im
vorfeld
des
massenmords
germanistik
und
nachbarfächer
im
2.weltkrieg
4. Auflage
joachim lerchenmüller
gerd simon
eine
übersicht
in zusammenarbeit mit dem
deutschen seminar der
universität tübingen
unter mitwirkung von
stefan blanz
petra geiling
horst junginger
susanne kirst
ulrich schermaul und
florian vogel
GIFT
Gesellschaft für interdisziplinäre
Forschung Tübingen
Inhaltsverzeichnis
Vorwort zur vierten Auflage
Vorwort zur dritten Auflage
Vorwort zur zweiten Auflage
Einleitung
VIII
IX
X
XI
I.
VORGESCHICHTE
1.
1.1
1.2
1.3
1.4
1.5
Germanistik und Universität im Nationalstaat
Des Kaisers Germanisten
Des Kaisers Germanistenverband
Literatenstichworte für den Nationalsozialismus
Theater und Kultur als Mittel des politischen Kampfes
Wissenschaft in der Karikatur
1
1
4
7
12
14
2.
2.1
2.2
2.3
2.4
2.5
17
17
20
25
27
28
2.6
2.7
2.8
2.9.
Verfolgung und Selbstgleichschaltung 1933-1939
Feuer und Flamme für den Nationalsozialismus
Die Entlassungen 1933 und 1935
Die Nachrücker
Konjunkturritter
Schutz- und Trutzburg des deutschen Geistes? Die Universität Königsberg
Agenturen der Literaturpolitik
Germanisten im Rassenamt der SS
Leipzig: Ein Nest von Germanisten im Sicherheitsdienst
SD-Dossiers über einige Germanisten
3.
Bestandsaufnahme am Vorabend des Krieges
59
II.
DER ZWEITE WELTKRIEG
4.
4.1
4.2
4.3
4.4
Der „Kriegseinsatz der Geisteswissenschaften“
Entstehung und Geschichte des „Kriegseinsatzes“
Der „Kriegseinsatz der Germanistik“
Zitate zum >Kriegseinsatz der Wissenschaften<
Nebenschauplatz: Der Kriegseinsatz der Keltologie in der Bretagne
5.
Parlez-vous deutsch?
Das Elsass und andere besetzte Gebiete im Zweiten Weltkrieg
Der Deutsche Sprachverein und die Entwelschungsmanie
Der Sonnenwendkult und die Zwangsbücherverbrennungen im Elsass
Die Germanisierung in der Karikatur
Weisgerber und das Elsass
5.1
5.2
5.3
5.4
29
41
43
53
60
60
61
61
65
67
67
71
71
73
Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/
Die ideologischen und politischen Funktionen der Dialektologie
Der >Deutsche Sprachatlas<
Anneliese Bretschneiders „Brandenburg-Berlinisches Wörterbuch“
Das >Lautdenkmal reichsdeutscher Mundarten zur Zeit Adolf Hitlers<
Bruno Schweizer
74
74
74
75
77
7.1
7.2
7.3
Das >Ahnenerbe< der SS und der„Germanische Wissenschaftseinsatz“
Entstehung und Geschichte des Ahnenerbes
Der >Germanische Wissenschaftseinsatz<
Religion und Glaube bei den Germanen
8.
8.1
8.2
Sprachforschung und Menschenversuche
Die Menschenversuche im KZ Dachau
Eberhard Zwirners Unterdruckkammer-Experimente
89
89
89
9.
9.1
9.2
9.3
9.4
9.5
Germanistik zwischen Saalschlachten und Massenmord
Saalschlachten in der Weimarer Republik
Manfred Pechau und die erste Hochschulschrift über NS-Sprache
Das Unternehmen „Sumpffieber“
Die Einsatzgruppe A in Aktion
Wolfgang Stammler - Opfer einer Erpressung?
91
91
92
92
93
93
III.
DIE UNIVERSITÄT UND KEINE STUNDE NULL
10.
10.1
10.2
10.3
10.4
Keine Schuld und keine Sühne?
Der erste Rektor der Tübinger Universität nach Kriegsende
Entnazifizierung oder Mitläuferfabrik?
Der 'Jungtürkenaufstand' auf dem Germanistentag
'Entnazifizierung im Selbstversuch': Tat oder Trug des Hans
Schwerte?
95
96
97
104
105
11.
11.1
11.2
11.3
11.4
Alternative Lebenswege
Emigranten
KZ-Opfer
Auslandsgermanisten
Widerstandskämpfer
106
107
111
112
113
Abkürzungsverzeichnis
Quellenverzeichnis der Abbildungen
Literaturliste
Personenregister
115
118
121
130
6.
6.1
6.2
6.3
6.4
7.
75
77
82
84
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Vorwort zur vierten Auflage
Spätestens seit der 3. Auflage hatten wir ins Auge gefasst, den hier präsentierten Text ins Internet zu stellen. Für die 1. und 2. Auflage, die ja reine Kataloge
waren, war das nicht sinnvoll, da Besucher der Ausstellung sie zum Nachlesen
und für ausführlichere Informationen zur Hand haben mussten. Jetzt endlich
sind wir dazu gekommen, den weiterhin nur wenig veränderten Text ins Internet
zu stellen.
Der Index, den wir mit Hilfe automatischer Indexierungs-Software erstellt hatten, wies bis zur 3. Auflage nicht nur Namen wie hier, sondern auch die Seitenzahlen auf. Schon da gingen leider Hinweise in die Irre, worauf uns z.B. Heiner
Lichtenstein dankenswerterweise aufmerksam machte. Man könnte der Meinung sein, im Internet wäre ein Index unnötig. Für alle, die sich aber durch eine
alphabetische Auflistung der vorkommenden Namen anregen lassen wollen,
Informationen zu entdecken, nach denen sie gar nicht gesucht hatten, die sie
trotzdem grundsätzlich z.B. in anderen Zusammenhängen interessieren, haben
wir die Namen auch noch in dieser Internet-Ausgabe angeführt, hier dann aber
ohne Seitenangabe, da sie leicht über die Suchfunktion des PDF-Readers aufzufinden sind.
Tübingen im Mai 2009
Die Hauptverfasser
IX
lerchenmüller / simon: im vorfeld
Vorwort zur dritten Auflage
Dieses Buch war ursprünglich ein Ausstellungskatalog. Nachdem die Ausstellung hinter uns liegt, halten wir es für sinnvoll, es in ein Überblickswerk zu überführen, das im wesentlichen identisch ist, zum Teil knapper die wichtigsten Fakten kommentiert, alles mehr abrundet, gelegentlich manches umstellt. An Inhalt
und Aussage hat sich dadurch nichts geändert.
Die Ausstellung war ein nicht zu erwartender Erfolg. Wir bekamen eine Reihe von Angeboten, sie von Universitätsort zu Universitätsort in Deutschland
wandern zu lassen. Wir sind auch jetzt nicht grundsätzlich gegen solche Pläne,
denken aber, dass das überall – wie bisher – an den Bedingungen scheitern
wird:
- die Kosten muß die jeweilige Universität oder ein dortiger Sponsor übernehmen inklusive Spesen für einen unserer Mitarbeiter, der vor Ort dafür
sorgt, daß Exponate und Subskripte einander richtig zugeordnet sind.
- wenn die Bezüge auf Tübingen durch Bezüge auf den jeweiligen Universitätsort ersetzt oder ergänzt werden sollen, haben sich die neuen Veranstalter um entsprechende Exponate und Subskripte zu kümmern.
- den Katalog passen wir den besonderen Verhältnissen an der neuen Universität nicht jeweils an.
Wie angekündigt, verlegen wir das Opus in Zukunft als CD-Rom. Als Buchproduktion werden dann nur noch Einzelexemplare hergestellt, was Auswirkungen
auf den Preis hat und Zeit in Anspruch nimmt, d.h. der Käufer muß in letzterem
Falle mit Wartezeiten bis zu drei Monaten rechnen.
Tübingen, den 1.11.1997
Joachim Lerchenmüller, Gerd Simon
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X
lerchenmüller / simon: im vorfeld
Vorwort zur zweiten Auflage
Die Nachfrage nach diesem Katalog war grösser als wir geahnt bzw. erhofft
hatten. Die erste, von uns selbst gedruckte Auflage war schon am Tage der
Eröffnung der Ausstellung vergriffen. In dieser Auflage ist nur Geringfügiges
ergänzt, umgestaltet und korrigiert. Manche an sich revisionsbedürftigen Mängel, z.B. eine Literaturauswahl, hätten wir auch jetzt nur auf Kosten einer für die
Ausstellung zu späten Auslieferung beseitigen können.
Da wir Wissenschaft ohnehin als Prozess ansehen, in dem jede Publikation von
Forschungsergebnissen die Vorfassung zu der nächsten darstellt, da Revisionsbereitschaft und Selbstkritik zu den Grundpfeilern unseres Wissenschaftsbegriffs gehören, wird es den Leser nicht wundern, wenn wir schon nach wenigen Tagen manches fanden, was der Korrektur bedurfte. Die erste Auflage hatte kein Vorwort erhalten, bzw. das, was normalerweise im Vorwort steht, war in
die Einleitung integriert. Dies, um der „vergleichenden Auflagenforschung“ keine unlösbaren Rätsel aufzugeben.
Der GIFT-Verlag versteht sich als Primärverlag. Dieser Katalog wurde auf herkömmliche Weise produziert, weil er für die Ausstellung nur in dieser Weise
benutzbar ist.
Nach dem 9. März, dem letzten Tag der Ausstellung, entfällt dieser Umstand.
Dann bieten wir diesen Katalog zur Hauptsache auf CD-Rom an und als Buch
nur noch in Einzelauftrag, was Auswirkungen auf den Endpreis hat; denn ein in
Einzelauftrag hergestelltes Buch ist nun einmal teurer. Ein Sekundärverlag, der
die Rechte, die Werbung und den Vertrieb übernimmt, ist von unserer Seite
durchaus erwünscht. Anfragen werden erbeten an den GIFT-Verlag, Burgholzweg 52, D-72070 Tübingen.
Tübingen, 3. März 1997
Joachim Lerchenmüller, Gerd Simon
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XI
lerchenmüller / simon: im vorfeld
Einleitung
Im Mittelpunkt dieser Übersicht steht ein Fach, das nur wenige Menschen in
Zusammenhang mit den Menschheitsverbrechen bringen, die Deutsche in diesem Jahrhundert begingen. Andere Fächer wie die Medizin, die Chemie oder
die Physik stehen den Ereignissen von Auschwitz, Mauthausen, NatzweilerStruthoff und Babi-Jar sicher näher, um nur einige der Orte unvorstellbarer Terrorakte des Zweiten Weltkriegs zu nennen. Aber auch die Germanistik und
manche Nachbar-ächer, die man ihr im Dritten Reich einverleiben wollte, bewegten sich zumindest 'im Vorfeld' der Massenmorde. Etliche Germanisten,
Keltologen, Religions-, Medien- und Sprachwissenschaftler agierten – was
selbst den heute lebenden Fachkollegen kaum bekannt ist – am Abgrund des
Verbrechens, mit einem tiefen Blick in die Praxis der Menschenversuche und
der Massenexekutionen der SS-Einsatzkommandos im rückwärtigen Gebiet der
Ostfront.
Das Geschehen in Auschwitz, um diesen Schreckensort beispielhaft zu wählen,
hat die Phantasie der Dichter als harmlos und einfallsarm enttarnt. Dantes 'Inferno' ist ein Lustgarten gegenüber dem, was sich in deutschen Konzentrationslagern ereignete. Literarische Versuche, das Schrecklichste des Schrecklichen
zu beschreiben, Böses und Hinterhältiges ins (scheinbar) Extremste zu steigern, hat zwar die Sprachgewalt vieler Dichter gestählt und beeindruckende
Werke hervorgebracht, doch verblassen diese Fiktionen angesichts der Realität
des zwanzigsten Jahrhunderts. Auschwitz hat – sicher nicht zufällig – bis heute
in der Dichtung keine solche Entsprechung gefunden wie der Archipel Gulag in
Solschenizyns Roman. Die Phantasie versagt, im übrigen nicht nur die dichterische, beim Anblick solcher Verbrechen.
Die Wissenschaft – und die für Dichtung zuständige Germanistik macht hier
keine Ausnahme – ist in einer nicht minder bedauernswerten Lage. Sie scheint
bis heute nicht begriffen zu haben, dass sie direkt und nahezu ungebremst in
Menschenversuche und Massenvernichtung mündete. Sie behandelt Auschwitz, Dachau und Hiroshima als Deportate: sie verdrängt die zum Teil als
durchaus notwendig erkannte Überprüfung ihrer Grundlagen und vor allem ihrer
Methoden in Sonderfächer wie die Forschungsethik. Sie flüchtet in Sprachspiel
und Formeln. Bemühungen, grundlegende Menschenrechte in einem Kodex für
Forschung und Wissenschaft zu verankern, kommen über Initiativen Einzelner
nicht hinaus, finden jedenfalls weder ausreichende öffentliche Förderung noch
einen Konsens unter den Forschern. Bisweilen werden sie auch nur belächelt.
Die Beschäftigung mit Auschwitz, insbesondere mit den Menschenversuchen,
kann aber nicht eine Beschäftigung unter vielen sein. Sie gilt vielmehr der Idee
der Wissenschaft selbst, wenn nicht der Mitmenschlichkeit und damit der Zukunft überhaupt. Sie zielt auf eine neue Wissenschaft, die sich um so etwas wie
Verantwortung organisiert, deren Kern jedenfalls mit Verantwortung zu tun hat.
Wie eine solche verantwortungsbewusste Wissenschaft aussehen kann, ist hier
nicht der Ort darzulegen.1 Was aber an der herkömmlichen Wissenschaft zu
kritisieren wäre, lässt sich vermutlich nirgendwo besser als an ihrem Umgang
mit Auschwitz ablesen.
1 Siehe dazu: Simon 1990
Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/
lerchenmüller / simon: im vorfeld
XII
Wissenschaftlern, die zum Dritten Reich forschen, wird kollektiv oder in Einzelfällen vorgeworfen, sie seien enthüllungssüchtig. Sofern damit gemeint ist, dass
sie den Verhüllungsaktionen Betroffener und manchmal auch gutwilliger Zeugen nicht auf den Leim zu gehen gedenken, dass sie sich durch Verdunkelungshandlungen, durch Nebelwerfer und 'Schlussstrich'-Debatten nicht beeindrucken lassen, mag das – ungeachtet der Form des Vorwurfs – auf die meisten dieser Forscher zutreffen. Das eigentliche Motiv entgeht aber diesen Anklägern. Der Versuch zu rekonstruieren, wie es zu diesen Ereignissen kam, und
der Wille zu verhindern, dass sich derartiges wiederholt, erreicht nur wenig mit
unsicherer empirischer Basis und simplen Wissenschaftsreparaturen. Es geht
um die Aufdeckung und Behebung kapitaler Mängel des herkömmlichen Wissenschaftsprozesses, der in seinen Grundstrukturen trotz der Katastrophen des
zwanzigsten Jahrhunderts bislang keine wesentlichen Veränderungen erfahren
hat.
Es geht um nichts Geringeres als die Erneuerung der Wissenschaft, weg von
der Massenproduktion marginaler Forschungsergebnisse hin zu einer Strategie,
die aus der Kritik der Prinzipien bisheriger Wissenschaft und ihrer Tabuisierung
der Relevanzfrage nicht einfach nur Folgenabschätzung betreibt, sondern die
Forscher dazu zwingt, dialogbereit den Ausgangspunkt ihrer Grundlagenreflexion im Lichte der Frage, was ist für wen und auf wessen Kosten, in welchem
Zusammenhang, wie und in welchem Ausmaße wichtig, zu gewinnen. Wer
meint, die Wissenschaft des 3. Reichs böte zu dieser Strategie keinen oder nur
einen negativen Beitrag, muss vermutlich erst einmal lernen, seine Vorurteile
zu hinterfragen und zu revidieren.
Es dauert nur noch wenige Jahre, bis sich zum 200. Mal jährt, dass die Germanistik als „Deutsche Philologie“ an den Universitäten Fuß fasste. Im Jahre 1810,
als in Berlin eine der ersten Professuren – noch unbezahlt und „extraordinär" –
eingerichtet wurde, fand die wohl wichtigste Reform statt, die die Institution
Hochschule jemals erlebte. Die >Humboldtsche< Hochschulreform sorgte unter
anderem dafür, dass ein neues Prinzip der Fächerbildung in die Hochschulpolitik einzog: das Nationalitätsprinzip. Germanistik, Romanistik und so weiter verdanken ihre Entstehung und ihr Weiterbestehen diesem Prinzip, einem, wenn
man so will, schwer vermeidlichen Geburtsfehler, den die Universität, die bis
dahin nur das Universalitätsprinzip kannte, diesen Fächern mit auf den Weg
gab. Ausgewirkt hat sich dieser Geburtsfehler vor allem und besonders extrem
im Banne nationalistischen „Hochgefühls" – wie es damals hieß – in der Germanistik der beiden Weltkriege. Im Ersten Weltkrieg entwickelten sich dabei die
Strukturen, die im Zweiten bis ins Vorfeld des Massenmords vor allem an Juden führten.
Wir halten es aus methodischen Gründen für unabdingbar, Alltägliches mit Extremen zu vergleichen. Es hat sich gezeigt, dass nicht selten das, was z.B. im
Ersten Weltkrieg noch Extrem war, im Zweiten Alltag wurde. Alltagsforschung,
die extreme Entwicklungen herunterspielt oder gar unbeachtet lässt, sind nach
unserer Einschätzung eine wissenschaftliche Variante der Auschwitz-Lüge. Regional- oder Lokalforschung, die nicht die Gesamtzusammenhänge thematisiert, halten wir für methodisch problematisch. In diesem Buch gibt es dennoch
genügend Bezüge zur Lokal- und Regionalgeschichte, insbesondere zur Universität Tübingen zu entdecken. Diese Bezüge sollen keineswegs darüber hinZur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/
lerchenmüller / simon: im vorfeld
XIII
wegtäuschen, dass Tübingen in der Geschichte der Germanistik und der hier
angesprochenen Nachbarfächer Medienwissenschaft, Keltologie und Religionswissenschaft im Zweiten Weltkrieg eine eher untergeordnete Rolle spielt.
Zum Verständnis vieler Textstellen ist der Hinweis erforderlich, dass Traditionslinien, wie sie die Geschichtswissenschaften zu ziehen pflegen, entstehen, indem man anderes weglässt. Um anzudeuten, dass manches deutlich komplexer ist, als in einer solchen Traditionslinie erscheinen kann, haben wir jeweils
das Wichtigste, das nicht in diese Linie passt, manchmal sogar gegenläufig ist,
in einigen Stichworten hinzugefügt. Die Traditionslinien stammen im übrigen in
den seltensten Fällen von uns; sie sind entweder von den Personen, die es betrifft oder mitbetrifft, oder deren Schüler oder Adepten gezeichnet worden.
Selbstverständlich unterziehen wir diese gründlicher Kritik. Dem Einbetten von
Forschungsgegenständen in riesige geistesgeschichtliche Zusammenhänge,
wie wir sie gerade auch im Dritten Reich antreffen, begegnen wir mit entsprechender Reserve.2
Unser besonderer Dank gilt all jenen, die uns inhaltliche und logistische Unterstützung gewährt haben. Wir danken den Archiven – darunter vor allem dem
Bundesarchiv und seinen Abteilungen, dem ehemaligen Berlin Document Center, dem Institut für Zeitgeschichte in München und zahlreichen Universitätsarchiven, insbesondere dem Archiv der Humboldt Universität zu Berlin und dem
Universitätsarchiv Tübingen – die uns bei zahlreichen Forschungsaufenthalten
kooperativ und freundlich begegnet sind und uns die Genehmigung zur Reproduktion von Archivalien erteilt haben, unter unseren Mitarbeitern insbesondere
Stefan Blanz und Florian Vogel, ohne deren Einsatzbereitschaft dieses Opus
nicht in dieser Form zustande gekommen wäre.
Ob die kommenden Generationen unsere Präokkupation mit dem Dritten Reich
verstehen werden, scheint uns mehr als zweifelhaft. Von der Machtübernahme
der Nationalsozialisten trennt uns heute ein Zeitraum, der länger ist als jener, in
dem das Kaiserreich bzw. die Weimarer Republik überhaupt bestanden. Für
den grösseren Teil der heutigen Studierenden gehören selbst schon die siebziger Jahre kaum mehr zum Bestand individueller Erinnerung. Hinzu kommt,
dass wir heute Gefahren für die Menschheit heraufbeschwören, die in ihren
Dimensionen die Ereignisse des Zweiten Weltkriegs verblassen lassen. Die
Gefahr eines nuklearen Holocaust scheint zur Zeit zwar gering, sie besteht jedoch weiter solange es atomare Waffen im Arsenal zahlreicher Staaten gibt;
ähnliches gilt für die sogenannte ‘friedliche’ Nutzung der Kernenergie. Die Vernichtung der natürlichen Grundlagen des menschlichen Lebens auf unserem
Planeten schreitet parallel dazu ungemindert fort. In dieser Ausstellung werden
vier Beispiele alternativer Lebenswege in der Zeit des deutschen Imperialismus
gezeigt: Georg Friedrich Nicolai, Elise Richter, Jonas Fränkel und Adolf Reichwein. Unser Respekt und unser Dank gilt diesen Menschen, wie überhaupt allen Opfern und Widerstandskämpfern im Dritten Reich und in den besetzten
Ländern. Wir befänden uns aber mit diesem Hinweis in einem existentiellen
Widerspruch, wenn wir nicht zugleich dazu aufriefen, die Rahmenbedingungen
2 Um die empirische Erforschung der Geschichte der Germanistik im 3. Reich haben sich eine Reihe von
Wissenschaftlern verdient gemacht. Herausgehoben seien hier, weil sie sich auch als Nachschlagewerke eignen: - Strothmann 1960 - Barbian 1993
Weitere Hinweise auf spezielle Studien findet man in den Fussnoten auf den folgenden Seiten.
Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/
lerchenmüller / simon: im vorfeld
XIV
gesellschaftlichen Lebens so zu verändern, dass auch zukünftige Generationen
noch die Chance auf eine menschenwürdige Existenz haben.
Tübingen, den 26.2.1997
Joachim Lerchenmüller, Gerd Simon
Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/
I.
Vorgeschichte
1.
Germanistik und Universität im Nationalstaat
1.1
Des Kaisers Germanisten
E
1.11 Der Kaiser zog an der Universität Berlin unter den
Kapazitäten der jeweiligen Fächer stets die Männer seines Vertrauens zusammen. Aus Anlass des 100-jährigen
Bestehens der Humboldtschen Universitätsreform erhielten im Oktober 1910 ausgewählte Professoren auf Beschluss des Preussischen Staatsministeriums staatliche
1
Auszeichnungen ; der Prominenteste unter den Geehrten war Erich Schmidt. Schmidt war damals Rektor der
Universität sowie – schon seit 1887 – als Nachfolger des
Begründers des Altpositivismus in der Germanistik, Wilhelm Scherer, damals Hauptvertreter dieser bis tief ins
20.Jahrhundert dominierenden Forschungsrichtung und
Inhaber des Berliner Lehrstuhls für Germanistik.
Erich Schmidt
Schmidts Karriere wie sein literaturwissenschaftliches
Werk standen im Zeichen des preussisch-deutschen Nationalstaates. 1877 an die (erst fünf Jahre zuvor gegründete) Reichsuniversität
Strassburg berufen, legte er den Schwerpunkt seines Schaffens auf die Goethe-Forschung: die Weimarer Ausgabe (1887-88) und die Cotta'sche Jubiläumsausgabe (1903-06) entstanden unter seiner Verantwortung. Der Gründergeist des Zweiten Reiches spiegelt sich nicht nur in seiner kritischen Ausgabe
des Faust, wo es im Vorwort heißt:
„Der germanische Geist schliesst mit der heroischen Schönheit Griechenlands einen Bund und geht aus dieser Ehe nicht als ein elegisch rückwärts
schauender Epimetheus, sondern gleich Prometheus davon durchdrungen, des echten Mannes wahre Feier sei die Tat, dem neuen werkkräfti2
gen Leben entgegen."
Der Kult der Tat, für den man Goethes ‘Faust’-Figur als Kronzeugen und
richtungsweisendes Beispiel anführte, hatte zentrale politische Funktion, indem
er das militärische Machtstreben Preussen-Deutschlands
ideologisch begründete und kulturell verbrämte.
1.12 Erich Schmidts Schüler Gustav Roethe bringt es auf
den Punkt:
„Die Irrlehre, dass die Tat Sünde sei, ob sie sich auch
durch Tolstois des Slaven bedeutenden Namen und
durch den Weisheitsmantel indischer Beschaulichkeit
decke, mag sie auch für den Orient taugen: undeutsch
ist sie durch und durch." 3
Nach Schmidts Tod (1913) war Gustav Roethe von allen
Berliner Germanisten des Deutschen Reiches zweifellos
der Bedeutendste. Seine Parteinahme für Kaiser Wilhelm
1
Gustav Roethe
Sitzung des Kgl. Staatsministeriums, Protokoll 19.9.10 – GStA – Rep. 90 (B) 1767 Bl.23
Schmidt 1903-06 S. XXIX
3
Roethe 1928, S. 439-456, 456
2
2
lerchenmüller / simon: im vorfeld...
II. und die imperialistischen Ziele Preussen-Deutschlands waren bedingungslos:
„Aus dem Blute unserer besten Jugend, unserer tüchtigsten Manneskraft
erwache ein neues, tief einiges, grosses und mildes Deutschland, würdig
der ungeheuren Opfer, die ihm jetzt sinken.
'Und auf dem Grund des alten Lebens
Lasst uns erbauen das neue Reich!'
Ob wir fallen oder siegen, wir sind entschlossen zu leben und zu sterben
4
für unseren geliebten Kaiser, unser teures deutsches Vaterland!"
Zusammen mit seinen Berliner Professorenkollegen Eduard Meyer (Geschichte), Kuno Meyer (Keltologie), Dietrich Schäfer (Geschichte), Ulrich von Wilamowitz-Moellendorf (klassische Philologie) und Reinhold Seeberg (ev. Theologie) beeinflusste er Wilhelm II. in nicht unerheblichem Masse in wissenschaftlichen, aber auch in politischen Fragen.
Wie die anderen Genannten auch war Gustav Roethe Mitglied des „Unabhängigen Ausschusses für einen Deutschen Frieden", eine dem „Alldeutschen
Verband" nahestehende Vereinigung. Sie setzte sich kompromisslos für einen
auf dem Schlachtfelde zu erringenden „Siegfrieden" ein. Bis Kriegsende trachtete sie alle Versuche zu verhindern bzw. zu sabotieren, die auf eine Verständigung mit den Alliierten oder mit den sozialdemokratisch-pazifistischen Kräften
der innerstaatlichen Opposition zielten.
Neue Konkurrenz in Sachen Nationalismus wie die aus dem Sprachverein
(Friedrich Kluge, Otto Behaghel) oder aus dessen Ableger, dem Germanistenverband (Friedrich Panzer) hielten Schmidt und Roethe sich und dem Kaiser
freilich auf Distanz:
„[...] man ruft nach der angewandten Wissenschaft, deren Frucht sich greifen lässt; man möchte etwa der Sprachforschung statt der Deutung freien
sprachlichen Lebens ein regelndes Richteramt über Sprachrichtigkeit und
-reinheit zuweisen. Gilt es der Erweckung nationalen Sinns, so hat sich
die Philologie ihrer Vergangenheit freilich nicht zu schämen. [...] das
strenge Streben nach nationaler Selbsterkenntnis, die sich nicht von
Wünschen und Einbildungen berauschen lässt, sondern zu entsagen
5
weiss, ist das Wesen der wissenschaftlichen deutschen Philologie."
4
5
Roethe 1914, S. 29
Roethe 1928, S. 439-456, 439, 441
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3
lerchenmüller / simon: im vorfeld...
1.13 Die nationalsozialistische Propaganda konnte ungezwungen auf die TatIdeologie der führenden Germanisten und ihre Faust-Deutung rekurrieren:
Wochenschau-Plakat Nr. 13: "Wo einst des Meeres Wogen rollten..."
1.14 „Ist dies mein Preussen"
Roethe gibt in seinem Buch „Deutsche Männer" (1922)
– er war ein entschiedener Gegner der Frauen auf den
Universitäten – auch ein Bild vom alten Fritz wieder.
Dessen stechender, gebieterischer Blick, vor dem man
stramm stand oder man war kein Deutscher, zumindest
kein Preusse, wirkte auch in der Wissenschaft als
Symbol des Verhältnisses von Herrscher und Forscher
bis über den Zweiten Weltkrieg nach. Das Bild des alten Fritz ist zugleich auch Sinnbild für die unter Hochschullehrern weitverbreitete Ablehnung des "Systems"
von Weimar. Eine Ablehnung, die sich nicht mit Symbolischem begnügte, sondern politisch und hochschulpolitisch offensiv vertreten wurde.
Der alte Fritz
Roethe auf einer Bismarck-Gedenkfeier im April 1920:
„Wenn die Sozialdemokratie alles, was dem Deutschen heilig ist, als einen
Zopf, eine Lüge, darstellen [kann], wenn sie dem Volk den Glauben an
Gott, an Königtum, Vaterland, Familie, an die Vererbung des redlich erworbenen Besitzes auf die Kinder rauben" will, was bleibt dann einem "so
geistig verarmten und nackt ausgezogenen Menschen [...] übrig als eine
wil-de Jagd nach sinnlichen Genüssen? Da wären wir dank der materialistischen Weltauffassung der Sozialdemokratie denn glücklich angelangt."
6
An den Universitäten galt es in der unmittelbaren Nachkriegszeit den Reformeifer des preussischen SPD-Kultusminister Konrad Haenisch zu bremsen und vor
allem die Berufung 'unliebsamer' Kollegen zu verhindern. Als das preussische
Kultusministerium Anfang 1920 die Wiederbesetzung des seit 1913 vakanten
Berliner Germanistik-Lehrstuhls von Erich Schmidt betrieb, begrüsste die Fakul6
Roethe 1920, S.11
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4
lerchenmüller / simon: im vorfeld...
tät zwar die Berufung Julius Petersens, doch konnte sie zugleich „ein Bedürfnis
für eine weitere Professur für Literaturwissenschaft und ihre Beziehungen zur
allgemeinen Geisteswissenschaft nicht anerkennen".7
Dieser eher ungewöhnliche Fall, in dem eine Universität die vom Ministerium
vorgeschlagene Errichtung eines weiteren Lehrstuhls ablehnt, hatte einen sehr
politischen Hintergrund: Der sozial-demokratische Minister wollte den Heidelberger Germanisten und jüdischen George-Schüler Friedrich Gundolf (ursprünglich: Gundelfinger) nach Berlin berufen, der für preussisch-national Gesinnte spätestens seit der Veröffentlichung seines Buches „Goethe" (Berlin
1916), das einer deutlichen Kritik der ideologischen Aufladung Goethes gleichkam, wie sie gerade Erich Schmidt betrieben hatte, ein rotes Tuch war. Die von
der Fakultät eingesetzte Kommission (bestehend aus Roethe, Alois Brandl, Ulrich von Wilamowitz-Moellendorf, Alois Riehl, Wilhelm Schulze u.a.) brauchte
keine vier Wochen um festzustellen:
„Insbesondere habe sie gegen den vorgeschlagenen Professor Gundelfinger [!] bei aller Wertschätzung seiner Persönlichkeit und Leistungen
mangels seiner Befähigung für wissenschaftliche Arbeit und Lehre Be8
denken und bäte, von seiner Berufung abzusehen."
1.2
9
Des Kaisers Germanistenverband
1.21 Der heute noch zentrale >Deutsche Germanistenverband< (DGV) wurde
1912 von einer Gruppe Frankfurter Germanisten um Johann Georg Sprengel
und Friedrich Panzer gegründet. Der DGV will das deutsche Geistesleben stärker als bisher auf „völkische Grundlage" stellen. Auffällig ist, dass unter dem
Gründungsaufruf die Namen der Berliner Germanisten fehlen. Lediglich der
„nach allen Seiten offene", junge Julius Petersen
findet sich unter den Unterzeichnern. Sonst fehlt
kaum jemand mit Rang und Namen: Baesecke,
Braune, Ehrismann, Goetze, von der Hellen, Helm,
Kluge, von der Leyen, Minde-Pouet, Minor, Hermann
Paul, Saran, August Sauer, Siebs, Streitberg, Strich,
Unger, Walzel.
Während die Hochschulgermanisten – einem Votum
Jacob Grimms folgend – das Praxisfeld 'Schule' bis
dahin den klassischen Philologen überließen, erhob
der DGV den frühen Wunsch Wilhelms II. (1891),
das Deutsche solle Mittelpunkt der Schule sein, zum
Programm und dehnte dies auch auf die Hochschulen aus.
Mitten im Ersten Weltkrieg sieht er mit dieser
>Eingabe<10 die günstige Gelegenheit gekommen, im Rausche nationaler
Selbstüberhebung dieses Ziel zu realisieren. Ironischerweise ist es aber erst die
Weimarer Republik, die in seinem Sinne Fakten schafft, die noch heute gelten.
7
Protokoll der Sitzung der Phil. Fakultät am 26.2.20 – UA HUB – Phil.Fak. 35, Bl. 275
Protokoll der Sitzung der Phil. Fakultät am 29.1.20, ibid. 26.2.20 – UA HUB – Phil.Fak. 35, Bl. 267, 275
9
Zum DGV s. Bessling 1997, und die dort angegebene Literatur.
10
In: Zeitschrift für den deutschen Unterricht. 30, 1916, Ergänzungsheft, S.1-15
8
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5
lerchenmüller / simon: im vorfeld...
Friedrich Panzer
11
1.22 Friedrich Panzer (*4.9.1870) ist unter den
Initiatoren der >Eingabe< (ausser Panzer und
Sprengel noch Klaudius Bojunga; später trat noch
Ernst Elster hinzu) der einzige noch heute bekannte
Germanist. Seinen Nachlass11 liess er bis 1990
grösstenteils sperren, was die möglicherweise
gewollte Wirkung hatte, dass bis dato keine
wissenschaftsgeschichtliche Studie über ihn vorliegt.
Panzers Wirkung war nicht nur seiner Lehr- und
Forschungstätigkeit an der Universität und seiner
zentralen Position im DGV zu verdanken, sondern
auch seinen führenden Aktivitäten im >Deutschen
Scheffelbund< und in der >Deutschen Akademie<
(s.Kap.2.615). Seine nichtöffentliche Distanz zu Hitler
und den Nationalsozialisten verhinderte nicht, dass
ihm die höchste Auszeichnung, die diese zu
vergeben hatten, die Goethe-Medaille, zuteil wurde.
Universitätsbibliothek Heidelberg, Heid. Hs. 3824
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1.23 Aus der Mitte des >Germanistenverbands<, der sich nach 1920 >Gesellschaft für deutsche Bildung< nennt, gehen die beiden gezeigten Handbücher
hervor. Zumindest der >Hofstaetter/Peters< dient noch bis in den Zweiten
Weltkrieg hinein als Standardwerk für Hochschule und Schule und als Grundlage und Ausgangspunkt für die Forschung. Die Handbücher sind betont nationalistisch, aber nur selten nationalsozialistisch oder rassistisch, vereinzelt, wenn
es zentral um jüdische Belange geht, sogar philosemitisch.
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1.3
Literatenstichworte für den Nationalsozialismus
Nicht nur die Literaturwissenschaftler, sondern mehrheitlich auch die Literaten
in der Weimarer Republik kennzeichnete der konservative Blick zurück in verklärte Zeiten. Hans Grimm, Paul Ernst, Wilhelm Schäfer, Ludwig Finckh und
Ernst Bertram, letzterer zugleich als Professor der Literaturwissenschaft, sahen
ihre Dichtung zunächst von den Nationalsozialisten gerne vereinnahmt, suchten lediglich ihre Anschauungen in Details auch konfrontativ gegen die Kulturpolitiker durchzusetzen und hatten daher auch manchmal mit Unbillen zu rechnen.
1.31 Hans Grimms 'Volk ohne Raum' lieferte den Nationalsozialisten das Stichwort insbesondere für die deutsche „Osterweiterung" mit politischen (CSR) oder
militärischen Mitteln (Polen, Russland etc.). Hans Grimm (*22.3.1875) war bis
1935 im Präsidialrat der Reichsschriftumskammer einer der einflussreichsten
Schriftsteller in der Umgebung von Goebbels. Er greift aber früh auch im Namen anderer Dichter (Jünger, Kolbenheyer) den Bürokratismus an, der mit der
Bildung der Kammer einherging, sowie deren Förderung von Dilettanten. Auch
verweigert er - wie sich einer dieser Bürokraten beklagt – „mit peinlicher Genauigkeit" den seinerzeit obligatorischen Gruss „Heil Hitler!". Die Folge ist nicht nur,
dass er sehr bald nicht mehr im Präsidialrat sitzt, sondern dass „diesem ewigen
Stänker" (Goebbels) die Beobachtung durch den Sicherheitsdienst sowie die
Überweisung in ein Konzentrationslager angedroht wird. Grimm verhält sich
aber hinfort brav und bleibt so unbehelligt. Nach 1945 greift er Thomas Mann
an: Dieser suche die Schuld an den Vorgängen im Zweiten Weltkrieg, insbesondere den KZs zu einseitig bei den Deutschen. Seinetwegen tritt er sogar
zum Schiller-Jubiläum aus der Schiller-Gesellschaft aus.
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1.32 Seit 1922 bemühten sich
vor allem die rechtslastige
Fichte-Gesellschaft und der
Deutsche Sprachverein darum, der Schwedischen Akademie Paul Ernst für den Literatur-NobelPreis nahezulegen.
Als der „Vaterlandsverräter"
Thomas Mann 1929 den Nobelpreis erhält, verstärken sich
diese Bemühungen.
Paul Ernst
Insbesondere die Germanisten Arthur Hübner (s. Kap. 2.6), Julius Petersen und der
Tübinger Literaturprofessor Paul Kluckhohn machen
keinen Hehl daraus, dass sie Paul Ernst für qualifizierter halten als Thomas
Mann.
1.33 Wilhelm Schäfers >Deutschland<-Buch liegt eine in Köln gehaltene Rede
aus dem Jahre 1924 zugrunde. Es erschien im gleichen Jahr wie das ebenfalls
auf einer Rede basierende Opus >Die deutsche Judenfrage<. Darin wendet er
sich entschieden dagegen, die Schuld an dem verlorenen Ersten Weltkrieg bei
den Juden zu suchen, hält aber dennoch die Juden für einen „Fremdkörper", die
Judenfrage für „eine deutsche Lebensfrage" und das Dasein der Juden „im Leben der abendländischen Völker [für] fraglich". Im Jiddischen sieht er „Deutschtum und
Judentum in einer grotesken Verzerrung" verbunden. Schäfer
(*20.1. 1868) will die Judenfrage
aus der „Kellerluft der Hakenkreuzer" führen, landet aber doch
bei einem „sanften" Antisemitismus, gegen dessen Vereinnahmung durch eben diese Hakenkreuzer er nach 1933 keine einzige Zeile schrieb. 1941 erhält er
den Goethe-Preis der Stadt
Frankfurt und bedankt sich 1942
auf dem Weimarer Dichtertreffen mit einer Rede zum
Wilhelm Schäfer
Thema „Krieg und Dichtung".
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1.34 Ludwig Finckh (*21.3.1876) –
Hier eine Zeichnung
aus der >Sigmaringer
Zeitung< – war durch
Ärzteromane wie den
„Rosendoktor"
zum
Bestseller-Autor geworden. Festverwurzelt in seiner schwäbischen
Heimat
(Reutlingen), lernt er
in Tübingen Hermann
Hesse kennen und
Ludwig Finckh
folgt ihm nach Gaienhofen an die Bodensee-Riviera.
In Gaienhofen macht sich Finckh vor allem
durch
seine
Aktivitäten
gegen
den
industriellen Abbau des Hohenstoffeln (einer
aus drei erloschenen Vulkanen bestehenden
Bergformation in der Nähe des Hohentwiel
bei Singen) bekannt. Er gilt als Vater des
Landschaftsschutz-Gesetzes. Briefe wie den
hier gezeigten schickt Finckh an Himmler,
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Goebbels und alle, die er für mächtig oder vermögend hält. Meistens enden sie
mit „Stofflio" und „Heil Hitler". Er ist nicht nur Propagandaleiter seines Wohnorts, sondern auch Vorstandsmitglied z.B. im >Deutschen Sprachverein<, der
ihm viele noch heute kursierende Sprachglossen und -witze verdankt. Mit großem Elan, aber erfolglos setzt sich dieser „Grüne unter den Braunen" auch für
die Erhaltung der deutschen Schrift ein.
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1.35 Ernst Bertram (*27.7.1884) betrachtete zeit seines
Lebens Stefan George und den Hölderlin-Spezialisten
Berthold Litzmann als seine Lehrer und – wie er hinzuzufügen pflegte – „Bildner im
Menschlichen". Wie Finckh
in
einer
ziemlich
gespannten Weise mit
Hesse, so ist Bertram mit
Thomas Mann befreundet;
dessen
Ehrenpromotion
an der Bonner Universität
wird zumeist direkt auf
Bertram zurückgeführt. An
Ernst Bertram
der Seite unverdächtiger
Ernst Bertram
Philologen wie Ernst Robert
Curtius und Victor Klemperer kämpft er in
Auseinandersetzung mit dem französischen
Faschisten Maurice Barrès gegen die These vom
französischen Rheinland, insbesondere Elsass.
Bertram war keineswegs gegen die
Bücherverbrennungen. Er suchte
nur vergeblich zu verhindern, dass
in Köln auch die Bücher seiner
Freunde Friedrich Gundolf und
Thomas Mann dem Feuer zum
Opfer fallen. Später erhielt er den
Görres- und den Rheinischen Literaturpreis.
1944 wird er vom Sicherheitsdienst
überprüft. Der Verdacht, Freimaurer
zu sein, erhärtete sich aber nicht.
Man hatte das aus einem Gedicht
aus dem Jahre 1922 herausgelesen.
Dass Bertrams „Münsterbauhütte"
sich an Stefan Georges Templergedicht aus dem „siebten Ring" orientierte, war dem SD entgangen.
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1.4
Theater und Kultur als Mittel des politischen Kampfes
Alfred Rosenberg
1.41 Alfred Rosenberg qualifizierte sich in der Weimarer
Republik als Herausgeber des >Völkischen Beobachters< und als Gründer und Organisator des >Kampfbundes für deutsche Kultur< (KfdK).
Durch sein Werk >Mythus des 20. Jahrhunderts< erwarb
er sich den Ruf des Parteiideologen. 1934 versucht er
vergeblich, Hitler dazu zu bewegen, über die Leitung des
>Aussenpolitischen Amts< der NSDAP hinaus für ihn ein
eigenes >Ministerium für Weltanschauung und Kultur<
einzurichten. Stattdessen wird er >Beauftragter des Führers für die gesamte geistige und weltanschauliche Erziehung der NSDAP<. Diese Partei-Institution erhält bestimmendes Gewicht auch bei der Berufung von Geisteswissenschaftlern an die Universität. Nach dem Überfall auf die Sowjetunion 1941 wird Rosenberg auch noch
Ostminister.
