Location via proxy:   [ UP ]  
[Report a bug]   [Manage cookies]                
Historisches Seminar der Universität Zurich Philosophische Fakultät I ,,Es wird gestraft. Macht. Das ist die ganze Erkenntnis." Analyse des Gewaltdiskurses in Zürich 1967-1969 Lizentiatsarbeit Eingereicht bei Prof. Dr. Jakob Tanner Abgabedattm; 2. Juni 2000 Silvia Berger Klausstrasse 24 CH - 8008 Zurich Tel. P. 01/ 383 76 l0 Email : sberger@ acces s.un izft.ch LzgNuersARBErr lnhaltsverzeichnis 1 2 I EINLEITUNG t.l PROLOG t.2 FRAGESTELLUNG 1.3 THEoRETISCH-METHODISCHER 1.4 FORSCHUNGSSTAND.................. 1.5 QUELLENT-Acr LN o -epsrÄN oE 1.6 AUFBAUDERARBEIT RAHMEN ANALYSE DER GEWALT 2.I WAS BEDEUTET DERBEGRIFE GpwAI.T? 2.1.1 DerGeu,altbegrtff. 2.1.2 ...und sein semantischer Raum 2.2 STAATUND GSwALT 2.2.I Hqt der Staat Recht auf Gev,alt? Macht, Recht und Gewalt im philosophischen Denken der I5 Neuzeit 2.2.2 Gev,ah in der Demokratie 2.3 STRATEGIEN osRG¡wALTLEGITMIERUNG 2.3.1 Die Legitimitdt revolutionörer Gev,ah im Spàrkapitqlismus: ,,Kritische Theorie", 4 2.3.1.1 Analyse und Kritik des spätkapitalistischen Gesellschaftssystems..... 21 2.3.1.2 Marcuses ,,absolute Weigerung" und das,,Naturrecht" auf Widerstand 23 2.3.1.3 Das Problem der Gewalt in der Opposition 25 2.3.1.4 Der 2. Juni 1967 als ,,kritisches Ereignis".............. 26 THEORETISCHERRAHMEN 3.I 3.2 3.3 3.4 31 BEDEUTUNG ALS TEXT: POSTMODERNER PERSPEKTIVENWECHSEL I.JND,J,INGLIISTIC TURN".................. 3l DERDISKURSI.]ND SEINEDEFNITION 34 DIE HISToRISCHE DISKURSANALYSE MICHEL FOUCAI.JLTS.,,,..... 38 DER EINBEZUG VoN BILDQUELLEN IN DISKURSANALYTSCHE ARRANGEMENTS 40 METHODISCHE UBERLEGUNGEN 4.I 42 42 DISKTIRSDENTIFIKATION 4.1.1 4.1.2 Das Voru,issen oder: die evidenten Wissenseinheiten ùber die Exislenz des Diskurser.............. 43 Strategien der Diskursidentifikation: Akteur- oder institutionenorientierles und lhematisches 44 Vorgehen 4.2 20 2I Studentenbev,egung und das Problem der Gewah in der Opposition 3 18 DISKURSANALYSE: AUFDECKEN DISKURSTVERFORMATIONEN LTND DEREN TRANSFORMATION.,.... .........45 I LznNnersARBErr 5 DIE SCFTWEIZ IN DEN sOER UNÐ 6OER JAHREN - AUF DEM WEG ZUR BEWEGUNGSGESELLSCHAFT .... 5.1 49 ÖroNotr¡rscHE uND sozo-öKoNoMIScHE PARAMETER DER NACHKRßGSENT\TICKLUNG: .................... 50 WIRTSCHAFLICHER UND SOZIALER WANDEL. 5.2 POLITTSCHE PARAMETER DER NACHKRIEGSENTWICKLUNG: LTND LIBERALER KORPoRATISMUS 5.3 KONKORDANZ, VERHANDLUNGSDEMOKRATIE 52 ......... DAS POLITISCHE SELBSTVERSTÄNDNIS DERNACHKREGSSCHWEZ: ANTIKOMMUNISMUS, NEUTRALITÀT 54 uNo,,SowD¡RTALL ScHwEtZ" .......... 5.4 5. 5 GESELLSCHAFTLICF{E GÁnuIc: ,,HELVETISCHES MALAISE.. UND,,VERRAT AN DER OPPOSITON.......,..,, 56 AUSSERPARLAMENTARISCHE OPPoSITIONSSTRUKTUREN: AKTEURE, PROTEST-ZYKLUS I.JND 58 ARTIKULATIONSFORMEN 5.5.1 62 JungeOpposition. 5.5.1.1 Jugendliche Verweigerungshaltung: Vom,Falbstarken" zum,,Teenager" 62 5.5.1.2 5.5.1.3 Politisch motivierte Junge Opposition: Die,,Junge Linke" 64 Die,,Junge Linke" in Zürich 65 5 .5.1.4 Kurzporträt der Fortschrittlichen Studentenschaft Zürich (FSZ) und der Jungen Sektion der PdA Zürich 68 5.5.1.5 Kurzchronik der Aktivierungsereignisse in Zürich 1965-1969 (unter besonderer Berücksichtigung der Organisationsinitiative der FSZ und der Jungen Sektion PdA) 70 72 6.I IDENTFtr(ATIoN DES GEWALTDISKURSES 6.1.I Die evidenten Wissenseinheiten über die Existenz des Geu,altdiskurseJ................. ......................72 73 6.1.2 Der ,,Ort des Aussagens": Eiffihrung der Diskursgemeinschaflen 6.1.3 Bestimmung der diskursiven Ereignisse im Geu,ahdiskurs.............. ......................... 74 76 6.2 ANALYSE DES GEWALTDISKURSES 1967.1969: DIE ORGANISATON DES AUSSAGENFELDES 6.3 DER GEWALTDISKI.]RS 1967: FELDORGANISATION, BEGRIFFSSTRUKTURIERI.JNG SrR¡recmN DER I.]ND DISKURSTVE (DE-) LEcrrrMrERr.JNc 77 78 6.3.1 Vietnamdemonstration vom 4. Februqr 1967 82 6.3.2 Protestdemonstration gegen die Stadtpolizei vom 26. August 1967 84 6.3.3 Internationaler Vietnamlagvom 21. Oktober 1967 90 6.3.4 Semantischer Raum des Gewaltbegriffes im Diskurs 1967 6.4 DER GEWALTDISKT]RS 1968: DIs DYNAMISIERUNG DES THEMENKOMPLE)GS., ..................90 ........95 6.4.I April und Mai 1968: Studentenunruhen in Deutschland und Frankreich ........ 6.4.2 Zu,eites Jimi Hendrix-,,Monsterkonzert" vom 31. Mai 1968. ...99 . 104 6.4.3 ProtesÍdemonstration und Beselzung des Globus-Gebciudes am 15. Juni 1968..... 6.4.4 Gross-Demonsîration beim Globus am 29. Juni 1968 und Globus-Krou,alle vom 29.6.-1.7.1968... 106 6.4.5 6.4.6 Semantischer Raum des Gewahbegriffes Exkurs: Die Enn icklung 6.4.6.1 des 1968.......... ........................ I 14 jurislischen stabilisierten Gev,ahdiskurses ab 1968. lI4 ll6 Diskursive Vermittlungselemente II LzENTTRTSARBEIT 6.5 DE AUFLÖSUNGDES GEWALTDISKURSES IM JAHR 1969 ,,.,.,.,,. 6.5.1 Teach-in am Bellet'ue und vor dem Obergerichtsgebciude vom I I. Juni 1969 6.5. 2 Sentantischer Raum des Geu,ahbegrffis I 969.................... 119 123 6.6 EPILoG: DIE AUFSPALTUNG DER,,JLTNGEN LINKEN,. IN ZÜRICH..... 124 6.7 UBERLEGUNGEN ZUM ZUSAMMENHANGZWISCHEN SPRACHE UND POLITISCHEM HANDELN..... t2s 7 SCHLUSSBETRACHTUNGUNDAUSBLICK............. 8 BIBLIOGRAPHIE 138 8.1 QUELLEN 8.1.1 Ungedruckte Quellen 8.L2 Gedruckte Quellen 8.L3 Periodika 8.2 DARSTELLUNGEN...,..,....... 9 .. 118 138 138 139 139 t40 ts2 LEBENSLAUF....... Titelzitat: Frisch, Max. Die grosse Devotion. In: ,,Die Weltwoche",72.7.1968. ilI LzgNnarsARBErr 1 EntlBtruNc Einleitung 1.1 Prolog 1964 prägle der Basler Staatsrechtler Max Imboden das Diktum vom,,helvetischen Malaise".l Das selbstverståindliche Einvernehmen mit der politischen Umwelt und ihrer Form, der Demokratie, so konstatierte Imboden, sei allmåihlich am Erodieren. Tatsächlich vergrösserte sich Mitte der 60er Jahre der Unmut über die vermeintliche Entfremdung zwischen Teilen der Schweizer Bevölkerung qnd ihren lnstitutionen; Stimmen am Rande und ausserhalb des Gefüges taditioneller intermediåirer Organisationen begannen, ,,Oligarchisierung des politischen Lebens'z zrr Wehr zt¿. se%en sich gegen die und Fragen nach der Funktionsweise direktdemokratischer Institutionen und den Partizipationsmöglichkeiten an den etablierten politischen Kommunikationsstrukturen zu stellen. Sie beklagten die fehlende Flexibilität im Land, um die politischen und geistigen V/erte der Schwea mit einer sich wandelnden Welt in Übereinstimmung zu bringen.3 In der medialen Öffentlichkeit wurde dem ,,helvetischen Malaise" grosse Aufinerksamkeit zuteil. Im Rahmen dieser in der Presse natrezu uferlos geführten Debatten zur gesellschaftlichen Gåirung sprach die nonkonformistische ,/ixcher Woche" 1967 gar von der Schweiz als einem ,,Land ohne Zukunff' und ,,einem Land, das in denNotstand gekommen isf'.4 Max Imboden machte auch auf die möglichen Folgen der von ihm konstatierten ,,schleichenden Krise" aufnerksam: ,,Derartige Úbergåinge zwischen Bejahung und Vemeinung sind bedrohlich. Sie verzehren die Kräfte des einzelnen, und sie ltihmen die Tatkraft der Gemeinschaft. In der Feme zeigt sich die Möglichkeit einer plöølichen und ungesttirnen explosiven Entladung."S Tm Sommer 1968 sollte sich seine hophezeiung bewabrheiten. Ein Merkmal der Mitte der 60er Jahre ansteigenden Unzufriedenheit war, dass bis zu diesem Zeiþunkt kaum bekannte Aheure das sich allmählich beschleunigende Konfliktka¡ussell t' 3 Imbod"n,Helvetisches Malaise. H e i ni g" r, Antiatombew egwg, 28. Das Unbehagen balurte sich vorerst meh¡heitlich in den zeit- und kulturkritischen Stimmen einer moderaten Rechten einen Weg, die in den folgenden Jalren durch den Auff¡itt einer ,,Neuen Linken", der ,,neuen Frauenbewegung" und einer Vielzahl umwelt- und energiepolitisch motivierter Bewegungen eskortiert wurde. Kö ni g/Krei s/A4e i s t er/G a et ano (Hg. ), Dynamisierung, I I - I 4. o ,,ãürcher Woche", I.7.1967. I En¡rprrcrNc LzpNuersARBErr bestiegen: Es waren Jugendliche, die sich teilweise organisiert, vielfach aber ohne feste organisatorische Strukfuren gegen die staatlichen Institutionen und das gesellschaftliche Werte- und Normengefüge auszusprechen begannen. tn Ztirich wurde ab 1967 auf Initiative der ,,Fortschrittlichen Studentenschaft Znrich" (FSZ) und der ,,Jungen Sektion der PdA Zirich" (Junge Sektion) versucht, die Aktionen der aus unterschiedlichsten Subkulturen hervorgegangenen Gruppierungen von Jugendlichen in der Stadt unter dem Namen ,,Fortschrittliche Arbeiter, Schüler turd Studenten" (FASS) ztt koordinieren. Mit unkonventionellen Artikulationsformen wíe Demonstrationen, ,,Teach-ins", ,,Sit-ins", ,,Go- ins", ,,Love-ins"6 und Sfiassentheatern protestierten sie gegen Autoritäten in Schule und Universität, gegen den Vietnamtaieg, die Ausbeutung der Dritten Welt, die Missstände im Polizeiapparat der Stadt Zu-'ich und gegen den,,Ruhe- und Ordnungskult", womit die allseitig propagierte Leistungsbereitschaft im Berufs- und Schulalltag und das starre gesellschaftliche Verhaltenskorsett gemeint waren. Im Sommer 1968 kanalisierte die chimåirische Bewegung, die in der Forschungsliteratur als ,,68er Bewegung"T chiftiert wird, ihre Stimmen in der im leerstehenden Globusgebäude am Bahnhofquai. Ende Juni spitaen sich die vorab auf verbaler Ebene geführten Forderung nach einem autonomen Jugendzentnrm Auseinandersetzungen zwischen den Jugendlichen und den Stadtbehörden zu. Am Abend des 29. htîi 1968 schliesslich lieferten sich bei einer Grossdemonstration vor dem Globus- Provisorium mehr als 2000 Demonstranten und ein Grossaufgebot der Stadtpolizei Zärich heftige Strassenkåimpfe. Die gewalttätigen Konfrontationen dauerten bis zum 1. Juli 1968 an. Fazit der sogenannten ,,Globuskrawalle": 208 Festnahmen und über 60 Verletzte.s Erstmals hatten Jugendliche, welche die herkömmlichen V/ohlstandspfade ablehnten und mit ursprünglich weitgehend gewaltlosen Protestformen nach neuen Wegen der Selbstverwirklichung sfrebten, das staatliche Gewaltnonopol in einer Weise herausgefordert, dass massive physische Gewaltreaktionen aus der Mitte des demokratischen Rechtssystems heraus stattfanden. In wenigen Stunden wurde damit im Hinblick auf die Formen politischer Auseinandersetzungen in der Schweiz der seit dem Landesstreik von 1918 praktisch s Imboden,Helvetisches Malaise, 5. In der Folge werden die Bezeichmrngen für die neuen Aktionsfomren nicht mehr in Anführungszeichen gesetzt. t Siehe beispielhaft Zv,eifel, Ordnrurgsdienst, 183. Im Einklang mit der aktuellen Schreibweise n der NZZ 6 werden in der Folge alle mit der Z,ahl ,,68* verknüpften Begriffe und Wortgruppen nicht mehr in Anfü'hnrngszeichen gesetz¡' t Vgl. dazu Stadt AZ, Y.B.c.I1:39, Bericht von Oberrichter Dr. ,,Untersuchturg der Vorwtirfe an die Stadtpolizei im Zusammenhang H. Gut an den Stadtrat bezüglich der mit der Verhaftung von Unruhestiftern anlässlichderVorfrillevordemGlobusprovisoriumundderHauptwachevom29.6.-1.7.1968", 2 15.11.1968,2. En¡I-EIrrn{c LzBNUeTSARBEIT unangetastete Nimbus einer gewaltfreien Gesellschaftsordnung zerstört. Die ,,Globuskrawalle" katapultierten die Frage nach den legalen und legitimen Formen politischer Konfliktaustragung und der Bedeutung von Gewalt im politischen Protest ins Zentntm der öffentlichen Auseinandersetzung. Offenkundig manifestiert sich die öffentliche Präsenz des Themas beispielsweise in dem Ende 1968 erschienenen Sammelband ,,Wehret den Anfüngen!" - eine von der ,,Neuen Zurcher Zeittng" im firmeneigenen Verlag publizierte Sammlung ihrer Artikel zum Thema Gewalttätigkeit in der Politik.e Und im Dezember 1968 und Januar 1969 befasste sich die ,,Tat" in mit dem einer grossen Gesprächsserie Thema ,,Politik und Gewalt".l0 Diese sollte, mit den Worten von Chefredaktor Alfred A. Häsler, einen Beitrag zur ,,geistigen Kl2irung der Frage: Gewalt ja oder nein" leisten.ll 1.2 Fragestellung Vor diesem Hintergrund soll der Fokus meiner Arbeit auf den Gegenstandsbereich Gewalt gerichtet werden. Ich möchte den sich imZnge der 68er Ereignisse entfaltenden Gewaltdiskurs analysieren. Kurz zusammengefasst handelt es sich bei dieser Analyse um die Errnittlung der sprachlichen Strukturierung des Bedeutungsgefüges der Gewalt - der Vorstellungsmuster, Deutungslinien, Grundübeneugungen und Sichtweisen zur Gewalt. Es wird danach gefragl., mit welchen Bausteinen dieses Gefüge organisiert wurde, wie die Bausteine beschaffen waren und ob sie im Laufe der Protestereignisse ,,ausgewechself'wurden. Der BegriffGewaltdiskurs wird in dieser Arbeit als eine Ansammlung von Aussagen zur Gewalt verstanden, welche im weitesten Sinne über inhaltliche (beziehungsweise semantische) Kriterien oder Merkmale also die Bausteine - verfügen. - Die Kriterien oder Merkmale werden ihrerseits durch diskursive Formationen hergestellt. Unter diskursiven Formationen verstehe ich in Anlehung an Claude Lévi-strauss ,,Basteleien", deren Urheber ,,auf eine bereits konstituierte Gesamtheit von Werkzeugen und Materialien zurtickgreifen; eine Bestandesauftahme machen oder eine schon vorhandene umarbeiten; schliesslich und vor allem [...] mit dieser Gesantheit in eine Art Dialog treten, um die möglichen Antworten [die Bausteine, Anm. SB] zu ennitteln, die sie auf das gestellte Problem [das Bedeutungsgefüge der Gewalt, Anm. SB] zu geben veÍnag."l2 Diskursive Formationen bestimmen in diesem Sinne die Grenzen und Möglichkeiten des sinn- e Wehret den Anfüngen! Zur Gewalttätigkeit in der Politik. Die,,Tat", 14.12.1968 2r.r2. 1968; 28.12.1968; 4.r.1969 ; 10 rr t2 Die,,Tat", 14.12.1968. Lëui-Strouss, Das wilde Denken, 31. J 1 1. 1. 1 969; 1 8. 1. 1 969. Enqr.ErruNc LzpNUETSARBEIT oder bedeutungsvollen Sprechens und Denkens zur Gewalt und institutionalisieren somit die Vorstellungsmuster, Deutungslinien und Grundüberzeugungen - das Bedeutungsgefüge - zlJr Gewalt. Aus diesen Ausführungen wird ersichtlich, dass es in dieser Arbeit keine direkt auf die 68er Ereignisse und die 68er Bewegung bezogenen inhaltlichen Fragestellungeî nrm Phänomen Gewalt zu beantworten gilt. Es geht vielmehr darum, einen Einblick kulturellen Kommunikation und Wissenskonstruktion zur Gewalt in die Prozesse der im Kontext der 68er Ereignisse zu gewinnen. Wie sich der Gewaltdiskurs konkret operationalisieren lässt, das heisst wer im Diskurs wann als Sprecher auftrat und mit welchen Fragestellungen sich das Bedeutungsgefüge in den Diskursaussagen analysieren låisst, wird im folgenden theoretischmethodischen Abschnitt ausgeführt. 1.3 Theoretisch-methodischer Rahmen Die Frage nach den Bausteinen, die das Bedeutungsgefüge der Gewalt im Protestverlauf konstituieren, ist ohne den Einbezug der Diskurstheorie oder Diskursanalyse nicht zu verstehen. Die Hinwendung zum Diskurs und dem Konzept der Diskursanalyse kann als Resultat des ,,linguistic turn" Einstellungswandel geht in der Geschichtswissenschaft verstanden werden.l3 Dieser vereinfacht gesprochen von den im Rahmen der poststnrkturalistischen Epistemologie geprägten Annahme aus, dass Sprache als einziger Nåihrboden von Bedeutung und für Bedeutung erachtet werden darf.t4 Poststrukturalistische Sprachkonzeptionen von Autoren wie Michel Foucault, Jacques Denid4 Roland Barthes, Jean-Francois Lyotard und Julia Kristeva unterstreichen die konstitutive Rolle der Sprache und ihrer Organisation - ihrer ,,diskursiven Struktur" - bei der Produkfion und dem Erleben von Wirklichkeit. Die Sprache wird bei diesen Autoren gewissermassen als Geftiss konzipiert, in dem bereits vorhandene (Foucault) Wissenskomplexe einer Gesellschaft realisiert und aktualisiert werden. Sie interpretieren die sprachliche Materialität somit als prägenden Faktor bei der ,,Präparation" und Wahrnehmung der sozialen Wirklichkeit, des Bewusstseins, Denkens und Sprechens der Vielen. Zusammen 13 öttler,Paradigma, I 59. Nach Ute Daniel ist mit der poststrukturalistischen Epistemologie der Verlust der ,$orrespondenztheorie der Wahrheit" verbunden. Diese ,,Korrespondenztheorie" gþg erstens vom erkennenden Subjekt als Betrachter aus, zweitens von einer Vorstellung des Betrachteten als Welt ,,da draussen", die du¡ch Vorstellungen und Wahrnehmungen repräsentiert werde, und d¡ittens von einem Sprachkonzept, das die Bedeutung eines Wortes mit dem gleichsetae, auf was es verwies. Daniel, Kulturschock,26l,262. la Sch 4 ENLsrrtrNc LzeNrersARBEIT mit der im Zuge der Marxschen Ideologiekritik und der Freudschen einsetzenden Dezentrierung des historischen Subjekts Psychoanalyse wird der Sinn in den Reden und Texten von Sprechern daher nicht mehr auf eine lntentionalitat eines schöpferischen Autor-Subjektes als ein Letfes bezogen sondern als ein Produkt von zirkulierenden Signifikanten und diskursiven Mustern begriffen (dem wirkungsmächtigen Kontext des historischen Subjekts). Auf einen Teil der Geschichtsschreibung der letzten zwarr;ig bis dreissig Jahre haben Auffassungen von Sprache, Textualität und Sinn- oder diese Bedeutungsgenese einen entscheidenden Einfluss ausgeübt. Diskurstheoretische oder diskursanalytische Ansätze in der Geschichtswissenschaft versuchen deshalb, mittels einer Analyse textueller Oberflachen die Sinnproduktion aufjene Hauptvektoren zlJ untersuchen, die Bedeutung massenhaft erzeugen und das Denken der Vielen zu einem spezifischen Gegenstandsbereich strukh¡rieren - im Zentrvmdes Interesses steht also die Stnrkturierungsleistung der diskursiven Formationen.ls Auf der Basis der historischen Diskursanalyse Michel Foucaults in der ,,Archäologie 'Wissens"r6 des entwickle ich in dieser Arbeit ein spezifisches methodisches Vorgehen, das die Untersuchung des Bedeutungsgefüges der Gewalt ennöglichen soll. Die in einem ersten methodischen Teil der Arbeit entwickelte Vorgehensweise n$ Identifikation des Gewaltdiskurses grenzt den Untersuchungsgegenstand in zweierlei Hinsicht ein: Erstens werden im Hinblick auf die Festlegung der Einheit des Disku¡ses (das zu analysierende Aussagenkorpus) spezifische Sprecher- oder Subjeþositionen (sogenannte DiskursgemeinschafteQ eruiert. Ich gehe dabei von der methodischen Pråimisse aus, dass zum Themenkomplex Gewalt in Zunch nur von bestimmten Sprecherpositionen (legitimierten) Orten der Macht oder der organisierten Gegenmacht gesagt werden kann. Zweitens werden im den - sinnvollerweise etwas Protestgeschehen Kristallisationspunkte in der kontinuierlichen Auseinandersetzung zum Gegenstandsbereich Gewalt festgehalten. Die methodische Pråimisse lautet in diesem Zusarrmenhang, dass das Sprechen anm Gegenstand Gewalt bei bestimmten Aktivierungsereignissen des Protestes eine Hochkonjunktur erfÌihrt. Gewisse Aktivierungsereignisse bilden aufgund ihrer Themensetzung oder Aktionsformen demnach diskursive Ereignisse im Gewaltdiskurs (so bildet das Aktivierungsereignis ,,Globuskrawall" beispielsweise ein diskursives Ereigris 15 16 Sarasin,subjekte, 145. Foucault,Archäologie. 