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im vorfeld des massenmords germanistik und nachbarfächer im 2.weltkrieg 4. Auflage joachim lerchenmüller gerd simon eine übersicht in zusammenarbeit mit dem deutschen seminar der universität tübingen unter mitwirkung von stefan blanz petra geiling horst junginger susanne kirst ulrich schermaul und florian vogel GIFT Gesellschaft für interdisziplinäre Forschung Tübingen Inhaltsverzeichnis Vorwort zur vierten Auflage Vorwort zur dritten Auflage Vorwort zur zweiten Auflage Einleitung VIII IX X XI I. VORGESCHICHTE 1. 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 Germanistik und Universität im Nationalstaat Des Kaisers Germanisten Des Kaisers Germanistenverband Literatenstichworte für den Nationalsozialismus Theater und Kultur als Mittel des politischen Kampfes Wissenschaft in der Karikatur 1 1 4 7 12 14 2. 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 17 17 20 25 27 28 2.6 2.7 2.8 2.9. Verfolgung und Selbstgleichschaltung 1933-1939 Feuer und Flamme für den Nationalsozialismus Die Entlassungen 1933 und 1935 Die Nachrücker Konjunkturritter Schutz- und Trutzburg des deutschen Geistes? Die Universität Königsberg Agenturen der Literaturpolitik Germanisten im Rassenamt der SS Leipzig: Ein Nest von Germanisten im Sicherheitsdienst SD-Dossiers über einige Germanisten 3. Bestandsaufnahme am Vorabend des Krieges 59 II. DER ZWEITE WELTKRIEG 4. 4.1 4.2 4.3 4.4 Der „Kriegseinsatz der Geisteswissenschaften“ Entstehung und Geschichte des „Kriegseinsatzes“ Der „Kriegseinsatz der Germanistik“ Zitate zum >Kriegseinsatz der Wissenschaften< Nebenschauplatz: Der Kriegseinsatz der Keltologie in der Bretagne 5. Parlez-vous deutsch? Das Elsass und andere besetzte Gebiete im Zweiten Weltkrieg Der Deutsche Sprachverein und die Entwelschungsmanie Der Sonnenwendkult und die Zwangsbücherverbrennungen im Elsass Die Germanisierung in der Karikatur Weisgerber und das Elsass 5.1 5.2 5.3 5.4 29 41 43 53 60 60 61 61 65 67 67 71 71 73 Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ Die ideologischen und politischen Funktionen der Dialektologie Der >Deutsche Sprachatlas< Anneliese Bretschneiders „Brandenburg-Berlinisches Wörterbuch“ Das >Lautdenkmal reichsdeutscher Mundarten zur Zeit Adolf Hitlers< Bruno Schweizer 74 74 74 75 77 7.1 7.2 7.3 Das >Ahnenerbe< der SS und der„Germanische Wissenschaftseinsatz“ Entstehung und Geschichte des Ahnenerbes Der >Germanische Wissenschaftseinsatz< Religion und Glaube bei den Germanen 8. 8.1 8.2 Sprachforschung und Menschenversuche Die Menschenversuche im KZ Dachau Eberhard Zwirners Unterdruckkammer-Experimente 89 89 89 9. 9.1 9.2 9.3 9.4 9.5 Germanistik zwischen Saalschlachten und Massenmord Saalschlachten in der Weimarer Republik Manfred Pechau und die erste Hochschulschrift über NS-Sprache Das Unternehmen „Sumpffieber“ Die Einsatzgruppe A in Aktion Wolfgang Stammler - Opfer einer Erpressung? 91 91 92 92 93 93 III. DIE UNIVERSITÄT UND KEINE STUNDE NULL 10. 10.1 10.2 10.3 10.4 Keine Schuld und keine Sühne? Der erste Rektor der Tübinger Universität nach Kriegsende Entnazifizierung oder Mitläuferfabrik? Der 'Jungtürkenaufstand' auf dem Germanistentag 'Entnazifizierung im Selbstversuch': Tat oder Trug des Hans Schwerte? 95 96 97 104 105 11. 11.1 11.2 11.3 11.4 Alternative Lebenswege Emigranten KZ-Opfer Auslandsgermanisten Widerstandskämpfer 106 107 111 112 113 Abkürzungsverzeichnis Quellenverzeichnis der Abbildungen Literaturliste Personenregister 115 118 121 130 6. 6.1 6.2 6.3 6.4 7. 75 77 82 84 Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ Vorwort zur vierten Auflage Spätestens seit der 3. Auflage hatten wir ins Auge gefasst, den hier präsentierten Text ins Internet zu stellen. Für die 1. und 2. Auflage, die ja reine Kataloge waren, war das nicht sinnvoll, da Besucher der Ausstellung sie zum Nachlesen und für ausführlichere Informationen zur Hand haben mussten. Jetzt endlich sind wir dazu gekommen, den weiterhin nur wenig veränderten Text ins Internet zu stellen. Der Index, den wir mit Hilfe automatischer Indexierungs-Software erstellt hatten, wies bis zur 3. Auflage nicht nur Namen wie hier, sondern auch die Seitenzahlen auf. Schon da gingen leider Hinweise in die Irre, worauf uns z.B. Heiner Lichtenstein dankenswerterweise aufmerksam machte. Man könnte der Meinung sein, im Internet wäre ein Index unnötig. Für alle, die sich aber durch eine alphabetische Auflistung der vorkommenden Namen anregen lassen wollen, Informationen zu entdecken, nach denen sie gar nicht gesucht hatten, die sie trotzdem grundsätzlich z.B. in anderen Zusammenhängen interessieren, haben wir die Namen auch noch in dieser Internet-Ausgabe angeführt, hier dann aber ohne Seitenangabe, da sie leicht über die Suchfunktion des PDF-Readers aufzufinden sind. Tübingen im Mai 2009 Die Hauptverfasser IX lerchenmüller / simon: im vorfeld Vorwort zur dritten Auflage Dieses Buch war ursprünglich ein Ausstellungskatalog. Nachdem die Ausstellung hinter uns liegt, halten wir es für sinnvoll, es in ein Überblickswerk zu überführen, das im wesentlichen identisch ist, zum Teil knapper die wichtigsten Fakten kommentiert, alles mehr abrundet, gelegentlich manches umstellt. An Inhalt und Aussage hat sich dadurch nichts geändert. Die Ausstellung war ein nicht zu erwartender Erfolg. Wir bekamen eine Reihe von Angeboten, sie von Universitätsort zu Universitätsort in Deutschland wandern zu lassen. Wir sind auch jetzt nicht grundsätzlich gegen solche Pläne, denken aber, dass das überall – wie bisher – an den Bedingungen scheitern wird: - die Kosten muß die jeweilige Universität oder ein dortiger Sponsor übernehmen inklusive Spesen für einen unserer Mitarbeiter, der vor Ort dafür sorgt, daß Exponate und Subskripte einander richtig zugeordnet sind. - wenn die Bezüge auf Tübingen durch Bezüge auf den jeweiligen Universitätsort ersetzt oder ergänzt werden sollen, haben sich die neuen Veranstalter um entsprechende Exponate und Subskripte zu kümmern. - den Katalog passen wir den besonderen Verhältnissen an der neuen Universität nicht jeweils an. Wie angekündigt, verlegen wir das Opus in Zukunft als CD-Rom. Als Buchproduktion werden dann nur noch Einzelexemplare hergestellt, was Auswirkungen auf den Preis hat und Zeit in Anspruch nimmt, d.h. der Käufer muß in letzterem Falle mit Wartezeiten bis zu drei Monaten rechnen. Tübingen, den 1.11.1997 Joachim Lerchenmüller, Gerd Simon Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ X lerchenmüller / simon: im vorfeld Vorwort zur zweiten Auflage Die Nachfrage nach diesem Katalog war grösser als wir geahnt bzw. erhofft hatten. Die erste, von uns selbst gedruckte Auflage war schon am Tage der Eröffnung der Ausstellung vergriffen. In dieser Auflage ist nur Geringfügiges ergänzt, umgestaltet und korrigiert. Manche an sich revisionsbedürftigen Mängel, z.B. eine Literaturauswahl, hätten wir auch jetzt nur auf Kosten einer für die Ausstellung zu späten Auslieferung beseitigen können. Da wir Wissenschaft ohnehin als Prozess ansehen, in dem jede Publikation von Forschungsergebnissen die Vorfassung zu der nächsten darstellt, da Revisionsbereitschaft und Selbstkritik zu den Grundpfeilern unseres Wissenschaftsbegriffs gehören, wird es den Leser nicht wundern, wenn wir schon nach wenigen Tagen manches fanden, was der Korrektur bedurfte. Die erste Auflage hatte kein Vorwort erhalten, bzw. das, was normalerweise im Vorwort steht, war in die Einleitung integriert. Dies, um der „vergleichenden Auflagenforschung“ keine unlösbaren Rätsel aufzugeben. Der GIFT-Verlag versteht sich als Primärverlag. Dieser Katalog wurde auf herkömmliche Weise produziert, weil er für die Ausstellung nur in dieser Weise benutzbar ist. Nach dem 9. März, dem letzten Tag der Ausstellung, entfällt dieser Umstand. Dann bieten wir diesen Katalog zur Hauptsache auf CD-Rom an und als Buch nur noch in Einzelauftrag, was Auswirkungen auf den Endpreis hat; denn ein in Einzelauftrag hergestelltes Buch ist nun einmal teurer. Ein Sekundärverlag, der die Rechte, die Werbung und den Vertrieb übernimmt, ist von unserer Seite durchaus erwünscht. Anfragen werden erbeten an den GIFT-Verlag, Burgholzweg 52, D-72070 Tübingen. Tübingen, 3. März 1997 Joachim Lerchenmüller, Gerd Simon Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ XI lerchenmüller / simon: im vorfeld Einleitung Im Mittelpunkt dieser Übersicht steht ein Fach, das nur wenige Menschen in Zusammenhang mit den Menschheitsverbrechen bringen, die Deutsche in diesem Jahrhundert begingen. Andere Fächer wie die Medizin, die Chemie oder die Physik stehen den Ereignissen von Auschwitz, Mauthausen, NatzweilerStruthoff und Babi-Jar sicher näher, um nur einige der Orte unvorstellbarer Terrorakte des Zweiten Weltkriegs zu nennen. Aber auch die Germanistik und manche Nachbar-ächer, die man ihr im Dritten Reich einverleiben wollte, bewegten sich zumindest 'im Vorfeld' der Massenmorde. Etliche Germanisten, Keltologen, Religions-, Medien- und Sprachwissenschaftler agierten – was selbst den heute lebenden Fachkollegen kaum bekannt ist – am Abgrund des Verbrechens, mit einem tiefen Blick in die Praxis der Menschenversuche und der Massenexekutionen der SS-Einsatzkommandos im rückwärtigen Gebiet der Ostfront. Das Geschehen in Auschwitz, um diesen Schreckensort beispielhaft zu wählen, hat die Phantasie der Dichter als harmlos und einfallsarm enttarnt. Dantes 'Inferno' ist ein Lustgarten gegenüber dem, was sich in deutschen Konzentrationslagern ereignete. Literarische Versuche, das Schrecklichste des Schrecklichen zu beschreiben, Böses und Hinterhältiges ins (scheinbar) Extremste zu steigern, hat zwar die Sprachgewalt vieler Dichter gestählt und beeindruckende Werke hervorgebracht, doch verblassen diese Fiktionen angesichts der Realität des zwanzigsten Jahrhunderts. Auschwitz hat – sicher nicht zufällig – bis heute in der Dichtung keine solche Entsprechung gefunden wie der Archipel Gulag in Solschenizyns Roman. Die Phantasie versagt, im übrigen nicht nur die dichterische, beim Anblick solcher Verbrechen. Die Wissenschaft – und die für Dichtung zuständige Germanistik macht hier keine Ausnahme – ist in einer nicht minder bedauernswerten Lage. Sie scheint bis heute nicht begriffen zu haben, dass sie direkt und nahezu ungebremst in Menschenversuche und Massenvernichtung mündete. Sie behandelt Auschwitz, Dachau und Hiroshima als Deportate: sie verdrängt die zum Teil als durchaus notwendig erkannte Überprüfung ihrer Grundlagen und vor allem ihrer Methoden in Sonderfächer wie die Forschungsethik. Sie flüchtet in Sprachspiel und Formeln. Bemühungen, grundlegende Menschenrechte in einem Kodex für Forschung und Wissenschaft zu verankern, kommen über Initiativen Einzelner nicht hinaus, finden jedenfalls weder ausreichende öffentliche Förderung noch einen Konsens unter den Forschern. Bisweilen werden sie auch nur belächelt. Die Beschäftigung mit Auschwitz, insbesondere mit den Menschenversuchen, kann aber nicht eine Beschäftigung unter vielen sein. Sie gilt vielmehr der Idee der Wissenschaft selbst, wenn nicht der Mitmenschlichkeit und damit der Zukunft überhaupt. Sie zielt auf eine neue Wissenschaft, die sich um so etwas wie Verantwortung organisiert, deren Kern jedenfalls mit Verantwortung zu tun hat. Wie eine solche verantwortungsbewusste Wissenschaft aussehen kann, ist hier nicht der Ort darzulegen.1 Was aber an der herkömmlichen Wissenschaft zu kritisieren wäre, lässt sich vermutlich nirgendwo besser als an ihrem Umgang mit Auschwitz ablesen. 1 Siehe dazu: Simon 1990 Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld XII Wissenschaftlern, die zum Dritten Reich forschen, wird kollektiv oder in Einzelfällen vorgeworfen, sie seien enthüllungssüchtig. Sofern damit gemeint ist, dass sie den Verhüllungsaktionen Betroffener und manchmal auch gutwilliger Zeugen nicht auf den Leim zu gehen gedenken, dass sie sich durch Verdunkelungshandlungen, durch Nebelwerfer und 'Schlussstrich'-Debatten nicht beeindrucken lassen, mag das – ungeachtet der Form des Vorwurfs – auf die meisten dieser Forscher zutreffen. Das eigentliche Motiv entgeht aber diesen Anklägern. Der Versuch zu rekonstruieren, wie es zu diesen Ereignissen kam, und der Wille zu verhindern, dass sich derartiges wiederholt, erreicht nur wenig mit unsicherer empirischer Basis und simplen Wissenschaftsreparaturen. Es geht um die Aufdeckung und Behebung kapitaler Mängel des herkömmlichen Wissenschaftsprozesses, der in seinen Grundstrukturen trotz der Katastrophen des zwanzigsten Jahrhunderts bislang keine wesentlichen Veränderungen erfahren hat. Es geht um nichts Geringeres als die Erneuerung der Wissenschaft, weg von der Massenproduktion marginaler Forschungsergebnisse hin zu einer Strategie, die aus der Kritik der Prinzipien bisheriger Wissenschaft und ihrer Tabuisierung der Relevanzfrage nicht einfach nur Folgenabschätzung betreibt, sondern die Forscher dazu zwingt, dialogbereit den Ausgangspunkt ihrer Grundlagenreflexion im Lichte der Frage, was ist für wen und auf wessen Kosten, in welchem Zusammenhang, wie und in welchem Ausmaße wichtig, zu gewinnen. Wer meint, die Wissenschaft des 3. Reichs böte zu dieser Strategie keinen oder nur einen negativen Beitrag, muss vermutlich erst einmal lernen, seine Vorurteile zu hinterfragen und zu revidieren. Es dauert nur noch wenige Jahre, bis sich zum 200. Mal jährt, dass die Germanistik als „Deutsche Philologie“ an den Universitäten Fuß fasste. Im Jahre 1810, als in Berlin eine der ersten Professuren – noch unbezahlt und „extraordinär" – eingerichtet wurde, fand die wohl wichtigste Reform statt, die die Institution Hochschule jemals erlebte. Die >Humboldtsche< Hochschulreform sorgte unter anderem dafür, dass ein neues Prinzip der Fächerbildung in die Hochschulpolitik einzog: das Nationalitätsprinzip. Germanistik, Romanistik und so weiter verdanken ihre Entstehung und ihr Weiterbestehen diesem Prinzip, einem, wenn man so will, schwer vermeidlichen Geburtsfehler, den die Universität, die bis dahin nur das Universalitätsprinzip kannte, diesen Fächern mit auf den Weg gab. Ausgewirkt hat sich dieser Geburtsfehler vor allem und besonders extrem im Banne nationalistischen „Hochgefühls" – wie es damals hieß – in der Germanistik der beiden Weltkriege. Im Ersten Weltkrieg entwickelten sich dabei die Strukturen, die im Zweiten bis ins Vorfeld des Massenmords vor allem an Juden führten. Wir halten es aus methodischen Gründen für unabdingbar, Alltägliches mit Extremen zu vergleichen. Es hat sich gezeigt, dass nicht selten das, was z.B. im Ersten Weltkrieg noch Extrem war, im Zweiten Alltag wurde. Alltagsforschung, die extreme Entwicklungen herunterspielt oder gar unbeachtet lässt, sind nach unserer Einschätzung eine wissenschaftliche Variante der Auschwitz-Lüge. Regional- oder Lokalforschung, die nicht die Gesamtzusammenhänge thematisiert, halten wir für methodisch problematisch. In diesem Buch gibt es dennoch genügend Bezüge zur Lokal- und Regionalgeschichte, insbesondere zur Universität Tübingen zu entdecken. Diese Bezüge sollen keineswegs darüber hinZur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld XIII wegtäuschen, dass Tübingen in der Geschichte der Germanistik und der hier angesprochenen Nachbarfächer Medienwissenschaft, Keltologie und Religionswissenschaft im Zweiten Weltkrieg eine eher untergeordnete Rolle spielt. Zum Verständnis vieler Textstellen ist der Hinweis erforderlich, dass Traditionslinien, wie sie die Geschichtswissenschaften zu ziehen pflegen, entstehen, indem man anderes weglässt. Um anzudeuten, dass manches deutlich komplexer ist, als in einer solchen Traditionslinie erscheinen kann, haben wir jeweils das Wichtigste, das nicht in diese Linie passt, manchmal sogar gegenläufig ist, in einigen Stichworten hinzugefügt. Die Traditionslinien stammen im übrigen in den seltensten Fällen von uns; sie sind entweder von den Personen, die es betrifft oder mitbetrifft, oder deren Schüler oder Adepten gezeichnet worden. Selbstverständlich unterziehen wir diese gründlicher Kritik. Dem Einbetten von Forschungsgegenständen in riesige geistesgeschichtliche Zusammenhänge, wie wir sie gerade auch im Dritten Reich antreffen, begegnen wir mit entsprechender Reserve.2 Unser besonderer Dank gilt all jenen, die uns inhaltliche und logistische Unterstützung gewährt haben. Wir danken den Archiven – darunter vor allem dem Bundesarchiv und seinen Abteilungen, dem ehemaligen Berlin Document Center, dem Institut für Zeitgeschichte in München und zahlreichen Universitätsarchiven, insbesondere dem Archiv der Humboldt Universität zu Berlin und dem Universitätsarchiv Tübingen – die uns bei zahlreichen Forschungsaufenthalten kooperativ und freundlich begegnet sind und uns die Genehmigung zur Reproduktion von Archivalien erteilt haben, unter unseren Mitarbeitern insbesondere Stefan Blanz und Florian Vogel, ohne deren Einsatzbereitschaft dieses Opus nicht in dieser Form zustande gekommen wäre. Ob die kommenden Generationen unsere Präokkupation mit dem Dritten Reich verstehen werden, scheint uns mehr als zweifelhaft. Von der Machtübernahme der Nationalsozialisten trennt uns heute ein Zeitraum, der länger ist als jener, in dem das Kaiserreich bzw. die Weimarer Republik überhaupt bestanden. Für den grösseren Teil der heutigen Studierenden gehören selbst schon die siebziger Jahre kaum mehr zum Bestand individueller Erinnerung. Hinzu kommt, dass wir heute Gefahren für die Menschheit heraufbeschwören, die in ihren Dimensionen die Ereignisse des Zweiten Weltkriegs verblassen lassen. Die Gefahr eines nuklearen Holocaust scheint zur Zeit zwar gering, sie besteht jedoch weiter solange es atomare Waffen im Arsenal zahlreicher Staaten gibt; ähnliches gilt für die sogenannte ‘friedliche’ Nutzung der Kernenergie. Die Vernichtung der natürlichen Grundlagen des menschlichen Lebens auf unserem Planeten schreitet parallel dazu ungemindert fort. In dieser Ausstellung werden vier Beispiele alternativer Lebenswege in der Zeit des deutschen Imperialismus gezeigt: Georg Friedrich Nicolai, Elise Richter, Jonas Fränkel und Adolf Reichwein. Unser Respekt und unser Dank gilt diesen Menschen, wie überhaupt allen Opfern und Widerstandskämpfern im Dritten Reich und in den besetzten Ländern. Wir befänden uns aber mit diesem Hinweis in einem existentiellen Widerspruch, wenn wir nicht zugleich dazu aufriefen, die Rahmenbedingungen 2 Um die empirische Erforschung der Geschichte der Germanistik im 3. Reich haben sich eine Reihe von Wissenschaftlern verdient gemacht. Herausgehoben seien hier, weil sie sich auch als Nachschlagewerke eignen: - Strothmann 1960 - Barbian 1993 Weitere Hinweise auf spezielle Studien findet man in den Fussnoten auf den folgenden Seiten. Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld XIV gesellschaftlichen Lebens so zu verändern, dass auch zukünftige Generationen noch die Chance auf eine menschenwürdige Existenz haben. Tübingen, den 26.2.1997 Joachim Lerchenmüller, Gerd Simon Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ I. Vorgeschichte 1. Germanistik und Universität im Nationalstaat 1.1 Des Kaisers Germanisten E 1.11 Der Kaiser zog an der Universität Berlin unter den Kapazitäten der jeweiligen Fächer stets die Männer seines Vertrauens zusammen. Aus Anlass des 100-jährigen Bestehens der Humboldtschen Universitätsreform erhielten im Oktober 1910 ausgewählte Professoren auf Beschluss des Preussischen Staatsministeriums staatliche 1 Auszeichnungen ; der Prominenteste unter den Geehrten war Erich Schmidt. Schmidt war damals Rektor der Universität sowie – schon seit 1887 – als Nachfolger des Begründers des Altpositivismus in der Germanistik, Wilhelm Scherer, damals Hauptvertreter dieser bis tief ins 20.Jahrhundert dominierenden Forschungsrichtung und Inhaber des Berliner Lehrstuhls für Germanistik. Erich Schmidt Schmidts Karriere wie sein literaturwissenschaftliches Werk standen im Zeichen des preussisch-deutschen Nationalstaates. 1877 an die (erst fünf Jahre zuvor gegründete) Reichsuniversität Strassburg berufen, legte er den Schwerpunkt seines Schaffens auf die Goethe-Forschung: die Weimarer Ausgabe (1887-88) und die Cotta'sche Jubiläumsausgabe (1903-06) entstanden unter seiner Verantwortung. Der Gründergeist des Zweiten Reiches spiegelt sich nicht nur in seiner kritischen Ausgabe des Faust, wo es im Vorwort heißt: „Der germanische Geist schliesst mit der heroischen Schönheit Griechenlands einen Bund und geht aus dieser Ehe nicht als ein elegisch rückwärts schauender Epimetheus, sondern gleich Prometheus davon durchdrungen, des echten Mannes wahre Feier sei die Tat, dem neuen werkkräfti2 gen Leben entgegen." Der Kult der Tat, für den man Goethes ‘Faust’-Figur als Kronzeugen und richtungsweisendes Beispiel anführte, hatte zentrale politische Funktion, indem er das militärische Machtstreben Preussen-Deutschlands ideologisch begründete und kulturell verbrämte. 1.12 Erich Schmidts Schüler Gustav Roethe bringt es auf den Punkt: „Die Irrlehre, dass die Tat Sünde sei, ob sie sich auch durch Tolstois des Slaven bedeutenden Namen und durch den Weisheitsmantel indischer Beschaulichkeit decke, mag sie auch für den Orient taugen: undeutsch ist sie durch und durch." 3 Nach Schmidts Tod (1913) war Gustav Roethe von allen Berliner Germanisten des Deutschen Reiches zweifellos der Bedeutendste. Seine Parteinahme für Kaiser Wilhelm 1 Gustav Roethe Sitzung des Kgl. Staatsministeriums, Protokoll 19.9.10 – GStA – Rep. 90 (B) 1767 Bl.23 Schmidt 1903-06 S. XXIX 3 Roethe 1928, S. 439-456, 456 2 2 lerchenmüller / simon: im vorfeld... II. und die imperialistischen Ziele Preussen-Deutschlands waren bedingungslos: „Aus dem Blute unserer besten Jugend, unserer tüchtigsten Manneskraft erwache ein neues, tief einiges, grosses und mildes Deutschland, würdig der ungeheuren Opfer, die ihm jetzt sinken. 'Und auf dem Grund des alten Lebens Lasst uns erbauen das neue Reich!' Ob wir fallen oder siegen, wir sind entschlossen zu leben und zu sterben 4 für unseren geliebten Kaiser, unser teures deutsches Vaterland!" Zusammen mit seinen Berliner Professorenkollegen Eduard Meyer (Geschichte), Kuno Meyer (Keltologie), Dietrich Schäfer (Geschichte), Ulrich von Wilamowitz-Moellendorf (klassische Philologie) und Reinhold Seeberg (ev. Theologie) beeinflusste er Wilhelm II. in nicht unerheblichem Masse in wissenschaftlichen, aber auch in politischen Fragen. Wie die anderen Genannten auch war Gustav Roethe Mitglied des „Unabhängigen Ausschusses für einen Deutschen Frieden", eine dem „Alldeutschen Verband" nahestehende Vereinigung. Sie setzte sich kompromisslos für einen auf dem Schlachtfelde zu erringenden „Siegfrieden" ein. Bis Kriegsende trachtete sie alle Versuche zu verhindern bzw. zu sabotieren, die auf eine Verständigung mit den Alliierten oder mit den sozialdemokratisch-pazifistischen Kräften der innerstaatlichen Opposition zielten. Neue Konkurrenz in Sachen Nationalismus wie die aus dem Sprachverein (Friedrich Kluge, Otto Behaghel) oder aus dessen Ableger, dem Germanistenverband (Friedrich Panzer) hielten Schmidt und Roethe sich und dem Kaiser freilich auf Distanz: „[...] man ruft nach der angewandten Wissenschaft, deren Frucht sich greifen lässt; man möchte etwa der Sprachforschung statt der Deutung freien sprachlichen Lebens ein regelndes Richteramt über Sprachrichtigkeit und -reinheit zuweisen. Gilt es der Erweckung nationalen Sinns, so hat sich die Philologie ihrer Vergangenheit freilich nicht zu schämen. [...] das strenge Streben nach nationaler Selbsterkenntnis, die sich nicht von Wünschen und Einbildungen berauschen lässt, sondern zu entsagen 5 weiss, ist das Wesen der wissenschaftlichen deutschen Philologie." 4 5 Roethe 1914, S. 29 Roethe 1928, S. 439-456, 439, 441 Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ 3 lerchenmüller / simon: im vorfeld... 1.13 Die nationalsozialistische Propaganda konnte ungezwungen auf die TatIdeologie der führenden Germanisten und ihre Faust-Deutung rekurrieren: Wochenschau-Plakat Nr. 13: "Wo einst des Meeres Wogen rollten..." 1.14 „Ist dies mein Preussen" Roethe gibt in seinem Buch „Deutsche Männer" (1922) – er war ein entschiedener Gegner der Frauen auf den Universitäten – auch ein Bild vom alten Fritz wieder. Dessen stechender, gebieterischer Blick, vor dem man stramm stand oder man war kein Deutscher, zumindest kein Preusse, wirkte auch in der Wissenschaft als Symbol des Verhältnisses von Herrscher und Forscher bis über den Zweiten Weltkrieg nach. Das Bild des alten Fritz ist zugleich auch Sinnbild für die unter Hochschullehrern weitverbreitete Ablehnung des "Systems" von Weimar. Eine Ablehnung, die sich nicht mit Symbolischem begnügte, sondern politisch und hochschulpolitisch offensiv vertreten wurde. Der alte Fritz Roethe auf einer Bismarck-Gedenkfeier im April 1920: „Wenn die Sozialdemokratie alles, was dem Deutschen heilig ist, als einen Zopf, eine Lüge, darstellen [kann], wenn sie dem Volk den Glauben an Gott, an Königtum, Vaterland, Familie, an die Vererbung des redlich erworbenen Besitzes auf die Kinder rauben" will, was bleibt dann einem "so geistig verarmten und nackt ausgezogenen Menschen [...] übrig als eine wil-de Jagd nach sinnlichen Genüssen? Da wären wir dank der materialistischen Weltauffassung der Sozialdemokratie denn glücklich angelangt." 6 An den Universitäten galt es in der unmittelbaren Nachkriegszeit den Reformeifer des preussischen SPD-Kultusminister Konrad Haenisch zu bremsen und vor allem die Berufung 'unliebsamer' Kollegen zu verhindern. Als das preussische Kultusministerium Anfang 1920 die Wiederbesetzung des seit 1913 vakanten Berliner Germanistik-Lehrstuhls von Erich Schmidt betrieb, begrüsste die Fakul6 Roethe 1920, S.11 Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ 4 lerchenmüller / simon: im vorfeld... tät zwar die Berufung Julius Petersens, doch konnte sie zugleich „ein Bedürfnis für eine weitere Professur für Literaturwissenschaft und ihre Beziehungen zur allgemeinen Geisteswissenschaft nicht anerkennen".7 Dieser eher ungewöhnliche Fall, in dem eine Universität die vom Ministerium vorgeschlagene Errichtung eines weiteren Lehrstuhls ablehnt, hatte einen sehr politischen Hintergrund: Der sozial-demokratische Minister wollte den Heidelberger Germanisten und jüdischen George-Schüler Friedrich Gundolf (ursprünglich: Gundelfinger) nach Berlin berufen, der für preussisch-national Gesinnte spätestens seit der Veröffentlichung seines Buches „Goethe" (Berlin 1916), das einer deutlichen Kritik der ideologischen Aufladung Goethes gleichkam, wie sie gerade Erich Schmidt betrieben hatte, ein rotes Tuch war. Die von der Fakultät eingesetzte Kommission (bestehend aus Roethe, Alois Brandl, Ulrich von Wilamowitz-Moellendorf, Alois Riehl, Wilhelm Schulze u.a.) brauchte keine vier Wochen um festzustellen: „Insbesondere habe sie gegen den vorgeschlagenen Professor Gundelfinger [!] bei aller Wertschätzung seiner Persönlichkeit und Leistungen mangels seiner Befähigung für wissenschaftliche Arbeit und Lehre Be8 denken und bäte, von seiner Berufung abzusehen." 1.2 9 Des Kaisers Germanistenverband 1.21 Der heute noch zentrale >Deutsche Germanistenverband< (DGV) wurde 1912 von einer Gruppe Frankfurter Germanisten um Johann Georg Sprengel und Friedrich Panzer gegründet. Der DGV will das deutsche Geistesleben stärker als bisher auf „völkische Grundlage" stellen. Auffällig ist, dass unter dem Gründungsaufruf die Namen der Berliner Germanisten fehlen. Lediglich der „nach allen Seiten offene", junge Julius Petersen findet sich unter den Unterzeichnern. Sonst fehlt kaum jemand mit Rang und Namen: Baesecke, Braune, Ehrismann, Goetze, von der Hellen, Helm, Kluge, von der Leyen, Minde-Pouet, Minor, Hermann Paul, Saran, August Sauer, Siebs, Streitberg, Strich, Unger, Walzel. Während die Hochschulgermanisten – einem Votum Jacob Grimms folgend – das Praxisfeld 'Schule' bis dahin den klassischen Philologen überließen, erhob der DGV den frühen Wunsch Wilhelms II. (1891), das Deutsche solle Mittelpunkt der Schule sein, zum Programm und dehnte dies auch auf die Hochschulen aus. Mitten im Ersten Weltkrieg sieht er mit dieser >Eingabe<10 die günstige Gelegenheit gekommen, im Rausche nationaler Selbstüberhebung dieses Ziel zu realisieren. Ironischerweise ist es aber erst die Weimarer Republik, die in seinem Sinne Fakten schafft, die noch heute gelten. 7 Protokoll der Sitzung der Phil. Fakultät am 26.2.20 – UA HUB – Phil.Fak. 35, Bl. 275 Protokoll der Sitzung der Phil. Fakultät am 29.1.20, ibid. 26.2.20 – UA HUB – Phil.Fak. 35, Bl. 267, 275 9 Zum DGV s. Bessling 1997, und die dort angegebene Literatur. 10 In: Zeitschrift für den deutschen Unterricht. 30, 1916, Ergänzungsheft, S.1-15 8 Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ 5 lerchenmüller / simon: im vorfeld... Friedrich Panzer 11 1.22 Friedrich Panzer (*4.9.1870) ist unter den Initiatoren der >Eingabe< (ausser Panzer und Sprengel noch Klaudius Bojunga; später trat noch Ernst Elster hinzu) der einzige noch heute bekannte Germanist. Seinen Nachlass11 liess er bis 1990 grösstenteils sperren, was die möglicherweise gewollte Wirkung hatte, dass bis dato keine wissenschaftsgeschichtliche Studie über ihn vorliegt. Panzers Wirkung war nicht nur seiner Lehr- und Forschungstätigkeit an der Universität und seiner zentralen Position im DGV zu verdanken, sondern auch seinen führenden Aktivitäten im >Deutschen Scheffelbund< und in der >Deutschen Akademie< (s.Kap.2.615). Seine nichtöffentliche Distanz zu Hitler und den Nationalsozialisten verhinderte nicht, dass ihm die höchste Auszeichnung, die diese zu vergeben hatten, die Goethe-Medaille, zuteil wurde. Universitätsbibliothek Heidelberg, Heid. Hs. 3824 Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 6 1.23 Aus der Mitte des >Germanistenverbands<, der sich nach 1920 >Gesellschaft für deutsche Bildung< nennt, gehen die beiden gezeigten Handbücher hervor. Zumindest der >Hofstaetter/Peters< dient noch bis in den Zweiten Weltkrieg hinein als Standardwerk für Hochschule und Schule und als Grundlage und Ausgangspunkt für die Forschung. Die Handbücher sind betont nationalistisch, aber nur selten nationalsozialistisch oder rassistisch, vereinzelt, wenn es zentral um jüdische Belange geht, sogar philosemitisch. Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ 7 lerchenmüller / simon: im vorfeld... 1.3 Literatenstichworte für den Nationalsozialismus Nicht nur die Literaturwissenschaftler, sondern mehrheitlich auch die Literaten in der Weimarer Republik kennzeichnete der konservative Blick zurück in verklärte Zeiten. Hans Grimm, Paul Ernst, Wilhelm Schäfer, Ludwig Finckh und Ernst Bertram, letzterer zugleich als Professor der Literaturwissenschaft, sahen ihre Dichtung zunächst von den Nationalsozialisten gerne vereinnahmt, suchten lediglich ihre Anschauungen in Details auch konfrontativ gegen die Kulturpolitiker durchzusetzen und hatten daher auch manchmal mit Unbillen zu rechnen. 1.31 Hans Grimms 'Volk ohne Raum' lieferte den Nationalsozialisten das Stichwort insbesondere für die deutsche „Osterweiterung" mit politischen (CSR) oder militärischen Mitteln (Polen, Russland etc.). Hans Grimm (*22.3.1875) war bis 1935 im Präsidialrat der Reichsschriftumskammer einer der einflussreichsten Schriftsteller in der Umgebung von Goebbels. Er greift aber früh auch im Namen anderer Dichter (Jünger, Kolbenheyer) den Bürokratismus an, der mit der Bildung der Kammer einherging, sowie deren Förderung von Dilettanten. Auch verweigert er - wie sich einer dieser Bürokraten beklagt – „mit peinlicher Genauigkeit" den seinerzeit obligatorischen Gruss „Heil Hitler!". Die Folge ist nicht nur, dass er sehr bald nicht mehr im Präsidialrat sitzt, sondern dass „diesem ewigen Stänker" (Goebbels) die Beobachtung durch den Sicherheitsdienst sowie die Überweisung in ein Konzentrationslager angedroht wird. Grimm verhält sich aber hinfort brav und bleibt so unbehelligt. Nach 1945 greift er Thomas Mann an: Dieser suche die Schuld an den Vorgängen im Zweiten Weltkrieg, insbesondere den KZs zu einseitig bei den Deutschen. Seinetwegen tritt er sogar zum Schiller-Jubiläum aus der Schiller-Gesellschaft aus. Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ 8 lerchenmüller / simon: im vorfeld... 1.32 Seit 1922 bemühten sich vor allem die rechtslastige Fichte-Gesellschaft und der Deutsche Sprachverein darum, der Schwedischen Akademie Paul Ernst für den Literatur-NobelPreis nahezulegen. Als der „Vaterlandsverräter" Thomas Mann 1929 den Nobelpreis erhält, verstärken sich diese Bemühungen. Paul Ernst Insbesondere die Germanisten Arthur Hübner (s. Kap. 2.6), Julius Petersen und der Tübinger Literaturprofessor Paul Kluckhohn machen keinen Hehl daraus, dass sie Paul Ernst für qualifizierter halten als Thomas Mann. 1.33 Wilhelm Schäfers >Deutschland<-Buch liegt eine in Köln gehaltene Rede aus dem Jahre 1924 zugrunde. Es erschien im gleichen Jahr wie das ebenfalls auf einer Rede basierende Opus >Die deutsche Judenfrage<. Darin wendet er sich entschieden dagegen, die Schuld an dem verlorenen Ersten Weltkrieg bei den Juden zu suchen, hält aber dennoch die Juden für einen „Fremdkörper", die Judenfrage für „eine deutsche Lebensfrage" und das Dasein der Juden „im Leben der abendländischen Völker [für] fraglich". Im Jiddischen sieht er „Deutschtum und Judentum in einer grotesken Verzerrung" verbunden. Schäfer (*20.1. 1868) will die Judenfrage aus der „Kellerluft der Hakenkreuzer" führen, landet aber doch bei einem „sanften" Antisemitismus, gegen dessen Vereinnahmung durch eben diese Hakenkreuzer er nach 1933 keine einzige Zeile schrieb. 1941 erhält er den Goethe-Preis der Stadt Frankfurt und bedankt sich 1942 auf dem Weimarer Dichtertreffen mit einer Rede zum Wilhelm Schäfer Thema „Krieg und Dichtung". Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ 9 lerchenmüller / simon: im vorfeld... 1.34 Ludwig Finckh (*21.3.1876) – Hier eine Zeichnung aus der >Sigmaringer Zeitung< – war durch Ärzteromane wie den „Rosendoktor" zum Bestseller-Autor geworden. Festverwurzelt in seiner schwäbischen Heimat (Reutlingen), lernt er in Tübingen Hermann Hesse kennen und Ludwig Finckh folgt ihm nach Gaienhofen an die Bodensee-Riviera. In Gaienhofen macht sich Finckh vor allem durch seine Aktivitäten gegen den industriellen Abbau des Hohenstoffeln (einer aus drei erloschenen Vulkanen bestehenden Bergformation in der Nähe des Hohentwiel bei Singen) bekannt. Er gilt als Vater des Landschaftsschutz-Gesetzes. Briefe wie den hier gezeigten schickt Finckh an Himmler, Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 10 Goebbels und alle, die er für mächtig oder vermögend hält. Meistens enden sie mit „Stofflio" und „Heil Hitler". Er ist nicht nur Propagandaleiter seines Wohnorts, sondern auch Vorstandsmitglied z.B. im >Deutschen Sprachverein<, der ihm viele noch heute kursierende Sprachglossen und -witze verdankt. Mit großem Elan, aber erfolglos setzt sich dieser „Grüne unter den Braunen" auch für die Erhaltung der deutschen Schrift ein. Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ 11 lerchenmüller / simon: im vorfeld... 1.35 Ernst Bertram (*27.7.1884) betrachtete zeit seines Lebens Stefan George und den Hölderlin-Spezialisten Berthold Litzmann als seine Lehrer und – wie er hinzuzufügen pflegte – „Bildner im Menschlichen". Wie Finckh in einer ziemlich gespannten Weise mit Hesse, so ist Bertram mit Thomas Mann befreundet; dessen Ehrenpromotion an der Bonner Universität wird zumeist direkt auf Bertram zurückgeführt. An Ernst Bertram der Seite unverdächtiger Ernst Bertram Philologen wie Ernst Robert Curtius und Victor Klemperer kämpft er in Auseinandersetzung mit dem französischen Faschisten Maurice Barrès gegen die These vom französischen Rheinland, insbesondere Elsass. Bertram war keineswegs gegen die Bücherverbrennungen. Er suchte nur vergeblich zu verhindern, dass in Köln auch die Bücher seiner Freunde Friedrich Gundolf und Thomas Mann dem Feuer zum Opfer fallen. Später erhielt er den Görres- und den Rheinischen Literaturpreis. 