1.42 Rosenbergs >Kampfbund für deutsche
Kultur< entwickelt sich schon vor 1933 zentral zu einer Theaterbesucher-Organisation
mit erheblichem Einfluss auf Spielpläne und
Besetzung der deutschen Theater.
Collage aus Headlines des >Völkischen Beobachters<
1.43 Die Kulturpolitik und –propaganda des KfdK leistete einen nicht geringen Beitrag, die nationalsozialistische Bewegung in großen Teilen des
Besitz- und Bildungsbürgertums der
Weimarer Republik hoffähig zu machen. Die von den Nazis offensiv vertretene These vom Zusammenhang
zwischen kulturellem Verfall – Stichwort: „entartete Kunst" – und nationalem Niedergang verfing gerade in
diesen Kreisen. Im Dezember 1930
errang der Kampfbund einen wichtigen symbolischen Sieg: massive öf-
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fentliche Proteste der Kampfbündler gegen die Aufführung der Verfilmung von
Erich Maria Remarques „Im Westen nichts Neues" veranlassten die Reichsregierung unter Hermann Brüning, den Film in Deutschland zu verbieten. Grundidee und Erfolg des >Kampfbundes für deutsche Kultur< verdankt Rosenberg
im Wesentlichen dem in Erlangen promovierten Germanisten Walter Stang.
1.44 Walter Stang (*14.4.1895) promovierte 1925 in Erlangen bei Saran über das Thema „Das Weltbild in Walter Flex' Drama Lothar".1 Seine Absicht, sich zu habilitieren, scheiterte – wie er sich ausdrückt – an seiner „ausgesprochenen Veranlagung für Kulturpolitik" sowie an
Geldmangel. 1919 hatte Stang sich dem Freikorps Epp
angeschlossen, war während des Kapp-Putsches Zeitfreiwilliger in Nürnberg und betätigte sich „in der damals
sehr regen völkischen akademischen Bewegung". Nach
seinem Examen 1921 gründete er „die amtliche Zeitschrift des Hochschulringes deutscher Art >Die deutschen akademischen Stimmen<". Stang stand in München in engerer Beziehung zum >Bund Oberland< sowie
zu anderen mehr an Ludendorff orientierten völkischen
Walter Stang
Formationen und wirkte im Bereich 'Grenz- und Auslandsdeutschtum' mit. Am 8. und 9. November 1923 beteiligte er sich „als Vertreter der Studentenschaft" am Hitler-Putsch. Danach stellte er seinen Verlag
(Großdeutscher Ring-Verlag) sowie die „akademischen Stimmen" der völkischen Opposition zur Verfügung. In Folge mehrerer Verbote ging der Verlag
aber bald darauf in Liquidation. Ab 1926 schlug sich Stang „unter den größten
Entbehrungen" als Schriftsteller, insbesondere als Theaterkritiker und als Dozent an der Münchner Volkshochschule durch. Nach der Gründung des
>Kampfbundes für deutsche Kultur< 1929 nahm er Verbindung zu Rosenberg
auf. Später bezeichnet er sich – auch diesem gegenüber – als Rosenbergs „ältesten Mitarbeiter". Durch Rosenberg wurde er Dramaturg bei der Theatergemeinde in München.
Zugleich rief Stang im Rahmen des KfdK das >dramaturgische Büro< ins
Leben. Herzstück dieses Büros und alsbald des ganzen Kampfbunds wurde
das >Theaterpolitische Archiv<, das spätere >Kulturpolitische Archiv<, aus dem
1931 die Theater-Zeitschrift >Deutsche Bühnenkorrespondenz< hervorging.
Seit 1930 schreibt Stang als Kritiker im >Völkischen Beobachter<. Zugleich wird
er Reichsfachgruppenleiter für Theater im KfdK.
Nach der Machtergreifung war Stang zunächst ehrenamtlicher Beauftragter für Theaterfragen des bayrischen Kultusministers Schemm, ab März 1933
zugleich Leiter des Reichsverbands >Deutsche Bühne<. Nach Gründung des
Propagandaministeriums setzt er sich für die Schaffung eines >Reichsamts für
Theaterwesen< ein. Goebbels bietet ihm den Posten eines Reichsdramaturgen
an. Stang bleibt aber Rosenberg und dem Reichsverband >Deutsche Bühne<
treu.
Der Reichsverband >Deutsche Bühne< wird durch eine Anordnung des
Stellvertreters des Führers Rudolf Hess vom 11. April 1933 zur einzigen Theaterbesucherorganisation der NSDAP. Als Buttmann Referent im Innenministerium wird, startet Stang eine Initiative, den KfdK zur "einzigen Kulturorganisation
der NSDAP" zu machen. Als 1934 das Amt Rosenberg entsteht, wird Stang in
1 Untertitel "Eine wissenschaftliche Untersuchung". Publiziert in Neustrelitz: Otto Wagner. 1926. Für das
folgende s. Simon 1997a
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diesem Leiter des >Amtes Kunstpflege<, dem das >Theaterpolitische Archiv<
als >Kulturpolitisches Archiv< einverleibt wird. Zugleich wird er bis zu der Vereinigung mit Robert Leys Freizeitorganisation >Kraft durch Freude< (1937) Leiter
der >NS-Kulturgemeinde<, der Nachfolge-Organisation des >Kampfbunds für
deutsche Kultur<.
Bei den Verhandlungen, die dieser Vereinigung vorausgingen, hatte sich
Stang aus der Sicht Rosenbergs „große Unvorsichtigkeiten" zuschulden kommen lassen. Als 1941 Rosenbergs Stellvertreter im Amt an der Front fällt, und
Stang nicht – wie erwartet – Nachfolger wird, beklagt er sich bei seinem Chef
bitterlich. Zuletzt finden wir Stang wieder als Leiter des Sachgebiets >Theater<
in der Hohen Schule (in Vorbereitung). Stang war Inhaber des goldenen Ehrenzeichens der NSDAP, der Dienstauszeichnung der NSDAP in Bronze und des
grünen Dauerausweises für den Marsch am 9.11.1923, außerdem Mitglied des
Reichstages. Er versuchte sich auch als Dramatiker. 1940 wurde sein in der
Völkerwanderungszeit spielendes Theaterstück >Alboin und Rosamunde< im
Alten Theater in Leipzig uraufgeführt.
1.5
Wissenschaft in
der Karikatur
Die diversen Wissenschaftsdisziplinen waren auch der Gegenstand grotesk seinwollender Karikaturen. Die
Zeichner des >Simplicissimus< ahnten aber
wohl selber nicht, wie
prophetisch sie teilweise die Zukunft vorhersahen:
1.51 Dialektologie
Während die Bevölkerung zumeist die Frage
bewegte, wozu Mundartfragen gut sein sollten, erkannte der Sicherheitsdienst
früh,
daß die Umfragen der
Dialektologen ihm als
wichtigstes Vehikel dienen konnten, um ein realistisches Bild von den
Auffassungen vor allem
in ländlichen Kreisen zu
erhalten.
Die Notgemeinschaft deutscher Wissenschaft hat einen
bekannten Germanisten mit der Aufgabe betraut, in Berlichingen selbst Studien über den bekannten Ausspruch
des Ritter Götz anzustellen. Tatsächlich ließ sich konstatieren, daß die altberühmte Redensart noch heute im
Sprachschatz sämtlicher Einwohner lebendig ist.
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1.52 Rassenlehre1
1.53 Medizin
1.54 Theologie
1.55 Jurisprudenz
1 Anmerkung der Verfasser: Die Angesprochenen standen in der Weimarer Republik bei den politischen
Gegnern im Verdacht, nichtarisch bzw. jüdisch zu sein. Was 1931 noch Karikatur war, wurde 1938
Wirklichkeit: Auf Antrag der Professoren Hans Reinerth und H.F.K. Günther genehmigt der Dekan der
Philosophischen Fakultät Berlin, der Germanist Franz Koch, dass ab sofort „Rassenkunde als Hauptfach in Verbindung mit Vorgeschichte bei der Promotion an der hiesigen Fakultät gewählt werden konnte." (Koch, Dekan der Phil.Fak., an Hans Reinerth, 13.5.38 - UA HUB - Phil.Fak. 202 Bl. 82)
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1.56 Die Schwäche der Nationalsozialisten für Pseudowissenschaftliches, z.B.
für die Wünschelrutenforschung, nimmt diese >Simplicissimus<-Karikatur aufs
Korn:
„Eine Liebestragödie mit happy end“
Dem Rassenforscher Darré ist es gelungen, die praktische Durchführung seiner
Theorien durch die Erfindung einer Wünschelrute zu sichern.“ (Olaf Gulbransson)
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2.
Verfolgung und Selbstgleichschaltung 1933-1939
2.1
Feuer und Flamme für den Nationalsozialismus
Die Bücherverbrennungen vom Mai 1933 bringen das 3. Reich schlagartig in den Ruf der Kulturfeindlichkeit. Die Vertretung der Studenten, die >Deutsche Studentenschaft< will sich mit dieser Aktion profilieren; sie passt aber
selbst Goebbels nicht ins Konzept; zähneknirschend vereinnahmt er sie aber
dann doch für sich. Hinfort unterbindet er solche Aktionen als in die „Systemzeit" [= Weimarer Republik] gehörend und daher überholt.
2.11 Die Studenten gewinnen
die SA für den Abtransport
der inkriminierten Bücher auf
die Scheiterhaufen. In Hamburg profiliert sich der Keltologe Ludwig Mühlhausen
dadurch, dass er als erster in
SA-Uniform auf einer akademischen Feier erschien.
Sofort wird er als Rektor der
Universität Hamburg ins
Gespräch gebracht, erhält
dann aber stattdessen,
obwohl nur mäßig dafür qualifiziert, den damals einzigen
deutschen Keltologie-Lehrstuhl in Berlin.
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2.12 Das Plakat, mit dem die
Studentenschaft zur Bücherverbrennung aufrief, die
mancherorts verschlafen
wurde, geriet an einigen
Stellen radikaler als die
Parteidoktrin, insbesondere
in Bezug auf die Sprache (§
5 und 9). Es enthält überdies
Forderungen, die sonst
nirgends zu finden sind (§ 7
Kleingedrucktes) und
erwiesen in einem Punkt
den Juden eine Achtung, die
die NS-Linie nicht kannte (§
7 Absatz 1).
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2.13 In Bonn hielt der Germanist Hans Naumann die
Feuerrede.1 Naumann war schon 1929 vom Südwestdeutschen Rundfunk aus dessen >Kulturbund< wegen
„Faschismus" entfernt worden. 1932 tat er sich in einer
Polemik gegen Ernst Robert Curtius als NSSympathisant hervor. („Deutsche Nation in Gefahr"). Zugleich unterzeichnet er als einer von „nur" 50 den Professorenaufruf für Hitler. Ende 1934 ist er Rektor der Universität Bonn, wird aber im Februar 1935 schon wieder
abgesetzt. Grund: Sein Engagement für den NS-Kritiker
Karl Barth, der als Schweizer den Eid auf Hitler verweigert hatte. Naumann war befreundet mit Ernst Stadler,
dessen Kollege er in Strassburg war, sowie mit Ernst
Bertram, dessen Positionen er weitgehend teilte. Thomas
Hans Naumann
Mann charakterisiert ihn als „Typus des sinnigen EdelNazi und betörten Germanisten" bzw. als einen der „unglücklichen Intellektuellen", die „die schmutzige Travestie ihres Traumes von hohem und reinem
Deutschtum verwechseln mit diesem ihren Traum."2
Naumann bezeichnete sich nach
1945 als einzigen deutschen Professor,
der sich seinerzeit öffentlich gegen den
Entzug der Ehrendoktorwürde Thomas
Manns geäussert habe. 1937 erteilt ihm
das Wissenschaftsministerium auf Grund
von Kritiken in NS-Zeitschriften und auf
Betreiben der Gestapo eine „Missbilligung". Zugleich werden Neuauflagen alter
Standardwerke von Naumann verboten
bzw. beschlagnahmt. Naumanns venia legendi wird eingeschränkt. Die Freundschaft mit dem SD-Angehörigen Obenauer (s. Kap.2. 85) bewahrt ihn vor
Schlimmerem. Im >Kriegseinsatz der Germanistik< kann er 1940 unbehelligt mitmachen. Auch sein Bekenntnis zum „Führer" ist ungebrochen.
Schon 1937, als seine Schwierigkeiten einsetzten, hatte Naumann eine
sonst rein germanenkundlich orientierte Rede zum Geburtstag des Führers gehalten.
1 Naumanns Feuerrede gehört zu den wenigen, die nicht nur in Zeitungen referiert, sondern auch gedruckt wurden.
2 Thomas Mann, Leiden an Deutschland. Zit.n. Hübinger 1974, S. 270f
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2.2
Die Entlassungen 1933 und 1935
2.21 Das „Gesetz zur
Wiederherstellung
des Berufsbeamtentums" vom 7.April
1933 war eine der ersten juristischen Maßnahmen der Regierung Hitler/von Papen
gegen 'rassische' und
politische Gegner im
Staatsdienst. Zusammen mit dem Boykott
jüdischer Geschäfte
am 1. April 1933, dem
sogenannten „Schriftleitergesetz" vom Oktober 1933 (nach dem
nur Arier als Redakteure bei Zeitungen
tätig sein durften),
den entsprechenden
Ausbildungsanordnungen für Juristen
und Apotheker (Sommer und Winter 1934)
und dem Verbot der
Habilitation für Nichtarier (ebenfalls Ende
1934) markiert das
Gesetz vom 7.4. 1933
die erste Phase der
staatlichen
Verfolgung jüdischer Mitbürger. Das Ziel war,
Juden und politische
Gegner aus allen gesellschaftlich relevanten Positionen zu verbannen.
Im Zuge der
Durchführung
des
Gesetzes wurden im
Frühjahr und Sommer
1933 jüdische und politisch unliebsame Lehrer an Schulen und Hochschulen
zwangsweise beurlaubt bzw. sofort entlassen. Eine auf Drängen des Reichspräsidenten Hindenburg eingefügte Ausnahmebestimmung (siehe § 3 Abs.2)
ermöglichte bestimmten Beamten den Verbleib im Staatsdienst. Wer unter diese Ausnahmeregelung fiel, dessen „Beurlaubung" wurde in der Regel Ende
1933 oder im Laufe des Jahres 1934 aufgehoben. Die sogenannten 'Nürnberger Gesetze' des Herbstes 1935 läuteten die zweite Phase des institutionalisierten Antisemitismus ein. Das „Reichsbürgergesetz" erklärte Nichtarier zu
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Staatsbürgern minderen Rechts. Jetzt wurden auch jene jüdischen Beamten
entlassen, die 1933 noch verschont geblieben waren. Spätestens seit dem
Herbst 1936 gehörten dem Lehrkörper deutscher Universitäten und Hochschulen nur noch einzelne 'Nichtarier' an, die aus persönlichen oder politischen
Gründen und nur aufgrund individueller Ausnahmegenehmigungen höchster
Stellen im Amt verbleiben durften.
Nicht vergessen werden
sollte jedoch, dass die
Diskriminierung jüdischer
Wissenschaftler an deutschen Universitäten weit
vor das Jahr 1933 zurückreicht. Nur wenige Juden
hatten es im Kaiserreich
und in der Weimarer Republik geschafft, an der
Universität Karriere zu
machen. Dass an der
Universität Tübingen praktisch kein Professor vom
Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums betroffen wurde, lag
schlicht daran, dass man
in Tübingen schon zu
Weimarer Zeiten darauf
geachtet hatte, keine Juden zu berufen. Und über
die politische und geistige
Lage an der Universität
Berlin stand in der „Weltbühne" schon 1920 zu
lesen:
„Der Geist der Universität
Berlin ist eine
Die Vernichtung der beruflichen Existenz jüdischer und
anderer vom NS-Regime verfolgter Menschen erfolgte im Schande für das Reich.
Lichte der Öffentlichkeit. Diese Collage aus Überschriften Rassenhass, Klassender D.A.Z. zeigt, dass über die Beurlaubungen von Hochschullehrern – Vorstufe der Zwangsemeritierung bzw. hass, chauvinistischer
Entlassung – in den Tageszeitungen ausführlich und an Hurrapatriotismus, Antipromi-nenter Stelle berichtet wurde.
semitismus, Anrempelung kultiviertester Professoren wie Nicolai und die Existenz eines Roethe,
der eine Vorlesung beginnen darf mit den Worten: 'Wir, die wir regiert werden von Juden und Proleten...': das alles sieht die Regierung mit ohnmächtiger Toleranz an."1
1 Cläre Meyer-Lugau, "Kultusministerium", Die Weltbühne 16;35, 26.8. 1920, S. 228-232, 229
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22
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2.22 Max Herrmann (*14.5.1865) ist einer der von diesem Gesetz Betroffenen.
Er studierte in Berlin und Freiburg im Breisgau von 1884-1889 Germanistik und
Geschichte und promovierte über den Humanisten Albrecht v. Eyb, dessen
Schriften er später herausgab. Auch seine Habilitation (1891) und spätere Veröffentlichungen befassten sich mit dem Humanismus und der Reformationszeit.
Weitere Schwerpunkte seiner wissenschaftlichen Arbeit waren die Geschichte
der Pädagogik (Herausgabe der Monumenta Germania Paedagogica) und das
Theater („Forschungen zur deutschen Theatergeschichte des Mittelalters und
der Renaissance", 1914). In der von Erich Schmidt besorgten Jubiläumsausgabe der Werke Goethes übernahm Herrmann den 16. Band. Der sozialdemokratische Kultusminister Haenisch berief ihn im April 1919 zum außerordentlichen Professor für Literaturgeschichte an die Berliner Universität mit der
zusätzlichen Verpflichtung, das Fach Theatergeschichte zu vertreten. Die
Gründung des theaterwissenschaftlichen Instituts an der Universität ist sein
Verdienst. Trotzdem wurde er erst 1930 – wenige Monate vor seinem 65. Geburtstag – zum ordentlichen Professor ernannt.
Der Germanist Hans Mayer in seinen Erinnerungen an die Studienzeit
bei Max Herrmann:
„Er war ausserordentlicher Professor geblieben, aus doppeltem
Grund: als Jude, und weil man
die Theaterwissenschaft nicht
ernst nahm. [...] Der Professor
wirkte freundlich, doch bedrückt.
Da hatte einer viel Demütigendes erfahren müssen, ehe er
hier stehen durfte." 1
Mitte September 1933 wurde
Herrmann als 'Nichtarier' in den
Ruhestand versetzt. 1934 musste er den Vorsitz der >Gesellschaft für Theatergeschichte<
abgeben (Nachfolger: Wolfgang
Goetz). In einem vom Reichserziehungsministerium 1938 angeforderten Bericht über die
wissenschaftlichen Leistungen
Herrmanns äußerte sein früherer
Schüler und Kollege, der Berliner
Germanistikprofessor Julius Petersen:
„[Als Student nahm ich Teil an]
den von Herrmann geleiteten literarhistorischen Übungen, deren Methode dem Anfänger mit grossem pädagogischen Geschick entgegenkam. Max Herrmann unterschied sich darin von den beiden anderen jüdischen
Kollegen Ludwig Geiger und Richard M. Meyer, die uns durch ihre Oberflächlichkeit abstiessen, dass in seiner strengen Sachlichkeit der jüdische Geist
1 Hans Mayer, Ein Deutscher auf Widerruf. Erinnerungen. Frankfurt 1982, 78f
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23
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wenig in Erscheinung trat."1
Max Herrmann starb im November 1942 im KZ Theresienstadt. Seine Frau, die
Literaturwissenschaftlerin Helene Herrmann, wurde 1944 in Auschwitz ermordet. Als Nachfolger Herrmanns war zunächst der Göttinger Privatdozent Gerhard Fricke vorgesehen, der kurz darauf jedoch einen Ruf als ordentlicher Professor nach Kiel erhielt.2 Schliesslich kam der gebürtige Österreicher Franz
Koch (s.Kap.2.31) auf diese zum zweiten Berliner Lehrstuhl erhobene Stelle für
Literaturgeschichte.
2.23 Der Sprachwissenschaftler Ernst Lewy (*19.9.1881)
studierte Literaturgeschichte, Indogermanistik und Allgemeine Sprachwissenschaft in Breslau, München,
Leipzig und Berlin, wo er sich 1910 mit seiner Arbeit "Der
heutige Stand der finnisch-ugrischen Sprachforschung"
habilitierte. Während des Ersten Weltkrieges führte er
sprachwissenschaftliche Forschungen an Häftlingen in
Kriegsgefangenlagern durch.3 Seit 1922 Lehrbeauftragter an der Universität Berlin, wurde er 1925 zum nichtbeamteten außerordentlichen Professor für Allgemeine und
Finnisch-ugrische Sprachwissenschaft und 1931 zum
beamteten außerordentlichen Professor ernannt. Noch
nach dem 'Preussenschlag' zum Mitdirektor des Indogermanischen Seminars ernannt (Dez.1932), wurde LeErnst Lewy
wy aufgrund seines jüdischen Glaubensbekenntnisses
4
im Mai 1933 mit sofortiger Wirkung beurlaubt. Im Herbst 1933 ging Lewy auf
Forschungsreise nach Spanien und kehrte erst zwei Jahre später nach
Deutschland zurück. Im Vorgriff auf die Durchführungsbestimmungen zu den
Nürnberger Gesetzen musste auch Lewy erneut Rechenschaft über seine Vorfahren ablegen. Dieser Auskunftspflicht entledigte sich der Sprachwissenschaftler mit den ironisch-trotzigen und damals schon sehr mutigen Worten:
„Ich habe keinerlei Grund zu bezweifeln, dass meine sämtlichen vier
Grosseltern, als Juden, der jüdischen Religionsgemeinschaft angehört haben.5
Mit Schreiben vom 24. Dezember 1935 wurde Lewy „auf Grund des § 3 des
Reichsbürgergesetzes in Verbindung mit § 4 der 1.Verordnung dazu vom 14.
November 1935 – RGBl. I.S.1333 – mit Ablauf des 31. Dezember 1935 in den
Ruhestand" versetzt.6 Pläne Lewys, nach Palästina auszuwandern, verwirklichten sich nicht. 1937 schließlich emigrierte er mit seiner Familie auf die britischen Inseln. Das Kriegsende erlebte Lewy in Éire, wo er ab 1947 am University College, Dublin, eine Professur innehatte. Eine Anfrage der Universität Berlin
aus dem Jahre 1946, ob er bereit sei, seine Professur für Allgemeine Sprachwissenschaft wieder auszuüben, beantwortete Lewy wie folgt:
„Ohne Sie mit Auseinandersetzungen belästigen zu wollen, muss ich
sagen, dass durch Ihr gutes Wort das moralische Gleichgewicht, so1 Julius Petersen, Dir. des Germ. Seminars u. d. theaterwiss. Inst. der Univ. Berlin, Bericht über Herrmann
an Univ.-kurator, dat. Murnau i.Obb. 31.8.38 - UA HUB - UK H 258, Bd. III, Bl. 32-34
2 Cf. Preuss. Wissenschaftsminister an Fricke, 11.9.34, 8.11.34 - UA HUB - UK F 142, Bl. 1, 4
3 Cf. Personalbogen Lewy - UA HUB - UK L 140 Bd. I, Bl. 52r, 53
4 Cf. Kommissar des Reiches an Verwaltungsdirektor, 9.12.32; Preuss. Wissenschaftsministerium an
Universitätskasse, 17.5.33 - UA HUB - UK L 140 Bd. I, Bl. 68, 71
5 Ernst Lewy an Verwaltungsdirektor, 27.10.35 - UA HUB - UK L 140 Bd. I, Bl. 83r
6 Verwaltungsdirektor an Ernst Lewy, 24.12.35 - UA HUB - UK L 140 Bd. I, Bl. 93
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lerchenmüller / simon: im vorfeld...
weit es mich betrifft, hergestellt ist; und dass ich wünsche, dass die
Schwierigkeiten der heutigen Menschheit, der lang gewachsenen
Umstände auf diese Weise beseitigt würden."1
Aus familiären und beruflichen Gründen kehrte Lewy nicht nach Berlin zurück.
Daraufhin versuchte die Universität, ihn wenigstens für ein Semester an seine
alte Wirkungsstätte zu holen – ein Versuch, dem allerdings die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (vertreten durch die Deutsche Verwaltung für
Volksbildung in der Sowjetischen Besatzungszone) einen Riegel vorschob:
nachdem sie einen Bericht über Lewy „in wissenschaftlicher und politischer
Hinsicht" eingeholt hatte, wurde dem Rektor mitgeteilt, „[...] dass die Berufung
von Prof. Dr. phil. Ernst Lewy zu Gastvorlesungen über allgemeine Sprachwissenschaft an die hiesige Universität abgelehnt wurde."2 Lewy starb, mit 85 Jahren, im September 1966 in Dublin.
2.24 Von den in der Emigration lebenden Schriftstellern werden in Deutschland
Listen angefertigt. Auf der Liste von 1936 erscheinen Erika, Heinrich, Klaus und
Thomas Mann noch vor der Ausbürgerung des Letzteren erstmals vereint als
„berüchtigte Schriftstellerfamilie, die […] fortgesetzt gegen Deutschland hetzt."
2.25 Thomas Mann wurde, obwohl er die Tür noch lange aufzuhalten versuchte, früh das vermutlich berühmteste Opfer der Zensur:
1933 Bücherverbrennung
1933 „Rauswurf" aus der Preussischen Akademie der Dichtung
1936 Ausbürgerung
1936 Entzug der Ehrendoktorwürde der Universität Bonn
1 Lewy, Irland, an Rektor Franz Stroux, 5.11.46 - UA HUB - UK L 140 Bd. III Bl. 10
2 Cf. Deutsche Verwaltung für Volksbildung an Rektor Franz Stroux, 28.1.48, 28.9.48 - UA HUB - UK L
140 Bd. III, Bl. 23, 29
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25
Die Unterschrift unter der Benachrichtigung des Entzugs der Ehrendoktorwürde stammte vom Germanisten Obenauer, von dem noch die Rede sein wird (s.
Kap. 2.85).
Die „freiwilligen" Austritte von Thomas Mann,
Alfred Döblin, Ricarda Huch und etlichen anderen
Schriftstellern aus der Abteilung für Dichtung der
Preussischen Akademie der Künste erfolgten unter
der kommissarischen Leitung von Gottfried Benn. Die
Austritte waren die 'Antwort' auf die von Benn im
März 1933 allen Mitgliedern in Form einer von ihm
verfassten Erklärung gestellten Frage:
„Sind Sie bereit, unter Anerkennung der veränderten geschichtlichen Lage weiter Ihre Person der
Preussischen Akademie der Künste zur Verfügung
zu stellen? Eine Bejahung dieser Frage schliesst
die öffentliche politische Betätigung gegen die Regierung aus und verpflichtet Sie zu einer loyalen
Mitarbeit an den satzungsgemäss der Akademie
zufallenden nationalen kulturellen Aufgaben im
Sinne der veränderten geschichtlichen Lage."1
"Wenn ich nicht ein so grosser Geist
wäre, würde ich versuchen mich zu
schämen."
(Thomas Mann, 1936)
2.26 Hübingers Buch zeichnet nicht nur eine wichtige Entwicklungslinie in der Biographie Thomas Manns nach, sondern liefert (ebenso
wie die Monographie von Uwe Adam über die Tübinger Universität)
eine vorbildliche und in vielem repräsentative Studie zu einer deutschen Universität im 3. Reich.
2.3
Die Nachrücker
2.31 Franz Koch (*21.3.1888) wurde 1935 als Nachfolger von Max
Herrmann (s.Kap.2.22) zum ordentlichen Professor für Literaturgeschichte an der Universität Berlin ernannt. Er hatte zuvor an der
Universität Wien Karriere gemacht. Koch stand 1933 überhaupt
nicht auf der Vorschlagsliste der Fakultät: Ernst Beutler, Gerhard
Fricke und Richard Alewyn sind dort genannt. Immerhin war er von
der Kommission diskutiert worden. Koch bekam die Stelle, da der
ursprünglich berufene Fricke (der zu jener Zeit in Berlin gerade
Julius Petersen – vertrat) schon 1935 nach Kiel ging.
Die wissenschaftlichen Leistungen Kochs beurteilte der Germanist Hans-Friedrich Rosenfeld in einer Stellungnahme:
Franz Koch
1 Zit. nach Kesten 1973, S. 30
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„[...] sein Buch über Goethes Stellung zu Tod und Unsterblichkeit gehört wohl zu
dem besten, was das Jubiläumsjahr hervorgebracht hat. Treten bei ihm die älteren literarischen Perioden zurück, so kann es im Sinne der neuerdings immer wieder erhobenen Forderung der Berücksichtigung der Gegenwartsliteratur als ein Plus gelten, dass er durch Arbeiten über Kolbenheyer und R.M. Rilke enge Beziehungen zur
modernen Dichtung gezeigt hat."1
Goethe, Kolbenheyer und die neuere Literaturgeschichte waren
auch in der Folge die Schwerpunkte der wissenschaftlichen
Produktion Kochs – eine Produktion, die bestimmt war durch
die Abkehr vom 'abstrakt Geistigen', vom 'bürgerlich-liberalen
Zeitalter' hin zum 'Blutbedingten', zu einer bestimmten Phase
der Romantik, wie sie – so Koch 1937:
„[...] Alfred Baeumler uns sehen gelehrt hat, als Aufbruch
tellurischer Kräfte, als Gefühl für Dasein und Wert der
Vergangenheit, als Ahnenverehrung und Ahnendienst,
der den Menschen eingliedert in den Kreis der Geburten,
in Überlieferungen des Bluts und der Sitte, Vorklänge, die
sich in Moeller van den Bruck, in Alfred Rosenbergs 'Mythus des 20. Jahrhunderts' zu Glauben und Lehre verdichten."2
Kochs politisch-wissenschaftliches Credo ist in seinem Vorwort
zum ersten Band der Reihe „Von deutscher Art in Sprache und Dichtung" (1941) überliefert, das erste Produkt des >Kriegseinsatzes der Germanistik< (s.Kap.4.2). Es gelte, so
Koch,
[durch neue] „Fragestellungen und Themen das artgemässe Deutsche aus den inneren Formgesetzen deutscher Dichtungsgattungen" [zu erschliessen], "[...] um endlich
aus allen Spannungen, aus der unendlichen geschichtlichen Fülle noch einmal die
tatsächliche Einheit der deutschen Dichtung als Beweis für die Einheit des Wesens,
der rassischen Substanz, aufzubauen. So will die vom Ethos des Nationalsozialismus getragene Forschung wissenschaftlich gesicherte Tatsachen gefühls- und erlebnisnahe auch ausserwissenschaftlichen Kreisen zugänglich machen [...]."3
Koch wurde 1949 von der Entnazifizierungskommission Berlin „rehabilitiert"4 und lebte seit
1952 bis zu seinem Tode 1969 in Tübingen, einer Anregung seines ehemaligen Berliner
Kollegen Gamillscheg folgend.5 Einen Ruf an eine Universität erhielt Koch jedoch nicht
mehr. 1960 wurde Koch an der Universität Tübingen emeritiert, gegen den anfänglichen
Widerstand vor allem von Mitgliedern des Deutschen Seminars, die erst einlenkten, als
Koch schriftlich versprochen hatte, „im Falle einer Emeritierung von den Rechten des
Emeritus keinen Gebrauch" zu machen.6 Die Emeritierungsurkunde wurde vom damaligen
Ministerpräsidenten Baden-Württembergs, Kurt Georg Kiesinger, unterzeichnet. Sein Vorgänger im Amte, Gebhard Müller, hatte sich 1958 geweigert, seine Unterschrift zu leisten,
da er Koch für „politisch untragbar" hielt.7
1
2
3
4
5
6
7
Hans-Friedrich Rosenfeld an Dekan Hartung, 25.7.33 – UA HUB – Phil.Fak. 1477, Bl. 336f
So Koch in der Zeitschrift für Deutschkunde 1937, S. 101f, zit. nach Lämmert 1971, S. 71-109, 101f
Koch, Vorwort, in: Koch 1941, S. V-IX
Cf. Magistrat von Gross-Berlin, Rehabilitierungsbescheinigung, 28.12.49 (UA Tü – 131/317 PA Koch)
Cf. Prof. von Wißmann an Rektor Bachof, 2.12.60 – UA Tü – 126a/261 PA Koch
Koch an Dekan Eschenburg, 17.12.57 – UA Tü – 131/317 PA Koch
So Koch in einem Schreiben an Rektor Vogt, 15.2.59 – UA Tü – 126a/261 PA Koch
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27
2.32 Die große Zahl der Entlassungen
bzw. Versetzungen in den Ruhestand der
Jahre 1933 bis 1935/36 führte zu einem
'Wiederbesetzungsstau' an den Universitäten, da weder die Ministerien noch die
Universitäten personell und strukturell in
der Lage waren, so viele Berufungsverfahren parallel durchzuführen. Allein an
der Universität Berlin waren es mindestens
230 Professoren und wissenschaftliche
Mitarbeiter1, die aus dem Amt gehebelt
wurden. (In anderen Universitäten, etwa in
Tübingen, hatte man jedoch schon vor
1933 dafür gesorgt, dass die Professorenschaft „judenfrei" war.) Als Konsequenz
stellte das Wissenschaftsministerium den
Universitäten Mitte 1935 ein Ultimatum: innerhalb von 17 Tagen (!) müssten Vorschläge eingereicht werden, sonst werde
davon ausgegangen, „dass Fakultät (Abteilung), bezw. Hochschule ausdrücklich
darauf verzichtet, bei der Berufung mitzuwirken." 2
2.4
Konjunkturritter
Wendehälse durchziehen die gesamte Geschichte der
Germanistik. Insbesondere Nichtordinarien erwiesen
sich stets als besonders anfällig für konjunkturelle Maskenwechsel. Häufig verpackten sie 1933 herkömmliche
Inhalte nur in eine nationalsozialistische Verkleidung.
Die Altnazis unter den Kollegen reagierten manchmal
sehr heftig auf solche Veröffentlichungen. Einer der wenigen, die sich etablieren konnten, war Hennig Brinkmann. Möglicherweise war ihm aber bekannt, dass das
Wissenschaftsministerium in der Universität Frankfurt,
an die er kam, die problematischen Wissenschaftler zusammenfassen wollte, um die Universität in einem später nicht vollzogenen Schritt insgesamt aufzulösen. Im
Zweiten Weltkrieg nahm Brinkmann jedenfalls das Angebot an, nach Istanbul zu gehen. Dort wurde er auf die
Emigranten angesetzt.
1 s. Schottlaender 1988, S. 9
2 Cf. REM (gez. Bachér) an Rektor der Universität Berlin, 18.6.35 – WIa Nr.1453/35 – UA HUB – Phil.Fak. 1480, Bl.220
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Die Festschrift, die Hennig Brinkmann von Kollegen und
Schülern erhielt, nimmt einen Buchtitel dieses sehr produktiven Sprachwissenschaftlers und Altgermanisten auf.
Der Untertitel „Hennig Brinkmann in der Diskussion“ ist
natürlich nicht so zu verstehen, dass hier seine Vergangenheit im 3.Reich diskutiert worden wäre. Im Gegenteil.
2.5
Schutz- und Trutzburg des deutschen Geistes?
Die Universität Königsberg
Die Universität Königsberg stand schon vor 1933 in der Beliebtheitsskala der Dozenten
und Studenten an letzter Stelle. „Wer nicht unbedingt musste, studierte nicht in Königsberg" (Helmut Heiber). Schon vor 1933 gab es daher für Lehrende und Lernende finanzielle Anreize, die dem entgegenwirken sollten. Rusts Wissenschaftsministerium sorgte
überdies dafür, dass potentielle Regimegegner – dazu zählten auch Katholiken – gegen
Regimetreue ausgetauscht wurden. So mussten auch die Germanisten Gottfried Weber
und Paul Hankamer gehen. Die Universität Königsberg wurde 1944 zerstört.
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2.6
29
Agenturen der Literaturpolitik
In den Agenturen der Literaturpolitik saßen nicht nur Schriftsteller, sondern gerade auch
Germanisten. Die wichtigsten Agenturen waren:
• die Reichsschrifttumskammer und andere von Goebbels dominierte staatliche
Schrifttumsstellen
• das Amt Rosenberg und dessen parteiamtliche Satellitenstellen
Daneben gab es noch eine Reihe weniger bedeutender Agenturen wie die Parteiamtliche
Prüfungskommission (PPK). (Auf die SS-Agenturen wird in 2.8 eingegangen.)
2.61 Die Reichsschrifttumskammer (RSK) und andere von Goebbels dominierte staatliche Schrifttumsstellen
Die RSK ist eine von 7 Kammern in der Reichskulturkammer (RKK), die Goebbels 1934
ins Leben rief, um den für die Ideologievermittlung bedeutenden Kulturbereich besser in
den Griff zu bekommen. Wer sich in diesem Bereich betätigen wollte, musste Mitglied in
einer dieser Kammern sein. Goebbels wünschte sich – nicht immer zu seiner Zufriedenheit – als Präsidenten zunächst bekannte und beliebte Aktive in der jeweiligen Sparte unabhängig von ihrer Überzeugung, wenn sie nicht gerade Regimegegner oder Juden waren. 1935 tauschte er diese gegen überzeugte Nationalsozialisten aus, wenn sie es nicht
schon vorher waren. Bis 1936 hatte die RSK auch noch Spielräume gegenüber dem Propagandaministerium (Promi). Dann zog das Promi die Zügel immer mehr an. Hier einige
Graphiken, die helfen sollen, die RSK im Machtgefüge des 3. Reichs zu lokalisieren:
2.611 Organisationsstruktur des Reichspropagandaministeriums (1936)
Den wichtigsten Abteilungen des Propagandaministeriums werden in Hinblick auf die Kulturschaffenden 1934 per Gesetz sogenannte „Kammern" zugeordnet. Den Kammern wurden wiederum die Fachschaften zugeordnet, in denen sich die Kulturschaffenden größtenteils schon lange zuvor organisiert hatten. Personalunionen sollten potentielle Reibungen
zwischen diesen Verdoppelungen, bzw. Verdreifachungen vermindern.
In Goebbels Propaganda-Reich gab es relativ wenige Germanisten, vor allem nicht in
Führungspositionen. (Von der Ausnahme Arthur Hübner wird noch in 2.62 die Rede sein.)
Bei einem promovierten Germanisten, den Goebbels in manchem auch deutlich genug
verriet, auf den ersten Blick erstaunlich. Der Umstand freilich, dass Goebbels zumindest
nicht verhinderte, dass auch die Bücher seines jüdischen Lehrers Friedrich Gundolf der
Bücherverbrennung von 1933 zum Opfer fielen, deutet bereits sein gebrochenes Verhältnis zu seiner akademischen Vergangenheit an. Offenkundig hielt er auch sonst nicht viel
von der „Zunft" – wie die Germanistik und andere Wissenschaften in Parteikreisen verächtlich genannt wurde. Die Ausnahmen sind umso mehr ein Grund zum Aufmerken.
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2.612 Organisationsstruktur der Reichskulturkammer (Stand 1934)
Hier außer den einzelnen Kammern die der Reichsschrifttumskammer zugeordneten
Fachschaften, die zum Teil noch heute existieren.
2.613 Organisationsstruktur der Reichsschrifttumskammer (Stand 1935/36)
Die RSK kontrollierte die staatliche Schrifttumspolitik von der Herstellung bis zum Käufer.
1935 erfüllen der Leiter der RSK Hans-Friedrich Blunck und der für Sprache und Schrift
zuständige Abteilungsleiter im Innenministerium Rudolf Buttmann dem Deutschen
Sprachverein (DSV) zu dessen 50jährigen Bestehen einen Traum, den dieser schon bei
seiner Gründung hatte: ein Sprachamt, zwar mit gestutzten Flügeln – deswegen auch bescheidener >Sprachpflegeamt< genannt –, aber mehr als die Vereinsmitglieder noch kurz
zuvor zu hoffen wagten. Designierter Leiter war Arthur Hübner, die große Hoffnung der
Germanistik in den 30er Jahren. Hübner war Schüler von Roethe, der – wie die gesamte
Berliner Germanistik – ein Gegner des DSV war und wesentlichen Anteil daran hatte, dass
der DSV-Traum vom Sprachamt nicht früher in Erfüllung ging; an sich also eine schlechte
Voraussetzung für diesen Posten. Hübner gelang aber ein Kunststück, das im Wissenschaftsbereich seinesgleichen sucht.
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Dabei halfen Hübner auch Komponenten, die nicht in seiner Gewalt lagen: Gegner des
Sprachvereins, dieser größten germanistischen Organisation (bis in unsere Tage; 1930
zählte sie fast 50000 Mitglieder), war nämlich auch Goebbels. Außerdem war Hübner
Hauptlektor in Rosenbergs Amt für Schrifttumspflege. [s. Kap. 2.622] Rosenberg hatte
nach der Machtergreifung einen allerdings kläglich gescheiterten Versuch gemacht, den
Sprachverein gleichzuschalten. Den Sprachverein hatte Hübner durch einen in der Vereinszeitschrift >Muttersprache< abgedruckten Artikel („Die Einigung der deutschen Sprache") für sich im Sturm gewonnen. In diesem Artikel findet man Verbeugungen nicht nur
vor wichtigen Positionen des Sprachvereins, sondern auch vor Hitler und Goebbels.
Dann geschah etwas für alle Beteiligten Unvorhergesehenes: Hübner starb 51jährig – wie
sich der Arzt ausdrückte – „an Erschöpfung". Das Sprachpflegeamt hat nie einen Leiter
gehabt. Goebbels wollte alsbald nichts mehr mit ihm zu tun haben. Er wirft es schlicht und
einfach aus der RSK hinaus. Er lässt es vor sich hinvegetieren und greift nach Ausbruch
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32
des Zweiten Weltkriegs den Plan des sudetendeutschen Germanisten Erich Gierach auf,
in der halbamtlichen, von Goebbels selbst dominierten >Deutschen Akademie< ein Sprachamt wesentlich größeren Ausmaßes und mit weit umfassenderen Aufgaben zu errichten. (s. Kap. 2.617)
2.614 Finanzielle Engpässe und unverhofftes Glück
Die RSK kontrollierte die staatliche Schrifttumspolitik – wie erwähnt – von der Herstellung
bis zum Käufer. Eine eigene Abteilung befasste sich dabei mit den Literaturpreisen. Solange es staatliche Einrichtungen gibt, gibt es auch deren Gejammer über Geldmangel
und finanzielle Engpässe. Manchmal fällt ihnen aber auch unverhoffter Geldsegen in den
Schoss. Über ein solches Glück durfte sich Goebbels bald nach Gründung der Reichskulturkammer freuen. Dank einer generösen Spende des amerikanischen Auslandsdeutschen Ernst Toepfer war Goebbels in der Lage, alljährlich mehrere gutdotierte Preise auszuschütten. Die Spende wurde vom Präsidenten der RKK, Hans Friedrich Blunck vermittelt und von Toepfers in Hamburg lebendem Bruder auf insgesamt 1,4 Millionen Reichsmark aufgestockt. Die Folge war, dass Goebbels eine wahre Inflation von Preisen ausschütten konnte. Manche heute vergessenen Schriftsteller wurden dabei so häufig preisgekrönt, dass sie allein davon hätten gut leben können. Im Kuratorium, das über die
Preisvergabe zu entscheiden hat, saßen neben einem Schriftsteller und einem Vertreter
der RSK zumeist auch ein Germanist. Auf Grund der Spende wurden zwei Stiftungen gegründet. Die >Johann Wolfgang von Goethe Stiftung< vergab dabei „zur Stärkung der
grenz- und auslandsdeutschen Arbeit" vor allem folgende Preise:
Die Toepfer-Stiftungen
Name der
Preise
Joh. Gottfr.
v. Herder
Joseph v.