5 im Diskurs). Aufgrund dieser Er¡{LsrnrNc LzsNtlersARBEIT Eingrenzungen untersuche ich den Gewaltdiskurs n Znrich trn Zei|ram von 1967 - 1969 (anhand von acht diskursiven Ereignissen zwischen 1967 und 1969), wobei als Orte des legitimierten Sprechens oder Aussagens (die Orte der Macht und der organisierten Gegenmacht) das ,,Establishmenf' und die ,,Junge Linke" als Diskursgemeinschaften eingeführt werden. Die Diskursgemeinschaft ,,Establishment" wird durch den Stadtrat als Exekutive der freisinnig dominierten Stadtregierung und der ,,Neuen Zircher ZeiÎ:.tng" ats Sprachrohr des Zürcher Wirtschaftsfreisinns repråisentiert. Die Diskursgemeinschaft ,,Junge Linke" wird durch die ,,Fortschrittliche Studentenschaft Zürich" (FSZ), die ,,Jungen Sektion der PdA ZuiLch* (Junge Sektion) sowie die Koordinationsgruppe ,,Fortschrittliche Arbeiter, Schüler und Studenten" (FASS) vertreten. In einem zweiten methodischen Teil habe ich Foucaults Programm der Beschreibung diskursiver Formationen als Theorie diskursiver Praxis weiter modifiziert. Aus diesen Modifizierungen resultiert eine methodische Analyseanleitung, die vorab nach den Dimensionen und dem Horizont fragl, die füLr den Gegenstand Gewalt in den Diskursaussagen der beiden Diskursgemeinschaften definiert wurden. Nach der Ermittlung dieser Dimensionen, die ein Bild von der Organisation des Aussagenfeldes zeichnen, soll als weitere wichtige Analyseeinheit die Stn¡kturierung des semantischen Raums des Gewaltbegriffes untersucht werden. Ilr einem letzten Schritt möchte ich schliesslich die diskursiven Strategien der (De-) Legitimierung der Gewalt erörtern. 1.4 Forschungsstand ún Gegensalz 1968 zlur quantitativ breiten Rezepion der weltweiten Mobilisierungsereignisse von in der GeschichtswissenschaftlT und der massenmedialen Aufbereitung der 68er Ereignisse und Protagonisten wurde die Frage der Gewalt im Zusammenhang mit den Jugend- und Studentenprotesten åiusserst stieûnütterlich behandelt. Diese Tatsache erstaunt, haben doch Persönlichkeiten wie der Philosoph und Soziologe Oskar Negt, der sich selbst als Mentor und aktiven Begleiter der Ereignisse Relevanz des Themas verwiesen. In in der Bundesrepublik beschreibt, auf die seinem 1995 erschienen Buch ,¡A,chtundsechzig. Politische Intellektuelle und die Machf'betonte Negt mit Blick auf Deutschland: Der aktuellste deutschsprachige Titel stellt in diesem Zusammenhang das 1998 in der Reihe ,,Geschichte trnd Gesellschaft" von Ingrid Gilcher-Holthey herausgegebene Sonderheft l7 ,,1968 - Vom Ereigrris zum Gegenstand der Geschichtswissenschaft" dar. Gilcher-Holthey weist im Hinblick auf die wissenschaftliche Aufarbeitung des bewegten Jatres 1968 auf eine grosse Forschungslücke hin: die wissenschaftlich gestützte vergleichende historische Analyse. Gi lch er-Hol th ey (He.), 1968, 7 . 17 6 ErNlerruxc LzeurersARBEIT ,,Erst 1968 ist jener Gewaltdiskrus eröffiret worden, der schon zwanzig Jahre frtiher, als die Erfahrungen und Erinnerwrgen an Faschismus und Krieg noch lebendig waren, hätte in Gang gesetzt werden müssen, wäre eine tieþeifende Veränderung der Vergangenheit erwünscht gewesen. Dieser Anfangsdiskurs hatte eine philosophische rurd praktische Reichweite, die sich in den siebziger Jahren Schritt für Schritt auf den BaaderMeinhoÊKomplexr:nd die staatlichen Reaktionen darauf verengte; hgute ist er [der Anfangsdiskurs, Anm. SB] fast vergessen, allenfalls bei Jubiläumsveranstaltungen gegenwärtig. "l8 Ftir Deutschland ist die Ausbeute im Hinblick auf Forschungsbemtihungen zum sogenannten ,,Anfangsdiskurs" der Gewalt klein: Zu erwåihnen sind ein Videoprojekt der Medienwerkstatt Freiburg aus dem Jahre 1987, das sich unter dom Titel ,,Projekt Arthur. Die Gewaltfrage - 1968" mit der Frage der Miffel zur Durchsetzvngpolitischer Ziele, der Frage von Gewalt und Gegengewalt auseinandersetzt sowie das bereits erw¿ihnte Buch von Oskar Negt, der sich eingehend mit der Gewaltfrage in Deutschland beschäftigt. Daneben finden sich vereinzelte Úberblickswerke und Außätze zt 1968, die das Thema aufgreifen.te ,,Literatur über die 68er Bewegung in der Schweiz ist praktisch keine vorhanden "o - dem wenig erbauenden Fazit von Dominique Wisler aus dem Jahr 1996 muss man auch unter Beräcksichtigung des aktuellsten Forschungsstandes zustimmen. Die 68er Bewegung in der Schweiz wurde lediglich Bewegungen2l und im Rahmen von Untersuchungen zrl den Neuen Sozialen im Zage der Analysen zu den Jugendunruhen anfangs der 80er Jahre unter r8 Negt, Achtundsechzig, 52. Ähnlich argumentieren Uta Gerhard r¡nd Ekkehard Mochmann in ihrer Studie zur Gewalt in Deutschlarìd: ,pas Gewaltthema hat im westlichen Deutschland bereits einmal in den sechziger Jahren im öffentlichen Leben und auch im politischen Geschehen einen wichtigen Platz innegehabt. Darnals wurden die Demonstrationen der Studenten als Gewalt erfahren [...]. Zugleich wurde die Legitimation staatlicher Gewalt diskutiert unter dem Gesichtspunkt der Rechte der Polizei bei Übergriffen auf demonstrierende Studenten rmd auch anlässlich der Notstandsgesetzgebung, die 1969 verabschiedet wurde." MochmannlGerhardt, Gewalt in Deutschland, 8. Des weiteren hat auch Otthein Rarnmstedt auf die Problematik der Gewaltfrage Ende der 60er Jahre in Deutschland hingewiesen: ,,Die Diskussion um Gewalt setzte in der Öffentlichkeit und in der Wissenschaft [...] Ende der 60er Jahre eiru als ersÍnals Gewalt zum Problem wurde. [...] Das zeigt sich daran, dass gewalttätiges Handeln nicht mehr wie selbstverståindlich als kriminell in der Öffentlichkeit hinzustellen war, wie nmgekehrt nicht mebr wie selbstverständlich der Staat Gewalt znigen konnte, ohne die Frage nach der Legitimität stellen zu müssen. Rammsledt, Gewaltverständnis, 48. re Erw¿ihnenswert sind insbesondere Lindner, Jugendprotest, 188ff.; Kraushaar, Autoritä¡er Staat, 15-33; Voigt, Aktivismus, 130ff, und Fels, Aufruhr. 20 Wìsler,Drei Gruppen, 6. 21 An diese. Stelle muss darauf verwiesen werden, dass die gesamte geschichtswissenschaftliche Forschung zur weltweiten 68er Bewegung stark durch die von der Bewegungsforschung aufgeworfenen Themen und Ansätze geprägt ist. Die Jugend- und Studentcnproteste werden als eine ,,soziale Bewegung" behandelt, die als ein ,,auf gewisse Dauer gestelltes und durch kollektive Identität abgestütztes Handlungssystem mobilisierter Netzwerke von Gruppen und Organisationen, welche sozialen Wandel mittels öffentlicher P¡oteste - notfalls bis hin zu Gewaltanwendnng - herbeiführen, verhindem oder rückgängig machen" definiert wttd, (Rucht, Modenrisierung, 77). Die Fragestellungen drehen sich in Anlehnung an die Bewegungsforschtmg um drei Schwerpunkte: Die strukturellen und situativen Faktoren, welche zur Formierung der 68er Bewegung geführt haben, die ideologischen Orientierungen, welche die Bewegung prägten, und die (Aus-)Wirkungen der Bewegung. Bei den methodischen Ztgängen lässt sich die Struktwanalyse, der sozialpsychologische Zugang und der interaktionstheoretische Zugang eruieren. Zur 68er Bewegung als Neue Soziale Bewegung siehe Rucht, Ereignisse von 1968, 116-130. Gute Einfübrungen in die Paradigmen der Bewegungsforschung finden sich bei Garner, Fifty years, 1-58; ebenso bei MorrislMcClurg Mueller (Hg.), Frontiers in Social Movement Theory; Klandermqns/Kriesi/Tqrrow (Hg.), Structure to Action; Hellmann, Paradigmen der Bewegungsforschung, 9-32. 7 ErNr-n[uNc LznNn¡.TSARBEIT die Lupe genommen.2z Die 68er Ereignisse in Znnch erfuhren dabei keine eigensttindige wissenschaftliche Aufarbeitung; umfassende Analysen, die auf der Basis des reichhaltigen Quellenmaterialsz3 die Ereignisablaufe rekonstruiert hätten, fehlen. Wenige ereignisgeschichtlich relevante tnformationen finden sich im Buch ,,Der Bunker von Ztirich", herausgegeben von Hans-Peter Müller und Gerold Lotrnafa, und im Außatz von Urs Zweifel, ,,Polizeilicher Ordnungsdienst im ,Aufbruch 68"'2s. Zu erwåihnen ist auch die szenische Wiedergabe der Ereignisse rund um die ,,Globuskrawalle" im Film ,,Krawall"26 von Jtirg Hassler, einem ehemaligen Mitglied der Jungen Sektion der PdA Zttrích. Aufgrund dieser Ausgangslage erstaunt es nicht, dass auch das Thema Gewalt Forschungsliteratur kaum Erwåihnung findet. Eit:zig Dominique Wisler hat sich in in der seiner Studie zr ,,Dreí Gruppen der Neuen Linken auf der Suche nach der Revolution" der Frage der Gewalt angenåihert, indem er anhand von Fallstudien unter anderem über Bunkerbewegung und die Gruppe Btindlistrasse in ZürichrT - die nach Gesetzrn?issigkeiten und Bedingungen der Radikalisierung linksextremer Gruppen in der Schweiz fragte.28 Mit seiner Verpflichtung gegentiber dem sûrrktr¡rellen Paradigma im Rahmen der Bewegungsforschung (insbesondere der politischen Gelegenheitsstruktur), seiner Fokussierung des Terrorismus und Extremismus und der damit verbundenen restriktiven Definition von Gewalt im Sinne revolutiontirer Gewalt und Stadtguerilla findet Wisler allerdings keinen Zugang zu einem ,,Anfangsdiskurs" der Gewalt. Obwohl er festhåilt, dass die ,,Neue Zttrcher Linke" bereits 1967 tnZttrichnicht weniger als 17 Demonstrationen organisiert hat und von der,,erschütternden" Krawallnacht des 29. Juni spricht, verbindet er diese Ereignisse nicht mit der Gewaltfrage im Gegenteil: Ftir ihn ist die Zeit nach den - Globuskrawallen ,,gekennzeichnet von der Außplitterung der Bewegung, internen Zerreissproben, Auflösungen und gleichzeitigen 22 Hanspeter Kriesi, René Lévy und ihre Mitarbeiter am Soziologischen Institut der Universität Zürich haben das Wie, Wer rmd Warum schweizerischer Protestbewegungen mit statistischen Erhebungen, Fallstudien, durch rùy'as, Befragung und teilnehmende Beobachtung umfassend erforscht. Nachfolgend die wichtigste Literatur zur forschgttg zu den Neuen Sozialen Bewegungen mit Hinweisen zur 68er Bewegung in der Schweiz: Kriesi/Lévy/Ganguillet/Zv'islty (Hg), Politische Aktivierung; Kriesi (Hg.), Bewegrurg in der Schweizer Politik; LévylDuvanel, Politik von unten. " 2a Sieh" dazu den Abschnitt Quellenlage und -bestände auf Seite 9. Mi¡ller/Lotmar, Bunker, 1lff. 2s Zu, e ife l, Ordnungsdienst. Hassler,K¡awall. 27 Die Bunkerbewegung ist ein Produkt der im Ztge der Auseinandersetzungen um einen Ersatz für das GlobusAreal (den sogenannten Lindenhof-Bunker) 1969/70 sich spaltenden Koordinationsgruppe FASS. Die Gruppe Båindlistasse wiederum, die von den Behörden aufgrund ihres Treffpunktes an der Båindlistrasse 73 so genannt wurde ¡nd sich selbst ,,RAF-Zürich' nannte, entstand aus der Radikalisierung innerhalb der Autonomen Linken, die nach der Spaltung und dem Niedergang der Bunkerbev/egung Ende l97I zu beobachten war. Vgl. dazu 26 lil'isler, Drei Gruppen, 73ff 2t Wisl"r,Drei Gruppen. 8 En,u-EITLTNc LznNnersARBEIT Grtindungen neuer revolutionärer Organisationen jeglicher Couleur. Noch aber steht die Radikalisienrng zur Gewalt nicht an."ze Diese anhand der Studie von Dominique Wisler illustrierte verki.irzte - oder zumindest enge Protest, die ihre Ursache in - Perspektive auf das Phtinomen Gewalt im definitorischen und methodischen Prtimissen hat, steht symptomatisch für viele soziologische und politologische Studien zur Gewalt.3o 1.5 Quellenlage und -bestände Im Hinblick auf die Zusammenstellung des zu analysierenden Aussagenkorpus - die von beiden legitimierten Sprecherpositionen, den Diskursgemeinschaften ,,Establishment" und ,,Junge Linke" geprägten Aussagen - lässt sich auf reichhaltiges, wenn auch verstreut kompiliertes Quellen- (beziehungsweise Aussagen-) Material zuri.ickgreifen. Ftlr die Zusammenstellung der von der Diskursgemeinschaft,,Junge Linke" geprägten Aussagen habe ich das im Analysezeitaum, das heisst zwischen 1967 und 1969, vorliegende Archivmaterial der FSZ, der Jungen Sektion und der FASS im Sozialarchiv Zürich und der Studienbibliothek zur Geschichte der Arbeiterbewegung ZtiLrich sowie die Zeitschriften ,yA.gitation" (Zeitschrifr der FASS), ,,Zeitdiensf' und ,/ttrcher Student" berticksichtigt.3t Die Vervollståindigung des Aussagenkorpus erfolgte durch den Einbezug der von der Diskursgemeinschaft ,,Establishmenf' geprägten Aussagen. Diese wurden in den seit diesem Jahr im Stadtarchiv Zlirrtch erstrnals auch für das Jahr 1969 nrganglichene Stadtratsprotokollen (1967 - 1969f3 sowie der ,J.treuen Zt¡rcher Zeifr¡nrgj'zwischen 1967 und 1969 ermittelt. 2e Witl"r, Drei Gruppen, 74. }rlit denselben, den Anfangsdiskurs aus dem Blickfeld rückenden ,,Scheuklappen' gntersucht Michel Wieviorka in seinem Aufsatz ,,1968 r¡nd der Terrorismus" im Zusammenhang mit den Ereignissen im Mai 1968 in Frankreich die Frage nach der Kontinuität zwischen dem ,,schönen Monat Mai einerseits, dessen Bild durch eine beeindruckende Abwesenheit von Gewalt geprägt ist, und den Versuchen der gewaltsamen Durchsetzung extremistischer politischer Ziele in den siebziger und achtziger Jabren andererseits." Wi ev io rka, Terrorismus, 2 73. 3o Siehe dazu die Reihe ,,Analysen zum Terrorismus", insbesondere FetscherlRohrmoser, Ideologien und Strategien (Anaþsen zum Terorismus l); wd MatzlSchmidtchen, Gewalt und Legitimiøt (Analysen zum Terrorismus 4/1). 31 Die für die Zusammenstellung des Aussagenkorpus hinzugezogenen A¡chivalien der einzelnen Gruppierwrgen sind im Verzeichnis der Quellen detailliert aufgelistet (vgl. Abschnitt 8.1.1). Der,,Zürcher Student" und der ,,Z,eitdienslf sind nicht als eigentliche Sprachrohre der FSZ, der Jungen Sektion und der FASS zu betrachten. Da sie aber regelmässig Beitrage von Mitgliedern der Gruppierungen veröffentlichten, werden diese fü'¡ die Konstituierung des Aussagenkorpus mitberücksichtigt (im,,Zeitdienst" verjü,ngte sich das Autorenkollektiv ca. ab 1966 der ,,Zwcher Student" als offizielles Organ der Studentenschaft der Universität Ziinch gewährte Mitgliedem der FSZ, ihre Standpunkte zu diversen Aktivierungsereignissen publik zu machen). 32 Die Sperrfrist für die Einsicht in die Stadtratsprotokolle der Stadt Ztirich beträgt 30 Jatne. 33 Neben den Stadtratsprotokollen wurden auch die ihnen zugehörigen Akten berücksichtigt (vgl. Abschnitt 8.1.1). 9 LzpNuersARBErr 1.6 EnqLsrrrrNc Aufbau der Arbeit Das nächstfolgende Kapitel dient einer Einführung in die Problematik der Analyse des Themenkomplexes Gewalt (Kapitel Zwel). Der Fokus wird vorerst auf den Gewaltbegriffund die Möglichkeiten fi.ir die Strukturierung seines semantischen Raumes gerichtet. Der zweite Schwerpunkt dieses Kapitels bildet die Betrachtung des komplexen Verhåiltnisses zwischen Staat und Gewalt. Als Einstieg in diesen Abschnitt dienen einige kurze Ausfi.ihrungen zu den staatswissenschaftlichen Theorien des Rechts und der Macht im philosophischen Denken der Neuzeit. Anschliessend versuche ich, den Themenkomplex Gewalt in der Demokratie zu beleuchten. Relevant erscheinen in diesem Zusammenhang die Strategien zur Legitimierung von Gewalt sowohl auf Seiten des demokratischen Rechtsstaates potentieller Oppositionsgruppen. Abschliessend werde ich die als auch auf Seiten in den 1960er Jahren im Umfeld der ,,Kritischen Theorie" entwickelten Thesen von der Legitimität revolutionåirer Gewalt im ,,Spätkapitalismus und Imperialismus" vorstellen, die insbesondere im Zusammenhang mit den weltweiten Protesten im Jahr 1968 von grosser Bedeutung waren. Das dritte Kapitel dient der Erörterung des theoretischen Überbaus meiner Arbeit. Einführend werde ich auf das modische Etikett ,,linguistic turn" in der Geschichtswissenschaft zu sprechen kommen, dem der postrnoderne Perspektivenwechsel zu neuer Prominenz verhalf. Anschliessend forrnuliere ich auf der Basis der Diskursdefurition in Foucaults ,,Archäologie des Wissens" und in Anlehntrng an das Diskursverständnis der deutschen linguistischen Diskursgeschichte eine modifizierte Diskursdefinition für diese Arbeit. Ín vierten Kapitel entwickle ich die einzelnen Operationalisierungsschritte der Diskursanalyse, die zu den oben erw¿ihnten methodischen Analyseanleitungen führen (1. Diskursidentifikatioru 2. Ermittlung der Organisation des Aussagenfeldes, des semantischen Raumes des Gewaltbegriffes und der diskursiven Strategien der Gewalt im identifizierten Korpus). Die Modifikationen an Beschreibung diskursiver Fonnationen werden Vorschläge der (De) Legitimierung der Foucaults Programm der in Anlehnung an bereits entwickelte ,,sozialhistorischen Diskurssemantik" (Reichardt, Diaz-Bone), die ,,französischen Tendenzen der Diskursanalyse" (Maingueneau) und die anglo-amerikanische ,,conceptual histo4t'' (Schwab-Trapp) vorgenommen.34 s Besondere Berücksichtigung haben dabei folgende Studien erfahren: Reichardt, Geschichte politisch-sozialer Begriffe in Franlaeich,49-74; ders., Politisierung und Visualisierung, S3-I70; Maingueneau, L'Analyse du discours; Diaz-Bone, Probleme und Strategien, I 19-135; Schv,ab-Trapp, Legitimatorische Diskurse,302-327. l0 EwLBrruNc LrzsurrarsARBEIT Vor der Präsentation der Resultate rneiner Diskursanalyse wird der Untersuchungsgegenstand - der Gewaltdiskurs imZeitraum von 1967 damit verbundenen Oppositionsstrukturen Einführend beleuchte 1969 - in das politisch-kulturelle Klima und die in der Schweiz eingebettet (Kapitel ich kurz die wirtschaftlichen und Nachkriegsentwicklung sowie die Leitvorstellungen Schweiz in den 50er und 60er Jahre. Anschliessend gesellschaftliche Unbehagen sk<tzziert, im FärnÐ. politischen Parameter der politischen Selbstverständnis der werden das eingangs erwåihnte und die sukzessive emergierenden Oppositionsstrukturen die als Folge der Begleiterscheinungen des wirtschaftlichen und sozialen Wandels sowie der nachlassenden Integrationskraft gemeinschaftsideologischer Leitvorstellungen in der Mitte der 60er Jat e zl interpretieren sind. Das Kapitel Sechs soll als Kernsttick meiner Arbeit schliesslich die Ergebnisse der Diskursanalyse auùeigen. Formal werden die Resultate der Analyse des Gewaltdiskurses in drei getrennten Abschnitten (Analyse des Diskurses im Jahr 1967,1968 und 1969) präsentiert, Gegenstand Gewalt definiert wurden, n ftir den dem stnrkturierten semantischen Raum des wobei einführend jeweils ein kurzes Fazit den ermittelten Dimensionen, die Gewaltbegriffes und den konstruierten diskursiven Strategien der (De)-Legitimierung der Gewalt gezogen wird. Die Rückbezüge und Querverweise in den einzelnen Kurzzusammenfassungen und den eigentlichen Analyseabschnitten gestatten es schliesslich auch, den zentralet Aspekt óer Transþrmation des Diskurses verfolgen. 11 - die Diskursdynarnik - zrt ANervsB LznNnetsARBEIT 2 osnGrw¡rr Analyse der Gewalt 2.1 Was bedeutet der Begriff Gewalt? ,,Wörter sind eine soziale Angelegenheit. Sie bedeuten das, v,as sie den Menschen bedeuten, die sie gebrauchen. Indem diese sie gebrauchen, beteiligen sie sich an ihrer Definilion. Int Sprechen und Schreiben u,erden herköntmliche Bedeutungen bestötigt oder aber korrigierl. Wörter erfahren auf diese Weise eine fortlaufende Geschichte - bleiben stehen, u,erden umgeu'idmel, verschl.eissen sich, erfahren Auf- und Abu,ertungen"3s Das Zitat von Friedhelm Neidhardt weist auf die Hauptproblematik bei der Beschäftigung mit der Semantik von Wörtern hin: Die Instabilität von Wortbedeutungen. Widmet man sich der Erfassung des Sinnes, des Gemeinten oder Bezeichneten36 eines \Mortes, muss man mit Widersprüchen, Verwerfungen und Gegenläufigkeiten in der Bedeutungskonjunktur rechnen. Ist ein Wort überdies polysem - das heisst mehrdeutig aufgrund der Aufspaltung der Bedeutung eines Lexems oder Morphems im Laufe der Zeit Diflerenzierung seiner Bedeutungsvariationen semantischen Raumes unerlässlich, - , ist eine klare und damit eine analytische Strukturierung des will man nicht mit diffiisen Vorgaben die Validität von Untersuchungs anordnun geî 21Í B edeutungskonj unktur gefÌihrden. 