1944 wird er vom Sicherheitsdienst überprüft. Der Verdacht, Freimaurer zu sein, erhärtete sich aber nicht. Man hatte das aus einem Gedicht aus dem Jahre 1922 herausgelesen. Dass Bertrams „Münsterbauhütte" sich an Stefan Georges Templergedicht aus dem „siebten Ring" orientierte, war dem SD entgangen. Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ 12 lerchenmüller / simon: im vorfeld... 1.4 Theater und Kultur als Mittel des politischen Kampfes Alfred Rosenberg 1.41 Alfred Rosenberg qualifizierte sich in der Weimarer Republik als Herausgeber des >Völkischen Beobachters< und als Gründer und Organisator des >Kampfbundes für deutsche Kultur< (KfdK). Durch sein Werk >Mythus des 20. Jahrhunderts< erwarb er sich den Ruf des Parteiideologen. 1934 versucht er vergeblich, Hitler dazu zu bewegen, über die Leitung des >Aussenpolitischen Amts< der NSDAP hinaus für ihn ein eigenes >Ministerium für Weltanschauung und Kultur< einzurichten. Stattdessen wird er >Beauftragter des Führers für die gesamte geistige und weltanschauliche Erziehung der NSDAP<. Diese Partei-Institution erhält bestimmendes Gewicht auch bei der Berufung von Geisteswissenschaftlern an die Universität. Nach dem Überfall auf die Sowjetunion 1941 wird Rosenberg auch noch Ostminister. 1.42 Rosenbergs >Kampfbund für deutsche Kultur< entwickelt sich schon vor 1933 zentral zu einer Theaterbesucher-Organisation mit erheblichem Einfluss auf Spielpläne und Besetzung der deutschen Theater. Collage aus Headlines des >Völkischen Beobachters< 1.43 Die Kulturpolitik und –propaganda des KfdK leistete einen nicht geringen Beitrag, die nationalsozialistische Bewegung in großen Teilen des Besitz- und Bildungsbürgertums der Weimarer Republik hoffähig zu machen. Die von den Nazis offensiv vertretene These vom Zusammenhang zwischen kulturellem Verfall – Stichwort: „entartete Kunst" – und nationalem Niedergang verfing gerade in diesen Kreisen. Im Dezember 1930 errang der Kampfbund einen wichtigen symbolischen Sieg: massive öf- Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 13 fentliche Proteste der Kampfbündler gegen die Aufführung der Verfilmung von Erich Maria Remarques „Im Westen nichts Neues" veranlassten die Reichsregierung unter Hermann Brüning, den Film in Deutschland zu verbieten. Grundidee und Erfolg des >Kampfbundes für deutsche Kultur< verdankt Rosenberg im Wesentlichen dem in Erlangen promovierten Germanisten Walter Stang. 1.44 Walter Stang (*14.4.1895) promovierte 1925 in Erlangen bei Saran über das Thema „Das Weltbild in Walter Flex' Drama Lothar".1 Seine Absicht, sich zu habilitieren, scheiterte – wie er sich ausdrückt – an seiner „ausgesprochenen Veranlagung für Kulturpolitik" sowie an Geldmangel. 1919 hatte Stang sich dem Freikorps Epp angeschlossen, war während des Kapp-Putsches Zeitfreiwilliger in Nürnberg und betätigte sich „in der damals sehr regen völkischen akademischen Bewegung". Nach seinem Examen 1921 gründete er „die amtliche Zeitschrift des Hochschulringes deutscher Art >Die deutschen akademischen Stimmen<". Stang stand in München in engerer Beziehung zum >Bund Oberland< sowie zu anderen mehr an Ludendorff orientierten völkischen Walter Stang Formationen und wirkte im Bereich 'Grenz- und Auslandsdeutschtum' mit. Am 8. und 9. November 1923 beteiligte er sich „als Vertreter der Studentenschaft" am Hitler-Putsch. Danach stellte er seinen Verlag (Großdeutscher Ring-Verlag) sowie die „akademischen Stimmen" der völkischen Opposition zur Verfügung. In Folge mehrerer Verbote ging der Verlag aber bald darauf in Liquidation. Ab 1926 schlug sich Stang „unter den größten Entbehrungen" als Schriftsteller, insbesondere als Theaterkritiker und als Dozent an der Münchner Volkshochschule durch. Nach der Gründung des >Kampfbundes für deutsche Kultur< 1929 nahm er Verbindung zu Rosenberg auf. Später bezeichnet er sich – auch diesem gegenüber – als Rosenbergs „ältesten Mitarbeiter". Durch Rosenberg wurde er Dramaturg bei der Theatergemeinde in München. Zugleich rief Stang im Rahmen des KfdK das >dramaturgische Büro< ins Leben. Herzstück dieses Büros und alsbald des ganzen Kampfbunds wurde das >Theaterpolitische Archiv<, das spätere >Kulturpolitische Archiv<, aus dem 1931 die Theater-Zeitschrift >Deutsche Bühnenkorrespondenz< hervorging. Seit 1930 schreibt Stang als Kritiker im >Völkischen Beobachter<. Zugleich wird er Reichsfachgruppenleiter für Theater im KfdK. Nach der Machtergreifung war Stang zunächst ehrenamtlicher Beauftragter für Theaterfragen des bayrischen Kultusministers Schemm, ab März 1933 zugleich Leiter des Reichsverbands >Deutsche Bühne<. Nach Gründung des Propagandaministeriums setzt er sich für die Schaffung eines >Reichsamts für Theaterwesen< ein. Goebbels bietet ihm den Posten eines Reichsdramaturgen an. Stang bleibt aber Rosenberg und dem Reichsverband >Deutsche Bühne< treu. Der Reichsverband >Deutsche Bühne< wird durch eine Anordnung des Stellvertreters des Führers Rudolf Hess vom 11. April 1933 zur einzigen Theaterbesucherorganisation der NSDAP. Als Buttmann Referent im Innenministerium wird, startet Stang eine Initiative, den KfdK zur "einzigen Kulturorganisation der NSDAP" zu machen. Als 1934 das Amt Rosenberg entsteht, wird Stang in 1 Untertitel "Eine wissenschaftliche Untersuchung". Publiziert in Neustrelitz: Otto Wagner. 1926. Für das folgende s. Simon 1997a Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ 14 lerchenmüller / simon: im vorfeld... diesem Leiter des >Amtes Kunstpflege<, dem das >Theaterpolitische Archiv< als >Kulturpolitisches Archiv< einverleibt wird. Zugleich wird er bis zu der Vereinigung mit Robert Leys Freizeitorganisation >Kraft durch Freude< (1937) Leiter der >NS-Kulturgemeinde<, der Nachfolge-Organisation des >Kampfbunds für deutsche Kultur<. Bei den Verhandlungen, die dieser Vereinigung vorausgingen, hatte sich Stang aus der Sicht Rosenbergs „große Unvorsichtigkeiten" zuschulden kommen lassen. Als 1941 Rosenbergs Stellvertreter im Amt an der Front fällt, und Stang nicht – wie erwartet – Nachfolger wird, beklagt er sich bei seinem Chef bitterlich. Zuletzt finden wir Stang wieder als Leiter des Sachgebiets >Theater< in der Hohen Schule (in Vorbereitung). Stang war Inhaber des goldenen Ehrenzeichens der NSDAP, der Dienstauszeichnung der NSDAP in Bronze und des grünen Dauerausweises für den Marsch am 9.11.1923, außerdem Mitglied des Reichstages. Er versuchte sich auch als Dramatiker. 1940 wurde sein in der Völkerwanderungszeit spielendes Theaterstück >Alboin und Rosamunde< im Alten Theater in Leipzig uraufgeführt. 1.5 Wissenschaft in der Karikatur Die diversen Wissenschaftsdisziplinen waren auch der Gegenstand grotesk seinwollender Karikaturen. Die Zeichner des >Simplicissimus< ahnten aber wohl selber nicht, wie prophetisch sie teilweise die Zukunft vorhersahen: 1.51 Dialektologie Während die Bevölkerung zumeist die Frage bewegte, wozu Mundartfragen gut sein sollten, erkannte der Sicherheitsdienst früh, daß die Umfragen der Dialektologen ihm als wichtigstes Vehikel dienen konnten, um ein realistisches Bild von den Auffassungen vor allem in ländlichen Kreisen zu erhalten. Die Notgemeinschaft deutscher Wissenschaft hat einen bekannten Germanisten mit der Aufgabe betraut, in Berlichingen selbst Studien über den bekannten Ausspruch des Ritter Götz anzustellen. Tatsächlich ließ sich konstatieren, daß die altberühmte Redensart noch heute im Sprachschatz sämtlicher Einwohner lebendig ist. Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 15 1.52 Rassenlehre1 1.53 Medizin 1.54 Theologie 1.55 Jurisprudenz 1 Anmerkung der Verfasser: Die Angesprochenen standen in der Weimarer Republik bei den politischen Gegnern im Verdacht, nichtarisch bzw. jüdisch zu sein. Was 1931 noch Karikatur war, wurde 1938 Wirklichkeit: Auf Antrag der Professoren Hans Reinerth und H.F.K. Günther genehmigt der Dekan der Philosophischen Fakultät Berlin, der Germanist Franz Koch, dass ab sofort „Rassenkunde als Hauptfach in Verbindung mit Vorgeschichte bei der Promotion an der hiesigen Fakultät gewählt werden konnte." (Koch, Dekan der Phil.Fak., an Hans Reinerth, 13.5.38 - UA HUB - Phil.Fak. 202 Bl. 82) Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 16 1.56 Die Schwäche der Nationalsozialisten für Pseudowissenschaftliches, z.B. für die Wünschelrutenforschung, nimmt diese >Simplicissimus<-Karikatur aufs Korn: „Eine Liebestragödie mit happy end“ Dem Rassenforscher Darré ist es gelungen, die praktische Durchführung seiner Theorien durch die Erfindung einer Wünschelrute zu sichern.“ (Olaf Gulbransson) Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 17 2. Verfolgung und Selbstgleichschaltung 1933-1939 2.1 Feuer und Flamme für den Nationalsozialismus Die Bücherverbrennungen vom Mai 1933 bringen das 3. Reich schlagartig in den Ruf der Kulturfeindlichkeit. Die Vertretung der Studenten, die >Deutsche Studentenschaft< will sich mit dieser Aktion profilieren; sie passt aber selbst Goebbels nicht ins Konzept; zähneknirschend vereinnahmt er sie aber dann doch für sich. Hinfort unterbindet er solche Aktionen als in die „Systemzeit" [= Weimarer Republik] gehörend und daher überholt. 2.11 Die Studenten gewinnen die SA für den Abtransport der inkriminierten Bücher auf die Scheiterhaufen. In Hamburg profiliert sich der Keltologe Ludwig Mühlhausen dadurch, dass er als erster in SA-Uniform auf einer akademischen Feier erschien. Sofort wird er als Rektor der Universität Hamburg ins Gespräch gebracht, erhält dann aber stattdessen, obwohl nur mäßig dafür qualifiziert, den damals einzigen deutschen Keltologie-Lehrstuhl in Berlin. Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 18 2.12 Das Plakat, mit dem die Studentenschaft zur Bücherverbrennung aufrief, die mancherorts verschlafen wurde, geriet an einigen Stellen radikaler als die Parteidoktrin, insbesondere in Bezug auf die Sprache (§ 5 und 9). Es enthält überdies Forderungen, die sonst nirgends zu finden sind (§ 7 Kleingedrucktes) und erwiesen in einem Punkt den Juden eine Achtung, die die NS-Linie nicht kannte (§ 7 Absatz 1). Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 19 2.13 In Bonn hielt der Germanist Hans Naumann die Feuerrede.1 Naumann war schon 1929 vom Südwestdeutschen Rundfunk aus dessen >Kulturbund< wegen „Faschismus" entfernt worden. 1932 tat er sich in einer Polemik gegen Ernst Robert Curtius als NSSympathisant hervor. („Deutsche Nation in Gefahr"). Zugleich unterzeichnet er als einer von „nur" 50 den Professorenaufruf für Hitler. Ende 1934 ist er Rektor der Universität Bonn, wird aber im Februar 1935 schon wieder abgesetzt. Grund: Sein Engagement für den NS-Kritiker Karl Barth, der als Schweizer den Eid auf Hitler verweigert hatte. Naumann war befreundet mit Ernst Stadler, dessen Kollege er in Strassburg war, sowie mit Ernst Bertram, dessen Positionen er weitgehend teilte. Thomas Hans Naumann Mann charakterisiert ihn als „Typus des sinnigen EdelNazi und betörten Germanisten" bzw. als einen der „unglücklichen Intellektuellen", die „die schmutzige Travestie ihres Traumes von hohem und reinem Deutschtum verwechseln mit diesem ihren Traum."2 Naumann bezeichnete sich nach 1945 als einzigen deutschen Professor, der sich seinerzeit öffentlich gegen den Entzug der Ehrendoktorwürde Thomas Manns geäussert habe. 1937 erteilt ihm das Wissenschaftsministerium auf Grund von Kritiken in NS-Zeitschriften und auf Betreiben der Gestapo eine „Missbilligung". Zugleich werden Neuauflagen alter Standardwerke von Naumann verboten bzw. beschlagnahmt. Naumanns venia legendi wird eingeschränkt. Die Freundschaft mit dem SD-Angehörigen Obenauer (s. Kap.2. 85) bewahrt ihn vor Schlimmerem. Im >Kriegseinsatz der Germanistik< kann er 1940 unbehelligt mitmachen. Auch sein Bekenntnis zum „Führer" ist ungebrochen. Schon 1937, als seine Schwierigkeiten einsetzten, hatte Naumann eine sonst rein germanenkundlich orientierte Rede zum Geburtstag des Führers gehalten. 1 Naumanns Feuerrede gehört zu den wenigen, die nicht nur in Zeitungen referiert, sondern auch gedruckt wurden. 2 Thomas Mann, Leiden an Deutschland. Zit.n. Hübinger 1974, S. 270f Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ 20 lerchenmüller / simon: im vorfeld... 2.2 Die Entlassungen 1933 und 1935 2.21 Das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" vom 7.April 1933 war eine der ersten juristischen Maßnahmen der Regierung Hitler/von Papen gegen 'rassische' und politische Gegner im Staatsdienst. Zusammen mit dem Boykott jüdischer Geschäfte am 1. April 1933, dem sogenannten „Schriftleitergesetz" vom Oktober 1933 (nach dem nur Arier als Redakteure bei Zeitungen tätig sein durften), den entsprechenden Ausbildungsanordnungen für Juristen und Apotheker (Sommer und Winter 1934) und dem Verbot der Habilitation für Nichtarier (ebenfalls Ende 1934) markiert das Gesetz vom 7.4. 1933 die erste Phase der staatlichen Verfolgung jüdischer Mitbürger. Das Ziel war, Juden und politische Gegner aus allen gesellschaftlich relevanten Positionen zu verbannen. Im Zuge der Durchführung des Gesetzes wurden im Frühjahr und Sommer 1933 jüdische und politisch unliebsame Lehrer an Schulen und Hochschulen zwangsweise beurlaubt bzw. sofort entlassen. Eine auf Drängen des Reichspräsidenten Hindenburg eingefügte Ausnahmebestimmung (siehe § 3 Abs.2) ermöglichte bestimmten Beamten den Verbleib im Staatsdienst. Wer unter diese Ausnahmeregelung fiel, dessen „Beurlaubung" wurde in der Regel Ende 1933 oder im Laufe des Jahres 1934 aufgehoben. Die sogenannten 'Nürnberger Gesetze' des Herbstes 1935 läuteten die zweite Phase des institutionalisierten Antisemitismus ein. Das „Reichsbürgergesetz" erklärte Nichtarier zu Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ 21 lerchenmüller / simon: im vorfeld... Staatsbürgern minderen Rechts. Jetzt wurden auch jene jüdischen Beamten entlassen, die 1933 noch verschont geblieben waren. Spätestens seit dem Herbst 1936 gehörten dem Lehrkörper deutscher Universitäten und Hochschulen nur noch einzelne 'Nichtarier' an, die aus persönlichen oder politischen Gründen und nur aufgrund individueller Ausnahmegenehmigungen höchster Stellen im Amt verbleiben durften. Nicht vergessen werden sollte jedoch, dass die Diskriminierung jüdischer Wissenschaftler an deutschen Universitäten weit vor das Jahr 1933 zurückreicht. Nur wenige Juden hatten es im Kaiserreich und in der Weimarer Republik geschafft, an der Universität Karriere zu machen. Dass an der Universität Tübingen praktisch kein Professor vom Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums betroffen wurde, lag schlicht daran, dass man in Tübingen schon zu Weimarer Zeiten darauf geachtet hatte, keine Juden zu berufen. Und über die politische und geistige Lage an der Universität Berlin stand in der „Weltbühne" schon 1920 zu lesen: „Der Geist der Universität Berlin ist eine Die Vernichtung der beruflichen Existenz jüdischer und anderer vom NS-Regime verfolgter Menschen erfolgte im Schande für das Reich. Lichte der Öffentlichkeit. Diese Collage aus Überschriften Rassenhass, Klassender D.A.Z. zeigt, dass über die Beurlaubungen von Hochschullehrern – Vorstufe der Zwangsemeritierung bzw. hass, chauvinistischer Entlassung – in den Tageszeitungen ausführlich und an Hurrapatriotismus, Antipromi-nenter Stelle berichtet wurde. semitismus, Anrempelung kultiviertester Professoren wie Nicolai und die Existenz eines Roethe, der eine Vorlesung beginnen darf mit den Worten: 'Wir, die wir regiert werden von Juden und Proleten...': das alles sieht die Regierung mit ohnmächtiger Toleranz an."1 1 Cläre Meyer-Lugau, "Kultusministerium", Die Weltbühne 16;35, 26.8. 1920, S. 228-232, 229 Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ 22 lerchenmüller / simon: im vorfeld... 2.22 Max Herrmann (*14.5.1865) ist einer der von diesem Gesetz Betroffenen. Er studierte in Berlin und Freiburg im Breisgau von 1884-1889 Germanistik und Geschichte und promovierte über den Humanisten Albrecht v. Eyb, dessen Schriften er später herausgab. Auch seine Habilitation (1891) und spätere Veröffentlichungen befassten sich mit dem Humanismus und der Reformationszeit. Weitere Schwerpunkte seiner wissenschaftlichen Arbeit waren die Geschichte der Pädagogik (Herausgabe der Monumenta Germania Paedagogica) und das Theater („Forschungen zur deutschen Theatergeschichte des Mittelalters und der Renaissance", 1914). In der von Erich Schmidt besorgten Jubiläumsausgabe der Werke Goethes übernahm Herrmann den 16. Band. Der sozialdemokratische Kultusminister Haenisch berief ihn im April 1919 zum außerordentlichen Professor für Literaturgeschichte an die Berliner Universität mit der zusätzlichen Verpflichtung, das Fach Theatergeschichte zu vertreten. Die Gründung des theaterwissenschaftlichen Instituts an der Universität ist sein Verdienst. Trotzdem wurde er erst 1930 – wenige Monate vor seinem 65. Geburtstag – zum ordentlichen Professor ernannt. Der Germanist Hans Mayer in seinen Erinnerungen an die Studienzeit bei Max Herrmann: „Er war ausserordentlicher Professor geblieben, aus doppeltem Grund: als Jude, und weil man die Theaterwissenschaft nicht ernst nahm. [...] Der Professor wirkte freundlich, doch bedrückt. Da hatte einer viel Demütigendes erfahren müssen, ehe er hier stehen durfte." 1 Mitte September 1933 wurde Herrmann als 'Nichtarier' in den Ruhestand versetzt. 1934 musste er den Vorsitz der >Gesellschaft für Theatergeschichte< abgeben (Nachfolger: Wolfgang Goetz). In einem vom Reichserziehungsministerium 1938 angeforderten Bericht über die wissenschaftlichen Leistungen Herrmanns äußerte sein früherer Schüler und Kollege, der Berliner Germanistikprofessor Julius Petersen: „[Als Student nahm ich Teil an] den von Herrmann geleiteten literarhistorischen Übungen, deren Methode dem Anfänger mit grossem pädagogischen Geschick entgegenkam. Max Herrmann unterschied sich darin von den beiden anderen jüdischen Kollegen Ludwig Geiger und Richard M. Meyer, die uns durch ihre Oberflächlichkeit abstiessen, dass in seiner strengen Sachlichkeit der jüdische Geist 1 Hans Mayer, Ein Deutscher auf Widerruf. Erinnerungen. Frankfurt 1982, 78f Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ 23 lerchenmüller / simon: im vorfeld... wenig in Erscheinung trat."1 Max Herrmann starb im November 1942 im KZ Theresienstadt. Seine Frau, die Literaturwissenschaftlerin Helene Herrmann, wurde 1944 in Auschwitz ermordet. Als Nachfolger Herrmanns war zunächst der Göttinger Privatdozent Gerhard Fricke vorgesehen, der kurz darauf jedoch einen Ruf als ordentlicher Professor nach Kiel erhielt.2 Schliesslich kam der gebürtige Österreicher Franz Koch (s.Kap.2.31) auf diese zum zweiten Berliner Lehrstuhl erhobene Stelle für Literaturgeschichte. 2.23 Der Sprachwissenschaftler Ernst Lewy (*19.9.1881) studierte Literaturgeschichte, Indogermanistik und Allgemeine Sprachwissenschaft in Breslau, München, Leipzig und Berlin, wo er sich 1910 mit seiner Arbeit "Der heutige Stand der finnisch-ugrischen Sprachforschung" habilitierte. Während des Ersten Weltkrieges führte er sprachwissenschaftliche Forschungen an Häftlingen in Kriegsgefangenlagern durch.3 Seit 1922 Lehrbeauftragter an der Universität Berlin, wurde er 1925 zum nichtbeamteten außerordentlichen Professor für Allgemeine und Finnisch-ugrische Sprachwissenschaft und 1931 zum beamteten außerordentlichen Professor ernannt. Noch nach dem 'Preussenschlag' zum Mitdirektor des Indogermanischen Seminars ernannt (Dez.1932), wurde LeErnst Lewy wy aufgrund seines jüdischen Glaubensbekenntnisses 4 im Mai 1933 mit sofortiger Wirkung beurlaubt. Im Herbst 1933 ging Lewy auf Forschungsreise nach Spanien und kehrte erst zwei Jahre später nach Deutschland zurück. Im Vorgriff auf die Durchführungsbestimmungen zu den Nürnberger Gesetzen musste auch Lewy erneut Rechenschaft über seine Vorfahren ablegen. Dieser Auskunftspflicht entledigte sich der Sprachwissenschaftler mit den ironisch-trotzigen und damals schon sehr mutigen Worten: „Ich habe keinerlei Grund zu bezweifeln, dass meine sämtlichen vier Grosseltern, als Juden, der jüdischen Religionsgemeinschaft angehört haben.5 Mit Schreiben vom 24. Dezember 1935 wurde Lewy „auf Grund des § 3 des Reichsbürgergesetzes in Verbindung mit § 4 der 1.Verordnung dazu vom 14. November 1935 – RGBl. I.S.1333 – mit Ablauf des 31. Dezember 1935 in den Ruhestand" versetzt.6 Pläne Lewys, nach Palästina auszuwandern, verwirklichten sich nicht. 1937 schließlich emigrierte er mit seiner Familie auf die britischen Inseln. Das Kriegsende erlebte Lewy in Éire, wo er ab 1947 am University College, Dublin, eine Professur innehatte. Eine Anfrage der Universität Berlin aus dem Jahre 1946, ob er bereit sei, seine Professur für Allgemeine Sprachwissenschaft wieder auszuüben, beantwortete Lewy wie folgt: „Ohne Sie mit Auseinandersetzungen belästigen zu wollen, muss ich sagen, dass durch Ihr gutes Wort das moralische Gleichgewicht, so1 Julius Petersen, Dir. des Germ. Seminars u. d. theaterwiss. Inst. der Univ. Berlin, Bericht über Herrmann an Univ.-kurator, dat. Murnau i.Obb. 31.8.38 - UA HUB - UK H 258, Bd. III, Bl. 32-34 2 Cf. Preuss. Wissenschaftsminister an Fricke, 11.9.34, 8.11.34 - UA HUB - UK F 142, Bl. 1, 4 3 Cf. Personalbogen Lewy - UA HUB - UK L 140 Bd. I, Bl. 52r, 53 4 Cf. Kommissar des Reiches an Verwaltungsdirektor, 9.12.32; Preuss. Wissenschaftsministerium an Universitätskasse, 17.5.33 - UA HUB - UK L 140 Bd. I, Bl. 68, 71 5 Ernst Lewy an Verwaltungsdirektor, 27.10.35 - UA HUB - UK L 140 Bd. I, Bl. 83r 6 Verwaltungsdirektor an Ernst Lewy, 24.12.35 - UA HUB - UK L 140 Bd. I, Bl. 93 Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ 24 lerchenmüller / simon: im vorfeld... weit es mich betrifft, hergestellt ist; und dass ich wünsche, dass die Schwierigkeiten der heutigen Menschheit, der lang gewachsenen Umstände auf diese Weise beseitigt würden."1 Aus familiären und beruflichen Gründen kehrte Lewy nicht nach Berlin zurück. Daraufhin versuchte die Universität, ihn wenigstens für ein Semester an seine alte Wirkungsstätte zu holen – ein Versuch, dem allerdings die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (vertreten durch die Deutsche Verwaltung für Volksbildung in der Sowjetischen Besatzungszone) einen Riegel vorschob: nachdem sie einen Bericht über Lewy „in wissenschaftlicher und politischer Hinsicht" eingeholt hatte, wurde dem Rektor mitgeteilt, „[...] dass die Berufung von Prof. Dr. phil. Ernst Lewy zu Gastvorlesungen über allgemeine Sprachwissenschaft an die hiesige Universität abgelehnt wurde."2 Lewy starb, mit 85 Jahren, im September 1966 in Dublin. 2.24 Von den in der Emigration lebenden Schriftstellern werden in Deutschland Listen angefertigt. Auf der Liste von 1936 erscheinen Erika, Heinrich, Klaus und Thomas Mann noch vor der Ausbürgerung des Letzteren erstmals vereint als „berüchtigte Schriftstellerfamilie, die […] fortgesetzt gegen Deutschland hetzt." 2.25 Thomas Mann wurde, obwohl er die Tür noch lange aufzuhalten versuchte, früh das vermutlich berühmteste Opfer der Zensur: 1933 Bücherverbrennung 1933 „Rauswurf" aus der Preussischen Akademie der Dichtung 1936 Ausbürgerung 1936 Entzug der Ehrendoktorwürde der Universität Bonn 1 Lewy, Irland, an Rektor Franz Stroux, 5.11.46 - UA HUB - UK L 140 Bd. III Bl. 10 2 Cf. Deutsche Verwaltung für Volksbildung an Rektor Franz Stroux, 28.1.48, 28.9.48 - UA HUB - UK L 140 Bd. III, Bl. 23, 29 Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 25 Die Unterschrift unter der Benachrichtigung des Entzugs der Ehrendoktorwürde stammte vom Germanisten Obenauer, von dem noch die Rede sein wird (s. Kap. 2.85). Die „freiwilligen" Austritte von Thomas Mann, Alfred Döblin, Ricarda Huch und etlichen anderen Schriftstellern aus der Abteilung für Dichtung der Preussischen Akademie der Künste erfolgten unter der kommissarischen Leitung von Gottfried Benn. Die Austritte waren die 'Antwort' auf die von Benn im März 1933 allen Mitgliedern in Form einer von ihm verfassten Erklärung gestellten Frage: „Sind Sie bereit, unter Anerkennung der veränderten geschichtlichen Lage weiter Ihre Person der Preussischen Akademie der Künste zur Verfügung zu stellen? Eine Bejahung dieser Frage schliesst die öffentliche politische Betätigung gegen die Regierung aus und verpflichtet Sie zu einer loyalen Mitarbeit an den satzungsgemäss der Akademie zufallenden nationalen kulturellen Aufgaben im Sinne der veränderten geschichtlichen Lage."1 "Wenn ich nicht ein so grosser Geist wäre, würde ich versuchen mich zu schämen." (Thomas Mann, 1936) 2.26 Hübingers Buch zeichnet nicht nur eine wichtige Entwicklungslinie in der Biographie Thomas Manns nach, sondern liefert (ebenso wie die Monographie von Uwe Adam über die Tübinger Universität) eine vorbildliche und in vielem repräsentative Studie zu einer deutschen Universität im 3. Reich. 2.3 Die Nachrücker 2.31 Franz Koch (*21.3.1888) wurde 1935 als Nachfolger von Max Herrmann (s.Kap.2.22) zum ordentlichen Professor für Literaturgeschichte an der Universität Berlin ernannt. Er hatte zuvor an der Universität Wien Karriere gemacht. Koch stand 1933 überhaupt nicht auf der Vorschlagsliste der Fakultät: Ernst Beutler, Gerhard Fricke und Richard Alewyn sind dort genannt. Immerhin war er von der Kommission diskutiert worden. Koch bekam die Stelle, da der ursprünglich berufene Fricke (der zu jener Zeit in Berlin gerade Julius Petersen – vertrat) schon 1935 nach Kiel ging. Die wissenschaftlichen Leistungen Kochs beurteilte der Germanist Hans-Friedrich Rosenfeld in einer Stellungnahme: Franz Koch 1 Zit. nach Kesten 1973, S. 30 Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 26 „[...] sein Buch über Goethes Stellung zu Tod und Unsterblichkeit gehört wohl zu dem besten, was das Jubiläumsjahr hervorgebracht hat. Treten bei ihm die älteren literarischen Perioden zurück, so kann es im Sinne der neuerdings immer wieder erhobenen Forderung der Berücksichtigung der Gegenwartsliteratur als ein Plus gelten, dass er durch Arbeiten über Kolbenheyer und R.M. Rilke enge Beziehungen zur modernen Dichtung gezeigt hat."1 Goethe, Kolbenheyer und die neuere Literaturgeschichte waren auch in der Folge die Schwerpunkte der wissenschaftlichen Produktion Kochs – eine Produktion, die bestimmt war durch die Abkehr vom 'abstrakt Geistigen', vom 'bürgerlich-liberalen Zeitalter' hin zum 'Blutbedingten', zu einer bestimmten Phase der Romantik, wie sie – so Koch 1937: „[...] Alfred Baeumler uns sehen gelehrt hat, als Aufbruch tellurischer Kräfte, als Gefühl für Dasein und Wert der Vergangenheit, als Ahnenverehrung und Ahnendienst, der den Menschen eingliedert in den Kreis der Geburten, in Überlieferungen des Bluts und der Sitte, Vorklänge, die sich in Moeller van den Bruck, in Alfred Rosenbergs 'Mythus des 20. Jahrhunderts' zu Glauben und Lehre verdichten."2 Kochs politisch-wissenschaftliches Credo ist in seinem Vorwort zum ersten Band der Reihe „Von deutscher Art in Sprache und Dichtung" (1941) überliefert, das erste Produkt des >Kriegseinsatzes der Germanistik< (s.Kap.4.2). Es gelte, so Koch, [durch neue] „Fragestellungen und Themen das artgemässe Deutsche aus den inneren Formgesetzen deutscher Dichtungsgattungen" [zu erschliessen], "[...] um endlich aus allen Spannungen, aus der unendlichen geschichtlichen Fülle noch einmal die tatsächliche Einheit der deutschen Dichtung als Beweis für die Einheit des Wesens, der rassischen Substanz, aufzubauen. So will die vom Ethos des Nationalsozialismus getragene Forschung wissenschaftlich gesicherte Tatsachen gefühls- und erlebnisnahe auch ausserwissenschaftlichen Kreisen zugänglich machen [...]."3 Koch wurde 1949 von der Entnazifizierungskommission Berlin „rehabilitiert"4 und lebte seit 1952 bis zu seinem Tode 1969 in Tübingen, einer Anregung seines ehemaligen Berliner Kollegen Gamillscheg folgend.5 Einen Ruf an eine Universität erhielt Koch jedoch nicht mehr. 1960 wurde Koch an der Universität Tübingen emeritiert, gegen den anfänglichen Widerstand vor allem von Mitgliedern des Deutschen Seminars, die erst einlenkten, als Koch schriftlich versprochen hatte, „im Falle einer Emeritierung von den Rechten des Emeritus keinen Gebrauch" zu machen.6 Die Emeritierungsurkunde wurde vom damaligen Ministerpräsidenten Baden-Württembergs, Kurt Georg Kiesinger, unterzeichnet. Sein Vorgänger im Amte, Gebhard Müller, hatte sich 1958 geweigert, seine Unterschrift zu leisten, da er Koch für „politisch untragbar" hielt.7 1 2 3 4 5 6 7 Hans-Friedrich Rosenfeld an Dekan Hartung, 25.7.33 – UA HUB – Phil.Fak. 1477, Bl. 336f So Koch in der Zeitschrift für Deutschkunde 1937, S. 101f, zit. nach Lämmert 1971, S. 71-109, 101f Koch, Vorwort, in: Koch 1941, S. V-IX Cf. Magistrat von Gross-Berlin, Rehabilitierungsbescheinigung, 28.12.49 (UA Tü – 131/317 PA Koch) Cf. Prof. von Wißmann an Rektor Bachof, 2.12.60 – UA Tü – 126a/261 PA Koch Koch an Dekan Eschenburg, 17.12.57 – UA Tü – 131/317 PA Koch So Koch in einem Schreiben an Rektor Vogt, 15.2.59 – UA Tü – 126a/261 PA Koch Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 27 2.32 Die große Zahl der Entlassungen bzw. Versetzungen in den Ruhestand der Jahre 1933 bis 1935/36 führte zu einem 'Wiederbesetzungsstau' an den Universitäten, da weder die Ministerien noch die Universitäten personell und strukturell in der Lage waren, so viele Berufungsverfahren parallel durchzuführen. Allein an der Universität Berlin waren es mindestens 230 Professoren und wissenschaftliche Mitarbeiter1, die aus dem Amt gehebelt wurden. (In anderen Universitäten, etwa in Tübingen, hatte man jedoch schon vor 1933 dafür gesorgt, dass die Professorenschaft „judenfrei" war.) Als Konsequenz stellte das Wissenschaftsministerium den Universitäten Mitte 1935 ein Ultimatum: innerhalb von 17 Tagen (!) müssten Vorschläge eingereicht werden, sonst werde davon ausgegangen, „dass Fakultät (Abteilung), bezw. Hochschule ausdrücklich darauf verzichtet, bei der Berufung mitzuwirken." 2 2.4 Konjunkturritter Wendehälse durchziehen die gesamte Geschichte der Germanistik. Insbesondere Nichtordinarien erwiesen sich stets als besonders anfällig für konjunkturelle Maskenwechsel. Häufig verpackten sie 1933 herkömmliche Inhalte nur in eine nationalsozialistische Verkleidung. Die Altnazis unter den Kollegen reagierten manchmal sehr heftig auf solche Veröffentlichungen. Einer der wenigen, die sich etablieren konnten, war Hennig Brinkmann. Möglicherweise war ihm aber bekannt, dass das Wissenschaftsministerium in der Universität Frankfurt, an die er kam, die problematischen Wissenschaftler zusammenfassen wollte, um die Universität in einem später nicht vollzogenen Schritt insgesamt aufzulösen. Im Zweiten Weltkrieg nahm Brinkmann jedenfalls das Angebot an, nach Istanbul zu gehen. Dort wurde er auf die Emigranten angesetzt. 1 s. Schottlaender 1988, S. 9 2 Cf. REM (gez. Bachér) an Rektor der Universität Berlin, 18.6.35 – WIa Nr.1453/35 – UA HUB – Phil.Fak. 1480, Bl.220 Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 28 Die Festschrift, die Hennig Brinkmann von Kollegen und Schülern erhielt, nimmt einen Buchtitel dieses sehr produktiven Sprachwissenschaftlers und Altgermanisten auf. Der Untertitel „Hennig Brinkmann in der Diskussion“ ist natürlich nicht so zu verstehen, dass hier seine Vergangenheit im 3.Reich diskutiert worden wäre. Im Gegenteil. 2.5 Schutz- und Trutzburg des deutschen Geistes? Die Universität Königsberg Die Universität Königsberg stand schon vor 1933 in der Beliebtheitsskala der Dozenten und Studenten an letzter Stelle. „Wer nicht unbedingt musste, studierte nicht in Königsberg" (Helmut Heiber). Schon vor 1933 gab es daher für Lehrende und Lernende finanzielle Anreize, die dem entgegenwirken sollten. Rusts Wissenschaftsministerium sorgte überdies dafür, dass potentielle Regimegegner – dazu zählten auch Katholiken – gegen Regimetreue ausgetauscht wurden. So mussten auch die Germanisten Gottfried Weber und Paul Hankamer gehen. Die Universität Königsberg wurde 1944 zerstört. Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 2.6 29 Agenturen der Literaturpolitik In den Agenturen der Literaturpolitik saßen nicht nur Schriftsteller, sondern gerade auch Germanisten. Die wichtigsten Agenturen waren: • die Reichsschrifttumskammer und andere von Goebbels dominierte staatliche Schrifttumsstellen • das Amt Rosenberg und dessen parteiamtliche Satellitenstellen Daneben gab es noch eine Reihe weniger bedeutender Agenturen wie die Parteiamtliche Prüfungskommission (PPK). (Auf die SS-Agenturen wird in 2.8 eingegangen.) 2.61 Die Reichsschrifttumskammer (RSK) und andere von Goebbels dominierte staatliche Schrifttumsstellen Die RSK ist eine von 7 Kammern in der Reichskulturkammer (RKK), die Goebbels 1934 ins Leben rief, um den für die Ideologievermittlung bedeutenden Kulturbereich besser in den Griff zu bekommen. Wer sich in diesem Bereich betätigen wollte, musste Mitglied in einer dieser Kammern sein. Goebbels wünschte sich – nicht immer zu seiner Zufriedenheit – als Präsidenten zunächst bekannte und beliebte Aktive in der jeweiligen Sparte unabhängig von ihrer Überzeugung, wenn sie nicht gerade Regimegegner oder Juden waren. 1935 tauschte er diese gegen überzeugte Nationalsozialisten aus, wenn sie es nicht schon vorher waren. Bis 1936 hatte die RSK auch noch Spielräume gegenüber dem Propagandaministerium (Promi). Dann zog das Promi die Zügel immer mehr an. Hier einige Graphiken, die helfen sollen, die RSK im Machtgefüge des 3. Reichs zu lokalisieren: 2.611 Organisationsstruktur des Reichspropagandaministeriums (1936) Den wichtigsten Abteilungen des Propagandaministeriums werden in Hinblick auf die Kulturschaffenden 1934 per Gesetz sogenannte „Kammern" zugeordnet. Den Kammern wurden wiederum die Fachschaften zugeordnet, in denen sich die Kulturschaffenden größtenteils schon lange zuvor organisiert hatten. Personalunionen sollten potentielle Reibungen zwischen diesen Verdoppelungen, bzw. Verdreifachungen vermindern. In Goebbels Propaganda-Reich gab es relativ wenige Germanisten, vor allem nicht in Führungspositionen. (Von der Ausnahme Arthur Hübner wird noch in 2.62 die Rede sein.) Bei einem promovierten Germanisten, den Goebbels in manchem auch deutlich genug verriet, auf den ersten Blick erstaunlich. Der Umstand freilich, dass Goebbels zumindest nicht verhinderte, dass auch die Bücher seines jüdischen Lehrers Friedrich Gundolf der Bücherverbrennung von 1933 zum Opfer fielen, deutet bereits sein gebrochenes Verhältnis zu seiner akademischen Vergangenheit an. Offenkundig hielt er auch sonst nicht viel von der „Zunft" – wie die Germanistik und andere Wissenschaften in Parteikreisen verächtlich genannt wurde. Die Ausnahmen sind umso mehr ein Grund zum Aufmerken. Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 30 2.612 Organisationsstruktur der Reichskulturkammer (Stand 1934) Hier außer den einzelnen Kammern die der Reichsschrifttumskammer zugeordneten Fachschaften, die zum Teil noch heute existieren. 2.613 Organisationsstruktur der Reichsschrifttumskammer (Stand 1935/36) Die RSK kontrollierte die staatliche Schrifttumspolitik von der Herstellung bis zum Käufer. 1935 erfüllen der Leiter der RSK Hans-Friedrich Blunck und der für Sprache und Schrift zuständige Abteilungsleiter im Innenministerium Rudolf Buttmann dem Deutschen Sprachverein (DSV) zu dessen 50jährigen Bestehen einen Traum, den dieser schon bei seiner Gründung hatte: ein Sprachamt, zwar mit gestutzten Flügeln – deswegen auch bescheidener >Sprachpflegeamt< genannt –, aber mehr als die Vereinsmitglieder noch kurz zuvor zu hoffen wagten. Designierter Leiter war Arthur Hübner, die große Hoffnung der Germanistik in den 30er Jahren. Hübner war Schüler von Roethe, der – wie die gesamte Berliner Germanistik – ein Gegner des DSV war und wesentlichen Anteil daran hatte, dass der DSV-Traum vom Sprachamt nicht früher in Erfüllung ging; an sich also eine schlechte Voraussetzung für diesen Posten. Hübner gelang aber ein Kunststück, das im Wissenschaftsbereich seinesgleichen sucht. Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 31 Dabei halfen Hübner auch Komponenten, die nicht in seiner Gewalt lagen: Gegner des Sprachvereins, dieser größten germanistischen Organisation (bis in unsere Tage; 1930 zählte sie fast 50000 Mitglieder), war nämlich auch Goebbels. Außerdem war Hübner Hauptlektor in Rosenbergs Amt für Schrifttumspflege. [s. Kap. 2.622] Rosenberg hatte nach der Machtergreifung einen allerdings kläglich gescheiterten Versuch gemacht, den Sprachverein gleichzuschalten. Den Sprachverein hatte Hübner durch einen in der Vereinszeitschrift >Muttersprache< abgedruckten Artikel („Die Einigung der deutschen Sprache") für sich im Sturm gewonnen. In diesem Artikel findet man Verbeugungen nicht nur vor wichtigen Positionen des Sprachvereins, sondern auch vor Hitler und Goebbels. Dann geschah etwas für alle Beteiligten Unvorhergesehenes: Hübner starb 51jährig – wie sich der Arzt ausdrückte – „an Erschöpfung". Das Sprachpflegeamt hat nie einen Leiter gehabt. Goebbels wollte alsbald nichts mehr mit ihm zu tun haben. Er wirft es schlicht und einfach aus der RSK hinaus. Er lässt es vor sich hinvegetieren und greift nach Ausbruch Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 32 des Zweiten Weltkriegs den Plan des sudetendeutschen Germanisten Erich Gierach auf, in der halbamtlichen, von Goebbels selbst dominierten >Deutschen Akademie< ein Sprachamt wesentlich größeren Ausmaßes und mit weit umfassenderen Aufgaben zu errichten. (s. Kap. 2.617) 2.614 Finanzielle Engpässe und unverhofftes Glück Die RSK kontrollierte die staatliche Schrifttumspolitik – wie erwähnt – von der Herstellung bis zum Käufer. Eine eigene Abteilung befasste sich dabei mit den Literaturpreisen. Solange es staatliche Einrichtungen gibt, gibt es auch deren Gejammer über Geldmangel und finanzielle Engpässe. Manchmal fällt ihnen aber auch unverhoffter Geldsegen in den Schoss. Über ein solches Glück durfte sich Goebbels bald nach Gründung der Reichskulturkammer freuen. Dank einer generösen Spende des amerikanischen Auslandsdeutschen Ernst Toepfer war Goebbels in der Lage, alljährlich mehrere gutdotierte Preise auszuschütten. Die Spende wurde vom Präsidenten der RKK, Hans Friedrich Blunck vermittelt und von Toepfers in Hamburg lebendem Bruder auf insgesamt 1,4 Millionen Reichsmark aufgestockt. Die Folge war, dass Goebbels eine wahre Inflation von Preisen ausschütten konnte. Manche heute vergessenen Schriftsteller wurden dabei so häufig preisgekrönt, dass sie allein davon hätten gut leben können. Im Kuratorium, das über die Preisvergabe zu entscheiden hat, saßen neben einem Schriftsteller und einem Vertreter der RSK zumeist auch ein Germanist. Auf Grund der Spende wurden zwei Stiftungen gegründet. Die >Johann Wolfgang von Goethe Stiftung< vergab dabei „zur Stärkung der grenz- und auslandsdeutschen Arbeit" vor allem folgende Preise: Die Toepfer-Stiftungen Name der Preise Joh. Gottfr. v. Herder Joseph v. Eichendorff Mozart Erwin von Steinbach Josef von Görres Höhe Zweck (Bereich) Preisträger 1936 5000 RM Ostpreussen, Danzig, Polen, Agnes Miegel Russland 5000 RM Tschechoslowakei Gustav Leutelt 10000 RM Österreich, deutschsprachige Gebiete Südosteuropas 10000 RM alemannisches Sprachgebiet, inklusive Schweiz und Elsass 5000 RM Belgien, Luxemburg, Lothringen, linksrheinische Reichsgebiete im Kuratorium Walther Ziesemer Herbert Cysarz Josef Weinhe- Josef Nadler ber Emil Strauss Georg Schmückle, Bruno Bauch Louis Pinck Hans Naumann, Hermann Pongs, Ernst Bertram Daneben wurden aus der Toepfer-Stiftung die sog. Hansischen Preise finanziert: Preis Shakespeare Rembrandt Hendrik von Steffens Höhe Zweck (Bereich) 10000 RM England 10000 RM niederdeutsches Sprachgebiet, Holland, Flandern 10000 RM Nordische Länder Preisträger (nicht verteilt) Stijn Streuvels, Curiel Vershaeve, René de Clercq (nicht verteilt) im Kuratorium Hans Grimm Conrad Borchling Conrad Borchling In Turbulenzen gerät dieses umfassende Preisverleihungssystem infolge einer einjährigen Inhaftierung von Alfred Toepfer wegen Devisenvergehens. Die Toepfer-Stiftungen geraten Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 33 in den Einflussbereich der >Volksdeutschen Mittelstelle< und damit Himmlers, was nicht verhinderte, dass sie nach 1945, wenn auch mit Volldampf erst wieder in den 60er Jahren von Alfred Toepfer wiederbelebt wurden. Hans Friedrich Blunck 2.615 Hans Friedrich Blunck, in der W eimarer Republik Syndicus der Hamburger Universität, ist einer jener konservativen Schriftsteller, die sich – obwohl (noch) nicht in der Partei – gern vor Goebbels Karren spannen liessen. 1935 wird er durch den Altnazi Hanns Johst abgelöst; hinfort ist er – obwohl erst 47 – Alterspräsident der RSK. Ausgelöst wurde sein Abgang durch einen Protest der Gestapo ausgerechnet gegen sein Statement in der Judenfrage: Bluncks Rassismus war für die Gestapo zu sanft geraten. 2.616 Eine Preisträgerin: Die Hitler-Verehrerin Agnes Miegel wurde für den HerderPreis von dem Königsberger Dialektologen Hans Blunck W alther Ziesemer vorgeschlagen. Agnes Miegel 2.617 Die >Deutsche Akademie zur wissenschaftlichen Erforschung und Pflege des Deutschtums< war eine 1925 von Honoratioren aus Politik, Militär, Wirtschaft und Wissenschaft von Anfang an mit Blick auf das Ausland gegründete halbamtliche Institution. 1932 gründet die >Deutsche Akademie< das >Goethe-Institut<, das ihrerseits überall auf der Welt >Deutsche Institute< (heute >Goethe-Institute< genannt) einrichtet. Gründungsmitglied, Senator und Leiter der wissenschaftlichen Abteilung war Erich Gierach. Erich Gierach (*23.11.1881) wuchs in Reichenberg im Sudetenland in alldeutscher Umgebung auf.1 Wie Hitler prägte ihn das Gedankengut Georg von Schönerers. Dabei steht seine sudetendeutsche Heimat im Mittelpunkt nicht nur seiner politischen, sondern auch seiner wissenschaftlichen Aktivitäten. In einer Laudatio zu seinem 60. Geburtstag heißt es: „Der wissenschaftliche Nachweis der uralten Rechte im Sudetenland und der gewaltigen deutschen Kulturleistungen, die volksweite Verbreitung der Kenntnis davon waren notwendige Voraussetzungen, um eine gesunde Volkstumsbewegung wieder erstehen zu lassen. Antrieb und Aufbau dazu gingen als einzigartiges Verdienst von Professor Gierach aus." Erich Gierach Gierachs wichtigste akademische Lehrer war Carl von Kraus, der ihn als seinen Nachfolger 1936 nach München holte. Gierach erweckte die 1904 gegrün1 Zu Gierach s. Simon 1997b – Mit besonderen Gewinn konnten wir auf die unveröffentlichte Magisterarbeit von Volker Lang ("Erich Gierachs Veröffentlichungen zum germanisch-slawischen Sprachkontakt als Mittel der Propaganda gegen die Erste Tschechoslowakische Republik 1918-1938." Mannheim 1996) zurückgreifen. Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 34 dete >Deutsche Wissenschaftliche Gesellschaft< in Reichenberg – wie es in der oben genannten Laudatio heißt – „nach Ausscheidung der Juden" zu neuem Leben und errichtete in deren Rahmen die >Anstalt für Sudetendeutsche Heimatforschung< (nach 1938 umbenannt in >Sudetendeutsche Anstalt für Landes- und Volksforschung<), die über 80 Veröffentlichungen herausbrachte. Er schreibt den Sudetendeutschen einen >Katechismus<, der ihn früh auch in Germanisten-Kreisen bekannt macht. Zunächst Journalist und Professor an der Handelsakademie in Reichenberg, erhält er den Altgermanistik-Lehrstuhl an der Deutschen Universität in Prag. Dort gründet er im Rahmen der >Deutschen Gesellschaft der Wissenschaften und Künste< 1922 die Kommission für Heimatforschung, die auf seinen Antrag hin 1928 „die rassenkundliche Erforschung der deutschen Bevölkerung" beschließt. Als Gustav Roethe stirbt und damit in Berlin der bestdotierte Altgermanistik-Lehrstuhl frei wird, wird er 1926 in die engere Wahl für die Nachfolge gezogen. Nach langem Hin und Her erhält Arthur Hübner, der erst später ins Gespräch gebracht wird, den Zuschlag. Als Hübner 1937 plötzlich stirbt, kommt Gierach wieder auf die Liste. Da er 1936 aber gerade in der zweitbestdotierten Universität in München den Altgermanistik-Lehrstuhl übernommen hatte, bestanden Zweifel an seinem echten Interesse an der Berliner Professur und man entschied sich für Julius Schwietering. Schon diese Umstände zeigen, dass Gierach zu den seinerzeit unter den Kollegen am meisten geschätzten Altgermanisten gehörte. Er darf überdies neben Arthur Hübner, dessen Einfluss auf seine Funktion als Hauptlektor im Amt für Schrifttumspflege im Amt Rosenberg zurückzuführen ist, und erst recht nach dessen Tode als vermutlich der einflussreichste Altgermanist im 3. Reich angesehen werden. Zentral verdankt er seinen Einfluss Goebbels, in zweiter Linie Walther Wüst, der stellvertretender Präsident der >Deutschen Akademie< war, und dessen Einfluss in der SS. 1940 greift Goebbels Gierachs alten Plan zur Errichtung eines Sprachamts auf. Es soll das Sprachpflegeamt verdrängen und wird dazu mit Mitteln ausgerüstet, von denen man zuvor nicht einmal geträumt hat. Gierach will Geissler (s. Kap. 5.1) als Leiter dieses Amts. Die Verhandlungen ziehen sich aber in die Länge. Schliesslich lehnt Geissler ab. Kurz darauf stirbt Gierach. So blieb dieses Amt bis Kriegsende ohne Leitung und nicht nur infolgedessen in der Planung stecken. Ein anderer nicht weniger ehrgeiziger Plan Gierachs, das >Handbuch zur Germanenkunde< (mindestens 15 Bände, zeitweise war von 50 Bänden die Rede), das er zunächst im >Ahnenerbe< der SS, dann in der von ihm geleiteten >Wörterbuchkanzlei< der >Deutschen Akademie< ansiedeln wollte, kam ebenfalls nicht über das Planungsstadium hinaus. Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 35 2.62 Das >Amt Rosenberg< und seine Satelliten-Unternehmen1 2.621 Die Reichsstelle zur Förderung des deutschen Schrifttums2 Hans Hagemeyer, Stadtrat in Nürnberg und Landesleiter im >Kampfbund für deutsche Kultur<, baute schon 1932 eine >Bücherberatungsstelle< auf. Unmittelbar nach der Machtergreifung griff Rosenberg die Idee auf.3 Hagemeyers ab 16.6.33 in Leipzig, später in Berlin operierende >Reichsstelle zur Förderung des deutschen Schrifttums< wurde zunächst aber vom Propagandaministerium finanziert und fühlte sich darum auch zeitweise als dessen Subinstitution. Gründungsmitglieder waren neben Hagemeyer: Alfred Baeumler (Rosenbergs Haus-Philosoph), Willi Körber (Reichsjugendführung), Erich oder Hellmuth Langenbucher (Börsenverein)4, Rainer Schlösser (Reichsdramaturg) und Heinz Wismann (Propagandaministerium). Das Vorlektorat leitete die Germanistin Elisabeth Waldmann, eine Schülerin von Friedrich Panzer. Dem Führerrat der >Reichsstelle< gehörten ausserdem Hans Friedrich Blunck, Hanns Johst (beide RSK), Franz Lüdtke (Bund deutscher Osten), Georg Usadel (Reichsministerium des Innern) und Kurt Zierold (Wissenschaftsministerium) an. Zuständig fühlt sich die >Reichsstelle< für die Lesebedürfnisse von 30 Millionen Mitgliedern der Partei und ihrer Gliederungen.5 Im April 1934 weist sie bereits 34 Mitarbeiter auf,6 im Februar 1936 finden sich unter den Mitarbeitern allein 850 Lektoren.7 Über den >Deutschen Materndienst<, der den grössten Teil der deutschen Zeitungen beliefert, vermittelt die >Reichsstelle< ihren Lektoren auch Publikationsmöglichkeiten in Tageszeitungen.8 Erstes Ziel und Hauptergebnis ist das Verzeichnis >Die hundert ersten Bücher...<. Natürlich werden auch Listen negativ bewerteter Bücher angelegt, aber zunächst nicht publiziert. Später kann jeder Buchhändler in der Zeitschrift >Die Bücherkunde< nachlesen, wie die >Reichsstelle< einzelne Elaborate einschätzte. – In dieser Phase wird die >Reichsstelle< in 24 Sparten aktiv, darunter – wie Waldmann berichtet – in „Literaturgeschichte; Schöngeistiges Schrifttum; Lyrik; Drama; Schrifttum der Grenzlande und des Auslands; Philosophie; Erziehung und Jugend; Psychologie und Pädagogik …"9. Sie lässt sich dabei von Kapazitäten beraten, in Germanistik von Friedrich Panzer, später von Franz Koch, in Philosophie von Martin Heidegger, Nicolai Hartmann und Arnold Gehlen, später Hans Alfred Grunsky, die ihr ihrerseits zahlreiche Lektoren zuführen.10 Alsbald werden Landesreferenten und Gaureferenten ernannt, z.B. Willi Flemming für Mecklenburg, Hans Naumann für das Rheinland und Heinz Kindermann für Danzig.11 Als 1934 Rosenberg, der – wie in Kapitel 1.41 erwähnt – eigentlich ein eigenes >Reichsministerium für Weltanschauung und Kultur< anstrebte,12 mit einem innerparteilichen >Reichsüberwachungsamt< abgefunden wurde, das sich alsbald auch nicht mehr so nen1 Das ARo darf als relativ gut erforscht gelten: s. Weinrich 1946, 22-27 u.ä. – Billig 1963 – Rothfeder 1963 – Cecil 1972 – Wolzfeld 1964 – Baumgartner 1977 – Bollmus 1970 sowie ders. 1980, S.125-152 und ders. 1990, S.223-235 – vgl. a. Losemann, in: Malettke, 9-52 – Ders. 1977 – Leske, 44-49 u. ö. – Klingemann 1997 2 Rothfeder 1981 3 Laut Rosenberg an Hitler 1.12.33, BA NS 8/175 Bl. 181 4 Die Quellen geben keinen Vornamen an. Die Gebrüder Langenbucher hatten beide mit dem Börsenverein zu tun. 5 Reichsstelle: 6. Rdschr. o.D. [Eingang 12.4.34], BA NS 12/77 6 ibid. 7 Payr: Dienstanweisung Nr. 2, 17.2.36, ibid. 8 Reichsstelle: 7. Rdschr. o.D. [Herbst.34], BA NS 12/77 9 Elisabeth Waldmann: Arbeitsbericht des Vorlektorats Jan. 1934, BA NS 8/153 Bl. 158-164 10 ibid. 11 Liste o.D. ibid. Bl. 139 bzw. Reichsstelle: Bekanntmachung o.D., BA NS 12/77 12 Erlass-Entwurf o.D. [vor 5.2.34], BA NS 8/175 Bl. 131-4 Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 36 nen durfte,1 gliederte er diesem Amt auch diese „halbamtliche"2 >Reichsstelle< an. Inoffiziell von Beginn an, offiziell ab September 1937 arbeitet die >Reichsstelle< auch mit der Reichschrifttumskammer zusammen. Hauptlektor für mittelalterliche Literatur- und Geistesgeschichte war Arthur Hübner. 1 Die Bezeichnungen vor der Gründung >Amt für Weltanschauung und Kultur< [o.V.: "Gliederung und Aufgaben" 14.2.34, BA NS 8/175 Bl. 131-4] und >Zentralstelle für Weltanschauung und Kultur< [AV. o.V. (Urban) 8.3.34, BA NS 8/122 Bl. 106] wichen danach den Bezeichnungen >Dienststelle des Beauftragten des Führers für die gesamte geistige und weltanschauliche Erziehung der NSDAP< [so offiziell und zumeist] sowie >Amt zur Überwachung der geistigen und weltanschaulichen Erziehung der nationalsozialistischen Bewegung< [o.V.: "Vorläufiges Programm…" o.D. (1934), BA NS 8/37 Bl. 151-6 u.ö.], was dann zu der Abkürzung >Reichsüberwachungsamt< führte. 2 So Rosenberg selbst: DS Ro 16.5.38, BA NS 8/50 Bl. 49 u.ö. Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 37 2.622 Ein Hauptlektor Arthur Hübner ('17.9.1885) ist ab 1910 Roethes wichtigster Mitarbeiter am >Deutschen Wörterbuch< der Brüder Grimm, dessen erste Lieferung 1852 erschien und das mit 32 Bänden 1960 abgeschlossen wurde. Hübners organisatorischer Leistung war es zu verdanken, dass dieses erste Großprojekt in der Geschichte der germanistischen Linguistik nicht noch zwei Jahrzehnte mehr in Anspruch nahm. Bevor Hübner 1930 die Leitung des Grimmschen Wörterbuchs übernahm, hatte er bereits bei einem anderen Großprojekt, dem >Atlas der deutArthur Hübner schen Volkskunde<, Erfahrungen gesammelt. Am 4. Mai 1934 findet in Berlin die öffentlichkeitswirksamste Podiumsdiskussion in der Geschichte der Germanistik statt. Als Schlussredner überzeugt Hübner das Publikum und die Zeitungen davon, dass die Ura-Linda-Chronik, die Himmler zur Bibel aller Germanen bestimmt hatte, eine Fälschung ist. Die Kritiker der Echtheitsthese orientierten sich hinfort an Rosenberg. So auch Hübner, der – obwohl er nicht in der Partei war – Hauptlektor in Rosenbergs Amt für Schrifttumspflege wurde. Eine Rolle im Hintergrund dürfte dabei Anneliese Bretschneider [s. Kap. 2.624] gespielt haben. Noch kurz vor seinem Tod stellt Hübner die Weichen für die Entstehung eines weiteren Großprojekts: das >Mittelhochdeutsche Wörterbuch<. Es kommt aber erst nach dem 2.Weltkrieg in die Gänge. 2.623 Das Kulturpolitische Archiv im Amt Rosenberg Das Kulturpolitische Archiv des Amtes Rosenberg ging aus dem >Theaterpolitischen Archiv< hervor, das der Germanist Walter Stang mit in Rosenbergs KfdK gebracht hatte. Es wurde allmählich auf alle Kulturbereiche, also auch die Wissenschaft, ausgedehnt.1 1934 wurde es vom neu gegründeten Amt Rosenberg übemommen und im >Amt für Kunstpflege< versteckt.2 Es war die Grundlage der Machtausübung des >Kampfbund für deutsche Kultur< und fühlte sich später im Amt Rosenberg „federführend". Das Kulturpolitische Archiv (KPA) als Subinstitution im Amt Rosenberg im Gefüge der forschungsrelevanten Parteistellen: s. dazu Bollmus 1970 Manche Selbstdarstellungen gehen davon aus, daß es von der NS-Kulturgemeinde übernommen wurde. "Amt KPA' o D. (nach 1943) - BAK NS 15.:146 1 2 Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 38 Die Hauptaufgaben des KPA fasste das Amt Rosenberg in folgenden fünf Punkten zusammen: 1. „Beobachtung und Auswertung sämtlicher kulturpolitischer Veröffentlichungen in der deutschen Tages- und Zeitschriftenpresse. 2. Anforderung von Gutachten und „Verwertung von Informationen durch die Fachämter", z. B. dem Hauptamt Wissenschaft im Amt Rosenberg. 3. „Anfragen bei den Hoheitsträgern bzw. Gauvertretern dieser Dienststelle." 4. „Zusammenarbeit in schwierigen Fällen mit dem Reichssicherheits(haupt)amt" 5. „Selbständige Erstellung von Beurteilungen auf Grund von Manuskripten usw."1 Nach einer Darstellung vom 19. März 1941 wurden vom KPA jährlich etwa 800 Vorgänge bearbeitet. 1944 verfügte das KPA über 60 000 Personalvorgänge. 1 Konzept o. D. o. V. und KPA an Utikal, 4.5.43, beides BAK NS 15/146 - s. Simon 1986, 535. - Manche Aussagen in anderen Quellen lassen darauf schließen, daß das KPA gelegentlich durch besondere Gewährsmänner Recherchen durchführte. Etat-Voranschlag KPA für 1.8.35-31.7.36 (= Anlage zu Gerigk an Verwaltung, 11.9.35 - BAK NS 15/259 - Betr.: KPA, o.D. (nach 1.5.37) - ebenda. Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 39 Zumindest bis 1939 gehörte zu den wichtigsten Mitarbeitern des KPA Anneliese Bretschneider. 2.624 Eine Germanistin im Hintergrund Frauen hatten auch im 3. Reich, wenn man von den eng begrenzten Wirkungsmöglichkeiten im Umkreis des nationalsozialistischen Mutterkultes1 absieht, kaum eine Chance, Macht auszuüben, es sei denn in Einzelfällen über ihre Männer. Relative Macht konnte ihnen auch dann bestenfalls zuwachsen, wenn sie verzichteten, im Rampenlicht der Öffentlichkeit zu stehen, wenn Unauffälligkeit zu ihren wichtigsten Qualifikationen gehörte, wenn sie sich in einem klar umrissenen Bezirk unentbehrlich für die Männerwelt gemacht hatten und wenn sie die männlichen Durchsetzungstechniken besser beherrschten als die Anneliese Bretschneider Männer. Wenn dann auch noch eine überdurchschnittliche Intelligenz hinzukam, dann konnten sie sogar unverheiratet sein und waren dennoch prädestiniert für eine Position, wie sie Anneliese Bretschneider im Kulturpolitischen Archiv im männerbeherrschten Amt Rosenberg innehatte.2 Anneliese Bretschneider (*24.8.1898) hat ihre entscheidende wissenschaftliche Ausbildung am >Sprachatlas< in Marburg bei Ferdinand Wrede erhalten (s. Kap. 6.2). Durch Vermittlung des Dialektologen Theodor Frings kommt sie im Januar 1931 an den Volkskunde-Atlas und wird eine wichtige Parteigängerin von Arthur Hübner. Ihre Brüder, glühende Nationalsozialisten seit den Tagen des Putsches an der Feldherrnhalle in München, bringen sie dazu, wenigstens in Rosenbergs >Kampfbund für deutsche Kultur< einzutreten. Hier lernt sie Walter Stang kennen, der sie 1934 zu seiner Mitarbeiterin im KPA macht. Als Stang bei Rosenberg an Einfluss verliert, entstehen auch bei ihr Veränderungswünsche. 1939 übernimmt sie, von der DFG und der Berliner Akademie der Wissenschaften unterstützt, die Leitung des >Brandenburg-Berlinischen Wörterbuchs<. Ihre wissenschaftliche und ihre politische Arbeit hat sie nie getrennt. 1940 tritt sie in den Sicherheitsdienst ein, zu dem sie seit 1935 Beziehungen hatte. Obwohl ihre Vergangenheit nachweislich bekannt war, wird sie in der DDR Mitglied der Akademie der Wissenschaften und Professorin in Potsdam. Zur Rolle der Frau im 3. Reich existiert eine umfangreiche Literatur, u.a. von der Reichsfrauenführerin im 3. Reich Gertrud Scholtz-Klink 1968 - s. Stephenson 1975 - Wiggershaus 1984 Kuhn/Rothe 1987 - Korotin 1992 2 Bretschneider geht sogar selbst mehrfach auf die Frauenproblematik ein, z.B. in Bretschneider 1935a - s.a. Bretschneider (1935b), 1-2 1 Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 40 2.625 Die NS-Kulturgemeinde 1934, als das Amt Rosenberg entstand, erhielt der >Kampfbund für deutsche Kultur< (KfdK) einen neuen Namen: >Nationalsozialistische Kulturgemeinde< (NSKG) und wurde umorganisiert. Hier ein vermutlich kurz vor dem Namenswechsel entstandenes, von Baeumler signiertes Organogramm des >Kampfbunds für deutsche Kultur<.1 Auffällig ist, dass schon hier >Volkstum- und Heimat< als dem >Kampfbund für deutsche Kultur< angegliedert gesehen wird, wenn auch nur auf Landes-, Kreis- und Ortsebene. Wie die >Reichsstelle zur Förderung des deutschen Schrifttums< dem >Amt Schrifttumspflege< angegliedert wurde, so die >NSKG< dem >Amt für Kunstpflege< im >Amt Rosenberg<, hie wie da durch Personalunionen zusätzlich aneinandergezurrt (Hagemeyer bzw. Stang). Die NSKG übernahm alsbald den Bund >Heimat und Volkstum<. 2.626 Ein Germanist als Hauptstellenleiter Mit dem Bund >Volkstum und Heimat< kamen auch der ostpreussische Germanist Alfred Zastrau und sein Adlatus Hans Ernst Schneider alias Schwerte als Hauptabteilungsleiter bzw. als Gaufachstellenleiter, später stellvertretender Hauptabteilungsleiter in Rosenbergs NSKulturgemeinde, Gaudienststelle Ostpreussen.2 1 2 Überliefert im BA NS 8/122 BI. 90 Zu diesem und dem folgenden Absatz s. PA. Zastrau - BDC Alfred Zastrau Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 41 1937 fällt Zastrau beim Gauleiter in Ungnade. Er beschließt, die Universitätslaufbahn einzuschlagen, will sich zunächst in Göttingen, dann in Halle habilitieren mit einer wortgeschichtlichen Studie über „Wahrheit"1, wird Opfer des aus Königsberg kommenden für Wissenschaft zuständigen Ministerialdirigenten im Wissenschaftsministerium Heinrich Harmjanz, dessen aus Königsberger Zeit datierender Hass gegen Zastrau 1943 erheblich zu seinem eigenen Sturz beiträgt. Harmjanz wird des Plagiats überführt. Welche Rolle Zastrau dabei spielte, ist unklar. Fest steht, dass Zastrau seit 1932 Kontakt hatte zu Baeumler, dem wichtigsten für Wissenschaft zuständigen Mann in der Umgebung Rosenbergs, Leiter des Amtes Wissenschaft in dessen Dienststelle und der Hohen Schule (in Vorbereitung). Die Demaskierung Harmjanz' überliess Baeumler wohl aus seiner berüchtigten Feigheit heraus seinem Mitarbeiter Wilhelm Longert.2 Ab 1943 konnte Zastrau sich dann habilitieren. Nach dem Zweiten Weltkrieg finden wir Zastrau an der Technischen Universität Berlin wieder. Sein Hauptwerk, das 'Goethe Handbuch', blieb bisher unvollendet. 2.7 Germanisten im Rassenamt der SS Am 31. Dezember 1931 gibt Himmler den berüchtigten „Verlobungs- und Heiratsbefehl" heraus, nach dem eine Heirat „allein nach rassischen und erbgesundheitlichen Gesichtspunkten erteilt oder verweigert" werden soll.3 Die Heiratsgesuche zu bearbeiten hat das >Rassenamt<, ein Teil des >Rasse- und Siedlungsamts<. Vor Ort richtet es Rassereferate und -pflegestellen ein. Dort lassen sich die SS-Männer beraten, insbesondere welche Frau sich für ihre Familienpläne eignet und welche nicht. 2.71 Ein Germanist als Leiter des Rassenamts II der SS Joseph Otto Plassmann Das Rassenamt der SS ist für eine Reihe von Germanisten eine Durchlauf-Institution von der NSKG zur SS. Zu ihnen gehört der Germanenkundler Joseph Otto Plassmann. 1937 wird er 41jährig Leiter des Rassenamts II. 1919 nahm er „mit der Waffe in der Hand" an der Niederschlagung des Spartakus-Aufstandes und später an der Bekämpfung des französischen Besatzungsheeres im Rheinland teil. Er bewegte sich lange vor 1933 als Aktivist in der Umgebung mehrerer NS-Mythologen wie Wilhelm Gustloff, Wilhelm Teudt und Herman Wirth. Als er Leiter des Rassenamts II wird, hat er sich nicht nur als Herausgeber der SSZeitschrift >Germanien< einen Namen gemacht, sondern auch die Auffassung dieser NS-Mythologen hin- Später umbenannt in den Titel: WAHR - Studien zu einer wortgeschichtlichen Untersuchung. Ein Exemplar diesser ungedruckten Habilitationsschrift findet sich im UA Halle, Rep. 21N/I[. Am 6.1.43 erhält er endlich die Habilitationsurkunde, am 5.10.44 wird er schließlich zum Dozenten ernannt. PA. Zastrau – BDC 2 s. dazu Klingemann 1997 3 zit. nach "The Holdings of the BDC. A guide to the collections." Berlin 1994 S. 50ff. 1 Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 42 ter sich gelassen. Später wird Plassmann Leiter der Abteilung >Germanische Kulturwissenschaft< im >Ahnenerbe<. Ab 1938 werden alle Forscher des Rassenamtes in das >Ahnenerbe< eingebaut. Nach dem Frankreich-Feldzug wirkt Plassmann als „Angehöriger des SD-Einsatzkommandos West" in Paris und in der Bretagne. 1943 habilitiert er sich bei Hermann Schneider in Tübingen. 1944 folgt er einem Ruf an die Universität Bonn. Plassmann war nicht in der NSDAP. 2.72 Aufgaben des Rassenamts im Kriege Das Rassenamt, das Plassmann auf Grund von Intrigen noch 1937 verlassen musste, systematisiert erste grobe Rassenbestimmungen (links) allmählich in Richtung auf eine Rassenkarte (rechts) als Grundlage für Entscheidungen vor allem im Rahmen der Umsiedlungen. Diese Entscheidungen waren alsbald Entscheidungen über Leben und Tod von hunderttausenden von Menschen. Neben dem Rasseideal >nordisch< (rechts), hier interpretiert als „schreitender Waldjäger", „Läufer (Ferne)" und „dynamischer Typ" akzeptierte man auch noch die >fälische< Rasse (Mitte) („Grosswildjäger", „Bauer", „konservativer Typ") und die >ostbaltische< Rasse (links) („Sumpfjäger", „Fischer", „statischer Typ"). Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 2.8 43 Leipzig: Ein Nest von Germanisten im Sicherheitsdienst. 2.81 Leipzig war die Stadt der Verlage. Als es darum ging, einen Ort zu bestimmen, an dem sämtliche Veröffentlichungen deutscher Verlage gesammelt und -öffentlich zugänglich gemacht werden sollten, lag es daher nahe, Leipzig zu wählen. An die in Leipzig errichtete >Deutsche Bücherei<, wie man diese Sammelstelle nannte, verpflichteten sich alle Verlage mindestens ein Exemplar von jeder Publikation unentgeltlich abzuführen. Die Idee des Sicherheitsdienstes, die von dem Germanisten Wilhelm Spengler stammte, in und in Kooperation mit dieser Einrichtung für den SD eine Schrifttumsstelle zu installieren, folgte konsequent aus dem Zweck des schnellen Zugriffs auf Informationen aller Art. Im übrigen auch der Umstand, in ihr hauptsächlich Germanisten zu beschäftigen. Diese Schrifttumsstelle wurde jedenfalls das wichtigste Nest später einflussreicher SD-Germanisten. Sie landeten alsbald entweder in der Berliner SD-Zentrale (z.B. Spengler, Kielpinski, Rössner) oder wurden als V-Mann an ihrer Universität (z.B. Obenauer) bzw. als Spezialisten in Detailfragen (z.B. Jolles) eingesetzt. 2.82 Wilhelm Spengler (*19. März 1907)1 lernte in einem Augsburger Internat, dem ein Benediktiner vorstand, frühzeitig – wie er sich ausdrückt „den Katholizismus in seinen Einrichtungen, Vertretern, weltanschaulich-konfessionellen Hintergründen und Arbeitsmethoden kennen" und -hassen. Das letztere so sehr, dass er sein ursprünglich ins Auge gefasstes Studium der Ingenieurwissenschaften aufgab und „ein Studium ergriff, das einem weltanschauliche Werte aus dem germanischen und deutschen Geisteserbe vermitteln konnte". Er stuWilhelm Spengler dierte in München und Leipzig Germanistik, Geschichte, Kunstgeschichte und Philosophie unter anderem bei André Jolles, Karl Justus Obenauer und bei seinem Doktorvater Hermann August Korff. Er promovierte 1931 summa cum laude mit einer Dissertation über „Das Drama Schillers“2. Im Januar 1932 legte er das Staatsexamen mit der Note 1 ab. 1932 bis 1933 war er Studienassessor am Carolagymnasium Leipzig. Zugleich baute er im Rahmen der akademischen Selbsthilfe die Abteilungen für Arbeitsdienst, Siedlung, Arbeitsvermittlung und Junglehrerhilfe auf. Für dies und das folgende s. Simon, Gerd: Germanistik in den Planspielen des Sicherheitsdienstes der SS. Tübingen 1998 – vgl. a. Wildt, Michael (Hg.): Nachrichtendienst, politische Elite und Mordeinheit. Hamburg 2003, 190ff + 204ff. 2 Spengler 1932 1 Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 44 Bereits im November 1933 tritt Spengler durch Vermittlung des SSOberführers Beutel, „eines der ersten hauptamtlichen Mitarbeiter Heydrichs im SD“, während des fälschlich sogenannten >Röhm-Putsches< dessen Beauftragter für die Morde in Sachsen1 und später Führer der Einsatzgruppe IV der Sicherheitspolizei und des SD beim Überfall auf Polen, in den Sicherheitsdienst ein. Ab 15. März 34 ist Spengler hauptamtlich unter Franz Alfred Six tätig. Im April 1936 wird er als Leiter der Abteilung Presse und Schriftum an die SDZentrale in Berlin versetzt. Dort ist er bis 1944 Gruppenleiter im späteren Amt III (Kultur) unmittelbar unter Otto Ohlendorf. Am 13. März bzw. 1. Oktober 1938 ist Spengler wie Kielpinski und andere in dem von Six geleiteten Sondereinsatz im Rahmen der Einmärsche in Österreich sowie in die Tschechoslowakei aktiv. Von April 1944 bis Kriegsende weist Spenglers Vita eine auffällige Lücke auf.2 Spengler verbringt nach dem Krieg bis Februar 1947, also über eineinhalb Jahre, in Internierungslagern, zuletzt in Ludwigsburg.3 Im Mai 48 wird er „ohne jegliche Auflagen und Einschränkungen" entnazifiziert. In den 50er Jahren ediert er mit Hans Schwerte alias Hans Ernst Schneider mehrere Bände zum Europagedanken. 2.83 Walter von Kielpinski (*29. April 1909)4 studierte von Sommersemester 1929 bis 1934 in Halle, Berlin und Leipzig Germanistik und neuere Sprachen. Im Juni 1933 trat er der SA bei, dort ist er ab Februar 1934 Scharführer. Am 1. Juli 1934 – also einen Tag nach dem sogenannten >Röhm-Putsch< – meldet er sich zum SD. Er ist zunächst ehrenamtlicher Mitarbeiter in Spenglers Schrifttumsstelle in Leipzig. Nach seinem Examen im Dezember 1934 übernimmt er hauptamtlich im SD-Hauptamt die Abteilung II 22 ("Presse und Schrifttum"). Am 13. März bzw. 1. Oktober 1938 ist Kielpinski in dem von Six geleiteten Sondereinsatz im Rahmen der Einmärsche in Österreich sowie in die Tschechoslowakei aktiv. Spätestens ab März 1941 ist er Spenglers Stellvertreter in der Kulturabteilung des SD (inzwischen III C genannt), in der er weiterhin die UnterabWalter von Kielpinski teilung III C 4 (>Presse, Schrifttum, Rundfunk<) 5 betreut. Gelegentlich hilft er auch in Eichmanns Ab- s.a. die Aussage Karl Frhr. von Eberstein 3.8.46 - Nürnberg 1948. Bd. XX, S. 317f Nach Auskunft von Michael Wildt nahm Spengler zumindest als Berichterstatter an den mordenden Operationen von Einsatzgruppen der SS in Russland teil. – vgl. a. Spengler, Wilhelm: Bandenkrieg im Niemandsland. Vom Einsatz des SD. Das Reich Nr. 18, 3.5.1942 sowie ders.: Volksdeutsche Schicksale. ebd, 9.8.1942. 3 Für diesen und den folgenden Satz s. Spenglers eidesstattliche Erklärung vom 30.5.49, HStA Düss NW 1049/4268. 4 Für dies und das folgende s. Llf. Kielpinski, 20.9.37, PA. Kielp. BDC-SSO - Personalbericht Six o.D (Durch Wasserschaden unleserlich, nach 1937/38), ibid. - dto, 21.9.37, ibid. - Beförderungsvorschläge o. D. (nach 1941), ibid. - Vorschlags-Prot. SIX, o. D. (21.9.37), ibid. - FB zur Verlobungsgenehmigung, 15.2.36, ibid. 5 Für dies und das folgende: Geschäftsverteilungsplan RSHA 1941 (nach 1945 angefertigt, nicht ohne Fehler!), BDC-dto., 1943, ibid. - dto, 1.10.43, Nürnberger Prozess Dok 219 L. 1 2 Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 45 teilung IV B 4 (>Judenangelegenheiten, Räumungsangelegenheiten<) aus. Zeitweise ist er für den SD in Warschau tätig.1 Ein Angebot, ins Propagandaministerium überzuwechseln, schlägt er aus. Zuletzt ist er Obersturmbannführer und Nachfolger Spenglers in der Leitung der Abteilung III C (>Kultur<). 2.84 Hans Rössner (*5. Juli 1910)2 studierte ab 1930 in Leipzig, Graz und Marburg die Fächer Deutsch, Geschichte und evangelische Theologie – vor 1945 spricht er von dieser als „Religionslehre" –, war ab 1933 Mitarbeiter im Studentenwerk Leipzig und Abteilungsleiter der Akademischen Selbsthilfe Sachsen, in der wir ja bereits Spengler aktiv sahen, trat der SA bei, bevor 1934 die SS ihn zeitweise als hauptamtlichen Referenten und Abteilungsleiter im SD übernahm. Im April 1936 wurde er Assistent am Germanistischen Seminar der Universität Bonn. Am 18.10.1937 bestand er bei Karl Justus Obenauer mit der Arbeit „Georgekreis und Literaturwissenschaft" – einer programmatisch wirkungsgeschichtlichen Studie – das Doktorexamen. In Bonn gibt er Ausländerkurse und hält Vorlesungen und Übungen bei Auslandsdeutschen ab. 1938 ist er darüber hinaus Leiter der Nachrichtenstelle der Universität Bonn und Amtsträger im NSD-Dozentenbund. Ab 1938 ist er Referent in der Wissenschaftsabteilung im SD-Hauptamt. Zu Beginn des Krieges macht Rössner „den Polenfeldzug in vorderer Linie bei der kämpfenden Truppe (Artillerie)" sowie bis April 1940 den Frankreichfeldzug mit. 1940 ist er „als einziger nichthabilitierter Geisteswissenschaftler" zu einer Mitarbeit am >Kriegseinsatz der Geisteswissenschaften< vorgesehen (s. Kap. 4.2). Hans Rössner Seit 1940 leitet Rössner die von ihm geschaffene und seitdem so benannte Abteilung III C 3 („Kunst und Volkskultur") im Sicherheitsdienst, zuletzt als SS-Obersturmbannführer. In dieser Abteilung wurden die Gebiete 'Allgemeine Kultur, Dichtung, Bildende Kunst, Theater, Musik und Film' nachrichtendienstlich behandelt. Laut Vernehmungsniederschrift vom 12.5.1965: „Es wurden aus den SD-Dienststellen im Lande, die ihrerseits mit zahlreichen ehrenamtlichen Vertrauensleuten zusammenarbeiteten, Nachrichten aus den genannten Gebieten gesammelt und ausgewertet, wobei es darauf ankam, dass auch sachlich kritische Meinungen unverfälscht wiedergegeben wurden. Die zusammengefassten Berichte wurden den verschiedenen zuständigen Dienststellen und Ministerien weitergeleitet." Für dies und den Rest des Absatzes: Beförderungsvorschlag 19.5.43, PA. v. Kielpinski - BDCSSO. 2 Für dies und die folgenden Tatsachenbehauptungen s. ausführlich: Simon, Gerd: Germanistik in den Planspielen der SS. Tübingen 1998 sowie: Wildt, Michael: Generation des Unbedingten. Hamburg 2002. – Schroeder, Werner: „... eine Fundgrube der Schrifttumsinformation.“ in: Gibas, Monika (Hg.): „Arisierung in Leipzig“. Leipzig 2007, 116-151. 1 Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld 46 Bei den „zusammengefassten Berichten“ handelt es sich vermutlich um die Grundlagen der „Meldungen aus dem Reich“, wie sie inzwischen Heinz Boberach in 16 Bänden teilweise publiziert hat. 1941 steht Rössner auf der Vorschlagsliste für den Strassburger Lehrstuhl für Germanistik. Sicher ist, dass Rössner zwar von 1940 bis 1944 einen Lehrauftrag an der Universität Bonn innehatte1, aber weder in Strassburg noch sonstwo jemals Professor wurde. Nach dem Kriege war Rössner vom 23.5.45 bis zum 13.4.1948 im Lager Neuengamme interniert. Er trat als Zeuge der Verteidigung im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher auf. Am 19. August 1948 verurteilte ihn das Spruchgericht Bergedorf wegen „Zugehörigkeit zu einer für verbrecherisch erklärten Organisation“ zu 2000,- DM Geldstrafe, ersatzweise für je 10,-DM zu einem Tag Gefängnis, verbüßt durch die Internierungshaft. Am 21.4.1950 wird er entnazifiziert und in die Gruppe IV (Mitläufer!) eingestuft. Im Unterschied zu anderen Fällen, z.B. Obenauer (s.Kap.2.85) bemühte sich keine dieser Rechtsinstitutionen um Gutachten von Personen, die Opfer hätten gewesen sein können. Die Entnazifizierungsurteile kannten 5 Stufen: I Hauptschuldige II Belastete (Aktivisten) III Minderbelastete IV Mitläufer V Entlastete Nach seiner Internierung arbeitete Rössner zunächst als Volontär und später als Lektor im Stalling-Verlag in Oldenburg. 1953 tritt er in die Verlagsleitung des Insel-Verlages in Wiesbaden ein. Ab 1958 ist er Verlagsleiter im Piper-Verlag in München. Er gibt einige Sammelbände hauptsächlich zu anthropologischen Fragen heraus. Kurioserweise enthält einer dieser Bände („Rückblicke in die Zukunft – Beiträge zur Lage in den achtziger Jahren.