Eichendorff
Mozart
Erwin von
Steinbach
Josef von
Görres
Höhe
Zweck (Bereich)
Preisträger
1936
5000 RM Ostpreussen, Danzig, Polen, Agnes Miegel
Russland
5000 RM Tschechoslowakei
Gustav Leutelt
10000 RM Österreich, deutschsprachige
Gebiete Südosteuropas
10000 RM alemannisches Sprachgebiet,
inklusive Schweiz und Elsass
5000 RM Belgien, Luxemburg, Lothringen, linksrheinische Reichsgebiete
im Kuratorium
Walther Ziesemer
Herbert Cysarz
Josef Weinhe- Josef Nadler
ber
Emil Strauss
Georg Schmückle, Bruno
Bauch
Louis Pinck
Hans Naumann, Hermann
Pongs, Ernst Bertram
Daneben wurden aus der Toepfer-Stiftung die sog. Hansischen Preise finanziert:
Preis
Shakespeare
Rembrandt
Hendrik von
Steffens
Höhe
Zweck (Bereich)
10000 RM England
10000 RM niederdeutsches
Sprachgebiet, Holland, Flandern
10000 RM Nordische Länder
Preisträger
(nicht verteilt)
Stijn Streuvels, Curiel
Vershaeve, René de
Clercq
(nicht verteilt)
im Kuratorium
Hans Grimm
Conrad Borchling
Conrad Borchling
In Turbulenzen gerät dieses umfassende Preisverleihungssystem infolge einer einjährigen
Inhaftierung von Alfred Toepfer wegen Devisenvergehens. Die Toepfer-Stiftungen geraten
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in den Einflussbereich der >Volksdeutschen Mittelstelle< und damit Himmlers, was nicht
verhinderte, dass sie nach 1945, wenn auch mit Volldampf erst wieder in den 60er Jahren
von Alfred Toepfer wiederbelebt wurden.
Hans Friedrich
Blunck
2.615 Hans Friedrich Blunck, in der W eimarer Republik Syndicus
der Hamburger Universität, ist einer jener konservativen Schriftsteller, die sich – obwohl (noch) nicht in der Partei – gern vor
Goebbels Karren spannen liessen. 1935 wird er durch den Altnazi
Hanns Johst abgelöst; hinfort ist er – obwohl erst 47 – Alterspräsident der RSK. Ausgelöst wurde sein Abgang durch einen Protest
der Gestapo ausgerechnet gegen sein Statement in der Judenfrage: Bluncks Rassismus war für die Gestapo zu sanft geraten.
2.616 Eine Preisträgerin: Die Hitler-Verehrerin Agnes Miegel wurde für den HerderPreis von dem Königsberger Dialektologen
Hans Blunck W alther Ziesemer vorgeschlagen.
Agnes Miegel
2.617 Die >Deutsche Akademie zur wissenschaftlichen Erforschung und Pflege des
Deutschtums< war eine 1925 von Honoratioren aus Politik, Militär, Wirtschaft und Wissenschaft von Anfang an mit Blick auf das Ausland gegründete halbamtliche Institution.
1932 gründet die >Deutsche Akademie< das >Goethe-Institut<, das ihrerseits überall auf
der Welt >Deutsche Institute< (heute >Goethe-Institute< genannt) einrichtet. Gründungsmitglied, Senator und Leiter der wissenschaftlichen Abteilung war Erich Gierach.
Erich Gierach (*23.11.1881) wuchs in Reichenberg im Sudetenland in alldeutscher Umgebung auf.1 Wie Hitler prägte ihn das Gedankengut Georg von Schönerers. Dabei steht seine sudetendeutsche Heimat im Mittelpunkt nicht nur seiner politischen, sondern
auch seiner wissenschaftlichen Aktivitäten. In einer Laudatio zu
seinem 60. Geburtstag heißt es:
„Der wissenschaftliche Nachweis der uralten Rechte im Sudetenland und der gewaltigen deutschen Kulturleistungen, die volksweite Verbreitung der Kenntnis davon waren notwendige Voraussetzungen, um eine gesunde Volkstumsbewegung wieder erstehen zu lassen. Antrieb und Aufbau dazu gingen als einzigartiges
Verdienst von Professor Gierach aus."
Erich Gierach
Gierachs wichtigste akademische Lehrer war Carl von Kraus, der
ihn als seinen Nachfolger 1936 nach München holte. Gierach erweckte die 1904 gegrün1 Zu Gierach s. Simon 1997b – Mit besonderen Gewinn konnten wir auf die unveröffentlichte Magisterarbeit von Volker
Lang ("Erich Gierachs Veröffentlichungen zum germanisch-slawischen Sprachkontakt als Mittel der Propaganda gegen die Erste Tschechoslowakische Republik 1918-1938." Mannheim 1996) zurückgreifen.
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dete >Deutsche Wissenschaftliche Gesellschaft< in Reichenberg – wie es in der oben genannten Laudatio heißt – „nach Ausscheidung der Juden" zu neuem Leben und errichtete
in deren Rahmen die >Anstalt für Sudetendeutsche Heimatforschung< (nach 1938 umbenannt in >Sudetendeutsche Anstalt für Landes- und Volksforschung<), die über 80 Veröffentlichungen herausbrachte.
Er schreibt den Sudetendeutschen einen >Katechismus<, der ihn früh auch in Germanisten-Kreisen bekannt macht. Zunächst Journalist und Professor an der Handelsakademie
in Reichenberg, erhält er den Altgermanistik-Lehrstuhl an der Deutschen Universität in
Prag. Dort gründet er im Rahmen der >Deutschen Gesellschaft der Wissenschaften und
Künste< 1922 die Kommission für Heimatforschung, die auf seinen Antrag hin 1928 „die
rassenkundliche Erforschung der deutschen Bevölkerung" beschließt.
Als Gustav Roethe stirbt und damit in Berlin der bestdotierte Altgermanistik-Lehrstuhl frei
wird, wird er 1926 in die engere Wahl für die Nachfolge gezogen. Nach langem Hin und
Her erhält Arthur Hübner, der erst später ins Gespräch gebracht wird, den Zuschlag. Als
Hübner 1937 plötzlich stirbt, kommt Gierach wieder auf die Liste. Da er 1936 aber gerade
in der zweitbestdotierten Universität in München den Altgermanistik-Lehrstuhl übernommen hatte, bestanden Zweifel an seinem echten Interesse an der Berliner Professur und
man entschied sich für Julius Schwietering.
Schon diese Umstände zeigen, dass Gierach zu den seinerzeit unter den Kollegen am
meisten geschätzten Altgermanisten gehörte. Er darf überdies neben Arthur Hübner, dessen Einfluss auf seine Funktion als Hauptlektor im Amt für Schrifttumspflege im Amt Rosenberg zurückzuführen ist, und erst recht nach dessen Tode als vermutlich der einflussreichste Altgermanist im 3. Reich angesehen werden. Zentral verdankt er seinen Einfluss
Goebbels, in zweiter Linie Walther Wüst, der stellvertretender Präsident der >Deutschen
Akademie< war, und dessen Einfluss in der SS.
1940 greift Goebbels Gierachs alten Plan zur Errichtung eines Sprachamts auf. Es soll
das Sprachpflegeamt verdrängen und wird dazu mit Mitteln ausgerüstet, von denen man
zuvor nicht einmal geträumt hat. Gierach will Geissler (s. Kap. 5.1) als Leiter dieses Amts.
Die Verhandlungen ziehen sich aber in die Länge. Schliesslich lehnt Geissler ab. Kurz
darauf stirbt Gierach. So blieb dieses Amt bis Kriegsende ohne Leitung und nicht nur infolgedessen in der Planung stecken. Ein anderer nicht weniger ehrgeiziger Plan Gierachs,
das >Handbuch zur Germanenkunde< (mindestens 15 Bände, zeitweise war von 50 Bänden die Rede), das er zunächst im >Ahnenerbe< der SS, dann in der von ihm geleiteten
>Wörterbuchkanzlei< der >Deutschen Akademie< ansiedeln wollte, kam ebenfalls nicht
über das Planungsstadium hinaus.
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2.62 Das >Amt Rosenberg< und seine Satelliten-Unternehmen1
2.621 Die Reichsstelle zur Förderung des deutschen Schrifttums2 Hans Hagemeyer,
Stadtrat in Nürnberg und Landesleiter im >Kampfbund für deutsche Kultur<, baute schon
1932 eine >Bücherberatungsstelle< auf. Unmittelbar nach der Machtergreifung griff Rosenberg die Idee auf.3 Hagemeyers ab 16.6.33 in Leipzig, später in Berlin operierende
>Reichsstelle zur Förderung des deutschen Schrifttums< wurde zunächst aber vom Propagandaministerium finanziert und fühlte sich darum auch zeitweise als dessen Subinstitution. Gründungsmitglieder waren neben Hagemeyer: Alfred Baeumler (Rosenbergs
Haus-Philosoph), Willi Körber (Reichsjugendführung), Erich oder Hellmuth Langenbucher
(Börsenverein)4, Rainer Schlösser (Reichsdramaturg) und Heinz Wismann (Propagandaministerium).
Das Vorlektorat leitete die Germanistin Elisabeth Waldmann,
eine Schülerin von Friedrich Panzer. Dem Führerrat der
>Reichsstelle< gehörten ausserdem Hans Friedrich Blunck,
Hanns Johst (beide RSK), Franz Lüdtke (Bund deutscher
Osten), Georg Usadel (Reichsministerium des Innern) und Kurt
Zierold (Wissenschaftsministerium) an. Zuständig fühlt sich die
>Reichsstelle< für die Lesebedürfnisse von 30 Millionen Mitgliedern der Partei und ihrer Gliederungen.5 Im April 1934
weist sie bereits 34 Mitarbeiter auf,6 im Februar 1936 finden
sich unter den Mitarbeitern allein 850 Lektoren.7 Über den
>Deutschen Materndienst<, der den grössten Teil der deutschen Zeitungen beliefert, vermittelt die >Reichsstelle< ihren
Lektoren auch Publikationsmöglichkeiten in Tageszeitungen.8
Erstes Ziel und Hauptergebnis ist das Verzeichnis >Die hundert ersten Bücher...<. Natürlich werden auch Listen negativ bewerteter Bücher angelegt,
aber zunächst nicht publiziert. Später kann jeder Buchhändler in der Zeitschrift >Die Bücherkunde< nachlesen, wie die >Reichsstelle< einzelne Elaborate einschätzte. – In dieser
Phase wird die >Reichsstelle< in 24 Sparten aktiv, darunter – wie Waldmann berichtet – in
„Literaturgeschichte; Schöngeistiges Schrifttum; Lyrik; Drama; Schrifttum der Grenzlande
und des Auslands; Philosophie; Erziehung und Jugend; Psychologie und Pädagogik …"9.
Sie lässt sich dabei von Kapazitäten beraten, in Germanistik von Friedrich Panzer, später
von Franz Koch, in Philosophie von Martin Heidegger, Nicolai Hartmann und Arnold Gehlen, später Hans Alfred Grunsky, die ihr ihrerseits zahlreiche Lektoren zuführen.10 Alsbald
werden Landesreferenten und Gaureferenten ernannt, z.B. Willi Flemming für Mecklenburg, Hans Naumann für das Rheinland und Heinz Kindermann für Danzig.11
Als 1934 Rosenberg, der – wie in Kapitel 1.41 erwähnt – eigentlich ein eigenes >Reichsministerium für Weltanschauung und Kultur< anstrebte,12 mit einem innerparteilichen
>Reichsüberwachungsamt< abgefunden wurde, das sich alsbald auch nicht mehr so nen1 Das ARo darf als relativ gut erforscht gelten: s. Weinrich 1946, 22-27 u.ä. – Billig 1963 – Rothfeder 1963 – Cecil 1972
– Wolzfeld 1964 – Baumgartner 1977 – Bollmus 1970 sowie ders. 1980, S.125-152 und ders. 1990, S.223-235 – vgl.
a. Losemann, in: Malettke, 9-52 – Ders. 1977 – Leske, 44-49 u. ö. – Klingemann 1997
2 Rothfeder 1981
3 Laut Rosenberg an Hitler 1.12.33, BA NS 8/175 Bl. 181
4 Die Quellen geben keinen Vornamen an. Die Gebrüder Langenbucher hatten beide mit dem Börsenverein zu tun.
5 Reichsstelle: 6. Rdschr. o.D. [Eingang 12.4.34], BA NS 12/77
6 ibid.
7 Payr: Dienstanweisung Nr. 2, 17.2.36, ibid.
8 Reichsstelle: 7. Rdschr. o.D. [Herbst.34], BA NS 12/77
9 Elisabeth Waldmann: Arbeitsbericht des Vorlektorats Jan. 1934, BA NS 8/153 Bl. 158-164
10 ibid.
11 Liste o.D. ibid. Bl. 139 bzw. Reichsstelle: Bekanntmachung o.D., BA NS 12/77
12 Erlass-Entwurf o.D. [vor 5.2.34], BA NS 8/175 Bl. 131-4
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nen durfte,1 gliederte er diesem Amt auch diese „halbamtliche"2 >Reichsstelle< an. Inoffiziell von Beginn an, offiziell ab September 1937 arbeitet die >Reichsstelle< auch mit der
Reichschrifttumskammer zusammen. Hauptlektor für mittelalterliche Literatur- und Geistesgeschichte war Arthur Hübner.
1 Die Bezeichnungen vor der Gründung >Amt für Weltanschauung und Kultur< [o.V.: "Gliederung und Aufgaben"
14.2.34, BA NS 8/175 Bl. 131-4] und >Zentralstelle für Weltanschauung und Kultur< [AV. o.V. (Urban) 8.3.34, BA NS
8/122 Bl. 106] wichen danach den Bezeichnungen >Dienststelle des Beauftragten des Führers für die gesamte geistige und weltanschauliche Erziehung der NSDAP< [so offiziell und zumeist] sowie >Amt zur Überwachung der geistigen
und weltanschaulichen Erziehung der nationalsozialistischen Bewegung< [o.V.: "Vorläufiges Programm…" o.D.
(1934), BA NS 8/37 Bl. 151-6 u.ö.], was dann zu der Abkürzung >Reichsüberwachungsamt< führte.
2 So Rosenberg selbst: DS Ro 16.5.38, BA NS 8/50 Bl. 49 u.ö.
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2.622 Ein Hauptlektor
Arthur Hübner ('17.9.1885) ist ab 1910 Roethes
wichtigster Mitarbeiter am >Deutschen Wörterbuch< der Brüder Grimm, dessen erste Lieferung
1852 erschien und das mit 32 Bänden 1960
abgeschlossen wurde. Hübners organisatorischer
Leistung war es zu verdanken, dass dieses erste
Großprojekt in der Geschichte der germanistischen
Linguistik nicht noch zwei Jahrzehnte mehr in
Anspruch nahm.
Bevor Hübner 1930 die Leitung des Grimmschen Wörterbuchs übernahm, hatte er bereits bei
einem anderen Großprojekt, dem >Atlas der deutArthur Hübner
schen Volkskunde<, Erfahrungen gesammelt. Am
4. Mai 1934 findet in Berlin die öffentlichkeitswirksamste Podiumsdiskussion in
der Geschichte der Germanistik statt. Als Schlussredner überzeugt Hübner
das Publikum und die Zeitungen davon, dass die Ura-Linda-Chronik, die
Himmler zur Bibel aller Germanen bestimmt hatte, eine Fälschung ist. Die Kritiker der Echtheitsthese orientierten sich hinfort an Rosenberg.
So auch Hübner, der – obwohl er nicht in der Partei war – Hauptlektor
in Rosenbergs Amt für Schrifttumspflege wurde. Eine Rolle im Hintergrund
dürfte dabei Anneliese Bretschneider [s. Kap. 2.624] gespielt haben. Noch
kurz vor seinem Tod stellt Hübner die Weichen für die Entstehung eines weiteren Großprojekts: das >Mittelhochdeutsche Wörterbuch<. Es kommt aber erst
nach dem 2.Weltkrieg in die Gänge.
2.623 Das Kulturpolitische Archiv im Amt Rosenberg
Das Kulturpolitische Archiv des Amtes Rosenberg ging aus dem >Theaterpolitischen Archiv< hervor, das der Germanist Walter Stang mit in Rosenbergs
KfdK gebracht hatte. Es wurde allmählich auf alle Kulturbereiche, also auch
die Wissenschaft, ausgedehnt.1 1934 wurde es vom neu gegründeten Amt
Rosenberg übemommen und im >Amt für Kunstpflege< versteckt.2 Es war die
Grundlage der Machtausübung des >Kampfbund für deutsche Kultur< und
fühlte sich später im Amt Rosenberg „federführend".
Das Kulturpolitische Archiv (KPA) als Subinstitution im Amt Rosenberg im Gefüge der forschungsrelevanten Parteistellen:
s. dazu Bollmus 1970
Manche Selbstdarstellungen gehen davon aus, daß es von der NS-Kulturgemeinde übernommen wurde. "Amt KPA' o D. (nach 1943) - BAK NS 15.:146
1
2
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Die Hauptaufgaben des KPA fasste das Amt Rosenberg in folgenden fünf Punkten zusammen:
1.
„Beobachtung und Auswertung sämtlicher kulturpolitischer Veröffentlichungen in der deutschen Tages- und Zeitschriftenpresse.
2.
Anforderung von Gutachten und „Verwertung von Informationen durch die
Fachämter", z. B. dem Hauptamt Wissenschaft im Amt Rosenberg.
3.
„Anfragen bei den Hoheitsträgern bzw. Gauvertretern dieser Dienststelle."
4.
„Zusammenarbeit in schwierigen Fällen mit dem Reichssicherheits(haupt)amt"
5.
„Selbständige Erstellung von Beurteilungen auf Grund von Manuskripten
usw."1
Nach einer Darstellung vom 19. März 1941 wurden vom KPA jährlich etwa 800
Vorgänge bearbeitet. 1944 verfügte das KPA über 60 000 Personalvorgänge.
1
Konzept o. D. o. V. und KPA an Utikal, 4.5.43, beides BAK NS 15/146 - s. Simon 1986, 535. - Manche
Aussagen in anderen Quellen lassen darauf schließen, daß das KPA gelegentlich durch besondere Gewährsmänner Recherchen durchführte. Etat-Voranschlag KPA für 1.8.35-31.7.36 (= Anlage zu Gerigk an
Verwaltung, 11.9.35 - BAK NS 15/259 - Betr.: KPA, o.D. (nach 1.5.37) - ebenda. Zur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/
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39
Zumindest bis 1939 gehörte zu den wichtigsten Mitarbeitern des KPA Anneliese
Bretschneider.
2.624 Eine Germanistin im Hintergrund
Frauen hatten auch im 3. Reich, wenn man von den
eng begrenzten Wirkungsmöglichkeiten im Umkreis
des nationalsozialistischen Mutterkultes1 absieht,
kaum eine Chance, Macht auszuüben, es sei denn in
Einzelfällen über ihre Männer. Relative Macht konnte
ihnen auch dann bestenfalls zuwachsen, wenn sie
verzichteten, im Rampenlicht der Öffentlichkeit zu
stehen, wenn Unauffälligkeit zu ihren wichtigsten
Qualifikationen gehörte, wenn sie sich in einem klar
umrissenen Bezirk unentbehrlich für die Männerwelt
gemacht hatten und wenn sie die männlichen
Durchsetzungstechniken besser beherrschten als die
Anneliese Bretschneider
Männer. Wenn dann auch noch eine überdurchschnittliche Intelligenz hinzukam, dann konnten sie
sogar unverheiratet sein und waren dennoch prädestiniert für eine Position, wie
sie Anneliese Bretschneider im Kulturpolitischen Archiv im männerbeherrschten
Amt Rosenberg innehatte.2
Anneliese Bretschneider (*24.8.1898) hat ihre entscheidende wissenschaftliche Ausbildung am >Sprachatlas< in Marburg bei Ferdinand Wrede erhalten (s. Kap. 6.2). Durch Vermittlung des Dialektologen Theodor Frings
kommt sie im Januar 1931 an den Volkskunde-Atlas und wird eine wichtige Parteigängerin von Arthur Hübner.
Ihre Brüder, glühende Nationalsozialisten seit den Tagen des Putsches
an der Feldherrnhalle in München, bringen sie dazu, wenigstens in Rosenbergs
>Kampfbund für deutsche Kultur< einzutreten. Hier lernt sie Walter Stang kennen, der sie 1934 zu seiner Mitarbeiterin im KPA macht. Als Stang bei Rosenberg an Einfluss verliert, entstehen auch bei ihr Veränderungswünsche. 1939
übernimmt sie, von der DFG und der Berliner Akademie der Wissenschaften
unterstützt, die Leitung des >Brandenburg-Berlinischen Wörterbuchs<. Ihre
wissenschaftliche und ihre politische Arbeit hat sie nie getrennt. 1940 tritt sie in
den Sicherheitsdienst ein, zu dem sie seit 1935 Beziehungen hatte. Obwohl ihre
Vergangenheit nachweislich bekannt war, wird sie in der DDR Mitglied der Akademie der Wissenschaften und Professorin in Potsdam.
Zur Rolle der Frau im 3. Reich existiert eine umfangreiche Literatur, u.a. von der Reichsfrauenführerin im 3. Reich Gertrud Scholtz-Klink 1968 - s. Stephenson 1975 - Wiggershaus 1984 Kuhn/Rothe 1987 - Korotin 1992
2
Bretschneider geht sogar selbst mehrfach auf die Frauenproblematik ein, z.B. in Bretschneider
1935a - s.a. Bretschneider (1935b), 1-2
1
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40
2.625 Die NS-Kulturgemeinde
1934, als das Amt Rosenberg entstand, erhielt der >Kampfbund für deutsche
Kultur< (KfdK) einen neuen Namen: >Nationalsozialistische Kulturgemeinde<
(NSKG) und wurde umorganisiert. Hier ein vermutlich kurz vor dem Namenswechsel entstandenes, von Baeumler signiertes Organogramm des >Kampfbunds für deutsche Kultur<.1 Auffällig ist, dass schon hier >Volkstum- und Heimat< als dem >Kampfbund für deutsche Kultur< angegliedert gesehen wird,
wenn auch nur auf Landes-, Kreis- und Ortsebene.
Wie die >Reichsstelle zur Förderung des deutschen Schrifttums< dem
>Amt Schrifttumspflege< angegliedert wurde, so die >NSKG< dem >Amt für
Kunstpflege< im >Amt Rosenberg<, hie wie da durch Personalunionen zusätzlich aneinandergezurrt (Hagemeyer bzw. Stang). Die NSKG übernahm alsbald
den Bund >Heimat und Volkstum<.
2.626 Ein Germanist als Hauptstellenleiter
Mit dem Bund >Volkstum und Heimat< kamen auch der
ostpreussische Germanist Alfred Zastrau und sein Adlatus Hans Ernst Schneider alias Schwerte als Hauptabteilungsleiter bzw. als Gaufachstellenleiter, später stellvertretender Hauptabteilungsleiter in Rosenbergs NSKulturgemeinde, Gaudienststelle Ostpreussen.2
1
2
Überliefert im BA NS 8/122 BI. 90
Zu diesem und dem folgenden Absatz s. PA. Zastrau - BDC
Alfred Zastrau
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41
1937 fällt Zastrau beim Gauleiter in Ungnade. Er beschließt, die Universitätslaufbahn einzuschlagen, will sich zunächst in Göttingen, dann in Halle habilitieren mit einer wortgeschichtlichen Studie über „Wahrheit"1, wird Opfer des
aus Königsberg kommenden für Wissenschaft zuständigen Ministerialdirigenten
im Wissenschaftsministerium Heinrich Harmjanz, dessen aus Königsberger Zeit
datierender Hass gegen Zastrau 1943 erheblich zu seinem eigenen Sturz beiträgt. Harmjanz wird des Plagiats überführt. Welche Rolle Zastrau dabei spielte,
ist unklar.
Fest steht, dass Zastrau seit 1932 Kontakt hatte zu Baeumler, dem
wichtigsten für Wissenschaft zuständigen Mann in der Umgebung Rosenbergs, Leiter des Amtes Wissenschaft in dessen Dienststelle und der Hohen
Schule (in Vorbereitung). Die Demaskierung Harmjanz' überliess Baeumler
wohl aus seiner berüchtigten Feigheit heraus seinem Mitarbeiter Wilhelm Longert.2 Ab 1943 konnte Zastrau sich dann habilitieren.
Nach dem Zweiten Weltkrieg finden wir Zastrau an der Technischen
Universität Berlin wieder. Sein Hauptwerk, das 'Goethe Handbuch', blieb bisher unvollendet.
2.7
Germanisten im Rassenamt der SS
Am 31. Dezember 1931 gibt Himmler den berüchtigten „Verlobungs- und Heiratsbefehl" heraus, nach dem eine Heirat „allein nach rassischen und erbgesundheitlichen Gesichtspunkten erteilt oder verweigert" werden soll.3 Die Heiratsgesuche zu bearbeiten hat das >Rassenamt<, ein Teil des >Rasse- und
Siedlungsamts<. Vor Ort richtet es Rassereferate und -pflegestellen ein. Dort
lassen sich die SS-Männer beraten, insbesondere welche Frau sich für ihre
Familienpläne eignet und welche nicht.
2.71
Ein Germanist als Leiter des Rassenamts II der SS
Joseph Otto
Plassmann
Das Rassenamt der SS ist für eine Reihe von
Germanisten eine Durchlauf-Institution von der NSKG
zur SS. Zu ihnen gehört der Germanenkundler Joseph
Otto Plassmann. 1937 wird er 41jährig Leiter des Rassenamts II. 1919 nahm er „mit der Waffe in der Hand"
an der Niederschlagung des Spartakus-Aufstandes
und später an der Bekämpfung des französischen
Besatzungsheeres im Rheinland teil. Er bewegte sich
lange vor 1933 als Aktivist in der Umgebung mehrerer
NS-Mythologen wie Wilhelm Gustloff, Wilhelm Teudt
und Herman Wirth. Als er Leiter des Rassenamts II
wird, hat er sich nicht nur als Herausgeber der SSZeitschrift >Germanien< einen Namen gemacht, sondern auch die Auffassung dieser NS-Mythologen hin-
Später umbenannt in den Titel: WAHR - Studien zu einer wortgeschichtlichen Untersuchung.
Ein Exemplar diesser ungedruckten Habilitationsschrift findet sich im UA Halle, Rep. 21N/I[. Am
6.1.43 erhält er endlich die Habilitationsurkunde, am 5.10.44 wird er schließlich zum Dozenten
ernannt. PA. Zastrau – BDC
2
s. dazu Klingemann 1997
3
zit. nach "The Holdings of the BDC. A guide to the collections." Berlin 1994 S. 50ff.
1
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42
ter sich gelassen. Später wird Plassmann Leiter der Abteilung >Germanische
Kulturwissenschaft< im >Ahnenerbe<. Ab 1938 werden alle Forscher des
Rassenamtes in das >Ahnenerbe< eingebaut.
Nach dem Frankreich-Feldzug wirkt Plassmann als „Angehöriger des SD-Einsatzkommandos West" in Paris und in der Bretagne. 1943 habilitiert er sich bei
Hermann Schneider in Tübingen. 1944 folgt er einem Ruf an die Universität
Bonn. Plassmann war nicht in der NSDAP.
2.72 Aufgaben des Rassenamts im Kriege
Das Rassenamt, das Plassmann auf Grund von Intrigen noch 1937 verlassen
musste, systematisiert erste grobe Rassenbestimmungen (links) allmählich in
Richtung auf eine Rassenkarte (rechts) als Grundlage für Entscheidungen vor
allem im Rahmen der Umsiedlungen.
Diese Entscheidungen waren alsbald Entscheidungen über Leben und
Tod von hunderttausenden von Menschen. Neben dem Rasseideal >nordisch< (rechts), hier interpretiert als „schreitender Waldjäger", „Läufer (Ferne)"
und „dynamischer Typ" akzeptierte man auch noch die >fälische< Rasse (Mitte) („Grosswildjäger", „Bauer", „konservativer Typ") und die >ostbaltische<
Rasse (links) („Sumpfjäger", „Fischer", „statischer Typ").
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2.8
43
Leipzig: Ein Nest von Germanisten im Sicherheitsdienst.
2.81 Leipzig war die Stadt der Verlage. Als es darum ging, einen Ort zu
bestimmen, an dem sämtliche Veröffentlichungen deutscher Verlage gesammelt und -öffentlich zugänglich gemacht werden sollten, lag es daher nahe,
Leipzig zu wählen. An die in Leipzig errichtete >Deutsche Bücherei<, wie
man diese Sammelstelle nannte, verpflichteten sich alle Verlage mindestens
ein Exemplar von jeder Publikation unentgeltlich abzuführen.
Die Idee des Sicherheitsdienstes, die von dem Germanisten Wilhelm
Spengler stammte, in und in Kooperation mit dieser Einrichtung für den SD
eine Schrifttumsstelle zu installieren, folgte konsequent aus dem Zweck des
schnellen Zugriffs auf Informationen aller Art. Im übrigen auch der Umstand, in
ihr hauptsächlich Germanisten zu beschäftigen.
Diese Schrifttumsstelle wurde jedenfalls das wichtigste Nest später einflussreicher SD-Germanisten. Sie landeten alsbald entweder in der Berliner
SD-Zentrale (z.B. Spengler, Kielpinski, Rössner) oder wurden als V-Mann an
ihrer Universität (z.B. Obenauer) bzw. als Spezialisten in Detailfragen (z.B.
Jolles) eingesetzt.
2.82 Wilhelm Spengler (*19. März 1907)1 lernte in einem
Augsburger Internat, dem ein Benediktiner vorstand,
frühzeitig – wie er sich ausdrückt „den Katholizismus in
seinen Einrichtungen, Vertretern, weltanschaulich-konfessionellen Hintergründen und Arbeitsmethoden kennen" und -hassen. Das letztere so sehr, dass er sein
ursprünglich ins Auge gefasstes Studium der Ingenieurwissenschaften aufgab und „ein Studium ergriff, das
einem weltanschauliche Werte aus dem germanischen
und deutschen Geisteserbe vermitteln konnte". Er stuWilhelm Spengler
dierte in München und Leipzig Germanistik, Geschichte,
Kunstgeschichte und Philosophie unter anderem bei
André Jolles, Karl Justus Obenauer und bei seinem Doktorvater Hermann August Korff. Er promovierte 1931 summa cum laude mit einer Dissertation über
„Das Drama Schillers“2. Im Januar 1932 legte er das Staatsexamen mit der Note 1 ab. 1932 bis 1933 war er Studienassessor am Carolagymnasium Leipzig.
Zugleich baute er im Rahmen der akademischen Selbsthilfe die Abteilungen für
Arbeitsdienst, Siedlung, Arbeitsvermittlung und Junglehrerhilfe auf.
Für dies und das folgende s. Simon, Gerd: Germanistik in den Planspielen des Sicherheitsdienstes der SS. Tübingen 1998 – vgl. a. Wildt, Michael (Hg.): Nachrichtendienst, politische
Elite und Mordeinheit. Hamburg 2003, 190ff + 204ff.
2
Spengler 1932
1
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44
Bereits im November 1933 tritt Spengler durch Vermittlung des SSOberführers Beutel, „eines der ersten hauptamtlichen Mitarbeiter Heydrichs im
SD“, während des fälschlich sogenannten >Röhm-Putsches< dessen Beauftragter für die Morde in Sachsen1 und später Führer der Einsatzgruppe IV der
Sicherheitspolizei und des SD beim Überfall auf Polen, in den Sicherheitsdienst
ein. Ab 15. März 34 ist Spengler hauptamtlich unter Franz Alfred Six tätig. Im
April 1936 wird er als Leiter der Abteilung Presse und Schriftum an die SDZentrale in Berlin versetzt. Dort ist er bis 1944 Gruppenleiter im späteren Amt III
(Kultur) unmittelbar unter Otto Ohlendorf.
Am 13. März bzw. 1. Oktober 1938 ist Spengler wie Kielpinski und andere in dem von Six geleiteten Sondereinsatz im Rahmen der Einmärsche in
Österreich sowie in die Tschechoslowakei aktiv. Von April 1944 bis Kriegsende
weist Spenglers Vita eine auffällige Lücke auf.2 Spengler verbringt nach dem
Krieg bis Februar 1947, also über eineinhalb Jahre, in Internierungslagern, zuletzt in Ludwigsburg.3 Im Mai 48 wird er „ohne jegliche Auflagen und Einschränkungen" entnazifiziert. In den 50er Jahren ediert er mit Hans Schwerte
alias Hans Ernst Schneider mehrere Bände zum Europagedanken.
2.83 Walter von Kielpinski (*29. April 1909)4 studierte von Sommersemester
1929 bis 1934 in Halle, Berlin und Leipzig Germanistik und neuere Sprachen.
Im Juni 1933 trat er der SA bei, dort ist er ab Februar
1934 Scharführer. Am 1. Juli 1934 – also einen Tag
nach dem sogenannten >Röhm-Putsch< – meldet er
sich zum SD. Er ist zunächst ehrenamtlicher
Mitarbeiter in Spenglers Schrifttumsstelle in Leipzig.
Nach seinem Examen im Dezember 1934 übernimmt
er hauptamtlich im SD-Hauptamt die Abteilung II 22
("Presse und Schrifttum"). Am 13. März bzw. 1.
Oktober 1938 ist Kielpinski in dem von Six geleiteten
Sondereinsatz im Rahmen der Einmärsche in
Österreich sowie in die Tschechoslowakei aktiv.
Spätestens ab März 1941 ist er Spenglers
Stellvertreter in der Kulturabteilung des SD (inzwischen III C genannt), in der er weiterhin die UnterabWalter von Kielpinski
teilung III C 4 (>Presse, Schrifttum, Rundfunk<)
5
betreut. Gelegentlich hilft er auch in Eichmanns Ab-
s.a. die Aussage Karl Frhr. von Eberstein 3.8.46 - Nürnberg 1948. Bd. XX, S. 317f
Nach Auskunft von Michael Wildt nahm Spengler zumindest als Berichterstatter an den mordenden Operationen von Einsatzgruppen der SS in Russland teil. – vgl. a. Spengler, Wilhelm:
Bandenkrieg im Niemandsland. Vom Einsatz des SD. Das Reich Nr. 18, 3.5.1942 sowie ders.:
Volksdeutsche Schicksale. ebd, 9.8.1942.
3
Für diesen und den folgenden Satz s. Spenglers eidesstattliche Erklärung vom 30.5.49, HStA
Düss NW 1049/4268.
4
Für dies und das folgende s. Llf. Kielpinski, 20.9.37, PA. Kielp. BDC-SSO - Personalbericht
Six o.D (Durch Wasserschaden unleserlich, nach 1937/38), ibid. - dto, 21.9.37, ibid. - Beförderungsvorschläge o. D. (nach 1941), ibid. - Vorschlags-Prot. SIX, o. D. (21.9.37), ibid. - FB zur
Verlobungsgenehmigung, 15.2.36, ibid.
5
Für dies und das folgende: Geschäftsverteilungsplan RSHA 1941 (nach 1945 angefertigt, nicht
ohne Fehler!), BDC-dto., 1943, ibid. - dto, 1.10.43, Nürnberger Prozess Dok 219 L.
1
2
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45
teilung IV B 4 (>Judenangelegenheiten, Räumungsangelegenheiten<) aus. Zeitweise ist er für den SD in Warschau tätig.1 Ein Angebot, ins Propagandaministerium überzuwechseln, schlägt er aus. Zuletzt ist er Obersturmbannführer und
Nachfolger Spenglers in der Leitung der Abteilung III C (>Kultur<).
2.84 Hans Rössner (*5. Juli 1910)2 studierte ab 1930 in Leipzig, Graz und Marburg die Fächer Deutsch, Geschichte und evangelische Theologie – vor 1945
spricht er von dieser als „Religionslehre" –, war ab 1933 Mitarbeiter im Studentenwerk Leipzig und Abteilungsleiter der Akademischen Selbsthilfe Sachsen, in
der wir ja bereits Spengler aktiv sahen, trat der SA bei, bevor 1934 die SS ihn
zeitweise als hauptamtlichen Referenten und Abteilungsleiter im SD übernahm.
Im April 1936 wurde er Assistent am Germanistischen Seminar der Universität
Bonn. Am 18.10.1937 bestand er bei Karl Justus Obenauer mit der Arbeit „Georgekreis und Literaturwissenschaft" – einer programmatisch wirkungsgeschichtlichen Studie – das Doktorexamen.
In Bonn gibt er Ausländerkurse und hält
Vorlesungen und Übungen bei Auslandsdeutschen
ab. 1938 ist er darüber hinaus Leiter der Nachrichtenstelle der Universität Bonn und Amtsträger im
NSD-Dozentenbund. Ab 1938 ist er Referent in der
Wissenschaftsabteilung im SD-Hauptamt. Zu Beginn
des Krieges macht Rössner „den Polenfeldzug in
vorderer Linie bei der kämpfenden Truppe (Artillerie)"
sowie bis April 1940 den Frankreichfeldzug mit. 1940
ist er „als einziger nichthabilitierter Geisteswissenschaftler" zu einer Mitarbeit am >Kriegseinsatz der
Geisteswissenschaften< vorgesehen (s. Kap. 4.2).
Hans Rössner
Seit 1940 leitet Rössner die von ihm geschaffene und seitdem so benannte Abteilung III C 3
(„Kunst und Volkskultur") im Sicherheitsdienst, zuletzt als SS-Obersturmbannführer. In dieser Abteilung wurden die Gebiete 'Allgemeine Kultur, Dichtung, Bildende Kunst, Theater, Musik und Film' nachrichtendienstlich behandelt. Laut
Vernehmungsniederschrift vom 12.5.1965:
„Es wurden aus den SD-Dienststellen im Lande, die ihrerseits mit
zahlreichen ehrenamtlichen Vertrauensleuten zusammenarbeiteten, Nachrichten aus den genannten Gebieten gesammelt und
ausgewertet, wobei es darauf ankam, dass auch sachlich kritische Meinungen unverfälscht wiedergegeben wurden. Die zusammengefassten Berichte wurden den verschiedenen zuständigen Dienststellen und Ministerien weitergeleitet."
Für dies und den Rest des Absatzes: Beförderungsvorschlag 19.5.43, PA. v. Kielpinski - BDCSSO.
2
Für dies und die folgenden Tatsachenbehauptungen s. ausführlich: Simon, Gerd: Germanistik
in den Planspielen der SS. Tübingen 1998 sowie: Wildt, Michael: Generation des Unbedingten.
Hamburg 2002. – Schroeder, Werner: „... eine Fundgrube der Schrifttumsinformation.“ in: Gibas,
Monika (Hg.): „Arisierung in Leipzig“. Leipzig 2007, 116-151.
1
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Bei den „zusammengefassten Berichten“ handelt es sich vermutlich um die
Grundlagen der „Meldungen aus dem Reich“, wie sie inzwischen Heinz Boberach in 16 Bänden teilweise publiziert hat.
1941 steht Rössner auf der Vorschlagsliste für den Strassburger Lehrstuhl für
Germanistik. Sicher ist, dass Rössner zwar von 1940 bis 1944 einen Lehrauftrag an der Universität Bonn innehatte1, aber weder in Strassburg noch sonstwo
jemals Professor wurde.
Nach dem Kriege war Rössner vom 23.5.45 bis zum 13.4.1948 im Lager Neuengamme interniert. Er trat als Zeuge der Verteidigung im Nürnberger Prozess
gegen die Hauptkriegsverbrecher auf. Am 19. August 1948 verurteilte ihn das
Spruchgericht Bergedorf wegen „Zugehörigkeit zu einer für verbrecherisch erklärten Organisation“ zu 2000,- DM Geldstrafe, ersatzweise für je 10,-DM zu
einem Tag Gefängnis, verbüßt durch die Internierungshaft. Am 21.4.1950 wird
er entnazifiziert und in die Gruppe IV (Mitläufer!) eingestuft. Im Unterschied zu
anderen Fällen, z.B. Obenauer (s.Kap.2.85) bemühte sich keine dieser Rechtsinstitutionen um Gutachten von Personen, die Opfer hätten gewesen sein können. Die Entnazifizierungsurteile kannten 5 Stufen:
I
Hauptschuldige
II
Belastete (Aktivisten)
III
Minderbelastete
IV
Mitläufer
V
Entlastete
Nach seiner Internierung arbeitete Rössner zunächst als Volontär und später
als Lektor im Stalling-Verlag in Oldenburg. 1953 tritt er in die Verlagsleitung des
Insel-Verlages in Wiesbaden ein. Ab 1958 ist er Verlagsleiter im Piper-Verlag in
München. Er gibt einige Sammelbände hauptsächlich zu anthropologischen
Fragen heraus. Kurioserweise enthält einer dieser Bände („Rückblicke in die
Zukunft – Beiträge zur Lage in den achtziger Jahren.“ – Beiträger waren Leszek
Kolakowski, Golo Mann, Karl Dietrich Bracher, Ralf Dahrendorf, Knut Borchardt, Horst Albach, Peter Wapnewski, Reimar Lüst, Victor F. Weisskopf,
Manfred Eigen, Otto Creutzfeldt, Bernhard Hassenstein, György Ligeti, August
Everding und Werner Hofmann) kurzbiographische Notizen über die Beiträger,
nicht aber über den Herausgeber. Von den Beiträgern dürften die meisten –
wenn nicht alle – keinerlei Ahnung gehabt haben, mit wem sie es zu tun hatten. Im Übrigen bereute er auch Hannah Arendt2 verlagsmäßig und verkehrte
im Hause von Walter Jens3.
2.85 Karl Justus Obenauer (*29.2.1888) war der wichtigste akademische Lehrer dieser Gruppe von Germanisten
im SD und wurde offenbar auch durch diese in den SD
hineingezogen.4 Er studierte ab 1906 in München Germanistik – er hebt unter seinen Lehrern Muncker und von
der Leyen hervor –, Philosophie und Geschichte. Am
23.Juli 1910 promovierte er über den von Fichte herkommenden, mit den Brüdern Schlegel befreundeten
und außerdem von Schelling und Schleiermacher ge1 s. Wenig 1968, S. 249
s. dazu Michael Wildt: Generation..., S. 797ff.