2.1.1 Der Gewaltbegriff... Das Wort Gewalt ist polysem. Diese Mehrdeutigkeit lässt sich anhand etymologischer Herleitungen erschliessen: Aus dem Althochdeutschen ,,giwalt" (Ikaft haben, über etwas verfi.igen, herrschen) entwickelt sich der Begritr im Früh- und Hochmittelalter zunächst in Anknüpfung an die antiken Traditionen um die Sinnfelder der rechtrnässigen Herrschaft oder der göttlichen Herrlichkeit und Macht.37 Dieser Kompetenzbegrrff von Gewalt assoziiert 3s 36 Neidhardt, Gewalt, I 13. Meioen/Gemeintes, Sinn, Bezeichmrng/Bezeichnetes gelten als verwandte Begriffe zum BegriffBedeutung, die in der Wissenschaft allerdings oft auch zum Ausdruck einer spezifischen Differenz zur Bedeutung verwendet werden. LinkelNussbaumerlPortmazn, Studienbuch, 135. Der Problematik des Bedeuhrngsbegriffes trägt die Clifford Geefiz Rechnung, indem er von der Bedeutung als ,,schwer fassba¡er und verworrener Pseudoeinheit" spricht. G eertz, Dichte Beschreibung, 42. 37 Im Sprachraum der germanischen Völkerkonglomerate fand der aus der indogermanischen Wurzel ,,val-,, sich ableitende Begritr,,giwalt" seine Anwendung noch im Bereich der vom Recht ausgesparten Freiheit und wa¡ damit kein Rechtsterminus. Ob mit ,,giwalt" im Einzelfall Un¡echt bewirkt wurde, konnte erst dwch hinzutretende Eigenschaften wie Hinterhältigkeit bestimmt werden. Da diese Rechtsauffassung und -terminologie wenig mit der römischen harmonierte, diente das Wort,,giwalt" zw Übersetzung der verschiedensten lateinischen Wörter (,Botestas", ,jmperium", ,,auctoritas", seltener ,¡naiestas" und ,jura"). Aus dieser Vagheit kristallisierte sich zunächst Gewalt als Wiedergabemonopol für ,Botestas" heraus. Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3, 823; Hi sto ri s ch es W'ö rterbuch de r P hi lo sophi e, Bd. 3, 561. Aussage von t2 ANRrYss oen LzeNuersARBEIT Gpw¡rr Verfügungsmacht, Befugnis, und findet seine Entsprechung im lateinischen ,,potestas".38 Der Gedanke einer unbegrenzten und willktirlichen Macht findet in der mittelalterlichen Vorstellungswelt allerdings noch keinen Eingang.3e Seit dem Spätmittelalter gewinnt die Verwendung von Gewalt im Sinne des lateinischen ,,violentia/vis" in allen Abstufungen von ,,gesteigerter Ktaft" über ,,Eigenmacht" und ,,Zwang" bis zu ,,Gewalttat" und ,,(Jnrecht" an Boden und bildet damit einen zweiten semantischen Schwerpunkt. des oo Mit der Absonderung Aktionsbegriffes tritt die Vorstellung eines unrechfrnåissigen Zwanges in den Vordergrund, der den Vorgang der allmtihlichen Mediatisierung oder Eliminierung älterer Formen der rechtmässigen Selbsthilfe zugunsten staatlich garantierter Friedenssicherung und Rechtswahrung und - dadurch gefordert - die Trennung von öffentlicher Gewalt und privater Gewalttatigkeit reflektiert.al Die Worh¡vurzel, das lateinische ,,violare", assoziiert Verletzung, Blut, Gewalttätigkeit als schweren Eingriff in die Integrität eines/einer anderen.a2 Dieser Bedeutungszusammenhang einer bestimmten Form sozialer Konflikfaustagung ist jedoch in sich wiederum mehrdeutig und führt im Sprachgebrauch immer wieder zu Konfusionen (vgl. dazu Abschniltt2.I.2). In Anbetacht der Varianz der Bedeutungsausprägung des Gewaltbegriflesa3 erstaunt es wenig, dass heutzutage keine Definition der Gewalt existiert, die von allen Wissenschaftlerlnnen gleichermassen getragen wird und breiten Bevölkerungsschichten einsichtig ist.aa Allzu offen treten die Diskrepanzerzwischen einer ,,Fonn des Einflusses, der pennanent an das Eingreifen in sittliche Verhältnisse, deren Sphären durch Recht und Gerechtigkeit abgesteckt wird" (Walter Benjamin)4s, einem ,,einmaligen physischen Akt, in dem ein Mensch einem andern Menschen Schaden mittels physischer Ståirke zufügt"a6 und dem ,,Vorliegen einer Differenz zwischen der akhrellen somatischen und geistigen Verwirklichung eines Menschen und ihrer potentiellen Verwirklichung" (Johan Galtung)47 zttage. In Hinblick auf die gesamtgesellschaftliche Rezeption der Bedeutungsausprägungen des Gewaltbegriffes lässt sich gleichwohl sagen, dass, obwohl der åiltere Kompetenzbegritr 38 3e ao Brockhaus Enzyklopödie. Bd. 8,453. Geschi chtli che Grundbegrffi , Bd. 3, 825. Neidhardt, Gewalt, 114. Geschichtliche Grundbegriffe. Bd. 3, 828. Ð Huggerl Stadlør, Kulturelle Fonnen, 2 1. a3 Der BegriffGewalt wird neben dem Kompetenzbegriffund dem Aktionsbegriff auch als Metapher verwendet wird, wobei mit Gewalt Kraft, St¿irke, Vehemenz assoziiert wird. Als Beispiele lassen sich die Rede-Gewalt, die Gewalt des Windes, der Leidenschaft oder die Urgewalt anfi¡hren. 4 Neidhardt, Gewalt, 122; Hugger/Stadler,Ktí¡relle Formen, 21. as Ben¡amin, Kritik der Gewalt. Zit. nach: Lexikon zur Soziologie,247. a6 Lexikon zur Soziologie,247. a\ 13 LzpNrersARBErr ANer.ysp opR G¡wer.r noch nicht ganzlich verschwunden ist, der neuere Aktionsbegriff in seiner pejorativen Bedeutung dominant in Erscheinung tritt.as 2.1.2 ...und se¡n semant¡scher Raum lnsbesondere im Operationsfeld politischer Protestbewegungen und des Terrorismus wurde der Gewaltbegriff in den leÍzten Jahzehnten äusserst kontrovers verhandelt. Er mutierte zu einem ,,super summary s¡mbol", einem - wie Eike Henning sich ausdrückte nutzbaren politischen Aphrodisiakum".4e Obwohl - ,,beliebig im Hinblick auf die Frage nach der Bedeutung von Gewalt im Kontext sozialer Konfliktaustragung bis heute kein Konsens erzielt werden konnte, ltisst sich im Anlehnung an Friedhelm Neidhardt dennoch ein semantischer Raum skizzieren, in dem der Gewaltbegriff mit unterschiedlichen Bedeutungsausprägungen fluktuiertso: B e deutungs e I ement e de s Gew al tb Bezussdimension 1) Art des Verhaltens 2) Verhaltenssubjekfe e grffi D e linit i ons bes tandt ei I a) physischer Zwang (direkte Gewalt) b) psychischer Zwang (indirekte Gewalt) a) Personen (personale Gewalt) b) Institutionen, Strukturen (strukturelle Gewalt) 3) Verhaltensobjekte a) Personen b) Sachen, Institutionen, Strukturen 4) Verhaltenseffekfe a) Physisch b) Psychisch 5) Verhaltensgründe a) illegaVillegitim b) leeal/leeitim Der Gewaltbegnff bezieht sich in diesem semantischen Raum auf ein Verhalten, bei dem bestimmte Zwangsmittel zum Einsatz kommen. Unterschiede ergeben sich daraus, ob die Zwangsmittel auf physische Mittel wie Körperkraft Mittel (1b), (la) beschråinkt oder auch psychische beispielsweise Schmåihunger¡ miteinbezogen werden. Der Einsatz von Zwangsmitteln kann dabei als Gradfrage verhandelt werden, bei der erst das Ûberschreiten o' a8 ae Gol tur g,strukturelle Gewalt, 9. Neidhart,Gewalt, 124. Treiber, Auseinanders etzwgmit dem Terrorismus, 350; Henning, Strukturelle Gewalt, 57 l4 LzpNnersARBEIT ANeLvs¡ osRGnweLr bestimmter Schwellenwerte den Gewaltbegriff auslöst. Kritische Fragen, aus welchen im Kontext politischer Proteste konfligierende Deutungsmuster hervorgehen können, sind beispielsweise: Wann wird das Sitzen auf Strassen zur Gewalt? Wann wird Beleidigung oder Kritik zur Gewalt? Wann wird die Ansammlung bewaffrreter Polizeibeamter zur Gewalt? Wann werden hierarchische Strukturen zur Gewalt? Weitere Unterschiede werden bemerkbar, wonn man mit dem als ,,Promoter des konturenlosen Gewaltbegriffs"5l verunglimpften Friedensforscher Johan Galtung danach fragt, welche Akteure gewaltfìihig sind: Können nur Personen (2a) oder auch Strukturen und Systeme (2b) gewalttätig sein? Ebenso unklar erscheint die Frage, ob als Gewaltobjekte bloss Personen (3a) oder auch Sachen, im weitesten Sinne also auch Institutionen und Strukturen (3b) Gewalt erleiden können. Im Hinblick auf die Effekte des Verhaltens muss die Frage gestellt werden, ob allein physische Beschädigungen (4a) als Indizien ftir Gewalt gelten oder auch psychische Beeintächtigungen (ab) miteinbezogen werden. Und auch hier stellt sich die Gradfrage: Wie hoch muss das Ausmass der Verletzung sein, um von Gewalt sprechen zu können? Spielt die Absicht eines Akteurs eine Rolle beí der Beurteilung, ob es sich bei einem Verhalten um Gewalt handelt oder nicht (intendierte versus nicht intendierte Gewalt)?52 Als weitere und letzte Differenzierung wird der Gewaltbegriff mit dem Einbezug normativer Aspekte bei der Erwägung von Verhaltensgründen (5) zu einem sprachlichen Laboratorium, in welchem Rechtsordnung (legal/il1egal), Öffentlichkeit kontrovers ausgehandelt werden. 2.2 und Moral (legitim/illegitim) s3 Staat und Gewalt ,, [...J das Recht steht im Schniftpunlct von Emanz¡pation und Gewalt. Es ist ein prdkerer Gegenstandfïir jede Gesellschafisordnung, die den Anspruch auf Überwindung der in ihr steckenden Gewalt erhebt. "5a 2.2.1 Hat der Staat Recht auf Gewalt? Macht, Recht und Gewalt im philosophischen Denken der Neuzeit Gewalt und Macht waren nach mittelalterlicher Auffassung eingebunden in eine objektive Ordnung von Gerechtigkeit und Sitte, die ihre Wurzel so Neidhardt, Gewalt, I 17. Worrermaml, Neigung zur Gewalt, 51, 52. s2 Neidhardt, Gewalt, 121,122. s3 Negt,Achtundsechzig, 79. 5t 15 in der Verbindung der ANRr.vsr rBnGpwelr LzgNuersARBEIT Rechtsauffassungen gennanischer Völkerkonglomerate mit der christlichen Ethik hatte. Sie w¿ìren rechtlich normierte, der Aufrechterhaltung dieser Ordnung dienende Funktionen, die so gut wie keiner institutionalisierten Kontrolle im modernen Sinne unterlagen. Mit der im Spätmittelalter einsetzenden Konzentration der Macht Gewalt und Macht in den Bereich im Staat wurden 2iltere Formen von des Unerlaubten und Unrechtmässigen verbannt. Die S¿ikularisierung und Rationalisierung des Rechtsbegriffs löste die Verschrtinkung von Macht und Recht auf. Gewalt und Macht wurden aus normativen Begrifîen entweder ztr wertneutralen Beschreibungstermini oder bezeichneten Sachverhalte, die ohne explizite Legitimation den Verdacht des Unrechtmåissigen erweckten.ss Mit dem Auseinandertreten von Recht und Macht wurde allerdings das Problem der expliziten Legitimation akut. Seit dem späten 16. Jahrhundert wurde deshalb in philosophischen und staatswissenschaftlichen Theorien des Rechts und der Macht die Problematik der Legitimation verhandelt. Sie liefen auf die Rechtfertigung von Macht mit naturrechtlichen Argumenten oder auf ihre konstitr¡tionelle Zåihmung hinaus und hatten dabei prim¿ir den staatlichen Bereich im Auge. Für Hugo Grotius galt Gewalt per se nicht als Quelle des Unrechts. Jeder Mensch hatte nach Grotius zunächst einen naturrechtlich begründeten - positiv-rechtlich irrelevanten - Raum eigener Gewalt. Daneben führte er einerseits die unrechtnåissige, auf die Rechtssphåire eines anderen Menschen tibergreifende Gewalt und andererseits die legitimierte, die Gewalt eines anderen abwehrende Gewalt ein.56 Die Grundlage der staatlichen Gewalt beruhte nach Grotius auf dem Konsens der Mitglieder einer staatlichen Gemeinschaft. Die Idee eines Staatsvertrages, aus welchem den Untertanen Rechte gegen den Souveråin erwachsen wärden, wies er allerdings mit der Begrändung zurück, dass dies den Staatszweck geführden wtirde. Befreiungskriege waren nach Grotius deshalb prinzipiell uffechtm¿issig.s7 Thomas Hobbes begritr den Staat in erster Linie als /vangsanstalt und fügte seinem Vertrag zwischen den Bärgern auf Nicht-Anwendung von Gewalt konsequenterweise einen Zvsatzstertag bei, der dies qua Gewalt garantieren sollte. Der englische Btirgerkrieg, das Ungeheuer aus Hobbes' politischer Grunderfahrung, konnte demnach nur durch ein noch mächtigeres Ungeheuer tiberwältigt werden: den Leviathan, das heisst den modernen Staat mit Gewalûnonopol. Anders als bei Grotius galt die Staatsmacht nicht nur als Mittel der Y Ybd,., ar. 5s s6 Ge s chic htli che Grundb egriffe, Bd. 3, 8I 9. Grotius,De jure belli ac pacis. Eine gute Einführung bietet das Lexikon Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3' 845-847. 16 ANar.vsp rpR Gpwerr LzgNnersARBEIT Rechtsverwirklichung, sondern zugleich als ein Apparat, durch den die Verbindlichkeit rechtlicher Nonnen überhaupt erst geschaffen werden konnte.58 Der vom Staat gewährte Schutz vor dem Rückfall in den Naturzustand konnte nach Hobbes mr geleistet werden, wenn alle auf ihr Widerstandsrecht verzichteten. Falls der Staat seiner Schutzpflicht allerdings nicht mehr nachkam, sollte man sich auf das Recht auf Widerstand berufen können. Es ist also der zu schwache Staat, gegen den bei Hobbes Widerstand erlaubt ist.5e Ánnlictr argumentierte Immanuel Kant in seiner ,,Kritik der Urteilskraft"60: Fär Kant war die ursprtingliche Einrichtung einer Rechtsordnung nicht denkbar aufgrund einer blossen Übereinkunft. Damit eine geordnete bürgerliche Gesellschaft Bestand haben konnte, bedurfte es der Gewalt, die sich über die Macht der beschråinkten Interessen erhebt und mit diesem Akt der Gewalt das Recht für alle begrihrdet. Aus den Prinzipien Freiheit, Gesetz und Gewalt konstruierte Kant die vier grundsätzlichen Verfassungstypen: 1. Gesetz und Freiheit ohne Gewalt (Anarchie),2. Gesetzund Gewalt ohne Freiheit (Despotimus), 3. Gewalt ohne Freiheit und Gesetz (Barbarei), 4. Gewalt mit Freiheit und Gesetz (Republik). Die letztere, als einzige ,,wahre btiLrgerliche Verfassung" bezeichnete Form bewies nach Kant, dass mit dem Gesetz die Gewalt verbunden sein muss, damit der Freiheit und dem Gesetz Erfolg verschafü werden konnte und das Gesetz nicht als ,,leere Anpreisung" galt. Im Gegensatz zrt Hobbes reichte bei Kant allerdings bereits dieLatenzder Gewalt aus, um den Rechtszustand herbeizuführen.6l Die Grundlinie der liberalen Interpretation der naturrechtlichen Begrtindung der obersten Staatsgewalt war damit gelegt: Verfaglich wurde der Staat in den Schriften einiger Kantianer noch vor der Jahrhundertwende ztx Zwangsanstalt zum Schutze der Sicherheit und der Freiheit der Bürger. Die Gewalt des Souvertins wurde Widerstandsrechtes - - unter Anerkennung eines bedingten durch den Staatszwe ck begrenzt.62 Die politischen und wirtschaftlich-gesellschaftlichen Revolutionen von der Mitte des 18. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts und die sie begleitenden Reflexionen einer sich bärgerlichen Gesellschaft herausbildenden Intelligenz stellten die von den in der liberalen Staatstheoretikern etablierte Prämisse einer relativen Autonomie von staatlicher Macht und des Gewalünonopols des Staates wieder in Frage. Die Erfahrung der Anwendung von Gewalt zur Erhaltung alter oder zur Errichtung neuer gesellschaftlicher Systeme, zur Sicherung oder s1 Grotius,De jrne belli ac pacis, 559. Hobbet,Leviathan, Introduction [], 81. sn Hötl",Moral und Politik, 67. s8 û Kant,K¡itik. 6t Kant,Ikitik, 330, 331. 62 Ges chi cht li ch e Grundb egriffe, Bd. 3, 924 t7 AN¡lvse o¡n GpwRlr Lz¡NlersARBEIT Umverteilung von Macht und damit ihrer ,,Kapitalisierung" bewirkten die Ergåinzung der (Rechts-) Philosophie; vorerst durch radikaldemokratische, später durch marxistische Machttheorien, die nach dem Zweiten Weltkrieg von den Thesen der Legitimität revolutionåirer Gewalt im Spätkapitalismus und Imperialismus, verbunden mit den Namen von Herbert Marcuse63 und - in einer mythischen Ausformung - von Walter Benjamin6a, abgelöst wurden.65 2.2.2 Gewalt in der Demokratie International vergleichende Reprtisentativumfragen unter der wahlberechtigten Bevölkerung in westlichen Demokratien haben belegt, dass zwischen 1970 und 1990 Gewalt so stark als Mittel der politischen Auseinandersetzung abgelehnt wird, dass man unbesehen von einem Gewalttabu in der Demokratie sprechen kann.66 Gewalt in der Demokratie ist nach Birgitta Nedelmann allerdings in mehrfacher Hinsicht ein sozial ambivalentes Phtinomen: Sie wird einerseits rechtlich, sozial, politisch usw. verpönt, sofern sie als illegitim angesehen wird; sie wird andererseits hingenoûrmen oder sogar für notwendig und unvermeidbar erklËirt, wenn ihre Anwendung sozial anerkannt ist.67 Das Gewalttabu in der Demokratie kann demnach nicht tiber die Tatsache hinwegtäuschen, dass auch der demokratische Staat über ein Sanktionssystem verfügt, das eine dauerhafte und einigermassen zuverlåissige Gewaltbegren^nggewiihrleisten soll.68 Mit Heinrich Popitz gesprochen unterliegt somit jeder Ordnungsentwurf einem circulus vitiosus der Gewalt-Bewaltigung: ,,Soziale Ordnung ist eine notwendige Bedingung der Eindåimmung von Gewalt - Gewalt ist eine notwendige Bedingung z-tn Aufrechterhaltung der Ordnung."6e Gewalt wird nach Popitz damit nÍ ,,ordnungsstiftenden Erfahrung schlechthin'.70 6 Marcut",Eindimensionaler Mensch. Siehe dazu Abschnitt 2.3.1. s Benjamin,Kritik der Gewalt. Geschichtliche Grundbegrife, Bd. 3, 819. 6 Gleichreitig lässt sich festhalten, dass sich im Hinblick auf die Negativ-Perzeption von Gewalt unter einer 6s länderspezifischen Perspektive kaum Differenzen ergeben. In einer Repräsentativbefragung der Wahlbevölkerwrg der 12 Mitgliedsländer der Europäischen Union im Jah¡e 1989 wurde gemeinsam von Friedhelm Neidhardt turd Max Kaase der Versuch unternommerL über die Methode des semantischen Differentials den Bedeutrurgsgehalt von Gewalt unabhtingig von politischen Implikationen zu erfassen. Bei nur kleinen Unterschieden zwischen den 12 Ländern erwies sich Gewalt auf dcr bewertenden Dimension bei den Befragten fast konsensual als unnötig, hässlich, schlecht und geführlich. Kaase, Politische Gewalt, 18,21. 67 68 6e 70 N"d"l-onn, Schwierigkeiten, 10, 11. Rammstedt,Gewalwerständnis, 50; Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3, 846. Popitz,Gewalt,3l. Ebd.,30. l8 ANervsr opn GeweLr LzeNtarsARBErr Mit der.eingangs erwåihnten nahezu umfassenden .