“ – Beiträger waren Leszek Kolakowski, Golo Mann, Karl Dietrich Bracher, Ralf Dahrendorf, Knut Borchardt, Horst Albach, Peter Wapnewski, Reimar Lüst, Victor F. Weisskopf, Manfred Eigen, Otto Creutzfeldt, Bernhard Hassenstein, György Ligeti, August Everding und Werner Hofmann) kurzbiographische Notizen über die Beiträger, nicht aber über den Herausgeber. Von den Beiträgern dürften die meisten – wenn nicht alle – keinerlei Ahnung gehabt haben, mit wem sie es zu tun hatten. Im Übrigen bereute er auch Hannah Arendt2 verlagsmäßig und verkehrte im Hause von Walter Jens3. 2.85 Karl Justus Obenauer (*29.2.1888) war der wichtigste akademische Lehrer dieser Gruppe von Germanisten im SD und wurde offenbar auch durch diese in den SD hineingezogen.4 Er studierte ab 1906 in München Germanistik – er hebt unter seinen Lehrern Muncker und von der Leyen hervor –, Philosophie und Geschichte. Am 23.Juli 1910 promovierte er über den von Fichte herkommenden, mit den Brüdern Schlegel befreundeten und außerdem von Schelling und Schleiermacher ge1 s. Wenig 1968, S. 249 s. dazu Michael Wildt: Generation..., S. 797ff. 3 Jens, Tilman: Demenz. 2009 (s. dazu http...) 2 Karl Justus Obenauer 4 So jedenfalls O's Aussagen nach dem Zweiten Weltkrieg. Vernehmungsprotokoll Scharfenberg in Eselheide 6.8.47, BA Z 42 IV 4295 Bl. 29 Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld 47 schätzten Philosophen und Schriftsteller August Ludwig Hülsen. 1911 setzt er sein Studium an der Sorbonne und am Collège de France in Paris fort. 1912 ist er kurze Zeit Lektor in Grenoble, wenig später wieder in Paris. 1914 wird er als Kriegsfreiwilliger zuerst zurückgestellt, 1915 als Fußartillerist, dann als Dolmetscher in einem Gefangenenlager seiner Heimatstadt Darmstadt, schließlich als Gefreiter beim Nachrichtenchef im Grossen Hauptquartier eingesetzt. Hier dürfte er sich bereits wesentliche Grundfertigkeiten angeeignet haben, die ihm später beim SD nützlich sein konnten. In der Nachkriegszeit betätigte er sich in Darmstadt als freier Schriftsteller. Er fühlt sich geprägt durch die Anthroposophie Rudolf Steiners. 1926 habilitiert er sich bei Hermann August Korff an der Universität Leipzig kumulativ mit seinen bis dahin erschienenen Werken über Goethe, die Romantik, Nietzsche, Strindberg und Hofmannsthal. Korff reiht Obenauer in die Richtung des Juden Gundolf ein. In der Habilitationskommission werden Zweifel laut. In historischer und philosophischer Hinsicht stünde Obenauers Opus auf zu flacher Basis. Der Pädagoge Theodor Litt bedenkt in weiser Voraussicht – in der Wiedergabe des Protokolls des Dekans: „Es bestehe die Gefahr einer Verwässerung der Germanistik in Ideologie.“ Wenn man davon absieht, dass die venia legendi auf neuere deutsche Literatur begrenzt wird, geht die Habilitation aber ansonsten problemlos über die Bühne. Im Mai 1933 in die NSDAP eingetreten (Mitgliedsnummer 1961 827), betätigt sich Obenauer zunächst als Blockwart. Noch in Leipzig ist er wieder nachrichtendienstlich, und zwar im Sicherheitsdienst – wenn auch nicht hauptamtlich - tätig. Spengler bestätigt ihm später, dass er es war, der Obenauer in den SD und damit in die SS brachte. Die Universität Bonn hatte bei der Wiederbesetzung des Lehrstuhls von Oskar Walzel nicht gerade Obenauer im Auge. Kaum ist er zum 1.10.36 berufen - wovon die Universität offiziell erst 14 Tage später erfährt –, wird er nicht nur Dekan der Philosophischen Fakultät der Universität Bonn – seine Antrittsvorlesung hält er übrigens in SS-Uniform ab –, sondern wird auch in einen Fall verwickelt, der weit über Deutschlands Grenzen hinaus zum Symbol für den Einzug nationalsozialistischen Barbarentums in die deutschen Universitäten wurde und noch heute speziell die Universität Bonn beschäftigt: Die Aberkennung der Ehrendoktorwürde an Thomas Mann. Obenauer ist zu den Wissenschaftlern zu zählen, die es verstanden, sich sowohl mit den Himmler-Leuten als auch mit den Rosenberg-Leuten und mit den Goebbels-Leuten gut zu stellen. Für alle drei Institutionsbereiche schreibt er Gutachten. Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld 48 2.86 Johannes Andreas Jolles – vor 1933 und nach 1945 dominiert der Name André Jolles – (*7.8.1874 in den Helder in Holland) wächst in Amsterdam auf, studiert dort ab 1894, später auch in Leiden orientalische Kunst und vergleichende Kunstgeschichte. In Frankreich und Italien betätigt er sich zwischendurch als Dichter und Schriftsteller.5 Er wird als „einer der Führer der jungen flämischen Literatur“ zum Kreise um Verweylen gerechnet. Er ist Mitbegründer und Herausgeber der Zeitschriften >Van nu en straks< und >De kroniek<. 1901 setzt er sein Studium in Freiburg fort. Schwerpunkt ist jetzt Archäologie und Geschichte. 1904 promoviert er, 1905 habilitiert er sich ebenda in Allgemeiner Kunstge- Johannes Andreas Jolschichte. 1908 habilitiert er sich nach Berlin um. Ab les 1912, spätestens 1913 ist er im Auftrage des Preussischen Kultusministeriums tätig am >Zentralinstitut für Erziehung und Unterricht.< Im Ersten Weltkrieg ist er als Kriegsfreiwilliger auf deutscher Seite als Oberleutnant und Gasoffizier tätig. Er erhält das Eiserne Kreuz I. und II. Klasse. 1916 wird er ordentlicher Professor an der flämischen Universität in Gent. 1917 wird er als außerordentlicher Professor für vergleichende Literaturwissenschaft, flämische und nordniederländische Sprachen und Literatur nach Leipzig berufen. 1932 erhält er für ein Festspiel zur Feier des 300jährigen Bestehens der Universität Amsterdam einen ersten Preis. Jolles steht seit 1937 im Dienst des SD. Nach Kriegsbeginn 1939 und nach der Besetzung Hollands schlägt Spengler den inzwischen emeritierten Jolles vor für eine Tätigkeit bei der Zivilverwaltung in Holland.6 Auf Anordnung Heydrichs ist er von Januar bis März 1942 mit der „Fertigstellung grösserer Denkschriften zu einem bestimmten Fragenkreis der Freimaurerei“ beschäftigt.7 Zum 70. Geburtstag wird ihm im Jahr 1944 die Goethe-Medaille für Kunst und Wissenschaft verliehen, die höchste Auszeichnung, die im 3. Reich vergeben wurde.8 Die Parteikanzlei verweist nicht nur auf Jolles „hervorragende Arbeit >Die Freimaurerei, Wesen und Brauchtum<“, sondern auch das „für die Literaturwissenschaft wie für die Volkskunde bedeutsame Buch >Einfache Formen...<“, das „bahnbrechend gewirkt“ habe.9 Letzteres Opus erfreut sich bis zur Gegenwart einer ungebrochen positiven Rezeption. 1982 erschien es in 6. Auflage.10 Jolles war in erster Ehe verheiratet mit Mathilde Mönckeberg, einer Tochter des berühmten Hamburger Bürgermeisters Mönckeberg.11 Unter dem Pseudonym Karl Andres arbeitet er zusammen mit seinem Schwager Carl Mönckeberg Bühnenstücke („Vielliebchen“) aus. Als der Leipziger Rektor Hel- 5 zu Jolles s. Simon, Gerd: Germanistik ..., S. XLf. 6 Spengler an Führer - REM - 3.7.41, PA Jolles BDC - REM Bl. 9296 7 Spengler an Menzel 9.12.41, PA. Jolles BDC - REM Bl. 9298 - Vgl. Mentzel an Leiter des Sächs. Ministeriums für Volksbildung Dresden, ibid. Bl. 9300 - Göpfert an REM, 15.1.42, ibid. Bl. 9301 - Mylius an Mentzel 14?.3.42, ibid. Bl. 9302 - dto, 18.9.42, ibid. Bl. 9304 - Niederschrift über die Arbeitstagung mit Prof. Franz beim RSHA VII C am 10. + 11. 4.42, BA ZR 540 A. 21 Bl. 164 8 Staatsminister + Chef der Präsidialkanzlei an REM, 5.9.44, PA. Jolles, BDC- REM Bl. 9319 9 Looft an Staatsmini + Chef der Präsidialkanzlei 2.8.44, PA. Jolles BDC - REM Bl. 9312 10 Jolles, André: Einfache Formen. Legende/ Sage/ Mythe/ Rätsel/ Spruch/ Kasus/ Memorabile/ Märchen/ Witz. [Sächsische Forschungsinstitute in Leipzig D: Forschungsinstitut für neuere Philologie II. Neugermanistische Abteilung, Heft II] Halle 1929/30. Tübingen 1982 [6. Aufl.] 11 Pb. Jolles, loc. cit. - Degener, loc. cit. Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld 49 mut Berve, Leiter des >Kriegseinsatzes der Altertumswissenschaften<12 Anfang 1942 die Genehmigung erhält, eine Universität für französische Kriegsgefangene zu errichten und seinen Leipziger Kollegen von Jan mit der Leitung dieser Universität beauftragt, verpfeift Jolles letzteren beim Reichssicherheitshauptamt als „Katholik und Freimaurer“. Da von dieser Universität hinfort nirgends mehr die Rede ist, lässt sich nicht ausschließen, dass das Unternehmen durch diese Denunziation zu Fall gebracht wurde. Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg gibt der Dekan der philosophischen Fakultät, der bekannte Philosoph Gadamer, eine dreigegliederte Einschätzung Jolles: 1. Altparteigenosse. Mitarbeit im Rahmen der SS und des SD, insbesondere Mitarbeit im Rahmen des „Ahnenerbe“.13 Entschieden nationalsozialistische Haltung. 2. Das Bekenntnis zum Nationalsozialismus dürfte durch die Volkstumsinteressen von Professor Jolles, aber insbesondere seine niederländischen Studien nahe gelegt sein. 3. Ein geistvoller Forscher von eigenartiger Weite literaturgeschichtlicher Interessen. 2.87 Der Medienwissenschaftler Franz Alfred Six (*12.8.1909) war der erste Chef dieser Gruppe von SDGermanisten, der sich freilich bald neue Aufgaben sucht. Der von Six verfasste Lebenslauf in seiner Dissertation ist der kürzeste, den wir je zu Gesicht bekamen.14 Er sei daher hier vollständig wiedergegeben: „Ich wurde am 12. August 1909 in Mannheim geboren. Nach der Ablegung der Reifeprüfung studierte ich Allgemeine Staatslehre, Soziologie, Geschichte, Literaturgeschichte und Zeitungswissenschaft, um nach Ablauf von acht Semestern mit vorliegender Arbeit an der Philosophischen Fakultät der Universität Heidelberg am 6. Mai 1934 zu promovieren.“ 15 Franz Alfred Six Bei einem Geheimdienstler sollte nicht überraschen, dass sich hinter einem solchen Lebenslauf eine der steilsten Karrieren der Hochschulgeschichte verbirgt. Noch vor Beendigung seines Studiums wird Six im Mai 1933 Assistent am Heidelberger Institut für Zeitungswissenschaft. Im Juli 1935 verändert er sich auf Antrag des zeitungswissenschaftlichen Verbands als Lehrbeauftragter an die Universität Königsberg. Die Dissertation ist noch nicht erschienen, da habilitiert sich Six am 3. Juni 1936 auch schon, so dass er am 12. Dezember 1936 endgültig zum Dr. phil. promoviert und am 21. Dezember, also noch im gleichen Monat vorläufig zum Dr. phil. habil. ernannt wird. Im Oktober 1938 wird Six zum nichtbeamteten außerordentlichen Professor ernannt. Im Januar 1939 diskutiert man bereits die Versetzung Six' von Königsberg nach Berlin. Als Six in diesem Zusammenhang im September 1939 12 s. Berve, Helmut: Das Neue Bild der Antike. Lpz. 1942 13 Zumindest in diesem Punkte irrt Gadamer sehr wahrscheinlich. In den >Ahnenerbe<-Akten taucht der Name Jolles nicht auf. 14 Vielleicht ist bei dieser Gelegenheit darauf hinzuweisen, daß uns - nach unserer eher untertreibenden Schätzung - mehr als 2000 Lebensläufe vorwiegend von Philologen und Historikern als Vergleichsbasis dienen. 15 Six 1936, S. 76 Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld 50 die Beförderung zum außerplanmäßigen Professor beantragt, macht ihn der Wissenschaftsminister im März 1940 gleich zum ordentlichen Professor für politische Geistes- und Zeitgeschichte und Dekan der neugeschaffenen auslandswissenschaftlichen Fakultät.16 Am 1. April 1943 wird er zum Gesandten 1. Klasse als Leiter der kulturpolitischen Abteilung im Auswärtigen Amt ernannt. Six' Karriere auf der Universität läuft eine in der Partei parallel: Six war sogar schon 1929 in den NS-Schülerbund eingetreten.17 Noch als Schüler wird er im März 1930 NSDAP-Mitglied; ab 1. November 1932 SA-Mitglied. Zugleich ist er Hauptschriftleiter des >Heidelberger Student< und ab Mai 1933 Hauptamtsleiter des Amtes >Aufklärung und Werbung< in der NS-Studentschaft Heidelbergs sowie noch im Sommersemester 1933 Kreisamtsleiter V der Südwestdeutschen Studentenschaften (zuständig für Presseangelegenheiten). Im Februar 1934, also kurz vor seiner Promotion, beruft ihn die Reichsstudentenführung zum Leiter der Reichsfachabteilung Zeitungswissenschaft sowie im August als Hauptsamtsleiter für Presse, Buch und Propaganda. Am 9. April 1935 tritt Six als Untersturmführer in die SS ein. Vermutlich war es der ehemalige Kommilitone in Heidelberg, Reinhard Höhn, der Six in die SS einführte und ihm die dortige Karriere eröffnete. Auf Anhieb macht ihn Heydrich jedenfalls zum Chef der Hauptabteilung >Presse und Schrifttum< im SD-Hauptamt. Noch 1936 wird Six Leiter der Zentralabteilung >Gegnerforschung<. Nach dem „Anschluss“ Österreichs im März 1938, dem Einmarsch in die Tschechoslowakei im März 1939 und dem Überfall auf Polen im September 1939 leitet Six jeweils die menschenrechtsverletzenden Aktivitäten des SD in diesen Ländern ein. Im Rahmen der Aktion 'Seelöwe', der geplanten, aber nicht zustandegekommenen Eroberung Großbritanniens sollte er abermals als SD-Befehlshaber fungieren. Nach dem Überfall auf die Sowjetunion im Juni 1941 leitet er das >Vorkommando Moskau<, eines der berüchtigten Sonderkommandos der SDEinsatzgruppe B.18 Zugleich ist er Leiter der Forschungsabteilung im Reichssicherheitshauptamt VII („Weltanschauliche Forschung und Auswertung“). Gegen Kriegsende hat er in der SS den Rang eines Brigadeführers. Nach dem Krieg taucht er unter und nimmt den Namen Georg Becker an. Nach Six wird aber im Unterschied zu Schwerte-Schneider gezielt gesucht und also findet man ihn auch. In Nürnberg wird Six im April 1948 hauptsächlich wegen der Vorkommnisse während seiner Tätigkeit als Leiter des >Vorauskommandos Moskau< zu 20 Jahren Haft verurteilt. 1951 wird das Strafmass auf 10 Jahre herabgesetzt. Am 30. September 1952 wird Six vorzeitig entlassen. Danach betätigt sich Six in der Abteilung für Wirtschaftswerbung bei Porsche in Friedrichshafen.19 Er publiziert in der berüchtigten Bad Harzburger >Akademie für Führungskräfte der Wirtschaft<, die Heydrichs alter Kampfgefährte Reinhard Höhn, Six bekannt aus der Heidelberger Studentenzeit, leitet. Anschließend findet 16 Zur Geschichte der auslandswissenschaftlichen Fakultät in Berlin, s. BA 49.01 REM 1247 + 1249 + 1480. - Vgl. a. Bormann an ARO 13.12.39; BA NS 15/245 Bl. 93 (=0354406) - Stn. StF 9.1.40, BA NS 8/183 Bl. 80 - Berichte der Amerika-Abteilung sowie der Abteilung Großbritannien (an der Auslandswissenschaftlichen Fak.); BA ZR 550/1 Bl. 430 - 522 - PA Pfeffer, BA R 21 A 10070 - Muchow an Biedermann 27.1.45, BA NS 8/262 Bl. 44 + Bericht Muchow 22.1.45, ibid. - Über Six handelt eine Fülle von Publikationen z. B. die vom DAWI herausgegebene "Zeitschrift für Politik", 1940ff, außerdem Pfeffer 1944 Monatshefte 1940 - o.V.: dto. Monatshefte für Auswärtige Politik 7, 1940, 108-110- fri 1940 (=BA NS 22/440) - Seeliger 1964, Bl. 10-12 - Siebert 1966, 19-34 sowie Urban / Herpolsheimer, op.cit. - Weyer, op. cit. - Buchstein / Göbler, op. cit. – Hachmeister, Lutz: Der Gegnerforscher. Botsch 17 Für dies und das Folgende v. a. Urban / Herpolsheimer, op. cit. S. 171ff 18 Die Aktivitäten des "Vorauskommandos Moskau" sind nur schlecht überliefert. s. Ereignismeldungen 34 vom 26.7.41, BA R 58/215 Bl. 58 f 19 Seeliger op. cit. Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld 51 man Six bei Hanomag in Hannover. Zeitweise betreibt er ein eigenes Industrieberatungsbüro. Laut Julius Mader soll Six auch für den bundesrepublikanischen Geheimdienst gearbeitet haben.20 Urban und Herpolsheimer vermuten auch eine Kooperation mit dem CIA. 2.88 Auffällig ist die Ähnlichkeit im Schriftzug der SD-Germanisten. Das ist nicht einfach damit zu erklären, dass die jungen Intellektuellen der 30er Jahre die Publikationen des Graphologie-Papstes Ludwig Klages studiert hatten; Weltoffenheit, hohe Intelligenz und Gemeinschaftssinn konnten Graphologen aus solchen Handschriften herauslesen. Wenn man sich schon auf diese Argumentationslinie einlässt: Vielleicht war es nur der 'Kameradschaftsgeist', der diese Homogenität erzeugte. Lebenslauf Spengler Lebenslauf von Kielpinski 20 Mader 1961 - Vgl. Urban / Herpolsheimer op. cit. S. 185 Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld 52 Lebenslauf Rössner (Ausschnitt Lebenslauf Obenauer (Ausschnitte) Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld 53 2.89 Von der Schrift her lässt sich hier nahtlos ein weiterer Germanist einordnen, der allerdings mit dem erwähnten Nest keinerlei Kontakt gehabt zu haben scheint: Manfred Pechau, von dem noch die Rede sein wird. Lebenslauf Pechau (Ausschnitte) 2.9 SD-Dossiers über einige Germanisten Schon 1938 hatte der Sicherheitsdienst zu den wichtigsten Germanisten Dossiers entwickelt. Diese wurden nach dem gleichen vorgegebenen Muster angefertigt. Hier eine Auswahl, die sich auf Germanisten konzentriert, die auch sonst in dieser Übersicht erwähnt werden. Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld 54 2.91 Zu Ernst Bertram (s.u. Kap.1.35) Kurzkommentar zu >Konfession<: Gottgläubig nannten sich alle Nationalsozialisten, wenn sie aus der Kirche ausgetreten, oder kirchlich nicht gebunden waren; sie wollten keine Atheisten sein. Zu >Schrifttum<: Hier werden meist nur wenige Angaben gemacht. Zu >Gesamtbeurteilung<: Hier stehen zumeist die wichtigsten Informationen, manchmal machen sie mehr als die Hälfte des Dossiers aus. 2.92 Zu Hennig Brinkmann (s.u. Kap. 2.4) Zu >öffentliche Betätigung<: Die Dozentenschaft war eine Einrichtung des Wissenschaftsministeriums, also eine staatliche Institution, die sich an allen Universitäten zur Ausrichtung der Lehrenden etablierte. Nach Gründung des parteiamtlichen NSD-Dozentenbunds 1934 wurde sie mit diesem eng verzahnt. Die Gauschrifttumskammer war eine regionale Subinstitution der Reichsschrifttumskammer (s. u. Kap. 2.61). Hier ist die Gauschrifttumskammer Thüringen gemeint. Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld 55 Die vielen nicht ausgefüllten Punkte zeigen, dass der Informant nicht sehr viel über B. wusste. 2.93 Zu Otto Burger (s.u. Kap.10.4 ) 2.94 Zu Gerhard Fricke (s. u. Kap.4.2) Zu >Schrifttum<: Mit „Krüfius“ ist Gryphius gemeint. In der gesamten SS wurde nur schlampig Korrektur gelesen. 2.95 Zu André Jolles (s.u. Kap. 2.86) Zu >Gesamtbeurteilung<: Jolles muß wenig später zum SD gestoßen sein. Da die SD-Zugehörigkeit unter >öffentliche Betätigung< sonst stets erwähnt wird, ist das Dossier schon vor 1937 entstanden. Warum sie nicht aktualisiert wurde, ist nicht bekannt. Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld 56 2.97 Zu Paul Kluckhohn (s.u. Kap.1.32) Zu >Gesamtbeurteilung<: Erich Rothacker spielte 1933 in der Wissenschafts- und Kulturpolitik als Leiter der Abteilung Volksbildung im Propagandaministerium eine gewichtige Rolle.21 Später kehrt er auf seinen Bonner Lehrstuhl auf Grund eines Dissenses in der Rassenfrage zurück. 21 Zu Rothacker s. Weber 1989, S. 125-158 - Laugstien 1990, passim - Leaman 1993, S. 73 Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld 57 2.97 Zu Franz Koch (s.u. Kap. 2.31, 4.2 sowie 10.2) Zu >Schrifttum<: Koch hat mehrere Publikationen zum Themenbereich „Goethe und Plotin“. Zu >Gesamtbeurteilung<: K. gehört zu den wenigen Germanisten, die sowohl vom SD als auch vom Amt Rosenberg wie vom NSD-Dozentenbund über allen Klee gelobt wurden. 2.98 Zu Julius Petersen (s.Kap.1.2) Zu >Gesamtbeurteilung<: In der Ablehnung Petersens war sich der SD einig mit dem ARo.22 Petersen (*5.11.1878) studierte in Lausanne, München, Leipzig und Berlin deutsche Philologie, Kunstgeschichte und Philosophie und schloss das Studium 1903 in Berlin mit einer Dissertation ab.23 (Titel „Schiller und die Bühne“). Nach seiner Tätigkeit in der Cotta’schen Buchhandlung in Stuttgart und als Herausgeber der wissenschaftlichen Beilage der >Allgemeinen Zeitung< in München habilitiert er sich ebenda 1909 mit der Studie >Das Rittertum in der Darstellung des Johannes Rothe<. 1911 ist er Extraordinarius in München. Dann ist er kurze Zeit Professor an der Yale University in New Haven, bevor er 1912 ordentlicher Professor in Basel, 1914 in Frankfurt am Main und 1920 Nachfolger seines Lehrers Erich 22 Gerigk - KPA - an Gestapa, 2.9.35 - BA NS 15/69 Bl. 21 - Der „nach allen Seiten offene“ Petersen zog freilich auch die Kritik eines der schärfsten NS-Kritiker auf sich: s. Fränkel 1954. Vermutlich handelt es sich hier um den respektlosesten Nekrolog in der Geschichte der Germanistik. 23 Zu diesem und dem Folgenden s. Boden 1994, und die dort angegebene Literatur. Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld 58 Schmidt in Berlin wird. Für die Nationalsozialisten war Petersen der Repräsentant des von ihnen bekämpften Liberalismus, hinter dem man nicht weniger als hinter dem Marxismus das Judentum agieren sah, auch wenn seine Vertreter – wie Petersen – nicht jüdisch waren. Petersens Verbeugungen vor Hitler und seinem Rassismus stand der Einsatz für Juden gegenüber. Sein ungeliebter Kollege Franz Koch (s.u. Kap. 2.97 u.ö.) hatte es vor Ort leicht und fand Anlässe genug, die in dichter Folge stattfindenden öffentlichen Auftritte dieses Präsidenten der GoetheGesellschaft – um nur seine wichtigste Neuaufgabe zu nennen – mit Hilfe der Journalisten zur Abschussrampe werden zu lassen. Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 58 2.99 Zu Hermann Schneider (s.Kap.2.71) Zu >Gesamtbeurteilung<: Schneiders Nachlass im Universitätsarchiv Tübingen enthält keine Hinweise auf seinen Antisemitismus, allerdings ist er offensichtlich auch von allem „NichtÜberlieferungswerten“ befreit worden. Andererseits gibt es außerhalb von SS-Beständen, insbesondere in seinen Veröffentlichungen, ebenfalls keine Indizien für eine antijüdische Einstellung dieses ersten Rektors nach 1945. Mit dem Umstand, daß die Tübinger Universität schon vor 1933 nahezu „judenrein“ war, ist er wohl auch kaum ursächlich in Zusammenhang zu bringen. Auf Empfehlung der SS wird dieser „einsatzfähige“ Germanenkundler und Mediävist am Ende des Zweiten Weltkriegs an der Universität Bukarest eingesetzt. Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 3. 59 Bestandsaufnahme am Vorabend des Krieges Noch vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs bringt der SD eine Reihe von Analysen der Lage und Aufgaben einiger geisteswissenschaftlicher Fächer hervor. Die manchmal in Form von Vortragsmanuskripten überlieferten Denkschriften zur • Japanologie und Sinologie • Geschichts- und Vorgeschichtswissenschaft • Volkstumswissenschaft und • Germanistik sind sämtlich nur in einem Archiv überliefert, das die Staatssicherheit der DDR angelegt hatte, vermutlich als Material für Erpressungen. Die frühest datierbare, scharfsinnigste, kenntnisreichste und auch längste Denkschrift (134 Seiten) ist jene zur Germanistik. Der Verfasser wird nicht genannt, ist aber mit erdrükkender Wahrscheinlichkeit Hans Rössner.1 Rössner will die Germanistik – ganz im Sinne der Deutschkundebewegung (s.Kap.1.2) – in Richtung auf eine neue Mutter der Wissenschaften weiterentwickeln. Mit anderen Zielsetzungen und Prophezeihungen hatte er mehr Erfolg, insbesondere was die neue Wende zur Sprachwissenschaft und Wirkungsforschung betrifft, eine Entwicklung, die man heute jedenfalls mit den späten 60er Jahren in Verbindung bringt. Ausrisse aus „Lage und Aufgaben der Germanistik“ 1 Vollständig abgedruckt mit ausführlicher Einleitung in: Simon: Germanistik in den Planspielen... Tübingen 1998 Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... II. DER ZWEITE WELTKRIEG 4. Der >Kriegseinsatz der Geisteswissenschaften< 4.1 Entstehung und Geschichte des „Kriegseinsatzes“ 60 Der >Kriegseinsatz der Germanistik< war ein Subprojekt des Großprojekts >Kriegseinsatz der Geisteswissenschaften<, das 1940 vom Wissenschaftsministerium gegründet wurde.1 Die Oberleitung des Großprojekts hatte der Völkerrechtler und Rektor der Universität Kiel, Paul Ritterbusch, der zu dem Zweck zeitweise ins Wissenschaftsministerium versetzt wurde. Sein unmittelbarer Vorgesetzter im Wissenschaftsministerium, Rudolf Mentzel, war zugleich Leiter der >Deutschen ForP. Ritterbusch, B. Rust und R. Mentzel schungsgemeinschaft< (DFG), die das Projekt finanzierte. Der >Kriegseinsatz< war das einzige ernstzunehmende Forschungsunternehmen, das das Wissenschaftsministerium unter seinem Minister Bernhard Rust überhaupt initiierte und relativ erfolgreich über die Bühne brachte. Der >Kriegseinsatz< verfolgte explizit folgende Ziele: 1. Wissenschaft ist allein dem Volk, seinem Reich und das hieß nach damaliger Sprachregelung faktisch seinem Führer verpflichtet. Das Universalitätsprinzip wird abgelehnt. 2. Der Krieg wird zentral als Auseinandersetzung vor allem mit dem „westlichen“ Wissenschaftsverständnis begriffen.2 (Das „östliche“ stand wegen des Hitler-StalinPaktes nicht zur Debatte.) 3. Der Krieg gilt als Kampf mit dem Ziel einer Neuordnung Europas, die dann mit Hilfe von Politik, Aufklärung und Wissenschaft zu sichern wäre. 4. Der Beitrag insbesondere der Geisteswissenschaften wird in der „inneren Front“ gesehen, d.h. in der Bekämpfung der weltanschaulichen Gegner im Reich. 5. Wichtig ist den Wissenschaftspolitikern dabei auch der Beitrag der Geisteswissenschaften zur Verbesserung der kulturellen Beziehungen zum Ausland. 6. Dieser wissenschaftspolitische Rahmen wird - damit nicht in Widerspruch stehend – auffällig in Richtung Exaktheit ergänzt. Schon die Einladungen zu den ersten KETagungen artikulieren sich durchweg eindeutig in diese Richtung. Das explizit – wenn auch nicht öffentlich – avisierte Ziel der Ausrichtung der Wissenschaften auf politische und militärische Zwecke brauchte 1940 in den Naturwissenschaften nicht sonderlich thematisiert zu werden. Dort war diese Ausrichtung unter der Devise >Ausrichtung auf den Vierjahresplan< schon 1937 durch den Reichsforschungsrat vollzo1 Zum >Kriegseinsatz der Geisteswissenschaften<, insbesondere dem der Geschichtswissenschaften s. Schönwälder 1992 – Hausmann, Frank-Rutger: „Deutsche Geisteswissenschaft“ im Zweiten Weltkrieg. Die „Aktion Ritterbusch“ (1940-1945). Dresden u.a. 1998 u.ö. vgl. a. http://homepages.unituebingen.de/gerd.simon/krieg1.htm 2 Nicht unerwähnt möchten wir lassen, daß im Rahmen des KE der Anglisten auch ein Slavist mitarbeitet, allerdings mit einem bezeichnenden Titel: Oswald Burghardt: Forschungen über das Verhältnis der slavischen Völker zu Shakespeare. s. Überblick über die vom RFR unterstützten wissenschaftlichen Arbeiten unter Beifügung der von der DFG auf den geisteswissenschaftlichen Gebieten geförderten Arbeiten. Rechnungsjahr 1940/41. Gräfenhainichen o. J., S. 90 (Dort auch die übrigen KE-Projekte von 1940 und 1941) Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 61 gen worden - wenn auch getarnt; denn dass der Vierjahresplan der Rüstung und der Ermöglichung des Zweiten Weltkriegs dienen sollte, war zwar auch in Forscherkreisen alles andere als ein Geheimnis, ausdrücklich aber nur geheimen Zusätzen zum Gründungsprotokoll zu entnehmen.1 Ritterbusch hatte im Reichsforschungsrat bereits die Abteilung >Raumforschung< geleitet.2 Wenn man so will, sollte der >Kriegseinsatz der Geisteswissenschaften< die Ausrichtung durch den vom Militär dominierten Reichsforschungsrat nur abrunden. 4.2 Der Kriegseinsatz der Germanistik. 4.21 Die Germanisten gehörten zu den ersten, die ihr Subprojekt fertigstellten. Die fünf Bände >Von deutscher Art in Sprache und Dichtung< fassten den damaligen Forschungsstand der Germanistik in bewundernswertem Tempo und nicht zu verachtender Qualität zusammen. Leiter des >Kriegseinsatzes der Germanistik< waren Franz Koch und Gerhard Fricke. 4.211 Franz Koch (*21.3.1888) (s.Kap.2.31), 1935 aus Wien nach Berlin berufen, Lektor im >Amt Schrifttumspflege< des >Amtes Rosenberg<, ein auch in seinen Veröffentlichungen (v.a. Goethe, mehrere Literaturgeschichten) krasser Rassist, hatte schon bald nach Kriegsausbruch mit einer Denkschrift auf sich aufmerksam gemacht, die den Titel >Schweigen hiesse Verrat!< hatte, in der er zusammen mit dem Wehrgeographieprofessor und späteren Major Oskar Ritter von Niedermayer davor warnte, den Beitrag der Geisteswissenschaften zum Kriege zu unterschätzen. 4.212 Gerhard Fricke (*20.8.1901) war zweifellos der fähigere Literaturwissenschaftler (v.a. Kleist, ebenfalls eine Literaturgeschichte). Das Wissenschaftsministerium betrachtete ihn wohl auch als den eigentlichen Macher, ließ die Finanzierung (6000 RM allein im Jahre 1940) zumindest über sein Konto laufen.3 Beide, Koch und Fricke, lebten und wirkten übrigens zeitweise in Tübingen, Fricke in den letzten Tagen des Krieges, als die Universität Strassburg nach Tübingen verlegt wurde, Koch seit Anfang der 50er Jahre, nachdem ihm seine Vergangenheit in seiner österreichischen Heimat keine Zukunft mehr versprach. 4.3 Hier einige Aussprüche und Zitate, die im Um- und Vorfeld des >Kriegseinsatzes der Geisteswissenschaften< entstanden: 1 s. Deichmann 1992, u.ö. 2 Vorschlagsliste 31 für die Verleihung des Kriegsverdienstkreuzes … 29.7.42, BA ZW 438/3 Bl. 36-37 3 1941 erhielt das Subprojekt nach der Fertigstellung nochmals 6000 RM. Diesmal lief das Geld über das Konto von Clemens Lugowski, der vor allem für die Veröffentlichung herangezogen worden war. Dass die Germanisten so früh fertig wurden, zahlte sich übrigens keineswegs aus. Im Gegenteil, andere Subprojekte wie die der Altertumswissenschaftler (18000 RM), Geschichtswissenschaftler (25000 RM), Geographen (37500 RM), Orientalisten (20000 RM) oder auch der Anglisten (34000 RM), die z.T. ihre Arbeiten gar nicht ins Publikationsstadium brachten, erhielten deutlich mehr. - Korrbl. DFG PA. Ritterbusch BDC Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 62 4.301 „Die Notwendigkeit, alle vorhandenen Kräfte im Staatsinteresse zu höchster Leistung zu entfalten, erfordert nicht nur im Frieden, sondern vor allem im Kriege den zusammengefassten Einsatz der wissenschaftlichen Forschung und ihre Ausrichtung auf die zu erstrebenden Ziele. […] Führende Männer der Wissenschaft sollen auf ihren Sondergebieten in Gemeinschaftsarbeit in erster Reihe die Forschung für die Kriegführung fruchtbar gestalten."1 (Adolf Hitler: Führererlass zum 2. Reichsforschungsrat vom 15.6.42) 4.302 „Die grossen Aufgaben, die der Vierjahresplan an die deutsche Wissenschaft stellt, machen es notwendig, dass alle Kräfte auf dem Gebiet der Forschung, die der Erfüllung dieser Aufgabe dienen, einheitlich zusammengefasst und planmässig eingesetzt werden. Durch solche Ausrichtung bestimmter Wissenschaftszweige auf das durch den Vierjahresplan gesteckte Ziel und durch eine planmässige Stellung der Aufgaben und Verteilung der Mittel wird der Grundsatz der freien Forschung nicht angetastet, da die Freiheit der Forschung nicht in der Willkür der Aufgabenstellung begründet ist. In einem geschichtlichen Augenblick, in dem der Forschung Ziele von gewaltigem Umfang gestellt sind, deren Erreichung für das Volksganze lebensnotwendig ist, bedarf es keiner besonderen Begründung, dass sich die Forschung mit besonderem Nachdruck gerade auf diesen Aufgabengebieten betätigen und damit gegebenenfalls weniger wichtige und weniger dringliche Aufgaben zurückstellen muss, auch dann, wenn deren Bearbeitung dem bisherigen Arbeitsgebiet des Forschers oder der überkommenen Übung der Mittelverteilung mehr entspricht. ..." 2 (Bernhard Rust: 16.3.37) 4.303 „In Organisation, Intensität und Fortschritt lebens- und kriegswichtiger Forschung hat sich Deutschland den gleichen Vorsprung gesichert wie auf dem Gebiete der rein politischen und militärischen Bereitschaft. In diesen Krieg trat die deutsche Forschung innerhalb und ausserhalb der Hochschule bereits mit einer klar abgegrenzten und schon lange vorbereiteten Aufgabe. Es bedurfte meist nicht der umständlichen Umstellung auf unmittelbare lebens- und kriegswichtige Ziele. Diese Ziele waren der deutschen Forschung schon seit Jahren durch das Gesamtprogramm des Vierjahresplans, durch Sicherung der eigenen Ernährungsgrundlage wie durch den Ausbau der Wehrmacht gesteckt. Zum planmässigen sinnvollen Einsatz der Menschen, Mittel und Einrichtungen wurde durch den Reichserziehungsminister der Reichsforschungsrat eingesetzt, dessen feierliche Verpflichtung in Gegenwart des Führers und Generalfeldmarschalls Göring stattfand."3 (Hans Huber, SS-Sturmbannführer, Sicherheitsdienstler, als Ministerialrat im Wissenschaftsministerium mit dem >Kriegseinatz der Geisteswissenschaften< befasst, 1940) 4.304 „Was hilft uns denn die bedeutendste Erfindung, was nützt uns die grösste geisteswissen-schaftliche Tat, wenn sie im Dienste des Feindes erfolgt ist, wenn sie denen allein zugute kommen soll, die uns knechten und vernichten wollen? Nein, die Wissenschaft kann sich erst da ganz entfalten, wo sie die Bindungen an ihr Volk erkannt hat und wo sie im Dienste eines politisch starken und freien Volkes sich betätigt." (Walther Schultze, Reichsdozentenbundsführer: Rede vom 21.1.38)4 1 Führererlaß Reichsgesetzblatt Nr. 64, 15.6.1942, 110. Im BAK NS 21/845 findet sich ein Entwurf des Erlasses, der nur in Geringfügigkeiten von diesem abweicht. Der Erlaß ist vollständig abgedruckt auch bei Zierold 1968, S. 237 2 Der ministerielle Erlass über die Bildung eines Forschungsrats., in: REM 1937 [= 1. Reichsforschungsrat], S. 45 3 Huber 1940, S. 13 - s. die PA. im BDC. Danach gehörte H. schon 1923 der SA an. Später arbeitet er für den Sicherheitsdienst. 4 Schultze 1939, S. 631 Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 63 4.305 „Es gilt zu erkennen, dass in unseren Tagen, in denen um Sein oder Nicht-Sein unseres Volkes überhaupt gerungen wird, zugleich um Sein oder Nicht-Sein des deutschen Geistes, deutscher Philosophie, Wissenschaft und Universität, ja, um die Wahrheit selbst gerungen wird."1 (Paul Ritterbusch, 1935, Rektor der Universität Kiel, Referent im Wissenschaftsministerium, Leiter des >Kriegseinsatzes der Geisteswissenschaften<, verwickelt in Himmlers Umsiedlungsaktionen) 4.306 „Alles sollte aus der kompromisslosen Situation des Krieges seinen Wert und Rang erhalten." (Paul Ritterbusch: Wissenschaft im Kampf um Reich und Lebensraum. Stgt. 1942, bes. S. 5) 4.307 „Das Volk gewinnt die W a h r h e i t seines Daseinswillens zurück, denn Wahrheit ist die Offenbarkeit dessen, was ein Volk in seinem Handeln und Wissen sicher, hell und stark macht. Aus solcher Wahrheit entspringt das echte Wissenwollen. Und dieses Wissenwollen um-schreibt den Wissensanspruch. Und von da her werden schliesslich die Grenzen ausgemessen, innerhalb deren echtes Fragen und Forschen sich begründen und bewähren muss. Aus solchem Ursprung entsteht uns die Wissenschaft. Sie ist gebunden in die Notwendigkeit des selbstverantwortlichen völkischen Daseins. Wissenschaft ist daher die in solcher Notwendigkeit gebändigte erzieherische Leidenschaft, wissen zu wollen, um wissend zu machen. Wissendsein aber heisst uns: der Dinge in Klarheit mächtig und zur Tat entschlossen sein." (Martin Heidegger, der Philosoph, der der Führer des Führers sein wollte, am 11.11.1933 die Frage beantwortend, was der Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund für die Wissenschaft bedeutet.) 4.308 „Die Erfordernisse des Vier-Jahres-Planes und der Wehrmacht gehören eben mit zu den wichtigsten Dingen, die bei der Gestaltung des deutschen Hochschulwesens zu berücksichtigen sind." (Walther Wüst, 1937 - Präsident der SS-Forschungsgemeinschaft "Das Ahnenerbe", später Rektor der Universität München, stellvertretender Präsident der "Deutschen Akademie" in München, der "mächtigste Sprachwissenschaftler, den es je gab.") 4.309 „Ich kann es nicht bedauern, dass dieser Krieg auch in die wissenschaftliche Arbeit hineingreift, sehe vielmehr in der Möglichkeit, auch die Wissenschaft unmittelbar in den Dienst des Krieges und damit des deutschen Volkes zu stellen, die Krönung der wissenschaftlichen Arbeit überhaupt." (Ludwig Mühlhausen, - Keltologieprofessor, Nachrichtendienstler, Dozentenführer der Uni Hamburg, Vorsitzender der "Deutschen Gesellschaft für keltische Studien", Leiter des "Kriegseinsatzes der Keltologen", Abteilungsleiter im "Ahnenerbe" der SS, 1943) 1 Ritterbusch 1935, S. 11f. Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 64 4.310 „Die Philosophie wird für uns in Zukunft nur möglich sein als begrifflich wissenschaftliche Ausformung der Grundsätze unserer Weltanschauung. Und alle philosophischen Begriffe und Kategorien, welche diesen Grundsätzen entscheidend widersprechen, müssen so oder so überwunden werden. Gegen alles Geschrei von der Knebelung des Geistes, von der Vergewaltigung der Wissenschaft und der Philosophie müssen wir den Mut zu solchen Konsequenzen aufbringen. Damit ist zugleich eine Bindung der Wissenschaft festgelegt, die wir für alle Kulturgebiete rücksichtslos durchzusetzen haben: die Bindung an das Schicksal unseres Volkes. Wissenschaftler, die ihr Denken und Forschen in den Dienst des deutschen Schicksalkampfes stellen, wurden und werden mit höchsten Ehren des Reiches ausgezeichnet. Umgekehrt scheuen wir uns keinen Augenblick, mit aller Härte gegen Wissenschaftserscheinungen und Wissenschaftler vorzugehen, welche sich am Lebenskampf unseres Volkes vergehen. Wissenschaftlicher Landes- und Hochverrat ist für uns genauso zu sühnen wie ein anderes Staatsverbrechen. Und wir scheuen nicht davor zurück, einen Landesverräter oder einen Schädling des Volkes auch dann ins Konzentrationslager zu stecken, wenn er sich wissenschaftlicher Titel, Begriffe und Methoden bedient." ( Heinrich Härtle, 1939, Stellvertretender Leiter des Hauptamtes Wissenschaft im Amt Rosenberg, Kritiker des >Kriegseinsatzes der Geisteswissenschaften) 4.311 „Die stille Studierstube des Gelehrten, fern ab vom Appell der Zwecke, bleibt weiterhin Vorhof der Waffenschmiede." (Kurt Stegmann, 1944 - Indogermanist, Leiter des >Kriegseinsatzes der Wissenschaft im Ostland< sowie des Sonderreferats Wissenschaft und Kultur in Rosenbergs Ostministerium) 4.312 „Der gegenwärtige Krieg ist im besonderen Masse nicht nur eine militärische, sondern zugleich eine geistig-kulturelle Auseinandersetzung, in der auch über die geistige Ordnung des kommenden Europa entschieden wird. Daher gilt es gerade auch für die deutsche Geisteswissenschaft, in dieser entscheidenden geschichtlichen Stunde aktiv zur Stelle zu sein, die geistespolitische Lage mit weiter Sicht zu durchdringen und die Ideen vorzubereiten und zu klären, auf denen ein neues Europa politisch-kulturell errichtet werden kann. Neben den Naturwissenschaften, deren praktischer Einsatz unmittelbar einleuchtet und in breitester Grundlage im Gang ist, hat die Geisteswissenschaft in diesem Entscheidungskampf um die deutsche und europäische Zukunft ihre eigene wichtige Aufgabe. Indem auch sie sich entschlossen einreiht in die geistige Front des alle Deutschen fordernden Krieges, kämpft sie zugleich für ihre eigene, noch keineswegs unangefochtene Rechtfertigung und Neubegründung."1 (Franz Koch und Gerhard Fricke in ihrer Einladung an die Hochschulgermanisten zur Beteiligung am >Kriegseinsatz der Germanistik<, 1940) 1 Franz Koch, Gerhard Fricke, Zum wissenschaftlichen Einsatz Deutscher Germanisten im Kriege. DLA Marbach, NL. W. Rehm sowie B. v. Wiese, auszugsweise zit. in: DLA 1983 Bd.1, S.261f. - s. a. die Ankündigung in der "Zeitschrift für deutsche Bildung" 16, 1940, 252 u. 299f., wieder abgedruckt in: Reiss 1973 Bd.II, S. 133f. sowie Kindermann 1943 - Zu Koch s. Simon 1997c - Zu Fricke s. Seeliger 1964, Schoner, Haasis 1965, S. 43-53 Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 4.4 65 Nebenschauplatz: Der Kriegseinsatz der Keltologie in der Bretagne Der in Lothringen geborene Johann Leo Weisgerber (*25.2.1899) studierte Sprachwissenschaft in Bonn, München und Leipzig und galt als „der originellste“ von allen Schülern des bedeutenden Bonner Sprachwissenschaftlers Rudolf Thurneysen,1 bei dem er sein Studium 1923 mit einer sprach- und literaturgeschichtlichen Arbeit abschloss. Ein Jahr später folgte seine Habilitationsschrift über "Sprache als gesellschaftliche Erkenntnisform", mit der er sich neben Walter Porzig, Jost Trier und Georg Schmidt-Rohr als wichtiger Vertreter der Sprachinhaltsforschung hervortat. Weisgerbers These von der Muttersprache als dem Ordnungsprinzip des Denkbaren wurde als „ausgezeichnet in jeder Hinsicht“ bezeichnet, der eine „bedeutende Zukunft“ beschieden sei. Es folgten Berufungen nach Rostock und Marburg, 1942 schliesslich die Versetzung nach Bonn auf den Lehrstuhl für Allgemeine Sprachwissenschaft und Keltologie. Obschon sich Weisgerber später – er blieb auf dem Bonner Lehrstuhl bis zu seiner Emeritierung 1967 – dagegen verwahrte, bewegten seine Forschungen sich im ideologischen Kontext des Nationalsozialismus. Er war in den 30er und 40er Jahren bemüht, eben diese Nähe bei fast jeder Gelegenheit aufzuzeigen: „Die Muttersprache bahnt den Weg, auf dem ein Volk sich seiner selbst bewusst wird, die in den Bindungen des Blutes und des Lebensbodens angelegte Gemeinsamkeit zur geschichtlich wirksamen Gemeinschaft des Denkens und Handelns ausbaut und durch das Schaffen bleibender, allen lebenden und künftigen Volksgliedern zu gute kommender Werte krönt." Im Zweiten Weltkrieg war Weisgerber im Auftrag des Militärbefehlshabers, der Abwehr, des Aussen- und Propagandaministeriums und schliesslich auch des SD in der besetzten Bretagne tätig. Die Ziele seiner Arbeit dort sind im wesentlichen identisch mit jener des "Germanischen Wissenschaftseinsatzes" in den Niederlanden, Belgien, Dänemark und Norwegen: • Pflege und Ausbau von Kontakten mit pro-deutschen völkischen Gruppen. • Intensivierung der wissenschaftlichen Zusammenarbeit mit ideologisch und politisch zuverlässigen Wissenschaftlern. • Ausbildung einer neuen Generation von Wissenschaftlern, die in ihrer Arbeit auf die Vorgaben der deutschen Wissenschaft ausgerichtet sind. • Verbreitung des germanischen und keltischen Gedankens durch geeignete Propagandamaßnahmen und Werbung für die deutschen Pläne zur Neuordnung Europas in den gebildeteren Schichten der Bevölkerung. • Unterstützung der Freiwilligenwerbung für die Waffen-SS. Die Einsätze deutscher Wissenschaftler in der Bretagne folgten derselben Ratio wie jene in den 'germanischen Randländern': völkische und nationalistische Kräfte vor Ort zur Kollaboration in den Bereichen Wissenschaft, Kultur und Propaganda zu bewegen und einzubinden, gleichzeitig jedoch alle politischen Alleingänge dieser Gruppen zu verhindern. 1 s.. Dekan der Phil.Fak. Universität Rostock an Wissenschaftsministerium, 20.5.26 - UA Rostock - PA Weisgerber Bl.15 – Zum Folgenden, v.a. zu Weisgerber und dem >Kriegseinsatz der Keltologen< s. Lerchenmüller, Joachim: „Keltischer Sprengstoff.“ Tübingen 1997 – Für die frühzeitige (Mitte 80er Jahre) Bereitstellung von Kopien aus der Akte Weisgerber des UA Rostock danken wir Carsten Klingemann. Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 66 4.41 Als Sonderführer bei der Propaganda-Abteilung in der Bretagne war Weisgerber verantwortlich für den Aufbau eines bretonisch-sprachigen Radioprogramms – ein Novum in Frankreich und somit ein Propagandacoup, der der deutschen Besatzungsmacht in nationalistischen Kreisen reichlich Sympathie eintrug. In Rennes wurde ein „Keltisches Institut der Bretagne“ eingerichtet, dessen Leiter ein führender bretonischer Separatist und persönlicher Freund Weisgerbers wurde: Roparz Hémon, der auch unter dem Alias Louis Némo firmierte. Bis Mai 1944 führte dieses Keltische Institut fünf Kongresse durch, bei denen mehrere hundert „führende Persönlichkeiten aller kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Vereinigungen des ganzen Landes" (der Bretagne) als Mitglieder gewonnen wurden. Die Arbeit Weisgerbers wurde in Deutschland komplementiert durch 'wissenschaftliche' Einsätze anderer deutscher Keltologen wie Hans Hartmann (der nach dem Krieg Professor in Hamburg wurde) und vor allem Ludwig Mühlhausen, der 1935 den Lehrstuhl für keltische Philologie an der Universität Berlin übernahm, nachdem er maßgeblichen Anteil an der Entlassung seines Vorgängers hatte, dem Indogermanisten Julius Pokorny. Mühlhausen, zugleich Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für keltische Studien, eines Vereins dessen Gründung 1936 schon im Dunstkreis der Geheimdienste (Abwehr und SD) erfolgte, wurde 1943 zum Leiter des „Germanischen Wissenschaftseinsatzes in Frankreich (im Aufbau)" berufen und kurz darauf unter der Obhut des SD nach Frankreich geschickt. Sein Sonderkommando dort: „Bearbeitung bestimmter in den germanischen Kreis fallender Probleme." 4.42 Die keltologische Arbeit in der besetzten Bretagne wurde von der DFG finanziert1 und genoss die volle Unterstützung Werner Bests, der als Chef der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes beim Militärbefehlshaber in Frankreich für die Bekämpfung des Widerstandes zuständig war. Bests Einschätzung der Arbeit Weisgerbers: „[Ich sehe] die keltistische Arbeit unter den Gesichtspunkten des politischen Fernzieles, die keltischen Völker Westeuropas an die neue europäische Ordnung zu binden und für die unter deutscher Führung entstehende Völkergemeinschaft zu gewinnen, als kriegswichtig und notwendig [an]."2 Nach der alliierten Invasion im Juni 1944 verlagerte Weisgerber seine Arbeit an die Universität Bonn. Zahlreiche kollaborierende bretonische Wissenschaftler begleiteten ihn. Weisgerber versuchte, seine Arbeit im Rahmen eines an der Bonner Universität zu errichtenden keltischen Studienzentrums fortzusetzen, das „[...] den Zusammenhalt und die Einsatzmöglichkeiten der im Reich lebenden Bretonen sichern soll. Damit wäre zugleich erreicht, dass man für Arbeiten abwehr- und propagandamässiger Art einen günstigen 1 Die Abbildung zeigt einen Aktenvermerk des Referenten Griewank für den Präsidenten der DFG Mentzel, der die politische Funktion der Arbeit Weisgerbers klar herausstellt. - BAK - R 73/15585 2 Best an DFG, 8.5.42 - BAK - R 73/15142 Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 67 Ansatzpunkt hätte [...], um jeweils die Kräfte verfügbar zu machen, die für eine militärische oder politische Aufgabe gebraucht werden könnten.“1 Bis Kriegsende war Weisgerber zuständig für die Betreuung bretonischer Kollaborateure - und zwar sowohl der Wissenschaftler als auch der bretonischen Freiwilligen, die sich in der „Bretonischen SS“ zusammengefunden hatten. Es handelte sich dabei vorwiegend um die Mitglieder der 'Formation Perrot', des paramilitärischen Flügels des Parti National Breton, der sich Ende 1943 den Deutschen zum Kampf gegen die Résistance zur Verfügung stellte und in die Waffen-SS eingegliedert wurde. Der letzte Standort der „Bretonischen SS“ war Tübingen.2 5. Parlez-vous deutsch? Das Elsass und andere besetzte Gebiete im Zweiten Weltkrieg 5.1 Der Deutsche Sprachverein und die Entwelschungsmanie Hundert Jahre nach der Erfindung des Buchdrucks im 15. Jahrhundert entstehen die ersten Grammatiken der deutschen Sprache, die über weite Strecken Normierungsfunktion hatten. Weitere hundert Jahre später existieren in Deutschland nach ausländischem Muster bereits mehrere Sprachgesellschaften. Die erste, die nicht nur regional wirkte, der >Allgemeine deutsche Sprachverein<, wird 1885 in Dresden gegründet.3 Im Verhältnis zu manchem Vorgänger scheint dieser Verein eher gemässigt: „Kein Fremdwort für das, was deutsch gut ausgedrückt werden kann!“ ist sein Schlagwort. 5.11 Der Gründer und erste Leiter des Vereins, Herman Riegel, seinerzeit ein bekannter Kunsthistoriker, steigert aber nicht nur die Allianz mit Nationalismus und Chauvinismus, sondern fordert bereits für die Werke von Sprachsündern „Geldbussen, Gefängniss und Vernichtung“. In Potsdam in militaristischer Umgebung geboren, überlässt Riegel die außenpolitischen Implikationen des sprachpflegerischen Gedankenguts noch den Politikern. Seine Nachfolger, ausgediente Militärs, kennen aber schon keine Hemmungen mehr, die deutschen Sprachinseln und die AuslandsdeutHerman Riegel schen überall auf der Welt als Brückenkopf für expansionistische Gelüste anzusehen. Im Ersten Weltkrieg kommt es bereits zu Geldbussen und Gefängnis für Sprachsünder. 1 Weisgerber an Rektor Universität Bonn, 23.8.44 - UA Bonn - PA Weisgerber Phil.Fak. 2 s. Lerchenmüller 1994, Bd. 2, S. 219ff) 3 Zu diesem Kapitel s. Ehlich 1989 sowie die dort angegebene Literatur. – Vgl. a. http://homepages.unituebingen.de/gerd.simon/muttersprache1.htm Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 68 5.12 Der Erfolg des Sprachvereins hätte mit der Kritik der Berliner Akademie um Erich Schmidt (s.Kap.1.11) möglicherweise ein jähes Ende gefunden, wenn sich Riegel nicht frühzeitig mit Rudolf Hildebrandt verbunden hätte. Hildebrandt (*13.3.1824) war Schüler von Moritz Haupt und Nachfolger der Brüder Grimm in der Bearbeitung des >Deutschen Wörterbuchs<. Sein 118 Spalten langer Artikel 'Geist' in diesem ersten Grossprojekt in der Geschichte der Germanistik wurde – auch separat als Buch erschienen – lange Zeit als vorbildlicher Massstab lexikographischer Forschung angesehen. Rudolf Hildebrandt Hildebrandt, der ursprünglich Politiker werden wollte und kurze Zeit Journalist war, hatte als Lehrer an der Thomasschule in Leipzig lange vor Dilthey und Spranger eine am Erlebnisgedanken orientierten Didaktik geschrieben („Vom deutschen Sprachunterricht“, 1867), die weit über die Grenzen der Germanistik und Deutschlands hinaus wirkte. Im Alter betätigte er sich wieder als Journalist und veröffentlichte in der Zeitschrift >Die Grenzboten< eine Serie mit dem Titel: „Tagebuchblätter eines Sonntagsphilosophen“. Alles, was er schrieb, war aber durchsetzt von einer „leidenschaftlichen Vaterlandsliebe“, und diese war wohl auch der Grund für sein Engagement für die Reinheit der deutschen Sprache. Er war es, der in den Anfängen dem Sprachverein die sprachwissenschaftliche Fundierung lieferte. 5.13 Eduard Engel (*12.11.1851) studierte 1870-73 in Berlin allgemeine Sprachwissenschaft, klassische und romanische Philologie und promovierte 1874 in Rostock mit einer lateinischen Dissertation zur Syntax des Altfranzösischen. Schon während seiner Studienzeit wurde er amtlicher Stenograph im Deutschen Reichstag (von 18711919). Von 1879 bis 1883 war er daneben Schriftleiter des >Magazins für die Literatur des In- und Auslandes<. Auf Reisen quer durch Europa und die Vereinigten Staaten freundet er sich mit Zola, Daudet, Keller und anderen Dichtergrössen an; er macht auf Fontane und Liliencron aufmerksam. Er ist gefürchtet wegen seiner Verdikte, von denen auch Hauptmann und Rilke nicht verschont bleiben. Engel war ein Bestseller-Autor: Mit den fünf meistverkauften seiner Arbeiten erreichte er die Höhe von 200 Auflagen mit rund 600.000 Exemplaren. Insgesamt dürften es über eine Million gewesen sein. Seine "Stilkunst" entwickelt sich zur heimlichen Bibel der Sprachpfleger: Sie erlebte 16 Auflagen innerhalb des ersten Erscheinungsjahres. Seine beiden deutschen Literaturgeschichten (er schrieb auch eine französische, eine englische und eine nordamerikanische) wurden mindestens 200.000 Mal verkauft. Seine Maßstäbe waren Shakespeare und Goethe, denen er eigene Monographien widmete. Obwohl seine Germanophilie sich manchmal sogar an der Grenze des Geniessbaren bewegte, erregte er im rechten Lager alsbald heftige Kritik, insbesondere beim Dichter und Verfasser einer anderen Literaturgeschichte: Adolf Bartels. Einziger Grund: Engel war jüdischer Herkunft. Infolge eines Pamphlets, das 1936 im Rahmen des Reichsberufswettkampfs der HJ entstand und ausgezeichnet wurde, setzte eine beispiellose Hetzkampagne gegen Engel ein. Der Verfasser dieses Pamphlets, Gerhard Baumann machte alsbald im Propagandaministerium Karriere. Engel nahm sich 1938 das Leben. Engel war von dem „Vorsitzer“ – so hiess das in dieser sprachpflegerischen Organisation – des Sprachvereins Richard Jahnke 1933 zum Ehrenvorsitzer vorgeschlagen worden, obwohl er kein Mitglied des Sprachvereins war. Jahnke, ein konservativer NSZur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 69 Kritiker, starb aber kurz darauf. Der neue Vorsitzer, Rudolf Buttmann, hat diesen Vorschlag nicht weiter verfolgt. Engels Buch 'Entwelschung' wurde in den fünfziger Jahren von dem Geschäftsführer der Sprachvereins-Nachfolgerin, der >Gesellschaft für deutsche Sprache<, Lutz Mackensen, in Kenntnis dieser Umstände unter neuem Titel wieder aufgelegt. 5.14 Rudolf Buttmann (* 4.8. 1885) war im 3. Reich der Vorsitzer des Sprachvereins. Er studierte Rechts- und Sprachwissenschaft, promovierte 1910 in München und schlug dann die Bibliothekslaufbahn ein. Er gehörte in der Frühzeit zum engsten Kreis um Hitler. Zusammen mit Roehm, Frick, Feder, Streicher u.a. verhilft er dem „Führer“ nach der Haft in Landsberg 1925 zum Wiedereinstieg in die Politik.1 In der Weimarer Republik Abgeordneter der Nationalsozialisten im bayrischen Landtag, später sogar im Reichstag2, war er in den ersten beiden Jahren nach der Machtergreifung im Innenministerium für Kirchenfragen, aber auch für Sprache und Schrift zuRudolf Buttmann ständig, mässigte sich im Laufe der Zeit immer mehr, so dass er 1935 auf den Posten des Bibliotheksleiters der Münchener Staatsbibliothek abgeschoben wurde.3 1941 lehnt Hitler bezeichnenderweise Buttmanns Antrag auf eine Dienstauszeichnung der NSDAP ab.4 1944 wird offen die Frage gestellt, wieso Buttmann noch Mitglied des Grossdeutschen Reichstags sei.5 1 Schäfer 1957, S. 8f. – Zu Buttmann s. Simon, Gerd: >Buchfieber<. Tübingen 2006, 3. Auflage unter: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/volltexte/2008/3602/ 2 s. Buttmann 1928 3 Darum geht es in der PA. Buttmann, BDC - "Reichsstatthalter in Bayern." Vgl. Scholder 1985, Bd. 2, S. 44, 59 und 62. 4 Marrenbach an Ad. Wagner, 4.2.41, PA. Buttmann, BDC - "Parteikanzlei" - Bergoldt an Gaupersonalamtsleiter, 19.2.44, ibid. u. ö. 5 Bergoldt an Gaupersonalamtsleiter, loc. cit. Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 70 Buttmann war stolz darauf, dass sein Sprachverein 1940 an der „Rückdeutschung“ des Elsasses mitwirken konnte. Rückdeutschung hiess damals, dass die Elsässer z.B. gezwungen wurden, ihre französischen Bücher auf den Scheiterhaufen der Sonnenwendfeiern 1940/41 zu verbrennen (s. Kap.5.2). So wenig hier also von einer späten Läuterung gesprochen werden kann, muss Buttmann dennoch als ein Politiker zwischen allen Stühlen skizziert werden, der sich lediglich an seinem Vorgesetzten Conrad orientierte, von dem Gleiches zu sagen wäre. Als Conrad schon Ende Januar 1934 das Kirchenreferat entzogen wurde, war auch Buttmanns Verbleiben im Innenministerium nur noch eine Frage der Zeit.1 1941 veranstaltet Buttmann als Generaldirektor in seiner Bayrischen Staatsbibliothek in München eine Ausstellung zum Elsass. Auf die Bücherverbrennungen geht der Katalog nicht ein. Das war auch nicht zu erwarten. Ausserhalb des alemannischen Gebiets werden die Bücherverbrennungen im Elsass auch sonst kaum thematisiert. Das Titelbild des Katalogs zeigt Hitler und Gauleiter Wagner, geb. Backfisch, vor dem Strassburger Münster 1 Scholder 1985, Bd.2, S. 62. Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 71 5.15 Ewald Geissler (*18.1.1880) hatte in Erlangen die einzige Professur für Rhetorik, genauer für „deutsche Sprachkunst" im 3. Reich inne.1 Er begann seine universitäre Laufbahn 1906 in Halle als Lektor für Vortragskunst. Schon in frühen Publikationen kehrt er seinen Rassismus heraus. Den Ersten Weltkrieg begrüsst er mit der Schrift: „Was ist deutsch. Versuch einer Selbstbesinnung im Deutschen Kriege". Der Krieg sei gleichermaßen Dienst am Vaterland wie an der Sprache. Der Militarismus sei „eine der besten Stilschulen überhaupt." Auch der Ruf nach einem Führer, der dem deutschen Volk die Entscheidungen abnimmt, ist schon in dieser Schrift unüberhörbar. Die Menschenrechte hält er für „in der Luft hängende Gespinste." Die seit der Antike nicht in Frage gestellten Regeln der Rhetorik will er vom Kopf auf die Füße stellen. Dem Sprachverein bringt er neue Argumente. Der Deutsche könne ein Fremdwort zwar „mit dem Gehirn verstehen, aber nicht herznah umfühlen," weil es „nicht von unserem eigenen Blute durchpulst" werde. Die Drohne will er in der Drohn verwandelt sehen. Genus und Sexus verwechselt er nur in diese Richtung. Luise Puschs „wer glaubt, sie sei mit 'wer' gemeint, die irrt sich" wäre für Geissler sicher kein Anlass gewesen, in die Sprache analog einzugreifen. Geisslers Flugschrift >Sprachpflege als Rassenpflicht< verbreitet der Sprachverein unentgeltlich und in Massen. Ironischerweise bekommt Geissler gerade mit dieser extrem rassistischen Schrift Schwierigkeiten. Die Germanisten Ochs und Metz von der Universität Freiburg, letzterer in seiner Funktion als Rektor, protestieren gegen die „Verunglimpfung" Johann Peter Hebels (des Namengebers des vom badischen Reichsstatthalter gestifteten HebelPreises) als „ostisch“, „betulich“ und „hausbacken“. Der Vereinsvorsitzer Buttmann verteidigt Geissler tapfer, weist darauf hin, dass der berühmte Rassen-Günther, der in Freiburg einen Lehrstuhl hat, nichts anderes sage, als dass Hebel sich auch gegen den südtiroler Nationalhelden Andreas Hofer versündige und in Moses Mendelssohn einen Juden verherrliche. Aber es nützt nichts. Der ohnehin durch eine Goebbels-Rede in die Kritik geratene Sprachverein muss nachgeben. Sowohl das Wissenschaftsministerium als auch die Reichsschrifttumskammer werden so deutlich, dass Geissler einlenkt. Es war sowieso nur Spiegelfechterei, denn die Flugschrift war längst verteilt. Die Episode wird dazu beigetragen haben, dass Geissler lange zögerte und schliesslich ablehnte, als ihm die von Goebbels dominierte >Deutsche Akademie< in München das ehrenvolle Angebot machte, das frisch von ihr ins Leben gerufene Sprachamt zu leiten. Der spiritus rector dieser neuen Einrichtung Erich Gierach zu Geissler: „Sie werden Sprachpapst! Lockt Sie das nicht?" 5.2 Der Sonnenwendkult und die Zwangsbücherverbrennung im Elsass Der Sprachverein ist im Zweiten Weltkrieg politisch wieder gefragt. In Kombination mit der Wiederaufnahme alten Brauchtums liefert er im Rahmen der Germanisierung besetzter Gebiete das Gedankengut und die Argumentation für einzigartige Vernichtungsaktionen in der Geschichte des Buches. In Polen, in der Tschechoslowakei und in Elsass-Lothringen werden diese Vernichtungsaktionen unterschiedlich gehandhabt und auch benannt. Im Elsass gebraucht man statt des Begriffs "Germanisation" – so nennen es die Franzosen – den von Eduard Engel geprägten Ausdruck "Entwelschung". Die Entwelschungs-Kampagne umfasste die Eindeutschung von: Orts-, Strassen- und Personennamen Geschäftsschildern (nach Zahlung einer "Fremdwortsteuer" konnten Ausnahmen 1 Zu Geissler s. Ross 1994, v.a. S. 32-58 – http://homepages.uni-tuebingen.de/gerd.simon/Rhetorik1.htm Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 72 gemacht werden) Denkmälern, Gedenktafeln und Grabsteinen Bezeichnungen auf alltäglichen Gebrauchsgegenständen (z.B. ‘sel’ und ‘poivre’ auf Ge-würzfässern, ‘chaud’ und ‘froid’ auf Wasserhähnen) Begrüssungs- und Abschiedsformeln (‘bonjour’, ‘au revoir’) Vor allem aber wurden die Elsässer gezwungen, sämtliche französischen Bücher und ihre Übersetzungen aus ihren Häusern und Bibliotheken zu entfernen. Auf den Sonnenwendfeiern der Jahre 1940 und 1941 wurden zu dem Zweck Scheiterhaufen errichtet, deren Flammen diese Bücher zum Opfer fielen. Wer nach der Sommersonnenwende 1941 noch mit einem dieser Bücher angetroffen wurde, dem drohte das Sicherungslager Schirmeck. Die Einlieferung in dieses Privat-KZ des Gauleiters Wagner war damals bereits auf Grund einer Denunziation ohne Gerichtsverfahren gang und gäbe. 5.3 Die Germanisierung in der Karikatur Diese aus Dänemark stammende Karikatur bringt auf den Punkt, wie die besetzten Länder die Germanisierungsaktionen beurteilten. „Dummer Däne! Du müßtest uns dankbar sein, dass wir Dir echt arische Gesichtszüge verpassen.“ (Okt. 1943, Gustav Osterberg) Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 5.4 73 Weisgerber und das Elsass Wie wenig sich in Deutschland an der Grundhaltung, die der Germanisierung zugrunde lag, geändert hat, ist unverblümt diesem 1975 erschienenen Buch des „Linguisten-Papstes“ der 30er bis tief in die 60er Jahre Johann Leo Weisgerber zu entnehmen. Nur ein Zitat unter vielen: „Auf das Verlangen einer Minderheit [gemeint ist: der Elsässer und Lothringer] nach Volksschulunterricht in ihrer Muttersprache gab es zur Antwort, die Betroffenen sollten sich doch freuen, daß sie so billig in den Besitz einer Weltsprache [gemeint ist: des Französischen] kämen und diese Wohltat dankbar annehmen. Ist es so unverständlich, daß unter dem Dank für diese Wohltat auch einige Bomben waren?" (Um Missverständnissen vorzubeugen: Unsere Kritik an der NS-Sprachpolitik ist keine Rechtfertigung der französischen Sprachpolitik. "Tit for tat" ist eine von uns abgelehnte Argumentationsstrategie.) Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 74 6. Die ideologischen und politischen Funktionen der Dialektologie 6.1 Der >Deutsche Sprachatlas< gründete 1921 das sog. >Wörterbuchkartell<, das die Wörterbuchkanzleien der Dialektwörterbuch-Unternehmen zusammenfasste. Es rief mehrere neue Wörterbuch-Projekte ins Leben, u.a. das >Hessen-Nassauische Wörterbuch<, an dem Anneliese Bretschneider mitwirkte. Das zweite Grossprojekt in der germanistischen Linguistik war der Marburger Sprachatlas.1 Von Georg Wenker 1876 begründet, beschäftigte er schon in den unmittelbar folgenden Jahren meist mehrere Lehrer an über 30000 Orten, beginnt aber erst 50 Jahre später zu erscheinen. 1888 wird er verstaatlicht, dem Preussischen Kultusministerium unterstellt und nach Süddeutschland ausgedehnt. Herrmann Fischer hatte die Leitung des >Südwestdeutschen Spachatlas<, dessen Sammlung die hier gezeigte Wortkarte entstammt. Wesentliche noch heute gültige Methoden hat der lange Zeit in Tübingen, später in Reutlingen und zuletzt in Stuttgart wirkende Dichter, Maler, Romanist, Weltreisende und Erfinder einer Weltschrift Karl Haag in die Dialektologie eingeführt. Nach Wenkers Tod wird dessen Mitarbeiter Ferdinand Wrede 1912 die Oberleitung des Sprachatlas übertragen. Dieser 6.2 Anneliese Bretschneider kommt – wie erwähnt (s. Kap. 2.624) – aus dem Marburger Sprachatlas. Sie fertigt in Luise Bertholds >HessenNassauischem Wörterbuch< die Wortkarten an. Es sind die ersten, die überhaupt einem Wörterbuch beigefügt wurden. Als Deutschland 1939 in Polen einmarschiert, dient Bretschneider dem Auswärtigen Amt über die ihr bekannte Frau Ribbentrop ihre Mitarbeit an und verweist 1 Zur Geschichte des Sprachatlas haben wir mit besonders grossen Gewinn die nichtpublizierte Magisterarbeit von Stefan Wilking 1992 verarbeiten können. Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 75 auf die politische Verwertbarkeit des Sprachatlas und des von ihr begründeten >Brandenburg-Berlinischen Wörterbuchs< im Hinblick auf Gebietsansprüche gegenüber Polen. 6.3 Das >Lautdenkmal reichsdeutscher Mundarten zur Zeit Adolf Hitlers< war ein Geburtstagsgeschenk des >Reichsbunds der deutschen Beamten< zum 20.4.38, Hitlers 49. Geburtstag.1 Es bestand aus 300 solcher Schallplatten mit Mundartaufnahmen aus allen Regionen Deutschlands, einige mit Lobgesängen auf das Geburtstagskind, die unter der Leitung von Julius Vogel und Fritz Debus „unter wissenschaftlicher Beihilfe" des damaligen Sprachatlas-Leiters Walther Mitzka und dessen wichtigsten Mitarbeiters Bernhard Martin zustande kamen. Letztere durften auch bei der Überreichung des Geschenks anwesend sein. Wegen der Missachtung von Staatsgrenzen folgen alsbald Proteste der polnischen Regierung. Nach dem Einmarsch in Österreich wurde das Unternehmen vom 5. April 1938 an in der „Ostmark“ – wie Österreich anfangs noch offiziell hieß – „unter wissenschaftlicher Beihilfe" von Alfred Pfaff und Eberhard Kranzmayer fortgesetzt. Nach dem Einmarsch in die Tschechoslowakei werden die Aufnahmen auch auf das Sudetenland ausgedehnt. Insgesamt entstanden so 360 Schallplatten. Aufnahmen wurden im 2. Weltkrieg auch von umgesiedelten Volksdeutschen gemacht. Der Leiter und Gründer des >Deutschen Spracharchivs< Eberhard Zwirner (s. Kap. 8) hat die Schallplatten anschließend statistisch ausgewertet. 6.4 Bruno Schweizer (*3.5.1897) hatte seine Ausbildung als Dialektologe – wie die meisten Dialektologen bis in unsere Tage – im Marburger >Sprachatlas< erhalten, war aber einer der wenigen unter ihnen, der sich politisch an Himmler und dessen SS, jedenfalls nicht an Rosenberg orientierte.2 Zusammen mit Theodor Elwert (*20.12. 1906) und Matthias Insam (*1.2.1905), der allerdings nach einer anderen Methode arbeitete, organisierte er nach dem SüdtirolAbkommen zwischen Mussolini und Hitler vom 21.10.1939 vor der Umsiedlung der Südtiroler (sie sollten je nach Kriegslage ein Gebiet in Böhmen, Burgund oder auf der Insel Krim erhalten, kamen aber nur in Einzelfällen aus den Nordtiroler Elendslagern heraus) die Mundartaufnahmen. 1 Zum Lautdenkmal s. Lebede 1938 - Kranzmeyer 1939 u.a. 2 Zu Schweizer s. http://homepages.uni-tuebingen.de/gerd.simon/ChrSchweizer2.pdf Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 76 Später dehnte Schweizer seine Aufnahmetätigkeit in die Gottschee aus, einer deutschen Sprachinsel im heutigen Slowenien. Das Unternehmen in der Gottschee unterstand dem vor wenigen Jahren in Tübingen gestorbenen Geographen und Kirchenbuchspezialisten Hans Schwalm (*16.8.1900).1 Schweizer war zudem Islandist, Heimatforscher2 und Spezialist für germanische >Sprachreste< (insbesondere für das so genannte >Zimbrische< in Oberitalien3), ein höchst umtriebiger Hans-Dampf-in-allen-Gassen, der sich in schwierigen Situationen damit aus der Klemme zu helfen verstand, daß er behauptete, Himmlers Klassenkamerad zu sein, ein bei aller Weltfremdheit mit durchaus praktischer Fantasie begabter Ideenlieferant, auf den manche Aktion des >Ahnenerbes< zurückging, aber auch ein bei aller Involvierung ins System mit >Restmoral< behafteter Aufbegehrender, wenn es darum ging, sich z.B. für die „Zimbern“ in den Gefangenenlagern für Italiener einzusetzen. 1 Zur Gottschee im 3. Reich s. http://homepages.uni-tuebingen.de/gerd.simon/gottschee.pdf 2 Er ist Begründer und langjähriger Leiter des Diessener Heimatvereins gewesen. 3 s. Schweizer 1939 - Schweizer 1942 (Diese Jahresausgabe gibt die Zeit des Drucks wieder). Diese in zimbrischer Sprache verfasste Grammatik erschien erst im Spätherbst 1944, als wegen der Papierknappheit bereits mit wenigen Ausnahmen vor allem alle geisteswissenschaftlichen Veröffentlichungen untersagt waren! Vermutlich machte Himmler es möglich. Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 77 7. Das >Ahnenerbe< der SS und der >Germanische Wissenschaftseinsatz<. 7.1 Entstehung und Geschichte des Ahnenerbes. 7.11 Stempel des >Ahnenerbes< mit der "Irminsul" – in der germanischen Mythologie die Weltesche, um die sich alles dreht – und dem zur Sig-Rune stilisierten Namenskürzel „Si“ des Reichsgeschäftsführers (wie sich der Generalsekretär ab 1937 auf Einwirkung des Deutschen Sprachvereins nennt) Wolfram Sievers. Auch andere >Ahnenerbe<-Wissenschaftler stilisieren das S in ihrem Nachnamen auf ähnliche Weise (z.B. Hans Ernst Schneider). Das >Ahnenerbe< der SS, 1935 von Himmler, dem Bauernführer und Leiter des Rasse- und Siedlungshauptamts Darré und dem ersten Präsidenten, dem holländischen Privatgelehrten Herman Wirth gegründet, entwickelte sich im Zweiten Weltkrieg zur größten nichtstaatlichen Forschungseinrichtung im 3. Reich. Geschäftsführer dieser Institution, die direkt oder indirekt fast alle Fächer staatlicher Hochschulen (Kernfächer: Germanenkunde und Vorgeschichte) umfasste, deren Abteilungen über das gesamte Reich zerstreut waren und deren Unternehmungen und Pläne die meisten besetzten Länder und manchmal auch Länder jenseits der Front (Tibet) betraf, war von Anfang an Wolfram Sievers. Wolfram Sievers 7.12 Herman Wirth und die nationalsozialistische Symbolforschung Herman Wirth (*6.5.1885) sah sich als Begründer der Symbolforschung. Er machte mehrere Reisen vor allem nach Skandinavien. Die Abgüsse der dort gefundenen Symbole präsentierte er bis 1937 in Ausstellungen. Dann verbot ihm das Himmler, der noch kurz zuvor eine solche Ausstellung eröffnet hatte. Heute befindet sich die Abguss-Sammlung – nach einem missglückten Anlauf, sie dem Landkreis Kusel (Rheinland-Pfalz) anzudienen – im „Österreichischen Felsbildermuseum“ in Spital am Tyhrn, wo sich Eberhard Baumann und Ernst Burgstaller in ungebrochener Verehrung für diesen Vorläufer und Parteigänger der Nationalsozialisten einsetzen.1 Wirth war schon in den 20er Jahren als Freund der NationalHerman Wirth sozialisten mit abenteuerlichen Thesen vor allem über die Symbole der Germanen aufgetreten. 1933 brachte er Auszüge aus der scheinbar in altfriesischer Sprache verfassten >Ura-Linda-Chronik< in deutscher Übersetzung heraus, obwohl holländische Gelehrte sie bereits kurz nach ihrer Erstveröffentlichung 1872 als Fälschung identifiziert hatten. Als herauskam, dass Wirth seine Forschungen durch Juden finanzieren liess, distanzierte sich Rosenberg öffentlich von ihm. Himmler aber meinte, gerade so müsse man es machen, und baute ihn zum großen Alternativwissenschaftler auf. In der öffentlichkeitswirksamsten Podiumsdiskussion in der Geschichte 1 Baumann - vgl. a. Hake 1981 – Zur Ura-Linda-Chronik s. http://w210.ub.uni-tuebingen.de/volltexte/2008/3602/ Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 78 der Germanistik erlitten Wirth und andere Himmler-Leute (Wüst, Huth) durch Arthur Hübner und andere Rosenberg-Leute 1934 eine vernichtende Niederlage (s. Kap. 2.622). – Einer der Gründe, weshalb Himmler schließlich wenigstens eine private Forschungsgesellschaft anstrebte. Der erste Präsident des >Ahnenerbes< Herman Wirth war eine Art Gallionsfigur vor allem für am „Nordischen Gedanken“ orientierte Geldgeber (wie Mathilde Merck, Frau des Darmstädter Pharma-Industriellen Merck, oder Ludwig Roselius, Erfinder und Hersteller von Kaffee Hag, Mäzen der Worpsweder Künstlerkolonie um Paula Modersohn-Becker und Bernhard Hoetger, Erbauer der Bremer Böttcherstrasse), offenbar aber von vornherein auf Himmlers Abschussliste. Mit Hitlers „Boettcherstrassen-Rede" vom 31.8.1936 bestand auch ein äußerer Grund, Wirth aus dem Verkehr zu ziehen.1 Himmler hält freilich an der Echtheit der >Ura-Linda-Chronik< fest. Er setzt sogar eine >Ahnenerbe<-Kommission ein, die die Echtheit der von Wirth gekennzeichneten Teile erweisen soll. Wichtigster Bearbeiter ist der Mediävist Otto Mausser, der aber stirbt, bevor seine Arbeit fertiggestellt ist. Zugleich unterbindet Himmler alle Publikationen zum Themenbereich. Spätwirkung: die >Ura-Linda-Chronik< und die Podiumsdiskussion von 1934 sind heute nahezu vergessen. 7.13 Nachfolger von Wirth wurde der Münchner Indoiranist Walther Wüst (*7.5.1901). Wüst beherrschte die akademischen Blufftechniken so perfekt, dass ihm sogar heutige Wissenschaftsforscher wie Michael Kater auf den Leim gingen.2 Dabei hätte Wüsts >Vergleichendes und etymologisches Wörterbuch des Alt-Indoarischen (Altindischen)<3 auf dem sich sein früherer Ruhm fast ausschliesslich gründete, den aufmerksamen Leser aufhorchen lassen müssen. Das Wörterbuch enthält nur drei Eintragungen auf elf Seiten und eine 197 Seiten lange Einleitung. Mehr ist nie erschienen. Wüst macht schon vor der Machtergreifung und erst recht im 3. Reich eine Bilderbuch-Karriere: Walther Wüst 1 Diese Rede war auch der Grund, weshalb die Kunst des NSDAP-Mitglieds Hoetger von den Goebbels-Leuten als "entartet" abgetan werden konnte. 