3 Jens, Tilman: Demenz. 2009 (s. dazu http...)
2
Karl Justus Obenauer
4 So jedenfalls O's Aussagen nach dem Zweiten Weltkrieg. Vernehmungsprotokoll Scharfenberg in Eselheide 6.8.47, BA Z 42 IV 4295 Bl. 29
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schätzten Philosophen und Schriftsteller August Ludwig Hülsen. 1911 setzt er
sein Studium an der Sorbonne und am Collège de France in Paris fort. 1912 ist
er kurze Zeit Lektor in Grenoble, wenig später wieder in Paris. 1914 wird er als
Kriegsfreiwilliger zuerst zurückgestellt, 1915 als Fußartillerist, dann als Dolmetscher in einem Gefangenenlager seiner Heimatstadt Darmstadt, schließlich als
Gefreiter beim Nachrichtenchef im Grossen Hauptquartier eingesetzt. Hier dürfte er sich bereits wesentliche Grundfertigkeiten angeeignet haben, die ihm später beim SD nützlich sein konnten.
In der Nachkriegszeit betätigte er sich in Darmstadt als freier Schriftsteller. Er
fühlt sich geprägt durch die Anthroposophie Rudolf Steiners. 1926 habilitiert er
sich bei Hermann August Korff an der Universität Leipzig kumulativ mit seinen
bis dahin erschienenen Werken über Goethe, die Romantik, Nietzsche, Strindberg und Hofmannsthal. Korff reiht Obenauer in die Richtung des Juden Gundolf ein. In der Habilitationskommission werden Zweifel laut. In historischer und
philosophischer Hinsicht stünde Obenauers Opus auf zu flacher Basis. Der
Pädagoge Theodor Litt bedenkt in weiser Voraussicht – in der Wiedergabe des
Protokolls des Dekans:
„Es bestehe die Gefahr einer Verwässerung der Germanistik in Ideologie.“
Wenn man davon absieht, dass die venia legendi auf neuere deutsche Literatur
begrenzt wird, geht die Habilitation aber ansonsten problemlos über die Bühne.
Im Mai 1933 in die NSDAP eingetreten (Mitgliedsnummer 1961 827),
betätigt sich Obenauer zunächst als Blockwart. Noch in Leipzig ist er wieder
nachrichtendienstlich, und zwar im Sicherheitsdienst – wenn auch nicht hauptamtlich - tätig. Spengler bestätigt ihm später, dass er es war, der Obenauer in
den SD und damit in die SS brachte.
Die Universität Bonn hatte bei der Wiederbesetzung des Lehrstuhls von
Oskar Walzel nicht gerade Obenauer im Auge. Kaum ist er zum 1.10.36 berufen - wovon die Universität offiziell erst 14 Tage später erfährt –, wird er nicht
nur Dekan der Philosophischen Fakultät der Universität Bonn – seine Antrittsvorlesung hält er übrigens in SS-Uniform ab –, sondern wird auch in einen Fall
verwickelt, der weit über Deutschlands Grenzen hinaus zum Symbol für den
Einzug nationalsozialistischen Barbarentums in die deutschen Universitäten
wurde und noch heute speziell die Universität Bonn beschäftigt: Die Aberkennung der Ehrendoktorwürde an Thomas Mann.
Obenauer ist zu den Wissenschaftlern zu zählen, die es verstanden, sich sowohl mit den Himmler-Leuten als auch mit den Rosenberg-Leuten und mit den
Goebbels-Leuten gut zu stellen. Für alle drei Institutionsbereiche schreibt er
Gutachten.
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48
2.86 Johannes Andreas Jolles – vor 1933 und nach
1945 dominiert der Name André Jolles – (*7.8.1874 in
den Helder in Holland) wächst in Amsterdam auf, studiert
dort ab 1894, später auch in Leiden orientalische Kunst
und vergleichende Kunstgeschichte. In Frankreich und
Italien betätigt er sich zwischendurch als Dichter und
Schriftsteller.5 Er wird als „einer der Führer der jungen
flämischen Literatur“ zum Kreise um Verweylen gerechnet. Er ist Mitbegründer und Herausgeber der Zeitschriften >Van nu en straks< und >De kroniek<. 1901
setzt er sein Studium in Freiburg fort. Schwerpunkt ist
jetzt Archäologie und Geschichte. 1904 promoviert er,
1905 habilitiert er sich ebenda in Allgemeiner Kunstge- Johannes Andreas Jolschichte. 1908 habilitiert er sich nach Berlin um. Ab
les
1912, spätestens 1913 ist er im Auftrage des Preussischen Kultusministeriums tätig am >Zentralinstitut für Erziehung und Unterricht.< Im Ersten Weltkrieg ist er als Kriegsfreiwilliger auf deutscher Seite als
Oberleutnant und Gasoffizier tätig. Er erhält das Eiserne Kreuz I. und II. Klasse.
1916 wird er ordentlicher Professor an der flämischen Universität in Gent. 1917
wird er als außerordentlicher Professor für vergleichende Literaturwissenschaft,
flämische und nordniederländische Sprachen und Literatur nach Leipzig berufen. 1932 erhält er für ein Festspiel zur Feier des 300jährigen Bestehens der
Universität Amsterdam einen ersten Preis.
Jolles steht seit 1937 im Dienst des SD. Nach Kriegsbeginn 1939 und
nach der Besetzung Hollands schlägt Spengler den inzwischen emeritierten
Jolles vor für eine Tätigkeit bei der Zivilverwaltung in Holland.6 Auf Anordnung
Heydrichs ist er von Januar bis März 1942 mit der „Fertigstellung grösserer
Denkschriften zu einem bestimmten Fragenkreis der Freimaurerei“ beschäftigt.7
Zum 70. Geburtstag wird ihm im Jahr 1944 die Goethe-Medaille für Kunst und
Wissenschaft verliehen, die höchste Auszeichnung, die im 3. Reich vergeben
wurde.8 Die Parteikanzlei verweist nicht nur auf Jolles „hervorragende Arbeit
>Die Freimaurerei, Wesen und Brauchtum<“, sondern auch das „für die Literaturwissenschaft wie für die Volkskunde bedeutsame Buch >Einfache Formen...<“, das „bahnbrechend gewirkt“ habe.9 Letzteres Opus erfreut sich bis zur
Gegenwart einer ungebrochen positiven Rezeption. 1982 erschien es in 6. Auflage.10
Jolles war in erster Ehe verheiratet mit Mathilde Mönckeberg, einer
Tochter des berühmten Hamburger Bürgermeisters Mönckeberg.11 Unter dem
Pseudonym Karl Andres arbeitet er zusammen mit seinem Schwager Carl
Mönckeberg Bühnenstücke („Vielliebchen“) aus. Als der Leipziger Rektor Hel-
5
zu Jolles s. Simon, Gerd: Germanistik ..., S. XLf.
6 Spengler an Führer - REM - 3.7.41, PA Jolles BDC - REM Bl. 9296
7 Spengler an Menzel 9.12.41, PA. Jolles BDC - REM Bl. 9298 - Vgl. Mentzel an Leiter des Sächs. Ministeriums für Volksbildung Dresden, ibid. Bl. 9300 - Göpfert an REM, 15.1.42, ibid. Bl. 9301 - Mylius an
Mentzel 14?.3.42, ibid. Bl. 9302 - dto, 18.9.42, ibid. Bl. 9304 - Niederschrift über die Arbeitstagung mit
Prof. Franz beim RSHA VII C am 10. + 11. 4.42, BA ZR 540 A. 21 Bl. 164
8 Staatsminister + Chef der Präsidialkanzlei an REM, 5.9.44, PA. Jolles, BDC- REM Bl. 9319
9 Looft an Staatsmini + Chef der Präsidialkanzlei 2.8.44, PA. Jolles BDC - REM Bl. 9312
10 Jolles, André: Einfache Formen. Legende/ Sage/ Mythe/ Rätsel/ Spruch/ Kasus/ Memorabile/ Märchen/
Witz. [Sächsische Forschungsinstitute in Leipzig D: Forschungsinstitut für neuere Philologie II. Neugermanistische Abteilung, Heft II] Halle 1929/30. Tübingen 1982 [6. Aufl.]
11 Pb. Jolles, loc. cit. - Degener, loc. cit.
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mut Berve, Leiter des >Kriegseinsatzes der Altertumswissenschaften<12 Anfang
1942 die Genehmigung erhält, eine Universität für französische Kriegsgefangene zu errichten und seinen Leipziger Kollegen von Jan mit der Leitung dieser
Universität beauftragt, verpfeift Jolles letzteren beim Reichssicherheitshauptamt
als „Katholik und Freimaurer“. Da von dieser Universität hinfort nirgends mehr
die Rede ist, lässt sich nicht ausschließen, dass das Unternehmen durch diese
Denunziation zu Fall gebracht wurde.
Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg gibt der Dekan der philosophischen Fakultät, der bekannte Philosoph Gadamer, eine dreigegliederte Einschätzung Jolles:
1. Altparteigenosse. Mitarbeit im Rahmen der SS und des SD, insbesondere Mitarbeit im Rahmen des „Ahnenerbe“.13 Entschieden nationalsozialistische Haltung.
2. Das Bekenntnis zum Nationalsozialismus dürfte durch die Volkstumsinteressen von Professor Jolles, aber insbesondere seine niederländischen Studien nahe gelegt sein.
3. Ein geistvoller Forscher von eigenartiger Weite literaturgeschichtlicher
Interessen.
2.87 Der Medienwissenschaftler Franz Alfred Six
(*12.8.1909) war der erste Chef dieser Gruppe von SDGermanisten, der sich freilich bald neue Aufgaben sucht.
Der von Six verfasste Lebenslauf in seiner Dissertation
ist der kürzeste, den wir je zu Gesicht bekamen.14 Er sei
daher hier vollständig wiedergegeben:
„Ich wurde am 12. August 1909 in Mannheim geboren.
Nach der Ablegung der Reifeprüfung studierte ich Allgemeine Staatslehre, Soziologie, Geschichte, Literaturgeschichte und Zeitungswissenschaft, um nach Ablauf von acht Semestern mit vorliegender Arbeit an der
Philosophischen Fakultät der Universität Heidelberg
am 6. Mai 1934 zu promovieren.“ 15
Franz Alfred Six
Bei einem Geheimdienstler sollte nicht überraschen, dass sich hinter einem
solchen Lebenslauf eine der steilsten Karrieren der Hochschulgeschichte verbirgt. Noch vor Beendigung seines Studiums wird Six im Mai 1933 Assistent am
Heidelberger Institut für Zeitungswissenschaft. Im Juli 1935 verändert er sich
auf Antrag des zeitungswissenschaftlichen Verbands als Lehrbeauftragter an
die Universität Königsberg. Die Dissertation ist noch nicht erschienen, da habilitiert sich Six am 3. Juni 1936 auch schon, so dass er am 12. Dezember 1936
endgültig zum Dr. phil. promoviert und am 21. Dezember, also noch im gleichen
Monat vorläufig zum Dr. phil. habil. ernannt wird.
Im Oktober 1938 wird Six zum nichtbeamteten außerordentlichen Professor ernannt. Im Januar 1939 diskutiert man bereits die Versetzung Six' von
Königsberg nach Berlin. Als Six in diesem Zusammenhang im September 1939
12 s. Berve, Helmut: Das Neue Bild der Antike. Lpz. 1942
13 Zumindest in diesem Punkte irrt Gadamer sehr wahrscheinlich. In den >Ahnenerbe<-Akten taucht der
Name Jolles nicht auf.
14 Vielleicht ist bei dieser Gelegenheit darauf hinzuweisen, daß uns - nach unserer eher untertreibenden
Schätzung - mehr als 2000 Lebensläufe vorwiegend von Philologen und Historikern als Vergleichsbasis
dienen.
15 Six 1936, S. 76
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die Beförderung zum außerplanmäßigen Professor beantragt, macht ihn der
Wissenschaftsminister im März 1940 gleich zum ordentlichen Professor für politische Geistes- und Zeitgeschichte und Dekan der neugeschaffenen auslandswissenschaftlichen Fakultät.16 Am 1. April 1943 wird er zum Gesandten 1. Klasse als Leiter der kulturpolitischen Abteilung im Auswärtigen Amt ernannt.
Six' Karriere auf der Universität läuft eine in der Partei parallel: Six war
sogar schon 1929 in den NS-Schülerbund eingetreten.17 Noch als Schüler wird
er im März 1930 NSDAP-Mitglied; ab 1. November 1932 SA-Mitglied. Zugleich
ist er Hauptschriftleiter des >Heidelberger Student< und ab Mai 1933 Hauptamtsleiter des Amtes >Aufklärung und Werbung< in der NS-Studentschaft Heidelbergs sowie noch im Sommersemester 1933 Kreisamtsleiter V der Südwestdeutschen Studentenschaften (zuständig für Presseangelegenheiten). Im
Februar 1934, also kurz vor seiner Promotion, beruft ihn die Reichsstudentenführung zum Leiter der Reichsfachabteilung Zeitungswissenschaft sowie im
August als Hauptsamtsleiter für Presse, Buch und Propaganda. Am 9. April
1935 tritt Six als Untersturmführer in die SS ein. Vermutlich war es der ehemalige Kommilitone in Heidelberg, Reinhard Höhn, der Six in die SS einführte und
ihm die dortige Karriere eröffnete. Auf Anhieb macht ihn Heydrich jedenfalls
zum Chef der Hauptabteilung >Presse und Schrifttum< im SD-Hauptamt. Noch
1936 wird Six Leiter der Zentralabteilung >Gegnerforschung<. Nach dem „Anschluss“ Österreichs im März 1938, dem Einmarsch in die Tschechoslowakei
im März 1939 und dem Überfall auf Polen im September 1939 leitet Six jeweils
die menschenrechtsverletzenden Aktivitäten des SD in diesen Ländern ein. Im
Rahmen der Aktion 'Seelöwe', der geplanten, aber nicht zustandegekommenen
Eroberung Großbritanniens sollte er abermals als SD-Befehlshaber fungieren.
Nach dem Überfall auf die Sowjetunion im Juni 1941 leitet er das >Vorkommando Moskau<, eines der berüchtigten Sonderkommandos der SDEinsatzgruppe B.18 Zugleich ist er Leiter der Forschungsabteilung im Reichssicherheitshauptamt VII („Weltanschauliche Forschung und Auswertung“). Gegen
Kriegsende hat er in der SS den Rang eines Brigadeführers.
Nach dem Krieg taucht er unter und nimmt den Namen Georg Becker
an. Nach Six wird aber im Unterschied zu Schwerte-Schneider gezielt gesucht
und also findet man ihn auch. In Nürnberg wird Six im April 1948 hauptsächlich
wegen der Vorkommnisse während seiner Tätigkeit als Leiter des >Vorauskommandos Moskau< zu 20 Jahren Haft verurteilt. 1951 wird das Strafmass
auf 10 Jahre herabgesetzt. Am 30. September 1952 wird Six vorzeitig entlassen. Danach betätigt sich Six in der Abteilung für Wirtschaftswerbung bei Porsche in Friedrichshafen.19
Er publiziert in der berüchtigten Bad Harzburger >Akademie für Führungskräfte der Wirtschaft<, die Heydrichs alter Kampfgefährte Reinhard Höhn,
Six bekannt aus der Heidelberger Studentenzeit, leitet. Anschließend findet
16 Zur Geschichte der auslandswissenschaftlichen Fakultät in Berlin, s. BA 49.01 REM 1247 + 1249 +
1480. - Vgl. a. Bormann an ARO 13.12.39; BA NS 15/245 Bl. 93 (=0354406) - Stn. StF 9.1.40, BA NS
8/183 Bl. 80 - Berichte der Amerika-Abteilung sowie der Abteilung Großbritannien (an der Auslandswissenschaftlichen Fak.); BA ZR 550/1 Bl. 430 - 522 - PA Pfeffer, BA R 21 A 10070 - Muchow an Biedermann 27.1.45, BA NS 8/262 Bl. 44 + Bericht Muchow 22.1.45, ibid. - Über Six handelt eine Fülle von Publikationen z. B. die vom DAWI herausgegebene "Zeitschrift für Politik", 1940ff, außerdem Pfeffer 1944 Monatshefte 1940 - o.V.: dto. Monatshefte für Auswärtige Politik 7, 1940, 108-110- fri 1940 (=BA NS
22/440) - Seeliger 1964, Bl. 10-12 - Siebert 1966, 19-34 sowie Urban / Herpolsheimer, op.cit. - Weyer,
op. cit. - Buchstein / Göbler, op. cit. – Hachmeister, Lutz: Der Gegnerforscher. Botsch
17 Für dies und das Folgende v. a. Urban / Herpolsheimer, op. cit. S. 171ff
18 Die Aktivitäten des "Vorauskommandos Moskau" sind nur schlecht überliefert. s. Ereignismeldungen
34 vom 26.7.41, BA R 58/215 Bl. 58 f
19 Seeliger op. cit.
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man Six bei Hanomag in Hannover. Zeitweise betreibt er ein eigenes Industrieberatungsbüro. Laut Julius Mader soll Six auch für den bundesrepublikanischen
Geheimdienst gearbeitet haben.20 Urban und Herpolsheimer vermuten auch
eine Kooperation mit dem CIA.
2.88 Auffällig ist die Ähnlichkeit im Schriftzug der SD-Germanisten. Das ist nicht
einfach damit zu erklären, dass die jungen Intellektuellen der 30er Jahre die
Publikationen des Graphologie-Papstes Ludwig Klages studiert hatten; Weltoffenheit, hohe Intelligenz und Gemeinschaftssinn konnten Graphologen aus solchen Handschriften herauslesen. Wenn man sich schon auf diese Argumentationslinie einlässt: Vielleicht war es nur der 'Kameradschaftsgeist', der diese
Homogenität erzeugte.
Lebenslauf Spengler
Lebenslauf von Kielpinski
20 Mader 1961 - Vgl. Urban / Herpolsheimer op. cit. S. 185
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Lebenslauf Rössner (Ausschnitt
Lebenslauf Obenauer
(Ausschnitte)
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53
2.89 Von der Schrift her lässt sich hier nahtlos ein weiterer Germanist einordnen, der allerdings mit dem erwähnten Nest keinerlei Kontakt gehabt zu haben
scheint: Manfred Pechau, von dem noch die Rede sein wird.
Lebenslauf Pechau (Ausschnitte)
2.9
SD-Dossiers über einige Germanisten
Schon 1938 hatte der Sicherheitsdienst zu den wichtigsten Germanisten Dossiers entwickelt. Diese wurden nach dem gleichen vorgegebenen Muster angefertigt. Hier eine Auswahl, die sich auf Germanisten konzentriert, die auch sonst
in dieser Übersicht erwähnt werden.
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54
2.91 Zu Ernst Bertram (s.u. Kap.1.35)
Kurzkommentar zu >Konfession<:
Gottgläubig nannten sich alle Nationalsozialisten, wenn sie aus der Kirche
ausgetreten, oder kirchlich nicht gebunden waren; sie wollten keine
Atheisten sein.
Zu >Schrifttum<: Hier werden meist
nur wenige Angaben gemacht.
Zu >Gesamtbeurteilung<: Hier stehen
zumeist die wichtigsten Informationen,
manchmal machen sie mehr als die
Hälfte des Dossiers aus.
2.92 Zu Hennig Brinkmann (s.u. Kap.
2.4)
Zu >öffentliche Betätigung<: Die Dozentenschaft war eine Einrichtung des
Wissenschaftsministeriums, also eine
staatliche Institution, die sich an allen
Universitäten zur Ausrichtung der Lehrenden etablierte. Nach Gründung des
parteiamtlichen NSD-Dozentenbunds
1934 wurde sie mit diesem eng verzahnt. Die Gauschrifttumskammer war
eine regionale Subinstitution der
Reichsschrifttumskammer (s. u. Kap.
2.61). Hier ist die Gauschrifttumskammer Thüringen gemeint.
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55
Die vielen nicht ausgefüllten Punkte
zeigen, dass der Informant nicht sehr
viel über B. wusste.
2.93 Zu Otto Burger (s.u. Kap.10.4 )
2.94 Zu Gerhard Fricke (s. u. Kap.4.2)
Zu >Schrifttum<: Mit „Krüfius“ ist Gryphius gemeint. In der gesamten SS
wurde nur schlampig Korrektur gelesen.
2.95 Zu André Jolles (s.u. Kap. 2.86)
Zu >Gesamtbeurteilung<: Jolles muß
wenig später zum SD gestoßen sein.
Da die SD-Zugehörigkeit unter
>öffentliche Betätigung< sonst stets
erwähnt wird, ist das Dossier schon
vor 1937 entstanden. Warum sie nicht
aktualisiert wurde, ist nicht bekannt.
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56
2.97 Zu Paul Kluckhohn (s.u. Kap.1.32)
Zu >Gesamtbeurteilung<: Erich Rothacker spielte 1933 in der Wissenschafts- und Kulturpolitik als Leiter der
Abteilung Volksbildung im Propagandaministerium eine gewichtige Rolle.21
Später kehrt er auf seinen Bonner
Lehrstuhl auf Grund eines Dissenses in
der Rassenfrage zurück.
21 Zu Rothacker s. Weber 1989, S. 125-158 - Laugstien 1990, passim - Leaman 1993, S. 73
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57
2.97 Zu Franz Koch
(s.u. Kap. 2.31, 4.2 sowie 10.2)
Zu >Schrifttum<: Koch hat mehrere
Publikationen zum Themenbereich
„Goethe und Plotin“.
Zu >Gesamtbeurteilung<: K.
gehört zu den wenigen Germanisten,
die sowohl vom SD als auch vom Amt
Rosenberg wie vom NSD-Dozentenbund über allen Klee gelobt wurden.
2.98 Zu Julius Petersen (s.Kap.1.2)
Zu >Gesamtbeurteilung<: In der Ablehnung Petersens war sich der SD
einig mit dem ARo.22 Petersen
(*5.11.1878) studierte in Lausanne,
München, Leipzig und Berlin deutsche
Philologie, Kunstgeschichte und Philosophie und schloss das Studium 1903
in Berlin mit einer Dissertation ab.23
(Titel „Schiller und die Bühne“). Nach
seiner Tätigkeit in der Cotta’schen
Buchhandlung in Stuttgart und als Herausgeber der wissenschaftlichen Beilage der >Allgemeinen Zeitung< in
München habilitiert er sich ebenda
1909 mit der Studie >Das Rittertum in
der Darstellung des Johannes Rothe<.
1911 ist er Extraordinarius in München.
Dann ist er kurze Zeit Professor an der
Yale University in New Haven, bevor er
1912 ordentlicher Professor in Basel,
1914 in Frankfurt am Main und 1920
Nachfolger seines Lehrers Erich
22 Gerigk - KPA - an Gestapa, 2.9.35 - BA NS 15/69 Bl. 21 - Der „nach allen Seiten offene“ Petersen zog
freilich auch die Kritik eines der schärfsten NS-Kritiker auf sich: s. Fränkel 1954. Vermutlich handelt es
sich hier um den respektlosesten Nekrolog in der Geschichte der Germanistik.
23 Zu diesem und dem Folgenden s. Boden 1994, und die dort angegebene Literatur.
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58
Schmidt in Berlin wird.
Für die Nationalsozialisten war Petersen der Repräsentant des von ihnen bekämpften Liberalismus, hinter dem man nicht weniger als hinter dem
Marxismus das Judentum agieren sah, auch wenn seine Vertreter – wie Petersen – nicht jüdisch waren.
Petersens Verbeugungen vor Hitler und seinem Rassismus stand der
Einsatz für Juden gegenüber. Sein ungeliebter Kollege Franz Koch (s.u. Kap.
2.97 u.ö.) hatte es vor Ort leicht und fand Anlässe genug, die in dichter Folge
stattfindenden öffentlichen Auftritte dieses Präsidenten der GoetheGesellschaft – um nur seine wichtigste Neuaufgabe zu nennen – mit Hilfe der
Journalisten zur Abschussrampe werden zu lassen.
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58
2.99 Zu Hermann Schneider (s.Kap.2.71)
Zu >Gesamtbeurteilung<: Schneiders Nachlass
im Universitätsarchiv Tübingen enthält keine
Hinweise auf seinen Antisemitismus, allerdings
ist er offensichtlich auch von allem „NichtÜberlieferungswerten“ befreit worden. Andererseits gibt es außerhalb von SS-Beständen, insbesondere in seinen Veröffentlichungen, ebenfalls keine Indizien für eine antijüdische Einstellung dieses ersten Rektors nach 1945. Mit dem
Umstand, daß die Tübinger Universität schon
vor 1933 nahezu „judenrein“ war, ist er wohl
auch kaum ursächlich in Zusammenhang zu
bringen. Auf Empfehlung der SS wird dieser
„einsatzfähige“ Germanenkundler und Mediävist
am Ende des Zweiten Weltkriegs an der Universität Bukarest eingesetzt.
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3.
59
Bestandsaufnahme am Vorabend des Krieges
Noch vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs
bringt der SD eine Reihe von Analysen der
Lage und Aufgaben einiger geisteswissenschaftlicher Fächer hervor. Die manchmal in
Form von Vortragsmanuskripten überlieferten
Denkschriften zur
• Japanologie und Sinologie
• Geschichts- und Vorgeschichtswissenschaft
• Volkstumswissenschaft und
• Germanistik
sind sämtlich nur in einem Archiv überliefert,
das die Staatssicherheit der DDR angelegt
hatte, vermutlich als Material für Erpressungen. Die frühest datierbare, scharfsinnigste,
kenntnisreichste und auch längste Denkschrift
(134 Seiten) ist jene zur Germanistik. Der Verfasser wird nicht genannt, ist aber mit erdrükkender Wahrscheinlichkeit Hans Rössner.1
Rössner will die Germanistik – ganz im Sinne
der Deutschkundebewegung (s.Kap.1.2) – in
Richtung auf eine neue Mutter der Wissenschaften weiterentwickeln. Mit anderen Zielsetzungen und Prophezeihungen hatte er
mehr Erfolg, insbesondere was die neue
Wende zur Sprachwissenschaft und Wirkungsforschung betrifft, eine Entwicklung, die
man heute jedenfalls mit den späten 60er
Jahren in Verbindung bringt.
Ausrisse aus „Lage und Aufgaben
der Germanistik“
1 Vollständig abgedruckt mit ausführlicher Einleitung in: Simon: Germanistik in den Planspielen... Tübingen
1998
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II.
DER ZWEITE WELTKRIEG
4.
Der >Kriegseinsatz der Geisteswissenschaften<
4.1
Entstehung und Geschichte des „Kriegseinsatzes“
60
Der >Kriegseinsatz der Germanistik<
war ein Subprojekt des Großprojekts
>Kriegseinsatz der Geisteswissenschaften<, das 1940 vom Wissenschaftsministerium gegründet wurde.1 Die Oberleitung des Großprojekts hatte der Völkerrechtler und Rektor der Universität
Kiel, Paul Ritterbusch, der zu dem
Zweck zeitweise ins Wissenschaftsministerium versetzt wurde. Sein unmittelbarer Vorgesetzter im Wissenschaftsministerium, Rudolf Mentzel, war zugleich Leiter der >Deutschen ForP. Ritterbusch, B. Rust und R. Mentzel
schungsgemeinschaft< (DFG), die das
Projekt finanzierte. Der >Kriegseinsatz< war das einzige ernstzunehmende Forschungsunternehmen, das das Wissenschaftsministerium unter seinem Minister Bernhard Rust
überhaupt initiierte und relativ erfolgreich über die Bühne brachte. Der >Kriegseinsatz<
verfolgte explizit folgende Ziele:
1. Wissenschaft ist allein dem Volk, seinem Reich und das hieß nach damaliger
Sprachregelung faktisch seinem Führer verpflichtet. Das Universalitätsprinzip wird
abgelehnt.
2. Der Krieg wird zentral als Auseinandersetzung vor allem mit dem „westlichen“ Wissenschaftsverständnis begriffen.2 (Das „östliche“ stand wegen des Hitler-StalinPaktes nicht zur Debatte.)
3. Der Krieg gilt als Kampf mit dem Ziel einer Neuordnung Europas, die dann mit Hilfe
von Politik, Aufklärung und Wissenschaft zu sichern wäre.
4. Der Beitrag insbesondere der Geisteswissenschaften wird in der „inneren Front“
gesehen, d.h. in der Bekämpfung der weltanschaulichen Gegner im Reich.
5. Wichtig ist den Wissenschaftspolitikern dabei auch der Beitrag der Geisteswissenschaften zur Verbesserung der kulturellen Beziehungen zum Ausland.
6. Dieser wissenschaftspolitische Rahmen wird - damit nicht in Widerspruch stehend
– auffällig in Richtung Exaktheit ergänzt. Schon die Einladungen zu den ersten KETagungen artikulieren sich durchweg eindeutig in diese Richtung.
Das explizit – wenn auch nicht öffentlich – avisierte Ziel der Ausrichtung der Wissenschaften auf politische und militärische Zwecke brauchte 1940 in den Naturwissenschaften
nicht sonderlich thematisiert zu werden. Dort war diese Ausrichtung unter der Devise
>Ausrichtung auf den Vierjahresplan< schon 1937 durch den Reichsforschungsrat vollzo1 Zum >Kriegseinsatz der Geisteswissenschaften<, insbesondere dem der Geschichtswissenschaften s.
Schönwälder 1992 – Hausmann, Frank-Rutger: „Deutsche Geisteswissenschaft“ im Zweiten Weltkrieg. Die
„Aktion Ritterbusch“ (1940-1945). Dresden u.a. 1998 u.ö. vgl. a. http://homepages.unituebingen.de/gerd.simon/krieg1.htm
2 Nicht unerwähnt möchten wir lassen, daß im Rahmen des KE der Anglisten auch ein Slavist mitarbeitet,
allerdings mit einem bezeichnenden Titel: Oswald Burghardt: Forschungen über das Verhältnis der slavischen Völker zu Shakespeare. s. Überblick über die vom RFR unterstützten wissenschaftlichen Arbeiten
unter Beifügung der von der DFG auf den geisteswissenschaftlichen Gebieten geförderten Arbeiten. Rechnungsjahr 1940/41. Gräfenhainichen o. J., S. 90 (Dort auch die übrigen KE-Projekte von 1940 und 1941)
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61
gen worden - wenn auch getarnt; denn dass der Vierjahresplan der Rüstung und der Ermöglichung des Zweiten Weltkriegs dienen sollte, war zwar auch in Forscherkreisen alles
andere als ein Geheimnis, ausdrücklich aber nur geheimen Zusätzen zum Gründungsprotokoll zu entnehmen.1 Ritterbusch hatte im Reichsforschungsrat bereits die Abteilung
>Raumforschung< geleitet.2 Wenn man so will, sollte der >Kriegseinsatz der Geisteswissenschaften< die Ausrichtung durch den vom Militär dominierten Reichsforschungsrat nur
abrunden.
4.2
Der Kriegseinsatz der Germanistik.
4.21 Die Germanisten gehörten zu den ersten, die ihr Subprojekt
fertigstellten. Die fünf Bände >Von deutscher Art in Sprache und
Dichtung< fassten den damaligen Forschungsstand der Germanistik
in bewundernswertem Tempo und nicht zu verachtender Qualität
zusammen. Leiter des >Kriegseinsatzes der Germanistik< waren
Franz Koch und Gerhard Fricke.
4.211 Franz Koch (*21.3.1888) (s.Kap.2.31), 1935 aus Wien nach
Berlin berufen, Lektor im >Amt Schrifttumspflege< des >Amtes Rosenberg<, ein auch in seinen Veröffentlichungen (v.a. Goethe, mehrere Literaturgeschichten) krasser Rassist, hatte schon bald nach
Kriegsausbruch mit einer Denkschrift auf sich aufmerksam gemacht, die den Titel >Schweigen hiesse Verrat!< hatte, in der er
zusammen mit dem Wehrgeographieprofessor und späteren Major
Oskar Ritter von Niedermayer davor warnte, den Beitrag der Geisteswissenschaften zum
Kriege zu unterschätzen.
4.212 Gerhard Fricke (*20.8.1901) war zweifellos der fähigere Literaturwissenschaftler
(v.a. Kleist, ebenfalls eine Literaturgeschichte). Das Wissenschaftsministerium betrachtete
ihn wohl auch als den eigentlichen Macher, ließ die Finanzierung (6000 RM allein im Jahre 1940) zumindest über sein Konto laufen.3
Beide, Koch und Fricke, lebten und wirkten übrigens zeitweise in Tübingen, Fricke in den
letzten Tagen des Krieges, als die Universität Strassburg nach Tübingen verlegt wurde,
Koch seit Anfang der 50er Jahre, nachdem ihm seine Vergangenheit in seiner österreichischen Heimat keine Zukunft mehr versprach.
4.3
Hier einige Aussprüche und Zitate, die im Um- und Vorfeld des >Kriegseinsatzes
der Geisteswissenschaften< entstanden:
1 s. Deichmann 1992, u.ö.
2 Vorschlagsliste 31 für die Verleihung des Kriegsverdienstkreuzes … 29.7.42, BA ZW 438/3 Bl. 36-37
3 1941 erhielt das Subprojekt nach der Fertigstellung nochmals 6000 RM. Diesmal lief das Geld über das
Konto von Clemens Lugowski, der vor allem für die Veröffentlichung herangezogen worden war. Dass die
Germanisten so früh fertig wurden, zahlte sich übrigens keineswegs aus. Im Gegenteil, andere Subprojekte
wie die der Altertumswissenschaftler (18000 RM), Geschichtswissenschaftler (25000 RM), Geographen
(37500 RM), Orientalisten (20000 RM) oder auch der Anglisten (34000 RM), die z.T. ihre Arbeiten gar nicht
ins Publikationsstadium brachten, erhielten deutlich mehr. - Korrbl. DFG PA. Ritterbusch BDC
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62
4.301
„Die Notwendigkeit, alle vorhandenen Kräfte im Staatsinteresse zu höchster Leistung zu entfalten,
erfordert nicht nur im Frieden, sondern vor allem im Kriege den zusammengefassten Einsatz der wissenschaftlichen Forschung und ihre Ausrichtung auf die zu erstrebenden Ziele. […] Führende Männer
der Wissenschaft sollen auf ihren Sondergebieten in Gemeinschaftsarbeit in erster Reihe die Forschung für die Kriegführung fruchtbar gestalten."1
(Adolf Hitler: Führererlass zum 2. Reichsforschungsrat vom 15.6.42)
4.302
„Die grossen Aufgaben, die der Vierjahresplan an die deutsche Wissenschaft stellt, machen es notwendig, dass alle Kräfte auf dem Gebiet der Forschung, die der Erfüllung dieser Aufgabe dienen,
einheitlich zusammengefasst und planmässig eingesetzt werden. Durch solche Ausrichtung bestimmter Wissenschaftszweige auf das durch den Vierjahresplan gesteckte Ziel und durch eine
planmässige Stellung der Aufgaben und Verteilung der Mittel wird der Grundsatz der freien Forschung nicht angetastet, da die Freiheit der Forschung nicht in der Willkür der Aufgabenstellung
begründet ist. In einem geschichtlichen Augenblick, in dem der Forschung Ziele von gewaltigem Umfang gestellt sind, deren Erreichung für das Volksganze lebensnotwendig ist, bedarf es keiner besonderen Begründung, dass sich die Forschung mit besonderem Nachdruck gerade auf diesen Aufgabengebieten betätigen und damit gegebenenfalls weniger wichtige und weniger dringliche Aufgaben zurückstellen muss, auch dann, wenn deren Bearbeitung dem bisherigen Arbeitsgebiet des Forschers oder der überkommenen Übung der Mittelverteilung mehr entspricht. ..." 2
(Bernhard Rust: 16.3.37)
4.303
„In Organisation, Intensität und Fortschritt lebens- und kriegswichtiger Forschung hat sich Deutschland den gleichen Vorsprung gesichert wie auf dem Gebiete der rein politischen und militärischen
Bereitschaft. In diesen Krieg trat die deutsche Forschung innerhalb und ausserhalb der Hochschule
bereits mit einer klar abgegrenzten und schon lange vorbereiteten Aufgabe. Es bedurfte meist nicht
der umständlichen Umstellung auf unmittelbare lebens- und kriegswichtige Ziele. Diese Ziele waren
der deutschen Forschung schon seit Jahren durch das Gesamtprogramm des Vierjahresplans, durch
Sicherung der eigenen Ernährungsgrundlage wie durch den Ausbau der Wehrmacht gesteckt. Zum
planmässigen sinnvollen Einsatz der Menschen, Mittel und Einrichtungen wurde durch den Reichserziehungsminister der Reichsforschungsrat eingesetzt, dessen feierliche Verpflichtung in Gegenwart
des Führers und Generalfeldmarschalls Göring stattfand."3
(Hans Huber, SS-Sturmbannführer, Sicherheitsdienstler, als
Ministerialrat im Wissenschaftsministerium mit dem
>Kriegseinatz der Geisteswissenschaften< befasst, 1940)
4.304
„Was hilft uns denn die bedeutendste Erfindung, was nützt uns die grösste geisteswissen-schaftliche
Tat, wenn sie im Dienste des Feindes erfolgt ist, wenn sie denen allein zugute kommen soll, die uns
knechten und vernichten wollen? Nein, die Wissenschaft kann sich erst da ganz entfalten, wo sie die
Bindungen an ihr Volk erkannt hat und wo sie im Dienste eines politisch starken und freien Volkes
sich betätigt."
(Walther Schultze, Reichsdozentenbundsführer: Rede vom 21.1.38)4
1 Führererlaß Reichsgesetzblatt Nr. 64, 15.6.1942, 110. Im BAK NS 21/845 findet sich ein Entwurf des Erlasses, der nur in Geringfügigkeiten von diesem abweicht. Der Erlaß ist vollständig abgedruckt auch bei Zierold
1968, S. 237
2
Der ministerielle Erlass über die Bildung eines Forschungsrats., in: REM 1937 [= 1. Reichsforschungsrat],
S. 45
3 Huber 1940, S. 13 - s. die PA. im BDC. Danach gehörte H. schon 1923 der SA an. Später arbeitet er für
den Sicherheitsdienst.
4 Schultze 1939, S. 631
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63
4.305
„Es gilt zu erkennen, dass in unseren Tagen, in denen um Sein oder Nicht-Sein unseres Volkes überhaupt gerungen wird, zugleich um Sein oder Nicht-Sein des deutschen Geistes, deutscher Philosophie, Wissenschaft und Universität, ja, um die Wahrheit selbst gerungen wird."1
(Paul Ritterbusch, 1935, Rektor der Universität Kiel, Referent im
Wissenschaftsministerium, Leiter des >Kriegseinsatzes der
Geisteswissenschaften<, verwickelt in Himmlers Umsiedlungsaktionen)
4.306
„Alles sollte aus der kompromisslosen Situation des Krieges seinen Wert und Rang erhalten."
(Paul Ritterbusch: Wissenschaft im Kampf um Reich
und Lebensraum. Stgt. 1942, bes. S. 5)
4.307
„Das Volk gewinnt die W a h r h e i t seines Daseinswillens zurück, denn Wahrheit ist die Offenbarkeit dessen, was ein Volk in seinem Handeln und Wissen sicher, hell und stark macht. Aus
solcher Wahrheit entspringt das echte Wissenwollen. Und dieses Wissenwollen um-schreibt den
Wissensanspruch. Und von da her werden schliesslich die Grenzen ausgemessen, innerhalb deren
echtes Fragen und Forschen sich begründen und bewähren muss. Aus solchem Ursprung entsteht
uns die Wissenschaft. Sie ist gebunden in die Notwendigkeit des selbstverantwortlichen völkischen
Daseins. Wissenschaft ist daher die in solcher Notwendigkeit gebändigte erzieherische Leidenschaft,
wissen zu wollen, um wissend zu machen. Wissendsein aber heisst uns: der Dinge in Klarheit mächtig und zur Tat entschlossen sein."
(Martin Heidegger, der Philosoph, der der Führer des Führers sein
wollte, am 11.11.1933 die Frage beantwortend, was der Austritt
Deutschlands aus dem Völkerbund für die Wissenschaft bedeutet.)
4.308
„Die Erfordernisse des Vier-Jahres-Planes und der Wehrmacht gehören eben mit zu den wichtigsten
Dingen, die bei der Gestaltung des deutschen Hochschulwesens zu berücksichtigen sind."
(Walther Wüst, 1937 - Präsident der SS-Forschungsgemeinschaft "Das Ahnenerbe",
später Rektor der Universität München, stellvertretender Präsident der "Deutschen
Akademie" in München, der "mächtigste Sprachwissenschaftler, den es je gab.")
4.309
„Ich kann es nicht bedauern, dass dieser Krieg auch in die wissenschaftliche Arbeit hineingreift, sehe
vielmehr in der Möglichkeit, auch die Wissenschaft unmittelbar in den Dienst des Krieges und damit
des deutschen Volkes zu stellen, die Krönung der wissenschaftlichen Arbeit überhaupt."
(Ludwig Mühlhausen, - Keltologieprofessor, Nachrichtendienstler, Dozentenführer der Uni
Hamburg, Vorsitzender der "Deutschen Gesellschaft für keltische Studien", Leiter des
"Kriegseinsatzes der Keltologen", Abteilungsleiter im "Ahnenerbe" der SS, 1943)
1 Ritterbusch 1935, S. 11f.
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64
4.310
„Die Philosophie wird für uns in Zukunft nur möglich sein als begrifflich wissenschaftliche Ausformung der Grundsätze unserer Weltanschauung. Und alle philosophischen Begriffe und Kategorien,
welche diesen Grundsätzen entscheidend widersprechen, müssen so oder so überwunden werden.
Gegen alles Geschrei von der Knebelung des Geistes, von der Vergewaltigung der Wissenschaft und
der Philosophie müssen wir den Mut zu solchen Konsequenzen aufbringen. Damit ist zugleich eine
Bindung der Wissenschaft festgelegt, die wir für alle Kulturgebiete rücksichtslos durchzusetzen haben: die Bindung an das Schicksal unseres Volkes. Wissenschaftler, die ihr Denken und Forschen in
den Dienst des deutschen Schicksalkampfes stellen, wurden und werden mit höchsten Ehren des
Reiches ausgezeichnet. Umgekehrt scheuen wir uns keinen Augenblick, mit aller Härte gegen Wissenschaftserscheinungen und Wissenschaftler vorzugehen, welche sich am Lebenskampf unseres
Volkes vergehen. Wissenschaftlicher Landes- und Hochverrat ist für uns genauso zu sühnen wie ein
anderes Staatsverbrechen. Und wir scheuen nicht davor zurück, einen Landesverräter oder einen
Schädling des Volkes auch dann ins Konzentrationslager zu stecken, wenn er sich wissenschaftlicher Titel, Begriffe und Methoden bedient."