Þtkveptarø des staatlichen Gewaltmonopols und der Norm der Nichtanwendung von Gewalt durch die Staatssubjekte als Ecþfeiler des demokratischen Rechtsstaates ist noch nichts explizit zu dem Ausmass gesagt, inwieweit staatliche Gewalt in ihrem Monopolcharakter legitimiert ist. Die konstitutionelle, legalistische und prozedurale Begrenzung des Gewaltmonopols ist im Einzelfall je nach zeitlichen, kulturellen und politischen Kontextbedingungen variabel.Tl Letztendlich bleiben Monopolanspruch des Staates auf Gewalt und das Untersagen von der Gewalttätigkeit Forderungen, die keine Etappe auf dem eingeschlagenen Weg zur Negation von Gewalt in der Gesellschaft darstellen. Solange ,,die Macht zu töten und die Ohnmacht des Opfers [...] latent oder manifest Bestimmungsgründe der Struktur sozialen Zusammenlebens [sind]"72, solange sich ,,der Einzelne nicht seiner physischen Ståirke zu entäussern verrnag"73, kann der Staat nie das Monopol an Gewalt besitzen. Alle Staaten haben demnach mit dem Problem Gewalt zu exisiteren, das ihnel ständig prtisent bleibt, da jede Art von gezeig¡er Gewalt im System ihnen nicht nur bewusst werden låisst dass ihre ,,Gewaltapparate" noch keine Monopole sondem ihnen sind, wie selbstverstlindlich ats Infragestellung ihrer selbst erscheinen.Ta Die Legitimierung des Einsatzes von Gewalt gegen Gewalt ist somit selbst im demokratischen Rechtsstaat Bestandteil einer ståindigen Gesellschaft sdiskussion. In den folgenden Abschnitten werden vorerst die Süategien um den ,,Kampfbegriff' Gewalt und seine Legitimierung sowohl auf Seiten des demokratischen Rechtsstaates als auch auf Seiten potentieller Protestgruppen beleuchtet. Anschliessend werden die in den 1960er Jahren im Umfeld der,,Kritischen Theorie" entwickelten und insbesondere im Zusammenhang mit den weltweiten Protesten um 1968 an Bedeutung gewinnenden Thesen von der Legitimität revolutiontirer Gewalt im ,,Spätkapitalismus und Imperialismus" beleuchtet, wonach Akte politischer Gewalt notwendig sind, um das Verhalten der Staatsgewalt und der sie tragenden Kräfte als,,repressive Toleranz" zu entlarven. 71 72 73 7o Kaare,Politische Gewalt, Popitz,Gewalt,2T. 19. Rammstedt,Gewaltverständnis, 50. Ebd., 5r. 79 ANer.vsp oER LzpNnersARBEIT G¡welr 2.3 Strategien der Gewaltlegitimierung Ge ,,Das öffentliche Eingestrindnis von Geu,alt bedeutet fùr ¡ede ordnung da s Eingestcindnis nt an ge lnder Legitimati on einer 75 H e r r s c h aft s o r dnun g. " s e I l.schaft s Die legale Gewalt im demokratischen Rechtsstaat wird nach Otthein Rammstedt mit der Zwecksetzung legitimiert, Gewalttätigkeit aller Art in der Gesellschaft zu unterbinden. In der Verfolgung des Zwecks - die Garantie fi.ir Gewaltlosigkeit im System - wird der Einsatz von Gewalt immer zur Gewalt gegen Gewalt: Sie wird zur Gegengewalt. Mit diesem die Unterdrtickung nichtlegaler Gewalt zum obersten Gebot erklåirenden Legitimierungsmuster geht nach Rammstedt jedoch das Wissen um den Zweck verloren, für den Gewaltlosigkeit einmal Mittel war: ,,[...] Gewaltlosigkeit stand Max Webers und Walter Benjamins Entfaltung des Einzelnen, stand - und dafür zeugen noch die Überlegungen - für die gesellschaftliche für btirgerliche Freiheit Gewaltlosigkeit als einzigen Zweck an sich zt gebotene Chance zur und sozialen Fortschritt. setzeî, korrespondiert mit dem Verständnis, Gewalt sei unsozial, ja antigesellschaftlich per se."76 In diesem Zusar¡nenhang besteht nach Friedhelm Neidhardt die Tendenz, Gewalt nur als Gewalt der andern Seite zu thematisieren undRechtfertigungszwtinge, beispielsweise von Polizeigewalt, auf diese Weise ex definitione zu vermeiden.tt Unliebsame Opponenten werden in der politischen Kommunikation zwischen Staat und Bevölkerung mithin einzig auf den Gewaltaspekt reduziert. Die Betonung der normativen Ablehnung von Gewalt bezeichnetTs - - von C. Rainer Roth als ,,Ritual der Gewaltlosigkeif' hat hier die Funktion, die legale Gewalttätigkeit gegen Gewalttätigkeit zu legitimieren und den potentiellen Gewalttätem überdies die Chance zu nehmen, in der Bevölkerung auf Akzeptanzz:u stossen. Gelingt es, das Handeln des andern/der anderen als Gewalt zu definieren, dann wird erlsie in eine moralische Defensive gedrängt und diskreditiert. Gewalfiatigkeit im sozialen Kontext des demokratischen Rechtsstaates heisst daher immer auch: Inadåiquates Handeln. Und um diese lnadäquatheit als normative "76 N"gr, Achtundsechzig, 67. RammstedL Gewaltverståindnis, 52. Nach Max Weber ist die staatliche Gewalt Hort und Garant dcr Freiheit, Garant, insofem sie den Bü'rgern die Sicherheit gew?ihrg innerhalb derer sie sich entfalten können. Hort der Freiheit ist Gewalt nur, insofem sie sich Politik ,,zum Beruf' macht, das heisst sich in die rechtsfreie Sphäre des Politischen begibt, um sich in quasi-heroischer Gewalt zu bewähren. Weber, Politische Sch¡iften, 660. 17 Neidhardt, Gewalt und Gegengewalt, I 18. 78 Roth,Ritual der Gewaltlosigkeit, 148 ff 20 ANervsB opR Gswelr LlzpNnersARBEIT Bestimmung beibehalteîzrkönnen, werden diejenigen Menschen, denen im sozialen System legal Gewalt angetan werden darf, aus der Gesellschaft ausgeschlossen.Te Jeder individuelle oder korporative Akteur, der sich in einer konfligierenden Situation gewisser, in den Ruch der Gewalt geratener Mittel der Konflilctaustragung bedient, ist vor das Problem gestellt, dass solche Handlungen aufgrund des Gewalttabus in der Demokratie gesellschaftlich a priori geächtet werden und gleichsam automatisch eine selbstverständliche Legitimierung staatlicher Gegengewalt auf der Grundlage des staatlichen Gewaltmonopols nach sich ziehen können.8o Ftir potentielle Protestgruppen liegt deshalb die Strategie nahe, durch Umetikettierungsversuche eine Situation herbeizuführen, in der die fragliche Aktion aus dem Gewaltkontext herausgelöst wird. Das Selbstverst?indnis von Gewalt als Gegengewalt zeichnet hierbei auch die von staatlicher Seite als illegitim bezeichnete Gewalt aus. Dabei låisst sich einerseits die Tendenz der - vor allem mit der Vorstellung der ,,strukturellen Gewalt"sl oder der Systemgewalt verbundenen Ausdehnung des Gewaltbegriffes identifizieren, der Gegengewalt gegen eine Fülle von Problemlagen und Missståinde als legitim erscheinen 2.3.1 l¿isst. 82 Die Legitimität revolut¡onärer Gewalt im Spätkapitalismus: ,,Kritische Theorie", Studentenbewegung und das Problem der Gewalt in der Opposition 2.3.1.1 Analyse und Kritik desspätkapitalistischen Gesellschaftssystems In den späten 1950er und in den 1960er Jatren hatten sozialwissenschaftliche Analysen der Modernisierixtg von Gesellschaft ebenso wie eine nun sozialwissenschaftlich eingekleidete sozialkritische Literatur in Westeuropa und den USA Konjunktur. Der Grund für den Bedarf an Deutungen der Wirklichkeit lag in der mit dem deutlichen Anstieg der Haushaltseinkommen, der Ausweitung wohlfahrtsstaatlicher Sicherungen, der Technisierung der Haushalte und der Ausbreitung der elektronischen Medien verbundenen Wandlung der Rammstedt,Gewaltverständnis, 5 l. Kaot",Politische Gewalt, 2 1. 8l Der Begriff der ,,strukturellen Gewalt" geht auf den norwegischen Friedensforscher Johan Galtung zurück. Eine erste Sammlung seiner Beiträge zur Friedens- und Konfliktforschung ist im Jah¡ 1975 erschienen. Galtung, Stnrkturelle Gewalt. 82 Neidhardt, Gewalt und Gegengewalt, LI7. Eike Henning spricht in diesem Zusammenhang von der ,*{usbeutung des Gewaltbegriffes, [...] die jenen nahezu beliebig verwertbaren Selbstlauf produziert, mit dem sich die Fetische der,,Effektivitat" und der,,Betroffenheit" legitimieren lassen. Henning, Strukturelle Gewalt, 57. 7e w 27 ANeLvsp opR GrwRLr LznNUeTSARBEIT Lebensbedingungen und der Industriegesells chaft en". sozialen Verhältnisse in den ,,fortgeschrittenen 83 Die sich in ihrer Frühphase als Erbin der marxistischen Philosophie verstehende ,,Kritische Theorie"e erstrebte durch die Verbindung von Marxismus und Psychoanalyse, durch das Anknüpfen an die kritische Philosophie und durch eine Koppelung von Theorie und empirischer Sozialforschung eine Aktualisierung und immanente Weiterentwicklung einzelner Kategorien der marxistischen Theorie.8s Im Umfeld der,,Kritischen Theorie" entwickelte sich Mitte der 60er Jahre eine Spätkapitalismus-These, die von der Nachkriegserfahrung fehlender gesellschaftlicher Opposition in den kapitalistischen Metropolen ausging. Deren Ursachen wurden in der relativ gesicherten materiellen Bedürfrrisbefriedigung und der Bedtirûris- und Bewusstseinsmanipulation durch den Produktionsapparat und die mit ihm verfilzte Politik geortet.e Als Träger einer revolutionåiren Umwälzung wurden die materiell Unterprivilegierten, die Ausgegreruter¡ vor allem aber die kraft ihrer Bildung privilegierten Schichten (wie die Studenten) definiert, die sich gegen die manipulative Steuerung zur Wehr setzen konnten. Obwohl die Beurteilung der Proteste Ende der 60er Jahre und der Funktion der Studenten im Zusammenhang mit gesellschaftlichen Umwåilzungen bei den Vertretern der ,,Kritischen im folgenden hauptsächlich auf Herbert Marcuse rekuriert, da er im Hinblick auf die Frage der Gewaltlegitimierung im Protest als Theorie" sehr disparat ausfielsT, wird leitmotivischer Theoretiker bezeichnet werden muss, der - zumindest ab 1967 - von der breit rezipiert wurde.*t Vorsicht ist allerdings geboten, wenn man Studentenbewegung zwischen den bereits in sich keineswegs homogenen Deutungen der,,Kritischen Theorie", der Studentenbewegung und 1968 Kausalbeziehungen herzustellen versucht 83 - eine Sichtweise, B"hr.onn,Zwei Monate, 3 I 5. e Die Geschichte der Frankft¡rter Schule, die in der Geschichtswissenschaft hauptsächlich von 1968 her oder auch auf 1968 hin geschrieben wu¡de, wird zumeist als eine Lehre wahrgenoÍìmen oder beschrieben: Der ,Xritischen Theorie". Die ,JGitische Theorie" ist eine Bezeichnung für zwar verwandte, aber durchaus unterschiedliche, mit den Namen von Max Horkheimer, Theodor rW. Adorno, Jürgen Habermas und Herbert Marcuse verbundene theoretische Bestrebungen, die sich in den Znitlilfen mehrfach verändert haben. Erst im ,,kanonischen' Elemente einer Denktradition im Hoheitskampf um die Deutung herauszupräparieren, verfestigte sich das Etikett ,,Kritische Theorie" zum Namen füLr das Lehrgebäude einer Versuch, die Schule. Nach Clemens Albrecht ist die ,,Kritische Theorie" daher ein Nachkriegsphänomen. Albrecåt, Erfindung, 26,31. 85 Gilcher-Holthey, Kntische Theorie, I 69. Kimm el,Studentenbewegung, 5 l. tt Si"h" daztt atch Lin dn e r, Jugendprotest, I 64 ff. 88 über die Zuordmrng von Marcuses Gedankengut zw ,,Kritischen Theorie" gilt weiterhin Uneinigkeit. Bernd Rabehl z¿ihlt ihn nicht zu den Vertretern der ,,Kritischen Theorie" und reiht ihn zusammen mit Georg Lukacs, Karl Korsch, Rosa Luxemburg, Walter Benjamin und Ernst Bloch in die Reihe der dissidenten Marxisten ein. 6 Ra be hl, Inszenierung, 3 8. 22 ANer.vsp opnGewelr LzpNnersARBEIT die nach Günter C. Behrmann grosse Teile der Geschichtsschreibung über ,,1968" bestimmt: ,,Frankfurter Schule, Studentenbewegung und 1968 scheinen zus¿mtmenzugehören wie Lenin, die Bolschewiki und die russische Revolution"se. Protestbewegungen setzte sich keineswegs mr Das geistige Amalgam der aus den Analysen der spätkapitalistischen Gesellschaft bei Marcuse, Adomo oder beispielsweise Reich zusãnmen; ebenso konstitutiv waren die Revolutionstheorien von Marx, Lenin, Gramsci und Rosa Luxemburg, die philosophischen Grundlagen von Ernst Bloch oder Luis Althusser und die psychoanalytische Literatur von Basagli4Latng, Deleuze, Guattari und Lacan.Ð 2.3.'1.2 Marcuses ,,absolute Weigerung" und das ,,Naturrecht" auf Widerstand In ,,The one-dimensional man" - 1964 in den USA und drei Jahre später in Deutschland erschienen - sktzzierte der von den deutschen Medien zum ,,Papst der Neuen Linken"el erkorene Marcuse die ,,Tendenzen in den höchstentwickelten gegenwåirtigen Er entwirft einen lückenlosen Zusarnmenhang von Manipulation und Konformismus, der das in sich widerspruchsvolle kapitalistische Gesellschaftssystem Gesellschaften"e2: stabilisiert. Die Lrationalität der gesellschaftlichen Produktion äussert sich nach Marcuse darin, dass sie einerseits grossen materiellen Reichtum gesellschaftlicher - eine notwendige Bedingung radikaler Vertinderung anhäuft, andererseits aber immer efrñzientere Kontrollmechanismen über potentiell gesellschaftsveråindernde Kräfte entwickelt, die dadurch gelähmt werden. Das Paradox der Lage besteht also darin, dass die objektiven Bedingungen für eine wirklich freie Gesellschaft bereitstehen, die Menschen jedoch weder die Hoffoung noch den Willen haben, jene Gesellschaft herbeizuführen, weil ihr Bewusstsein ,,eindimensional" geworden ist. Der reinen Fomt der Herrschaft des bestehenden Systems, den totalitären Tendenzen der eindimensionalen Gesellschaft, kann nach Marcuse nur mit einer ,,absoluten V/eigerung" begegnet werden, da,,die fiaditionellen Mittel und Wege des Protestes unwirlsam [geworden sind]"e3. Diese V/eigerung wiederum charakterisiert er als ,,eine elementare Kraft, die die Regeln des Spiels verletzt und es damit als ein aufgetakeltes Spiel enthüIlt."% Monate, 318. *"e Behrmorn,Zwei U* I gfis,Ausstellungskatalog, nr I5. ,,Fraokfurter Rr¡ndschau', 17.7.67. ,,DIE ZEIT* sprach fast zeitgleich vom,,Star und geistigen Vater aller Jugendrevolten in der westlichen Welt" (21.7.67),,,Der Spiegel" vom ,,Studenten-Propheten" (12.6.67). '2 Mor*se,Eindimensionaler Mensch, 20. nt Ebd., 266,267. eo Ebd,26l. 23 LzpNnersARBErr AttRLvse o¡nG¡welr Nachdem Marcuse im ,,One-dimensional man" die Manipulation der Menschen durch die Einimpfung repressiver Bedürfnisse als Kontrollmechanismus des Systems aufs schärßte kritisiert hat, wies er in seinem 1965 erschienenen Band ,,Kritik der reinen Vernunft" auf einen weiteren Kontrollmechanismus hin: Die repressive Toleranz. Diese ist nach Marcuse das Produkt eines nicht aufgelösten Widerspruchs zwischen der sukzessiven Verwaltung des ökonomischen und politischen Prozesses im Einklang mit den herrschenden lnteressen und der ursprtÍrglich liberalen Theorie der Toleranz: ,,Auf den festen Grundlagen einer gleichgeschalteten Gesellschaft, die sich gegen qualitative Änderungen nahezu abgeriegelt hat, dient selbst die Toleranz eher dazu, eine solche Änderung zu unterbinden, als dazu, sie beflordern"es. Da nach Marcuse die Wiederherstellung des Gleichgewichtes zwischen nt der Toleranz gegenüber der Rechten und derjenigen gegenüber der Linken für die Erneuerung der befreienden Funktion der Toleranz einer ,,unrealistischen Spekulation" gleichkommt, fordert er ein,,Naturrecht auf Widerstand" fürunterdrtickte undtiberwZiltigte Minderheiten: ,,[...] Ich glaube, dass es für unterdrückte und überwältigte Minderheiten ein,,Naturrecht" auf Widerstand gibt, aussergesetzliche Mittel anzuwenden, sobald die gesetzlichen sich als unzultinglich herausgestellt haben. Gesetz und Ordnung sind überall r¡nd immer Gesetz und Ordnung derjenige4 welche die etablierte Hiera¡chie schützen; es ist unsinnig, an die absolute Autorität dieses Gesetzes und dieser Ordnung denen gegenüber zu appellieren, die unter ihr leiden und gegen sie kåimpfen. [...] Wenn sie [die unterdrückte und überwältigfe Minderheit, S.B.] Gewalt anwenden, beginnen sie keine neue Kette von Gewalttaten, sondem zerbrechen die etablierte. Da man sie schlagen wi¡d, kennen sie das Risiko, und wenn sie gewillt sind, es auf sich zu nehmen, hat kein Dritter [...] das Rechg ihnen Enthaltung an predigen'.% Mit diesem Programm verfocht Marcuse ein bereits in Marx' 18. Brumaire und Lenins Was tun? angesprochenes Recht auf revolutiontire Gewalt, die im Duktus des demokratischen Rechtsstaates illegale Formen annahm, mit ihrer Einbettung in das naturrechtlich begrtindete Widerstandsrecht nach Marcuse allerdings ,,über" der Legalität des repressiven, autoritåiren Rechtsstaates 1ag.n7 Das Gewaltmonopol des Staates und das positive Recht, ja die Pflicht des Staates, diese Gewalt zu seiner Verteidigung auszuüben, wurde damit unterlaufen. Diese Strategie der Gewaltlegitimierung führte im Laufe des Jahres 1967 Sommennonaten Juni und Juli - hauptsächlich in den - in der Bundesrepublik Deutschland nt eigenen und eigenwilligen Auslegungen innerhalb der studentischen Kreise. Diese lnterpretationen trugen es % e7 Mor*re,Repressive gbd., tzg. T oleranz, 127 . Anlässlich der VorFagsreihe ,pas Ende der Utopie" an der Freien Universtität Berlin äussefie sich Marcuse am 13.7.67 im Gespräch mit den Studenten folgendermassen zum Widerstandsrecht: ,,Es besteht wirklich eine enge Verbindung zwischen dem Widerstandsrecht und dem Naturrecht. Nun, Sie wollen sagen, dass es ein solches allgemein höheres Recht eben nicht gibt. Ich glaube, das gibt es [...]: das, was uns zum Widerstand gegen das System berechtigt, ist mehr als das relative Interesse einer spezifischen Gruppe, ist mehr als etwas, das wir selbst definiert haber¡ so können wir das demonstrieren." Zit. nach'. Kraushaar (Hg.), Frankfurter Schule, Bd. 2, 278. 24 AN.qrvse o¡R GsweLr LzgNrlRTSARBEIT nicht in geringem Masse zur Versttirkung der Konfrontationen anlässlich des Mordanschlages auf Rudi Dutschke vom 19.4.68 und der sogenannten ,,Schlacht am Tegeler Weg" vom 11.11.68 bei, als sich erstmals eine bis dahin unbekannte Militanz der Demonstranten gegen Polizisten offenbarte.e8 2.3.1.3 Das Problem der Gewalt in der Opposition Auch wenn man in den 60er Jahren nicht Marcuse zu lesen brauchte, um zu entdecken, dass es revolutionäre Gewalt und die Legitimierung der revolutiontiren Gewalt gab, folgte die Studentenbewegung nicht nur in der Bundesrepublik, sondern auch in den USA immer wieder den gedanklichen Vorgaben Marcuses. So meinte Bernd Rabehl, einsünalig führendes Mitglied des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS), in seinem Artkel ,,Zur archaischen lnszenierung linksradikaler Politik": ,,Die Gewaltfrage wurde entschlüsselt uber die Sch¡iften von Herbert Marcuse. Er wurde der wirkliche Ideengeber und Philosoph der Revoltg."e Wie Oskar Negt allerdings betont ha! war zu Beginn der studentischen Aktivitaten gegen das ,,Establishment" und seine ,,autoriåiren Strukturen' Ausserparlamentarischen Opposition noch Mitte der 60er Jahre weder in der im SDS die Gewaltfrage ein theoretischer und praktischer Gegenstand der Diskussion.rm Es galt vielmehr ein Primat der Aktion und der Befreiung von Traditionen und Theorien, von geschlossenen ldeologien, Utopien und Vorbildern, denn - wie Rabehl es formulierte -,,Begriffe, Logik, Darstellung, Sprache waren beladen mit vergangener Macht und Herrschaft und hatten dazu gedient, diese zu legitimieren oder die Orientierung auf individuelle Freiheit und Emanzipation zu verdråingen oder logisch zu überschreiten"rol. Wie Oskar Negt retrospektiv richtig vennutete, rückten erst die ersten Demonstrationserfahrungen und Auseinandersetzungen mit den Ordnungskräften das Thema Gewalt und seine theoretische Fundierung ,,Dynamisierung" der Thematik. n8 e in den Vordergrund und führten zu einer 102 Lin dn" r, Jugendprotes! 222. b"hl, Inszenierung, 46. Negt,Achtundsechzi g, 61, 62. to' Rob"hl, Inszenierwrg, 39. N"gt, Achtundsechz ig, 61, 62; Lindner, Jugendprotest, I 88. 