2 Kater 1974 3 s. Simon 1985 Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 79 1923: Promotion 1926: Privatdozent 1931: Hardy-Preis der Bayrischen Akademie der Wissenschaften 1932: Nichtbeamteter ausserordentlicher Professor 1935: V-Mann im SD 1935: Durch Hausberufung ordentlicher Professor und Dekan der Philosophischen Fakultät 1937: Präsident des >Ahnenerbes< 1938: Leiter des Forschungswerks >Wald und Baum< (einer Einrichtung des >Ahnenerbes< in Zusammenarbeit mit dem Reichsforstmeister Hermann Goering) 1938: Stellvertretender Präsident der >Deutschen Akademie< in München (Zeitweise als deren Präsident im Gespräch) 1940: Rektor der Universität München 1941: Leiter von drei Unterabteilungen im >Kriegseinsatz der Geisteswissenschaften< (s. Kap. 4) Wenn man von Franz Alfred Six absieht (s. Kap. 2.87), so ist selbst im 3. Reich keine blitzartigere Karriere vergleichbar. Obwohl Wüst als Amtschef offiziell die Verantwortung für die Menschenversuche im >Ahnenerbe< hatte, ließen die Richter im Nürnberger Prozess in seinem Fall unglaubliche Milde walten. Statt seiner richtete man den Reichsgeschäftsführer Sievers hin, der allerdings stellvertretender Leiter der Abteilung für wissenschaftliche Zweckforschung war, in der diese Verbrechen begangen wurden. 7.14 Organogramm des >Ahnenerbes< der SS (1943/44) Überblick über die wichtigsten Abteilungen des >Ahnenerbe<-Imperiums zum Zeitpunkt seiner grössten Ausdehnung 1943-44. Auffällig ist die Dominanz philologisch-historisch orientierter Disziplinen (=doppelt umrahmt). Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 80 Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 81 Das Organogramm beruht auf einem zeitgenössischen Organogramm, das Sievers in Auftrag gegeben hatte. Sievers sorgte dabei dafür, daß sein Name eher neben als unter dem Namen Wüsts plaziert wurde, wie es de iure angebracht gewesen wäre. De facto war zu dem Zeitpunkt Sievers freilich längst der Herr im Haus, abgesichert durch private Kontakte zu Himmler und bedingt durch die nachlassenden Aktivitäten Wüsts. Vermutlich auch deswegen hat Wüst seinerzeit nichts gegen dieses Organogramm eingewendet. Sievers’ Dominanz drückt sich nicht nur darin aus, dass er die Leitung der Forschungsstätte für wehrwissenschaftliche Zweckforschung übernimmt, die ihm in Nürnberg den Tod bringt, sondern auch darin, dass ihm die wissenschaftlichen Unternehmen und Einrichtungen in den besetzten Ländern direkt unterstellt werden. Seit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs hatten sich im übrigen Sievers und Wüst entfremdet. 7.15 Hans Ernst Schneider war 1940 kurze Zeit Lektor im ‘Ahnenerbe-Stiftungsverlag’ (ASV) gewesen, bevor er seinen Wirkungskreis nach Salzburg verlegte. Im Rahmen dieser Lektorentätigkeit übernahm er auch die Redaktion der im SchwerterVerlag erschienenen Zeitschrift >Die Weltliteratur<. Kurze Zeit kam diese Zeitschrift auch unter die Ägide des ASV, wird dann aber wegen der günstigeren Außenwirkung wieder an den Schwerter Verlag zurückgegeben. Als Schneider nach Salzburg geht, verbleiben Herausgabe und Redaktion dieser Zeitschrift bei ihm bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. Gewöhnlich gut unterrichtete Außenstehende sahen die Weltliteratur in den Fängen des SD, nicht nur wegen des überproportionalen Anteils von SDLeuten unter den Autoren. Ein quantitativ und qualitativ aus dem Rahmen der Zeitschrift fallender Artikel aus dem Oktober-November-Doppelheft 1943 stammt z.B. von Rössner. Dieser rechnet kalt und trocken mit dem >Kriegseinsatz der Geisteswissenschaften< ab und entwickelt die wichtigsten Argumentationslinien, die dann Schneider ein Jahr später in seiner Denkschrift zum >Totalen Kriegseinsatz der Wissenschaft< aufgreift. Nicht unerwartet ist dagegen der hohe Anteil der Beiträge zum Thema 'Ostpreussen', 'Deutschritterorden' und 'Ostkolonisation'. Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 7.2 82 Der >Germanische Wissenschaftseinsatz< (GWE) 7.21 Organogramm des >Germanischen Wissenschaftseinsatzes< in den besetzten Niederlanden (1943) [Doppellinie = nominell + faktisch, einfache Linie = faktisch, aber für Besetzte schwer durchschaubar] Überblick über die Herrschaftsverhältnisse, in die der GWE in den besetzten Niederlanden eingebunden war. Abgesehen wurde dabei von der Abhängigkeit des GWE vom >Ahnenerbe< der SS. 1940 erhält Hans Ernst Schneider alias Hans Schwerte von Sievers den Auftrag, die Wissenschaftspolitik in Holland, später auch Flandern und Norwegen, zuletzt in Wallonien – in Dänemark kam man nie aus den Startlöchern heraus – im Sinne des >Ahnenerbes< zu beeinflussen.1 1943 geht aus diesen Aktivitäten der >Germanische Wissenschaftseinsatz< hervor, dessen Leitung Schneider übernimmt. Schneider hatte schon vom August 1938 – als er noch im Rassenamt tätig war – bis April 1939 Kontakt aufgenommen zu holländischen Verantwortlichen aus der Brauchtums- insbesondere Volkstanzpflege. Der >Germanische Wissenschaftseinsatz< war eine Institution der SS, primär des >Ahnenerbes<, hatte sich aber zugleich mit dem SS-Hauptamt, das sich in den >germanischen Randländern< >Germanische Freiwilligenleitstelle<, später >Germanische Leitstelle< nannte, und danach auch mit dem Sicherheitsdienst abzustimmen. Seine Aufgabe war nach aussen hin: • „Bewusstmachung der gemeinsamen Wurzeln aller europäischen Germanen" vorwiegend durch populärwissenschaftliche Veröffentlichungen (Broschüren und Zeitschriften) über „Rasse und Familie, Geist und Staat, Recht, Sprache, Volkstum, Volksglaube und Volksbrauch, in Mythen, Sagen und Lied". • Koordination der Erarbeitung der wissenschaftlichen Grundlagen dieser Bewusstmachung durch deutsche, holländische, flandrische und norwegische Wissenschaftler. • Organisation einer reibungslosen Umsetzung des nationalsozialistischen Geschichtsbildes über Publikationen, insbesondere Illustrierte, und mittels ideologisch nahestehender Vereine wie der >Germaanschen Werkgemeenshap Nederland<, in denen man die wichtigsten Multiplikatoren sah. Inoffiziell kommt das Nahziel hinzu, der >Germanischen Leitstelle< mit wissenschaftlichen Mitteln bei der Rekrutierung von Freiwilligen zu helfen, die im Rahmen von Waffen-SS1 Zu diesem und dem Folgenden s. Simon 1997d sowie Lerchenmueller / Simon: >Maskenwechsel.< Tübingen 1999 Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 83 Verbänden an der Ostfront für den Endsieg kämpfen sollten. Hauptköder: Wehrdorfbesitz in Russland, aber auch Vergünstigungen wie das >Kriegsabitur< für Gymnasiasten. Schneiders Devise bei dieser Arbeit: „...es muß den Anschein haben, als ob die Holländer alles >aus sich selbst< in Angriff nehmen". 7.22 Hans Ernst Schneider (*15.12.1909) studierte in Königsberg, Berlin und Wien deutsche Literaturgeschichte, Theaterwissenschaft, Philosophie, Volkskunde und Urgeschichte. 1935 promoviert er bei Paul Hankamer in Königsberg, der wenig später seinen Lehrstuhl räumen muss. Ende 1934 ist Schneider Referent für Volkstumsarbeit in der Gaudienststelle der für die Steuerung der Freizeit zuständigen NSGemeinschaft >Kraft durch Freude<, 1936 Gaufachstellenleiter, später stellvertretender Hauptabteilungsleiter in der von Rosenbergs NS-Kulturgemeinde geschluckten Organisation "Volkstum und Heimat", in der auch Otto Huth (s. Kap. 7.31) zu der Zeit zentral tätig war. 1937 tritt Schneider aus der SA „ehrenvoll" aus und in Hans Ernst Schneider die SS ein. In deren Auftrag erscheint er ein Jahr vor dem >Anschluss< in österreichischen Landdienstlagern der HJ, des BDM und des NSDStudentenbundes. Nach dem >Anschluss< beschliessen der SD und die >Ahnenerbe<Spitze die Einrichtung einer >Ahnenerbe<-Aussenstelle Südost, in deren Rahmen Schneider dann in Salzburg bis Ende 1939 wirkt. Beim Grossprojekt >Wald und Baum< übernimmt Schneider das Thema „Tanz und Baum", das er auch für seine Habilitation ins Auge fasst. Da das Grossprojekt Anfang des Krieges storniert wird, kommt es nicht zu einem entsprechenden Abschluss. Als das Grossprojekt 1943 wiederbelebt wird, gehört Schneider nicht zu denen, die ihr Einzelprojekt weiterverfolgen wollen. Im Juli 1940 beginnt Schneider seine Arbeit in Holland. Ab 1941 erhält Schneider mehrere Angebote, in den Sicherheitsdienst bzw. das SS-Hauptamt überzuwechseln. Sievers verhindert das. 1943 organisiert und leitet Schneider in Hannover eine Tagung mit ausgelesenen Wissenschaftlern aus den besetzten Ländern und deutschen SS-Forschern. 7.23 Die wichtigste der Zeitschriften, die Schneider betreut, ist die Illustrierte >Hamer<. Der Name erregte im >Ahnenerbe< selbst Bedenken, weil es in Deutschland um die Jahrhundertwende schon einmal eine Zeitschrift >Hammer< gegeben hatte, die wegen ihrer krass antisemitischen Tendenz die Ziele des GWE hätte durchkreuzen können. Der mit dem Zweck der Rekrutierung von Freiwilligen für die Waffen-SS verbundene Rassismus war zu deutlich auf der Tarnkappe abzulesen. Da aber die Holländer von sich aus keine Einwände hervorgebracht zu haben scheinen – die Zeitschrift >Hammer< war offenbar in Vergessenheit geraten –, legte man diese Bedenken ab. Die neue Zeitschrift >Hamer<, von der zuerst eine niederländische Ausgabe, dann eine flämische Ausgabe erschien, war so erfolgreich, dass man auch an einer deutschen Ausgabe arbeitete. Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... Gottlob Berger 84 7.24 Gottlob Berger (1896-1975) war, als Chef des SS-Hauptamtes, für die „Germanische Freiwilligen-Leitstelle“ des Hauptamtes VI verantwortlich, die insbesondere in den Niederlanden die germanische Volkstumsarbeit organisierte. Berger (*16.7.1896) hatte von 1910-1914 das Lehrerseminar in Nürtingen besucht, um sich dann im August 1914 freiwillig zur Front zu melden. Nach dem Krieg beendete er seine Lehrerausbildung, wobei er von 1920-1922 auch an der Universität Tübingen studierte. In den 20er Jahren arbeitete Berger dann als Lehrer, von 1929 bis 1933 in Wankheim, Kreis Tübingen. 1933 wurde Berger Schulrektor in Esslingen und war von 1935-1937 Direktor der Württembergischen Landesturnanstalt sowie im Range eines Regierungsrates auch Referent für Leibeserziehung im württembergischen Kultusministerium. Bereits seit 1919 leitete Berger die Einwohnerwehr „Nord-Württemberg“ und übernahm ab 1924 verschiedene Einheiten der Reichswehr. Zum 1.1.1931 trat er der SA und der NSDAP (Nr. 426 478) bei. Seine eigentliche Karriere im Dritten Reich begann mit dem Übertritt in die SS am 30.1.1936 (Nr. 287 811),1 wo er zu einem der engsten Vertrauten Heinrich Himmlers wurde und es bis zum SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS brachte. Für das SS-Hauptamt gab Berger zahlreiche weltanschauliche Broschüren und die Zeitschrift SS-Leithefte (Germanische Leithefte) heraus, die dem Zweck der weltanschaulichen Betreuung innerhalb der SS dienten. Neben zahlreichen anderen Ämtern war Berger von 1942 an als Verbindungsführer des Reichsführer-SS beim Reichsminister für die besetzten Ostgebiete tätig und sass ab dem 31.8.1943 für den Wahlkreis Düsseldorf Ost im Reichstag. Im September 1944 wurde er als Kommandierender General bei der Aufstandsbekämpfung in der Slovakei eingesetzt und im Monat darauf Chef des Kriegsgefangenenwesens, ausserdem leitete er ab Oktober 1944 die Ausbildung des Volkssturms. Bergers ‘Hauptverdienst’ während des Dritten Reiches war der Aufbau und die Organisation der Waffen-SS. In Nürnberg wurde Berger im sogenannten Wilhelmstrassenprozeß am 2.4.1949 zu 25 Jahren Haft verurteilt, aber bereits im Dezember 1951 aus Landsberg entlassen. 7.3 Religion und Glaube bei den Germanen Die unterschiedliche Entwicklung der einzelnen germanischen Völker und die fragmentarische Quellenüberlieferung machen es so gut wie unmöglich, von einer spezifisch germanischen Religion zu sprechen. 2 Schon die erste Hauptquelle, die Germania des Tacitus, bietet ein stark idealisiertes Germanenbild, das dem dekadenten Rom als Spiegel entgegengehalten wird, und auch in der altisländischen Edda-Dichtung ist die Authentizität der Überlieferung bis heute stark umstritten. Während des 3. Reiches stand die Religion der Germanen weitgehend unter der Vorstellung einer germanischen Rasse und bis in den universitären Bereich hinein wurde auf dieser Grundlage versucht, die Echtheit und Notwendigkeit einer arteigenen germanischen Religion zu erweisen, ohne dass man sich in jedem Fall in derart phantastische Spekulationen einer ‘urreligiösen’ Heiligen Urschrift à la Herman Wirth zu ergehen brauchte. 1 Nach den Unterlagen des früheren BDC: BA Aussenstelle Lichterfelde. 2 Zu Kapitel 7.3. s. die Aufsatzsammlung von Beck 1992 – Schnurbein 1992 – Junginger, Horst: von der philologischen zur völkischen Religionswissenschaft. Stuttgart 1999 Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 85 7.31 Der wichtigste Versuch einer Organisierung der verschiedenen deutschgläubigen Gruppierungen wurde im Sommer 1933 unter Führung des Tübinger Indologen und Religionswissenschaftlers Jakob Wilhelm Hauer (1881-1962) unternommen, als sich in einer „Arbeitsgemeinschaft Deutsche Glaubensbewegung“ mit Ausnahme der Ludendorffer alle wichtigen deutschreligiösen Gruppen zusammenschlossen. Die „Nordischen“ spielten dabei eine wichtige Rolle und in dem neu gebildeten Führerrat der „ADG“ waren sie durch Hans F. K. Günther, Friedrich Wilhelm Prinz zur Lippe, Herman Wirth, Lothar Stengel von Rutkowski und Matthes Ziegler vertreten.1 Als Verbindungsmann zur SS fungierte Werner Best, dem auch eine gewisse Kontrollfunktion zukam. Im Rasse- und Siedlungshauptamt der SS und im Umfeld von Jakob Wilhelm Hauer Reichsbauernführer Richard Walter Darré sowie natürlich auch im Reichssicherheitshauptamt arbeiteten „Deutschgläubige“ an führender Stelle.2 Die Idee einer germanischen Religion erfuhr dort eine besondere Förderung, sei es dass entsprechende Projekte finanziell unterstützt wurden, sei es in der weltanschaulichen Gegnerbekämpfung. Auch in den verschiedenen Kultusministerien trat die Religion der Germanen in verstärktem Umfang in das Blickfeld der Unterrichtsverwaltungen. 7.32 Dank der Unterstützung durch den Ministerpräsidenten und Kultusminister Mergenthaler wurde an der Universität Tübingen sogar ein Weltanschauungsunterricht eingeführt, der für Lehramtskandidaten verpflichtenden Charakter hatte und mit einer Prüfung in „Weltanschauung“ abgeschlossen wurde. Das von J. W. Hauer geleitete religionswissenschaftliche, später Arische Seminar, erhielt Ende der 30er Jahre von Mergenthaler den Auftrag, die für eine germanische Weltanschauungslehre notwendigen Unterrichtsmaterialien zu erarbeiten und mit einem Stab von etwa zehn Mitarbeitern erstellte Hauer sog. Arbeitsblätter für den weltanschaulichen Unterricht. Ein insbesondere für die Lehrerausbildung vorgesehenes Handbuch der Urkunden und Gestalten der GermanischDeutschen Glaubensgeschichte konnte 1940 im ersten Band erscheinen. 1 Nanko 1993, S.147 2 Im RSHA befanden sich unter den religionspolitischen Sachbearbeitern auffallend viele ‘Apostaten’, so die früheren katholischen Priester Albert Hartl, Dr. theol. Dr. iur. Wilhelm August Pantin und Dr. Friedrich Murawski s. Aronson 1971, S. 139ff. und Boberach 1971, Einleitung S. 35). Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 86 7.33 Eine kleine, für den Schulunterricht vorgesehene Ausgabe Von deutscher Art hatte eine geplante Auflage von 30.000 Exemplaren, eine anspruchsvolle „grosse“ Ausgabe des Deutschen Born, die als Stunden- oder Hausbuch vor allem der familiären Besinnung dienen sollte, eine immerhin noch auf 10.000 Exemplare projektierte Stückzahl. Für die Drucklegung konnte nicht zuletzt aufgrund der Zusage Mergenthalers, alle ihm unterstellten Schulen zur Abnahme zu verpflichten, der Ahnenerbe-Stiftungsverlag gewonnen werden. Letztlich verhinderte aber die Bombardierung der beauftragten Druckerei eine Veröffentlichung. Erst in den 50er Jahren erschien eine gekürzte Fassung des Deutschen Born im rechtsextremen Türmer-Verlag. Die bei weitem grössten Anstrengungen für eine weltanschauliche Untermauerung germanischer Religiosität wurde vom Ahnenerbe der SS unternommen. In zahlreichen Projekten und Abteilungen saßen Ahnenerbe-Mitarbeiter an der mehr oder weniger wissenschaftlichen Bearbeitung der literarischen, archäologischen und anderen Quellenzeugnisse. Für den Bereich germanischer Religion existierte in Tübingen eine spezielle „Forschungsstätte für indogermanische Glaubensgeschichte“, die von dem Religionswissenschaftler Otto Huth geleitet wurde. 7.34 Hauer war auch bei >Ahnenerbe<-Wissenschaftlern wie Wolfgang Krause umstritten, stand aber nicht nur unter dem Schutzschild des württembergischen Ministerpräsidenten Mergenthaler, sondern gerade auch unter dem Himmlers. 7.35 Otto Huth (*9.5.1906) war ein früher Anhänger Herman Wirths, dessen erste ‘urreligionsgeschichtliche’ Ausstellung „Der Heilbringer“ er im Mai 1933 in Berlin organisiert hatte.1 Schon seit 1922 »im völkischen Sinne aktiv tätig«,2 wurde Huth 1934 für den „Arbeitskreis für biozentrische Forschung“ Mitglied im Führerrat der „ADG“3 und im gleichen Jahr leitete er auch die Abteilung Volkskunde in der Reichsführung des „Reichsbundes Volkstum und Heimat“. Im März 1937 stiess Huth zum Ahnenerbe und übernahm im April zunächst kommissarisch und nach seiner Habilitation über den indogermanischen Feuerkult die Pflegstätte „Indogermanische Glaubensgeschichte“ als Abteilungsleiter. Da Huth 1939 eine Dozentur an der Universität Tübingen erhielt, konnte im Ahnenerbe-Haushalt ein Abteilungsleitergehalt eingespart werden, dafür gelangte Huth unter massgeblicher Protektion durch das Ahnenerbe 1942 an der Reichsuniversität Strassburg auf eine ausserordentliche Professur für Religionswissenschaft. Neben J.O. Plassmann war Huth wichtigster Mitarbeiter der 1 BA R 73 / 11853. 2 Lebenslauf Huth vom 3.5.1939: BA BDC PA Huth fol 6025001. 3 BA Nachlaß Hauer, Bd. 56, S. 421 und Bd. 63, S. 72. Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 87 Ahnenerbe-Zeitschrift Germanien, für die er knapp 30 Beiträge und über 300 Rezensionen verfaßte. Im Projekt „Wald und Baum“ bearbeitete Huth den „Lichterbaum“, worüber er 1938 sein Buch Der Lichterbaum. Germanischer Mythos und deutscher Volksbrauch veröffentlichte, in dem er den indogermanischen Ursprung des deutschen Weihnachtsbaumes nachzuweisen suchte. Über sein Hauptarbeitsgebiet der germanischen Religionsgeschichte stand Huth in enger Verbindung zur Volkstumsarbeit der SS. Im „germanischen Wissenschaftseinsatz“, in dem die »Erforschung der kulturellen und politischen Entwicklung des Germanentums« sowie die »Zusammenfassung aller germanischen Völker« und die »Ausrichtung auf den grossgermansichen Gedanken« betrieben wurde,1 arbeitete Huth mit dessen wissenschaftlichem Leiter Hans Ernst Schneider alias Schwerte zusammen. So wurde Schneider von Huth bei einer im Rahmen des „germanischen Wissenschaftseinsatzes“ stattfindenden Tagung deutscher und flämischer Dozenten am 1.1.1943 in Brüssel vertreten.2 Zu den mehr praktischen Seiten des Einsatzes für eine germanische Weltanschauung gehörte, daß Huth ein ihm nicht gefallendes Buch des Leipziger Germanisten Arnold Schmieder im März 1939 durch den SD verbieten lassen wollte,3 oder dass er im gleichen Monat eine „Liste der jüdischen und jüdisch-versippten Gelehrten“ seines Forschungsgebietes an Himmler schickte. Huth folgte dabei seinem eigenen Vorschlag vom 25.1.1939 »betr. Juden in den Geisteswissenschaften“, in dem er die Erfassung der jüdischen Wissenschaftler der jeweiligen Arbeitsbereiche des Ahnenerbes anregte.4 1 Wie es in der Begründung eines vom Ahnenerbe für Huth gestellten Antrages für die „Erlaubnis zum Tragen bürgerlicher Kleidung“ heißt. In der praktischen Durchführung der erwähnten Aufgaben könne bei Sichtung verschiedener Bibliotheken in den nordischen Staaten und bei den Verhandlungen mit den dortigen deutschlandfreundlichen Kräften millitärisches Aussehen von Nachteil sein. (BA NS 21, Bd. 51, 13.12.1943 und ein nochmaliger Antrag am 17.7.1944: BA, Außenstelle Lichterfelde, Personalakte Huth) 2 BA NS 21 / 51: Huth an Sievers am 29.2.1943 und Reisekostenabrechnung Huth vom 28.3.1944 (ebd.). 3 Dessen Buch Wider die Lüge von der germanischen Gotteslehre sich leichtfertig über die 100-jährige Eddaforschung hinweggesetzt hätte , s. Kater 974, S.125 4 Kater 1974, S. 119 und BA, Außenstelle Lichterfelde: Schreiben Huth an Sievers vom 25.1.1939. Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 88 In Strassburg war Huth für den örtlichen SD v.a. auf religionspolitischem Gebiet tätig und zu Beginn des Jahres 1944 hielt er im „germanischen Wissenschaftseinsatz“ mit Walther Wüst zusammen weltanschauliche Vorträge vor verschleppten norwegischen Studenten, die nach ausbleibendem Bekenntnis zum Deutschtum zur Zwangsarbeit abkommandiert wurden.1 Kurz vor dem Einmarsch der französischen Truppen gelang Huth im Herbst 1944 die Flucht nach Tübingen, wo er am dortigen Institut für Volkskunde unterkam. Da sich nach dem Krieg eine Wiederaufnahme der Lehrtätigkeit für Huth als unmöglich herausstellte, arbeitete er von 1961-1971 an der Universitätsbibliothek Tübingen als Fachreferent für Theologie und Religionswissenschaft. 1971 wurde er pensioniert und lebt seither in Tübingen. 7.36 Ausser der praktischen Durchsetzung und der wissenschaftlichtheoretischen Begründung einer germanischen Weltanschauung wurde innerhalb der SS aber auch versucht, dem eigenen religiösen Erleben ein stärkeres Gewicht und einen artgemässeren Ausdruck zu geben. Unter dem Dogma der Blutreinheit wurde in Ehe-, Toten- und anderen Sippenweihen ein an vermeintlich germanischen Traditionen orientierter Kult gepflegt. Mit der Verleihung bestimmter Kultgegenstände sollte dabei der religiöse Charakter der SS als Orden hervorgehoben werden. Zu diesen gehörte der Totenkopfring, der Ehrendolch und der hier gezeigte Julleuchter, der von Himmler zur Jahreswende an verdiente SS-Mitglieder vergeben wurde. Der Julleuchter 1 Wüst sprach in dem bei Strassburg gelegenen Schulungslager Sennheim über „Die Daseinsmacht der Wissenschaft in ihrer indogermanischen Verflechtung“ und Huth über „Das Haus als Heiligtum“, s. Kater 1974, S.185f Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 89 8. Sprachforschung und Menschenversuche: Eberhard Zwirners Unterdruckkammer-Experimente 8.1 Die Menschenversuche im KZ Dachau Die Unterdruckkammer, die Rascher für seine Menschenversuche benutzte – er wollte die genaue Flughöhe ermitteln, ab der Piloten beziehungsweise Fallschirmspringer ohne Sauerstoffflasche einen Absprung nicht mehr überleben –, war zuvor das Forschungswerkzeug des Sprachwissenschaftlers und Neurologen Eberhard Zwirner. Seine Forschungen galten den Sprachstörungen, die damals auch bei Piloten in grosser Flughöhe kurz vor dem Platzen der Lunge auftraten.1 Als Zweck seiner DFG-geförderten Studien gab Zwirner 1937 den Bau von Mikrophonen an, die die in großen Höhen durch Sprachstörungen verursachten Verständigungsschwierigkeiten zwischen Piloten und Bodenpersonal kompensieren sollten. Das 'Deutsche Spracharchiv', in dem diese Experimente stattfanden, ist heute in das Mannheimer 'Institut für deutsche Sprache' integriert. Dass bei Zwirners Experimenten Menschen ums Leben kamen, ist nicht be- Menschenversuch im KZ Dachau kannt. Dennoch ist die Nähe dieser Versuche zu denen von Rascher hinsichtlich der Methode, dem Forschungszweck und der moralischen Bedenkenlosigkeit so verblüffend, dass man nicht umhin kann festzustellen: Diesen Sprachstudien standen die Menschenversuche im Nacken. 8.2 Eberhard Zwirner (*11.10. 1899) war vermutlich der begabteste der deutschen Sprachwissenschaftler in diesem Jahrhundert. Von Haus aus Philosoph und Mediziner, spezialisierte er sich alsbald auf die Neurologie und hier vor allem auf die Neurolinguistik. Aus Ermangelung einer brauchbaren linguistischen Methode schuf er ein eigenständiges sprachstrukturalistisches Paradigma, das von den Grössen seiner Zeit, z.B. von Nikolai Trubetzkoy ernst genommen und von dem Begründer der Kopenhagener strukturalistischen Schule Hjelmslev sogar begeistert begrüsst wurde, von den Strukturalismus-Historikern aber – möglicherweise im Wissen um einige im folgenden anzusprechenden Dinge – totgeschwiegen Eberhard Zwirner wird. Zwirner – hier ein Altersfoto – hatte Anfang der 30er Jahre im Kreise des preußischen Kultusministers Carl Heinrich Becker verkehrt, sich sogar um seine Tochter bemüht, und war Schüler des Philosophen Hönigswald, der als Jude 1938 zunächst ins KZ gebracht und dann exiliert wurde. Überdies war Zwirner Mitarbeiter des berühmten Neurologen Oskar Vogt, dem Tilman Spengler seinen Schlüsselroman 'Lenins Hirn' widmete, sowie des russischen Genetikers Timofeeff-Ressowski, eines frühen Taufliegen-Experten, dessen Biographie den Stoff lieferte für Daniil Granins Roman 'Der Genetiker'. Zwirner geriet nach der Machtergreifung in den Untergangsstrudel seines Chefs Oskar Vogt. Beide müssen die Charité verlassen. Zwirner gelingt es aber, nach vielen vergeb1 Zum gesamten Kapitel s. Simon 1992 Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 90 lichen Versuchen, den Ministerpräsidenten Klagges, der Hitler die deutsche Staatsbürgerschaft verschafft hatte, für sich zu gewinnen und in Braunschweig sein Spracharchiv unterzubringen. Um solche Ziele zu erreichen, war er dreist genug, Versprechungen zu machen von der Art, die von ihm begründete Phonometrie könne an der Stimme nachweisen, ob jemand Jude sei oder nicht. Er lässt sich insbesondere nach dem 'Anschluss' Österreichs zu zahlreichen Denunziationen jüdischer Forschungsgegner hinreissen. Mehr aus Versehen dürfte er auch zum Schicksal von Elise Richter beigetragen haben, von dem noch die Rede sein wird (s.Kap.11.2). Zwirner stand nichtsdestoweniger in Beziehung zu Widerstandskämpfern wie Reichwein (s.Kap.11.4). Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 9. 91 Germanistik zwischen Saalschlachten und Massenmord 9.1 Es gibt kaum Fotos über Saalschlachten in der Weimarer Republik, obwohl diese seinerzeit häufiger waren als heute Brandstiftungen in Asylunterkünften. Körperliche Auseinandersetzungen zwischen Kommunisten und Nationalsozialisten mit manchmal tödlichem Ausgang zielten auf beiden Seiten auf die Destabilisierung der Weimarer Demokratie, der es nicht gelang, der Paramilitarisierung der links- und rechtsradikalen Kräfte einen effektiven, diskussionsfähigen Parlamentarismus entgegenzustellen. Saalschlachten, Straßenkämpfe und auch Attentate gehörten zum politischen Alltag der Weimarer Republik ebenso wie zum Selbstverständnis der nationalsozialistischen Bewegung und dem vieler SA-Männer. Die Gewaltbereitschaft wurde ideologisch gefördert durch die Gewaltverherrlichung zeitgenössischer Schriftsteller – man denke an Ernst Jünger – ebenso wie durch den Mythos vom wilden Germanentum, den 'edlen Barbaren'. Nationalsozialistische 'Opfer' politischer Gewalt wurden innerhalb der NSBewegung zu Helden stilisiert, die für Führer und das 'zukünftige' Deutschland ihr Leben gaben. Collage aus Headlines mit der Todesanzeige eines SA-Kämpfers auf der Titelseite des Völkischen Beobachters Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 92 9.2 Manfred Pechau und die erste Hochschulschrift über NS-Sprache Einer, der sich sogar in Lebensläufen rühmte, an solchen Saalschlachten teilgenommen zu haben, war der Verfasser der ersten Hochschulschrift über NS-Sprache, der Greifswalder Germanist und Studentenfunktionär Manfred Pechau (*23.12.1909).1 Pechau wird in den Franckeschen Anstalten pietistisch erzogen. Er betätigt sich früh als Journalist, Agitator und Gründer von NS-Gruppen. Als Student avanciert er schnell zum Gaustudentenführer und Mitglied der Gauleitung. Zugleich ist er Pressereferent der SA und Schriftleiter einer Tageszeitung. 1934, gerade promoviert, ist er hauptamtlich im Erziehungshauptamt der NSDAP tätig. Er gibt die Zeitschrift „Der politische Student" heraus, der wir nebenstehendes Foto entnahmen. 1937 finden wir ihn beim NS-Lehrerbund. Zugleich ist er ehrenamtlich Mitarbeiter beim Sicherheitsdienst. Schon im Oktober Manfred Pechau 1937 wirkt er in der Berliner Studentenführung als Leiter des Amtes Wissenschaft. Von April 1938 bis November 1939 leitet er die Abteilung 'Politischer Katholizismus' im Amt Rosenberg. Anschliessend kehrt er als Lehrer in die Schule zurück. Ab Mai 1940 ist er Schulungsreferent beim Inspekteur der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes. Im Januar 1941 meldet er sich freiwillig bei einer Nachrichten-Ersatz-Abteilung in Nürnberg. Zuletzt finden wir Pechau als Sturmbannführer in Schellenbergs Abteilung VI im RSHA. Zwei Dokumente zu Manfred Pechau: Die Doktorurkunde (oben) und eine Erklärung (links), die sich nach dem, was unter 9.3 zu berichten ist, wie Hohn liest. 9.3 Zwischen 1941 und 1944 war Pechau Leiter des SS-Einsatzkommandos 1b, später 2, mit Sitz in Loknja (südlich Leningrad). Diese Einsatzkommandos unterstanden bis zum 23.3. 1942 dem in Tübingen ausgebildeten Walter Stahlecker. Pechau scheint aber erst durch dessen Nachfolger Heinz Jost in die Leitung der genannten SS-Einsatzkommandos gekommen zu sein. Im Spätherbst 1942 nahm Pechau als Leiter des Einsatzkommandos 1b an dem Unternehmen „Sumpffieber" teil. Im Abschlussbericht über dieses Unternehmen heisst es unter anderem, man habe am 2. und 3. September 1942 „folgende Erfolge“ erzielt: „19 Bandenlager, Bunker und Stützpunkte sowie mehrere in Sumpfgebieten gelegene Ortschaften, die als Unterschlupf 1 Zu Pechau s. http://homepages.uni-tuebingen.de/gerd.simon/pechau.pdf Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 93 orte dienten, ausgeräuchert und zerstört. 389 bewaffnete Banditen im Kampf erschossen. 1274 Verdächtige abgeurteilt und erschossen. 8350 Juden exekutiert. 1217 Personen evakuiert." 9.4 Das Wort "Evakuierung" meint Abtransport ins KZ oder ins Rigaer Ghetto und damit fast sicher den Tod. Über 10000 MenAusrisse aus dem>Unternehmen Sumpffieber< schen kamen also allein an 2 Tagen der Aktion „Sumpffieber“ ums Leben. Aber Zahlen sagen in diesen Fällen ohnehin kaum mehr als der Begriff „Massenmord", der selbst angesichts dessen, was da passiert ist, nichts ist als ein hilfloser Begriff für Unbegreifliches. Schon der Nürnberger Gerichtshof fand „noch schlimmer [...] die Aufhetzung der Bevölkerung zur Beschimpfung, Mißhandlung und Tötung ihrer Mitbürger.” Die hier gezeigten Litauer erschlagen auf Veranlassung einer Einsatzgruppe jüdische Landsleute unter den Augen zuschauender Heeressoldaten.1 Litauer erschlagen auf Veranlassung einer Einsatzgruppe jüdische Landsleute 9.5 Wolfgang Stammler – Opfer einer Erpressung? Pechaus Doktorarbeit ist von der Qualität her indiskutabel. Sie ist kaum mehr als ein am Sonntag Nachmittag hingeschluderter Schulaufsatz. Dies festzustellen heißt nicht, in den verbreiteten Fehler zu verfallen, Nationalsozialisten von vornherein als Dummköpfe oder Narren darzustellen. Sogar unter den Gutachtern, die sich über die politische Machtposition Pechaus im damaligen Greifswald sicher nicht hinwegtäuschten, gab es Zweifel. Einer hatte keine Zweifel und sorgte dafür, daß die Arbeit sogar mit "gut" benotet wurde: Sein Doktorvater, Wolfgang Stammler, Herausgeber des bekannten Verfasserlexikons. Stammler wurde wenig später fristlos entlassen. Er selbst verbreitete das Gerücht, der Wolfgang Stammler Grund sei, daß seine geschiedene Frau Jüdin sei. Diese freilich legte beim Wissenschaftsministerium Protest ein, nicht zuletzt weil die monatlichen Alimente ihres Ex-Mannes nun ausblieben: Sie und ihre Vorfahren seien sämtlich arisch. Der Entlassungsgrund war auch ein ganz anderer: Die hoffnungslose Verschuldung aufgrund eines Suchtleidens. In sein Desaster hatte er überdies seinen Kollegen Ehrismann 1 Für die Deutung dieses Fotos danken wir Heiner Lichtenstein Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 94 hineingezogen, der in seiner Gutmütigkeit vermutlich nicht einmal ahnte, welche Ursache Stammlers Anpumpmanöver hatten. Pechau aber konnte von dem Suchtleiden wissen. Das aber wirft die Frage auf: Verdankt sich seine Promotion der Erpreßbarkeit seines Doktorvaters? Pechaus Doktortitel ist jedenfalls echt, wenn auch die oben wiedergegebene Versicherung, die Doktorwürde vor jedem Makel zu bewahren, im nachhinein wie Hohn wirkt. Nach dem Zweiten Weltkrieg beging Pechau Selbstmord. Erste Überprüfungen dieser in der Sekundärliteratur verbreiteten Nachricht fanden keine Bestätigung. Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 95 III. DIE UNIVERSITÄT UND KEINE STUNDE NULL 10. Keine Schuld und keine Sühne? Im Zusammenhang mit dem ‘Fall’ Schwerte ist auch die Diskussion um die sogenannte „Stunde Null" wieder einmal ins Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt. Der „Namenswechsel" Schneiders erinnert an die kollektiven Namenswechsel der unmittelbaren Nachkriegszeit: „Vom 3. Reich zur Bundesrepublik Deutschland“ bzw. „Deutschen Demokratischen Republik“ und vom ‘Volksgenossen’ zum ‘Bundesbürger’ bzw. ‘Staatsangehörigen der DDR'. Dem Namenswechsel folgte der Perspektivwechsel: Dass dies zwangsläufig so kommen musste, wird niemand ernsthaft behaupten. Unverständlich ist dieses Verhalten jedoch nur, wenn man davon ausgeht, dass die Deutschen 1945 vom Nationalsozialismus „befreit“ wurden. Wir sollten unsere heutige Interpretation der geschichtlichen Ereignisse nicht verwechseln mit dem kollektiven Empfinden und Verhalten damals. Die Mär von der „Befreiung“ wurde bei den Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag des Kriegsendes von offizieller Seite quasi zur neuen deutschen Ideologie erhoben, ohne dass sich nennenswerter Protest gezeigt hätte. Dabei sollte man in Deutschland eigentlich immer dann besonders hellhörig werden, wenn sich alle wesentlichen politischen Kräfte einig sind. „Befreit“ werden Gefangene, Verfolgte, Opfer. Zu dieser konkreten Bedeutung des Wortes passt nicht recht, dass sich kein Volk seiner ‘Befreiung’ so hartnäckig und brutal widersetzte wie das deutsche. Am 8. Mai 1945 herrschte auf deutschen Strassen (soweit sie noch begehbar waren) kein Jubel, bestenfalls ein indifferentes Gefühl der Erleichterung, dass der Terror der Bombenangriffe und der Kampfhandlungen überhaupt vorüber war. Das Verhalten der Deutschen in der unmittelbaren Nach-Kriegszeit zeigt deutlich, dass die Kohäsion der nationalsozialistischen ‘Volksgemeinschaft’ die Niederlage überdauerte: die kritische Einstellung zu den Nürnberger Prozessen, die Debatten über die Straffreiheitsgesetze 1949 und 1954 sowie über das Bundesgesetz zum Artikel 131 GG, das die Wiedereinstellung bzw. Pensionierung von belasteten Beamten regelte – all das sind deutliche Zeichen für eine ‘Solidarisierung’ mit den Tätern, die – im Unterschied zu den Opfern – nach wie vor zur ‘Volksgemeinschaft’ gezählt wurden. Auf eine perverse Weise sah man die unter alliierter Gerichtsbarkeit Verurteilten vielfach als – im Wortsinne – ‘Repräsentanten’ des deutschen Volkes an. Die einhellige Ablehnung einer Kollektivschuld für die Menschheitsverbrechen trug dazu bei. Gleichzeitig wurde das Wort von der Kollektivscham zur Entschuldigung für die Nicht-Beschäftigung mit diesen Verbrechen. Das millionenfache Schicksal der Opfer wurde in kollektiver Scham und Ohnmacht erstickt und verdrängt. Das Problem scheint also weniger die angeblich konsequente Verdrängung der nationalsozialistischen Vergangenheit in der Adenauer-Zeit, sondern vielmehr ihre Thematisierung unter falschen Vorzeichen: die nationalsozialistische Definition der Volksgemeinschaft lebte fort. Wer ‘dazu’ gehört hatte, konnte mit der Solidarität der grossen Masse rechnen, den ‘anderen’ begegnete man mit Reserve und Unsicherheit.1 Wie nachhaltig diese in-group/out-group Diskriminierung ist, dafür sind die bestehenden Schwierigkeiten im Umgang mit Juden in Deutschland nur ein Beispiel von vielen. Das unhistorische Wort „Befreiung“ ist heute offiziell zur Chiffre für eine Distanzierung vom 3. Reich geworden, die sich in der Ablehnung des Nationalsozialismus erschöpft, ohne sich konsequent mit seinen Ursachen und Folgen beschäftigen zu müssen. Es verstellt zudem den Blick auf die Tatsache, dass mit dem Untergang des 3. Reiches 1945 zwar der Nationalsozialismus als Herrschaftssystem verschwand, nicht aber die Menschen, die dieses System zwölf Jahre lang unterstützt hatten. Es ist daher – um nochmals auf den Fall des Germanisten Hans Schwerte zurückzukommen – gerade die scheinbare biographische Diskontinuität der Person Schneider / Schwerte, die die Frage nach 1 Zahlreiche Beispiele dieses Verhaltens in der Frühzeit der Bundesrepublik liefert z.B. der autobiographische Bericht von Inge Deutschkron 1992 Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 96 der ideologischen Kontinuität aufwirft. Wer die Diskussion um Schwerte verfolgt hat, dem fällt auf, dass in manchen Köpfen die Vorstellung herrscht, Nationalsozialist müsse bleiben, wer einmal Nationalsozialist war. Diese Haltung spricht dem Menschen die Fähigkeit ab, sich zu entwickeln, Fehler zu erkennen und aus ihnen zu lernen. Um es klar zu sagen: Wir billigen keineswegs das Verhalten Schneider/Schwertes. Wir können sogar für uns in Anspruch nehmen, einiges in diesem Fall zur Ermittlung empirischer Fakten und deren Einordnung beigetragen zu haben. Aber ein Hans Schwerte, der seine Schuld sieht und einräumt, ist uns allemal lieber als die unbewusste Verlogenheit ahistorischer „BefreiungsIdeologen“ oder wutschnaubender und faktisch den Status quo zementierender Symboltäter. Kann es denn angehen, sich über den 'Betrug' eines einzelnen zu empören, ohne die kollektiven Lügen zu problematisieren? Der 8. Mai 1945 wurde in Deutschland als Tag des Zusammenbruchs, bestenfalls der Kapitulation, jedenfalls nicht als Tag der Befreiung empfunden. Man dachte an die Zukunft und verkannte, daß allein die Beschäftigung mit der Vergangenheit eine Zukunft ermöglicht, die verhindert, daß sich die Vergangenheit wiederholt oder gar zu Schlimmerem mutiert (vgl. a. Kap. 2.84). 