( Heinrich Härtle, 1939, Stellvertretender Leiter des Hauptamtes Wissenschaft im
Amt Rosenberg, Kritiker des >Kriegseinsatzes der Geisteswissenschaften)
4.311
„Die stille Studierstube des Gelehrten, fern ab vom Appell der Zwecke, bleibt weiterhin Vorhof der
Waffenschmiede."
(Kurt Stegmann, 1944 - Indogermanist, Leiter des >Kriegseinsatzes der Wissenschaft im Ostland<
sowie des Sonderreferats Wissenschaft und Kultur in Rosenbergs Ostministerium)
4.312
„Der gegenwärtige Krieg ist im besonderen Masse nicht nur eine militärische, sondern zugleich eine
geistig-kulturelle Auseinandersetzung, in der auch über die geistige Ordnung des kommenden Europa entschieden wird. Daher gilt es gerade auch für die deutsche Geisteswissenschaft, in dieser entscheidenden geschichtlichen Stunde aktiv zur Stelle zu sein, die geistespolitische Lage mit weiter
Sicht zu durchdringen und die Ideen vorzubereiten und zu klären, auf denen ein neues Europa politisch-kulturell errichtet werden kann. Neben den Naturwissenschaften, deren praktischer Einsatz
unmittelbar einleuchtet und in breitester Grundlage im Gang ist, hat die Geisteswissenschaft in diesem Entscheidungskampf um die deutsche und europäische Zukunft ihre eigene wichtige Aufgabe.
Indem auch sie sich entschlossen einreiht in die geistige Front des alle Deutschen fordernden Krieges, kämpft sie zugleich für ihre eigene, noch keineswegs unangefochtene Rechtfertigung und Neubegründung."1
(Franz Koch und Gerhard Fricke in ihrer Einladung an die Hochschulgermanisten
zur Beteiligung am >Kriegseinsatz der Germanistik<, 1940)
1 Franz Koch, Gerhard Fricke, Zum wissenschaftlichen Einsatz Deutscher Germanisten im Kriege. DLA Marbach, NL. W. Rehm sowie B. v. Wiese, auszugsweise zit. in: DLA 1983 Bd.1, S.261f. - s. a. die Ankündigung in der "Zeitschrift für deutsche Bildung" 16, 1940, 252 u. 299f., wieder abgedruckt in: Reiss 1973 Bd.II,
S. 133f. sowie Kindermann 1943 - Zu Koch s. Simon 1997c - Zu Fricke s. Seeliger 1964, Schoner, Haasis
1965, S. 43-53
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4.4
65
Nebenschauplatz: Der Kriegseinsatz der Keltologie in der Bretagne
Der in Lothringen geborene Johann Leo Weisgerber (*25.2.1899) studierte Sprachwissenschaft in Bonn, München und Leipzig und galt als „der originellste“ von allen Schülern des
bedeutenden Bonner Sprachwissenschaftlers Rudolf Thurneysen,1 bei dem er sein Studium 1923 mit einer sprach- und literaturgeschichtlichen Arbeit abschloss. Ein Jahr später
folgte seine Habilitationsschrift über "Sprache als gesellschaftliche Erkenntnisform", mit
der er sich neben Walter Porzig, Jost Trier und Georg Schmidt-Rohr als wichtiger Vertreter der Sprachinhaltsforschung hervortat. Weisgerbers These von der Muttersprache als
dem Ordnungsprinzip des Denkbaren wurde als „ausgezeichnet in jeder Hinsicht“ bezeichnet, der eine „bedeutende Zukunft“ beschieden sei. Es folgten Berufungen nach Rostock und Marburg, 1942 schliesslich die Versetzung nach Bonn auf den Lehrstuhl für Allgemeine Sprachwissenschaft und Keltologie.
Obschon sich Weisgerber später – er blieb auf dem Bonner Lehrstuhl bis zu seiner
Emeritierung 1967 – dagegen verwahrte, bewegten seine Forschungen sich im ideologischen Kontext des Nationalsozialismus. Er war in den 30er und 40er Jahren bemüht,
eben diese Nähe bei fast jeder Gelegenheit aufzuzeigen:
„Die Muttersprache bahnt den Weg, auf dem ein Volk sich seiner selbst bewusst
wird, die in den Bindungen des Blutes und des Lebensbodens angelegte Gemeinsamkeit zur geschichtlich wirksamen Gemeinschaft des Denkens und Handelns ausbaut und durch das Schaffen bleibender, allen lebenden und künftigen Volksgliedern
zu gute kommender Werte krönt."
Im Zweiten Weltkrieg war Weisgerber im Auftrag des Militärbefehlshabers, der Abwehr,
des Aussen- und Propagandaministeriums und schliesslich auch des SD in der besetzten
Bretagne tätig. Die Ziele seiner Arbeit dort sind im wesentlichen identisch mit jener des
"Germanischen Wissenschaftseinsatzes" in den Niederlanden, Belgien, Dänemark und
Norwegen:
• Pflege und Ausbau von Kontakten mit pro-deutschen völkischen Gruppen.
• Intensivierung der wissenschaftlichen Zusammenarbeit mit ideologisch und politisch
zuverlässigen Wissenschaftlern.
• Ausbildung einer neuen Generation von Wissenschaftlern, die in ihrer Arbeit auf die
Vorgaben der deutschen Wissenschaft ausgerichtet sind.
• Verbreitung des germanischen und keltischen Gedankens durch geeignete Propagandamaßnahmen und Werbung für die deutschen Pläne zur Neuordnung Europas
in den gebildeteren Schichten der Bevölkerung.
• Unterstützung der Freiwilligenwerbung für die Waffen-SS.
Die Einsätze deutscher Wissenschaftler in der Bretagne folgten derselben Ratio wie jene
in den 'germanischen Randländern': völkische und nationalistische Kräfte vor Ort zur Kollaboration in den Bereichen Wissenschaft, Kultur und Propaganda zu bewegen und einzubinden, gleichzeitig jedoch alle politischen Alleingänge dieser Gruppen zu verhindern.
1 s.. Dekan der Phil.Fak. Universität Rostock an Wissenschaftsministerium, 20.5.26 - UA Rostock - PA
Weisgerber Bl.15 – Zum Folgenden, v.a. zu Weisgerber und dem >Kriegseinsatz der Keltologen< s. Lerchenmüller, Joachim: „Keltischer Sprengstoff.“ Tübingen 1997 – Für die frühzeitige (Mitte 80er Jahre) Bereitstellung von Kopien aus der Akte Weisgerber des UA Rostock danken wir Carsten Klingemann.
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66
4.41 Als Sonderführer bei der Propaganda-Abteilung in
der Bretagne war Weisgerber verantwortlich für den
Aufbau eines bretonisch-sprachigen Radioprogramms
– ein Novum in Frankreich und somit ein Propagandacoup, der der deutschen Besatzungsmacht in nationalistischen Kreisen reichlich Sympathie eintrug. In Rennes
wurde ein „Keltisches Institut der Bretagne“ eingerichtet, dessen Leiter ein führender bretonischer Separatist
und persönlicher Freund Weisgerbers wurde: Roparz
Hémon, der auch unter dem Alias Louis Némo firmierte.
Bis Mai 1944 führte dieses Keltische Institut fünf Kongresse durch, bei denen mehrere hundert „führende
Persönlichkeiten aller kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Vereinigungen des ganzen Landes" (der
Bretagne) als Mitglieder gewonnen wurden.
Die Arbeit Weisgerbers wurde in Deutschland
komplementiert durch 'wissenschaftliche' Einsätze anderer deutscher Keltologen wie Hans Hartmann (der
nach dem Krieg Professor in Hamburg wurde) und vor
allem Ludwig Mühlhausen, der 1935 den Lehrstuhl für
keltische Philologie an der Universität Berlin übernahm,
nachdem er maßgeblichen Anteil an der Entlassung
seines Vorgängers hatte, dem Indogermanisten Julius Pokorny. Mühlhausen, zugleich
Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für keltische Studien, eines Vereins dessen
Gründung 1936 schon im Dunstkreis der Geheimdienste (Abwehr und SD) erfolgte, wurde
1943 zum Leiter des „Germanischen Wissenschaftseinsatzes in Frankreich (im Aufbau)"
berufen und kurz darauf unter der Obhut des SD nach Frankreich geschickt. Sein Sonderkommando dort: „Bearbeitung bestimmter in den germanischen Kreis fallender Probleme."
4.42 Die keltologische Arbeit in der
besetzten Bretagne wurde von der
DFG finanziert1 und genoss die volle Unterstützung Werner Bests, der
als Chef der Sicherheitspolizei und
des Sicherheitsdienstes beim Militärbefehlshaber in Frankreich für
die Bekämpfung des Widerstandes
zuständig war. Bests Einschätzung
der Arbeit Weisgerbers:
„[Ich sehe] die keltistische Arbeit unter den Gesichtspunkten des politischen Fernzieles, die keltischen Völker
Westeuropas an die neue europäische Ordnung zu binden und für die unter deutscher Führung entstehende Völkergemeinschaft zu gewinnen, als kriegswichtig und
notwendig [an]."2
Nach der alliierten Invasion im Juni 1944 verlagerte Weisgerber seine Arbeit an die Universität Bonn. Zahlreiche kollaborierende bretonische Wissenschaftler begleiteten ihn.
Weisgerber versuchte, seine Arbeit im Rahmen eines an der Bonner Universität zu errichtenden keltischen Studienzentrums fortzusetzen, das „[...] den Zusammenhalt und die
Einsatzmöglichkeiten der im Reich lebenden Bretonen sichern soll. Damit wäre zugleich
erreicht, dass man für Arbeiten abwehr- und propagandamässiger Art einen günstigen
1 Die Abbildung zeigt einen Aktenvermerk des Referenten Griewank für den Präsidenten der DFG Mentzel,
der die politische Funktion der Arbeit Weisgerbers klar herausstellt. - BAK - R 73/15585
2 Best an DFG, 8.5.42 - BAK - R 73/15142
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67
Ansatzpunkt hätte [...], um jeweils die Kräfte verfügbar zu machen, die für eine militärische
oder politische Aufgabe gebraucht werden könnten.“1
Bis Kriegsende war Weisgerber zuständig für die Betreuung bretonischer Kollaborateure - und zwar sowohl der Wissenschaftler als auch der bretonischen Freiwilligen, die
sich in der „Bretonischen SS“ zusammengefunden hatten. Es handelte sich dabei vorwiegend um die Mitglieder der 'Formation Perrot', des paramilitärischen Flügels des Parti National Breton, der sich Ende 1943 den Deutschen zum Kampf gegen die Résistance zur
Verfügung stellte und in die Waffen-SS eingegliedert wurde. Der letzte Standort der „Bretonischen SS“ war Tübingen.2
5. Parlez-vous deutsch?
Das Elsass und andere besetzte Gebiete im Zweiten Weltkrieg
5.1
Der Deutsche Sprachverein und die Entwelschungsmanie
Hundert Jahre nach der Erfindung des Buchdrucks im 15. Jahrhundert entstehen die ersten Grammatiken der deutschen
Sprache, die über weite Strecken Normierungsfunktion hatten.
Weitere hundert Jahre später existieren in Deutschland nach
ausländischem Muster bereits mehrere Sprachgesellschaften.
Die erste, die nicht nur regional wirkte, der >Allgemeine deutsche Sprachverein<, wird 1885 in Dresden gegründet.3 Im Verhältnis zu manchem Vorgänger scheint dieser Verein eher gemässigt: „Kein Fremdwort für das, was deutsch gut ausgedrückt
werden kann!“ ist sein Schlagwort.
5.11 Der Gründer und erste Leiter des
Vereins, Herman Riegel, seinerzeit ein
bekannter Kunsthistoriker, steigert aber
nicht nur die Allianz mit Nationalismus
und Chauvinismus, sondern fordert bereits für die Werke von Sprachsündern „Geldbussen, Gefängniss
und Vernichtung“. In Potsdam in militaristischer Umgebung geboren, überlässt Riegel die außenpolitischen Implikationen des
sprachpflegerischen Gedankenguts noch den Politikern. Seine
Nachfolger, ausgediente Militärs, kennen aber schon keine Hemmungen mehr, die deutschen Sprachinseln und die AuslandsdeutHerman Riegel
schen überall auf der Welt als Brückenkopf für expansionistische
Gelüste anzusehen. Im Ersten Weltkrieg kommt es bereits zu Geldbussen und Gefängnis
für Sprachsünder.
1 Weisgerber an Rektor Universität Bonn, 23.8.44 - UA Bonn - PA Weisgerber Phil.Fak.
2 s. Lerchenmüller 1994, Bd. 2, S. 219ff)
3 Zu diesem Kapitel s. Ehlich 1989 sowie die dort angegebene Literatur. – Vgl. a. http://homepages.unituebingen.de/gerd.simon/muttersprache1.htm
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68
5.12 Der Erfolg des Sprachvereins hätte mit der Kritik der Berliner
Akademie um Erich Schmidt (s.Kap.1.11) möglicherweise ein jähes
Ende gefunden, wenn sich Riegel nicht frühzeitig mit Rudolf Hildebrandt verbunden hätte. Hildebrandt (*13.3.1824) war Schüler von
Moritz Haupt und Nachfolger der Brüder Grimm in der Bearbeitung
des >Deutschen Wörterbuchs<. Sein 118 Spalten langer Artikel
'Geist' in diesem ersten Grossprojekt in der Geschichte der Germanistik wurde – auch separat als Buch erschienen – lange Zeit als
vorbildlicher Massstab lexikographischer
Forschung angesehen.
Rudolf Hildebrandt
Hildebrandt, der ursprünglich Politiker werden wollte und kurze Zeit Journalist war, hatte als Lehrer an der Thomasschule in Leipzig lange vor Dilthey
und Spranger eine am Erlebnisgedanken orientierten Didaktik geschrieben („Vom deutschen Sprachunterricht“, 1867), die weit über
die Grenzen der Germanistik und Deutschlands hinaus wirkte.
Im Alter betätigte er sich wieder als Journalist und veröffentlichte
in der Zeitschrift >Die Grenzboten< eine Serie mit dem Titel: „Tagebuchblätter eines Sonntagsphilosophen“. Alles, was er schrieb,
war aber durchsetzt von einer „leidenschaftlichen Vaterlandsliebe“,
und diese war wohl auch der Grund für sein Engagement für die
Reinheit der deutschen Sprache. Er war es, der in den Anfängen dem Sprachverein die
sprachwissenschaftliche Fundierung lieferte.
5.13 Eduard Engel (*12.11.1851) studierte 1870-73 in Berlin allgemeine Sprachwissenschaft, klassische und romanische Philologie
und promovierte 1874 in Rostock mit einer lateinischen Dissertation
zur Syntax des Altfranzösischen. Schon während seiner Studienzeit
wurde er amtlicher Stenograph im Deutschen Reichstag (von 18711919). Von 1879 bis 1883 war er daneben Schriftleiter des >Magazins für die Literatur des In- und Auslandes<. Auf Reisen quer durch
Europa und die Vereinigten Staaten freundet er sich mit Zola, Daudet, Keller und anderen Dichtergrössen an; er macht auf Fontane
und Liliencron aufmerksam. Er ist gefürchtet wegen seiner Verdikte,
von denen auch Hauptmann und Rilke nicht verschont bleiben.
Engel war ein Bestseller-Autor: Mit den fünf meistverkauften seiner
Arbeiten erreichte er die Höhe von 200 Auflagen mit rund 600.000
Exemplaren. Insgesamt dürften es über eine Million gewesen sein.
Seine "Stilkunst" entwickelt sich zur heimlichen Bibel der Sprachpfleger: Sie erlebte 16 Auflagen innerhalb des ersten Erscheinungsjahres. Seine beiden deutschen Literaturgeschichten (er schrieb auch eine französische, eine englische und eine
nordamerikanische) wurden mindestens 200.000 Mal verkauft. Seine Maßstäbe waren
Shakespeare und Goethe, denen er eigene Monographien widmete.
Obwohl seine Germanophilie sich manchmal sogar an der Grenze des Geniessbaren bewegte, erregte er im rechten Lager alsbald heftige Kritik, insbesondere beim Dichter
und Verfasser einer anderen Literaturgeschichte: Adolf Bartels. Einziger Grund: Engel war
jüdischer Herkunft. Infolge eines Pamphlets, das 1936 im Rahmen des Reichsberufswettkampfs der HJ entstand und ausgezeichnet wurde, setzte eine beispiellose Hetzkampagne gegen Engel ein. Der Verfasser dieses Pamphlets, Gerhard Baumann machte alsbald
im Propagandaministerium Karriere. Engel nahm sich 1938 das Leben.
Engel war von dem „Vorsitzer“ – so hiess das in dieser sprachpflegerischen Organisation – des Sprachvereins Richard Jahnke 1933 zum Ehrenvorsitzer vorgeschlagen
worden, obwohl er kein Mitglied des Sprachvereins war. Jahnke, ein konservativer NSZur Mainsite: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/portal/GIFT/
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Kritiker, starb aber kurz darauf. Der neue Vorsitzer, Rudolf Buttmann, hat diesen Vorschlag nicht weiter verfolgt. Engels Buch 'Entwelschung' wurde in den fünfziger Jahren
von dem Geschäftsführer der Sprachvereins-Nachfolgerin, der >Gesellschaft für deutsche
Sprache<, Lutz Mackensen, in Kenntnis dieser Umstände unter neuem Titel wieder aufgelegt.
5.14 Rudolf Buttmann (* 4.8. 1885) war im 3. Reich der Vorsitzer
des Sprachvereins. Er studierte Rechts- und Sprachwissenschaft,
promovierte 1910 in München und schlug dann die Bibliothekslaufbahn ein. Er gehörte in der Frühzeit zum engsten Kreis um Hitler.
Zusammen mit Roehm, Frick, Feder, Streicher u.a. verhilft er dem
„Führer“ nach der Haft in Landsberg 1925 zum Wiedereinstieg in
die Politik.1
In der Weimarer Republik Abgeordneter
der Nationalsozialisten im bayrischen Landtag, später sogar im Reichstag2, war er in
den ersten beiden Jahren nach der Machtergreifung im Innenministerium für Kirchenfragen, aber auch für Sprache und Schrift zuRudolf Buttmann
ständig, mässigte sich im Laufe der Zeit immer mehr, so dass er 1935 auf den Posten
des Bibliotheksleiters der Münchener Staatsbibliothek abgeschoben wurde.3 1941 lehnt Hitler bezeichnenderweise Buttmanns Antrag auf eine Dienstauszeichnung der NSDAP ab.4 1944 wird offen
die Frage gestellt, wieso Buttmann noch Mitglied des Grossdeutschen Reichstags sei.5
1 Schäfer 1957, S. 8f. – Zu Buttmann s. Simon, Gerd: >Buchfieber<. Tübingen 2006, 3. Auflage unter:
http://w210.ub.uni-tuebingen.de/volltexte/2008/3602/
2 s. Buttmann 1928
3 Darum geht es in der PA. Buttmann, BDC - "Reichsstatthalter in Bayern." Vgl. Scholder 1985, Bd. 2, S. 44,
59 und 62.
4 Marrenbach an Ad. Wagner, 4.2.41, PA. Buttmann, BDC - "Parteikanzlei" - Bergoldt an Gaupersonalamtsleiter, 19.2.44, ibid. u. ö.
5 Bergoldt an Gaupersonalamtsleiter, loc. cit.
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70
Buttmann war stolz darauf, dass sein Sprachverein 1940 an der „Rückdeutschung“
des Elsasses mitwirken konnte. Rückdeutschung hiess damals, dass die Elsässer z.B.
gezwungen wurden, ihre französischen Bücher auf den Scheiterhaufen der Sonnenwendfeiern 1940/41 zu verbrennen (s.
Kap.5.2). So wenig hier also von einer späten
Läuterung gesprochen werden kann, muss
Buttmann dennoch als ein Politiker zwischen
allen Stühlen skizziert werden, der sich lediglich an seinem Vorgesetzten Conrad orientierte, von dem Gleiches zu sagen wäre. Als Conrad schon Ende Januar 1934 das Kirchenreferat entzogen wurde, war auch Buttmanns
Verbleiben im Innenministerium nur noch eine
Frage der Zeit.1
1941 veranstaltet Buttmann als Generaldirektor in seiner Bayrischen Staatsbibliothek in
München eine Ausstellung zum Elsass. Auf
die Bücherverbrennungen geht der Katalog
nicht ein. Das war auch nicht zu erwarten.
Ausserhalb des alemannischen Gebiets werden die Bücherverbrennungen im Elsass auch
sonst kaum thematisiert.
Das Titelbild des Katalogs zeigt Hitler und
Gauleiter Wagner, geb. Backfisch, vor
dem Strassburger Münster
1 Scholder 1985, Bd.2, S. 62.
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71
5.15 Ewald Geissler (*18.1.1880) hatte in Erlangen die einzige
Professur für Rhetorik, genauer für „deutsche Sprachkunst" im
3. Reich inne.1 Er begann seine universitäre Laufbahn 1906 in
Halle als Lektor für Vortragskunst. Schon in frühen Publikationen kehrt er seinen Rassismus heraus. Den Ersten
Weltkrieg begrüsst er mit der Schrift: „Was ist deutsch. Versuch einer Selbstbesinnung im Deutschen Kriege". Der Krieg
sei gleichermaßen Dienst am Vaterland wie an der Sprache.
Der Militarismus sei „eine der besten Stilschulen überhaupt."
Auch der Ruf nach einem Führer, der dem deutschen Volk die
Entscheidungen abnimmt, ist schon in dieser Schrift unüberhörbar. Die Menschenrechte hält er für „in der Luft hängende
Gespinste." Die seit der Antike nicht in Frage gestellten Regeln
der Rhetorik will er vom Kopf auf die Füße stellen.
Dem Sprachverein bringt er neue Argumente. Der Deutsche könne ein Fremdwort zwar „mit dem Gehirn verstehen,
aber nicht herznah umfühlen," weil es „nicht von unserem
eigenen Blute durchpulst" werde. Die Drohne will er in der Drohn verwandelt sehen. Genus
und Sexus verwechselt er nur in diese Richtung. Luise Puschs „wer glaubt, sie sei mit 'wer'
gemeint, die irrt sich" wäre für Geissler sicher kein Anlass gewesen, in die Sprache analog
einzugreifen.
Geisslers Flugschrift >Sprachpflege als Rassenpflicht< verbreitet der Sprachverein unentgeltlich und in Massen. Ironischerweise bekommt Geissler gerade mit dieser extrem rassistischen Schrift Schwierigkeiten. Die Germanisten Ochs und Metz von der Universität Freiburg, letzterer in seiner Funktion als Rektor, protestieren gegen die „Verunglimpfung" Johann
Peter Hebels (des Namengebers des vom badischen Reichsstatthalter gestifteten HebelPreises) als „ostisch“, „betulich“ und „hausbacken“. Der Vereinsvorsitzer Buttmann verteidigt
Geissler tapfer, weist darauf hin, dass der berühmte Rassen-Günther, der in Freiburg einen
Lehrstuhl hat, nichts anderes sage, als dass Hebel sich auch gegen den südtiroler Nationalhelden Andreas Hofer versündige und in Moses Mendelssohn einen Juden verherrliche. Aber
es nützt nichts. Der ohnehin durch eine Goebbels-Rede in die Kritik geratene Sprachverein
muss nachgeben. Sowohl das Wissenschaftsministerium als auch die Reichsschrifttumskammer werden so deutlich, dass Geissler einlenkt. Es war sowieso nur Spiegelfechterei,
denn die Flugschrift war längst verteilt.
Die Episode wird dazu beigetragen haben, dass Geissler lange zögerte und schliesslich
ablehnte, als ihm die von Goebbels dominierte >Deutsche Akademie< in München das ehrenvolle Angebot machte, das frisch von ihr ins Leben gerufene Sprachamt zu leiten. Der spiritus
rector dieser neuen Einrichtung Erich Gierach zu Geissler: „Sie werden Sprachpapst! Lockt
Sie das nicht?"
5.2
Der Sonnenwendkult und die Zwangsbücherverbrennung im Elsass
Der Sprachverein ist im Zweiten Weltkrieg politisch wieder gefragt. In Kombination mit der
Wiederaufnahme alten Brauchtums liefert er im Rahmen der Germanisierung besetzter
Gebiete das Gedankengut und die Argumentation für einzigartige Vernichtungsaktionen in
der Geschichte des Buches. In Polen, in der Tschechoslowakei und in Elsass-Lothringen
werden diese Vernichtungsaktionen unterschiedlich gehandhabt und auch benannt. Im
Elsass gebraucht man statt des Begriffs "Germanisation" – so nennen es die Franzosen –
den von Eduard Engel geprägten Ausdruck "Entwelschung". Die Entwelschungs-Kampagne umfasste die Eindeutschung von:
Orts-, Strassen- und Personennamen
Geschäftsschildern (nach Zahlung einer "Fremdwortsteuer" konnten Ausnahmen
1 Zu Geissler s. Ross 1994, v.a. S. 32-58 – http://homepages.uni-tuebingen.de/gerd.simon/Rhetorik1.htm
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gemacht werden)
Denkmälern, Gedenktafeln und Grabsteinen
Bezeichnungen auf alltäglichen Gebrauchsgegenständen (z.B. ‘sel’ und ‘poivre’
auf Ge-würzfässern, ‘chaud’ und ‘froid’ auf Wasserhähnen)
Begrüssungs- und Abschiedsformeln (‘bonjour’, ‘au revoir’)
Vor allem aber wurden die Elsässer gezwungen,
sämtliche französischen Bücher und ihre Übersetzungen aus ihren Häusern und Bibliotheken zu
entfernen. Auf den Sonnenwendfeiern der Jahre
1940 und 1941 wurden zu dem Zweck Scheiterhaufen errichtet, deren Flammen diese Bücher zum
Opfer fielen. Wer nach der Sommersonnenwende
1941 noch mit einem dieser Bücher angetroffen
wurde, dem drohte das Sicherungslager Schirmeck. Die Einlieferung in dieses Privat-KZ des
Gauleiters Wagner war damals bereits auf Grund
einer Denunziation ohne Gerichtsverfahren gang
und gäbe.
5.3
Die Germanisierung in der Karikatur
Diese aus Dänemark stammende Karikatur
bringt auf den Punkt, wie die besetzten
Länder die Germanisierungsaktionen
beurteilten.
„Dummer Däne! Du müßtest uns dankbar
sein, dass wir Dir echt arische
Gesichtszüge verpassen.“
(Okt. 1943, Gustav Osterberg)
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5.4
73
Weisgerber und das Elsass
Wie wenig sich in Deutschland an der Grundhaltung, die der
Germanisierung zugrunde lag, geändert hat, ist unverblümt
diesem 1975 erschienenen Buch des „Linguisten-Papstes“ der
30er bis tief in die 60er Jahre Johann Leo Weisgerber zu entnehmen. Nur ein Zitat unter vielen:
„Auf das Verlangen einer Minderheit [gemeint ist: der Elsässer und Lothringer] nach Volksschulunterricht in ihrer Muttersprache gab es zur Antwort, die Betroffenen sollten sich
doch freuen, daß sie so billig in den Besitz einer Weltsprache [gemeint ist: des Französischen] kämen und diese
Wohltat dankbar annehmen. Ist es so unverständlich, daß
unter dem Dank für diese Wohltat auch einige Bomben waren?"
(Um Missverständnissen vorzubeugen: Unsere Kritik an der NS-Sprachpolitik ist keine Rechtfertigung der
französischen Sprachpolitik. "Tit for tat" ist eine von uns abgelehnte Argumentationsstrategie.)
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74
6.
Die ideologischen und politischen Funktionen der Dialektologie
6.1
Der >Deutsche Sprachatlas<
gründete 1921 das sog. >Wörterbuchkartell<, das die Wörterbuchkanzleien der Dialektwörterbuch-Unternehmen zusammenfasste. Es rief
mehrere neue Wörterbuch-Projekte
ins Leben, u.a. das >Hessen-Nassauische Wörterbuch<, an dem Anneliese Bretschneider mitwirkte.
Das zweite Grossprojekt in der germanistischen Linguistik war der Marburger
Sprachatlas.1 Von Georg Wenker 1876
begründet, beschäftigte er schon in den
unmittelbar folgenden Jahren meist mehrere Lehrer an über 30000 Orten, beginnt
aber erst 50 Jahre später zu erscheinen.
1888 wird er verstaatlicht, dem Preussischen Kultusministerium unterstellt und
nach
Süddeutschland
ausgedehnt.
Herrmann Fischer hatte die Leitung des
>Südwestdeutschen Spachatlas<, dessen Sammlung die hier gezeigte Wortkarte entstammt. Wesentliche noch heute gültige Methoden hat der lange Zeit in
Tübingen, später in Reutlingen und zuletzt in Stuttgart wirkende Dichter, Maler,
Romanist, Weltreisende und Erfinder
einer Weltschrift Karl Haag in die Dialektologie eingeführt.
Nach Wenkers Tod wird dessen Mitarbeiter Ferdinand Wrede 1912 die Oberleitung des Sprachatlas übertragen. Dieser
6.2 Anneliese Bretschneider kommt
– wie erwähnt (s. Kap. 2.624) – aus
dem Marburger Sprachatlas. Sie
fertigt in Luise Bertholds >HessenNassauischem Wörterbuch< die
Wortkarten an. Es sind die ersten,
die überhaupt einem Wörterbuch
beigefügt wurden. Als Deutschland
1939 in Polen einmarschiert, dient
Bretschneider dem Auswärtigen Amt
über die ihr bekannte Frau Ribbentrop ihre Mitarbeit an und verweist
1 Zur Geschichte des Sprachatlas haben wir mit besonders grossen Gewinn die nichtpublizierte Magisterarbeit von
Stefan Wilking 1992 verarbeiten können.
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auf die politische Verwertbarkeit des Sprachatlas und des von ihr begründeten >Brandenburg-Berlinischen Wörterbuchs< im Hinblick auf Gebietsansprüche gegenüber Polen.
6.3 Das >Lautdenkmal reichsdeutscher Mundarten zur Zeit Adolf Hitlers< war ein Geburtstagsgeschenk des >Reichsbunds der deutschen Beamten< zum 20.4.38, Hitlers 49. Geburtstag.1 Es bestand aus 300 solcher Schallplatten mit Mundartaufnahmen aus allen Regionen Deutschlands, einige mit Lobgesängen auf das Geburtstagskind, die unter der Leitung von Julius Vogel und Fritz Debus „unter wissenschaftlicher Beihilfe" des damaligen Sprachatlas-Leiters Walther Mitzka und dessen wichtigsten
Mitarbeiters Bernhard Martin zustande kamen.
Letztere durften auch bei der Überreichung des
Geschenks anwesend sein. Wegen der Missachtung von Staatsgrenzen folgen alsbald Proteste
der polnischen Regierung. Nach dem Einmarsch
in Österreich wurde das Unternehmen vom 5. April
1938 an in der „Ostmark“ – wie Österreich anfangs
noch offiziell hieß – „unter wissenschaftlicher Beihilfe" von Alfred Pfaff und Eberhard Kranzmayer
fortgesetzt. Nach dem Einmarsch in die Tschechoslowakei werden die Aufnahmen auch auf das Sudetenland ausgedehnt. Insgesamt entstanden so
360 Schallplatten. Aufnahmen wurden im 2. Weltkrieg auch von umgesiedelten Volksdeutschen gemacht. Der Leiter und Gründer des
>Deutschen Spracharchivs< Eberhard Zwirner (s. Kap. 8) hat die Schallplatten anschließend statistisch ausgewertet.
6.4 Bruno Schweizer (*3.5.1897) hatte seine Ausbildung als Dialektologe – wie die
meisten Dialektologen bis in unsere Tage –
im Marburger >Sprachatlas< erhalten, war
aber einer der wenigen unter ihnen, der
sich politisch an Himmler und dessen SS,
jedenfalls nicht an Rosenberg orientierte.2
Zusammen mit Theodor Elwert (*20.12.
1906) und Matthias Insam (*1.2.1905), der
allerdings nach einer anderen Methode arbeitete, organisierte er nach dem SüdtirolAbkommen zwischen Mussolini und Hitler
vom 21.10.1939 vor der Umsiedlung der
Südtiroler (sie sollten je nach Kriegslage
ein Gebiet in Böhmen, Burgund oder auf
der Insel Krim erhalten, kamen aber nur in
Einzelfällen aus den Nordtiroler Elendslagern heraus) die Mundartaufnahmen.
1 Zum Lautdenkmal s. Lebede 1938 - Kranzmeyer 1939 u.a.
2
Zu Schweizer s. http://homepages.uni-tuebingen.de/gerd.simon/ChrSchweizer2.pdf
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Später dehnte Schweizer seine Aufnahmetätigkeit in die Gottschee aus, einer deutschen Sprachinsel im heutigen Slowenien. Das Unternehmen in der Gottschee unterstand
dem vor wenigen Jahren in Tübingen gestorbenen Geographen und Kirchenbuchspezialisten Hans Schwalm (*16.8.1900).1
Schweizer war zudem Islandist, Heimatforscher2 und Spezialist für germanische >Sprachreste< (insbesondere für das so genannte >Zimbrische< in Oberitalien3), ein höchst umtriebiger Hans-Dampf-in-allen-Gassen, der sich in schwierigen Situationen damit aus der
Klemme zu helfen verstand, daß er behauptete, Himmlers Klassenkamerad zu sein, ein
bei aller Weltfremdheit mit durchaus praktischer Fantasie begabter Ideenlieferant, auf den
manche Aktion des >Ahnenerbes< zurückging, aber auch ein bei aller Involvierung ins
System mit >Restmoral< behafteter Aufbegehrender, wenn es darum ging, sich z.B. für
die „Zimbern“ in den Gefangenenlagern für Italiener einzusetzen.
1
Zur Gottschee im 3. Reich s. http://homepages.uni-tuebingen.de/gerd.simon/gottschee.pdf
2 Er ist Begründer und langjähriger Leiter des Diessener Heimatvereins gewesen.
3 s. Schweizer 1939 - Schweizer 1942 (Diese Jahresausgabe gibt die Zeit des Drucks wieder). Diese in zimbrischer
Sprache verfasste Grammatik erschien erst im Spätherbst 1944, als wegen der Papierknappheit bereits mit wenigen
Ausnahmen vor allem alle geisteswissenschaftlichen Veröffentlichungen untersagt waren! Vermutlich machte Himmler
es möglich.
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77
7.
Das >Ahnenerbe< der SS und der >Germanische Wissenschaftseinsatz<.
7.1
Entstehung und Geschichte des Ahnenerbes.
7.11 Stempel des >Ahnenerbes< mit der "Irminsul" –
in der germanischen Mythologie die Weltesche, um
die sich alles dreht – und dem zur Sig-Rune stilisierten Namenskürzel „Si“ des Reichsgeschäftsführers
(wie sich der Generalsekretär ab 1937 auf Einwirkung des Deutschen Sprachvereins nennt) Wolfram
Sievers. Auch andere >Ahnenerbe<-Wissenschaftler
stilisieren das S in ihrem Nachnamen auf ähnliche
Weise (z.B. Hans Ernst Schneider).
Das >Ahnenerbe< der SS, 1935 von Himmler,
dem Bauernführer und Leiter des Rasse- und Siedlungshauptamts Darré und dem ersten Präsidenten,
dem holländischen Privatgelehrten Herman Wirth
gegründet, entwickelte sich im
Zweiten Weltkrieg zur größten
nichtstaatlichen Forschungseinrichtung im 3. Reich. Geschäftsführer dieser Institution, die direkt
oder indirekt fast alle Fächer staatlicher Hochschulen (Kernfächer:
Germanenkunde und Vorgeschichte) umfasste, deren Abteilungen
über das gesamte Reich zerstreut waren und deren Unternehmungen und Pläne die meisten besetzten Länder und manchmal
auch Länder jenseits der Front (Tibet) betraf, war von Anfang an
Wolfram Sievers.
Wolfram Sievers
7.12 Herman Wirth und die nationalsozialistische Symbolforschung
Herman Wirth (*6.5.1885) sah sich als Begründer der Symbolforschung. Er machte mehrere Reisen vor allem nach Skandinavien.
Die Abgüsse der dort gefundenen Symbole präsentierte er bis
1937 in Ausstellungen. Dann verbot ihm das Himmler, der noch
kurz zuvor eine solche Ausstellung eröffnet hatte. Heute befindet
sich die Abguss-Sammlung – nach einem missglückten Anlauf, sie
dem Landkreis Kusel (Rheinland-Pfalz) anzudienen – im „Österreichischen Felsbildermuseum“ in Spital am Tyhrn, wo sich Eberhard
Baumann und Ernst Burgstaller in ungebrochener Verehrung für
diesen Vorläufer und Parteigänger der Nationalsozialisten einsetzen.1
Wirth war schon in den 20er Jahren als Freund der NationalHerman Wirth
sozialisten mit abenteuerlichen Thesen vor allem über die Symbole
der Germanen aufgetreten. 1933 brachte er Auszüge aus der
scheinbar in altfriesischer Sprache verfassten >Ura-Linda-Chronik< in deutscher Übersetzung heraus, obwohl holländische Gelehrte sie bereits kurz nach ihrer Erstveröffentlichung
1872 als Fälschung identifiziert hatten. Als herauskam, dass Wirth seine Forschungen
durch Juden finanzieren liess, distanzierte sich Rosenberg öffentlich von ihm. Himmler
aber meinte, gerade so müsse man es machen, und baute ihn zum großen Alternativwissenschaftler auf. In der öffentlichkeitswirksamsten Podiumsdiskussion in der Geschichte
1 Baumann - vgl. a. Hake 1981 – Zur Ura-Linda-Chronik s. http://w210.ub.uni-tuebingen.de/volltexte/2008/3602/
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der Germanistik erlitten Wirth und andere Himmler-Leute (Wüst,
Huth) durch Arthur Hübner und andere Rosenberg-Leute 1934 eine vernichtende Niederlage (s. Kap. 2.622). – Einer der Gründe,
weshalb Himmler schließlich wenigstens eine private Forschungsgesellschaft anstrebte. Der erste Präsident des >Ahnenerbes<
Herman Wirth war eine Art Gallionsfigur vor allem für am „Nordischen Gedanken“ orientierte Geldgeber (wie Mathilde Merck, Frau
des Darmstädter Pharma-Industriellen Merck, oder Ludwig Roselius, Erfinder und Hersteller von Kaffee Hag, Mäzen der Worpsweder Künstlerkolonie um Paula Modersohn-Becker und Bernhard
Hoetger, Erbauer der Bremer Böttcherstrasse), offenbar aber von
vornherein auf Himmlers Abschussliste. Mit Hitlers „Boettcherstrassen-Rede" vom 31.8.1936 bestand auch ein äußerer Grund,
Wirth aus dem Verkehr zu ziehen.1
Himmler hält freilich an der Echtheit der >Ura-Linda-Chronik< fest. Er setzt sogar
eine >Ahnenerbe<-Kommission ein, die die Echtheit der von Wirth gekennzeichneten Teile erweisen soll. Wichtigster Bearbeiter ist der Mediävist Otto Mausser, der aber stirbt,
bevor seine Arbeit fertiggestellt ist. Zugleich unterbindet Himmler alle Publikationen zum
Themenbereich. Spätwirkung: die >Ura-Linda-Chronik< und die Podiumsdiskussion von
1934 sind heute nahezu vergessen.
7.13 Nachfolger von Wirth wurde der Münchner Indoiranist Walther
Wüst (*7.5.1901). Wüst beherrschte die akademischen Blufftechniken so perfekt, dass ihm sogar heutige Wissenschaftsforscher wie
Michael Kater auf den Leim gingen.2
Dabei hätte Wüsts >Vergleichendes und etymologisches
Wörterbuch des Alt-Indoarischen (Altindischen)<3 auf dem sich sein
früherer Ruhm fast ausschliesslich gründete, den aufmerksamen
Leser aufhorchen lassen müssen. Das Wörterbuch enthält nur drei
Eintragungen auf elf Seiten und eine 197 Seiten lange Einleitung.
Mehr ist nie erschienen. Wüst macht schon vor der Machtergreifung
und erst recht im 3. Reich eine Bilderbuch-Karriere:
Walther Wüst
1 Diese Rede war auch der Grund, weshalb die Kunst des NSDAP-Mitglieds Hoetger von den Goebbels-Leuten als
"entartet" abgetan werden konnte.
2 Kater 1974
3 s. Simon 1985
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1923: Promotion
1926: Privatdozent
1931: Hardy-Preis der Bayrischen
Akademie der
Wissenschaften
1932: Nichtbeamteter ausserordentlicher Professor
1935: V-Mann im SD
1935: Durch Hausberufung ordentlicher Professor und Dekan der
Philosophischen Fakultät
1937: Präsident des >Ahnenerbes<
1938: Leiter des Forschungswerks
>Wald und Baum< (einer Einrichtung des >Ahnenerbes< in
Zusammenarbeit mit dem
Reichsforstmeister Hermann
Goering)
1938: Stellvertretender Präsident der
>Deutschen Akademie< in München (Zeitweise als deren Präsident im Gespräch)
1940: Rektor der Universität München
1941: Leiter von drei Unterabteilungen
im >Kriegseinsatz der Geisteswissenschaften< (s. Kap. 4)
Wenn man von Franz Alfred Six absieht (s. Kap. 2.87), so ist selbst im 3. Reich keine
blitzartigere Karriere vergleichbar. Obwohl Wüst als Amtschef offiziell die Verantwortung
für die Menschenversuche im >Ahnenerbe< hatte, ließen die Richter im Nürnberger Prozess in seinem Fall unglaubliche Milde walten. Statt seiner richtete man den Reichsgeschäftsführer Sievers hin, der allerdings stellvertretender Leiter der Abteilung für wissenschaftliche Zweckforschung war, in der diese Verbrechen begangen wurden.
7.14 Organogramm des >Ahnenerbes< der SS (1943/44)
Überblick über die wichtigsten Abteilungen des >Ahnenerbe<-Imperiums zum Zeitpunkt
seiner grössten Ausdehnung 1943-44. Auffällig ist die Dominanz philologisch-historisch
orientierter Disziplinen (=doppelt umrahmt).
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Das Organogramm beruht auf einem zeitgenössischen Organogramm, das Sievers in Auftrag gegeben hatte. Sievers sorgte dabei dafür, daß sein Name eher neben als unter dem
Namen Wüsts plaziert wurde, wie es de iure angebracht gewesen wäre. De facto war zu
dem Zeitpunkt Sievers freilich längst der Herr im Haus, abgesichert durch private Kontakte
zu Himmler und bedingt durch die nachlassenden Aktivitäten Wüsts. Vermutlich auch
deswegen hat Wüst seinerzeit nichts gegen dieses Organogramm eingewendet. Sievers’
Dominanz drückt sich nicht nur darin aus, dass er die Leitung der Forschungsstätte für
wehrwissenschaftliche Zweckforschung übernimmt, die ihm in Nürnberg den Tod bringt,
sondern auch darin, dass ihm die wissenschaftlichen Unternehmen und Einrichtungen in
den besetzten Ländern direkt unterstellt werden. Seit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs
hatten sich im übrigen Sievers und Wüst entfremdet.