'o' Ro too 25 ANer.vsn osRGpwRlr LzBNURTSARBEIT 2.3.1.4 Der 2. Juni 1967 als,,kritisches Ereignis" In Deutschland spielten bei der Dynamisierung der Gewaltthematik die Ereignisse vom 2. Juni 1967 ene Schlüsselrolle.to' An diesem zum ,,kritischen Ereignis"tß stilisierten Tag erschoss Kriminalobermeister Karl-Heintz Kurras anlässlich einer Polizeiräumung vor der Deutschen Oper in Berlin den Studenten Benno Ohnesorg, der an einer Demonstration gegen den Empfang des persischen Schahs teitnahm.tot Unter dem Titel: ,,Der Schuss, der die Studenten in Bewegung setzte" vermerkte ,,Spätestens DIE ZEIT in einer von diesem Tag at stellte sich füLr Rückblende nach dreissig Jahren: die ausserparlamentarische Opposition die Gewaltfrage".16 In der Folge möchte ich kurz auf diese in den Sommermonaten Juni und Juli 1967 eingehen. Otthein hielt in diesem Zusammenhang fest: ,,Nach diesem Termin lder 2. Jwi 1967, Gewaltlegitimierung Rammstedt Diskussionen und Strategien rund um die Anm. S.B.] hatte sich die legale Macht um Anerkennung in der Öffentlichkeit zu bemtihen, ob sie es wahrhaben wollte oder nicht. Und sie geriet dabei scheinbar in Konkunetlzmit anderen Kräften, so mit der Ausserparlamentarischen Opposition, der APO, die rigide normativ sinnstiftend auftrat."r07 Der 2. Juni markiert allerdings nicht den eigentlichen Beginn der Auseinandersetzungen um die legitimen Formen der Konfliktaustragung. Bereits im Vorfeld erwiesen sich einzelne Aktionen als wegweisende Vorsfufenros: Direkfe Aktionen wurden von Seiten der Protestgruppen als Provokationen initiiert, definiert als Grenzverletzung oder Enttabuisierung, welche die Irationalität und Repression der herrschenden Verhältrisse entlarven sollte. Die vorerst gewaltlosen Aktionen waren in den Augen der Oppositionsgruppen gerechtfertigt, weil sie der Aufdeckung der allen Lebensbedingungen im ,,Establishment" immanenten latenten Gewalt dienten, die durch Reaktionen der Polizei und des Staatsapparates in eine manifeste Form überführt werden sollte. Die Anlehnung an die ,,grosse Weigerung" und die ,,Regelverletztng" als Instrument der Entlarvung des repressiven, totalitären und gewalttatigen Systems bei Marcuse ist hierbei to3 unverkennbar.l@ Die Siehe daøt G i I c h e r- H o lth ey, Phantasie an die Macht, 232. Das ,Jcritische Ereignis" überfrihrt nach Ingrid Gilcher-Holthey ,,eine latente Handlungsdisposition in manifestes Protesthandeln, indem es den Alltag und die normale Ordnwrg der Dinge durchbricht, die Wahrnehmung synchronisiert, die Zeit zur öffentlichen Zeit machl identisch für alle, gemessen an denselben Bezugspunkten. Es schaft eine neue Situation, aus der heraus neue soziale und politische Koalitionen, Optionen nnd Verhaltensdispositionen entstehen." Gilcher-Holthey,Nacht der Barrikaden, 386. lø tos Lirdn"r,Jugendprotest, tou,,DIE ro7 tor ton zBrr*, 30.5.97 19 l. . Ramm sledt, Gewaltverståindnis, 48. Jugendprotest, 192. Lindn "r, Vgl. dazu Abschnitt2.3.I.2. 26 ANer.vsB opR GeweLr LzSNnRTSARBEIT Handlungslegitimierung von staatlicher Seite verlief entlang derselben Argumentationslinie, allerdings unter umgekehrten Vorzeichen: Wåihrend die Protestgruppen sämtliche Lebensbedingungen im,,Establishment" als Gewalt einstuften, umfasste der Gewaltbegriffder Polizei nahezt alles, was Zweifel an den bestehenden Verhaltnissen ausdrückte; das Sprengen einer Vorlesung, das Blockieren des Verkehrs, gemeinsames Rufen und Singen, Kampþarolen, miteinander untergehakte Menschenketten galten als Inbegriff chaotischen, kollektiven, aus dem Ruder gelaufenen revolutionären Tumults, der das Eingreifen der Polizei zttt Wiederherstellung oder Aufrechterhaltung der Ordnung und der demokratischen Spielregetn legitimierte. Die ganze Sphäre des zivilen Ungehorsams konnte damit moralisch diffamiert, die Träger des Ungehorsams geächtet und d¿imonisiert werden. Nach dem2. J:ulrrí 7967 allerdings wurde die explizite Beschäftigung mit der Gewaltthematik akut: Das Vorgehen der Polizei wurde von Oskar Negt als ,,staatlich organisierten Mordanschlî8""', von Ausserparlamentarischen Oppositionskreisen als ersten definitiven Schritt zum faschistischen Polizeistaat etikeffiert. Ftir den Bundesvorstand des SDS wiesen die Ereignisse vom 2. Jtxti präfaschistische Ztige auf ,,Das postfaschistische System in der BRD ist zu einem präfaschistischen geworden."lrr Selbst für namhafte Vertreter aus der V/issenschaft und für Literatur- und Medienschaffende zogmit dem2. Juni die ,,Gefahr einer stillschweigend hingenoÍlmenen Umwandlung unseres demokratischen Rechtsstaates in einen Polizeistaaf' herauf.rl2 In der DIE ZEIT vom 9. Juni 1967 forderten deshalb Theodor \V. Adorno, Rudolf Augstein, Marion Gräfin Dönhoff, Gtinter Grass, Martin Walser, Golo Mann und andere mehr in einer öffentlichen Erkltirung: ,,Die Bürger der Bundesrepublik haben in einer Lage, in der sie sich auf gefestigte rechtsstaatliche Traditionen nicht verlassen können, Anspruch darauf, durch schleunige rurd minuziöse Untersuchungen dartiber Gewissheit zu erlangen, ob ihre Polizei Terror tibt - oder ob dieser Verdacht zu Unrecht besteht."ll3 Die Termini Faschismus und Terror wurden jedoch nicht nur mit dem Verhalten Ordnungskrafte in Verbindung gebracht - der auch im Hinblick auf die Provokationstaktik der Studenten kursierte der Faschismus-Vorwurf; prominentester Vertreter war Järgen Habennas, der anlässlich des im Zusammenhang mit der Beerdigung von Benno Ohnesorg in Hannover t'o r11 Negt, Politik rurd Gewalt, 356. Zit. nach'. ,,DIE ZEIT*,30.5.97 ttt,,DIE zErr*, 9.6.67 . lt'Ebd. 27 ANnrvsr o¡R GBwnrr LzeNnarsARBEIT veranstalteten Kongresses ,,Bedingungen und Organisation des Widerstandes" vom 9. Juni 1967 die Taktik der Provokation verwarf und zu einer öffentlichen Diskussion kaum mehr vollzogenen - - zu diesem Zeitpunkt in der Differenzierung zwischen verletzender und demonstrativer Gewalt aufrief ,,Ich rnache mir keine Illusionen über eine von Gewalt freie Welt - diese Welt ist von Gewalt besessen. Aber die Befriedigung, die man daran haben könnte, die sublime Gewalt der Institutionen durch Herausforderung in manifeste Gewalt umzuwandeln, ist masochistisch, keine Befriedigung also, sondern Unterwerfung unter eben diese Gewalt. Die demonstrative Gewalt, welche die politische Aufl<lärung in unserer Situation, also in einer nicht-revolutionären Lage, allein in Anspruch nehmen darf, ist definiert durch das Ziel der Aufl<lärung. Durch Demonstrationen erzwingen wir Aufrnerksamkeit für unsere Argumente, weil wir sie für die besseren halten. Wir erzwingen Diskussion dort, wo sie uns durch informellen Zwang verwehf wird. Eine Gewalt hingegen, die verwundet, kann diesem Zíelnchtdienen. [...] Wenn ich Provokation in diesem Sinne verstehen darf, dann heisst systematisch betriebene Provokation Implikationen."lla von Studenten ein Spiel mit dem Terror, mit faschistischen hn weiteren monierte Habermas: Sozialismus ,,[Hier wird] eine volurta¡istische Ideologie entwickelt [...], die man im Jahre 1848 utopischer 15 gèna""t hat und die man unter heutigen Umst¿inden [...] linken Faschismus nennen muss."l Was Habermas als verbotene Zone der Protestbewegung beschrieb, war jedoch gerade der Erfahrungskern der Revolte. Der gewaltsame Tod von Ohnesorg bewirkte nachhaltiges Aufsehen, Nachdenken und Innehalten. Ein füedvolles Abdanken eines ,,faschistoiden Gewaltsystems" mittels symbolischer, gewaltloser Regelverletzungen wurde nach dem 2. Juni 1967 n studentischen Kreise immer öfter in Frage gestellt. Wer nicht ohnmächtig gegen das System protestieren wollte, musste die Gewaltfrage stellen; und wer die Gewaltfrage stellte, musste das Recht seines Protestes nachweisen. Nach dem Vorfall im Juni 1967 spielte in dieser Hinsicht das von Herbert Marcuse bereits in der ,,Kritik der reinen Toleranz" 1965 postulierte Naturrecht auf gewaltsarnen Widerstand eine bedeutsame Rolle. In der an der Freien Universität Berlin durchgeführten Vortragsreihe über ,,Das Ende der Utopie" im Juli 1967 sprach der eigens ftir diese Veranstaltung aus den USA eingeflogene Marcuse zum Thema,,Das Problem der Gewalt in der Opposition". In seinem Referat forderte er vor der Kulisse Tausender von Studenten im Audimax: ,pie Erweckwrg des Bewusstseins der grauenhaften Politik eines Systems, dessen Macht und dessen Druck mit der Drohrurg totaler Vernichtung wachsen, das die ihm zw Verfrigung stehenden Produktivk¡äfte zur Reproduktion der Ausbeutung und der Unterdrückung verwendet und das zum Schutz seines Überflusses die sogenannte freie Welt mit Militär - und Polizeidiktaturen ausstattet. [...] Die Befreiung des Bewusstseins, von der ich gesprochen habe, meint nun mehr als Diskussion. Sie meint in der Tat und muss in der erreichten Situation meinen: Demonstration. Das heisst im wortwörtlichen Sinne: zeigen, dass hier der ganzn Mensch no rls Hob"rmqs,Ptede,249. Zit. nach ,ÐlE ZEIT* , 30.5 .97 28 Ar.lelvsp onn GBweLr LzpNnersARBEIT mitgeht und seinen Willen zurn Leben anrneldet. Seinen Willen zum Leben, das heisst seinen Willen zum Leben in Frieden. Und wenn es für uns schädlich ist, Illusionen zu haben, so ist es ebenso schädlich und vielleicht schädlicher, Defaitismus und Quietismus zu predigen, die nur dem System in die Hände spielen können'.r16 Was Marcuse in seinem Vortrag allerdings nicht explizit ansprach, war die Leninsche Frage nach dem Was tun?, die Frage, was nach der Analyse kommt. Hans-Jürgen Krahl vom SDS konfrontierte Marcuse nach dessen Vortrag deshalb mit der Frage, wie es denn möglich sei, eine materiell-manifeste Gewaltlosigkeit darzustelleq die den Anspruch auf eine revolutionåire Gegengewalt vertrete. Marcuse antwortete ihm darauf mit dem in der Folgezeit zl Missverständnissen führenden Verweis auf das ,,höhere" Recht auf gewaltsamen Widerstand: ,,Ich habe keineswegs Humanitat und Gewaltlosigkeit gleichgesetzt. Im Gegenteil, ich habe von Situationen in denen es genau im Interesse der Humanität liegl, zw Gewalt überzugehen. [...] Wenn wir uns gesprochen, berufen auf das Recht der Humanität, die Ausbeutung und Unterdrückung abzuschaflen, dann sind das nicht selbstdefinierte spezielle GruppeninteresserL sondern in der Tat Interessen, die als allgemeines Recht demonstrierbar sind. Deswegen können wir auch heute noch das Widerstandsrecht als ein mehr als relatives Recht in Anspruch nehmen rurd sollten es in Anspruch nehmen."ll? Indem Marcuse dieses Recht auf Gewaltanwendung nicht an klar nachvollziehbare Kriterien ban{ öftete er den Raum für tnterpretationen. Dass Marcuse mit dem Naturrecht auf Widerstand nicht terroristische Anschläge durch Studenten legitimieren wollte, sondem er in einem Interview 1978 bemerkteils - - wie den Kampf nationaler und rassischer Minderheiten um die Gleichberechtigung im amerikanischen Gesellschaftssystem vor Augen hatte, konnte die im Audimor versammelte Studentenschaft kaum durchschaut haben, versfückfe Ma¡cuse sich doch in seinen letztenAussagen in nicht revidierbare \Midersprüche: ,,Im allgemeinen können wir in der Tat sagen: wir sind diejenigen, die die Demokratie verteidigen. Das ändert nichts an der Tatsache, dass wir im selben Atemzug zusetzenmüssen, dass wir uns dessen voll bewusst sind, dass haben, dieses positive Recht zu wir positives Recht verletzen und dass wir glauben, die Berechtigrng ^ verletzen."rr9 Wie Werner Lindner betonte, wurde hier ein Grundsatzproblem - die Verwechslung von Synrbolik und Realität, von Analyse und Handlungsanwei$rng inmitten der sich überschlagenden Ereignisse geschaffen, das vielen APO-Mitgliedem und später nicht niletzt den Begrändem der RAF zum Verhtingnis wurde.r20 Marcuse hatte rwar mit Verheissungen 116 117 Marcuse,Problem der Gewalt, 275. MarcuselGqnzlKrahllNeveftnann, Diskussionsbeiträge zum Vortrag Herbert Marcuses, 275. ttt,,St".r,", rle L9.7.7 8. MarcuselGanz/KrahllNeverrncrnn, Diskussionsbeiträge zum Vortrag Herbert Marcuses, 278. "o Lindner, Jugendprotest, 182. Auf dieses Grundsatzproblem weist auch Wolfgang Kraushaar in seiner Analyse des Organisationsreferates Rudi Dutschkes rmd Hans-Jürgen Krahls anlässlich der 22. Delegiertenkonferenz des SDS in Frankfurt (4.-8.9.67) hin. Im Hinblick auf die im Organisationsreferat von Dutschke und K¡ahl 29 ANer-vsB LzENnRTSARBEIT r¡R Gpwelr einer nicht mehr utopischen, sondern objektiv möglichen schönen neuen Welt nicht gegeizt, wagte sich aber letzlich im Hinblick auf die Studentenproteste in Deutschland in den Grundzügen nicht über den vorsichtigen Vorschlag der demonstrativen Gewalt bei Habermas hinaus. Dass seine Inkonsistenzeîzn Verwimrngen und Missverståindnissen geführt haben, bestätigte Marcuse später anlässlich seines 80. Geburtstages: ,,Ich habe niemals Terror, weder individuellen noch Gruppenterror gepredigt t. I Natürlich gibt es zwischen Gewalt und Terror einen Riesenunterschied. Terror richtet sich gegen Personen, revolutionäre Gewalt gegen Zustände. [...] Einen Satz müsste ich wohl in jedem Fall näher erläutern, den über das Naturrecht auf Widerstand. Da würde ich genauer unterscheiden zwischen Terror und Gewalt."l2l Nach dieser Einflihrung zu den Schwierigkeiten einer Analyse des Themenkomplexes Gewalt und zur Relevanz der Frage der Gewalt in der Opposition in Deutschland Ende der 60er Jahre ich auf den folgenden Seiten für das Objekt meiner Untersuchung den Gewaltdiskurs zwischen 1967 und 1969 in Zirich - den theoretischen und methodischen möchte Rahmen erörtern. Im folgenden Kapitel zum theoretischen Überbau meiner Arbeit formuliere ich nach einer knapp Diskursanalyse gehaltenen Einführung zttm Korr;ept des ,,Diskurses" in der Geschichtswissenschaft und der eine spezifische Diskursdefmition für meine Arbeit. Auf der Basis dieses Diskursverständnisses werde ich im nächsten Kapitel schliesslich eine spezifische methodische Analyseanleitung für die Untersuchung des Gewaltdiskurses entwerfen. begrändete Idee der Stadtguerilla bemerkte Kraushaar, dass ein bestimmter Ztg der,JGitischen Theorie" zwa¡ bei der intellektuellen Geburt der Stadtguerilla Pate gestanden, die Legitimation für den Aufbau bewaffireter Kader jedoch bei keinem der Frankfi¡rter Schule zugerechneten Theoretiker aufzufinden sei. Kraushaar, Autoritärer Staat, 31. 12r ,,Stern", 19.7.78. 30 TueoRpnscnen ResvEN LzsNrrersARBEIT 3 Theoretischer Rahmen Der theoretische Rahmen dieser Arbeit bildet eine auf Foucault beruhende Diskurstheorie oder Diskursanalyse. Die Hinwendung zum,,Diskurs" und dem Konzept der Diskursanalyse mit seinen theoretischen und wissenssoziologischen Implikationen kann als Resultat der ,,sprachlichen Wende" oder - modisch ausgedrtickt - des ,,linguistic ttln"r22 in der Geschichtswissenschaft interpertiert werden.l23 Was aber ist unter dem Etikett ,,linguistic firrf' zû verstehen? 3.1 Bedeutung als Text: Postmoderner Perspektivenwechsel und ,,linguistic turn" Der ,,linguistic turn" in der Geschichtswissenschaft l¿isst sich nicht genauer erfassen, ohne vorab den vom Denkgebäudel2a Poshoderne beziehungsweise Poststrukturalismus eingeleiteten Paradigmenwechsel nt skinzieren, der dem Etikett zu seiner Prominenz verhalf Nach Ute Daniel låisst sich der postmodenre Einstellungswandel vereinfacht betrachtet auf einen Punkt reduzieren: den Verlust der ,,Korrespondenztheorie der Wahrhe¡¡'e .r25 Diese Epistemologie ging von drei Grundannatrmen aus: Erstens vom erkennenden Subjekt als Betrachter, zweitens von einer Vorstellung des Betrachteten als Welt,,da draussen", die durch Vorstellungen und Wahrnehmungen repräsentiert werde, Sprachkonzept, das die Bedeutung eines Wortes Diese Grundannahmen wurden Sozialwissenschaft jedoch in in und drittens von einem mit dem gleichsetzte, auf was es verwies. den leØten rund 150 Jahren von Philosophie und Frage gestellt: Die Mamsche Ideologiekritik, die Freudsche Psychoanalyse und die Sozialwissenschaften haben das Subjekt in gesellschaftliche und psychische Kontexte gestellt, die nicht mehr bloss passives Objekt der Erkenntnis sind, Der B"g.ttr, allgemein auf die Wendung der angloamerikanischen Philosophie seit den 1960er Jahren zw Sprache bezogen" taucht das erste Mal an prominenter Stelle im Titel des von Richard Rorty herausgegebenen Sammelþ¿¡des aus dem Jahr 1967 auf. Rorly, Linguistic Turn. r23 Schöttler, Paradigma, 159; Sarasin, Subjekte, 132. Die,,sprachliche Wende" in der Geschichtswissenschaft begann sich seit den 50er Jah¡en abzuzeichnen rmd setzte - grob gesprochen - zuerst in Frankreich, in den siebziger Jah¡en in den USA und England und in den achtziger Jah¡en in Deutschland en. Schöttler, Angst vor dem,,linguistic turn", 134. t24 Nach Ute Daniel besteht die a¡chitektonische Eigenttimlichkeit der Denkgebäude Postmoderne beziehungsweise Poststrukturalismus darin, ,,alles sein zu wollen, nr¡¡ kein Gebäude". Daniel, Kulturschock, 261. Fär die Betrachtung der allgemeinen HintergrtiLnde des Postmodernismus siehe anch Megill, Prophets of 122 extremety. r2s Daniel,Kulturschock, 26 1. 31 THBoRsrlscn¡R Regir¿pN LrzeNr¡.TSARBEIT sondern selbst wirkungsmächtig. Die Welt ,,da draussen" wurde von Nietzsche bis Heidegger immer radikaler in wissenschaftliche und alltagliche Wahmehmungskategorien aufgelöst und verlor damit ihren autonomen Status.l26 Durch die Arbeiten von Ferdinand de Saussure und Ludwig Wittgenstein fiel auch die Sprache als das Medium aus, das die Korrespondenz zwischen den ,,Tatsachen" und ihrem ,,Erkennen" garantiert hatte.r27 Die Sprache ist nach dem Verlust des Subjektes und der V/elt damit der einzige Ntihrboden von Bedeutung und für Bedeutung. \Mie Peter Schötter festhielt, hatte der Linguist Algirdas Greimas bereits 1958 betont, dass Sprache nicht nur ein Repertoire von Wörtern ist, von denen nur einzelne als Zeugnisse einer Geschichte gelten können, sondern vielmehr als symbolisches System gelten muss - ein Ort, an dem sich Geschichte abspielt. Nach Greimas war die Sprache diejenige Ebene, auf der die sozialen Rollen verteilt werden und die sozialen Rahmenbedingungen füLr Gefühlsmodelle, Moralitätsnotmen und Handlungsmuster entstehen.l2s Sprache war damit nicht transparent und beliebig, war mehr als ein passives Medium für den Transport von Bedeutungen und Sinn: Die sprachliche Darstellung war aktiv an der Modellierung der sozialen Realität beteiligt.l2e Insbesondere in den poststrukturalistischen Sprachkonzeptionen von Autoren wie Michel Foucault, Jacques Derrida, Roland Barthes, Jean-Francois Lyotard und Julia Kristeva wurde die konstitutive Rolle der Sprache und ihrer Organisation (Foucault) - - ihre ,,diskursive bei der Produktion und dem Erleben von Wirklichkeit Struktur" unterstrichenr3O: Sie konzipierten die Sprache gewissennassen als GefÌiss, in dem bereits vorhandene strukturierte Wissenskomplexe einer Gesellschaft realisiert und aktualisiert werden. Nach dem Verlust von Subjekt und Welt wurde die sprachliche Materialität somit als prägender Faktor bei der Präparation und V/ahmehmung der sozialen Wirklichkeit des Bewusstseins, Denkens und Handelns der Vielen interpretiert. tzu Bbd.,262. .Wort eine De. Linguist De Saussure bestritt, dass Sprache eine Summe ihres Vokabulars sei, in dem jedes .Worte festgesetzte Bedeutung hat. Er betrachtete als Zeichen, die er in gesprochene und geschriebene Sigrrifiants (Sigrifikanten), die aus willküLrlich gewählten Laut- oder Schriftzeichen bestehen, und in Sigdfiés (Signifikaten; die von den Signifikanten bezeichneten Gegenst2inde) einteilte. De Saussure, Cows de linguistique. Ztx ,,linguistischen Vy'ende" in der Philosophie siehe auch Rorty, Linguistic tum. t27 128 r2e r30 Schötiler, Paradigma 163. Hanisch, Linguistische W ende, 224. Zusammenfassend dazu Zo renz,Konstvktion, 162. Vgl. auch Ruslerholz, Semiotik, 2330. 