10.1 In Tübingen machte der französische Kommandant René Cheval den Germanisten Hermann Schneider, den er schon seit langem kannte, zum ersten Nachkriegsrektor der Universität Tübingen. Es ist nicht bekannt, ob er wusste, wie positiv die SS und insbesondere der SD über ihn, diesen Förderer von Thierfelders Plänen zu einem internationalen Germanistenverband dachte (s.Kap.2.99). Es ist nicht einmal bekannt, ob Schneider das selbst wusste. Hermann Schneider war nach 1945 die Attraktion der Universität Tübingen.1 Sogar der Chemie-Nobelpreisträger von 1939 Adolf Butenandt zählte sich zu den begeisterten Zuhörern seiner Vorlesungen. In gewisser Weise verkörperte Hermann Schneider die Ideologie der Noch-Einmal-Davongekommenen mit ihrem Herrmann Schneider Rückfall in die Fehler der Weimarer Republik und ihrer Tabuisierung der Schuldfrage. 1 s. Cheval 1948 – vgl. auch: Schäfer 1985 Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 10.2 97 Entnazifizierung oder Mitläuferfabrik? 10.21 Von Lutz Niethammer stammt in bezug auf die Entnazifizierungsinstanzen das Schlagwort „Mitläuferfabrik“.1 Von wenigen Ausnahmen abgesehen, trifft das auch auf Wissenschaftler zu. Selbst so hochkarätige SD-Forscher wie Spengler und Rössner erhalten das Prädikat „Mitläufer“. Da wundert es einen nicht, wie gnädig die Schiedsstellen in den vier hier ausgewählten typischen Fällen verfuhren. Die erste Seite eines von Obenauer handschriftlich ausgefüllten Fragebogens des Entnazifizierungsbeauftragten in Nordrhein-Westfalen 1 Niethammer 1982 – vgl. a. Brochhagen 1994 Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 98 10.22 Die Reedukations-Politik der Alliierten sah für Schwerbelastete Spruchkammerverfahren und Inhaftierung vor. Die eingerichteten Spruchkammergerichte hatten lediglich mit Gewaltverbrechen zu tun, also auch mit der Zugehörigkeit zu jenen Organisationen, die in den Nürnberger Prozessen als verbrecherisch erklärt wurden, vorwiegend mit der SS und ihren Subinstitutionen, zum Beispiel dem SD. Daneben bzw. zusätzlich hatten die gleichen Personen sich wie alle Leichtbelasteten und einfachen NSDAP-Mitglieder einem Verfahren vor einem Entnazifizierungsausschuss zu unterziehen. Vom Entnazifizierungsverfahren ausgenommen waren lediglich nachweislich Verfolgte und Widerstandskämpfer. Als erstes hatte man einen achtseitigen Fragebogen auszufüllen. Karl Justus Obenauer (s. Kap. 2.85) war ein Wissenschaftler, der beide Verfahren durchlaufen musste. Obenauer ist nach Kriegsende zunächst im Lager Recklinghausen, dann im Lager Hemer und im Lager Eselheide, schliesslich im Lager Staumühle interniert.1 Für das Das Urteil des Spruchkammergerichts Biele- Verfahren vor dem Spruchgericht lässt Obenfeld im Fall Obenauer auer durch seine Frau zahlreiche positive Gutachten über sein Verhalten in der NS-Zeit besorgen, u. a. von Hans Naumann und Heinz Nicolai. Ungeschickterweise stimmten manche dieser Gutachten in den wichtigsten Passagen wörtlich überein. Die Anklagebehörde kann aber auch mit einigen z. T. sehr negativen Gutachten aufwarten. Obenauer selbst kann man Verbrechen nicht nachweisen, nicht einmal, dass er von ihnen gewusst habe. Auch sein Verhalten in Sachen Entzug der Ehrendoktorwürde Thomas Manns wird angesprochen. Sein Kollege Heinrich Lützeler behauptet, Obenauer habe den Brief an Thomas Mann „gegen den Rat des Ministeriums und ohne Wissen der Mitglieder der Fakultät – auf Grund des Führungsprinzips“ geschrieben. Horst Oppel habe er nicht zur Habilitation zugelassen, weil es ihm am „Einsatz im Sinne der SS“ fehle. Auf Obenauers Mitwirkung führt Lützeler auch seine eigene Entfernung von der Universität Bonn 1940 zurück. Obenauer bestreitet mit Erfolg alle Anschuldigungen und reiht sich nahtlos ein in die Schar der SS-Leute, die amerikanische Kommentatoren früh als „Wusstenixe“ kennzeichneten. Die Strategie, die schon in den Nürnberger Prozessen Erfolg hatte, freilich auch möglich war, weil den Gerichten damals noch deutlich weniger Archivalien vorlagen als später, führte auch bei Obenauer zum Freispruch auf Staatskosten. Aber der Oberste Spruchgerichtshof in Hamm hob dieses Urteil wegen eines Verfahrensfehlers auf. Am 9. Februar 1949 wird Obenauer daraufhin zu 3.000,- DM Geldstrafe verurteilt, ersatzweise zu drei Monaten und zehn Tagen Gefängnis, was als durch die 2 3/4 Jahre Internierung verbüßt erklärt wurde. Obenauer war schon vorher am 12. März 1948 auf freien Fuß gesetzt worden und hatte am 1. September 1948 seine Entnazifizierung beantragt. Am 22. November 1948, also noch vor dem 2. Spruchkammer-Urteil reiht ihn der Entnazifizierungs-HauptAusschuss Siegen in die Kategorie IV (=Mitläufer) ein. Am 17. Februar 1949 wird auch dieser Beschluss aufgehoben. Obenauer versteht es, obwohl 1940 aus der Kirche ausge1 Zu Obenauer s. das Buch von Hübinger 1974, sowie Simon 1997d Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 99 treten, den Paderborner Erzbischof Lorenz Jaeger für sich einzuschalten. So bleibt es bei der Einstufung als Mitläufer. Allerdings wird ihm das passive Wahlrecht entzogen. In seinem Entnazifizierungsverfahren hilft Obenauer einer, der das alles schneller und problemloser überstanden hatte, obwohl er weitaus mehr auf dem Gewissen hatte: sein Schüler Wilhelm Spengler. 10.23 Der Entnazifizierungsfall Weisgerber Weisgerbers Einsatz in der besetzten Bretagne war während des Krieges (s. Kap. 4.3) unter der Regie staatlicher, militärischer und parteiamtlicher Stellen erfolgt, in den letzten Monaten des Krieges im Auftrag des RSHA.1 In seinem Entnazifizierungsverfahren machte Weisgerber 1946 gegenüber der Militärregierung falsche Angaben, indem er ausschliesslich „Arbeiten im Bereich des Militärbefehlshabers in Frankreich" zu Protokoll gab und vor allem seine Tätigkeit für den Sicherheitsdienst verschwieg. Offenbar rechnete Weisgerber mit der Verschwiegenheit seiner Kollegen und Vorgesetzten an der Universität: in seiner Personalakte sind die Aufträge, die er für das RSHA ausführte, dokumentiert. Weisgerber kalkulierte richtig: sein Verbleib auf dem Bonner LehrLeo Weisgerber stuhl wurde nie in Frage gestellt. Im Gegenteil: 1946 erhielt er einen Ruf nach Tübingen auf den Lehrstuhl für Sprachwissenschaft. Weisgerber zog es jedoch vor, in Bonn zu bleiben – wo sich während des Krieges „die Verbindung der Universitätsarbeit [...] mit der Wehrmachtsarbeit in der Bretagne" für seine Forschung als durchaus nützlich erwiesen hatte: „Die Ausweitung, die der volkhafte Sprachbegriff gerade auch während der Kriegszeit gewinnen konnte, ist mir eine Bestätigung dafür, dass das wissenschaftliche Bemühen an seiner Stelle die Kräfte mit weckt und stärkt, durch die wir den Kampf um das deutsche Schicksal siegreich bestehen werden." Die Ablehnung des Tübinger Rufes verband Weisgerber 1946 gegenüber der Universität Bonn mit der Forderung, seinen Lehrstuhl umzuwidmen. Er wollte sich in Zukunft weniger mit Keltologie und mehr mit allgemeiner Sprachwissenschaft befassen. Seinen Forschungsschwerpunkt sah Weisgerber nunmehr vor allem im Bereich der „Sicherung der wissenschaftlichen Freiheit (etwa bei den im gegenwärtigen Zeitpunkt ebenso unerlässlichen wie umkämpften Fragen nach dem Wesen, den Aufgaben und Rechten der Muttersprache und der Sprachgemeinschaft)". Dass es Weisgerber in der Nachkriegszeit (wie schon zuvor) nicht nur um Wissenschaft, sondern auch um (Volkstums-)Politik ging, machen seine Veröffentlichungen zum Südtirolkonflikt und vor allem zum Elsass und zu Lothringen (s. o. 5.4) deutlich. Ungeachtet der Katastrophen des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs blieb sein Denken konfrontativ statt kooperativ angelegt, mehr auf Grenzziehung denn auf Grenzüberwindung bedacht. Wissenschaftlichen Kritikern warf er vor, mit Verdächten politischer Art zu operieren; in späten Jahren suchte er sie sich mit Androhung von Prozessen vom Leibe zu halten. Weisgerber starb 1985. Einige seiner ehemaligen Kollegen und Schüler halten ihn und seine Arbeit bis heute in hohen Ehren. 1 Zu Weisgerber zentral: Lerchenmüller, Joachim: >Keltischer Sprengstoff.< Tübingen 1997. Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 100 10.24 Der Entnazifizierungsfall Junker Der Indogermanist Heinrich Junker (*26.3. 1889) gehört zu jenen NS-Wissenschaftlern, die ihre Hochschulkarriere nach dem Krieg in der DDR fortsetzten. Junker studierte in Giessen, Strassburg und Heidelberg vergleichende Sprachwissenschaft, klassische Philologie, Germanistik, Anglistik und Philosophie. 1911 promovierte er in den Fächern vergleichende Sprachwissenschaft, indoiranische Philologie und Philosophie. Nach Lehrverpflichtungen in Giessen und Hamburg erfolgte 1926 der Ruf nach Leipzig auf den Lehrstuhl für indogermanische Sprachwissenschaft. Mitglied der NSDAP wurde Junker im Mai 1933 (Nr. 2.992.141). An der Universität Leipzig war er Leiter der Dozentenschaft, zuständig für die Wehrbetreuung der Studierenden, die politische Betreuung der tschechischen Studierenden, Leiter der AbteiHeinrich Junker lung „Indogermanen und Nicht-Indogermanen“ im Kriegseinsatz der Indogermanisten und Mitglied in einem Arbeitskreis des Sicherheitsdienstes.1 Junkers schillernde Persönlichkeit – sein ehemaliger Leipziger Kollege Bernhard Schweitzer, nach dem Krieg Professor für Archäologie in Tübingen, sprach von einem "fast pathologische[n] Geltungskomplex"2 – dürfte zu einem nicht geringen Teil sein eher ungewöhnliches Verhalten im 3. Reich erklären. Im März 1939 trat er – nach eigenen Aussagen – aus der Partei aus, da ihm als ehemaligem Freimaurer die Übernahme von Partei- und Ehrenämtern versagt blieb und er deshalb „als Pg. schlechter gestellt“ sei, „wie als Nichtparteigenosse".3 Sein angeblicher Austritt aus der NSDAP wurde allerdings in der Ortsgruppe Leipzig bis März 1944 nicht aktenkundig.4 Stattdessen erhielt Junker damals vom Sicherheitsdienst die „Zusage, die Sache in Ordnung zu bringen".5 Der Sicherheitsdienst der SS pflegte niemanden einen 'Gefallen' zu tun, ohne Gegenleistungen zu verlangen. An der Universität Leipzig war allgemein bekannt, dass Junker „eine ausführliche Kartothek über jeden Kollegen angelegt hatte, in der alle bemerkenswerten Aussprüche, Stellungnahmen, Handlungen der Betreffenden protokollarisch festgehalten waren, und zwar aus Sitzungen des Senats, der Fakultät oder aus blossen Gesprächen."6 Junker verdächtigte auch einige seiner eigenen Studenten gegenüber der Leipziger Polizei, Hetzschriften verfasst zu haben;7 in der Sächsischen Akademie der Wissenschaften betrieb er „die Ausstossung der jüdischen oder halbjüdischen Mitglieder" und den Rücktritt des Germanistikprofessors Theodor Frings als Sekretär der Sächsischen Akademie der Wissenschaften.8 1944 war es das Gutachten Junkers, das die Verleihung der Goethe Medaille an den Leipziger Rassen- und Völkerkundler Otto Reche verhinderte: Reche sei politisch „immer sehr vorsichtig gewesen, habe sich durchgeschlängelt, habe noch im April 1933 für die Hugenbergpartei geworben und erst seit 1933 öffentlich eine judengegnerische Haltung gezeigt."9 Im Juni 1945 verfügte die amerikanischen Besatzungsmacht die Einsetzung von 'Säuberungskommissionen' in jeder Fakultät. In der Philosophischen Fakultät der Universität Leipzig wurde Hans-Georg Gadamer zum Vorsitzenden dieser Kommission bestimmt. 1 NSDAP Kreis Leipzig, Ortsgruppe Zentrum C, Personalbogen Junker, 17.3.44 – BAD – ZB/7895 A.8 2 Schweitzer an Prodekan der Phil.Fak. Leipzig, Erkes, 19.1.51 – UA Leipzig – PA 615 Junker Bl. 118f 3 Junker an Gaugericht Dresden, 3.3.39 [Abschrift Junkers in Schreiben an Dekan Phil.Fak. Leipzig, 30.5.45] – UA Leipzig – PA 615 Junker Bl. 25-30,[ 30] 4 Cf. NSDAP Kreis Leipzig, Ortsgruppe Zentrum C, Personalbogen Junker, 17.3.44 – BAD – ZB/7895 A.8 5 Junker an Gaugericht Dresden, 3.3.39 [Abschrift Junkers in Schreiben an Dekan Phil.Fak. Leipzig, 30.5.45] – UA Leipzig – PA 615 Junker Bl. 25-30, Bl. 30 6 Schweitzer an Prodekan der Phil.Fak. Leipzig, Erkes, 19.1.51 – UA Leipzig – PA 615 Junker Bl. 118f 7 Cf. Heyne, Polizeipräsidium Leipzig, Übersichtsbericht, 5.12.35 – BAD – ZB/7895 A.8 8 Schweitzer an Prodekan der Phil.Fak. Leipzig, Erkes, 19.1.51 – UA Leipzig – PA 615 Junker Bl. 118f 9 Cf. HA Wissenschaft, Aktennotiz für den Reichsleiter, 15.11.44 – BAK – NS 8/241 Bl. 253-257, Bl. 255f Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 101 Der „schwierigste Fall" war Heinrich Junker, „über dessen Untragbarkeit kein Zweifel bestand",1 wie sich Bernhard Schweitzer später erinnerte. Die Entscheidung der Kommission beruhte jedoch ausschliesslich auf dem Wissen und den Erfahrungen seiner Professorenkollegen: Auf Anordnung des Dekans war in den letzten Kriegstagen die Verbrennung von Junkers Personalakte angeordnet und durchgeführt worden.2 Mit diesen Unterlagen lag auch seine NS-Biographie gewissermaßen in Asche. Junker beantragte 'aus gesundheitlichen Gründen' seine Entpflichtung.3 Nach dem Abzug der Amerikaner aus Sachsen im Juli 1945 pflegte Junker dank seiner russischen Sprachkenntnisse bald „ziemlich enge Verbindungen mit Angehörigen der sowjetischen Besatzungsstellen.“4 Welcher Art diese Kontakte mit der Besatzungsmacht waren, ist unbekannt. Denkbar wäre, dass Junker sein Wissen über den Sicherheitsdienst sowie über seine Kollegen an der Universität dem sowjetischen Geheimdienst nutzbar machte – immerhin hatte er vor der 'Säuberungskommission' im Juni 1945 noch damit gedroht, „er werde sein Archiv dem Säuberungsoffizier der damals noch amerikanischen Besatzungsmacht zur Verfügung stellen, wenn er entlassen werden sollte."5 Junker versuchte spätestens seit 1948, wieder an die Universität Leipzig berufen zu werden. Privatim wurde über einen Mittelsmann jedoch mitgeteilt, dass ein Antrag auf Wiedereinstellung ein „völlig aussichtsloses Unternehmen" wäre, da Junker „nach Ansicht aller massgebenden Stellen für ganz besonders belastet" gelte.6 1950 stellte Junker offiziell den Antrag auf Wiederverleihung seiner Leipziger Professur. Die Philosophische Fakultät konnte sich im Februar 1951 nicht dazu entschliessen, diese zu befürworten.7 Grund dafür waren zwei vom Dekan erbetene Stellungnahmen aus der Bundesrepublik: von Bernhard Schweitzer, der im Frühsommer 1945 kurze Zeit Rektor der Universität Leipzig war und Hans-Georg Gadamer, damals Dekan der Philosophischen Fakultät. Beide äußerten sich über Junker in eindeutiger Weise. Gadamer schrieb unter anderem: „Während der Nazizeit wagte niemand im Beisein von Herrn Junker politisch oppositionelle Reden zu führen, weil man ihm nicht traute. Das unterschied ihn selbst von öffentlichen Amtsträgern der Partei, z.B. den letzten Nazi-Rektoren oder Dozentenbundsführern. [...] Sie wissen ja, dass wir im Sommer 1945 – es war noch zur Zeit der amerikanischen Besatzung – nur sehr wenige Kollegen ausschlossen, so dass unser damaliges Votum besonders schwer wiegt."8 Auf seinen Lehrstuhl an der Universität Leipzig kehrte Junker nie mehr zurück. Allerdings wurde er schon im Juni 1951 auf den Lehrstuhl für Iranische Sprachen an die Humboldt-Universität berufen. In Berlin sah man den 'Fall' Junker offenbar anders als in Leipzig: es kam weniger auf die persönliche Vergangenheit im 3. Reich an als auf „Ihre Tätigkeit und Ihre Mitarbeit am kulturellen Wiederaufbau seit 1945 [...], da dies jetzt wertvoller ist, als die Vorgänge vor 1945."9 Der Dekan der Berliner Philosophischen Fakultät stellte die Emeritierung Junkers 1945 gegenüber dem Staatssekretariat als das Ergebnis einer persönlichen Fehde zwischen Junker und Bernhard Schweitzer dar. Wolfgang Steinitz, bis dato einer der wenigen Kommunisten unter den Sprachwissenschaftlern, wies explizit darauf hin, dass 1 Schweitzer an Prodekan der Phil. Fak. Leipzig, Erkes, 19.1.51 – UA Leipzig – PA 615 Junker Bl. 118f 2 Cf. Schweitzer an Prodekan der Phil. Fak. Leipzig, Erkes, 19.1.51 – UA Leipzig – PA 615 Junker Bl. 118f 3 Lebenslauf Junker, n. d. [Umgebung August 1960] – UA HUB – PA J 213 Junker Bl. 61-63 4 Cf. Heinrich Becker an Baetke, Universität Leipzig, 23.8.48 – UA Leipzig – PA 615 Junker Bl. 98 5 Cf. Schweitzer an Prodekan der Phil. Fak. Leipzig, Erkes, 19.1.51 – UA Leipzig – PA 615 Junker Bl. 118f 6 Baetke, Universität Leipzig, an Heinrich Becker, Bibliographisches Institut Leipzig, 28.9.48 – UA Leipzig – PA 615 Junker Bl. 99 7 Cf. Erkes an Staatssekretariat für Hochschulwesen, 10.2.51 – UA Leipzig – PA 615 Junker Bl. 15 8 Gadamer an Erkes, 21.1.51 – UA Leipzig – PA 615 Junker Bl. 100 9 So offenbar schon der Prodekan der Phil. Fak. Leipzig gegenüber Junker Anfang 1951. Cf. Junker an Frings, 29.3.51 – UA Leipzig – PA 615 Junker Bl. 16f Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 102 Schweitzer als Rektor „dann mit den Amerikanern nach Westen" gegangen sei. Überdies habe sich Junker seit 1945 „aktiv am demokratischen Neuaufbau beteiligt".1 Für Junkers Berufung nach Berlin sprach, dass „in der Sowjetunion ein sehr grosses Interesse an Iranistik besteht" und somit "die Tätigkeit von Prof. Junker auch für die deutsch-sowjetische wissenschaftliche Zusammenarbeit wichtig sein" werde. Ausserdem dürfte für Junker gesprochen haben, dass er des Koreanischen mächtig war – zum Zeitpunkt der Ernennung Junkers war der Korea-Krieg voll entbrannt; die koreanistische Lehrabteilung an der Humboldt-Universität wurde von ihm aufgebaut.2 Im Mai 1953 erfolgte alsdann Junkers Berufung in den Wissenschaftlichen Beirat für die Fachrichtung Orientalistik beim Staatssekretariat für Hochschulwesen der DDR.3 Bald darauf wurde er zum Vorsitzenden des Wissenschaftlichen Bereichs für Sprachwissenschaft bestellt.4 Aus Anlass der 150-Jahr-Feier der Berliner Universität wurde Junker die Auszeichnung „Hervorragender Wissenschaftler des Volkes" verliehen. In der Antragsbegründung wurde unter anderem darauf verwiesen, dass Junker „von vornherein in der Iranistik und Koreanistik den Schwerpunkt auf die Moderne gelegt und damit die Enge einer bürgerlichen Philologie in der Orientalistik überwunden" habe.5 Junker starb, ausgezeichnet mit der „Verdienstmedaille der Deutschen Demokratischen Republik", am 3. April 1970 in Berlin. Obschon seit 1961 emeritiert, hielt er bis zu seinem Tode Lehrveranstaltungen an der Humboldt-Universität ab, wo er „junge Nachwuchskräfte heran[bildete], die bereit sind und die Fähigkeiten besitzen, Ihr Werk [...] im Geiste unserer neuen sozialistischen Hochschulordnung weiterzuführen."6 10.24 Der Entnazifizierungsfall Porzig Walter Porzig (* 30.3.1895) gehörte zu den Wissenschaftlern, die Politik und Wissenschaft stets säuberlich auseinanderhielten. Nichtsdestoweniger war er in beiden Bereichen sehr aktiv. Porzig wirkte als Indogermanist zuerst in Leipzig, wurde dann 1925 Ordinarius in Bern, 1935 in Jena, 1941 in Strassburg (wo er nicht las, weil er in Norwegen beim Militär war) und ab 1951 in Mainz. Porzig ist noch heute vor allem durch sein in der Nachkriegszeit geschriebenes, allgemeinverständliches Werk „Das Wunder der Sprache“ als führender Vertreter der inhaltsbezogenen Grammatik bekannt. Vom 15. August 1934 bis 30. April 1935 war Porzig aber – was weniger bekannt ist – auch Leiter der Auslandsgruppe der NSDAP Walter Porzig in Bern. Nach dem spektakulären Lehrstuhlwechsel mit seinem Lehrer Debrunner, der als erklärter Antinazi aus Deutschland herausstrebte, übernahm er an seinem neuen Wirkungsort Jena die Position eines Blockleiters, später eines Schulungsleiters. Von Beginn des Krieges an war er im Heeresdienst als Hauptmann in Norwegen. 1944 wurde er entlassen und führte dann als Kommandant ein Volkssturmbataillon in Jena. Vom 13. April 1945 bis 26. Juli 1946 war er im Internierungslager, zuletzt in Darmstadt. Danach verdiente er sich als Arbeiter in einer Sperrholzfabrik sein Geld. Die Spruchkammer Koblenz stuft Porzig am 8. März 1949 in die Kategorie IV (Mitläufer) ein.7 Im Falle seiner Wiedereinstellung würden ihm auf 2 Jahre 20% des Gehalts 1 Steinitz an Staatssekretariat für Hochschulwesen, 15.6.51 – UA HUB – PA J 213 Junker Bl. 12f 2 Cf. Wirzberger an Junker, 26.3.69 – UA HUB – PA J 213 Junker Bl. 132 3 Harig, Staatssekretär, 7.5.53 – UA HUB – PA J 213 Junker Bl.29 4 Cf. Kürschners Gelehrtenkalender 1961, s.v. Junker 5 M.B. Alavi an Rektor HUB, 20.8.60 – UA HUB – PA J 213 Junker Bl. 64f 6 Wirzberger an Junker, 26.3.69 – UA HUB – PA J 213 Junker Bl. 132 7 Zu diesem und dem folgenden s. Säuberungssspruch 1.4.49 – UA Tü 267/33 Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 103 abgezogen. Bemerkenswert ist die Begründung der Spruchkammer: „Er machte in der Spruchkammersitzung den Eindruck eines offenen, wahrheitsliebenden, sozial empfindenden, reichlich weltfremden Universitätsprofessors, der in seiner Harmlosigkeit sogar die Judenpogrome als eine spontane Kundgebung des Volkes hielt, die von der nationalsozialistischen Regierung nicht gebilligt worden wäre.“ Es gab eben Spruchkammern, die so harmlos waren, daß sie hinter solchen Harmlosigkeiten nicht den Mythos vom Typ „Wenn das der Führer wüsste“ erkannten, der Herrscher und Beherrschte gleichermaßen entlastete. Natürlich war Porzig jetzt auch seit seiner Rekrutenzeit 1914 Antimilitarist gewesen. Seine Frau formulierte es 1947 schon deutlicher: „Es wäre bestimmt nicht im Sinne meines Mannes, wollte ich leugnen, daß er überzeugter Nationalsozialist war (...)“ Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 104 10.3 Der 'Jungtürkenaufstand' auf dem Germanistentag Der Germanistentag des Jahres 1966 in München war der aufsehenerregendste nach dem Zweiten Weltkrieg. Die wichtigsten Beiträge wurden unter dem Titel „Germanistik – eine deutsche Wissenschaft“ 1967 publiziert. Sie wollten „ein Stück deutsche Ideologie“ einfangen, „[...] das verdeckt und unbeobachtet bis in die Gegenwart die schädlichsten Wirkungen auf die Praxis des Faches ausübt und ohne dessen Eliminierung die Germanistik zu einer vernünftigen und nützlichen Wissenschaft nicht werden kann.“ 1 Die meisten Referenten waren erst kurz vorher um ihren Beitrag zur Tagung gebeten worden. Sie hatten kaum mehr als einen Monat Zeit zur Vorbereitung. So basierte die Analyse auf einer mehr zufälligen Auswahl und hängte sich an willkürlich zusammengelesene Zitate. Wolfgang Fritz Haug fiel es leicht, gerade am Beispiel dieser Beiträge zum Germanistentag die Ideologie des „hilflosen Antifaschismus“ zu erläutern. Trotzdem kommt dem Germanistentag 1966 das Verdienst zu, die Diskussion über die Vergangenheit der Germanistik fachintern und in der Öffentlichkeit angestoßen zu haben. Nach dieser Tagung gab es kein Zurück mehr zum bis dahin vorherrschenden Verdrängen, Verschweigen oder Verharmlosen. Dass der ‘Jungtürkenaufstand’ trotz seiner Mängel eine Zäsur in der Nachkriegsgeschichte der Germanistik ist, wird deutlich, wenn man zum Vergleich den Bericht über den Germanistentag 1950 – der erste nach dem Ende des Nationalsozialismus – heranzieht. Bei der Lektüre springt einem die Hilf- und Orientierungslosigkeit der Davongekommenen – prominente Beiträger waren unter anderen Hans Heinrich Borcherdt, Heinz Otto Burger und Benno von Wiese – in jedem Absatz förmlich entgegen. In beinahe entwaffnender Offenheit schrieben Arens und Brinkmann unter anderem: „Im Rahmen der Vorträge kam die Frage noch nicht zur Geltung, wie wir heute 2 nach erschütternden Erfahrungen unsere Dichtungsgeschichte sehen.“ Grossen Anklang fand stattdessen jener ‘Ausweg’ aus nationalsozialistischen Paradigmen, den Heinz Otto Burger anbot und der die Literaturwissenschaft der Bundesrepublik bis in die sechziger Jahre bestimmte – die Flucht in die Utopie der textimmanenten Interpretation, in das Postulat, die Dichtung habe „[...] ihre eigene Zeit und ihren eigenen Raum (Burger); darum kann sie nicht mit biographischer (Leben des Dichters) oder historischer Methode (die Zeit) aus außer3 dichterischen Kräften erklärt oder ‘abgeleitet’ werden.“ 1 Lämmert 1967, S. 2 2 Arens 1950/51, S. 60 3 ibid., S. 61 Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 105 10.4 'Entnazifizierung im Selbstversuch': Tat oder Trug des Hans Schwerte? Ende April 1995 gab der Literaturwissenschaftler und ehemalige Rektor der RWTH Aachen Hans Schwerte bekannt, dass er bis 1945 unter anderem Namen gelebt habe und identisch sei mit jenem SS-Hauptsturmführer Dr. Hans Ernst Schneider (s. Kap. 7.22), der im Zweiten Weltkrieg Leiter des Germanischen Wissenschaftseinsatzes war (s. Kap. 7.2).1 Die Erklärung erfolgte unter dem Druck unmittelbar bevorstehender Enthüllungen niederländischer Journalisten. Der sogenannte 'Fall Schwerte/ Schneider' beschäftigt seitdem die Öffentlichkeit und hat mannigfaltige Kontroversen hervorgerufen, vor allem unter Germanisten und Historikern. Hans Schwerte alias Unter neuem Namen und mit gefälschten Papieren beginnt Schneider Hans Schwerte im Herbst 1945 erneut mit dem Studium der Germanistik. In Erlangen promoviert er 1948 bei Heinz Otto Burger mit einer Arbeit über Rainer Maria Rilke.2 1958 habilitiert sich Schwerte und übernimmt eine Dozentur in Erlangen. 1964 erfolgt dann endlich – er ist damals schon Mitte Fünfzig – die Berufung zum ausserplanmässigen Professor in Erlangen; noch im selben Jahr erhält er den Ruf an die TH Aachen, wo er im August 1965 ordentlicher Professor für neuere deutsche Literaturgeschichte wird.3 Fünf Jahre später ist der als liberal geltende Professor Rektor der Technischen Hochschule: seine Wahl erfolgt gegen die Kandidatur eines Konservativen.4 Schwertes literaturwissenschaftliches Werk der Nachkriegszeit ist seit Mai 1995 Gegenstand eines heftigen Meinungsstreits seiner Kollegen im In- und Ausland. Dies gilt vor allem für seine Habilitationsschrift „Faust und das Faustische. Ein Kapitel deutscher Ideologie", in der die Ideologisierung und politische Funktionalisierung des Wortes ‘Faustisch’ und des ‘Faust’ von Goethe seit dem späten 18. Jahrhundert nachgezeichnet und untersucht werden. Vom 'Betrug' und der 'Maskerade' Schwertes ist die Rede, auch davon, dass er jahrzehntelang ein 'Doppelleben' geführt habe. So wird die Tatsache, dass Schwerte in den frühen fünfziger Jahren zusammen mit einem ehemaligen Kollegen von der SS, dem SD-Kulturamtsleiter Wilhelm Spengler (s. Kap. 2.82) eine Reihe über „Denker und Deuter im heutigen Europa" herausgab, als klares Indiz für 'nationalsozialistische Netzwerke' gewertet, an denen Schwerte mitgewirkt und von denen er in seiner Nachkriegskarriere profitiert habe. Andere Wissenschaftler datieren demgegenüber einen entscheidenden Wendepunkt in Schwertes Nachkriegswerk auf die Mitte der fünfziger Jahre. Zuvor finde man in Schwertes Publikationen noch vereinzelt Rückgriffe auf deutschnationale und nationalsozialistische Argumentationsmuster und Konfrontationslinien – beispielsweise im Verhältnis zur Moderne oder gegenüber Thomas Mann. Spätestens mit der Veröffentlichung von „Faust und das Faustische" (1962), mit dem Aufsatz „Deutsche Literatur im Wilhelminischen Zeitalter" (1964) und mit seinen Beiträgen bei den von Hermann Glaser organisierten „Nürnberger Gesprächen" in den sechziger Jahren habe sich Schwerte zu einem wichtigen Vertreter einer ideologiekritischen, liberalen Literaturwissenschaft entwickelt. So schrieb Schwerte in seiner 1962 veröffentlichten Habilitationsschrift über die gesellschaftspolitische Funktion der Philologie: 1 Zum Fall Schwerte-Schneider s. Lerchenmüller / Simon: >Maskenwechsel.< Tübingen 1999 und die dort angegebene Literatur. 2 Studien zum Zeitbegriff bei Rainer Maria Rilke. Erlangen 1948 3 1963-64 lehrt Schwerte auch an der Universität Münster. 4 Philfalt 1995, S. 4 Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 106 „Das Kunstwerk darf keinen ideologischen Verzerrungen oder romantischen Aushöhlungen der geschichtlichen Verantwortung dienstbar gemacht werden. Losgelöst als Schlagwort oder als Schwarmgeisterei bewirkt die poetische Mitteilung in jedem Fall eine Verdrehung der geschichtlichen Realität. Dieser Klarstellung des Wortes gilt das soziale Wächteramt der Philologie; das Amt verfällt, wenn es sich beliebig zur Verfügung stellt. Die Entideologisierung, die Entmythologisierung gewisser angeblicher Grundvorstellungen unseres nationalen Wort- und Bildbestandes ist in der gegebenen geschichtlichen Situation eine der wichtigsten Aufgaben der kritischen Philologie.“ 1 Müssen solche Texte nach der ‘Demaskierung’ Schwertes anders gelesen werden? Ist Schwertes ideologiekritisches Werk durch sein persönliches Versagen auf Dauer entwertet? Die Diskussion darüber hat innerhalb der bundesdeutschen Germanistik kaum erst begonnen. Als unmittelbare Reaktion auf Schwertes Bekanntgabe seines Namenswechsels veranlasste die NRW-Landesregierung im Frühjahr 1995 die Sperrung seiner Emeritenbezüge; Nordrhein-Westfalen und Bayern erkannten ihm den Beamtenstatus ab; und einige Erlanger Professoren beantragten die Aberkennung des 1948 erworbenen Doktortitels. Diese Forderung wurde von zahlreichen Studierenden unterstützt, unter anderem mit dem Argument, ein solcher „symbolischer Akt" sei zur Wiederherstellung des guten „Rufs der Universität" notwendig und im übrigen eine „Frage der politischen Hygiene" der Fakultät.2 Die Philosophische Fakultät und der Rektor der F.A.U. Erlangen-Nürnberg haben es mittlerweile abgelehnt, Schwerte den Doktortitel abzuerkennen. Das Ermittlungsverfahren gegen Schwerte wegen Beihilfe zum Mord – er war an der Beschaffung medizinischer Geräte in den Niederlanden beteiligt, die Rascher im KZ Dachau für Menschenversuche verwendete – wurde Ende 1996 eingestellt. Schwerte starb am 18. Dezember 1999.3 11. Alternative Lebenswege Angesichts des massenhaften Fehlverhaltens deutscher Wissenschaftler entstand nach 1945 insbesondere bei Betroffenen und ihren Adepten die Frage: Was hätten wir denn tun sollen? Wie hätte man sich in dieser Situation anders verhalten sollen? Diese Frage richtet sich übrigens nicht nur an deutsche Wissenschaftler. Das kollektive Schweigen der Mehrheit unter den ausländischen Germanisten läßt sich nämlich als korrespondierendes Fehlverhalten beschreiben. Wir haben vier Beispiele ausgewählt, an denen wir glauben zeigen zu können, wie man sich in diesen Zeiten verhalten konnte, ohne mit den Wölfen zu heulen, ohne das Gesicht zu verlieren, ohne sich umbiegen zu lassen, ohne alles mit Schweigen und Vergessen zuzudecken und damit erst möglich zu machen: 1. Georg Friedrich Nicolai steht für den Emigranten. 2. Elise Richter steht für das Opfer, das im Alter in der Emigration keine Perspektive mehr sieht. 3. Jonas Fränkel steht für den ausländischen Germanisten, der mit den geringen Mitteln, die Wissenschaftlern zur Verfügung stehen, die damaligen Verhältnisse in Deutschland an den Pranger stellt und auf sie einzuwirken versucht. 4. Adolf Reichwein steht für den Widerstandskämpfer. 1 Schwerte 1962, S. 241 2 So schriftliche und mündliche Äußerungen Erlanger Studierender im Zusammenhang mit einem von der F.A.U. Erlangen-Nürnberg im Februar 1996 organisierten Symposium zum 'Fall Schwerte/Schneider'. Siehe z.B. den 'Offenen Brief der Studierenden' an Rektor Jasper et al., veröffentlicht in: Erlangen 1996 Schwerte war zur Eröffnungsveranstaltung der Ausstellung, die diesem Opus zugrunde lag, eingeladen, musste aber aus gesundheitlichen Gründen absagen. 3 Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 107 Keine dieser Personen hielt es für wichtig, im Zentrum des Geschehens zu stehen, selbst wenn sie einmal nahe am Zentrum wirkten. Mit dem Mut des ethisch reflektierten Anderssein ausgerüstet, waren sie sich zumeist auch ihrer historischen Rolle als Alternative oder Vorreiter einer gerechteren Zukunft bewusst. Dass sie mehrheitlich keine Germanisten waren, ist nicht so zu deuten, dass es keine Germanisten gab, die man an der Stelle der hier genannten Fälle hätte anführen können. Für den Typ des Emigranten hätte man z. B. auf Richard Alewyn oder Rudolf Fahrner eingehen können. An der Stelle Elise Richters hätte man auch das durchaus ähnliche Schicksal der Dialektologin Agathe Lasch beschreiben können. Der Typ des deutschlandkritischen und einwirkungswilligen ausländischen Germanisten ist überhaupt noch nicht erforscht, bzw. offenbar nicht als wichtiger Forschungsgegenstand entdeckt. Möglicherweise ist Jonas Fränkel also ein Einzelfall. Auch beim Typ des Widerstandskämpfers gibt es keinen Reichwein vergleichbaren Vertreter, der zum engen Kreis einer Widerstandsgruppe zu rechnen wäre. Es gab Germanisten, die sich einzelnen Zumutungen entzogen, z. B. Walther Rehm, der sich dem >Kriegseinsatz der Germanistik< verweigerte. Es gab Einzelkämpfer unter den Gegnern. Das bekannteste Beispiel ist der Romanist Victor Klemperer. Aber mit dem politisch allein wirksamen organisierten Widerstand haben diese Fälle nichts zu tun. Natürlich haben wir uns auf die folgenden Fälle auch konzentriert, weil hier eigene – wenn auch keineswegs abgeschlossene – Forschungen vorliegen. 11.1 Emigranten Das Mittel der zwangsweisen Entfernung oder Behinderung unliebsamer Professoren – sei es aus politischen oder rassischen Gründen – ist schon in Weimarer Zeit praktiziert worden, und es waren die Universitäten selbst, die dieses Mittel hoffähig machten. Den Rücktritt vom Lehramt des Münchner Philologen Prof. Friedrich Wilhelm Foerster erzwangen Studenten im Februar 1920; Albert Einstein war in Berlin beständig Angriffen völkischer Studenten ausgesetzt, die von seinen „undeutschen" und „talmudischen" Theorien nichts wissen wollten: Für Einstein, Foerster und Nicolai, schrieb die "Deutsche Zeitung" im April 1920, würde sich „bei den stammesverwandten Senegalnegern ein lohnendes Betätigungsfeld ergeben." 1 In Heidelberg war Emil Gumbel Anfeindungen und Morddrohungen ausgesetzt, weil er Material über die Schwarze Reichswehr sammelte und veröffentlichte; und für die Remotion Theodor Lessings von der TH Hannover im Jahre 1925 zeichnen ebenfalls in erster Linie die Studierenden verantwortlich. Foerster und Gumbel emigrieren ebenfalls vor 1933. Lessing wird 1933 von Nazis ermordet. 11.11 Georg Friedrich Nicolai kam am 6.2.1874 als Sohn des Heidelberger Privatdozenten der Chemie und späteren politischen Journalisten Gustav Lewinstein zur Welt, ein getaufter Jude. Seine Mutter, Elise Michaelis, war Frauenrechtlerin. Er studiert Medizin in Berlin, Heidelberg und Leipzig, wo er bei Ewald Hering 1901 promoviert. Ein erster Habilitationsversuch an der Universität Berlin, die er 1898 als Student auch aus studentenpolitischen Gründen verlassen musste scheitert zunächst aus nicht eindeutigen Gründen; sein früheres Gebaren sowie seine jüdische Abstammung mögen dabei eine Rolle gespielt haben. 