7.15 Hans Ernst Schneider war 1940 kurze
Zeit Lektor im ‘Ahnenerbe-Stiftungsverlag’
(ASV) gewesen, bevor er seinen Wirkungskreis nach Salzburg verlegte. Im Rahmen dieser Lektorentätigkeit übernahm er
auch die Redaktion der im SchwerterVerlag erschienenen Zeitschrift >Die Weltliteratur<. Kurze Zeit kam diese Zeitschrift
auch unter die Ägide des ASV, wird dann
aber wegen der günstigeren Außenwirkung
wieder an den Schwerter Verlag zurückgegeben. Als Schneider nach Salzburg geht,
verbleiben Herausgabe und Redaktion
dieser Zeitschrift bei ihm bis zum Ende des
Zweiten Weltkrieges.
Gewöhnlich gut unterrichtete Außenstehende sahen die Weltliteratur in
den Fängen des SD, nicht nur wegen
des überproportionalen Anteils von SDLeuten unter den Autoren. Ein quantitativ und qualitativ aus dem Rahmen der
Zeitschrift fallender Artikel aus dem Oktober-November-Doppelheft 1943
stammt z.B. von Rössner. Dieser rechnet kalt und trocken mit dem
>Kriegseinsatz der Geisteswissenschaften< ab und entwickelt die wichtigsten
Argumentationslinien, die dann Schneider ein Jahr später in seiner Denkschrift
zum >Totalen Kriegseinsatz der Wissenschaft< aufgreift.
Nicht unerwartet ist dagegen der hohe Anteil der Beiträge zum Thema 'Ostpreussen', 'Deutschritterorden' und 'Ostkolonisation'.
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7.2
82
Der >Germanische Wissenschaftseinsatz< (GWE)
7.21 Organogramm des >Germanischen Wissenschaftseinsatzes< in den
besetzten Niederlanden (1943)
[Doppellinie = nominell + faktisch, einfache Linie = faktisch, aber für Besetzte schwer durchschaubar]
Überblick über die Herrschaftsverhältnisse, in die der GWE in den besetzten Niederlanden eingebunden war. Abgesehen wurde dabei von der Abhängigkeit des GWE vom >Ahnenerbe< der SS.
1940 erhält Hans Ernst Schneider alias Hans Schwerte von Sievers den Auftrag, die Wissenschaftspolitik in Holland, später auch Flandern und Norwegen, zuletzt in Wallonien – in
Dänemark kam man nie aus den Startlöchern heraus – im Sinne des >Ahnenerbes< zu
beeinflussen.1 1943 geht aus diesen Aktivitäten der >Germanische Wissenschaftseinsatz< hervor, dessen Leitung Schneider übernimmt. Schneider hatte schon vom August
1938 – als er noch im Rassenamt tätig war – bis April 1939 Kontakt aufgenommen zu holländischen Verantwortlichen aus der Brauchtums- insbesondere Volkstanzpflege.
Der >Germanische Wissenschaftseinsatz< war eine Institution der SS, primär des >Ahnenerbes<, hatte sich aber zugleich mit dem SS-Hauptamt, das sich in den >germanischen Randländern< >Germanische Freiwilligenleitstelle<, später >Germanische Leitstelle< nannte, und danach auch mit dem Sicherheitsdienst abzustimmen. Seine Aufgabe war
nach aussen hin:
• „Bewusstmachung der gemeinsamen Wurzeln aller europäischen Germanen" vorwiegend durch populärwissenschaftliche Veröffentlichungen (Broschüren und Zeitschriften)
über „Rasse und Familie, Geist und Staat, Recht, Sprache, Volkstum, Volksglaube und
Volksbrauch, in Mythen, Sagen und Lied".
• Koordination der Erarbeitung der wissenschaftlichen Grundlagen dieser Bewusstmachung durch deutsche, holländische, flandrische und norwegische Wissenschaftler.
• Organisation einer reibungslosen Umsetzung des nationalsozialistischen Geschichtsbildes über Publikationen, insbesondere Illustrierte, und mittels ideologisch nahestehender Vereine wie der >Germaanschen Werkgemeenshap Nederland<, in denen man
die wichtigsten Multiplikatoren sah.
Inoffiziell kommt das Nahziel hinzu, der >Germanischen Leitstelle< mit wissenschaftlichen
Mitteln bei der Rekrutierung von Freiwilligen zu helfen, die im Rahmen von Waffen-SS1 Zu diesem und dem Folgenden s. Simon 1997d sowie Lerchenmueller / Simon: >Maskenwechsel.< Tübingen 1999
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Verbänden an der Ostfront für den Endsieg kämpfen sollten. Hauptköder: Wehrdorfbesitz
in Russland, aber auch Vergünstigungen wie das >Kriegsabitur< für Gymnasiasten.
Schneiders Devise bei dieser Arbeit: „...es muß den Anschein haben, als ob die Holländer
alles >aus sich selbst< in Angriff nehmen".
7.22 Hans Ernst Schneider (*15.12.1909) studierte in Königsberg,
Berlin und Wien deutsche Literaturgeschichte, Theaterwissenschaft, Philosophie, Volkskunde und Urgeschichte. 1935 promoviert
er bei Paul Hankamer in Königsberg, der wenig später seinen
Lehrstuhl räumen muss.
Ende 1934 ist Schneider Referent für Volkstumsarbeit in der Gaudienststelle der für die Steuerung der Freizeit zuständigen NSGemeinschaft >Kraft durch Freude<, 1936 Gaufachstellenleiter,
später stellvertretender Hauptabteilungsleiter in der von Rosenbergs NS-Kulturgemeinde geschluckten Organisation "Volkstum
und Heimat", in der auch Otto Huth (s. Kap. 7.31) zu der Zeit zentral tätig war. 1937 tritt Schneider aus der SA „ehrenvoll" aus und in
Hans Ernst Schneider
die SS ein. In deren Auftrag erscheint er ein Jahr vor dem >Anschluss< in österreichischen Landdienstlagern der HJ, des BDM und des NSDStudentenbundes. Nach dem >Anschluss< beschliessen der SD und die >Ahnenerbe<Spitze die Einrichtung einer >Ahnenerbe<-Aussenstelle Südost, in deren Rahmen
Schneider dann in Salzburg bis Ende 1939 wirkt. Beim Grossprojekt >Wald und Baum<
übernimmt Schneider das Thema „Tanz und Baum", das er auch für seine Habilitation ins
Auge fasst. Da das Grossprojekt Anfang des Krieges storniert wird, kommt es nicht zu
einem entsprechenden Abschluss. Als das Grossprojekt 1943 wiederbelebt wird, gehört
Schneider nicht zu denen, die ihr Einzelprojekt weiterverfolgen wollen. Im Juli 1940 beginnt Schneider seine Arbeit in Holland. Ab 1941 erhält Schneider mehrere Angebote, in
den Sicherheitsdienst bzw. das SS-Hauptamt überzuwechseln. Sievers verhindert das.
1943 organisiert und leitet Schneider in Hannover eine Tagung mit ausgelesenen Wissenschaftlern aus den besetzten Ländern und deutschen SS-Forschern.
7.23 Die wichtigste der Zeitschriften, die Schneider betreut, ist die Illustrierte >Hamer<. Der Name erregte im
>Ahnenerbe< selbst Bedenken, weil es in Deutschland
um die Jahrhundertwende schon einmal eine Zeitschrift
>Hammer< gegeben hatte, die wegen ihrer krass antisemitischen Tendenz die Ziele des GWE hätte durchkreuzen können. Der mit dem Zweck der Rekrutierung
von Freiwilligen für die Waffen-SS verbundene Rassismus war zu deutlich auf der Tarnkappe abzulesen. Da
aber die Holländer von sich aus keine Einwände hervorgebracht zu haben scheinen – die Zeitschrift >Hammer<
war offenbar in Vergessenheit geraten –, legte man diese Bedenken ab. Die neue Zeitschrift >Hamer<, von der
zuerst eine niederländische Ausgabe, dann eine flämische Ausgabe erschien, war so erfolgreich, dass man
auch an einer deutschen Ausgabe arbeitete.
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Gottlob Berger
84
7.24 Gottlob Berger (1896-1975) war, als Chef des SS-Hauptamtes,
für die „Germanische Freiwilligen-Leitstelle“ des Hauptamtes VI
verantwortlich, die insbesondere in den Niederlanden die germanische Volkstumsarbeit organisierte.
Berger (*16.7.1896) hatte von 1910-1914 das Lehrerseminar
in Nürtingen besucht, um sich dann im August 1914 freiwillig zur
Front zu melden. Nach dem Krieg beendete er seine Lehrerausbildung, wobei er von 1920-1922 auch an der Universität Tübingen
studierte. In den 20er Jahren arbeitete Berger dann als Lehrer, von
1929 bis 1933 in Wankheim, Kreis Tübingen. 1933 wurde Berger
Schulrektor in Esslingen und war von 1935-1937 Direktor der Württembergischen Landesturnanstalt sowie im Range eines Regierungsrates auch Referent für Leibeserziehung im württembergischen Kultusministerium.
Bereits seit 1919 leitete Berger die Einwohnerwehr „Nord-Württemberg“ und übernahm ab
1924 verschiedene Einheiten der Reichswehr. Zum 1.1.1931 trat er der SA und der
NSDAP (Nr. 426 478) bei. Seine eigentliche Karriere im Dritten Reich begann mit dem
Übertritt in die SS am 30.1.1936 (Nr. 287 811),1 wo er zu einem der engsten Vertrauten
Heinrich Himmlers wurde und es bis zum SS-Obergruppenführer
und General der Waffen-SS brachte. Für das SS-Hauptamt gab
Berger zahlreiche weltanschauliche Broschüren und die Zeitschrift
SS-Leithefte (Germanische Leithefte) heraus, die dem Zweck der
weltanschaulichen Betreuung innerhalb der SS dienten. Neben
zahlreichen anderen Ämtern war Berger von 1942 an als Verbindungsführer des Reichsführer-SS beim Reichsminister für die besetzten Ostgebiete tätig und sass ab dem 31.8.1943 für den Wahlkreis Düsseldorf Ost im Reichstag. Im September 1944 wurde er als
Kommandierender General bei der Aufstandsbekämpfung in der
Slovakei eingesetzt und im Monat darauf Chef des Kriegsgefangenenwesens, ausserdem leitete er ab Oktober 1944 die Ausbildung
des Volkssturms. Bergers ‘Hauptverdienst’ während des Dritten Reiches war der Aufbau und die Organisation der Waffen-SS.
In Nürnberg wurde Berger im sogenannten Wilhelmstrassenprozeß am 2.4.1949 zu
25 Jahren Haft verurteilt, aber bereits im Dezember 1951 aus Landsberg entlassen.
7.3
Religion und Glaube bei den Germanen
Die unterschiedliche Entwicklung der einzelnen germanischen Völker und die fragmentarische Quellenüberlieferung machen es so gut wie unmöglich, von einer spezifisch germanischen Religion zu sprechen. 2 Schon die erste Hauptquelle, die Germania des Tacitus,
bietet ein stark idealisiertes Germanenbild, das dem dekadenten Rom als Spiegel entgegengehalten wird, und auch in der altisländischen Edda-Dichtung ist die Authentizität der
Überlieferung bis heute stark umstritten. Während des 3. Reiches stand die Religion der
Germanen weitgehend unter der Vorstellung einer germanischen Rasse und bis in den
universitären Bereich hinein wurde auf dieser Grundlage versucht, die Echtheit und Notwendigkeit einer arteigenen germanischen Religion zu erweisen, ohne dass man sich in
jedem Fall in derart phantastische Spekulationen einer ‘urreligiösen’ Heiligen Urschrift à la
Herman Wirth zu ergehen brauchte.
1 Nach den Unterlagen des früheren BDC: BA Aussenstelle Lichterfelde.
2 Zu Kapitel 7.3. s. die Aufsatzsammlung von Beck 1992 – Schnurbein 1992 – Junginger, Horst: von der philologischen
zur völkischen Religionswissenschaft. Stuttgart 1999
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7.31 Der wichtigste Versuch einer Organisierung der verschiedenen deutschgläubigen Gruppierungen wurde im Sommer 1933
unter Führung des Tübinger Indologen und Religionswissenschaftlers Jakob Wilhelm Hauer (1881-1962) unternommen, als sich in
einer „Arbeitsgemeinschaft Deutsche Glaubensbewegung“ mit
Ausnahme der Ludendorffer alle wichtigen deutschreligiösen
Gruppen zusammenschlossen. Die „Nordischen“ spielten dabei
eine wichtige Rolle und in dem neu gebildeten Führerrat der
„ADG“ waren sie durch Hans F. K. Günther, Friedrich Wilhelm
Prinz zur Lippe, Herman Wirth, Lothar Stengel von Rutkowski und
Matthes Ziegler vertreten.1 Als Verbindungsmann zur SS fungierte
Werner Best, dem auch eine gewisse Kontrollfunktion zukam. Im
Rasse- und Siedlungshauptamt der SS und im Umfeld von
Jakob Wilhelm Hauer
Reichsbauernführer Richard Walter Darré sowie natürlich auch im
Reichssicherheitshauptamt arbeiteten „Deutschgläubige“ an führender Stelle.2 Die Idee einer germanischen Religion erfuhr dort
eine besondere Förderung, sei es dass entsprechende Projekte finanziell unterstützt wurden, sei es in der weltanschaulichen Gegnerbekämpfung. Auch in den verschiedenen Kultusministerien trat die Religion der Germanen in verstärktem Umfang in das Blickfeld der
Unterrichtsverwaltungen.
7.32 Dank der Unterstützung durch den Ministerpräsidenten und
Kultusminister Mergenthaler wurde an der Universität Tübingen
sogar ein Weltanschauungsunterricht eingeführt, der für Lehramtskandidaten verpflichtenden Charakter hatte und mit einer
Prüfung in „Weltanschauung“ abgeschlossen wurde. Das von J.
W. Hauer geleitete religionswissenschaftliche, später Arische
Seminar, erhielt Ende der 30er Jahre von Mergenthaler den Auftrag, die für eine germanische Weltanschauungslehre notwendigen Unterrichtsmaterialien zu
erarbeiten und mit einem Stab
von etwa zehn Mitarbeitern erstellte Hauer sog. Arbeitsblätter
für den weltanschaulichen Unterricht. Ein insbesondere für die
Lehrerausbildung vorgesehenes
Handbuch der Urkunden und Gestalten der GermanischDeutschen Glaubensgeschichte konnte 1940 im ersten
Band erscheinen.
1 Nanko 1993, S.147
2 Im RSHA befanden sich unter den religionspolitischen Sachbearbeitern auffallend viele ‘Apostaten’, so die früheren
katholischen Priester Albert Hartl, Dr. theol. Dr. iur. Wilhelm August Pantin und Dr. Friedrich Murawski s. Aronson
1971, S. 139ff. und Boberach 1971, Einleitung S. 35).
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7.33 Eine kleine, für den Schulunterricht vorgesehene Ausgabe Von deutscher Art hatte
eine geplante Auflage von 30.000 Exemplaren, eine anspruchsvolle „grosse“ Ausgabe des
Deutschen Born, die als Stunden- oder Hausbuch vor allem der familiären Besinnung dienen sollte, eine immerhin noch auf 10.000 Exemplare projektierte Stückzahl. Für die
Drucklegung konnte nicht zuletzt aufgrund der Zusage Mergenthalers, alle ihm unterstellten Schulen zur Abnahme zu verpflichten, der Ahnenerbe-Stiftungsverlag gewonnen werden. Letztlich verhinderte aber die Bombardierung der beauftragten Druckerei
eine Veröffentlichung. Erst in den 50er
Jahren erschien eine gekürzte Fassung
des Deutschen Born im rechtsextremen
Türmer-Verlag.
Die bei weitem grössten Anstrengungen für eine weltanschauliche Untermauerung germanischer Religiosität
wurde vom Ahnenerbe der SS unternommen. In zahlreichen Projekten und
Abteilungen
saßen
Ahnenerbe-Mitarbeiter an der mehr oder weniger wissenschaftlichen Bearbeitung der literarischen, archäologischen und anderen
Quellenzeugnisse. Für den Bereich germanischer Religion existierte in Tübingen
eine spezielle „Forschungsstätte für indogermanische
Glaubensgeschichte“,
die von dem Religionswissenschaftler
Otto Huth geleitet wurde.
7.34 Hauer war auch bei >Ahnenerbe<-Wissenschaftlern wie Wolfgang Krause umstritten,
stand aber nicht nur unter dem Schutzschild des württembergischen Ministerpräsidenten
Mergenthaler, sondern gerade auch unter dem Himmlers.
7.35 Otto Huth (*9.5.1906) war ein früher Anhänger Herman
Wirths, dessen erste ‘urreligionsgeschichtliche’ Ausstellung
„Der Heilbringer“ er im Mai 1933 in Berlin organisiert hatte.1
Schon seit 1922 »im völkischen Sinne aktiv tätig«,2 wurde
Huth 1934 für den „Arbeitskreis für biozentrische Forschung“
Mitglied im Führerrat der „ADG“3 und im gleichen Jahr leitete
er auch die Abteilung Volkskunde in der Reichsführung des
„Reichsbundes Volkstum und Heimat“. Im März 1937 stiess
Huth zum Ahnenerbe und übernahm im April zunächst kommissarisch und nach seiner Habilitation über den indogermanischen Feuerkult die Pflegstätte „Indogermanische Glaubensgeschichte“ als Abteilungsleiter. Da Huth 1939 eine Dozentur an der Universität Tübingen erhielt, konnte im Ahnenerbe-Haushalt ein Abteilungsleitergehalt eingespart werden,
dafür gelangte Huth unter massgeblicher Protektion durch das
Ahnenerbe 1942 an der Reichsuniversität Strassburg auf eine
ausserordentliche Professur für Religionswissenschaft.
Neben J.O. Plassmann war Huth wichtigster Mitarbeiter der
1 BA R 73 / 11853.
2 Lebenslauf Huth vom 3.5.1939: BA BDC PA Huth fol 6025001.
3 BA Nachlaß Hauer, Bd. 56, S. 421 und Bd. 63, S. 72.
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Ahnenerbe-Zeitschrift Germanien, für die er knapp 30 Beiträge und über 300 Rezensionen
verfaßte. Im Projekt „Wald und Baum“ bearbeitete Huth den „Lichterbaum“, worüber er
1938 sein Buch Der Lichterbaum. Germanischer Mythos und deutscher Volksbrauch veröffentlichte, in dem er den indogermanischen Ursprung des deutschen Weihnachtsbaumes nachzuweisen suchte. Über sein Hauptarbeitsgebiet der germanischen Religionsgeschichte stand Huth in enger Verbindung zur Volkstumsarbeit der SS. Im „germanischen
Wissenschaftseinsatz“, in dem die »Erforschung der kulturellen und politischen Entwicklung des Germanentums« sowie die »Zusammenfassung aller germanischen Völker« und
die »Ausrichtung auf den grossgermansichen Gedanken« betrieben wurde,1 arbeitete
Huth mit dessen wissenschaftlichem Leiter Hans Ernst Schneider alias Schwerte zusammen. So wurde Schneider von Huth bei einer im Rahmen des „germanischen Wissenschaftseinsatzes“ stattfindenden Tagung deutscher und flämischer Dozenten am 1.1.1943
in Brüssel vertreten.2 Zu den mehr praktischen Seiten des Einsatzes für eine germanische
Weltanschauung gehörte, daß Huth ein ihm nicht gefallendes Buch des Leipziger Germanisten Arnold Schmieder im März 1939 durch den SD verbieten lassen wollte,3 oder dass
er im gleichen Monat eine „Liste der jüdischen und jüdisch-versippten Gelehrten“ seines
Forschungsgebietes an Himmler schickte. Huth folgte dabei seinem eigenen Vorschlag
vom 25.1.1939 »betr. Juden in den Geisteswissenschaften“, in dem er die Erfassung der
jüdischen Wissenschaftler der jeweiligen Arbeitsbereiche des Ahnenerbes anregte.4
1 Wie es in der Begründung eines vom Ahnenerbe für Huth gestellten Antrages für die „Erlaubnis zum Tragen bürgerlicher Kleidung“ heißt. In der praktischen Durchführung der erwähnten Aufgaben könne bei Sichtung verschiedener Bibliotheken in den nordischen Staaten und bei den Verhandlungen mit den dortigen deutschlandfreundlichen Kräften
millitärisches Aussehen von Nachteil sein. (BA NS 21, Bd. 51, 13.12.1943 und ein nochmaliger Antrag am 17.7.1944:
BA, Außenstelle Lichterfelde, Personalakte Huth)
2 BA NS 21 / 51: Huth an Sievers am 29.2.1943 und Reisekostenabrechnung Huth vom 28.3.1944 (ebd.).
3 Dessen Buch Wider die Lüge von der germanischen Gotteslehre sich leichtfertig über die 100-jährige Eddaforschung
hinweggesetzt hätte , s. Kater 974, S.125
4 Kater 1974, S. 119 und BA, Außenstelle Lichterfelde: Schreiben Huth an Sievers vom 25.1.1939.
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In Strassburg war Huth für den örtlichen SD v.a. auf religionspolitischem Gebiet tätig und
zu Beginn des Jahres 1944 hielt er im „germanischen Wissenschaftseinsatz“ mit Walther
Wüst zusammen weltanschauliche Vorträge vor verschleppten norwegischen Studenten,
die nach ausbleibendem Bekenntnis zum Deutschtum zur Zwangsarbeit abkommandiert
wurden.1 Kurz vor dem Einmarsch der französischen Truppen gelang Huth im Herbst
1944 die Flucht nach Tübingen, wo er am dortigen Institut für Volkskunde unterkam. Da
sich nach dem Krieg eine Wiederaufnahme der Lehrtätigkeit für Huth als unmöglich herausstellte, arbeitete er von 1961-1971 an der Universitätsbibliothek Tübingen als Fachreferent für Theologie und Religionswissenschaft. 1971 wurde er pensioniert und lebt seither
in Tübingen.
7.36 Ausser der praktischen Durchsetzung und der wissenschaftlichtheoretischen Begründung einer germanischen Weltanschauung
wurde innerhalb der SS aber auch versucht, dem eigenen religiösen
Erleben ein stärkeres Gewicht und einen artgemässeren Ausdruck zu
geben. Unter dem Dogma der Blutreinheit wurde in Ehe-, Toten- und
anderen Sippenweihen ein an vermeintlich germanischen Traditionen
orientierter Kult gepflegt. Mit der Verleihung bestimmter Kultgegenstände sollte dabei der religiöse Charakter der SS als Orden hervorgehoben werden. Zu diesen gehörte der Totenkopfring, der Ehrendolch und der hier gezeigte Julleuchter, der von Himmler zur Jahreswende an verdiente SS-Mitglieder vergeben wurde.
Der Julleuchter
1 Wüst sprach in dem bei Strassburg gelegenen Schulungslager Sennheim über „Die Daseinsmacht der Wissenschaft
in ihrer indogermanischen Verflechtung“ und Huth über „Das Haus als Heiligtum“, s. Kater 1974, S.185f
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89
8.
Sprachforschung und Menschenversuche: Eberhard Zwirners Unterdruckkammer-Experimente
8.1
Die Menschenversuche im KZ Dachau
Die Unterdruckkammer, die Rascher für seine Menschenversuche benutzte – er wollte die genaue Flughöhe ermitteln, ab der Piloten beziehungsweise Fallschirmspringer ohne Sauerstoffflasche einen Absprung nicht mehr überleben
–, war zuvor das Forschungswerkzeug des Sprachwissenschaftlers und Neurologen Eberhard Zwirner. Seine Forschungen galten den Sprachstörungen, die damals auch bei
Piloten in grosser Flughöhe kurz vor dem Platzen der Lunge
auftraten.1
Als Zweck seiner DFG-geförderten Studien gab Zwirner 1937 den Bau von Mikrophonen an, die die in großen
Höhen durch Sprachstörungen verursachten Verständigungsschwierigkeiten zwischen Piloten und Bodenpersonal
kompensieren sollten. Das 'Deutsche Spracharchiv', in dem
diese Experimente stattfanden, ist heute in das Mannheimer
'Institut für deutsche Sprache' integriert. Dass bei Zwirners
Experimenten Menschen ums Leben kamen, ist nicht be- Menschenversuch im KZ Dachau
kannt. Dennoch ist die Nähe dieser Versuche zu denen von
Rascher hinsichtlich der Methode, dem Forschungszweck und der moralischen Bedenkenlosigkeit so verblüffend, dass man nicht umhin kann festzustellen: Diesen Sprachstudien
standen die Menschenversuche im Nacken.
8.2 Eberhard Zwirner (*11.10. 1899) war vermutlich der begabteste
der deutschen Sprachwissenschaftler in diesem Jahrhundert. Von
Haus aus Philosoph und Mediziner, spezialisierte er sich alsbald
auf die Neurologie und hier vor allem auf die Neurolinguistik. Aus
Ermangelung einer brauchbaren linguistischen Methode schuf er
ein eigenständiges sprachstrukturalistisches Paradigma, das von
den Grössen seiner Zeit, z.B. von Nikolai Trubetzkoy ernst
genommen und von dem Begründer der Kopenhagener strukturalistischen Schule Hjelmslev sogar begeistert begrüsst wurde, von
den Strukturalismus-Historikern aber – möglicherweise im Wissen
um einige im folgenden anzusprechenden Dinge – totgeschwiegen
Eberhard Zwirner
wird.
Zwirner – hier ein Altersfoto – hatte Anfang der 30er Jahre im Kreise des preußischen
Kultusministers Carl Heinrich Becker verkehrt, sich sogar um seine Tochter bemüht, und
war Schüler des Philosophen Hönigswald, der als Jude 1938 zunächst ins KZ gebracht
und dann exiliert wurde. Überdies war Zwirner Mitarbeiter des berühmten Neurologen
Oskar Vogt, dem Tilman Spengler seinen Schlüsselroman 'Lenins Hirn' widmete, sowie
des russischen Genetikers Timofeeff-Ressowski, eines frühen Taufliegen-Experten,
dessen Biographie den Stoff lieferte für Daniil Granins Roman 'Der Genetiker'.
Zwirner geriet nach der Machtergreifung in den Untergangsstrudel seines Chefs Oskar
Vogt. Beide müssen die Charité verlassen. Zwirner gelingt es aber, nach vielen vergeb1 Zum gesamten Kapitel s. Simon 1992
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lichen Versuchen, den Ministerpräsidenten Klagges, der Hitler die deutsche Staatsbürgerschaft verschafft hatte, für sich zu gewinnen und in Braunschweig sein Spracharchiv
unterzubringen. Um solche Ziele zu erreichen, war er dreist genug, Versprechungen zu
machen von der Art, die von ihm begründete Phonometrie könne an der Stimme nachweisen, ob jemand Jude sei oder nicht. Er lässt sich insbesondere nach dem 'Anschluss'
Österreichs zu zahlreichen Denunziationen jüdischer Forschungsgegner hinreissen. Mehr
aus Versehen dürfte er auch zum Schicksal von Elise Richter beigetragen haben, von
dem noch die Rede sein wird (s.Kap.11.2). Zwirner stand nichtsdestoweniger in Beziehung zu Widerstandskämpfern wie Reichwein (s.Kap.11.4).
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9.
91
Germanistik zwischen Saalschlachten und Massenmord
9.1 Es gibt kaum Fotos über Saalschlachten in der Weimarer Republik, obwohl diese seinerzeit häufiger
waren als heute Brandstiftungen in
Asylunterkünften. Körperliche Auseinandersetzungen zwischen Kommunisten und Nationalsozialisten mit
manchmal tödlichem Ausgang zielten auf beiden Seiten auf die Destabilisierung der Weimarer Demokratie, der es nicht gelang, der Paramilitarisierung der links- und rechtsradikalen Kräfte einen effektiven, diskussionsfähigen Parlamentarismus
entgegenzustellen.
Saalschlachten, Straßenkämpfe und
auch Attentate gehörten zum politischen
Alltag der Weimarer Republik ebenso
wie zum Selbstverständnis der nationalsozialistischen Bewegung und dem vieler
SA-Männer. Die Gewaltbereitschaft wurde ideologisch gefördert durch die Gewaltverherrlichung
zeitgenössischer
Schriftsteller – man denke an Ernst Jünger – ebenso wie durch den Mythos vom
wilden Germanentum, den 'edlen Barbaren'. Nationalsozialistische 'Opfer' politischer Gewalt wurden innerhalb der NSBewegung zu Helden stilisiert, die für
Führer und das 'zukünftige' Deutschland
ihr Leben gaben.
Collage aus Headlines mit der Todesanzeige eines SA-Kämpfers
auf der Titelseite des Völkischen Beobachters
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9.2 Manfred Pechau und die erste Hochschulschrift über NS-Sprache
Einer, der sich sogar in Lebensläufen rühmte, an solchen Saalschlachten teilgenommen zu haben, war der Verfasser der ersten
Hochschulschrift über NS-Sprache, der Greifswalder Germanist und
Studentenfunktionär Manfred Pechau (*23.12.1909).1 Pechau wird
in den Franckeschen Anstalten pietistisch erzogen. Er betätigt sich
früh als Journalist, Agitator und Gründer von NS-Gruppen. Als Student avanciert er schnell zum Gaustudentenführer und Mitglied der
Gauleitung. Zugleich ist er Pressereferent der SA und Schriftleiter
einer Tageszeitung. 1934, gerade promoviert, ist er hauptamtlich im
Erziehungshauptamt der NSDAP tätig. Er gibt die Zeitschrift „Der
politische Student" heraus, der wir nebenstehendes Foto entnahmen. 1937 finden wir ihn beim NS-Lehrerbund. Zugleich ist er ehrenamtlich Mitarbeiter beim Sicherheitsdienst. Schon im Oktober
Manfred Pechau
1937 wirkt er in der Berliner Studentenführung als Leiter des Amtes
Wissenschaft. Von April 1938 bis November 1939 leitet er die Abteilung 'Politischer Katholizismus' im Amt Rosenberg.
Anschliessend kehrt er als Lehrer in die
Schule zurück.
Ab Mai 1940 ist er Schulungsreferent beim Inspekteur der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes.
Im Januar 1941 meldet er sich freiwillig
bei einer Nachrichten-Ersatz-Abteilung in
Nürnberg. Zuletzt finden wir Pechau als
Sturmbannführer in Schellenbergs Abteilung VI im RSHA.
Zwei Dokumente zu Manfred Pechau:
Die Doktorurkunde (oben) und eine
Erklärung (links), die sich nach dem,
was unter 9.3 zu berichten ist, wie
Hohn liest.
9.3 Zwischen 1941 und 1944 war Pechau Leiter
des SS-Einsatzkommandos 1b, später 2, mit Sitz
in Loknja (südlich Leningrad). Diese Einsatzkommandos unterstanden bis zum 23.3. 1942
dem in Tübingen ausgebildeten Walter Stahlecker. Pechau scheint aber erst durch dessen
Nachfolger Heinz Jost in die Leitung der genannten SS-Einsatzkommandos gekommen zu sein. Im Spätherbst 1942 nahm Pechau als
Leiter des Einsatzkommandos 1b an dem Unternehmen „Sumpffieber" teil. Im Abschlussbericht über dieses Unternehmen heisst es unter anderem, man habe am 2. und 3. September 1942 „folgende Erfolge“ erzielt:
„19 Bandenlager, Bunker und Stützpunkte sowie mehrere in Sumpfgebieten gelegene Ortschaften, die als Unterschlupf
1
Zu Pechau s. http://homepages.uni-tuebingen.de/gerd.simon/pechau.pdf
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orte dienten, ausgeräuchert und zerstört.
389 bewaffnete Banditen im Kampf
erschossen.
1274 Verdächtige abgeurteilt und
erschossen.
8350 Juden exekutiert.
1217 Personen evakuiert."
9.4 Das Wort "Evakuierung" meint Abtransport ins KZ oder ins Rigaer Ghetto und damit fast sicher den Tod. Über 10000 MenAusrisse aus dem>Unternehmen Sumpffieber<
schen kamen also allein an 2 Tagen der Aktion „Sumpffieber“ ums Leben. Aber Zahlen
sagen in diesen Fällen ohnehin kaum mehr als der Begriff „Massenmord", der selbst angesichts dessen, was da passiert ist, nichts ist als ein hilfloser Begriff für Unbegreifliches.
Schon der Nürnberger
Gerichtshof fand „noch
schlimmer [...] die Aufhetzung der Bevölkerung zur
Beschimpfung, Mißhandlung und Tötung ihrer Mitbürger.” Die hier gezeigten Litauer erschlagen auf
Veranlassung einer Einsatzgruppe
jüdische
Landsleute unter den Augen zuschauender Heeressoldaten.1
Litauer erschlagen auf Veranlassung einer Einsatzgruppe jüdische
Landsleute
9.5
Wolfgang Stammler – Opfer einer Erpressung?
Pechaus Doktorarbeit ist von der Qualität her indiskutabel. Sie ist
kaum mehr als ein am Sonntag Nachmittag hingeschluderter Schulaufsatz. Dies festzustellen heißt nicht, in den verbreiteten Fehler zu
verfallen, Nationalsozialisten von vornherein als Dummköpfe oder
Narren darzustellen. Sogar unter den Gutachtern, die sich über die
politische Machtposition Pechaus im damaligen Greifswald sicher
nicht hinwegtäuschten, gab es Zweifel.
Einer hatte keine Zweifel und sorgte dafür, daß die Arbeit sogar mit
"gut" benotet wurde: Sein Doktorvater, Wolfgang Stammler, Herausgeber des bekannten Verfasserlexikons. Stammler wurde wenig
später fristlos entlassen. Er selbst verbreitete das Gerücht, der
Wolfgang Stammler
Grund sei, daß seine geschiedene Frau Jüdin sei. Diese freilich legte beim Wissenschaftsministerium Protest ein, nicht zuletzt weil die monatlichen Alimente
ihres Ex-Mannes nun ausblieben: Sie und ihre Vorfahren seien sämtlich arisch.
Der Entlassungsgrund war auch ein ganz anderer: Die hoffnungslose Verschuldung aufgrund eines Suchtleidens. In sein Desaster hatte er überdies seinen Kollegen Ehrismann
1
Für die Deutung dieses Fotos danken wir Heiner Lichtenstein
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hineingezogen, der in seiner Gutmütigkeit vermutlich nicht einmal ahnte, welche Ursache
Stammlers Anpumpmanöver hatten. Pechau aber konnte von dem Suchtleiden wissen.
Das aber wirft die Frage auf: Verdankt sich seine Promotion der Erpreßbarkeit seines
Doktorvaters? Pechaus Doktortitel ist jedenfalls echt, wenn auch die oben wiedergegebene Versicherung, die Doktorwürde vor jedem Makel zu bewahren, im nachhinein wie Hohn
wirkt. Nach dem Zweiten Weltkrieg beging Pechau Selbstmord. Erste Überprüfungen dieser in der Sekundärliteratur verbreiteten Nachricht fanden keine Bestätigung.
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III.
DIE UNIVERSITÄT UND KEINE STUNDE NULL
10.
Keine Schuld und keine Sühne?
Im Zusammenhang mit dem ‘Fall’ Schwerte ist auch die Diskussion um die sogenannte
„Stunde Null" wieder einmal ins Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt. Der „Namenswechsel"
Schneiders erinnert an die kollektiven Namenswechsel der unmittelbaren Nachkriegszeit:
„Vom 3. Reich zur Bundesrepublik Deutschland“ bzw. „Deutschen Demokratischen Republik“ und vom ‘Volksgenossen’ zum ‘Bundesbürger’ bzw. ‘Staatsangehörigen der DDR'.
Dem Namenswechsel folgte der Perspektivwechsel: Dass dies zwangsläufig so kommen
musste, wird niemand ernsthaft behaupten. Unverständlich ist dieses Verhalten jedoch
nur, wenn man davon ausgeht, dass die Deutschen 1945 vom Nationalsozialismus „befreit“ wurden. Wir sollten unsere heutige Interpretation der geschichtlichen Ereignisse
nicht verwechseln mit dem kollektiven Empfinden und Verhalten damals. Die Mär von der
„Befreiung“ wurde bei den Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag des Kriegsendes von offizieller Seite quasi zur neuen deutschen Ideologie erhoben, ohne dass sich nennenswerter
Protest gezeigt hätte. Dabei sollte man in Deutschland eigentlich immer dann besonders
hellhörig werden, wenn sich alle wesentlichen politischen Kräfte einig sind. „Befreit“ werden Gefangene, Verfolgte, Opfer. Zu dieser konkreten Bedeutung des Wortes passt nicht
recht, dass sich kein Volk seiner ‘Befreiung’ so hartnäckig und brutal widersetzte wie das
deutsche. Am 8. Mai 1945 herrschte auf deutschen Strassen (soweit sie noch begehbar
waren) kein Jubel, bestenfalls ein indifferentes Gefühl der Erleichterung, dass der Terror
der Bombenangriffe und der Kampfhandlungen überhaupt vorüber war. Das Verhalten der
Deutschen in der unmittelbaren Nach-Kriegszeit zeigt deutlich, dass die Kohäsion der nationalsozialistischen ‘Volksgemeinschaft’ die Niederlage überdauerte: die kritische Einstellung zu den Nürnberger Prozessen, die Debatten über die Straffreiheitsgesetze 1949 und
1954 sowie über das Bundesgesetz zum Artikel 131 GG, das die Wiedereinstellung bzw.
Pensionierung von belasteten Beamten regelte – all das sind deutliche Zeichen für eine
‘Solidarisierung’ mit den Tätern, die – im Unterschied zu den Opfern – nach wie vor zur
‘Volksgemeinschaft’ gezählt wurden. Auf eine perverse Weise sah man die unter alliierter
Gerichtsbarkeit Verurteilten vielfach als – im Wortsinne – ‘Repräsentanten’ des deutschen
Volkes an. Die einhellige Ablehnung einer Kollektivschuld für die Menschheitsverbrechen
trug dazu bei. Gleichzeitig wurde das Wort von der Kollektivscham zur Entschuldigung für
die Nicht-Beschäftigung mit diesen Verbrechen. Das millionenfache Schicksal der Opfer
wurde in kollektiver Scham und Ohnmacht erstickt und verdrängt. Das Problem scheint
also weniger die angeblich konsequente Verdrängung der nationalsozialistischen Vergangenheit in der Adenauer-Zeit, sondern vielmehr ihre Thematisierung unter falschen Vorzeichen: die nationalsozialistische Definition der Volksgemeinschaft lebte fort. Wer ‘dazu’
gehört hatte, konnte mit der Solidarität der grossen Masse rechnen, den ‘anderen’ begegnete man mit Reserve und Unsicherheit.1 Wie nachhaltig diese in-group/out-group Diskriminierung ist, dafür sind die bestehenden Schwierigkeiten im Umgang mit Juden in
Deutschland nur ein Beispiel von vielen.
Das unhistorische Wort „Befreiung“ ist heute offiziell zur Chiffre für eine Distanzierung vom 3. Reich geworden, die sich in der Ablehnung des Nationalsozialismus erschöpft, ohne sich konsequent mit seinen Ursachen und Folgen beschäftigen zu müssen.
Es verstellt zudem den Blick auf die Tatsache, dass mit dem Untergang des 3. Reiches
1945 zwar der Nationalsozialismus als Herrschaftssystem verschwand, nicht aber die
Menschen, die dieses System zwölf Jahre lang unterstützt hatten. Es ist daher – um
nochmals auf den Fall des Germanisten Hans Schwerte zurückzukommen – gerade die
scheinbare biographische Diskontinuität der Person Schneider / Schwerte, die die Frage nach
1 Zahlreiche Beispiele dieses Verhaltens in der Frühzeit der Bundesrepublik liefert z.B. der autobiographische Bericht
von Inge Deutschkron 1992
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der ideologischen Kontinuität aufwirft. Wer die Diskussion um Schwerte verfolgt hat, dem fällt
auf, dass in manchen Köpfen die Vorstellung herrscht, Nationalsozialist müsse bleiben, wer
einmal Nationalsozialist war. Diese Haltung spricht dem Menschen die Fähigkeit ab, sich
zu entwickeln, Fehler zu erkennen und aus ihnen zu lernen. Um es klar zu sagen: Wir billigen keineswegs das Verhalten Schneider/Schwertes. Wir können sogar für uns in Anspruch nehmen, einiges in diesem Fall zur Ermittlung empirischer Fakten und deren Einordnung beigetragen zu haben. Aber ein Hans Schwerte, der seine Schuld sieht und einräumt, ist uns allemal lieber als die unbewusste Verlogenheit ahistorischer „BefreiungsIdeologen“ oder wutschnaubender und faktisch den Status quo zementierender Symboltäter. Kann es denn angehen, sich über den 'Betrug' eines einzelnen zu empören, ohne die
kollektiven Lügen zu problematisieren?
Der 8. Mai 1945 wurde in Deutschland als Tag des Zusammenbruchs, bestenfalls
der Kapitulation, jedenfalls nicht als Tag der Befreiung empfunden. Man dachte an die
Zukunft und verkannte, daß allein die Beschäftigung mit der Vergangenheit eine Zukunft
ermöglicht, die verhindert, daß sich die Vergangenheit wiederholt oder gar zu Schlimmerem mutiert (vgl. a. Kap. 2.84).
10.1 In Tübingen machte der französische Kommandant René
Cheval den Germanisten Hermann Schneider, den er schon seit
langem kannte, zum ersten Nachkriegsrektor der Universität Tübingen. Es ist nicht bekannt, ob er wusste, wie positiv die SS und
insbesondere der SD über ihn, diesen Förderer von Thierfelders
Plänen zu einem internationalen Germanistenverband dachte
(s.Kap.2.99). Es ist nicht einmal bekannt, ob Schneider das selbst
wusste. Hermann Schneider war nach 1945 die Attraktion der Universität Tübingen.1 Sogar der Chemie-Nobelpreisträger von 1939
Adolf Butenandt zählte sich zu den begeisterten Zuhörern seiner
Vorlesungen. In gewisser Weise verkörperte Hermann Schneider
die Ideologie der Noch-Einmal-Davongekommenen mit ihrem Herrmann Schneider
Rückfall in die Fehler der Weimarer Republik und ihrer Tabuisierung der Schuldfrage.
1 s. Cheval 1948 – vgl. auch: Schäfer 1985
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10.2
97
Entnazifizierung
oder Mitläuferfabrik?
10.21 Von Lutz Niethammer stammt in bezug
auf die Entnazifizierungsinstanzen das Schlagwort „Mitläuferfabrik“.1 Von wenigen Ausnahmen
abgesehen, trifft das auch auf Wissenschaftler
zu. Selbst so hochkarätige SD-Forscher wie
Spengler und Rössner erhalten das Prädikat
„Mitläufer“. Da wundert es einen nicht, wie gnädig die Schiedsstellen in den vier hier ausgewählten typischen Fällen verfuhren.