32 Tu¡onnrlscueR ResIvtpN LzeNnarsARBEIT Auf einen Teil der Geschichtsschreibung der letzten zwanzig bis dreissig Jahre haben diese Auffassungen von Sprache und Textualitat einen entscheidenden Einfluss ausgeübt. Das gewandelte Verhältnis zur Sprache unter Historikern hafte ntr Folge, dass die bis dahin nie angezweifelte Dominanz hermeneutischer Verfahrensweisen zur Disposition stand. Der Sinn in den Reden und Texten von Sprechern wurde nicht mehr auf die lntentionalität eines schöpferischen, zweckrational handelnden Autor-Subjektes als ein Letzes bezogen, sondern als Produkt von zirkulierenden Signif,ftanten und diskursiven Mustern begriffen, die ihrerseits allerdings st?indig vom individuellen Reden der Subjekte ,,unterbrochen" werden.I3l Der neue, mit der Dezentrierung des historischen Subjekts verbundene Bedeutungsgenese bewirkte Blickwinkel auf die Sinn- und die Ablösung der verstehenden Interpretation durch neue Methoden einer sogenannten ,,poststruktualen Sozialgeschichte"l32: Mit diversen Spielarten einer historischen Semantikl33 sowie Formen benachbarter linguistischer und ethnologischer Konzepte versuchte man den Raum der ldeen, den Raum des Wissens, den die Akteure bei ihren Deufungen imms¡ schon vorfinden, auszuleuchten und in seiner Transformation nt verstehen.l3a Die im der historischen Semantik an prominenter Stelle rangierende ist in letzter Zeit von verschiedener Seite unter Beschuss geraten: Rahmen Dislarrsanalysel35 Problematisch erscheint einigen Autoren vor allem der Synkretismus und Eklekfizismus ihrer Methoden, die die erhöhten sozial- und kulturgeschichtlichen Erwartungen, die poststrukturale Sozialgeschichte gesetzt werden, zu gefÌihrden drohen. in die 136 Sarasin, Subjekte, I42. Ygl. auch ders., Ver-Sprecher,3I-41: Schöttler, Mentalitäten, 103. "' Si"d"r,Sozialgeschichte auf dem Weg,452. t" Rolf Reicha¡dt führt im Hinblick auf die historische Semantik und der ihr angelagefen Methodik drei tonangebende,,schulen" an: Die deutsche Begriffsgeschichte, die anglo-amerikanische ,,Conceptual History" und die franz6sische ,,analyse du discou¡s". Reichardt, Historische Semantik, 7-28. Zw französischen ,,analyse du discours" siehe auch Maingueneau, Französische Schule, 187 -195. lta Si"der, Sozialgeschichte auf dem Weg,452. Philipp Sarasin spricht in seinem Aufsatz ,,Subjekte, Diskurse, Körper" auch von den Methoden der,diskursanal¡ischen Kulturgeschichte". Sarasin, Subjekte, 131. 135 Im Hinblick auf den BegriffDiskursanaþse kann man drei Blickrichtungen rurterscheiden: 1) eine linguistisch begrtiLndete Psychoanaþse Jacques Lacans und Julia Kristevas, 2) eine sprachtheoretisch begrändete Diskursanaþse Jean-Francois Derridas, des späten Roland Barthes und des amerikanischen Dekonstruktionismus und 3) eine historische Diskursanalyse Foucaults als Untersuchung der geschichtlichen Aufeinanderfolge verschiedener Struktu¡en der Wissenskonstitution. Rusterholz, Semiotik, 2332. 136 So bemerkte Philipp Sa¡asin mit Blick auf die letzten Vertreter der GrüLndergeneration der Diskursanalyse in Frankreich, Regine Robin und Jacques Guilhaumou, im Jahr 1996: ,,Sie scheinen zu schwanken, ob sie den Synkretismus der gegenwärtigen diskursanal¡ischen Methoden produkiv finden oder als Banalisierung ablehnen sollen." Sarasin, Subjekte, 141. 131 JJ Tgpon¡rIscH¡R R¡stvtPN LzpNnersARBEIT 3,2 Der Diskurs und se¡ne Definition Wie Emst Hanisch bemerkte, heisst das Fahnenwort der ,,sprachlichen Wende" Diskurs.r3? Auch Peter Schöttler monierte, dass das Wort ,,Diskurs" in den letzten Jahren derart modisch geworden sei, dass man ¿tm liebsten vermeiden möchte, es weiterhin zu propagieren oder zum Gegenstand theoretisch-methodischer Überlegungeî zt machen.'s Ute Daniel spricht gar von einem endemisch gewordenen Diskursbegriff, der nur noch Mode und nicht mehr Methode sei.t3n Die von Dominique Maingueneau l99l erstellte Diskursarten-Typologie vermag diese Kritik zu materialisieren: ln seiner Studie ,,L'analyse du discours" identifizierte er sieben verschiedene Arten des Diskursverständnisses und der ihnen angelagerten Diskurskonzepte, die sich in den letztenzwanzigJahren in der Linguistik herausgebildet haben.rao Die steile Karriere des Diskursbegriffes und diskursanalytischer Ansätze zrt kulturwissenschaftlichen Themen ist eng mit der Person und dem Werk Michel Foucualtsl4l verbunden, wobei die zentrale Referenz ,,,Archeologie für den Diskursbegriff die 1969 erschienene du savoir" darstellt.la2 In der ,,Archäologie des Wissens" (im Folgenden ,¡Archäologie") untenrirnmt Foucault verschiedene Ann?iherungsversuche an den Begritr ,,Diskurs". Diese wiederholten Anläufe können als Bestandteile Argumentationsprozesses befrachtet werden, in welchem der Diskursbegriff terminologischen Flottierenla3 - - eines nach einigem doch noch definiert wird. Die abschliessende Definifisn 6s5 Diskurses in der,/,rchäologie" lautet: ,,Diskurs wird man eine Menge von Aussagen nerìnen, insoweit sie zu¡ selben diskursiven Formation gehören. Er bildet keine rhetorische oder fomrale, unbesch¡tinkt wiederholba¡e Einheit, deren Auftauchen oder Verwendung in der Geschichte man signalisieren (gegebenenfalls erklåiren) könnte. Er wird durch eine begrenzte Menge von Aussagen konstituiert, für die man eine Menge von Existenzbedingungen definieren kann."la 137 r38 Hanisch, Linguistische lily'ende, 225. Sch öuler,Paradigma, 102. r3e Daniel,Kultu¡schock, 266. 'oo Maingueneau, L'analyse du discotrs, 10. Dieses Buch entstand aus einer Überarbeitung des erschienenen gleichnamigen Werkes. tot Vgl. dazu Frank, Diskursbegriff 1991 bei Foucault, 25-44. Erkenntnistheoretisch ebenfalls wichtig ist die von Järgen Habermas geprägte Diskurs-Definition. Er versteht unter einem Diskurs das rationale, herrschaftsfreie Gespräch zwischen aufgeklärten und gleichberechtigten Subjekten, bei dem allein die besseren Argumente entscheiden und einen Konsens herbeiführen. Habermas geht es hierbei nicht um die Beschreibung empirischer Disku¡se, sondern um eine Ethik des Diskwses, die zugleich eine Ethik der Konsensbildung ist. Vgl. dazu HabermaslLuhmann, Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie, I 14 fi., 195 ff.; Habermas, Erläuterungen zur Diskursethik. 1a2 ra3 rM Dani el,Kulturschock, 265. Fortier, Stratégies textuelles, 205,206. Foucauh, Archäologie, 170. 34 TuponprncnpR RenuPN LzpNnersARBEIT Entscheidend ist der erste Satz. Das ist seine Definition, wie sie sich praktisch identisch auch in einem vorherigen Definitionsversuch in der ,,Archäologie" findet.las Die beiden folgenden Sätze sind bereits Erläuterungen in Forrn von negativen Abgrenzungen. Foucaults Definition soll den Ausgangspunkt fi.ir die Bestimmung des Diskursversttindnisses in dieser Arbeit bilden. In Anlehnung an das Diskursversttindnis der deutschen linguistischen Diskursgeschichte, im Rahmen dieser Ausführungen vertreten durch Dietrich Busse, Wolfgang Teubert, Fritz Hermanns und Matthias Jung, werden am Diskursbegriff von Foucault allerdings einige Modifikationen vorgenommen. Diese beziehen sich auf die folgenden Punkte: l) Die zentalen Begriffe innerhalb von Foucaults Definition sind die ,,,A.ussage" (enonce) und die,,Formation". Die beiden Begriffe stehen in wechselseitiger Beziehung zueinander. Ein Diskurs besteht nach Foucault aus einer Menge von Aussagen, die einer sogenannten ,,Formation" beziehungsweise einem bestimmten Formationssystem angehören. Die ,,Forrnation" bei Foucault ist im Sinne einer (diskursiven) Præ<is konzipiert - und der Diskurs demnach als Ort, an dem ein Ensemble von sprachlichen Tnichen gemåiss bestimmten ,,Regeln" - den sogenannten Formationsregeln - erst hervorgebracht wird (der Diskurs ,,formf' seine Objekte).'ou Was versteht Foucault nun aber unter einer Aussage? Foucault grenztsie vierfach ab: Sie entspricht weder der,,Proposition" der formalen Logik noch ist sie identisch mit dem gammatikalischen Satz, sie ist weder ein Sprechakt noch etnZeíchenim Sinne der Semiotik.l47 Eine Aussage ist bei Foucault damit keine Struktur, sondern eine Existenzfunktion Aussage - gemtiss der mathematischen Formel istl eine Funktion, die ein Gebiet von f (Diskurs) - : ,,[Eine Strukturen und möglichen Einheiten durchkreuzt und sie mit konkreten Inhalten in der Zeit und im Raum erscheinen l¿isst."rot ros Diskurs: ,,Eine Menge von Aussagen, die einem gleichen Formationssystem angehören." Foucault' Archäologie, 156. tou Ao diãr"r Stelle muss jedoch betont werden, dass Foucault die ,,Fonnation' in der ,,Archäologie" auch als Resultat eines prozesses versteht (der archäologischen Scbnitt identifiziert disku¡sive Fonnationen im Sinne von GruppierungeQ. Sein Formationsbegriff ist daher, weil er sowohl als Prozess als auch als Resultat eines p.oresses Uegriffen werden kann, doppeldeutig. Der Akzent in der ,,Archäologie" liegt allerdings bei der Fortier, Stratégies ,,Formation" it¡ Si"tr" des Prozesse oder besser: im Sinne der Praxis, und nicht des Resultates. textuelles, 194. 147 Foucauh, Archäologie, 17 7 -223. tot Ebd., 126. Foucault verstrickt sich im Hinblick auf die Definition der Aussage als Funktion allerdings in rù/idersprüche, wenn er davon spricht, dass die Aussage eine relative Identität besitze undje nach dem Gebrauch, den man von ihr macht, schillere (Ebd., 152). Es stellt sich hierbei die Frage, ob eine Funktion überhaupt eine Identität haben kann und ob sich mit dem Verb ,,schillern" nicht viel eher semantische als mathematische Vorgänge verbinden. Ob die Aussage mrn eine Funktion ist, die Zeichenfolgen existieren lässt oder selbst aus Zeichenfolgen besteht und damit auch mit semantischen Merkmalen ausgestattet ist, wird aus der erw¿ibnten Passage nicht ersichtlich. 35 TneonEuscnen Renv¡N LzgNneTSARBEIT Sie ist eine Funktion, die verschiedene sprachliche Einheiten emergieren lässt beziehungsweise in Beziehung zu einem Objektfeld setzt.tae 2) Foucaults Diskurs-Begriff in der ,,Archäologie" gehört weder zum Denken noch zur Sprache und besitz eine Autonomie, die ihn von seinem gesellschaftlichen Umfeld loslost. Diese Isolierung, aus der zahlreiche Paradoxien resultierten, hat Foucault in späteren Werken allerdings zugunsten einer Einbettung verworfen (Einführung des Macht-Aspektes). In t in einen sozialen Kontext wieder s0 Anlehnung an die Arbeit von Dietrich Busse und Wolfgang Teubertrsl sowie den Erweiterungsvorschlägen von Matthias J*gttt und Fritz Hermannsl53 werden im Hinblick auf die unter 1) und 2) festgehaltenen Spezifika des Foucault'schen Diskursbegriffes drei grundsätzliche Differenzen aufgezeig¡, die schliesslich zur Definition des Begriffs in dieser Arbeit führen. adl) Busse, Teubert und Jung verstehen den Diskurs selbst nicht als handelnde Ikaft (als agens sui generis), sondern gewissermassen als Resultat, als Ensemble bereits realisierter Daten. Da damit jede Konkretisierung des Diskurs-Begriffes auf das Problem der Zusammenstellung des Analysekorpus verwiesen bleibt, ist die Frage nach den Korpora, ihrem Status und ihrer Repråisentativität von eminenter Bedeutung.lsa In logischer Konsequenz wird die Aussage als ein zentrales Element des Foucault'schen prozessualen Diskursbegriffes nicht als Funlfion begrifferl die eine Zeichenfolge existieren låisst, sondern als eine Zeichenfolge, die durch diskursive Formationen mit bestimmten semantischen Merkrnalen ausgestattet wird.lss Die diskursiven Formationen kann man mit Claude LéviStrauss als ,,Basteleien" bezeichnen, deren Urheber,,auf eine bereits konstifuierte Gesamtheit von Werkzeugen und Materialien zuräckgreifen; eine Bestandesaufoahme machen oder eine schon vorhandene umarbeiten; schliesslich und vor allem [...] mit dieser Gesamtheit in eine Art Dialog treten, um die möglichen Antworten zu ermitteln, die sie auf das gestellte Problem zu geben vermag."l56 tn diesem Sinne bestimmen diskursive Formationen die Möglichkeiten rae 1 Ebd., r54. Frank, Diskursbegriffbei Foucault, l0 Kammler, Historische Diskursanaþse,4l, 42. 51 B u s s e I Teub ert, Spr achwissenschaft liches Obj ekt, I 0-2 9. lso tt' Jrrg, Linguistische 153 1 5a r5s 1s6 Diskursgeschi chte, 453-472; ders., Zahlen oder Deuten, 60-8 1 ' Hermannt, Sprachgeschichte, 69-1 0 l. B u s s e / Teub ert, Spr achwissenschaft liches Obj ekt, I 4, | 5. Ebd. Léri-Strau.ss, Das wilde Denken, 3 1. 36 Tnson¡uscnpR Reuv¡N LzgNlersARBEIT und Grenzen sinnvoller Rede und institutionalisieren die Deutungsmuster und legitimen Sichtweisen zu spezifischen Gegenstandsbereichen. ad 2) Im Gegensatz nt 157 Foucaults Isolation des Diskurses ist die Vernetzung mit einer spezifischen sozialen Situation bei Busse, Teubert und Jung ein entscheidender Faktor. In dieselbe Richtung zielt Jacob Torfings Aussage zur Einbettung des Diskurses in einen sozialen Kontext: ,piscourse is a relational totality of signifying sequences that together constitute a more or less coherent framework for what ca¡r be said a¡rd done. The notion of discowse cuts across the distinction between thought and realiS', and includes both semantic and pragmatic aspects. within the social, but is rather co-extensive with the social."lss It does not merely designate a linguistic region Gemäss diesen Differenzierungen wird füLr diese Arbeit eine modifizierte Diskursdefinition formuliert, wie sie in åihnlicher Form bei Busse und Teubert auftauchtlse: Ein Diskws ist definiert als ein Aussagenkorpus mit diachroner Struktur, der über im weitesten Sinne inhaltliche (beziehungsweise semantische) Kriterien verfügt, die mittels diskursiver Formationen (im Sinne institutionalisierter und legitimierungsfrihiger Fonnen des Sprechens über spezifische Gegenstandsbereiche) hergestellt werden. Zt einem Diskurs gehören alle Aussagen, - die sich mit einem als Forschungsgegenstand gewählten Thema, Wissenskomplex oder Konzept befassen, untereinander semantische Beziehungen aufi¡veisen und/oder in einem gemeinsamen Aussage-, Kommr¡nikations-, Funktions- oder Zweckzusammenhang steher¡ - den als Forschungsprogramm vorgegebenen Eingrenzungen im Hinblick a.uf ZeiFavrc/Znitscbnitte, Gesellschaft sausschnitt r¡nd Kommunikationsbereich genugen. Matthias Jung folgend wird die Aussage - die basale Einheit des Diskurses - als eine Grösse zwischen der Wort-, Satz- und Textebene vorstanden: ,,Eine Aussage [...] kann in einem ganzen Text ausfrihrlich erläutert werden, das Resumee eines Textabschnittes bilden (vor allem, wenn argumentiert wird) oder aber in einzelnen Wörtem [...] lediglich impliziert sein. [...] Mit Aussage ist hier nattirlich nicht die Satzaussage gemeint, sondern vielmehr bestimmte thematisch definierte Behauptung. Vielleicht eine ist der Begritr Aussagengeflecht votzvziehen, da er keine logische Pråizision vorspiegelt."r@ Der Verweis auf die diachrone Strukfur des Diskurses ist Fritz Hermanns entliehen, der mit seiner Akzentuierung des ,,quasiresponsorischen" oder ,,quasi-dialogischen" Charakters der Aussagen auf die grunds?itzliche Instabilitat der Diskurse hinwies: ,,Diskurs bedeutet auch Semantik ein Gespräclt, nnachst ein Zeitgespräch.'616r zugleich seine Transformation angesprochen: ttt Vgl. 37 Mit der Instabilität Der Diskurs dazu S c hv, a b -Trapp, Legitimatorische Diskurse, 302-327 To6ing, Theories of Discourse, 300. rse Bus se/Teubert, Sprachvrissenschaftliches Objekt, 14. Jrng,Linguistische Diskursgeschi chte, 461. 'uo 161 Hermanns. Sprachgeschichte, 88, 89. r58 im Kontext der historischen des Diskurses ist erscheint in diesem LzpNn¡rsARBErr TunonnrrscupR ReuuBN Zusammenhang meist nicht als ein Gespräch oder Zeitgespräch, sondern kann in seiner Transformation ebenso als Zwiegespräch verstanden werden. Die den Diskurs prägenden diskursiven Formationen untergliedern sich deshalb intern in konkunierende Deutungsmuster und deren Trägerschaften. 3.3 t62 Die historische Diskursanalyse Michel Foucaults Wie Hannelore Bublitz letztes Jahr bemerkte, sieht sich die diskursanalytisch orientierte Forschung seit geraumer Zeit mit einem interessanten Phänomen konfrontiert: Ihre zentralen Begriffe wie etwa der Diskurs erfreuen sich in den aktuellen Diskussionen der Geistes- und Sozialwissenschaften einiger Beliebtheit, ,,gerloSSoo an der Popularität des diskursanalytischen Vokabulars scheint jedoch eine forschungspraktische Anwendung und methodologische Reflexion der diskursanalytischen Methode im (engeren) Sinne Foucaults eher marginal zu bleiben."l63 V/endet man sich mit Clemens Kammler der ,,Archäologie" als demjenigen Werk Foucaults zu, das als erstes seiner Bücher das Konzept einer eigenståindigen historischen Diskursanalyse entwickelt, wird die Problematik der Anwendung einer Foucault'schen Methodik allerdings schnell ersichtlich. Ursache Die Schwierigkeiten haben ihre vor allem darin, dass Foucault es vermeiden will, auch nur den Anschein zu erwecken, eine ,,Theorie" des Diskurses zu konstruierenl64, obwohl er damit hin und wieder kokettiert (,,keine Theorie im strengen und starken Sinn des Wortes"l65, ,,die Möglichkeit einer Theori."tuu). Das Schillernde und Schwebende, das wiederholte ,,ich bin weder dies noch das"luT in der ,,Archäologie" wurde von Frances Fortier als ,,poetisches Programm" Foucaults charakterisiert.l6s Zudem verstrickt sich Foucault bei seinem Programm der Beschreibung der diskursiven Formationen (Formation Äusserungsmodalitäten, Begriffe und Strategien) der Gegensttinde, als eine der Möglichkeiten an Individualisierung eines Diskursesl6e in eine Reihe von Widersprüchen und theoretischen t62 t63 S c hu, a b -Trapp. B rø rb Iit "/ Legitimatorische Diskurse, 3 08. (Hg.), W uchern der Diskuse, I 4. B ü h rm a n n / Ha n ke/S e i e r Kammler, Historische Diskwsanalyse, 33. Auch Dominique Schrage wies auf die Problematik der Operationalisierung des Diskurses in der ,,Archäologie" hin: ,,Ich habe bezweifelt, dass die ,,A¡chäologie des Wissens" eine Methode im herkömmlichen Sinn ist und dass man sie dazu machen könnte. Schrage, Was ist ein Disku¡s,73. t65 Foucaul t,Archäologie, 166. t6u tu7 Ebd., 167. Ebd., 30. 168 Fortier, Stratégies textuelles, 26. t6n Der ztteite Weg zur Individualisierung eines Diskurses besteht bei Foucault in der Beschreibung der Aussage(funktion), der er im Hinblick auf die Beziehung Aussage-Referential (Archäologie, 133), das Subjekt 38 THnonpuscupR R¡gtr¿pN LzgNrarsARBErr Schwachstellen.lT0 lnsbesondere das Problem der Kausalbeziehungen zwischen diskursiven und nichtdiskursiven Praxisformen blieb hier weitgehend ungelöst.l7l Peter Sloterdijk charakterisierte die Beziehung zwischen diskursiven und nichtdiskursiven Praktiken in der ,,Archäologie" als ,,merkwtirdig blinde Disjunktion" und vermutete, dass eine ausgeführte Theorie dieses Verhältrisses die geltende Konzeption von Praxis womöglich sprengen würde.l72 Trotz dieser kritischen Ausserungen rû Foucaults methodischem Programm ist sein Einfluss auf die Konzeptualisierung diskursanalytischer Forschungsansdttze der geschichtswissenschaftlich oder politologisch ausgerichteten In der Traditionslinie Foucaults wird bei - - sei es linguistisch, historischen Semantik gross.tt' diesen Forschungsansätzen versucht, die polysemische Sinnproduktion, die sich bei der Analyse textueller Oberflachenzeig¡, von ihrer sozialen, diskursiven Seite her auf jene Hauptvektoren zrl untersuchen, die Bedeutung massenhaft erzeugf. und verbreitet haben und damit das Denken und Handeln der Vielen struktorieren.lto Auch das in dieser Arbeit entwickelte diskursanalytische Arrangement orientiert sich an Foucaults Programm der Beschreibung diskursiver Formationen als Theorie diskursiver Præris. In Übereinstimmung mit dem oben formulierten modifizierten Diskursverständnis werden allerdings auch Modifikationen an Foucaults methodischem Programm vorgenornmen, wobei nur Teile seines Arrangements operationalisiert werden (siehe Kapitel4).r7s der Aussage (ebd., 139), das assoziierte Feld der Aussage (ebd., 142-144) und die materielle Existenz der Aussage (ebd., 149, 150) vier Merkmale zuschreibt. 