1907 schließlich habilitiert, macht Nicolai an der Charité Karriere. Wenige Wochen nach Kriegsausbruch wendet sich Nicolai Georg Friedrich Nicolaigegen die zunehmend offen und öffentlich gezeigte politische Radikalisierung der Wissenschaft. Gemeinsam mit seinen Freunden Albert Einstein, Otto Buek und Wilhelm Foerster legt er Mitte Oktober den „Aufruf an die Europäer" vor. In Vorausahnung des Kommenden heisst es dort: 1 Deutsche Zeitung, 18.4.20 Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 108 „Denn der heute tobende Bruderkampf wird kaum einen Sieger, sondern wahrscheinlich nur Besiegte zurücklassen. Darum scheint es nicht nur gut, sondern bitter nötig, dass gebildete Männer aller Staaten ihren Einfluss dahin aufbieten, dass – wie auch der heute noch ungewisse Ausgang des Krieges sein mag – die Bedingungen des Friedens nicht die Quelle künftiger Kriege werden, dass vielmehr die Tatsache, dass durch diesen Krieg alle europäischen Verhältnisse in einen gleichsam labilen und plastischen Zustand geraten sind, dazu benutzt werde, um aus Europa eine organische Einheit zu schaffen."1 An der Universität Berlin ist nicht ein weiterer Akademiker, der bereit wäre, den Aufruf öffentlich mitzutragen. Kurze Zeit später verunmöglicht das Militär die Fortsetzung der Lehrtätigkeit von Nicolai; er wird in die Provinz versetzt. Dort verfasst er eine Abrechnung mit dem Nationalismus unter dem Titel: „Die Biologie des Krieges. Betrachtungen eines Naturforschers den Deutschen zur Besinnung", das 1917 in Zürich erscheint. Daraufhin verschärft das Militär seine Repressionen, und Nicolai desertiert schließlich im August 1918 nach Dänemark. Im November 1918 kehrt Nicolai nach Deutschland zurück. Sofort wird er zur Zielscheibe antisemitischer und völkischer Kreise. Studenten und Professorenkollegen protestieren in lautstarker und tatkräftiger Eintracht gegen die Wiederaufnahme seiner Lehrtätigkeit. Die medizinische Fakultät fordert vom Erziehungsministerium, dass Nicolai die venia legendi entzogen werde. In Berliner Zeitungen erscheinen Artikel, die Nicolai und die Berliner Universität in kaum zu missdeutenden Worten warnen: „Anscheinend hält sich der berüchtigte Professor Nicolai-Lewinstein trotz seiner vaterlandsverräterischen Tätigkeit zum Lehrer für deutsche Studenten berufen. [...] wenn die Professorenschaft nicht von dem Manne abrückt, [muss] die deutsche Studentenschaft zur Selbsthilfe schreiten." 2 1 Wehberg 1921, S. 23 2 Zit. nach Zuelzer 1981, S. 269 Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 109 11.12 Tatsächlich wird der Versuch, im Januar 1920 wieder Vorlesungen zu halten, von Studenten gewalttätig vereitelt. Eine Untersuchung des Vorfalls unter dem Vorsitz des Rektors Eduard Meyer schließt mit dem einstimmigen „Urteil", dass Nicolai die Anforderungen nicht erfülle, „die deutsche Studenten an ihre Lehrer und Führer mit Recht zu stellen gewohnt sind" – Nicolai sei „nicht würdig“, weiter an der Universität zu lehren.1 Die französische Zeitung „Le Monde“ spricht daraufhin von einer „Dreyfus Affäre“ in Deutschland. Alle Versuche Nicolais, das Urteil zu revidieren bzw. vor Gericht für unwirksam erklären zu lassen, scheitern. Die akademischen Kollegen in Berlin und im Reich schweigen. Auch das Preussische Kultusministerium bleibt wirksame Unterstützung schuldig. Resigniert stellt Nicolai im Juli 1921 zum Thema ‘Ehre der deutschen Universität’ fest, er habe sich davon überzeugen müssen, „dass diese Ehre einfach nicht exisitert."2 Im Frühjahr 1922 wandert Nicolai nach Argentinien aus, wo er, von den Studierenden als 'Grosser Europäer' gefeiert, als Professor der Physiologie an der Universität Córdoba lehrt. Nach Deutschland ist er – von Besuchen abgesehen – nie mehr zurückgekehrt. 11.13 Unmittelbar nach seiner Ankunft in Argentinien erhielt Nicolai Post von einem dort lebenden Deutschen. Der 'Willkommensgruss' endete mit den Worten: „Wenn die Völker in Europa mal zur Vernunft kommen und Deine ganze Saurasse ausrotten, geht es Euch hier genauso, dafür werden wir sorgen. Also verschwinde so schnell wie möglich hier, Du Dreckfinke!! [...] Hiermit sei Dir kundgetan, dass Du hier nichts zu suchen hast und Du so schnell wie möglich wieder verduften sollst, das Land kennt Euch Schweine zur Genüge." 3 1 Rektor und Senat, gez. Eduard Meyer, In der Angelegenheit betreffend den von Studierenden gegen den Unterricht des ao. Professors Dr. G.F. Nicolai erhobenen Einspruch... - ZAAW - NL Ed. Meyer 285 2 Nicolai an Harden, 17.7.21 - BA N 1062/77 3 Datiert "Buenos Aires, 27.IV.22" - IfZ - ED 184/37 Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 110 11.14 Als Reaktion auf die Machtübernahme der Nazis verfasst Nicolai, der mittlerweile in Chile lebt, eine 300 Seiten starke Kritik des Nationalismus unter dem Titel „Das Natzenbuch. Eine Naturgeschichte der National-Sozialistischen Bewegung und des Nationalismus überhaupt." Das „Natzenbuch" ist die konsequente Fortsetzung der im Ersten Weltkrieg verfassten „Biologie des Krieges". Als Pseudonym wählt Nicolai den Namen „Jakob Renne". In einem Brief an Romain Rolland, den er bittet, die Herausgabe des Werks in Europa zu übernehmen, schreibt Nicolai: „Jedenfalls, da dies Buch davon ausgeht dass die Natzen gerade das Gegenteil von dem sind, was man einen typischen oder echten Deutschen nennen könnte, so möchte ich ihnen den billigen Triumph nicht gönnen, dieser Argumentation dadurch die Spitze abzubrechen, dass sie sagen: 'ach der Nicolai, der hasst ja Deutschland, da hasst er uns Natzen natürlich auch' – während es doch gerade umgekehrt ist: 'ich hasse die Natzen, weil ich das wahre Deutschland liebe'. [...] Das Buch [...] will im Grunde dasselbe wie die Biologie des Krieges: Für die Menschheit und deren Zusammenschluss, und gegen allen trennenden Nationalismus. Nur ist es wohl radikaler antinationalistisch und in der Form polemischer; wenigstens teilweise: in der Person des deutschen Natzen verspottet es zuerst den Nationalismus, um ihn dann ernsthaft zu bekämpfen und für eine konstruktive Neuorientierung einzutreten." 1 Es gab noch einen anderen Grund für das Pseudonym: seine Frau lebte noch in Deutschland. Eine geplante Ausreise wurde durch den Ausbruch des Krieges im September 1939 unmöglich. Ihr gemeinsamer Sohn Otto entging, 'Nichtarier' und geistig behindert, nur knapp der 'T4 Aktion'. Das Natzenbuch, „meinem Kinde und der kommenden Generation [gewidmet], auf dass sie die Swastika wieder mit Ehren tragen können", ist nie erschienen. Das Manuskript liegt unbeachtet in einem deutschen Archiv. Die Nationalsozialisten erinnerten sich gleichwohl an Nicolai: Im Juli 1940 wurde er auf Beschluss des Reichsministers des Innern zwangsausgebürgert.2 Das war im achtzehnten Jahr seines Exils. Ausriss aus dem Natzenbuch 1 Nicolai an Rolland, 30.11.35 - IfZ - ED 184/84 2 Cf. Korrespondenzblatt Nicolai - BAZ - Nicolai REM file Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 111 11.2 KZ-Opfer Elise Richter (1865-1943), die ihr ganzes Leben in Wien verbrachte, war die erste Frau im deutschsprachigen Raum, der die „venia legendi“, die Lehrbefugnis an einer Universität, erteilt wurde. Als sie im schulfähigen Alter war, lag der Besuch eines Gymnasiums noch in weiter Ferne, „[...] mit quälendem Neid dachten Helene [die Schwester Elises] und ich an alle die Buben, die das Gymnasium machen können – für uns lag das alles außerhalb des Möglichen – wie eine Reise auf den Mond – so lernte ich allein weiter.“1 Am 9. März 1896 wird in Österreich durch den Erlaß des Ministers für Cultus und UnElise Richter terricht auch den Frauen die Ablegung von Maturitätsprüfungen (=Abitur) erlaubt. Ein weiterer Erlaß vom 24. März 1897 schließlich ermöglicht Frauen den Zugang zu den philosophischen Fakultäten der K.K. Universitäten als ordentliche Hörerinnen. (In Preussen wurde erst 1905 das Frauenstudium zugelassen.) Im Wintersemester 1897/98 immatrikuliert sich Elise Richter an der Wiener Universität – anfangs in klassischer Philologie, später dann Romanistik. Am 2. Juli 1901 wurde ihr als einer der ersten Frauen der Doktortitel zuerkannt (Thema der Dissertation: „Zur Entwicklung der romanischen Wortstellung aus der lateinischen“), der am 25. August 1907 die Habilitation und Lehrbefugnis folgte. 1921 wird ihr vom Bundespräsidenten die ausserordentliche Professur verliehen. Die ordentliche Professur, ihr letztes großes Ziel, wurde ihr 1935, im Alter von 70 Jahren, verweigert. Nach den Worten ihres Schülers Thieberger: Deckblatt eines der Tagebücher der Elise Richter „Sie hatte einen doppelten Makel zu tragen – sie war Frau und Jüdin“. Am 10. März 1938 hält sie ihre letzte Vorlesung, wenig später erhält sie vom Dekanat eine Aufforderung, den Ariernachweis zu erbringen. Durch die ‘International Federation of University Women’ bot sich zwar noch die Möglichkeit zu emigrieren, die Elise Richter jedoch ablehnte. Am 10. Oktober 1942 wurden Elise und Helene Richter nach Theresienstadt deportiert, wo Helene noch 1942 und Elise Richter am 21. Juni 1943 starben. Elise Richters Tagebücher mit ca. 11000 handbeschriebenen Seiten sind bisher nicht publiziert. 1 Richter 1977, S. 536f. Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 112 11.3 Auslandsgermanisten 11.31 Jonas Fränkel (* 12.8.1879) war Schweizer Literaturwissenschaftler1. Nach dem Studium der Literaturgeschichte in Wien und Bern promoviert Fränkel 1902 in Bern mit einer Dissertation über Zacharias Werner. Nach einer wissenschaftlichen Tätigkeit in Berlin wird er in Bern 1909 Privatdozent und 1921 ausserordentlicher Professor. Schwerpunkte seiner Forschung waren neben Zacharias Werner Gottfried Keller, Goethe und Spitteler. Fränkel war Herausgeber der kritischen Gottfried-KellerAusgabe. Er kreierte dabei zugleich einen neuen Typ von Edition. So kritisch man heute manche Neuerungen einschätzt, an seiner Editionsleistung bestand unter Experten nie ein Zweifel. 1936 hält Fränkel in Bern einen Zyklus von Vorträgen, der 1939 unter dem Titel „Gottfried Kellers politische Sendung“ in Zürich erscheint. In diesem Buch setzt sich Fränkel immer wieder mit Gegenwartserscheinungen, vorwiegend mit NS-Deutschland auseinander, konfrontiert sie mit Sentenzen aus Kellers Werk und zieht zum Teil hochpolemische Schlüsse zugunsten Kellers, manchmal auch mit Seitenhieben auf die wegsehenden Gegenwartsschweizer. Fränkel zitiert Keller: „Der große Haufen der Gleichgültigen, auf ihm ruht der Fluch der Störungen und Verirrungen, welche durch kühne Minderheiten entstehen.“ 11.32 Fränkels Opus wird von den zuständigen Stellen in Deutschland aufmerksam gelesen. Einige Textstellen werden exzerpiert. Die hier wiedergegebenen zwei Textstellen entstammen Exzerpten, die im Amt Rosenberg hergestellt wurden. Der handschriftliche Zusatz „Verbot?“ lässt Böses ahnen. Da Fränkel im Zweiten Weltkrieg als Herausgeber der KellerAusgabe abdanken und auch sonst manche Ungerechtigkeit über sich ergehen lassen muss, könnte man eine Ursache in NS-Deutschland vermuten, zumal Fränkel Jude war. Die Keller-Ausgabe blieb trotz eines Fortsetzungsversuchs ein Torso.2 1 Jonas Fränkel war in der Schweiz nahezu vergessen. - s. dazu: Schütt 1996 2 Zu Fränkel s. jetzt Schütt 1996 Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 113 11.4 Widerstandskämpfer 11.41 Adolf Reichwein (* 3.10.1898) kam wie viele der genannten Wissenschaftler, gerade auch der Nationalsozialisten unter ihnen, aus der Wandervogelbewegung, einer Anfang des Jahrhunderts als Protest gegen die verkrustete Gesellschaft aus verschiedenen Ursprüngen zusammengewachsenen und bald wieder gespaltene Alternativbewegung.1 Als einer der wenigen und im Gegensatz zu den Nationalsozialisten entwickelt er seine Wandervogel-Ideale und seine Kritik an der Regierung und an dem Militär- und Obrigkeitsstaat unter Wilhelm II. weiter zu einem Bekenntnis zur Demokratie. Darüber hinaus steht in Reichwein schon in den 20er Jahren einer der vielseitigsten Menschen dieses Jahrhunderts vor uns. Im Vergleich zu ihm kommen einem fast alle hier sonst genannten Wissenschaftler wie beschränkte Spezialisten vor, selbst die, für die Interdisziplinarität Adolf Reichwein Programm ist. Wie auch sonst bei vielseitigen Menschen gehört Reichweins Vita zu den spannendsten, lustigsten und tragischsten überhaupt, die in der Wissenschaftsgeschichte jemals beschrieben wurden. Im Ersten Weltkrieg schwer verwundet, beginnt er im Mai 1918 vom Lazarett aus sein breitgefächertes Studium (Geschichte, Germanistik, Sprachwissenschaft, Kunstgeschichte, Volkswirtschaft, Soziologie, Philosophie, Arbeitsrecht) an der 1914 gegründeten Universität Frankfurt am Main. Nachhaltige Wirkung zeitigten der Arbeitsrechtler Hugo Sinzheimer, der wesentlich zum Entstehen des Betriebsrätegesetzes von 1920 beitrug, und der Soziologe Franz Oppenheimer, der Vater des Kibbuzgedankens. Germanistik studiert er, ohne sonderlich beeindruckt zu sein, bei Hans Naumann, Julius Schwietering und Franz Schultz. Im Frühjahr 1919 wird Reichwein in die Volksbildungsbewegung hineingezogen. Ihn fesselt die Methode der „Arbeitsgemeinschaft“, die Ablösung der Vorlesung durch Kleingruppenarbeit. Sein Geld verdient er sich unter anderem als Grubenarbeiter in einem Bergwerk. Er ist nicht nur Demokrat, sondern auch Sozialist, der allerdings frühzeitig die SPD auffordert, dem Gedanken der Diktatur des Proletariats abzuschwören. 1920, nachdem er sich an der Niederschlagung des Kapp-Putsches beteiligt hatte, wechselt Reichwein an die Universität Marburg und schließt sein Studium 1921 mit einer Dissertation zum Thema „China und Europa im 18. Jahrhundert“ ab. Von da ab steht fast ein Jahrzehnt lang die Volkshochschularbeit im Mittelpunkt. 1921 wird er Geschäftsführer des >Ausschusses der deutschen Volksbildungsvereinigungen< in Berlin, im Oktober 1923 Geschäftsführer der >Volkshochschule Thüringen<, 1925 als Nachfolger von Wilhelm Flitner Leiter der VHS Jena. Kurz darauf ertrinkt sein zweijähriger Sohn beim Spielen in einer Regentonne. Die Ehe zerbricht. 11.42 Reichwein unternimmt mit Unterstützung der >Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft< im Juli 1926 eine einjährige Forschungsreise, die ihn um die halbe Welt führt (USA, Alaska, Japan, China, Philippinen, Mexiko). Resultat dieser Reise ist sein Hauptwerk „Die Rohstoffwirtschaft der Erde“ sowie mehrere Reisebeschreibungen („Mexiko erwacht“, „Blitzlicht über Amerika“). Im Sommer 1928 macht er mit zwölf jungen Arbeitern eine achtwöchige Großfahrt nach Skandinavien bis ans Nordkap. 1 Zu Reichwein s.v.a. Amlung 1991 - vgl. a. Hesse 1985. S. 601-4 Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 114 Dabei verlässt er sich zu sehr auf seinen Kompaß, der durch die Eisenvorkommen in Lappland Fehlanzeigen hervorbringt. Folge: Acht Tage „Hungermarsch durch Lappland“ bis an den Rand des Todes. Danach lässt sich Reichwein als Flieger ausbilden und kauft sich ein kleines Sportflugzeug, mit dem er ebenfalls mehrfach in tödliche Gefahr gerät. Am 7. März 1929 folgt Reichwein dem Ruf des Kultusministers Carl Heinrich Becker, eines Sprachwissenschaftlers mit hochfliegenden Hochschulreformplänen – ihm waren die >Pädagogischen Akademien< zu verdanken, die Vorformen der heutigen Pädagogischen Hochschulen – und wird Leiter der Pressestelle des Ministeriums und Beckers persönlicher Referent. Als Becker 1930 den Ministersessel räumen muss, übernimmt er an der Pädagogischen Akademie in Halle eine Professur für Geschichte und Staatsbürgerkunde. Schon vorher hat er die Stelle eines Lehrbeauftragten an der Hochschule für Politik inne. 1933 – er hatte gerade eine Kollegin geheiratet – wird Reichwein aus seinem Hochschulamt entlassen. Den Ruf auf einen Lehrstuhl für Wirtschaftsgeschichte in Istanbul lehnt er ab. Er stellt den Antrag, eine Stelle als einfacher Volksschullehrer zugewiesen zu bekommen und erreicht, dass man ihn die einklassige Landschule in Tiefensee bei Berlin überträgt. In Tiefensee entwickelt Reichwein das berühmte „Schulmodell Tiefensee“: schülerorientiert, praktisch, interdisziplinär und immer ohne Scheuklappen vor neuen Technologien. 1934 wird seine Schule z. B. als Versuchsschule der >Reichsstelle für den Unterrichtsfilm< erklärt. Diese Stelle, eine Nische in NS-Umgebung, publiziert 1938 u.a. auch sein Buch „Film in der Landschule“. Im Frühjahr 1939 übernimmt Reichwein die Schulabteilung am Berliner Museum für Deutsche Volkskunde. 1940 nimmt er über Helmut James Graf von Moltke Verbindung zum >Kreisauer Kreis< auf, der zentralen Widerstandsgruppe gegen Hitler und den Nationalsozialismus. Er ist der Bote zwischen den verschiedenen Widerstandsgruppen, vorgesehen als Kultusminister einer Regierung nach Hitler. Am 4. Juli 1944, also noch vor dem 20. Juli, gerät Reichwein in die Fänge der Gestapo. Am 20. Oktober wird er – sichtlich gezeichnet von Folterungen und Misshandlungen – von Freisler zum Tode durch den Strang verurteilt. Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ 115 lerchenmüller / simon: im vorfeld... Abkürzungsverzeichnis AA Auswärtiges Amt ADG AG DeutscheGlaubensbewegung AE Ahnenerbe (der SS) AG Arbeitsgemeinschaft APA Außenpolitisches Amt der NSDAP ARo Amt Rosenberg (Dienststelle des "Beauftrag-ten des Führers für die Überwachung der gesamtem geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP") ASV Ahnenerbe Stiftungsverlag BA Bundesarchiv BDC Berlin Document Center (heute Bundesarchiv) BDM Bund deutscher Mädchen DAAD Deutscher Akademischer Austauschdienst DAZ Deutsche Allgemeine Zeitung DFG Deutsche Forschungsgemeinschaft (=Notgemeinschaft der Wissenschaft) DGV Deutscher Germanistenverband DLA Deutsches Literatur-Archiv Marbach DS Denkschrift DSV Deutscher Sprachverein Fak. Fakultät FAU Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg FM Fördernde Mitglieder (der SS) FS Festschrift GA Gutachten Gestapa Geheimes Staatspolizeiamt Gestapo Geheime Staatspolizei GStA Geheimes Staatsarchiv (Berlin) GWE Germanischer Wissenschaftseinsatz Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ 116 lerchenmüller / simon: im vorfeld... HA Hauptamt HUB Humboldt-Universität Berlin IdS MA Institut für deutsche Sprache Mannheim IFZ M Institut für Zeitgeschichte München KE Kriegseinsatz KfdK Kampfbund für deutsche Kultur Kgl. Königlich Korrbl. Korrespondenzblatt KPA Kulturpolitisches Archiv (im Hauptamt Kunstpflege des ARo) L Leipzig NL Nachlass NSD Nationalsozialistischer Deutscher Dozentenbund NSDAP Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei NSDStB Nationalsozialistischer Deutscher Studentenbund NSKG Nationalsozialistische Kulturgemeinde OBST Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie OKW Oberkommando der Wehrmacht ORPO Ordnungspolizei OSAF Oberste SA-Führung PA Personalakte Pb Personalbogen PPK Parteiamtliche Prüfungskommision Promi Propagandaministerium Prot. Protokoll R Reich RAD Reichsarbeitsdienst REM Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung RFR Reichsforschungsrat RFSS Reichsführer SS (=Himmler) RGBl. Reichsgesetzesblatt Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ 117 lerchenmüller / simon: im vorfeld... RKK Reichskulturkammer RMbO Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete RMI Reichsministerium des Innern ROL Reichsorganisationsleitung RpresseL Reichspresseleitung RpropLtg Reichspropagandaleitung RSHA Reichssicherheitshauptamt RSK Reichsschrifttumskammer RuS(HA) Rasse- und Siedlungs(haupt)amt RWTH Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule SD Sicherheitsdienst (des RFSS) SIPO Sicherheitspolizei SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands TÜ Tübingen UA Universitätsarchiv UK Universitätskurator W(iss) Wissenschaft ZAAW Zentralarchiv der Brandenburgisch-Berlinischen Akademie der Wissenschaften ZCP Zeitschrift für celtische Philologie (und Volksforschung) ZS LB Zentrale Ermittlungsstelle der Staatsanwaltschaften, Ludwigsburg Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ 118 lerchenmüller / simon: im vorfeld... Quellenverzeichnis der Abbildungen Bei Exponaten, aus denen die Herkunft unmittelbar hervorgeht bzw. in Fußnoten vermerkt ist, wird ein solcher Nachweis an dieser Stelle nicht nochmals erbracht. 1.11 Wilhelm Scherer - Erich Schmidt. Briefwechsel. Hg.v. Werner Richter und Eberhard Lämmert. Berlin 1963 1.13 Institut für Zeitgeschichte - Sammlung Wochenschau-Plakate 1.14 Gustav Roethe, Deutsche Männer. Berlin 1922 1.2 Fritz Behrend (ed.), Geschichte der deutschen Philologie in Bildern. Eine Ergänzung zu dem Deutschen Literatur-Atlas von KönneckeBehrend. Marburg 1927, S.42 1.21 Zs. f. dt. Unterricht 30, 1916, Ergänzungsheft 1 1.22 Zs. f. dt. Bildung 16, 1940, S. 195 1.31 Hans Grimm, Gesamtausgabe. Leben in Erwartung. Bd. 2, 1928 bis 1934. Lippoldsberg 1972, S. 32 1.32 Paul Ernst, Saat auf Hoffnung. München 1928, S. 2 1.33 Die neue Literatur 41, 1940, S. 281 1.34 Sigmaringer Zeitung 3.3.41, Bundesarchiv - NS 21/99 1.35 Hajo Joppe, Ernst Bertram - Gelehrter und Dichter. Bonn 1969 1.41 Alfred Rosenberg, Der Mythus des 20. Jahrhunderts. München 1930 1.43 Völkischer Beobachter (Ausgabe Bayern) 10.12.30 1.44 Berlin Document Center - PA Stang 1.51 - 1.54 „Eulenspiegel“ 2, 1931, S. 21 1.55 „Simplicissimus“ 36, 1931-2, 531 2.11 die tageszeitung 12.5.93 2.12 IdS Mannheim NL Basler 2.13 Die neue Literatur 41, 1940, S. 121 2.22 UA HUB - UK H 258 Bd. III Bl. 16 2.23 Ernst Lewy, Kleine Schriften. Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Veröffentlichungen der Sprachwissenschaftlichen Kommission. Berlin 1961 2.24 Bundearchiv - ZC 13937 A.33 2.25 Die Brennessel 49, 1936, S. 630 2.31 UA TÜ - 131/317 2.32 UA HUB - Phil. Fak. 1480 Bl. 220 2.5 Königsberger Allgemeine Zeitung 12.2.39, 3. Beiblatt, Morgenausgabe 2.611 - 2.614 GIFT-Archiv 2.615 Die neue Literatur 42, 1941, S. 68 2.616 Illustrirte Zeitung Leipzig Nr. 4954, 25.7.40, S. 67 2.617 Sudetendeutsches Jahrbuch, Kassel 1931 2.622 Arthur Hübner, Kleine Schriften zur deutschen Philologie, hgg. v. Hermann Kunisch und Ulrich Pretzel. Berlin 1940 2.623 GIFT-Archiv 2.624 Berlin Document Center - PA Bretschneider 2.625 Bundearchiv - NS 8/122 Bl. 90 2.626 Berlin Document Center - PA Zastrau 2.71 Berlin Document Center - PA Plassmann 2.72 Bundesarchiv NS 21/796-141 (Graphik G. Wagner), Berlin Document Center - EWZ-Ordner 6a (Rassenkarte) 2.82 Berlin Document Center - PA Spengler 2.83 Berlin Document Center - PA Kielpinski 2.84 Berlin Document Center - PA Rössner 2.85 Berlin Document Center - Bestand RSK (Prospekt Diederichs Verlag Berlin) 2.86 Berlin Document Center - PA Jolles 2.87 Berlin Document Center - PA Six Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 119 2.88 Berlin Document Center - PA Spengler, Kielpinski, Obenauer Bundesarchiv ZB II 1939 A.1 (Lebenslauf Rössner) 2.89 UA Greifswald - PA Pechau 2.91 - 2.99 Bundesarchiv - ZR 560 A.1 3. Bundesarchiv ZB I 1226 4.1 Illustrirte Zeitung Leipzig 22.8.40, Sonderheft 4.201 4.212 Zitatensammlung GIFT-Archiv 4.31 Bundesarchiv - R 73/15 585 4.32 Bundesarchiv - R 73/15 585 5.12 Joachim Dückert, Das Grimmsche Wörterbuch. Untersuchungen zur lexikographischen Methodologie. Stgt. 1987 5.14 Fridolin Dressler, Die Bayerische Staatsbibliothek im Dritten Reich. Eine historische Skizze. In: Peter Vodosek, Manfred Komorowki (eds.), Bibliotheken im Nationalsozialismus. Wiesbaden 1989, Anhang 5.2 FM - Zeitschrift 3, 12, 1.12.36 5.3 Die Okkupationspolitik des deutschen Faschismus in Dänemark und Norwegen (1940-1945), in: Europa unterm Hakenkreuz. Bd. 7, Berlin, Heidelberg 1992, S. 194 6.1 Deutscher Sprachatlas auf Grund des von Georg Wenker begründeten Sprachatlas des Deutschen Reiches [...] begonnen von Ferdinand Wrede, fortgesetzt von Walther Mitzka und Bernhard Martin. 10. Lieferung Nr. 55, "sprechen", Marburg 1938 6.2 Bundesarchiv - R 73/10 468 6.3 Ludwig-Uhland-Institut für Empirische Kulturwissenschaft Tübingen 6.4 Berlin Document Center - PA Schweizer 7.11 Bundesarchiv - NS 21/8 7.12 Zeichnung des Schwiegervaters von Wirth (1922?) 7.13 Illustrirte Zeitung Nr. 4958, 2.5.40, S. 306 7.14 GIFT-Archiv 7.21 GIFT-Archiv 7.22 Berlin Document Center - PA Schneider 7.23 Hamer, 20, 11, August 1942 7.24 Privatbesitz 7.3 NL Hauer, Seminar für Indologie und vergleichende Religionswissenschaft der Universität Tübingen; Germanien Heft 12, Dezember 1936, Umschlagblatt 8.1 National Archives, Washington 8.2 Phonetica 41, 1984, S. 237 8.3 Eberhard Zwirner, Textliste neuhochdeutscher Vorlesesprache schlesischer Färbung. (Phonometrische Forschungen Bd. 1) Berlin 1936, S. 21 9.1 Eike Henning (ed.), Hessen unterm Hakenkreuz. Frankfurt 1988, S. 283 Völkischer Beobachter, Dezember 1930 (Collage) 9.2 „Der politische Student“ 1935 (vgl. auch Taschenbuch der Ernst-MoritzArndt-Universität Greifswald. 1935, S. 240) 9.3 Bundesarchiv - ZM 1487-7 Bl. 2ff 9.4 National Archives, Washington 9.5 Festschrift für Wolfgang Stammler zu seinem 65. Geburtstag dargebracht von Freunden und Schülern. Berlin, Bielefeld 1953 10.1 Wiedergeburt des Geistes. Die Universität Tübingen im Jahre 1945. Eine Dokumentation. Bearb. v. Manfred Schmid und Volker Schäfter. Tübingen 1985, S. 59 10.21 Bundesarchiv - Z 42 IV 4295 10.22 Bundesarchiv - Z 42 IV 4295 10.23 Sprache - Schlüssel zur Welt. Festschrift Weisgerber, hg. v. H. Gipper. Düsseldorf 1959 10.24 Zs. f. Phonetik 17, 6, 1964 10.25 Berlin Document Center - PA Porzig 10.4 „Die Zeit“ 14.5.95 11.11 Wolf Zuelzer, Der Fall Nicolai. Frankfurt 1981, S. 224/225 (Portrait) Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ 120 lerchenmüller / simon: im vorfeld... L'Humanité 29.8.21 11.12 Institut für Zeitgeschichte - ED 184/37 11.13 Institut für Zeitgeschichte - ED 184/37 11.21 Archiv der Stadt- und Landesbibliothek Wien - Sammlung Richter 11.22 Archiv der Stadt- und Landesbibliothek Wien - Sammlung Richter 11.32 Institut für Zeitgeschichte München - MA 141/3 Bl. 118 11.4 Werbeprospekt des Adolf-Reichwein-Vereins Der Verlag konnte trotz Recherche nicht alle Inhaber von Urheberrechten ausfindig machen, ist aber bei entsprechender Benachrichtigung gern bereit, Rechtsansprüche im üblichen Rahmen abzugelten. Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ lerchenmüller / simon: im vorfeld... 121 Literaturliste Abelein 1968: ABELEIN, Manfred: Die Kulturpolitik des Deutschen Reich und der Bundesrepublik Deutschland. Köln, Opladen 1968 (Ordo politicus 8) Allemann 1983: ALLEMANN, Beda (Hg.): Literatur und Germanistik nach der >Machtübernahme<. Bonn 1983 Amlung 1991: AMLUNG, Ullrich: Adolf Reichwein 1898-1944. Ein Lebensbild des politischen Pädagogen, Volkskundlers und Widerstandskämpfers. 2 Bände. Frankfurt 1991 Arends 1950/51: ARENDS, Felix/ BRINKMANN, Hennig: Die Lage der germanistischen Forschung und des Deutschunterrichts auf der Germanistentagung in München. 11. bis 16. September 1950. In: Wirkendes Wort 1, 1, 1950/51, S. 59-62 Aronson 1971: ARONSON, Shlomo: Richard Heydrich und die Frühgeschichte von Gestapo und SD, Stuttgart 1971 Barbian 1993: BARBIAN, Jan-Pieter: Literaturpolitik im >Dritten Reich<. Institutionen, Kompetenzen, Betätigungsfelder. Frankfurt/Main 1993 Barner 1996: BARNER, Wilfried/ KÖNIG, Christoph: Zeitenwechsel. Germanistische Literaturwissenschaft vor und nach 1945. Frankfurt/Main 1996 Baumann 1995: BAUMANN, Eberhard: Verzeichnis der Schriften, Manuskripte und Vorträge von Herman Felix Wirth Roeper Bosch von 1908 bis 1993. Toppenstedt 1995 Baumgartner 1977: BAUMGARTNER, Raimund: Weltanschauungskampf im Dritten Reich. 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Personenregister zum Textteil Ausführlicher behandelte Personenen sind fett gedruckt Adam, Uwe Behaghel, Otto Bretschneider, Albach, Horst Benn, Gottfried Anneliese Alewyn, Richard Berg (Volksmediziner) Altheim, Franz Berger, Gottlob Amann, Bruno Berthold, Luise 60 Anacker, Heinrich Bertram, Ernst Andres, Karl siehe Berve, Helmut Jolles, André Augustin, Alarich Baesecke, Georg Baeumler, Alfred Barrès, Maurice Bars, Richard Bartels, Adolf Barth, Karl Barthel, Günther Bauch, Bruno Baumann, Eberhard Baumann, Gerhard Baur, Wilhelm Becker, Carl Heinrich Best, Werner Beutel, Lothar Beutler, Ernst Biebrach, Kurt Blunck, Hans-Friedrich Boberach, Heinz Bohmers, Adrien Bojunga, Klaudius Borchardt, Knut Borcherdt, Hans Heinrich Borchling, Conrad Borger, Gustav Bormann, Martin Bracher, Karl Dietrich Brinkmann, Hennig Brockmeier, Wolfram Bronnen, Arnolt Bruckmann, Hugo Brüning, Hermann Buek, Otto Burger, Heinz Otto Burgstaller, Ernst Butenandt, Adolf Buttmann, Rudolf Cheval, René Christian, Viktor Conrad, Walter Conrady, Karl Otto Cremer, Hans Martin Creutzfeldt, Otto Curtius, Ernst Robert Brand, Hans Cysarz, Herbert siehe Six, Franz Brandl, Alois Dahrendorf, Ralf Alfred Braune, Wilhelm Becker, Georg Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ 131 lerchenmüller / simon: im vorfeld... Darré, Richard Walter Daudet, Alphonse de Clercq, René Debrunner, Albrecht Debus, Fritz Degrelle, Léon Dilthey, Wilhelm Dirlmeier, Franz Döblin, Alfred Dressler-Andress, Horst Dwinger, Edwin Erich Ebel, Wolfgang Ehrismann, Gustav Eichmann, Adolf Eigen, Manfred Einstein, Albert Elster, Ernst Elwert, Theodor Engel, Eduard Erckmann, Rudolf Ernst, Paul Euringer, Richard Everding, August Eyb, Albrecht von Fahrner, Rudolf 85 Glaser, Hermann Feder, Gottfried Goebbels, Josef Fiedler, Kurt Goering, Hermann Finckh, Ludwig Goethe, Johann Fischboeck, Hans Fischer, Hermann Flemming, Willi Flitner, Wilhelm Foerster, Friedrich Wil- Wolfgang Götz, Wolfgang Goetze, Alfred Granin, Daniil Grimm, Hans Grimm, Jakob helm Fontane, Theodor Grimm, Wilhelm Fränkel, Jonas Grönhagen, Yrvo Freisler, Roland Frick, Wilhelm Fricke, Gerhard Friedrich der Grosse Frings, Theodor Fritsch, Theodor Funk, Walther Emanuel Gadamer, Hans-Georg Gamillscheg, Ernst Gehlen, Arnold Geiger, Ludwig Geissler, Ewald George, Stefan Gerigk, Herbert Gierach, Erich von Gross, Walther Grunsky, Alfred Gulbransson, Olaf Gumbel, Emil Gundolf, Friedrich Günther, Hans F. K. Gustloff, Wilhelm Gutterer, Leopold Haag, Karl Haarnagel (Wurtenforscher) Haegert, Wilhelm Haenisch, Konrad Hagemeyer, Hans Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ 132 lerchenmüller / simon: im vorfeld... Hamel, Ilse Hering, Ewald Huth, Otto Hankamer, Paul Herpholsheimer, Ralf Insam, Matthias Hanke, Karl Herrmann, Max Jaeger, Lorenz Harmjanz, Heinrich Hess, Rudolf Jahnke, Richard Härtle, Heinrich Hesse, Hermann Jankuhn, Herbert Hartmann, Hans Heydrich, Reinhard Jens, Walter Hartmann, Nicolai Hielscher, Friedrich Jens, Tilman Hasenöhrl, Franz Hildebrandt, Rudolf Johst, Hanns Himmler, Heinrich Jolles, André Xaver Hassenstein, Bernhard Hauer, Jakob Wilhelm Haug, Fritz Haupt, Moritz Hauptmann, Gerhard Hebel, Johann Peter Hederich, KarlHeinz Heiber, Helmut Heidegger, Martin Heinl, Karl Hellen, Eduard von der Helm, Karl Hémon, Roparz (=Némo, Louis) Hindenburg, Paul v. Hinkel, Hans Hitler, Adolf (=Jolles, Johannes Andreas) Jost, Heinz Hjelmslev, Louis Hoetger, Bernhard Hofer, Andreas Hofmann, Werner Höhn, Reinhard Hömberg, Hans Hönig, Eugen Hönigswald, Richard Jünger, Ernst Junker, Heinrich Kater, Michael Keller, Gottfried Kemnitzer (Aus- land) Kielpinski, Walter von Kienle, Richard Hövel, Paul Huber, Hans Hübinger, Paul Egon Hübner, Arthur Huch, Ricarda Hülsen, August Ludwig von Kiesinger, Kurt Georg Killy, Walther Kindermann, Heinz Klagges, Dietrich Hupp, Otto Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ 133 lerchenmüller / simon: im vorfeld... Klages, Ludwig Lessing, Theodor Klemperer, Victor Leutelt, Gustav Kluckhohn, Paul Lewinstein, Gustav (s. Kluge, Friedrich Koch, Franz Kolakowski, Leszek Kolbenheyer, Erwin Guido Körber, Willi Korff, Hermann August Kranzmayer, Eberhard Kraus, Carl von Krause, Wolfgang Krieger, Rudolf Kubach, Fritz Lammers, Karl Lämmert, Eberhard Langenbucher, Erich Langenbucher, Hellmuth Hans Heinz Marck, Siegfried Martin, Bernhard Nicolai) Lewy, Ernst Mausser, Otto Ley, Robert May, Eduard Leyen, Friedrich von der Mayer, Hans Ligeti, György Mendelssohn, Mo- Liliencron, Detlev von Lippe, Friedrich Wilhelm ses Mentzel, Rudolf Merck, Mathilde Prinz zur Litt, Theodor Litzmann, Berthold Longert, Wilhelm Lüdtke, Franz Lüst, Reimar Lützelburg, Phillip von Lützeler, Heinrich Mackensen, Lutz Mader, Julius Mai, Friedrich Wilhelm Mergenthaler, Christian Metz, Friedrich Metzner, Kurt O. Meyer, Eduard Meyer, Kuno Meyer, Richard M. Michaelis, Elise Miegel, Agnes Minde-Pouet, Georg Mann, Erika Minor, Jakob Mann, Golo Mann, Heinrich Mitzka, Walther Modersohn- Lasch, Agathe Mann, Klaus Laubinger, Otto Mann, Thomas Lehmann, Paul Mantau (-Sadila), Becker, Paula Moeller van den Bruck, Arthur Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ 134 lerchenmüller / simon: im vorfeld... Moltke, Helmut James Graf von Mönckeberg, Carl Mönckeberg, Mathilde Mühlhausen, Ludwig Müller, Gebhard Müller, Werner Muncker, Paul Mussolini, Benito Nadler, Josef Naumann, Hans Némo, Louis (siehe: Hémon, Roparz) Nicolai, Georg Friedrich (s. Lewinstein) Nicolai, Heinz Nicolai, Helmut Alphons Gottfried Niedermayer, Oskar Ritter von Ohlendorf, Otto Oppel, Horst Oppenheimer, Franz Osterberg, Gustav Panzer, Friedrich Papen, Franz v. Paul, Hermann Payr, Bernhard Pechau, Manfred Petersen, Julius Pfaff, Alfred Renne, Jakob (siehe: Georg Friedrich Nicolai) Richter, Elise Richter, Helene Riegel, Herman Riehl, Alois Rilke, Rainer Maria Ritterbusch, Paul Roethe, Gustav Röhm, Ernst Pinck, Louis Rolland, Romain Plassmann, Joseph Otto Pokorny, Julius Polenz, Peter von Pongs, Hermann Porzig, Walter Pusch, Luise Quellmalz, Anton Rascher, Siegmund Rauter, Hanns Roselius, Ludwig Rosenberg, Alfred Rosenfeld, HansFriedrich Rössler, Otto Rössner, Hans Rothacker, Erich Rudolph, Martin Ruppel, Karl Konrad Reche, Otto Rust, Bernhard Niethammer, Lutz Rehm, Walther Saran, Franz Obenauer, Karl Reichwein, Adolf Sauer, August Reinerth, Hans Schäfer, Ernst Remarque, Erich Maria Schäfer, Dietrich Justus Ochs, Ernst Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ 135 lerchenmüller / simon: im vorfeld... Schäfer, Wilhelm Schnetz, Joseph Schellenberg, Wal- Schönerer, Georg von ter Schultz, Franz Schemm, Hans Schultze, Walther Scherer, Wilhelm Schulze, Wilhelm Scheuermann, Schumann, Gerhard Fritz Schirach, Baldur von Schlecht, Johannes Schütrumpf, Ernst Schwalm, Hans Schwarz (Ministerialrat) Schweitzer, Bernhard Schlösser, Rainer Schweizer, Bruno 61 Schmidt, Erich Schwerte, Hans (alias Schmidt, Fritz SchmidtLeonhardt, Hans Schmidt-Rohr, Georg Schneider, Hans Ernst) Schwietering, Julius Scultetus, Hans Robert Seeberg, Reinhold Seeger, Ernst Seyss-Inquart, Arthur Schmitthenner, Siebs, Theodor Schmückle, Georg Schneider, Hans Sinzheimer, Hugo Sievers, Wolfram Six, Franz Alfred Ernst (alias Solschenizyn, Alexander Schwerte, Spengler, Tilman Hans) Schneider, Hermann Georg Spitteler, Carl Stadler, Ernst Stahlecker, Walter Stammler, Wolfgang Stang, Walter Stauss (Astronom) Stegmann, Kurt Stehr, Hermann Stein, Fritz Steiner, Rudolf Steinitz, Wolfgang Schmieder, Arnold Paul Sprengel, Johann Spengler, Wilhelm Spranger, Eduard Stengel von Rutkowski, Lothar Strauss, Emil Strauss, Richard Streicher, Julius Streitberg, Wilhelm Streuvels, Stijn Strich, Fritz Suchenwirth, Richard Teudt, Wilhelm Thiberger, Heinrich Thierfelder, Franz Thiele, Ernst Otto Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/ 136 lerchenmüller / simon: im vorfeld... Thrathnigg, Gilbert Weber, Gottfried Thurneysen, Ru- Wedel, Hasso von dolf Till, Rudolf TimofeeffRessowski, Nikolai Weinheber, Josef Weisgerber, Johann Leo Weisskopf, Victor Wenker, Georg Toepfer, Alfred Toepfer, Ernst Tratz, Eduard Paul Trier, Jost Werner, Zacharias Wiese, Benno von WilamowitzMoellendorff, Ulrich v. Trubetzkoy, Nikolai Wilhelm II. Unger, Rudolf Wimmer, Friedrich Urban, Regina Urban, Gotthard Usadel, Georg Vershaeve, Curiel Verweylen (flämi- Wirth, Herman Wismann, Heinz Wolfram, Richard Wrede, Ferdinand Wüst, Walther scher Schriftsteller) Vogel, Julius Vogt, Oskar Wagner, Robert Waldmann, Elisabeth Zastrau, Alfred Ziegler, Matthes Zierold, Kurt Ziesemer, Walther Zola, Emile Zwirner, Eberhard Walzel, Oskar Wapnewski, Peter Weber, Roland Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/