Die erste Seite eines von Obenauer handschriftlich
ausgefüllten Fragebogens des Entnazifizierungsbeauftragten in Nordrhein-Westfalen
1 Niethammer 1982 – vgl. a. Brochhagen 1994
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10.22 Die Reedukations-Politik der Alliierten
sah für Schwerbelastete Spruchkammerverfahren und Inhaftierung vor. Die eingerichteten
Spruchkammergerichte hatten lediglich mit Gewaltverbrechen zu tun, also auch mit der Zugehörigkeit zu jenen Organisationen, die in den
Nürnberger Prozessen als verbrecherisch erklärt wurden, vorwiegend mit der SS und ihren
Subinstitutionen, zum Beispiel dem SD.
Daneben bzw. zusätzlich hatten die gleichen Personen sich wie alle Leichtbelasteten
und einfachen NSDAP-Mitglieder einem Verfahren vor einem Entnazifizierungsausschuss zu
unterziehen. Vom Entnazifizierungsverfahren
ausgenommen waren lediglich nachweislich
Verfolgte und Widerstandskämpfer. Als erstes
hatte man einen achtseitigen Fragebogen auszufüllen.
Karl Justus Obenauer (s. Kap. 2.85) war
ein Wissenschaftler, der beide Verfahren durchlaufen musste. Obenauer ist nach Kriegsende
zunächst im Lager Recklinghausen, dann im
Lager Hemer und im Lager Eselheide, schliesslich im Lager Staumühle interniert.1 Für das
Das Urteil des Spruchkammergerichts Biele- Verfahren vor dem Spruchgericht lässt Obenfeld im Fall Obenauer
auer durch seine Frau zahlreiche positive Gutachten über sein Verhalten in der NS-Zeit besorgen, u. a. von Hans Naumann und Heinz
Nicolai. Ungeschickterweise stimmten manche dieser Gutachten in den wichtigsten Passagen wörtlich überein. Die Anklagebehörde kann aber auch mit einigen z. T. sehr negativen Gutachten aufwarten. Obenauer selbst kann man Verbrechen nicht nachweisen, nicht
einmal, dass er von ihnen gewusst habe.
Auch sein Verhalten in Sachen Entzug der Ehrendoktorwürde Thomas Manns wird
angesprochen. Sein Kollege Heinrich Lützeler behauptet, Obenauer habe den Brief an
Thomas Mann „gegen den Rat des Ministeriums und ohne Wissen der Mitglieder der Fakultät – auf Grund des Führungsprinzips“ geschrieben. Horst Oppel habe er nicht zur Habilitation zugelassen, weil es ihm am „Einsatz im Sinne der SS“ fehle. Auf Obenauers Mitwirkung führt Lützeler auch seine eigene Entfernung von der Universität Bonn 1940 zurück.
Obenauer bestreitet mit Erfolg alle Anschuldigungen und reiht sich nahtlos ein in
die Schar der SS-Leute, die amerikanische Kommentatoren früh als „Wusstenixe“ kennzeichneten. Die Strategie, die schon in den Nürnberger Prozessen Erfolg hatte, freilich
auch möglich war, weil den Gerichten damals noch deutlich weniger Archivalien vorlagen
als später, führte auch bei Obenauer zum Freispruch auf Staatskosten. Aber der Oberste
Spruchgerichtshof in Hamm hob dieses Urteil wegen eines Verfahrensfehlers auf. Am 9.
Februar 1949 wird Obenauer daraufhin zu 3.000,- DM Geldstrafe verurteilt, ersatzweise zu
drei Monaten und zehn Tagen Gefängnis, was als durch die 2 3/4 Jahre Internierung verbüßt erklärt wurde.
Obenauer war schon vorher am 12. März 1948 auf freien Fuß gesetzt worden und
hatte am 1. September 1948 seine Entnazifizierung beantragt. Am 22. November 1948,
also noch vor dem 2. Spruchkammer-Urteil reiht ihn der Entnazifizierungs-HauptAusschuss Siegen in die Kategorie IV (=Mitläufer) ein. Am 17. Februar 1949 wird auch
dieser Beschluss aufgehoben. Obenauer versteht es, obwohl 1940 aus der Kirche ausge1 Zu Obenauer s. das Buch von Hübinger 1974, sowie Simon 1997d
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treten, den Paderborner Erzbischof Lorenz Jaeger für sich einzuschalten. So bleibt es bei
der Einstufung als Mitläufer. Allerdings wird ihm das passive Wahlrecht entzogen. In seinem Entnazifizierungsverfahren hilft Obenauer einer, der das alles schneller und problemloser überstanden hatte, obwohl er weitaus mehr auf dem Gewissen hatte: sein Schüler
Wilhelm Spengler.
10.23 Der Entnazifizierungsfall Weisgerber
Weisgerbers Einsatz in der besetzten Bretagne war während des
Krieges (s. Kap. 4.3) unter der Regie staatlicher, militärischer und
parteiamtlicher Stellen erfolgt, in den letzten Monaten des Krieges
im Auftrag des RSHA.1 In seinem Entnazifizierungsverfahren machte Weisgerber 1946 gegenüber der Militärregierung falsche Angaben, indem er ausschliesslich „Arbeiten im Bereich des Militärbefehlshabers in Frankreich" zu Protokoll gab und vor allem seine Tätigkeit für den Sicherheitsdienst verschwieg.
Offenbar rechnete Weisgerber mit der Verschwiegenheit seiner Kollegen und Vorgesetzten an der Universität: in seiner Personalakte
sind die Aufträge, die er für das RSHA ausführte, dokumentiert.
Weisgerber kalkulierte richtig: sein Verbleib auf dem Bonner LehrLeo Weisgerber
stuhl wurde nie in Frage gestellt. Im Gegenteil: 1946 erhielt er einen
Ruf nach Tübingen auf den Lehrstuhl für Sprachwissenschaft.
Weisgerber zog es jedoch vor, in Bonn zu bleiben – wo sich während des Krieges „die
Verbindung der Universitätsarbeit [...] mit der Wehrmachtsarbeit in der Bretagne" für seine
Forschung als durchaus nützlich erwiesen hatte:
„Die Ausweitung, die der volkhafte Sprachbegriff gerade auch während der Kriegszeit gewinnen konnte, ist mir eine Bestätigung dafür, dass das wissenschaftliche
Bemühen an seiner Stelle die Kräfte mit weckt und stärkt, durch die wir den Kampf
um das deutsche Schicksal siegreich bestehen werden."
Die Ablehnung des Tübinger Rufes verband Weisgerber 1946 gegenüber der Universität
Bonn mit der Forderung, seinen Lehrstuhl umzuwidmen. Er wollte sich in Zukunft weniger
mit Keltologie und mehr mit allgemeiner Sprachwissenschaft befassen. Seinen Forschungsschwerpunkt sah Weisgerber nunmehr vor allem im Bereich der „Sicherung der
wissenschaftlichen Freiheit (etwa bei den im gegenwärtigen Zeitpunkt ebenso unerlässlichen wie umkämpften Fragen nach dem Wesen, den Aufgaben und Rechten der Muttersprache und der Sprachgemeinschaft)".
Dass es Weisgerber in der Nachkriegszeit (wie schon zuvor) nicht nur um Wissenschaft,
sondern auch um (Volkstums-)Politik ging, machen seine Veröffentlichungen zum Südtirolkonflikt und vor allem zum Elsass und zu Lothringen (s. o. 5.4) deutlich. Ungeachtet der
Katastrophen des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs blieb sein Denken konfrontativ statt kooperativ angelegt, mehr auf Grenzziehung denn auf Grenzüberwindung
bedacht. Wissenschaftlichen Kritikern warf er vor, mit Verdächten politischer Art zu operieren; in späten Jahren suchte er sie sich mit Androhung von Prozessen vom Leibe zu halten. Weisgerber starb 1985. Einige seiner ehemaligen Kollegen und Schüler halten ihn
und seine Arbeit bis heute in hohen Ehren.
1 Zu Weisgerber zentral: Lerchenmüller, Joachim: >Keltischer Sprengstoff.< Tübingen 1997.
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10.24 Der Entnazifizierungsfall Junker
Der Indogermanist Heinrich Junker (*26.3. 1889) gehört zu jenen
NS-Wissenschaftlern, die ihre Hochschulkarriere nach dem Krieg in
der DDR fortsetzten. Junker studierte in Giessen, Strassburg und
Heidelberg vergleichende Sprachwissenschaft, klassische Philologie, Germanistik, Anglistik und Philosophie. 1911 promovierte er in
den Fächern vergleichende Sprachwissenschaft, indoiranische Philologie und Philosophie. Nach Lehrverpflichtungen in Giessen und
Hamburg erfolgte 1926 der Ruf nach Leipzig auf den Lehrstuhl für
indogermanische Sprachwissenschaft.
Mitglied der NSDAP wurde Junker im Mai 1933 (Nr.
2.992.141). An der Universität Leipzig war er Leiter der Dozentenschaft, zuständig für die Wehrbetreuung der Studierenden, die politische Betreuung der tschechischen Studierenden, Leiter der AbteiHeinrich Junker
lung „Indogermanen und Nicht-Indogermanen“ im Kriegseinsatz der
Indogermanisten und Mitglied in einem Arbeitskreis des Sicherheitsdienstes.1 Junkers
schillernde Persönlichkeit – sein ehemaliger Leipziger Kollege Bernhard Schweitzer, nach
dem Krieg Professor für Archäologie in Tübingen, sprach von einem "fast pathologische[n]
Geltungskomplex"2 – dürfte zu einem nicht geringen Teil sein eher ungewöhnliches Verhalten im 3. Reich erklären.
Im März 1939 trat er – nach eigenen Aussagen – aus der Partei aus, da ihm als
ehemaligem Freimaurer die Übernahme von Partei- und Ehrenämtern versagt blieb und er
deshalb „als Pg. schlechter gestellt“ sei, „wie als Nichtparteigenosse".3 Sein angeblicher
Austritt aus der NSDAP wurde allerdings in der Ortsgruppe Leipzig bis März 1944 nicht
aktenkundig.4 Stattdessen erhielt Junker damals vom Sicherheitsdienst die „Zusage, die
Sache in Ordnung zu bringen".5 Der Sicherheitsdienst der SS pflegte niemanden einen
'Gefallen' zu tun, ohne Gegenleistungen zu verlangen. An der Universität Leipzig war allgemein bekannt, dass Junker „eine ausführliche Kartothek über jeden Kollegen angelegt
hatte, in der alle bemerkenswerten Aussprüche, Stellungnahmen, Handlungen der Betreffenden protokollarisch festgehalten waren, und zwar aus Sitzungen des Senats, der Fakultät oder aus blossen Gesprächen."6
Junker verdächtigte auch einige seiner eigenen Studenten gegenüber der Leipziger
Polizei, Hetzschriften verfasst zu haben;7 in der Sächsischen Akademie der Wissenschaften betrieb er „die Ausstossung der jüdischen oder halbjüdischen Mitglieder" und den
Rücktritt des Germanistikprofessors Theodor Frings als Sekretär der Sächsischen Akademie der Wissenschaften.8 1944 war es das Gutachten Junkers, das die Verleihung der
Goethe Medaille an den Leipziger Rassen- und Völkerkundler Otto Reche verhinderte:
Reche sei politisch „immer sehr vorsichtig gewesen, habe sich durchgeschlängelt, habe
noch im April 1933 für die Hugenbergpartei geworben und erst seit 1933 öffentlich eine
judengegnerische Haltung gezeigt."9
Im Juni 1945 verfügte die amerikanischen Besatzungsmacht die Einsetzung von
'Säuberungskommissionen' in jeder Fakultät. In der Philosophischen Fakultät der Universität Leipzig wurde Hans-Georg Gadamer zum Vorsitzenden dieser Kommission bestimmt.
1 NSDAP Kreis Leipzig, Ortsgruppe Zentrum C, Personalbogen Junker, 17.3.44 – BAD – ZB/7895 A.8
2 Schweitzer an Prodekan der Phil.Fak. Leipzig, Erkes, 19.1.51 – UA Leipzig – PA 615 Junker Bl. 118f
3 Junker an Gaugericht Dresden, 3.3.39 [Abschrift Junkers in Schreiben an Dekan Phil.Fak. Leipzig, 30.5.45] – UA
Leipzig – PA 615 Junker Bl. 25-30,[ 30]
4 Cf. NSDAP Kreis Leipzig, Ortsgruppe Zentrum C, Personalbogen Junker, 17.3.44 – BAD – ZB/7895 A.8
5 Junker an Gaugericht Dresden, 3.3.39 [Abschrift Junkers in Schreiben an Dekan Phil.Fak. Leipzig, 30.5.45] – UA
Leipzig – PA 615 Junker Bl. 25-30, Bl. 30
6 Schweitzer an Prodekan der Phil.Fak. Leipzig, Erkes, 19.1.51 – UA Leipzig – PA 615 Junker Bl. 118f
7 Cf. Heyne, Polizeipräsidium Leipzig, Übersichtsbericht, 5.12.35 – BAD – ZB/7895 A.8
8 Schweitzer an Prodekan der Phil.Fak. Leipzig, Erkes, 19.1.51 – UA Leipzig – PA 615 Junker Bl. 118f
9 Cf. HA Wissenschaft, Aktennotiz für den Reichsleiter, 15.11.44 – BAK – NS 8/241 Bl. 253-257, Bl. 255f
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Der „schwierigste Fall" war Heinrich Junker, „über dessen Untragbarkeit kein Zweifel bestand",1 wie sich Bernhard Schweitzer später erinnerte. Die Entscheidung der Kommission
beruhte jedoch ausschliesslich auf dem Wissen und den Erfahrungen seiner Professorenkollegen: Auf Anordnung des Dekans war in den letzten Kriegstagen die Verbrennung von
Junkers Personalakte angeordnet und durchgeführt worden.2 Mit diesen Unterlagen lag
auch seine NS-Biographie gewissermaßen in Asche. Junker beantragte 'aus gesundheitlichen Gründen' seine Entpflichtung.3
Nach dem Abzug der Amerikaner aus Sachsen im Juli 1945 pflegte Junker dank
seiner russischen Sprachkenntnisse bald „ziemlich enge Verbindungen mit Angehörigen
der sowjetischen Besatzungsstellen.“4 Welcher Art diese Kontakte mit der Besatzungsmacht waren, ist unbekannt. Denkbar wäre, dass Junker sein Wissen über den Sicherheitsdienst sowie über seine Kollegen an der Universität dem sowjetischen Geheimdienst
nutzbar machte – immerhin hatte er vor der 'Säuberungskommission' im Juni 1945 noch
damit gedroht, „er werde sein Archiv dem Säuberungsoffizier der damals noch amerikanischen Besatzungsmacht zur Verfügung stellen, wenn er entlassen werden sollte."5
Junker versuchte spätestens seit 1948, wieder an die Universität Leipzig berufen zu
werden. Privatim wurde über einen Mittelsmann jedoch mitgeteilt, dass ein Antrag auf
Wiedereinstellung ein „völlig aussichtsloses Unternehmen" wäre, da Junker „nach Ansicht
aller massgebenden Stellen für ganz besonders belastet" gelte.6
1950 stellte Junker offiziell den Antrag auf Wiederverleihung seiner Leipziger Professur. Die Philosophische Fakultät konnte sich im Februar 1951 nicht dazu entschliessen, diese zu befürworten.7 Grund dafür waren zwei vom Dekan erbetene Stellungnahmen aus der Bundesrepublik: von Bernhard Schweitzer, der im Frühsommer 1945 kurze
Zeit Rektor der Universität Leipzig war und Hans-Georg Gadamer, damals Dekan der Philosophischen Fakultät. Beide äußerten sich über Junker in eindeutiger Weise. Gadamer
schrieb unter anderem:
„Während der Nazizeit wagte niemand im Beisein von Herrn Junker politisch oppositionelle Reden zu führen, weil man ihm nicht traute. Das unterschied ihn selbst von öffentlichen Amtsträgern der Partei, z.B. den letzten Nazi-Rektoren oder Dozentenbundsführern. [...] Sie wissen ja, dass wir im Sommer 1945 – es war noch zur Zeit der amerikanischen Besatzung – nur sehr wenige Kollegen ausschlossen, so dass unser damaliges
Votum besonders schwer wiegt."8
Auf seinen Lehrstuhl an der Universität Leipzig kehrte Junker nie mehr zurück. Allerdings wurde er schon im Juni 1951 auf den Lehrstuhl für Iranische Sprachen an die
Humboldt-Universität berufen. In Berlin sah man den 'Fall' Junker offenbar anders als in
Leipzig: es kam weniger auf die persönliche Vergangenheit im 3. Reich an als auf „Ihre
Tätigkeit und Ihre Mitarbeit am kulturellen Wiederaufbau seit 1945 [...], da dies jetzt wertvoller ist, als die Vorgänge vor 1945."9
Der Dekan der Berliner Philosophischen Fakultät stellte die Emeritierung Junkers
1945 gegenüber dem Staatssekretariat als das Ergebnis einer persönlichen Fehde zwischen Junker und Bernhard Schweitzer dar. Wolfgang Steinitz, bis dato einer der wenigen Kommunisten unter den Sprachwissenschaftlern, wies explizit darauf hin, dass
1 Schweitzer an Prodekan der Phil. Fak. Leipzig, Erkes, 19.1.51 – UA Leipzig – PA 615 Junker Bl. 118f
2 Cf. Schweitzer an Prodekan der Phil. Fak. Leipzig, Erkes, 19.1.51 – UA Leipzig – PA 615 Junker Bl. 118f
3 Lebenslauf Junker, n. d. [Umgebung August 1960] – UA HUB – PA J 213 Junker Bl. 61-63
4 Cf. Heinrich Becker an Baetke, Universität Leipzig, 23.8.48 – UA Leipzig – PA 615 Junker Bl. 98
5 Cf. Schweitzer an Prodekan der Phil. Fak. Leipzig, Erkes, 19.1.51 – UA Leipzig – PA 615 Junker Bl. 118f
6 Baetke, Universität Leipzig, an Heinrich Becker, Bibliographisches Institut Leipzig, 28.9.48 – UA Leipzig – PA 615
Junker Bl. 99
7 Cf. Erkes an Staatssekretariat für Hochschulwesen, 10.2.51 – UA Leipzig – PA 615 Junker Bl. 15
8 Gadamer an Erkes, 21.1.51 – UA Leipzig – PA 615 Junker Bl. 100
9 So offenbar schon der Prodekan der Phil. Fak. Leipzig gegenüber Junker Anfang 1951. Cf. Junker an Frings, 29.3.51
– UA Leipzig – PA 615 Junker Bl. 16f
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Schweitzer als Rektor „dann mit den Amerikanern nach Westen" gegangen sei. Überdies
habe sich Junker seit 1945 „aktiv am demokratischen Neuaufbau beteiligt".1
Für Junkers Berufung nach Berlin sprach, dass „in der Sowjetunion ein sehr
grosses Interesse an Iranistik besteht" und somit "die Tätigkeit von Prof. Junker auch für
die deutsch-sowjetische wissenschaftliche Zusammenarbeit wichtig sein" werde. Ausserdem dürfte für Junker gesprochen haben, dass er des Koreanischen mächtig war – zum
Zeitpunkt der Ernennung Junkers war der Korea-Krieg voll entbrannt; die koreanistische
Lehrabteilung an der Humboldt-Universität wurde von ihm aufgebaut.2
Im Mai 1953 erfolgte alsdann Junkers Berufung in den Wissenschaftlichen Beirat
für die Fachrichtung Orientalistik beim Staatssekretariat für Hochschulwesen der DDR.3
Bald darauf wurde er zum Vorsitzenden des Wissenschaftlichen Bereichs für Sprachwissenschaft bestellt.4 Aus Anlass der 150-Jahr-Feier der Berliner Universität wurde Junker
die Auszeichnung „Hervorragender Wissenschaftler des Volkes" verliehen. In der Antragsbegründung wurde unter anderem darauf verwiesen, dass Junker „von vornherein in
der Iranistik und Koreanistik den Schwerpunkt auf die Moderne gelegt und damit die Enge
einer bürgerlichen Philologie in der Orientalistik überwunden" habe.5
Junker starb, ausgezeichnet mit der „Verdienstmedaille der Deutschen Demokratischen Republik", am 3. April 1970 in Berlin. Obschon seit 1961 emeritiert, hielt er bis zu
seinem Tode Lehrveranstaltungen an der Humboldt-Universität ab, wo er „junge Nachwuchskräfte heran[bildete], die bereit sind und die Fähigkeiten besitzen, Ihr Werk [...] im
Geiste unserer neuen sozialistischen Hochschulordnung weiterzuführen."6
10.24 Der Entnazifizierungsfall Porzig
Walter Porzig (* 30.3.1895) gehörte zu den Wissenschaftlern, die
Politik und Wissenschaft stets säuberlich auseinanderhielten.
Nichtsdestoweniger war er in beiden Bereichen sehr aktiv. Porzig
wirkte als Indogermanist zuerst in Leipzig, wurde dann 1925 Ordinarius in Bern, 1935 in Jena, 1941 in Strassburg (wo er nicht las,
weil er in Norwegen beim Militär war) und ab 1951 in Mainz.
Porzig ist noch heute vor allem durch sein in der Nachkriegszeit
geschriebenes, allgemeinverständliches Werk „Das Wunder der
Sprache“ als führender Vertreter der inhaltsbezogenen Grammatik
bekannt.
Vom 15. August 1934 bis 30. April 1935 war Porzig aber – was
weniger bekannt ist – auch Leiter der Auslandsgruppe der NSDAP
Walter Porzig
in Bern. Nach dem spektakulären Lehrstuhlwechsel mit seinem
Lehrer Debrunner, der als erklärter Antinazi aus Deutschland herausstrebte, übernahm er an seinem neuen Wirkungsort Jena die Position eines Blockleiters, später eines Schulungsleiters. Von Beginn des Krieges an war er im Heeresdienst
als Hauptmann in Norwegen. 1944 wurde er entlassen und führte dann als Kommandant
ein Volkssturmbataillon in Jena. Vom 13. April 1945 bis 26. Juli 1946 war er im Internierungslager, zuletzt in Darmstadt. Danach verdiente er sich als Arbeiter in einer Sperrholzfabrik sein Geld.
Die Spruchkammer Koblenz stuft Porzig am 8. März 1949 in die Kategorie IV (Mitläufer) ein.7 Im Falle seiner Wiedereinstellung würden ihm auf 2 Jahre 20% des Gehalts
1 Steinitz an Staatssekretariat für Hochschulwesen, 15.6.51 – UA HUB – PA J 213 Junker Bl. 12f
2 Cf. Wirzberger an Junker, 26.3.69 – UA HUB – PA J 213 Junker Bl. 132
3 Harig, Staatssekretär, 7.5.53 – UA HUB – PA J 213 Junker Bl.29
4 Cf. Kürschners Gelehrtenkalender 1961, s.v. Junker
5 M.B. Alavi an Rektor HUB, 20.8.60 – UA HUB – PA J 213 Junker Bl. 64f
6 Wirzberger an Junker, 26.3.69 – UA HUB – PA J 213 Junker Bl. 132
7 Zu diesem und dem folgenden s. Säuberungssspruch 1.4.49 – UA Tü 267/33
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abgezogen. Bemerkenswert ist die Begründung der Spruchkammer:
„Er machte in der Spruchkammersitzung den Eindruck eines offenen, wahrheitsliebenden, sozial empfindenden, reichlich weltfremden Universitätsprofessors, der in seiner
Harmlosigkeit sogar die Judenpogrome als eine spontane Kundgebung des Volkes
hielt, die von der nationalsozialistischen Regierung nicht gebilligt worden wäre.“
Es gab eben Spruchkammern, die so harmlos waren, daß sie hinter solchen Harmlosigkeiten nicht den Mythos vom Typ „Wenn das der Führer wüsste“ erkannten, der Herrscher und Beherrschte gleichermaßen entlastete. Natürlich war Porzig jetzt auch seit seiner Rekrutenzeit 1914 Antimilitarist gewesen. Seine Frau formulierte es 1947 schon deutlicher:
„Es wäre bestimmt nicht im Sinne meines Mannes, wollte ich leugnen, daß er überzeugter Nationalsozialist war (...)“
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10.3 Der 'Jungtürkenaufstand' auf dem Germanistentag
Der Germanistentag des Jahres 1966 in München war der aufsehenerregendste nach dem Zweiten Weltkrieg. Die wichtigsten Beiträge wurden unter dem Titel „Germanistik – eine deutsche Wissenschaft“ 1967 publiziert. Sie wollten „ein Stück deutsche Ideologie“
einfangen,
„[...] das verdeckt und unbeobachtet bis in die Gegenwart die
schädlichsten Wirkungen auf die Praxis des Faches ausübt
und ohne dessen Eliminierung die Germanistik zu einer vernünftigen und nützlichen Wissenschaft nicht werden kann.“ 1
Die meisten Referenten waren erst kurz vorher um ihren Beitrag zur Tagung gebeten worden. Sie hatten kaum mehr als einen Monat Zeit zur Vorbereitung. So basierte die Analyse auf einer mehr zufälligen Auswahl und hängte sich an willkürlich zusammengelesene
Zitate. Wolfgang Fritz Haug fiel es leicht, gerade am Beispiel dieser Beiträge zum Germanistentag die Ideologie des „hilflosen Antifaschismus“ zu erläutern.
Trotzdem kommt dem Germanistentag 1966 das Verdienst zu, die Diskussion über die
Vergangenheit der Germanistik fachintern und in der Öffentlichkeit angestoßen zu haben.
Nach dieser Tagung gab es kein Zurück mehr zum bis dahin vorherrschenden Verdrängen, Verschweigen oder Verharmlosen. Dass der ‘Jungtürkenaufstand’ trotz seiner Mängel eine Zäsur in der Nachkriegsgeschichte der Germanistik ist, wird deutlich, wenn man
zum Vergleich den Bericht über den Germanistentag 1950 – der erste nach dem Ende
des Nationalsozialismus – heranzieht. Bei der Lektüre springt einem die Hilf- und Orientierungslosigkeit der Davongekommenen – prominente Beiträger waren unter anderen Hans
Heinrich Borcherdt, Heinz Otto Burger und Benno von Wiese – in jedem Absatz förmlich
entgegen. In beinahe entwaffnender Offenheit schrieben Arens und Brinkmann unter anderem: „Im Rahmen der Vorträge kam die Frage noch nicht zur Geltung, wie wir heute
2
nach erschütternden Erfahrungen unsere Dichtungsgeschichte sehen.“
Grossen Anklang fand stattdessen jener ‘Ausweg’ aus nationalsozialistischen Paradigmen, den Heinz Otto Burger anbot und der die Literaturwissenschaft der Bundesrepublik bis in die sechziger Jahre bestimmte – die Flucht in die Utopie der textimmanenten
Interpretation, in das Postulat, die Dichtung habe
„[...] ihre eigene Zeit und ihren eigenen Raum (Burger); darum kann sie nicht mit biographischer (Leben des Dichters) oder historischer Methode (die Zeit) aus außer3
dichterischen Kräften erklärt oder ‘abgeleitet’ werden.“
1 Lämmert 1967, S. 2
2 Arens 1950/51, S. 60
3 ibid., S. 61
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10.4 'Entnazifizierung im Selbstversuch': Tat oder Trug des Hans Schwerte?
Ende April 1995 gab der Literaturwissenschaftler und ehemalige
Rektor der RWTH Aachen Hans Schwerte bekannt, dass er bis
1945 unter anderem Namen gelebt habe und identisch sei mit jenem SS-Hauptsturmführer Dr. Hans Ernst Schneider (s. Kap. 7.22),
der im Zweiten Weltkrieg Leiter des Germanischen Wissenschaftseinsatzes war (s. Kap. 7.2).1 Die Erklärung erfolgte unter dem Druck
unmittelbar bevorstehender Enthüllungen niederländischer Journalisten. Der sogenannte 'Fall Schwerte/ Schneider' beschäftigt seitdem die Öffentlichkeit und hat mannigfaltige Kontroversen hervorgerufen, vor allem unter Germanisten und Historikern.
Hans Schwerte alias
Unter neuem Namen und mit gefälschten Papieren beginnt
Schneider
Hans Schwerte im Herbst 1945 erneut mit dem Studium der Germanistik. In Erlangen promoviert er 1948 bei Heinz Otto Burger mit einer Arbeit über Rainer
Maria Rilke.2 1958 habilitiert sich Schwerte und übernimmt eine Dozentur in Erlangen.
1964 erfolgt dann endlich – er ist damals schon Mitte Fünfzig – die Berufung zum ausserplanmässigen Professor in Erlangen; noch im selben Jahr erhält er den Ruf an die TH Aachen, wo er im August 1965 ordentlicher Professor für neuere deutsche Literaturgeschichte wird.3 Fünf Jahre später ist der als liberal geltende Professor Rektor der Technischen
Hochschule: seine Wahl erfolgt gegen die Kandidatur eines Konservativen.4
Schwertes literaturwissenschaftliches Werk der Nachkriegszeit ist seit Mai 1995
Gegenstand eines heftigen Meinungsstreits seiner Kollegen im In- und Ausland. Dies gilt
vor allem für seine Habilitationsschrift „Faust und das Faustische. Ein Kapitel deutscher
Ideologie", in der die Ideologisierung und politische Funktionalisierung des Wortes ‘Faustisch’ und des ‘Faust’ von Goethe seit dem späten 18. Jahrhundert nachgezeichnet und
untersucht werden. Vom 'Betrug' und der 'Maskerade' Schwertes ist die Rede, auch davon, dass er jahrzehntelang ein 'Doppelleben' geführt habe. So wird die Tatsache, dass
Schwerte in den frühen fünfziger Jahren zusammen mit einem ehemaligen Kollegen von
der SS, dem SD-Kulturamtsleiter Wilhelm Spengler (s. Kap. 2.82) eine Reihe über „Denker und Deuter im heutigen Europa" herausgab, als klares Indiz für 'nationalsozialistische
Netzwerke' gewertet, an denen Schwerte mitgewirkt und von denen er in seiner Nachkriegskarriere profitiert habe.
Andere Wissenschaftler datieren demgegenüber einen entscheidenden Wendepunkt in Schwertes Nachkriegswerk auf die Mitte der fünfziger Jahre. Zuvor finde man in
Schwertes Publikationen noch vereinzelt Rückgriffe auf deutschnationale und nationalsozialistische Argumentationsmuster und Konfrontationslinien – beispielsweise im Verhältnis
zur Moderne oder gegenüber Thomas Mann. Spätestens mit der Veröffentlichung von
„Faust und das Faustische" (1962), mit dem Aufsatz „Deutsche Literatur im Wilhelminischen Zeitalter" (1964) und mit seinen Beiträgen bei den von Hermann Glaser organisierten „Nürnberger Gesprächen" in den sechziger Jahren habe sich Schwerte zu einem wichtigen Vertreter einer ideologiekritischen, liberalen Literaturwissenschaft entwickelt. So
schrieb Schwerte in seiner 1962 veröffentlichten Habilitationsschrift über die gesellschaftspolitische Funktion der Philologie:
1 Zum Fall Schwerte-Schneider s. Lerchenmüller / Simon: >Maskenwechsel.< Tübingen 1999 und die dort angegebene Literatur.
2 Studien zum Zeitbegriff bei Rainer Maria Rilke. Erlangen 1948
3 1963-64 lehrt Schwerte auch an der Universität Münster.
4 Philfalt 1995, S. 4
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„Das Kunstwerk darf keinen ideologischen Verzerrungen oder romantischen Aushöhlungen der geschichtlichen Verantwortung dienstbar gemacht werden. Losgelöst als
Schlagwort oder als Schwarmgeisterei bewirkt die poetische Mitteilung in jedem Fall
eine Verdrehung der geschichtlichen Realität. Dieser Klarstellung des Wortes gilt das
soziale Wächteramt der Philologie; das Amt verfällt, wenn es sich beliebig zur Verfügung stellt. Die Entideologisierung, die Entmythologisierung gewisser angeblicher
Grundvorstellungen unseres nationalen Wort- und Bildbestandes ist in der gegebenen geschichtlichen Situation eine der wichtigsten Aufgaben der kritischen Philologie.“ 1
Müssen solche Texte nach der ‘Demaskierung’ Schwertes anders gelesen werden? Ist
Schwertes ideologiekritisches Werk durch sein persönliches Versagen auf Dauer entwertet? Die Diskussion darüber hat innerhalb der bundesdeutschen Germanistik kaum erst
begonnen.
Als unmittelbare Reaktion auf Schwertes Bekanntgabe seines Namenswechsels
veranlasste die NRW-Landesregierung im Frühjahr 1995 die Sperrung seiner Emeritenbezüge; Nordrhein-Westfalen und Bayern erkannten ihm den Beamtenstatus ab; und einige
Erlanger Professoren beantragten die Aberkennung des 1948 erworbenen Doktortitels.
Diese Forderung wurde von zahlreichen Studierenden unterstützt, unter anderem mit dem
Argument, ein solcher „symbolischer Akt" sei zur Wiederherstellung des guten „Rufs der
Universität" notwendig und im übrigen eine „Frage der politischen Hygiene" der Fakultät.2
Die Philosophische Fakultät und der Rektor der F.A.U. Erlangen-Nürnberg haben es mittlerweile abgelehnt, Schwerte den Doktortitel abzuerkennen. Das Ermittlungsverfahren gegen Schwerte wegen Beihilfe zum Mord – er war an der Beschaffung medizinischer Geräte in den Niederlanden beteiligt, die Rascher im KZ Dachau für Menschenversuche verwendete – wurde Ende 1996 eingestellt. Schwerte starb am 18. Dezember 1999.3
11. Alternative Lebenswege
Angesichts des massenhaften Fehlverhaltens deutscher Wissenschaftler entstand nach
1945 insbesondere bei Betroffenen und ihren Adepten die Frage: Was hätten wir denn tun
sollen? Wie hätte man sich in dieser Situation anders verhalten sollen? Diese Frage richtet sich übrigens nicht nur an deutsche Wissenschaftler. Das kollektive Schweigen der
Mehrheit unter den ausländischen Germanisten läßt sich nämlich als korrespondierendes
Fehlverhalten beschreiben.
Wir haben vier Beispiele ausgewählt, an denen wir glauben zeigen zu können, wie
man sich in diesen Zeiten verhalten konnte, ohne mit den Wölfen zu heulen, ohne das
Gesicht zu verlieren, ohne sich umbiegen zu lassen, ohne alles mit Schweigen und Vergessen zuzudecken und damit erst möglich zu machen:
1. Georg Friedrich Nicolai steht für den Emigranten.
2. Elise Richter steht für das Opfer, das im Alter in der Emigration keine Perspektive
mehr sieht.
3. Jonas Fränkel steht für den ausländischen Germanisten, der mit den geringen Mitteln,
die Wissenschaftlern zur Verfügung stehen, die damaligen Verhältnisse in Deutschland an den Pranger stellt und auf sie einzuwirken versucht.
4. Adolf Reichwein steht für den Widerstandskämpfer.
1 Schwerte 1962, S. 241
2 So schriftliche und mündliche Äußerungen Erlanger Studierender im Zusammenhang mit einem von der F.A.U. Erlangen-Nürnberg im Februar 1996 organisierten Symposium zum 'Fall Schwerte/Schneider'. Siehe z.B. den 'Offenen
Brief der Studierenden' an Rektor Jasper et al., veröffentlicht in: Erlangen 1996
Schwerte war zur Eröffnungsveranstaltung der Ausstellung, die diesem Opus zugrunde lag, eingeladen,
musste aber aus gesundheitlichen Gründen absagen.
3
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Keine dieser Personen hielt es für wichtig, im Zentrum des Geschehens zu stehen, selbst
wenn sie einmal nahe am Zentrum wirkten. Mit dem Mut des ethisch reflektierten Anderssein ausgerüstet, waren sie sich zumeist auch ihrer historischen Rolle als Alternative oder
Vorreiter einer gerechteren Zukunft bewusst. Dass sie mehrheitlich keine Germanisten
waren, ist nicht so zu deuten, dass es keine Germanisten gab, die man an der Stelle der
hier genannten Fälle hätte anführen können. Für den Typ des Emigranten hätte man z. B.
auf Richard Alewyn oder Rudolf Fahrner eingehen können. An der Stelle Elise Richters
hätte man auch das durchaus ähnliche Schicksal der Dialektologin Agathe Lasch beschreiben können. Der Typ des deutschlandkritischen und einwirkungswilligen ausländischen Germanisten ist überhaupt noch nicht erforscht, bzw. offenbar nicht als wichtiger
Forschungsgegenstand entdeckt. Möglicherweise ist Jonas Fränkel also ein Einzelfall.
Auch beim Typ des Widerstandskämpfers gibt es keinen Reichwein vergleichbaren Vertreter, der zum engen Kreis einer Widerstandsgruppe zu rechnen wäre. Es gab Germanisten, die sich einzelnen Zumutungen entzogen, z. B. Walther Rehm, der sich dem
>Kriegseinsatz der Germanistik< verweigerte. Es gab Einzelkämpfer unter den Gegnern.
Das bekannteste Beispiel ist der Romanist Victor Klemperer. Aber mit dem politisch allein
wirksamen organisierten Widerstand haben diese Fälle nichts zu tun. Natürlich haben wir
uns auf die folgenden Fälle auch konzentriert, weil hier eigene – wenn auch keineswegs
abgeschlossene – Forschungen vorliegen.
11.1 Emigranten
Das Mittel der zwangsweisen Entfernung oder Behinderung unliebsamer Professoren –
sei es aus politischen oder rassischen Gründen – ist schon in Weimarer Zeit praktiziert
worden, und es waren die Universitäten selbst, die dieses Mittel hoffähig machten. Den
Rücktritt vom Lehramt des Münchner Philologen Prof. Friedrich Wilhelm Foerster erzwangen Studenten im Februar 1920; Albert Einstein war in Berlin beständig Angriffen völkischer Studenten ausgesetzt, die von seinen „undeutschen" und „talmudischen" Theorien
nichts wissen wollten: Für Einstein, Foerster und Nicolai, schrieb die "Deutsche Zeitung"
im April 1920, würde sich „bei den stammesverwandten Senegalnegern ein lohnendes
Betätigungsfeld ergeben." 1 In Heidelberg war Emil Gumbel Anfeindungen und Morddrohungen ausgesetzt, weil er Material über die Schwarze Reichswehr sammelte und veröffentlichte; und für die Remotion Theodor Lessings von der TH Hannover im Jahre 1925
zeichnen ebenfalls in erster Linie die Studierenden verantwortlich. Foerster und Gumbel
emigrieren ebenfalls vor 1933. Lessing wird 1933 von Nazis ermordet.
11.11 Georg Friedrich Nicolai kam am 6.2.1874 als Sohn des Heidelberger Privatdozenten der Chemie und späteren politischen
Journalisten Gustav Lewinstein zur Welt, ein getaufter Jude. Seine
Mutter, Elise Michaelis, war Frauenrechtlerin. Er studiert Medizin in
Berlin, Heidelberg und Leipzig, wo er bei Ewald Hering 1901 promoviert. Ein erster Habilitationsversuch an der Universität Berlin,
die er 1898 als Student auch aus studentenpolitischen Gründen
verlassen musste scheitert zunächst aus nicht eindeutigen Gründen; sein früheres Gebaren sowie seine jüdische Abstammung mögen dabei eine Rolle gespielt haben. 1907 schließlich habilitiert,
macht Nicolai an der Charité Karriere.
Wenige Wochen nach Kriegsausbruch wendet sich Nicolai
Georg Friedrich Nicolaigegen die zunehmend offen und öffentlich gezeigte politische Radikalisierung der Wissenschaft. Gemeinsam mit seinen Freunden Albert Einstein, Otto Buek und Wilhelm Foerster legt er Mitte Oktober den „Aufruf an die
Europäer" vor. In Vorausahnung des Kommenden heisst es dort:
1 Deutsche Zeitung, 18.4.20
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„Denn der heute tobende Bruderkampf wird kaum einen Sieger, sondern wahrscheinlich nur Besiegte zurücklassen. Darum scheint es nicht nur gut, sondern bitter
nötig, dass gebildete Männer aller Staaten ihren Einfluss dahin aufbieten, dass – wie
auch der heute noch ungewisse Ausgang des Krieges sein mag – die Bedingungen
des Friedens nicht die Quelle künftiger Kriege werden, dass vielmehr die Tatsache,
dass durch diesen Krieg alle europäischen Verhältnisse in einen gleichsam labilen
und plastischen Zustand geraten sind, dazu benutzt werde, um aus Europa eine organische Einheit zu schaffen."1
An der Universität Berlin ist nicht ein weiterer Akademiker, der bereit wäre, den Aufruf öffentlich mitzutragen. Kurze Zeit später verunmöglicht das Militär die Fortsetzung der Lehrtätigkeit von Nicolai; er wird in die Provinz versetzt. Dort verfasst er eine Abrechnung mit
dem Nationalismus unter dem Titel: „Die Biologie des Krieges. Betrachtungen eines Naturforschers den Deutschen zur Besinnung", das 1917 in Zürich erscheint. Daraufhin verschärft das Militär seine Repressionen, und Nicolai desertiert schließlich im August 1918
nach Dänemark.
Im November 1918 kehrt Nicolai nach Deutschland zurück. Sofort wird er zur Zielscheibe antisemitischer und völkischer Kreise. Studenten und Professorenkollegen protestieren in lautstarker und tatkräftiger Eintracht gegen die Wiederaufnahme seiner Lehrtätigkeit. Die medizinische Fakultät fordert vom Erziehungsministerium, dass Nicolai die venia legendi entzogen werde. In Berliner Zeitungen erscheinen Artikel, die Nicolai und die
Berliner Universität in kaum zu missdeutenden Worten warnen:
„Anscheinend hält sich der berüchtigte Professor Nicolai-Lewinstein trotz seiner vaterlandsverräterischen Tätigkeit zum Lehrer für deutsche Studenten berufen. [...] wenn die
Professorenschaft nicht von dem Manne abrückt, [muss] die deutsche Studentenschaft
zur Selbsthilfe schreiten." 2
1 Wehberg 1921, S. 23
2 Zit. nach Zuelzer 1981, S. 269
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11.12 Tatsächlich wird der Versuch, im Januar 1920 wieder
Vorlesungen zu halten, von Studenten gewalttätig vereitelt.
Eine Untersuchung des Vorfalls unter dem Vorsitz des Rektors
Eduard Meyer schließt mit dem einstimmigen „Urteil", dass
Nicolai die Anforderungen nicht erfülle, „die deutsche Studenten an ihre Lehrer und Führer mit Recht zu stellen gewohnt
sind" – Nicolai sei „nicht würdig“, weiter an der Universität zu
lehren.1
Die französische Zeitung „Le Monde“ spricht daraufhin
von einer „Dreyfus Affäre“ in Deutschland.