170 Die rWidersprüche und theoretischen Schwachstellen sind besonders gut herausgearbeitet bei Kammler, Michel Foucault. t7t Ka-mler betonte in seiner abschliessenden Beurteilung der ,"4¡chäologie": ,,Die ,,Archäologie des Wissens" scheint aufgrund ihrer nw halbherzig eingestandenen, aber doch mehr oder weniger harnrackig verfolgten theoretischen Zielsetztng ein Buch voller Unstimmigkeiten geblieben zu sein. Die unkla¡e Verwendung der Unterscheidung diskursive versus nichtdiskursive Praxis ist wohl die entscheidende dieser Unstimmigkeiten." Kammler, Michel Foucault, 110. r72 Stoterdi¡ k, Michel Foucaults strukturale Theorie, I 8 1. tt' Alr Vettr"ter der einzelnen Richtungen siehe beispielhaft für die historischen Ansätze Chartier, The Chimera, 167-186; für die linguistischen Ansätze Busse, Historische Semantik; fü¡ die politologischen Ansätze Ball, Conceptual History, 75-86. r1a Sarasin, Subjekte, 145. r75 7,rr partiellen Einlösung des von Foucault skizzierten methodischen Progtammes in dieser Arbeit siehe auch Anm.208. 39 LzTNTTRTSARBEIT TnEoRpuscsBR ReuupN 3.4 Der Einbezug von Bildquellen in diskursanalytische Arrangements Die bislang vorliegenden diskursanalytischen Untersuchungen in der Geschichtswissenschaft haben fast ausnahmslos mit schriflichen Quellen gearbeitet.rT6 Mit der Vernachlåissigung von Bildquellen als nicht-verbale Ausserungenttt in diskursanalytischen Arrangements werden indes Dimensionen der Ûberlieferung ausgeblendet, die für eine soziale Kulturgeschichte we sentlich erscheinen. Wie Michael Titzmann in seinem Artikel ,,Theoretisch-methodische Probleme einer Semiotik der Text-Bild-Relationen' festhielt, verfügen Bilder gegenüber Texten im Hinblick auf die Vollständigkeit der wahrnehmbaren bedeutungsdifferenzierenden oder bedeutungstragenden Elemente über einen entscheidenden Vorteil: Wo die vom Bild entworfene Welt immer durch Konkretheit und Vollständigkeit aller visuell wahrnehmbaren Elemente charakterisiert ist, bleibt die in Texten abgebildete ,,Welf' bezüglich der von ihr implizierten, visuell wahmehmbaren Elemente abstrakt und unvollständig und stellt damit eine ,¡isuelle Nullposition" (Unbestimmtheit und Leerstelle) dar. Jede Visualisierung eines Textes ist damit gegenüber dem Text etne spezlfuierende Konkretisierung, die dessen,,visuelle Nullposition" auffi,i11t.l78 Durch die Verbildlichung können deshalb in Bezug auf allgemeine oder leicht abstrakte Prinzipien und Schlagwörter in Texten Bedeutungsdimensionen kenntlich gemacht werden, die über die rein textuelle Bedeutungsgenese nicht identifniertwerden könnten. Auch Rolf Reichardt wies in seiner Studie zur Politisierung und Visualisierung aufkl¿irerischer Schlüsselwörter in Franlaeich auf diesen Umstand hin und betonte, dass die Verbildlichung eines Begriffes dessen implizite Bedeutungen, Wertungen, Nuancen und semantischen Beziehungen nicht selten deutlicher und offensichtlicher machen als der schriftliche Kontext.rTe Überdies hielt er fest, dass die Verbildlichung und Versinnlichung von Begriffen bei der Signalisierung schroffer Ablehnung oder aber begeisterter Zustimmung die emotionale Aufladung der untersuchten Konzepte und damit deren appelative Potenz fordere.ls0 t76 Eine Ausnahme stellt Rolf Reichardt dar. Reichardt, Politisierung und Visualisierung, 83-170. Årrsse.ung wird hier in Anlehnung an Michael Titz¡nann als Produktion einer begrenzten Menge zeichenhafter (:semiotischer) Objekte verstanden. Titzmann, Probleme einer Semiotik, 368. r78 Ebd., 379, 380. Allerdings betonte Titmann, dass wahrnehmbare Elemente eines Bildes - eine Linie, eine Form, eine Farbe - aufgrund der geringen Kodiertheit der primären Sigrrifikanten in Bildern erst unter bestimmten (kotextuellen) Bedingungen zum Signifikanten werden und damit nicht schon vorgegebene, diskrete, leikali sierbare Signifikanten sind. Ebd., 37 7 . 17 n Re¡ c l, q rdt, Politisierung und Visualisierung, 1 70. t77 r8o Ebd. 40 Tu¡oRsuscnpR RenvsN LrzBNnqrsARBErr Diese Thesen sind nun im Zusammenhang mit der Verbildlichung der Gewalt in politischen Auseinandersetzungen von besonderer Bedeutung. Wie Paul Hugger in einem kulturanthropologischen Aufsatz zur Gewalt bemerkte, herrscht in der popul?iren Ikonographie der Gewalt die Tendenz vor, jeweils die Klimax der Gewalt darzustellen - ,jenen Moment, wo das Ungeheuerliche, das Aufwi.ihlende geschieht, high noon".l8l Der Einbezug von Bildquellen zum Gegenstand Gewalt und ihrer Formensprache, die nach Hugger einprägsam und auf das Wesentliche konzentriert bleibtrs2, verspricht somit im Hinblick auf die Analyse des ,,Kampfes" um die legitimen Sichtweisen und Deutungsmuster zum Themenkomplex Gewalt in politischen Auseinandersetzungen zusâtzliche Außchlüsse über dessen B edeutungsdimensionen. Um das wechselseitige Zusammenwirken von verbalen und nicht-verbalen Aussagen bei der Konstruktion von Bedeutungen und Sinnstiftungen zum Themenkomplex Gewalt im Kontext der 68er Ereignisse mit zltr berücksichtigen, wird das nachfolgend vorgestellte diskursanalytische Arrangement auch auf der Basis von Bildquellen arbeiten. Diese werden jedoch lediglich zur Referentialisierung unklarer oder opaker semantischer Beziehungen Gegenstandsbereiches Gewalt in des dieser Untersuchung beigezogen und sind deshalb im Vergleich mit dem verbalen Aussagenkorpus sekund¿ir.l83 r"r r82 Hugger,Ikonographie der Gewalt, 259. Ebd. 183 Um dem Anspruch einer Referentialisierung der verbalen Aussagen durch Bilder Genüge zu leisten, werden in der Untersuchung diejenigen Bilder als nicht-verbale Aussagen berücksichtigt, welche eine möglichst geringe Distanz zt den verbalen Aussagen aufrveisen, das heisst sich innerhalb derselben Aussage (beispielsweise Flugblatt, Zeitungsartikel mit Bild) oder im selben Medium wie die Textquellen (beispielsweise Plazierung von Bild und Text in derselben Zeitschrift) situieren. 4t Msruoolscus USBRL¡cuNGEN LzBNneTSARBEIT 4 Methodische Überlegungen Das diskursanalytische Arrangement dieser Arbeit orientiert sich an den von Dominique Maingueneâul84, Rainer Diaz-Bonelss methodischen Ansätzen, und Michael Schwab-Trappt86 aufgezeigten die sich explízit oder implizit auf Foucaults historische Diskursanalyse beziehen.l87 Die methodischen Überlegungen von Maingueneau, Diaz-Bone und Schwab-Trapp werden durch die Operationalisierungsvorschläge Rolf Reichardtsl8s komplementiert. Sein im deutschen Sprachraum als ,,sozialhistorische Diskurssemantik der miffleren Ebene"lse bezeichnetes Vorgehen versucht, auch der Bedeutung der Visualisierung von Begriffen Rechnung zu tragen leO Als Typologisierung des methodischen Vorgehens in dieser Arbeit ergibt sich damit der Versuch einer Synthese aus der sozialhistorischen Diskurssemantik (Reichardt,Diaz-Bone), den ,,französischen Tendenzen der Diskursanalyse" (Maingueneau) und der anglo-amerikanischen,,conceptual history" (Schwab-Trapp). 4.1 Diskursidentifikation V/ie bereits bei der Definition des Diskursbegriffes betont wurde, ist die Frage nach der Zusammenstellung des Aussagenkorpus, seinem Status und seiner Reprtisentativitat zu Beginn jeder Diskursanalyse durch die Konzeptualisierung des Diskurses als Ensemble von bereits realisierten Daten äusserst wichtig. Ohne den konstitutiven Akt der Zusammenstellung des Aussagenkorpus kann der Diskurs gar nicht erst gedacht werden. Die Einheit des Diskurses ist also nicht präexistent, sondern bleibt im wesentlichen ein Abstraktum, das erst durch die in diesem Werk allerdings keinen Überblick über das Konzept der ,,ûanzösischen Tendenzen der Diskursanalyse". Sein Ziel ist es, den Forschenden ein Set von Methoden und Forschungsperspektiven atfzrzeigen, in welchemman sichje nach Fragestellwrg bedienen könne. Ebd., 251. '* Moingu"requ, L'Aralyse du discours, 17-24. Maingueneau vertritt spezifischen Ansatz, sondern bietet einen - sehr nützlichen 18s - Diaz-Bone, Probleme und Strategien, 119-135. Schv,ab-Trapp, Legitimatorische Diskws e, 302-327 . 187 Um das Programm Michel Foucaults durch die Verknüpfung der einzslns¡ methodischen Zugangsweisen nicht aus den Augen zu verlieren, wird gleichzeitig versucht, die neu entworfenen Analyseanleitungen an der ,,Archäologie" zu messen und die Differenzen atfzrzeigen (Verweise im Anmerkungsapparat). 188 Reichardt, Geschichte politisch-sozialer Begriffe in Frankreich, vor allem 58; Reichardt, Politisierung trnd Visualisierung. r8e Rei c h ardt, Historische S emantik, 22. tno Die neueste Literatur zum Einbezug von Bildem findet sich bei Reichardt, Historical Semantics, 19l-226; LüsebrinklReichardt, Bastille, 83-170. Interessant erscheint in diesem Zusammenhang der sich in der Kunstgeschichte abzeichnende Trend, sfukturalistische und semiotische Strategien in die ikonographische Analyse aufrunehmen. Das Kurstwerk wird als eine codierte Artikulation einer historisch eingebundenen, aber vielschichtigen Matrix sozialer Systeme oder kultureller Ereignisse gesehen und als ein Diskurs oder Teil eines Diskurses behandelt. Siehe beispielhaft Weingarden,Histoncal Iconography,49-63. 186 42 MBurooIs cnp UsnRLecuNGEN LzBNneTSARBEIT Interpretationshandlung des Forschers oder der Forscherin eine konkrete Gestalt annimmt.rel Die jeder Themenabgrenzvng, Auswahl der Aussagen und Interpretationen Subjektivität erscheint dabei zwar unausweichlich, sollte allerdings betonte - - inhtirente wie Matthias Jung durch Objektivierungsbemühungen möglichst gering und transparent gehalten \ryerden.tnt Die im Anschluss an die Definition des Diskursbegriffes fonnulierten Spezifzierungen bezüglich der Einheit des Diskurses (Thema oder Wissenskomplex, Zeltaum, Gesellschaftsausschnitt, Kommunikationsbereich etc.) zielen darauf ab, diese Probleme im Zusammenhang mit der Zusammenstellung des Aussagenkorpus zltr lösen. Die Spezifizierungen beruhen auf verschiedenen Strategien der Diskursidentifikation, wie sie nachfol gend erläutert werden. 4.1.1 Das Voruvissen oder: die evidenten Wissenseinheiten über die Existenz des Diskurses In seinen methodischen Überlegungeî zlrtr Diskursanalyse Foucaults betonte Rainer Diaz- Bone, dass ein Vorab-Wissen im Sinne von evidenten V/issenseinhsilsl über die Existenz des Diskurs vorliegen muss, um ihn empirisch überhaupt zu erkennen, das heisst utn zu wissen, nach welchen Zeichen gesucht werden muss: ,,Die Hlpothese über die Existenz [...] eines Diskurses ist notwendig, um sich ihm empirisch zu nähem.".te3 Auþund des Vorwissens tiber die Existenz eines dokumentarischen und semantischen Zusarrmenhangs der Dokumente nimmt Zusammenstellung der Forscher oder die Forscherin bei der Dokumente nach Busse und Teubert allerdings Interpretationshandlungen vorweg, deren Rechtfertigung im der hypothetische Grunde genoÍrmen erst die Ergebnisse der Diskursanalyse erbringen können: lnt Im Hinblick auf die Einheit des Diskurses hat Fritz Hennanns drei verschiedene Typen von Aussagenkorpora benannt: l) Das imaginrire Korpus: Es umfasst den immensen, zu einem Thema ,,wirklich abgelaufenen historischen Diskurs", dessen Aussagen bis aufwenige Überbleibsel verschwr¡nden sind; 2) Das virtuelle Korpus: Es ist der Restbestand aller Aussagen, die ,¡och irgendwie und irgendwo erhalten sind"; 3) Das konkrete Korpus: Es ist derjenige Korpus, welches der Diskursanaþse zugrundeliegt und eine möglichst repräsentative Auswahl von Aussagen enthält. Hermanns, Sprachgeschichte, 89, 90. Wenn in der Folge vom Analysekorpus die Rede isg das du¡ch die Interpretationsleistung des Wissenschaftlers konstituiert wird, ist damit jeweils das konkrete Korpus gemeint. 'n' Jung, Zählenoder deuterl 60. 1e3 Diaz-Bone, Probleme und Stategien, l3l. Bei Foucault stellt Diaz-Bone im Hinblick auf die Identifikation eines Diskurses eine methodologische Verbindung von Dekonstruktion und Rekonstruktion fest: Foucault lässt sich zunächst auf solche Wissenseinheiten ein, die sich als evident in einem Bereich zu erkennen geben. Diese werden dann dekonstruiertund aufdie sie bedingende diskursive Praxis hinrekonstruiert. Ebd., 128. 43 Mprsous cns UesRrscuNGEN LzpNnersARBEIT ,,Erst wenn [...] die aufgewiesenen Beziehungen, Struktwen, Gruppierungen von Aussagen, Aussagenelementen, Aussageverknüpfungen usw. durch das vorgewiesene Korpusmaterial und seine diskurssemantische Analyse als plausibel erscheinen, wenn sie du¡ch die vorgefundene beziehungsweise vorgeführte Materialität eine These ergeben, die [...] am Material objektivierbar ist, dann ist die Existenz des fraglichen Diskurses als sinnvolles Untersuchungsobjekt vollends erwiesen."le4 Jedes diskursanalytische Arrangement ist demnach Existenz des Untersuchungsobjekts mit dem Dilemma konfroniert, dass die - in diesem Fall des Gewaltdiskurses - postuliert wird, welche faktisch erst durch die Analyse selbst ermittelt \ilerden kann. 4.1.2 Strategien der Akteur- Diskursidentifikation: oder institutionenor¡entiertes und thematisches Vorgehen Um den Aussagenkorpus des Gewaltdiskurses in dieser Arbeit nt identifaieren, wird als Strategie zur Identifikation der Aussagen ein akteur- oder institutionenorientiertes Vorgehen mit einem thematischen Vorgehen verkntipft. Beim akteur- oder institutionenorientierten Vorgehen wird von Institutionen ausgegange4 die systematisch Macht und Wissen von den Individuen erueugen, mit denen sie ,,verfahten", um anschliessend nach den ihnen angelagerten Diskursen und Praktiken zu suchen. Dieser bei Diaz-Bone formulierte Vorschlag korrespondiert Maingueneau, der mit dem Hinweis von in Bezug auf die Identifikation eines Diskurses Dominique nach dem ,,Ort des Aussagens" fragt. Maingueneau bezeichnet den ,,Ort des Aussagens" als den gemeinsamen, historisch, sozial und kulturell bestimmten Ausgangspunkt einer Serie tihnlicher Aussagen. Er ist damit der ft des legitimierten Sprechens, der ft der Macht - oder der organisierten Gegenmacht - , der Ort einer zumindest Aussagens" ist auch der Platz, den ein Subjekt gewissen Institutionalisierung. Dieser ,,Ort des einnehmen muss, wenn es als Autor, beziehungsweise Sprecher im Rahmen eines Diskurses etwas sagen will, das gehört werden und als wahr gelten soll.res Als erste methodische Anleitung stellt sich füLr die Identifftation des Gewaltdiskurses damit die Frage, von welchen institutionellen Platzen aus im Diskurs gesprochen wird (Orte der Macht und der Gegenmacht).t% lea Busse/Teuåeø, Sprachwissenschaftliches Objekt, I 7. 17 -24. 'es Main gu"neau, L' Analyse du discour s, te6 Dieses Vorgehen konfligiert mit Foucaults Programm der Beschreibung diskursiver Formationen in der ,,,Archäologie": Der ,,Ort des Aussagens", der mit den Subjekçositionen und Äusserungsmodalitäten in der ,,Archäologie" korrespondiert (Archäolog¡e, 75-78), kaoo nach Foucault nw durch die Besch¡eibung der diskwsiven Formation rekonstruiert werden; Subjekçositionen werden also erst im Diskurs formiert. Eine Apriori-Festlegung des ,,Ortes der Aussage" wäre nach Foucault demnach nicht legitim. Clemens Kammler hat 44 MeruoorscHp USpRLpcLTNGEN LzgNUeTSARBEIT Als weitere Strategie zur Identif,ftation oder Abgrenzung eines Diskurses können nach DiazBone auch Problematisierungen, Themen und Agenden hinzugezogeîwerden. Hierbei geht es darum, die Konjunktur der Problematisierung eines bestimmten Gegenstandes im politischsozialen Raum festzulegen. Eine Problematisierungs-Hochkonjuktur erführt ein Gegenstand insbesondere in einem ,,diskursiven Ereignis", das von Schwab-Trapp folgendermassen definiert wird: ,,[Diskursive Ereignisse sind] bedeutsame Abweichungen von der Norm, [die] den impliziten Konsens und die konventionellen Erwartungen [sprengen], die rurser Reden und Denken über ein spezifisches Thema beherrschen. Diskursive Ereignisse zeichnen sich durch eine erhöhte Konflikthaftigkeit aus, weil sie Fragestellungen behandeln, die fundamental fü,r das Selbswerständnis einer Gesellschaft sind, und zugleich eine Wegkreuzung markeren, die dem zukünftigen Handeln altemative Routen eröffiret. Sie bilden Kristallisationspunkte in der e7 kontinuierlichen Auseinandersetzung über [ein spezifi sches Thema]. "1 Als zweite methodische Anleitung zur Identifikation des Gewaltdiskurses stellt sich damit die Frage, welche diskursiven Ereignisse sich als Kristallisationspunkte Auseinandersetzung zum Gegenstandsbereich Gewalt in der kontinuierlichen um 1968 bestimmen lassen. Die im Rahmen der diskursiven Ereignisse geprägten Aussagen stellen zwar nicht die Gesamtheit der Diskursaussagen dar, sind aber als Kristallisationspunkte der Auseinandersetzung über den Gegenstand Gewalt als Aussagen zu interpretieren, die mit ihrer Vielzahl konfligierender Infragestellungen, Herausforderungen sowie konkurrierender Deufungsmuster Räume normativer Unbestimmtheit offenlegen und deshalb als repråisentativ für die Analyse der diskursiven Formationen und deren Transformation gelten können.re8 4.2 Diskursanalyse: Aufdecken diskursiver Formationen und deren Transformat¡on Nach der Identifikation des Gewaltdiskurses Wissenseinheiten postuliert - oder: nachdem seine Existenz durch evidente und der Aussagenkorpus mittels institutionell-thematischer Foucault in der K¡itik an seinem Versuch einer methodologischen Präzisierung der ,,Archäologie" in bezug auf die Formation der Subjekçositionen/Äussemngsmodaliteten jedoch Inkohärenz vorgeworfen: Da bei Foucault die Bindungen der Rede auch durch nicht-diskursive Praxis (beispielsweise Institutionen) festgelegt werden, verwischt sich nach Kammler die Grenze zwischen nicht-diskursiver und diskwsiver Praxis. Es ist deshalb nicht möglich, die Beschreibung der diskursiven Formation der Subjeþositionen/Äussenrngsmodalitäten im reinen ,,Innern" des Diskwses anzusiedeln. Kammler, Michel Foucault, 105. Ähnlich argumentiert auch Peter Sloterdijk, der monierte, dass Foucault mit dcr Festlegung des Subjekts der Diskurspraxis durch ein anon¡rmes Aktorschema ,,innerlich" des Diskurses nichts mehr zur Aktualisierung dieser Schemata durch empirische Subjekte sagen kann. Als Fazit sah Sloterdijk sich deshalb gezwungen, das Subjekt durch die Funktion der handelnden Interpretation, der Diskursaktualisierung zu instaurieren. Sloterdijk, Michel Foucaults strukturale Theorie, 181. lei S c hu, a b -Tr app, Legitimatorische Diskurse, 3 0 5. te8 Die Gesarntheit der Aussagen, welche sich im Rahmen der disku¡siven Ereignisse konstituieren, bildet das ,,konkrete Korpus", das der Diskursanalyse zugrundeliegf. Vgl. auch Anm. l9l. 45 M¡rsoorscu¡ LzeNnersARBEIT - Strategien zusflnmengestellt wurde die in diskursiven Formationen beziehungsweise verbalen und ÜeBRLEcuNcEN erfolgt die eigentliche Diskursanalyse. Sie hat zum Ziel, den Aussagen des Diskurses (in Text und Bild nicht-verbalen Aussagen) au2udecken und deren Transformationen festzuhalten. Die Strukturierungsleistung der diskursiven Formationen im Hinblick auf den Gegenstand Gewalt darf dabei nicht als grammatikalische, sondern muss als kognitiv-semantische Leistung begriffen werden. Die Semantik ist dabei keine linguistische Semantik, welche die Begriffe für sich und vorab innehaben, sondem eine Semantik, welche durch die diskursiven Formationen hergestellt wird. Für die Operationalisierung der kognitiv-semantischen Stnrkturierungsleistung der diskursiven Forrnationen hat Peter Schöttler als häufigste Form methodischer Ansätze den semantischen Ansatz genannt - ein Verfahren, das den Grundriss eines semantischen Feldes der Aussagen zeichnet.tnn Rolf Reichardt übersetzte diesen Ansatz in seiner Studie zum ,,Bastille"-Begriff durch ein Vorgehen, bei welchem vorerst das paradigmatische und das syntagmatische Beziehungsfeld des Begrifles aufgezeichnet wurde. Unter dem paradigmatischen Beziehungsfeld eines Begriffes versteht Reichardt dabei alle Begriffe und Wendungen, die den zu analysierenden Begriff unmittelbar definieren, das heisst im syntagmatischen Kontinuum substituieren und damit das semantische Zentrum bilden. Als syntagmatisches Beziehungsfeld eines Begriffes werden bei Reichardt alle mit dem zu analysierenden Begriff verknüpften Worte begriffen, die den Begritrinhaltlich füllen, erkl¿iren und ausdifferenzieren. Anschliessend untersuchte Reichardt Begriffe und Namen, welche die Ursachen und Urheber des Bastille-Begnffes und seine vermeintliche Praxis bezeichnen. ln einem letzten Schritt bestimmte Begriffes.200 In er schliesslich auch die funktionalen Antonyme des seinen neueren Arbeiten erweiterte er das zu analysierende Quellenkorpus durch Bildelemente und versuchte damit das Bildgedächüris der Vergangenheit als gleichwertiges Zeugnis und prägenden Faktor kollektiver Vorstellungen und der politischen Kultur auszuwerten. 