und Zuwendung.
Manchmal sagte sie wunderbare Dinge! Oft klagte sie: Ich bin müde. Sie sprach die drei Wörter in einem ganz bestimmten Ton aus, viele Male hintereinander. Wir hörten diesen einen Satz, mit einer fast identischen Intonation, und doch spürten wir den Unterschied im Klang der einzelnen Wörter sehr deutlich. Wir genossen den Unterschied. Wer sind wir überhaupt? So viel ist sicher: Wir sind nicht die Krumen, die bei ihr unterm Brotkasten liegen. Und nicht die drei Tropfen Blut, die die Nachbarin auf der Türschwelle der Frau hinterlassen hat.
Aber zurück zu unserer Geschichte. Eines Abends saß die Frau in ihrer gemütlichen Wohnung und erledigte eine normale Hausarbeit, sie nähte. Einiges hätte schon lange ausgebessert werden müssen, an einem Mantel war ein Knopf locker. Und als sich die Frau dann tatsächlich anschickte, schlafen zu gehen, zog sie sich aus, stellte sich vor den Spiegel und seufzte. Schon seit einer geraumen Weile sehnte sie sich danach zuzunehmen, ein paar Pfund zuzulegen, und an diesem Abend hatte sie den Eindruck, als stünden ihre Rippen nach allen Seiten ab wie die Speichen eines kaputten Rades. Als der Frau diese Ähnlichkeit auffiel, stieß sie einen langgezogenen Ton aus: U-u-u-u. Und griff sofort nach dem hellen, lockeren Hemd, ihrem Lieblingshemd für Tag und Nacht, das an der lackierten Schranktür baumelte; sie streift es über und plötzlich sieht sie, dass da rechts neben der Brust ein kleiner Schlitz klafft. Und was glauben Sie?
Eine Frau wie sie würde selbst den klitzekleinsten Riss in ihrem Nachthemd nicht unbeachtet lassen. Also nahm sie eine hauchdünne Silbernadel, fädelte einen edlen weißen Faden ein und machte sich ans Werk: Stich um Stich. Jedes einzelne Nahtstück geriet sauber und akkurat und genoss die weißen gepflegten Finger und die bläulichen, perfekt manikürten Nägel.
Sie ahnen wahrscheinlich, was dann passierte. Es kam, wie es kommen musste. Diese wunderschöne, makellose Frau mit dem feinen Teint, den weißen Händen, goldenen Haaren und dem weichen Lächeln von roten Lippen vergaß die Nadel im Hemd. Ihr Vorhaben hatte sie ausgeführt, den Riss neben der Brust sorgfältig verschlossen, aber die Nadel hatte sie schier aus ihrem Kopf gestrichen, ja, nicht einmal den Faden hatte sie abgeschnitten, sondern nach einem weiteren Stich die Nadel mit einer routinierten Bewegung in den zarten Stoff gestoßen und sie dort stecken lassen – knapp neben ihrem Herz.
Eine verblüffende Geschichte.
Schauderhaft.
Es verschlägt uns die Sprache, aber wir können nichts tun.
Sie hätte den Faden abreißen oder ihn wenigstens um die Nadel wickeln können, sie hätte, sagen wir mal, die Nadel mit Wachs ummanteln können, aber weit gefehlt! Nichts dergleichen geschah. Die Nadel schien für immer in dem Hemd stecken zu bleiben. Bevor die Erzählung endet, sei nochmals daran erinnert, dass sich das Loch knapp neben dem Herz und der Brust befand, irgendwo links, und dass es die Frau bis zu diesem Moment trotz allem nicht geschafft hatte zuzunehmen, ein paar Pfund zuzulegen, »ein bisschen rundlicher zu werden«, wie sie es sich schon seit vielen Jahren, praktisch seit ihrer Kindheit, ersehnte.
»Verstehe ich nicht. Warum hat sie denn die Nadel stecken gelassen? Weil sie sie nicht gespürt hat, oder wie? Vielleicht hatte sie irgendwo in ihrem Körper eine Kerbe, in die die Nadel mühelos hineingepasst hat? Wahrscheinlich gibt es auch noch andere Erklärungen.«
»Es gibt keine Erklärungen. Aber vielleicht bringt die folgende Geschichte ein bisschen Licht ins Dunkel.«
Die die Kinder im Handschuh fängt
Die folgende Geschichte – sie ist dreist und himmelschreiend zugleich – kann ich Ihnen nicht vorenthalten.
Wie rasant doch das Schicksal einer Frau sein kann, zumal wenn die Frau alt, laut und frech ist und Magie betreibt. An Gott zu glauben ist nicht verboten. Schon der Gesundheit zuliebe sollte man das tun, damit einem von klein auf Krankheiten erspart bleiben. Aber kluge Menschen glauben nicht nur an Gott, sie verstehen etwas von komplexeren oder, besser gesagt, raffinierteren Dingen. Nehmen wir zum Beispiel die Elemente. Führen sie etwa nicht die Befehle der höheren Mächte aus, wenn es gilt, jemanden zu bestrafen, ihm eine Lektion zu erteilen oder ihm die Fresse zu polieren? Ist es den Elementen etwa kein Vergnügen, uns zu quälen, zu drangsalieren, auf uns herumzutrampeln, uns ins Gesicht zu spucken? Warum sollten wir ihnen dann nicht endlich Vertrauen