Alle Versuche Nicolais, das Urteil zu revidieren bzw. vor
Gericht für unwirksam erklären zu lassen, scheitern. Die akademischen Kollegen in Berlin und im Reich schweigen. Auch
das Preussische Kultusministerium bleibt wirksame Unterstützung schuldig. Resigniert stellt Nicolai im Juli 1921 zum Thema ‘Ehre der deutschen Universität’ fest, er habe sich davon
überzeugen müssen, „dass diese Ehre einfach nicht exisitert."2
Im Frühjahr 1922 wandert Nicolai nach Argentinien aus,
wo er, von den Studierenden als 'Grosser Europäer' gefeiert,
als Professor der Physiologie an der Universität Córdoba lehrt.
Nach Deutschland ist er – von Besuchen abgesehen – nie
mehr zurückgekehrt.
11.13 Unmittelbar nach seiner Ankunft in
Argentinien erhielt Nicolai Post von einem
dort lebenden Deutschen. Der 'Willkommensgruss' endete mit den Worten:
„Wenn die Völker in Europa mal zur
Vernunft kommen und Deine ganze
Saurasse ausrotten, geht es Euch hier
genauso, dafür werden wir sorgen. Also verschwinde so schnell wie möglich
hier, Du Dreckfinke!! [...] Hiermit sei Dir
kundgetan, dass Du hier nichts zu suchen hast und Du so schnell wie möglich wieder verduften sollst, das Land
kennt Euch Schweine zur Genüge." 3
1 Rektor und Senat, gez. Eduard Meyer, In der Angelegenheit betreffend den von Studierenden gegen den Unterricht
des ao. Professors Dr. G.F. Nicolai erhobenen Einspruch... - ZAAW - NL Ed. Meyer 285
2 Nicolai an Harden, 17.7.21 - BA N 1062/77
3 Datiert "Buenos Aires, 27.IV.22" - IfZ - ED 184/37
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110
11.14 Als Reaktion auf die Machtübernahme der Nazis verfasst Nicolai, der mittlerweile in Chile lebt, eine 300 Seiten
starke Kritik des Nationalismus unter dem Titel „Das Natzenbuch. Eine Naturgeschichte der National-Sozialistischen Bewegung und des Nationalismus überhaupt." Das „Natzenbuch" ist die konsequente Fortsetzung der im Ersten Weltkrieg verfassten „Biologie des Krieges". Als Pseudonym wählt
Nicolai den Namen „Jakob Renne". In einem Brief an Romain
Rolland, den er bittet, die Herausgabe des Werks in Europa
zu übernehmen, schreibt Nicolai:
„Jedenfalls, da dies Buch davon ausgeht dass die Natzen gerade das Gegenteil von dem sind, was man einen typischen oder echten Deutschen nennen könnte,
so möchte ich ihnen den billigen Triumph nicht gönnen,
dieser Argumentation dadurch die Spitze abzubrechen,
dass sie sagen: 'ach der Nicolai, der hasst ja Deutschland, da hasst er uns Natzen natürlich auch' – während
es doch gerade umgekehrt ist: 'ich hasse die Natzen,
weil ich das wahre Deutschland liebe'. [...]
Das Buch [...] will im Grunde dasselbe wie die Biologie des Krieges: Für die
Menschheit und deren Zusammenschluss, und gegen allen trennenden Nationalismus. Nur ist es wohl radikaler antinationalistisch und in der Form polemischer; wenigstens teilweise: in der Person des deutschen Natzen verspottet es zuerst den Nationalismus, um ihn dann ernsthaft zu bekämpfen und für eine konstruktive Neuorientierung einzutreten." 1
Es gab noch einen anderen Grund für das Pseudonym: seine Frau lebte noch in Deutschland. Eine geplante Ausreise wurde durch den Ausbruch des Krieges im September 1939
unmöglich. Ihr gemeinsamer Sohn Otto entging, 'Nichtarier' und geistig behindert, nur
knapp der 'T4 Aktion'.
Das Natzenbuch, „meinem Kinde und der kommenden Generation [gewidmet], auf dass
sie die Swastika wieder mit Ehren tragen können", ist nie erschienen. Das Manuskript liegt
unbeachtet in einem deutschen Archiv. Die Nationalsozialisten erinnerten sich gleichwohl
an Nicolai: Im Juli 1940 wurde er auf Beschluss des Reichsministers des Innern zwangsausgebürgert.2 Das war im achtzehnten Jahr seines Exils.
Ausriss aus dem Natzenbuch
1 Nicolai an Rolland, 30.11.35 - IfZ - ED 184/84
2 Cf. Korrespondenzblatt Nicolai - BAZ - Nicolai REM file
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111
11.2 KZ-Opfer
Elise Richter (1865-1943), die ihr ganzes Leben in Wien verbrachte, war die erste Frau im deutschsprachigen Raum, der die „venia
legendi“, die Lehrbefugnis an einer Universität, erteilt wurde.
Als sie im schulfähigen Alter war, lag der Besuch eines
Gymnasiums noch in weiter Ferne,
„[...] mit quälendem Neid dachten Helene [die Schwester Elises] und ich an alle die Buben, die das Gymnasium machen
können – für uns lag das alles außerhalb des Möglichen – wie
eine Reise auf den Mond – so lernte ich allein weiter.“1
Am 9. März 1896 wird in Österreich durch
den Erlaß des Ministers für Cultus und UnElise Richter
terricht auch den Frauen die Ablegung von
Maturitätsprüfungen (=Abitur) erlaubt. Ein weiterer Erlaß vom 24.
März 1897 schließlich ermöglicht Frauen den Zugang zu den philosophischen Fakultäten der K.K. Universitäten als ordentliche
Hörerinnen. (In Preussen wurde erst 1905 das Frauenstudium zugelassen.)
Im Wintersemester 1897/98 immatrikuliert sich Elise Richter an
der Wiener Universität – anfangs in klassischer Philologie, später
dann Romanistik. Am 2. Juli 1901 wurde ihr als einer der ersten
Frauen der Doktortitel zuerkannt (Thema der Dissertation: „Zur
Entwicklung der romanischen Wortstellung aus der lateinischen“),
der am 25. August 1907 die Habilitation und Lehrbefugnis folgte.
1921 wird ihr vom Bundespräsidenten die ausserordentliche Professur verliehen. Die ordentliche Professur, ihr letztes großes Ziel,
wurde ihr 1935, im Alter von 70 Jahren, verweigert. Nach den
Worten ihres Schülers Thieberger:
Deckblatt eines der
Tagebücher der
Elise Richter
„Sie hatte einen doppelten Makel zu tragen – sie war Frau und Jüdin“.
Am 10. März 1938 hält sie ihre letzte Vorlesung, wenig später erhält sie vom Dekanat eine
Aufforderung, den Ariernachweis zu erbringen. Durch die ‘International Federation of University Women’ bot sich zwar noch die Möglichkeit zu emigrieren, die Elise Richter jedoch
ablehnte. Am 10. Oktober 1942 wurden Elise und Helene Richter nach Theresienstadt
deportiert, wo Helene noch 1942 und Elise Richter am 21. Juni 1943 starben. Elise Richters Tagebücher mit ca. 11000 handbeschriebenen Seiten sind bisher nicht publiziert.
1 Richter 1977, S. 536f.
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112
11.3 Auslandsgermanisten
11.31 Jonas Fränkel (* 12.8.1879) war Schweizer Literaturwissenschaftler1. Nach dem Studium der Literaturgeschichte
in Wien und Bern promoviert Fränkel 1902 in Bern mit einer
Dissertation über Zacharias Werner. Nach einer wissenschaftlichen Tätigkeit in Berlin wird er in Bern 1909 Privatdozent und 1921 ausserordentlicher Professor. Schwerpunkte seiner Forschung waren neben Zacharias Werner
Gottfried Keller, Goethe und Spitteler.
Fränkel war Herausgeber der kritischen Gottfried-KellerAusgabe. Er kreierte dabei zugleich einen neuen Typ von
Edition. So kritisch man heute manche Neuerungen einschätzt, an seiner Editionsleistung bestand unter Experten
nie ein Zweifel. 1936 hält Fränkel in Bern einen Zyklus von
Vorträgen, der 1939 unter dem Titel „Gottfried Kellers politische Sendung“ in Zürich erscheint. In diesem Buch setzt
sich Fränkel immer wieder mit Gegenwartserscheinungen,
vorwiegend mit NS-Deutschland auseinander, konfrontiert
sie mit Sentenzen aus Kellers Werk und zieht zum Teil
hochpolemische Schlüsse zugunsten Kellers, manchmal auch mit Seitenhieben auf die
wegsehenden Gegenwartsschweizer. Fränkel zitiert Keller:
„Der große Haufen der Gleichgültigen, auf ihm ruht der Fluch der Störungen und
Verirrungen, welche durch kühne Minderheiten entstehen.“
11.32 Fränkels Opus wird von den zuständigen Stellen in Deutschland aufmerksam
gelesen. Einige Textstellen werden exzerpiert. Die hier wiedergegebenen zwei
Textstellen entstammen Exzerpten, die im
Amt Rosenberg hergestellt wurden.
Der handschriftliche Zusatz „Verbot?“ lässt
Böses ahnen. Da Fränkel im Zweiten
Weltkrieg als Herausgeber der KellerAusgabe abdanken und auch sonst manche Ungerechtigkeit über sich ergehen
lassen muss, könnte man eine Ursache in
NS-Deutschland vermuten, zumal Fränkel
Jude war. Die Keller-Ausgabe blieb trotz
eines Fortsetzungsversuchs ein Torso.2
1 Jonas Fränkel war in der Schweiz nahezu vergessen. - s. dazu: Schütt 1996
2 Zu Fränkel s. jetzt Schütt 1996
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113
11.4 Widerstandskämpfer
11.41 Adolf Reichwein (* 3.10.1898) kam wie viele der genannten
Wissenschaftler, gerade auch der Nationalsozialisten unter ihnen,
aus der Wandervogelbewegung, einer Anfang des Jahrhunderts als
Protest gegen die verkrustete Gesellschaft aus verschiedenen Ursprüngen zusammengewachsenen und bald wieder gespaltene Alternativbewegung.1 Als einer der wenigen und im Gegensatz zu den
Nationalsozialisten entwickelt er seine Wandervogel-Ideale und seine
Kritik an der Regierung und an dem Militär- und Obrigkeitsstaat unter
Wilhelm II. weiter zu einem Bekenntnis zur Demokratie. Darüber hinaus steht in Reichwein schon in den 20er Jahren einer der vielseitigsten Menschen dieses Jahrhunderts vor uns. Im Vergleich zu ihm
kommen einem fast alle hier sonst genannten Wissenschaftler wie
beschränkte Spezialisten vor, selbst die, für die Interdisziplinarität
Adolf Reichwein
Programm ist. Wie auch sonst bei vielseitigen Menschen gehört
Reichweins Vita zu den spannendsten, lustigsten und tragischsten
überhaupt, die in der Wissenschaftsgeschichte jemals beschrieben wurden.
Im Ersten Weltkrieg schwer verwundet, beginnt er im Mai 1918 vom Lazarett aus
sein breitgefächertes Studium (Geschichte, Germanistik, Sprachwissenschaft, Kunstgeschichte, Volkswirtschaft, Soziologie, Philosophie, Arbeitsrecht) an der 1914 gegründeten
Universität Frankfurt am Main. Nachhaltige Wirkung zeitigten der Arbeitsrechtler Hugo
Sinzheimer, der wesentlich zum Entstehen des Betriebsrätegesetzes von 1920 beitrug,
und der Soziologe Franz Oppenheimer, der Vater des Kibbuzgedankens. Germanistik
studiert er, ohne sonderlich beeindruckt zu sein, bei Hans Naumann, Julius Schwietering
und Franz Schultz.
Im Frühjahr 1919 wird Reichwein in die Volksbildungsbewegung hineingezogen. Ihn fesselt die Methode der „Arbeitsgemeinschaft“, die Ablösung der Vorlesung durch Kleingruppenarbeit.
Sein Geld verdient er sich unter anderem als Grubenarbeiter in einem Bergwerk. Er
ist nicht nur Demokrat, sondern auch Sozialist, der allerdings frühzeitig die SPD auffordert,
dem Gedanken der Diktatur des Proletariats abzuschwören.
1920, nachdem er sich an der Niederschlagung des Kapp-Putsches beteiligt hatte,
wechselt Reichwein an die Universität Marburg und schließt sein Studium 1921 mit einer
Dissertation zum Thema „China und Europa im 18. Jahrhundert“ ab. Von da ab steht fast
ein Jahrzehnt lang die Volkshochschularbeit im Mittelpunkt. 1921 wird er Geschäftsführer
des >Ausschusses der deutschen Volksbildungsvereinigungen< in Berlin, im Oktober
1923 Geschäftsführer der >Volkshochschule Thüringen<, 1925
als Nachfolger von Wilhelm Flitner Leiter der VHS Jena. Kurz
darauf ertrinkt sein zweijähriger Sohn beim Spielen in einer
Regentonne. Die Ehe zerbricht.
11.42 Reichwein unternimmt mit Unterstützung der >Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft< im Juli 1926 eine
einjährige Forschungsreise, die ihn um die halbe Welt führt (USA,
Alaska, Japan, China, Philippinen, Mexiko). Resultat dieser Reise
ist sein Hauptwerk „Die Rohstoffwirtschaft der Erde“ sowie
mehrere Reisebeschreibungen („Mexiko erwacht“, „Blitzlicht über
Amerika“). Im Sommer 1928 macht er mit zwölf jungen Arbeitern
eine achtwöchige Großfahrt nach Skandinavien bis ans Nordkap.
1 Zu Reichwein s.v.a. Amlung 1991 - vgl. a. Hesse 1985. S. 601-4
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114
Dabei verlässt er sich zu sehr auf seinen Kompaß, der durch die Eisenvorkommen in
Lappland Fehlanzeigen hervorbringt. Folge: Acht Tage „Hungermarsch durch Lappland“
bis an den Rand des Todes. Danach lässt sich Reichwein als Flieger ausbilden und kauft
sich ein kleines Sportflugzeug, mit dem er ebenfalls mehrfach in tödliche Gefahr gerät.
Am 7. März 1929 folgt Reichwein dem Ruf des Kultusministers Carl Heinrich Becker, eines Sprachwissenschaftlers mit hochfliegenden Hochschulreformplänen – ihm waren die >Pädagogischen Akademien< zu verdanken, die Vorformen der heutigen Pädagogischen Hochschulen – und wird Leiter der Pressestelle des Ministeriums und Beckers
persönlicher Referent. Als Becker 1930 den Ministersessel räumen muss, übernimmt er
an der Pädagogischen Akademie in Halle eine Professur für Geschichte und Staatsbürgerkunde. Schon vorher hat er die Stelle eines Lehrbeauftragten an der Hochschule für
Politik inne.
1933 – er hatte gerade eine Kollegin geheiratet – wird Reichwein aus seinem
Hochschulamt entlassen. Den Ruf auf einen Lehrstuhl für Wirtschaftsgeschichte in Istanbul lehnt er ab. Er stellt den Antrag, eine Stelle als einfacher Volksschullehrer zugewiesen
zu bekommen und erreicht, dass man ihn die einklassige Landschule in Tiefensee bei
Berlin überträgt.
In Tiefensee entwickelt Reichwein das berühmte „Schulmodell Tiefensee“: schülerorientiert, praktisch, interdisziplinär und immer ohne Scheuklappen vor neuen Technologien. 1934 wird seine Schule z. B. als Versuchsschule der >Reichsstelle für den Unterrichtsfilm< erklärt. Diese Stelle, eine Nische in NS-Umgebung, publiziert 1938 u.a. auch sein
Buch „Film in der Landschule“.
Im Frühjahr 1939 übernimmt Reichwein die Schulabteilung am Berliner Museum für
Deutsche Volkskunde. 1940 nimmt er über Helmut James Graf von Moltke Verbindung
zum >Kreisauer Kreis< auf, der zentralen Widerstandsgruppe gegen Hitler und den Nationalsozialismus. Er ist der Bote zwischen den verschiedenen Widerstandsgruppen, vorgesehen als Kultusminister einer Regierung nach Hitler.
Am 4. Juli 1944, also noch vor dem 20. Juli, gerät Reichwein in die Fänge der Gestapo.
Am 20. Oktober wird er – sichtlich gezeichnet von Folterungen und Misshandlungen – von
Freisler zum Tode durch den Strang verurteilt.
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Abkürzungsverzeichnis
AA
Auswärtiges Amt
ADG
AG DeutscheGlaubensbewegung
AE
Ahnenerbe (der SS)
AG
Arbeitsgemeinschaft
APA
Außenpolitisches Amt der NSDAP
ARo
Amt Rosenberg (Dienststelle des "Beauftrag-ten des
Führers für die Überwachung der gesamtem geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung
der NSDAP")
ASV
Ahnenerbe Stiftungsverlag
BA
Bundesarchiv
BDC
Berlin Document Center (heute Bundesarchiv)
BDM
Bund deutscher Mädchen
DAAD
Deutscher Akademischer Austauschdienst
DAZ
Deutsche Allgemeine Zeitung
DFG
Deutsche Forschungsgemeinschaft
(=Notgemeinschaft der Wissenschaft)
DGV
Deutscher Germanistenverband
DLA
Deutsches Literatur-Archiv Marbach
DS
Denkschrift
DSV
Deutscher Sprachverein
Fak.
Fakultät
FAU
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
FM
Fördernde Mitglieder (der SS)
FS
Festschrift
GA
Gutachten
Gestapa
Geheimes Staatspolizeiamt
Gestapo
Geheime Staatspolizei
GStA
Geheimes Staatsarchiv (Berlin)
GWE
Germanischer Wissenschaftseinsatz
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HA
Hauptamt
HUB
Humboldt-Universität Berlin
IdS MA
Institut für deutsche Sprache Mannheim
IFZ M
Institut für Zeitgeschichte München
KE
Kriegseinsatz
KfdK
Kampfbund für deutsche Kultur
Kgl.
Königlich
Korrbl.
Korrespondenzblatt
KPA
Kulturpolitisches Archiv (im Hauptamt Kunstpflege
des ARo)
L
Leipzig
NL
Nachlass
NSD
Nationalsozialistischer Deutscher Dozentenbund
NSDAP
Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei
NSDStB
Nationalsozialistischer Deutscher Studentenbund
NSKG
Nationalsozialistische Kulturgemeinde
OBST
Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie
OKW
Oberkommando der Wehrmacht
ORPO
Ordnungspolizei
OSAF
Oberste SA-Führung
PA
Personalakte
Pb
Personalbogen
PPK
Parteiamtliche Prüfungskommision
Promi
Propagandaministerium
Prot.
Protokoll
R
Reich
RAD
Reichsarbeitsdienst
REM
Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und
Volksbildung
RFR
Reichsforschungsrat
RFSS
Reichsführer SS (=Himmler)
RGBl.
Reichsgesetzesblatt
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RKK
Reichskulturkammer
RMbO
Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete
RMI
Reichsministerium des Innern
ROL
Reichsorganisationsleitung
RpresseL
Reichspresseleitung
RpropLtg
Reichspropagandaleitung
RSHA
Reichssicherheitshauptamt
RSK
Reichsschrifttumskammer
RuS(HA)
Rasse- und Siedlungs(haupt)amt
RWTH
Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule
SD
Sicherheitsdienst (des RFSS)
SIPO
Sicherheitspolizei
SPD
Sozialdemokratische Partei Deutschlands
TÜ
Tübingen
UA
Universitätsarchiv
UK
Universitätskurator
W(iss)
Wissenschaft
ZAAW
Zentralarchiv der Brandenburgisch-Berlinischen Akademie der Wissenschaften
ZCP
Zeitschrift für celtische Philologie (und Volksforschung)
ZS LB
Zentrale Ermittlungsstelle der Staatsanwaltschaften,
Ludwigsburg
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Quellenverzeichnis der Abbildungen
Bei Exponaten, aus denen die Herkunft unmittelbar hervorgeht bzw. in Fußnoten vermerkt ist, wird ein solcher Nachweis an dieser Stelle nicht nochmals erbracht.
1.11 Wilhelm Scherer - Erich Schmidt. Briefwechsel. Hg.v. Werner Richter
und Eberhard Lämmert. Berlin 1963
1.13 Institut für Zeitgeschichte - Sammlung Wochenschau-Plakate
1.14 Gustav Roethe, Deutsche Männer. Berlin 1922
1.2 Fritz Behrend (ed.), Geschichte der deutschen Philologie in Bildern.
Eine Ergänzung zu dem Deutschen Literatur-Atlas von KönneckeBehrend. Marburg 1927, S.42
1.21 Zs. f. dt. Unterricht 30, 1916, Ergänzungsheft 1
1.22 Zs. f. dt. Bildung 16, 1940, S. 195
1.31 Hans Grimm, Gesamtausgabe. Leben in Erwartung. Bd. 2, 1928 bis
1934. Lippoldsberg 1972, S. 32
1.32 Paul Ernst, Saat auf Hoffnung. München 1928, S. 2
1.33 Die neue Literatur 41, 1940, S. 281
1.34 Sigmaringer Zeitung 3.3.41, Bundesarchiv - NS 21/99
1.35 Hajo Joppe, Ernst Bertram - Gelehrter und Dichter. Bonn 1969
1.41 Alfred Rosenberg, Der Mythus des 20. Jahrhunderts. München 1930
1.43 Völkischer Beobachter (Ausgabe Bayern) 10.12.30
1.44 Berlin Document Center - PA Stang
1.51 - 1.54 „Eulenspiegel“ 2, 1931, S. 21
1.55 „Simplicissimus“ 36, 1931-2, 531
2.11 die tageszeitung 12.5.93
2.12 IdS Mannheim NL Basler
2.13 Die neue Literatur 41, 1940, S. 121
2.22 UA HUB - UK H 258 Bd. III Bl. 16
2.23 Ernst Lewy, Kleine Schriften. Deutsche Akademie der Wissenschaften
zu Berlin. Veröffentlichungen der Sprachwissenschaftlichen Kommission. Berlin 1961
2.24 Bundearchiv - ZC 13937 A.33
2.25 Die Brennessel 49, 1936, S. 630
2.31 UA TÜ - 131/317
2.32 UA HUB - Phil. Fak. 1480 Bl. 220
2.5 Königsberger Allgemeine Zeitung 12.2.39, 3. Beiblatt, Morgenausgabe
2.611 - 2.614 GIFT-Archiv
2.615 Die neue Literatur 42, 1941, S. 68
2.616 Illustrirte Zeitung Leipzig Nr. 4954, 25.7.40, S. 67
2.617 Sudetendeutsches Jahrbuch, Kassel 1931
2.622 Arthur Hübner, Kleine Schriften zur deutschen Philologie, hgg. v.
Hermann Kunisch und Ulrich Pretzel. Berlin 1940
2.623 GIFT-Archiv
2.624 Berlin Document Center - PA Bretschneider
2.625 Bundearchiv - NS 8/122 Bl. 90
2.626 Berlin Document Center - PA Zastrau
2.71 Berlin Document Center - PA Plassmann
2.72 Bundesarchiv NS 21/796-141 (Graphik G. Wagner),
Berlin Document Center - EWZ-Ordner 6a (Rassenkarte)
2.82 Berlin Document Center - PA Spengler
2.83 Berlin Document Center - PA Kielpinski
2.84 Berlin Document Center - PA Rössner
2.85 Berlin Document Center - Bestand RSK (Prospekt Diederichs Verlag
Berlin)
2.86 Berlin Document Center - PA Jolles
2.87 Berlin Document Center - PA Six
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119
2.88 Berlin Document Center - PA Spengler, Kielpinski, Obenauer
Bundesarchiv ZB II 1939 A.1 (Lebenslauf Rössner)
2.89 UA Greifswald - PA Pechau
2.91 - 2.99 Bundesarchiv - ZR 560 A.1
3.
Bundesarchiv ZB I 1226
4.1 Illustrirte Zeitung Leipzig 22.8.40, Sonderheft
4.201 4.212 Zitatensammlung GIFT-Archiv
4.31 Bundesarchiv - R 73/15 585
4.32 Bundesarchiv - R 73/15 585
5.12 Joachim Dückert, Das Grimmsche Wörterbuch. Untersuchungen zur
lexikographischen Methodologie. Stgt. 1987
5.14 Fridolin Dressler, Die Bayerische Staatsbibliothek im Dritten Reich. Eine historische Skizze. In: Peter Vodosek, Manfred Komorowki (eds.),
Bibliotheken im Nationalsozialismus. Wiesbaden 1989, Anhang
5.2 FM - Zeitschrift 3, 12, 1.12.36
5.3 Die Okkupationspolitik des deutschen Faschismus in Dänemark und
Norwegen (1940-1945), in: Europa unterm Hakenkreuz. Bd. 7, Berlin,
Heidelberg 1992, S. 194
6.1 Deutscher Sprachatlas auf Grund des von Georg Wenker begründeten
Sprachatlas des Deutschen Reiches [...] begonnen von Ferdinand
Wrede, fortgesetzt von Walther Mitzka und Bernhard Martin. 10. Lieferung Nr. 55, "sprechen", Marburg 1938
6.2 Bundesarchiv - R 73/10 468
6.3 Ludwig-Uhland-Institut für Empirische Kulturwissenschaft Tübingen
6.4 Berlin Document Center - PA Schweizer
7.11 Bundesarchiv - NS 21/8
7.12 Zeichnung des Schwiegervaters von Wirth (1922?)
7.13 Illustrirte Zeitung Nr. 4958, 2.5.40, S. 306
7.14 GIFT-Archiv
7.21 GIFT-Archiv
7.22 Berlin Document Center - PA Schneider
7.23 Hamer, 20, 11, August 1942
7.24 Privatbesitz
7.3 NL Hauer, Seminar für Indologie und vergleichende Religionswissenschaft der Universität Tübingen; Germanien Heft 12, Dezember 1936,
Umschlagblatt
8.1 National Archives, Washington
8.2 Phonetica 41, 1984, S. 237
8.3 Eberhard Zwirner, Textliste neuhochdeutscher Vorlesesprache schlesischer Färbung. (Phonometrische Forschungen Bd. 1) Berlin 1936, S.
21
9.1 Eike Henning (ed.), Hessen unterm Hakenkreuz. Frankfurt 1988, S. 283
Völkischer Beobachter, Dezember 1930 (Collage)
9.2 „Der politische Student“ 1935 (vgl. auch Taschenbuch der Ernst-MoritzArndt-Universität Greifswald. 1935, S. 240)
9.3 Bundesarchiv - ZM 1487-7 Bl. 2ff
9.4 National Archives, Washington
9.5 Festschrift für Wolfgang Stammler zu seinem 65. Geburtstag dargebracht von Freunden und Schülern. Berlin, Bielefeld 1953
10.1 Wiedergeburt des Geistes. Die Universität Tübingen im Jahre 1945.
Eine Dokumentation. Bearb. v. Manfred Schmid und Volker Schäfter.
Tübingen 1985, S. 59
10.21 Bundesarchiv - Z 42 IV 4295
10.22 Bundesarchiv - Z 42 IV 4295
10.23 Sprache - Schlüssel zur Welt. Festschrift Weisgerber, hg. v. H. Gipper. Düsseldorf 1959
10.24 Zs. f. Phonetik 17, 6, 1964
10.25 Berlin Document Center - PA Porzig
10.4 „Die Zeit“ 14.5.95
11.11 Wolf Zuelzer, Der Fall Nicolai. Frankfurt 1981, S. 224/225 (Portrait)
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L'Humanité 29.8.21
11.12 Institut für Zeitgeschichte - ED 184/37
11.13 Institut für Zeitgeschichte - ED 184/37
11.21 Archiv der Stadt- und Landesbibliothek Wien - Sammlung Richter
11.22 Archiv der Stadt- und Landesbibliothek Wien - Sammlung Richter
11.32 Institut für Zeitgeschichte München - MA 141/3 Bl. 118
11.4 Werbeprospekt des Adolf-Reichwein-Vereins
Der Verlag konnte trotz Recherche
nicht alle Inhaber von Urheberrechten
ausfindig machen, ist aber bei entsprechender
Benachrichtigung gern bereit, Rechtsansprüche
im üblichen Rahmen abzugelten.
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121
Literaturliste
Abelein 1968: ABELEIN, Manfred: Die Kulturpolitik des Deutschen Reich und der
Bundesrepublik Deutschland. Köln, Opladen 1968 (Ordo politicus 8)
Allemann 1983: ALLEMANN, Beda (Hg.): Literatur und Germanistik nach der
>Machtübernahme<. Bonn 1983
Amlung 1991: AMLUNG, Ullrich: Adolf Reichwein 1898-1944. Ein Lebensbild des
politischen Pädagogen, Volkskundlers und Widerstandskämpfers. 2 Bände. Frankfurt 1991
Arends 1950/51: ARENDS, Felix/ BRINKMANN, Hennig: Die Lage der germanistischen Forschung und des Deutschunterrichts auf der Germanistentagung in München. 11. bis 16. September 1950. In: Wirkendes Wort 1, 1, 1950/51, S. 59-62
Aronson 1971: ARONSON, Shlomo: Richard Heydrich und die Frühgeschichte von
Gestapo und SD, Stuttgart 1971
Barbian 1993: BARBIAN, Jan-Pieter: Literaturpolitik im >Dritten Reich<. Institutionen, Kompetenzen, Betätigungsfelder. Frankfurt/Main 1993
Barner 1996: BARNER, Wilfried/ KÖNIG, Christoph: Zeitenwechsel. Germanistische
Literaturwissenschaft vor und nach 1945. Frankfurt/Main 1996
Baumann 1995: BAUMANN, Eberhard: Verzeichnis der Schriften, Manuskripte und
Vorträge von Herman Felix Wirth Roeper Bosch von 1908 bis
1993. Toppenstedt 1995
Baumgartner 1977: BAUMGARTNER, Raimund: Weltanschauungskampf im Dritten Reich. Die Auseinandersetzung der Kirchen mit Alfred Rosenberg. Mainz 1977 (Veröffentlichungen der Kommission für
Zeitgeschichte B 22)
Beck 1992: BECK, H. u.a. (Hg.): Germanische Religionsgeschichte. Quellen und
Quellenprobleme, Berlin 1992
Billig 1963: BILLIG, Joseph: Alfred Rosenberg dans l’action idéologique, politique
et administrative du Reich hitlérien. Inventaire commente de la
collection des documents conservé au Centre Documentation
Juive Contemporaine, provenant des archives du Reichsleiter
et Ministre A.Rosenberg. Paris 1963
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Personenregister zum Textteil
Ausführlicher behandelte Personenen sind fett gedruckt
Adam, Uwe
Behaghel, Otto
Bretschneider,
Albach, Horst
Benn, Gottfried
Anneliese
Alewyn, Richard
Berg (Volksmediziner)
Altheim, Franz
Berger, Gottlob
Amann, Bruno
Berthold, Luise 60
Anacker, Heinrich
Bertram, Ernst
Andres, Karl siehe
Berve, Helmut
Jolles, André
Augustin, Alarich
Baesecke, Georg
Baeumler, Alfred
Barrès, Maurice
Bars, Richard
Bartels, Adolf
Barth, Karl
Barthel, Günther
Bauch, Bruno
Baumann, Eberhard
Baumann, Gerhard
Baur, Wilhelm
Becker, Carl Heinrich
Best, Werner
Beutel, Lothar
Beutler, Ernst
Biebrach, Kurt
Blunck, Hans-Friedrich
Boberach, Heinz
Bohmers, Adrien
Bojunga, Klaudius
Borchardt, Knut
Borcherdt, Hans Heinrich
Borchling, Conrad
Borger, Gustav
Bormann, Martin
Bracher, Karl Dietrich
Brinkmann, Hennig
Brockmeier, Wolfram
Bronnen, Arnolt
Bruckmann, Hugo
Brüning, Hermann
Buek, Otto
Burger, Heinz Otto
Burgstaller, Ernst
Butenandt, Adolf
Buttmann, Rudolf
Cheval, René
Christian, Viktor
Conrad, Walter
Conrady, Karl Otto
Cremer, Hans Martin
Creutzfeldt, Otto
Curtius, Ernst
Robert
Brand, Hans
Cysarz, Herbert
siehe Six, Franz
Brandl, Alois
Dahrendorf, Ralf
Alfred
Braune, Wilhelm
Becker, Georg
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131
lerchenmüller / simon: im vorfeld...
Darré, Richard
Walter
Daudet, Alphonse
de Clercq, René
Debrunner, Albrecht
Debus, Fritz
Degrelle, Léon
Dilthey, Wilhelm
Dirlmeier, Franz
Döblin, Alfred
Dressler-Andress,
Horst
Dwinger, Edwin
Erich
Ebel, Wolfgang
Ehrismann, Gustav
Eichmann, Adolf
Eigen, Manfred
Einstein, Albert
Elster, Ernst
Elwert, Theodor
Engel, Eduard
Erckmann, Rudolf
Ernst, Paul
Euringer, Richard
Everding, August
Eyb, Albrecht von
Fahrner, Rudolf 85
Glaser, Hermann
Feder, Gottfried
Goebbels, Josef
Fiedler, Kurt
Goering, Hermann
Finckh, Ludwig
Goethe, Johann
Fischboeck, Hans
Fischer, Hermann
Flemming, Willi
Flitner, Wilhelm
Foerster, Friedrich Wil-
Wolfgang
Götz, Wolfgang
Goetze, Alfred
Granin, Daniil
Grimm, Hans
Grimm, Jakob
helm
Fontane, Theodor
Grimm, Wilhelm
Fränkel, Jonas
Grönhagen, Yrvo
Freisler, Roland
Frick, Wilhelm
Fricke, Gerhard
Friedrich der Grosse
Frings, Theodor
Fritsch, Theodor
Funk, Walther Emanuel
Gadamer, Hans-Georg
Gamillscheg, Ernst
Gehlen, Arnold
Geiger, Ludwig
Geissler, Ewald
George, Stefan
Gerigk, Herbert
Gierach, Erich
von
Gross, Walther
Grunsky, Alfred
Gulbransson, Olaf
Gumbel, Emil
Gundolf, Friedrich
Günther, Hans F.
K.
Gustloff, Wilhelm
Gutterer, Leopold
Haag, Karl
Haarnagel (Wurtenforscher)
Haegert, Wilhelm
Haenisch, Konrad
Hagemeyer, Hans
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132
lerchenmüller / simon: im vorfeld...
Hamel, Ilse
Hering, Ewald
Huth, Otto
Hankamer, Paul
Herpholsheimer, Ralf
Insam, Matthias
Hanke, Karl
Herrmann, Max
Jaeger, Lorenz
Harmjanz, Heinrich
Hess, Rudolf
Jahnke, Richard
Härtle, Heinrich
Hesse, Hermann
Jankuhn, Herbert
Hartmann, Hans
Heydrich, Reinhard
Jens, Walter
Hartmann, Nicolai
Hielscher, Friedrich
Jens, Tilman
Hasenöhrl, Franz
Hildebrandt, Rudolf
Johst, Hanns
Himmler, Heinrich
Jolles, André
Xaver
Hassenstein,
Bernhard
Hauer, Jakob Wilhelm
Haug, Fritz
Haupt, Moritz
Hauptmann, Gerhard
Hebel, Johann
Peter
Hederich, KarlHeinz
Heiber, Helmut
Heidegger, Martin
Heinl, Karl
Hellen, Eduard von
der
Helm, Karl
Hémon, Roparz
(=Némo, Louis)
Hindenburg, Paul v.
Hinkel, Hans
Hitler, Adolf
(=Jolles,
Johannes
Andreas)
Jost, Heinz
Hjelmslev, Louis
Hoetger, Bernhard
Hofer, Andreas
Hofmann, Werner
Höhn, Reinhard
Hömberg, Hans
Hönig, Eugen
Hönigswald, Richard
Jünger, Ernst
Junker, Heinrich
Kater, Michael
Keller, Gottfried
Kemnitzer
(Aus-
land)
Kielpinski, Walter
von
Kienle, Richard
Hövel, Paul
Huber, Hans
Hübinger, Paul Egon
Hübner, Arthur
Huch, Ricarda
Hülsen, August Ludwig
von
Kiesinger, Kurt
Georg
Killy, Walther
Kindermann, Heinz
Klagges, Dietrich
Hupp, Otto
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133
lerchenmüller / simon: im vorfeld...
Klages, Ludwig
Lessing, Theodor
Klemperer, Victor
Leutelt, Gustav
Kluckhohn, Paul
Lewinstein, Gustav (s.
Kluge, Friedrich
Koch, Franz
Kolakowski, Leszek
Kolbenheyer, Erwin Guido
Körber, Willi
Korff, Hermann
August
Kranzmayer,
Eberhard
Kraus, Carl von
Krause, Wolfgang
Krieger, Rudolf
Kubach, Fritz
Lammers, Karl
Lämmert, Eberhard
Langenbucher,
Erich
Langenbucher,
Hellmuth
Hans Heinz
Marck, Siegfried
Martin, Bernhard
Nicolai)
Lewy, Ernst
Mausser, Otto
Ley, Robert
May, Eduard
Leyen, Friedrich von der
Mayer, Hans
Ligeti, György
Mendelssohn, Mo-
Liliencron, Detlev von
Lippe, Friedrich Wilhelm
ses
Mentzel, Rudolf
Merck, Mathilde
Prinz zur
Litt, Theodor
Litzmann, Berthold
Longert, Wilhelm
Lüdtke, Franz
Lüst, Reimar
Lützelburg, Phillip von
Lützeler, Heinrich
Mackensen, Lutz
Mader, Julius
Mai, Friedrich Wilhelm
Mergenthaler,
Christian
Metz, Friedrich
Metzner, Kurt O.
Meyer, Eduard
Meyer, Kuno
Meyer, Richard M.
Michaelis, Elise
Miegel, Agnes
Minde-Pouet, Georg
Mann, Erika
Minor, Jakob
Mann, Golo
Mann, Heinrich
Mitzka, Walther
Modersohn-
Lasch, Agathe
Mann, Klaus
Laubinger, Otto
Mann, Thomas
Lehmann, Paul
Mantau (-Sadila),
Becker, Paula
Moeller van den
Bruck, Arthur
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134
lerchenmüller / simon: im vorfeld...
Moltke, Helmut
James Graf von
Mönckeberg, Carl
Mönckeberg, Mathilde
Mühlhausen,
Ludwig
Müller, Gebhard
Müller, Werner
Muncker, Paul
Mussolini, Benito
Nadler, Josef
Naumann, Hans
Némo, Louis
(siehe: Hémon,
Roparz)
Nicolai, Georg
Friedrich (s.
Lewinstein)
Nicolai, Heinz
Nicolai, Helmut
Alphons Gottfried
Niedermayer, Oskar Ritter von
Ohlendorf, Otto
Oppel, Horst
Oppenheimer, Franz
Osterberg, Gustav
Panzer, Friedrich
Papen, Franz v.
Paul, Hermann
Payr, Bernhard
Pechau, Manfred
Petersen, Julius
Pfaff, Alfred
Renne, Jakob
(siehe: Georg
Friedrich Nicolai)
Richter, Elise
Richter, Helene
Riegel, Herman
Riehl, Alois
Rilke, Rainer Maria
Ritterbusch, Paul
Roethe, Gustav
Röhm, Ernst
Pinck, Louis
Rolland, Romain
Plassmann, Joseph
Otto
Pokorny, Julius
Polenz, Peter von
Pongs, Hermann
Porzig, Walter
Pusch, Luise
Quellmalz, Anton
Rascher, Siegmund
Rauter, Hanns
Roselius, Ludwig
Rosenberg, Alfred
Rosenfeld, HansFriedrich
Rössler, Otto
Rössner, Hans
Rothacker, Erich
Rudolph, Martin
Ruppel, Karl Konrad
Reche, Otto
Rust, Bernhard
Niethammer, Lutz
Rehm, Walther
Saran, Franz
Obenauer, Karl
Reichwein, Adolf
Sauer, August
Reinerth, Hans
Schäfer, Ernst
Remarque, Erich Maria
Schäfer, Dietrich
Justus
Ochs, Ernst
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135
lerchenmüller / simon: im vorfeld...
Schäfer, Wilhelm
Schnetz, Joseph
Schellenberg, Wal-
Schönerer, Georg von
ter
Schultz, Franz
Schemm, Hans
Schultze, Walther
Scherer, Wilhelm
Schulze, Wilhelm
Scheuermann,
Schumann, Gerhard
Fritz
Schirach, Baldur
von
Schlecht, Johannes
Schütrumpf, Ernst
Schwalm, Hans
Schwarz (Ministerialrat)
Schweitzer, Bernhard
Schlösser, Rainer
Schweizer, Bruno 61
Schmidt, Erich
Schwerte, Hans (alias
Schmidt, Fritz
SchmidtLeonhardt,
Hans
Schmidt-Rohr,
Georg
Schneider, Hans
Ernst)
Schwietering, Julius
Scultetus, Hans Robert
Seeberg, Reinhold
Seeger, Ernst
Seyss-Inquart, Arthur
Schmitthenner,
Siebs, Theodor
Schmückle, Georg
Schneider, Hans
Sinzheimer, Hugo
Sievers, Wolfram
Six, Franz Alfred
Ernst (alias
Solschenizyn, Alexander
Schwerte,
Spengler, Tilman
Hans)
Schneider, Hermann
Georg
Spitteler, Carl
Stadler, Ernst
Stahlecker, Walter
Stammler, Wolfgang
Stang, Walter
Stauss (Astronom)
Stegmann, Kurt
Stehr, Hermann
Stein, Fritz
Steiner, Rudolf
Steinitz, Wolfgang
Schmieder, Arnold
Paul
Sprengel, Johann
Spengler, Wilhelm
Spranger, Eduard
Stengel von Rutkowski, Lothar
Strauss, Emil
Strauss, Richard
Streicher, Julius
Streitberg, Wilhelm
Streuvels, Stijn
Strich, Fritz
Suchenwirth, Richard
Teudt, Wilhelm
Thiberger, Heinrich
Thierfelder, Franz
Thiele, Ernst Otto
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lerchenmüller / simon: im vorfeld...
Thrathnigg, Gilbert
Weber, Gottfried
Thurneysen, Ru-
Wedel, Hasso von
dolf
Till, Rudolf
TimofeeffRessowski, Nikolai
Weinheber, Josef
Weisgerber, Johann
Leo
Weisskopf, Victor
Wenker, Georg
Toepfer, Alfred
Toepfer, Ernst
Tratz, Eduard Paul
Trier, Jost
Werner, Zacharias
Wiese, Benno von
WilamowitzMoellendorff, Ulrich v.
Trubetzkoy, Nikolai
Wilhelm II.
Unger, Rudolf
Wimmer, Friedrich
Urban, Regina
Urban, Gotthard
Usadel, Georg
Vershaeve, Curiel
Verweylen (flämi-
Wirth, Herman
Wismann, Heinz
Wolfram, Richard
Wrede, Ferdinand
Wüst, Walther
scher Schriftsteller)
Vogel, Julius
Vogt, Oskar
Wagner, Robert
Waldmann, Elisabeth
Zastrau, Alfred
Ziegler, Matthes
Zierold, Kurt
Ziesemer, Walther
Zola, Emile
Zwirner, Eberhard
Walzel, Oskar
Wapnewski, Peter
Weber, Roland
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