20 I Im folgenden werden Reichardts Arrangement der Arbeit Operationalisierungsvorschlage in aufgenommen (paradigmatisches das diskursanalytische und syntagmatisches Beziehungsfeld, Ursachen/Urheber, Praxis, Antonyme des Begriffes Gewalt in Text und Bild). lee S"höttl"r,Mentalitäten, 105. 2oo Reichardt, Geschichte politisch-sozialer Begriffe in Frankreich, 58. 46 MErgooIS Crrp Un gnTBGUNGEN LzpNrr¿.TSARBEIT Weil sich Reichardts Ansatz jedoch auf die Analyse von Einzelwörtern beschråinkt, wird ntsâÍzlich ein methodischer Vorschlag von Michael Schwab-Trapp integriert, der sich an den Ansätzen der ,,conceptual history" orientiert.2o2 Schwab-Trapp fragte in seinem Außatz zum Diskurs über den Krieg in Jugoslawien203 nach den Dimensionen, die die Diskursteilnehmer im Hinblick auf den Themenkomplex definieren, und nach dem Horizont, der ihn begrenzt. zu Reichardt interessierte ihn demnach nicht die ,,innere Struktur" eines Einzelwortes, sondern die Organisation des versprachlichten Konzeptes Im Gegensatz (Grunduberzeugungen und Regetn) zum Themenkomplex. hn Rahmen dieses Konzepts legte er besonderes Augenmerk auf die Modalitäten der Institutionalisierung legitimer Sichfweisen und Deutungsmuster zum Krieg in Jugoslawien.20a In Bezug auf den Themenkomplex Gewalt, der im Schnittpunkt von Rechtsordnung, Macht- oder Herrschaftsstrukturen und Moral (vgl. Abschnitt 2.2 und 2.3) liegt, stellen nun Legitimierungsmodalitäten im Rahmen die von Schwab-Trapp angesprochenen versprachlichter Grundüberzeugungen und Regeln (Konzepte) gerade tnZeiten erhöhter politischer Konflikthaftigkeit - wie im Jahr 1968 - eine wichtige Analysedimension dar. Deshalb werden den diskursiven Strategien der Legitimierung oder Delegitimierung in den Aussagen des Gewaltdiskurses um besondere Aufinerksamkeit geschenkt. Produktion und Transformation 1968 der diskursiven Strategien sind dabei selbst höchst konfliktive Prozesse, weil diese Strategien leøtlich auch die Mittel bilden, mit denen die Akteure ihren Deutungen ztxr Gegenstandsbereich Gewalt überhaupt erst Geltung verschaffen können; sie bestimmen damit auch das Bewusstsein der Akteure bezüglich ihrer Handlungsalternativen Entscheidungsspielräumen.20s Wie Schwab-Trapp und die Wahmehmung von in seinem Außatz bemerkte, besteht die Dominanz einer spezifischen Sichtweise jeweils relativ zu widerstreitenden Sichtweisen. Interr unterteilen sich diese diskursiven Strategien datrer in konkurrierende Deutungsmuster und deren Trägergruppen.2o6 20r Re ic h ardt, Politisierung und Visualisierung, 83 - I 70. Vgl. alr;hBall, Conceptual History. 'ot 2o3 2M Schv,ab-Trapp, Legitimatorische Diskurse. -Trapp. Legitimatori sche Diskurse, 3 0 8. Die Aneigrnng von Handlungsmacht oder -frihigkeit wird auch vom Agency-Ansalz beschrieben. Dieser besteht gemäss Mustafa Emirbayer und Ann Mische aus d¡ei Elementen: der Iteration (selektive Reaktivierung bereits bestehender Denk- und Handhurgsmuster), der Projektivität (kreative Rekonfiguration bestehender DenkundHandltrngsmuster im Verhältris zu HofÊrungen, Ängsten und Wünschen der Akteu¡e für die Zukunft) und der praktischen Evaluation (Kapazrät der Aktewe, praktische und normative Beurteihmgen alternativer Aktionsbahnen als Antwort auf auftauchende Anfordemngen, Dilemmas und Meh¡deutigkeiten entstehendpr Situationen vorwegzunehmen). EmirbayerlMische, What is agency?, 971. YgL aach EmirbayerlGoodwin, Symbols, 358-374. 206 Schu,ab-Trapp, Legitimatorische Diskurse, 308, 309. 205 Sc hu, a b 47 MpruooIs cgp Üg¡RL¡cuNGEN LzpNIETSARBEIT Nachdem es bei der vorgängigen Identifikation des Diskurses darum gegangen ist, das Woher und Wann zum Diskursgegenstand Gewalt zu bestimmen, handelt es sich beim Auftlecken der diskursiven Formationen im Aussagenkorpus darum, die Strukturierung der - des Grundüberzeugungen, Vorstellungsmuster, Deutungslinien und legitimen Sichtweisen Bedeutungsgefirges - zur Gewalt zt¡beschreiben. Es geht hierbei erstens um eine Antwort auf die Frage, welche Dimensionen und Horizonte im Hinblick auf den,,Gegenstand"207 Gewalt in den Aussagen definiert wurden (Ermittlung der Organisation des Aussagenfeldes im Diskurs). Anschliessend soll nach der Strukturierung des semantischen Raums des Gewaltbegriffes und der Konsfuktion diskursiver Strategien der (De-) Legitimierung von Gewaltgefua{twerden.2o* Bevor ich die Resultate der anhand dieser konkreten Fragestellungen durchgeführten Analyse des Gewaltdiskurses präsentiere, möchte ich mein Untersuchungsobjekt in das politisch- kulturelle Klima und die darnit verbundenen Oppositionsstrukturen in der Schweiz der 50er und 60er Jahre einbetten. Das anschliessende Kapitel dient deshalb einer historischen Kontextualisierung des Gewaltdiskurses. De, Begritr ,,Gegenstand" ist an dieser Stelle und im folgenden nicht mit Foucaults Gegenständen oder Objekten in d". ,,A."haologi"" zu verwechseln, die gemäss seinem Diskursverståindnis im Diskurs formiert werden. Wenn im folgendeÑom Gegenstand Gewalt die Rede ist, dann wird darunter das Forschungsobjekt, der 207 rilissenskomplexes verstanden. Untersuchungsgegenstand Gewalt im Sinne eines g"*ittti"notgehen zur Aufdeckung der diskrusiven Formationen entspricht damit im weitesten Sinne wrd der Begriffe der Formation der Beschreibung einer Foucault: bei Programmes einem Tãil des methodischen jedoch im Hinblick auf im Diskurs Formationssystem das besteht Foucault Nãch Diskurs. im Wahl strategischen vier Bereiche der Aussage: l. die Formation der Gegenstände , 2. der Subjektpositionen/ Áusserungsmodalitäten, 3. der Begriffe rurd 4. der strategischen Watrl. Die Problematik im Zusammenhang mit der Beschreibung der Formation der Subjekçositionen/Äusserungsmodalitäten bei Foucault wurde bereits bei der Diskursidentifikation (siehe Anm. 196) besprochen. Auch im Hinblick auf die Forrnation der Gegensttinde lassen sich bei Foucault 208 Das Inkonsistenzen ausmachen: In der ,uArchäologie" spricht er bei der Formation der GegenstÍinde auch von Begriffen. Der Unterschied der dritten zur ersten Fonnationsregel ist damit nicht eindeutig ersichtlich. 48 DrE ScuwEZ IN DEN 50Bn u¡,to 60nn JnunsN LzpNuersARBEIT 5 Die Schweiz in den 50er und 60er Jahren - auf dem Weg zur Bewegungsgesellschaft Urs Zweifel betont in seinem 1998 erschienenen Außatz zum,,Ordnungsdienst im ,Aufbruch 68"', dass viele soziologische, historische und wirtschaftsgeschichtliche Veröffentlichungen zu den 50er und 60er Jahren in der Schweiz von einer eigenwilligen Kompromissfonnel sprechen, auf welche sich die politischen Eliten des Landes implizit geeinigt hätten.20e Gemeint ist damit die Koexistenz einer liberalen Fortschrittsideologie, die das wirtschaftliche Wachstum und die technologische Modenrisierung bejahte, und einem auf Kultur- und Strukturerhaltung ausgerichteten gemeinschaftsideologischen Denkmuster, das sich in der Rede von der,,geistigen Landesverteidigung" und vom,,sonderfall Schweiz" verdichtete.2lO Dieses spannungsvolle Nebeneinander von Tradition und Moderne stand, wie nachfolgend zu zeigensein wird in einem engen Zusammenhang mit dem in versttirktem Masse seit der Mitte der 60er Jahre wahmehmbaren Unbehagen verschiedener Teile der Schweizer Bevölkerung und nicht níetzt mit den Ereignissen im Jahr 1968. In drei kurzen einführenden Abschnitten werden deshalb die wirtschaftlichen und politischen Parameter der Nachkriegsentwicklung sowie das politische Selbstverst¿indnis der Schweiz differenzierter betrachtet. Das Augenmerk richtet sich zunächst auf die im Hinblick auf die gesellschaftliche Zufriedenheit insbesondere in den 50er Jahren noch integrativ beziehungsweise stabilisierend, am Ende der 50er und im Laufe der 60er Jahre allerdings versttirkt destabilisierend wirkenden Konstellationen der einzelnen Parameter. Anschliessend werden das von beginnender Verunsicherung und Orientierungslosigkeit geprägte gesellschaftliche Unbehagen und die emergierenden Oppositionsstrrkturen (Akteure, Artikulationsformen) sukzessive als Folge dieses Destabilisierungsprozesses skizziert. Diese Betachtung erhebt nicht den Anspruch, den bislang kaum geklåirten Ursachen der ,,Chimäre" ttt 68et Bewegung in der Schweiz auf den Grund zu gehen. Wie Jakob Tanner in diesem Zusammenhang bemerkte, müsste Entwicklung zto Zv, Geschichtsschreibung insbesondere die der aus unterschiedlichsten und auch evolvierenden Bewegung atfzeigen, 2oe die eifel, Ordnungsdienst, I ungleichzeitigen Subkulturen ihre ,,singularisierung im doppelten Sinne eines 84. König/ Kreis/ Meister/ Romqno,Dynamisierwrg, 12 49 Dr¡ Scnw¡z LzpNnersARBEIT IN DEN 50pn uNl 60¡n JeunsN einheitlichen und eimigartigen Phåinomens" begrtinden können. Uberdies müsste nach Tanner auch danach gefragt werden, unter welchen gesellschaftlichen Bedingungen ein massenhaftes ,,Dagegen-Sein" zustandekommen konnte, das sich zur kollektiven Grundbefindlichkeit einer kompakten ,,Grossen Weigerung" zu steigern vermochte.2t2 Antworten auf diese Fragen und Forderungen vermag dieses Kapitel nicht zu geben. 5.1 ökonomische und soz¡o-ökonom¡sche Parameter der Nachkriegsentw¡cklung: Wirtschaflicher und Sozialer Wandel Die wirtschaftliche Entwicklung der Nachkriegszelt zeichnete sich durch ein rasantes Wachstum aus. Das Bruttosozialprodukt der Schweiz verdreifachte sich real zwischen 1948 unó 1974. Zeltgleich wuchs auch die Bevölkerung mit einer jtihrlichen Zunahme von l,3o/o. Auch díe Zahl der Erwerbstätigen stieg, wobei vor allem der industrielle Sektor im Rahmen eines sekforalen Strukturwandels zwischen 1950 und 1970 eine massive Zunahme verzeichnete.2l3 Die durch die expandierende Wirtschaft wachsende Nachfrage nach Arbeitslaäften konnte trotz Bevölkerungswachstum nicht mit einheimischen Arbeitskraften allein befriedigt werden, was zu einer starken Einwanderung auslåindischer Arbeiter führte.2la Der Wirtschaftsboom der 50er und 60er Jahre2l5 brachte eine aussergewöhnliche Steigerung des DurchschnittseinkoÍtmens der Arbeitnehmer mit sich.2r6 Aufgrund des gleichzeitig steigenden Preisniveaus schlugen sich die höheren Löhne allerdings nur etwa zur Hälfte in einer Erhöhung der Kauflcraft nieder. Das Vollseinkommen stieg zwischen 1950 und 1970 real um lI|yo,das Haushaltseinkommen pro Einwohner vn64,2%o.2r7 ztt Tanner,Subkulnuelle Dynamik, 207. 2'2 Ebd,2oB, 209 . Siegerthaler, Schweu,504. Zwischen 1950 und 1970 nahm die Zahl der industriellen Arbeitsplaøe von 492 563 auf 879 889 zu. Gleichzeitig reduzierte sich der landwirtschaftliche Sektor von2lYo (1950) auf 7,6 %o 213 (1970). Erst in der Mitte der 70er Jalre setzte sich in der Schweiz der Dienstleistungsbereich endgültig durch. Alterm alt, Fundamentalopposition, 6. 2ra Siegenthaler, Schweiz, 504. Erst I97l hat der Bund die Gesamtzahl der in der Schweiz erwerbstätigen Ausltinder limitiert. 2ls Versucht man die Wachstumsperiode zwischen 1950 und 1973 zu typologisieren, so lassen sich zwei .Wachstumsphasen festhalten: Wåihrend in den 50er Jabren ein extensives Wachstumsmodell unterschiedliche 60er Jahten Bestrebungen zur Intensivierung der Produktion vor. Das eigentliche dominierte, herrschten in den war damit auf die 50er Jahre beschr¿inkt. Tanner, Schweiz in den 50er Schweiz ,,Wirtschaftsw¡nder" in der Jalven,26. So stiegen die Löhne der Arbeiterlnnen zwischen 1949 und 1960 um 40%, diejenigen der Angestellten um 38%;o. Zweifel, Ordnungsdienst, Anm.4. Vgl. auch Statistisches Jalrbuch der Schweiz 1998,161. 216 217 Tanner, Schweiz in den 50er Jaluen, 28,35. 50 Lz¡NnersARBErr DrB ScnwBrz rN DEN 50nnuNo Anhaltende wirtschaftliche Prosperität und Vollbeschäftigung 60¡nJnunrN in der Nachkriegszeit vermochten zu einer gewissen sozialen Nivellierung der Schweizer Bevölkerung beizutragen. Die noch in der Zwischenkriegszeit und auch zu Beginn der 50er Jahre als Luxuswaren taxierten Güter wie Waschmaschine, Fernseher und Auto waren nun für grosse Teile der Bevölkerung erschwinglich. 2r8 Dieser für breitere Schichten greifbare Wohlstand und die soziale Mobilität spiegeln sich auch in den zeitgenössischen Stimmen wieder: Man feierte wenn auch verhalten - - den ,,kollekfiven Außtieg" und den ,,Abschied von der Proletarität".2le Als Folge dieser Entwicklung pråisentieren sich die beiden Nachkriegsjahzehnte auf den ersten Blick als Jahzehnte des ungeheuren Fortschrittsoptimismus und einer fast totalen Aufbruchsstimmung: Alles schien für jeden machbar.22o Heinz Kleger spricht Zusammenhang vom V/eg in eine o in diesem ,¡eue" Gesellschaft, die man als Wohlstandsgesellschaft der als Konsumgesellschaft bezeichnen könne. 22 I Der materielle Zugewinn und das ,,mehr" an Wahlmöglichkeiten für den Einzelnen darf allerdings nicht pauschal mit ,,mehr Freiheif' und dadurch auch mit einer steigenden gesellschaftlichen Zufriedenheit gleichgesetzt werden. Wie Jakob Tanner darlegte, wich die noch zu Beginn der 50er Jahre ,þefreiende" Qualität des Konsums und die damit verbundene positive Identifftation mit sowie Integration in die Konsumgesellschaft anfangs der 60er Jahre einem neuen Differenzierungsschub. Verbrauchsmuster erwiesen Die den neuen Lebensstandard charakterisierenden sich immer stärker als normative Standards: Verhaltenserwartungen wurden im Rahmen traditioneller burgerlicher Wertsûrftturen rigider und der Zwangzum konformen Konsumieren versttirkte sich. Der,,demonstrativen Konsum" als Indrz des persönlichen Erfolges führte zltt einer Stigmatisierung der (Noch)NichthabendetÊ22; wer die Konsumerwartungen nicht erñillen konnte, galt rasch als Versager. Der Wirtschaftsboom und der mit ihm verbundene gesellschaftliche Wandel brachte darnit nicht nur Gewinner, sondern auch Verlierer hervor. Nach dem von Hans-Jörg Siegenthaler 2tt Die Nivellierungsthese gilt nach Jakob Tanner allerdings mr unter zwei Einsch¡åinkungen: Erstens zog der durch das lù/irtschaftswachstum initiierte Massenkonsum auf lange Sicht nicht nur eine Nivellierung nach sich, sondern ermöglichte auch die Individualisierung und Pluralisierung. Zweitens bezieht sich die Nivellierungsthese weder auf die sozial marginalisierten rurd mehrheitlich auslåindischen Erwerbstätigen, noch auf die Spitzenverdiener. Tanner, Schweiz in den 50er Jalnen, 35. 21e Ebd., 35. Meyer Schweizer, Goldene 50er Jahre,242. ut Kl"g"r,Normalfall und Sonderfall, 193. 222 Tarr"r, Schweiz in den 50er Jalven,37. 220 51 Drp ScHwEIZ IN DEN 50¡n LzpNnersARBEIT rwo 60Bn Jesn¡N 1993 entworfenen Modell des azyklischen Regelvertrauens in konjunkturellen long swings223 gehört es zu den unbeabsichtigten Folgen wirtschaftlichen Wachstums, dass dieser seine eigenen Voraussetzungen - das Zukunftsvertrauen der gesellschaftlichen Mitspieler - allmåihlich untergräbt, indem der gesellschaftliche Wandel Gewinner und Verlierer hervorbringt. Bei ersteren werden überaus hochgesteckte Zukunftserwartungen ausgelöst, und bei den letzteren ebenso markante Ängste angesichts der sich rasch verëindemden Umwelt und der mit ihr verbundenen Anforderungen. Wie Mario König bemerkte, verursachten nicht die veråinderten Umstände als solche, sondern deren öffentliche Wahmehmung und Interpretation in der Folge Auseinandersetzungen, die in die Politik getragen wurden.22a Mit der Beschleunigung des Wachstumsprozesses erneuten Ende der 50er Jahre fanden diese Auseinandersetzungen insbesondere im Rahmen eines breiten,,Konjunkturdiskurses" statt.225 5.2 Politische Parameter der Nachkriegsentwicklung: Konkordanz, Verhandlungsdemokratie und Iiberaler Korporatismus Das politische System der Schweu machte in den beiden ersten Jahrzehnten nach dem Zwelten Weltkrieg einen eigentlichen Integrationsschub durch. Die entscheidende Integrationsleistung für das Konkordanzmodell Schwetz der Nachkriegsjahre hatte sich bereits in den 30er Jahren vollzogen: die durch das Friedensabkommen zwischen Gewerkschaft und Arbeitgeberverband in der Metall- und Llhrenindustrie ennöglichte Eingliederung der organisierten Arbeiterbewegung. Ende 1959 wurden dauerhaft in die die Sozialdemokraten - diesmal Regierungsverantwortung eingebunden.226 ,,Arbeitsfrieden" und ,fauberformel" wurden damit zu Schlüsselbegriffen, welche die Ende der 50er abgeschlossene Integration der sozialdemokratisch-gewerkschaftlichen schweizerische Politik bezeichneten. Kräfte Jahre in die Die soziale und politische Stabilitat der Koalition zwischen Linken und Reformbärgertum wurde dabei durch den gemeinsamen Nenner in der Armeefrage - die Unterstützung der bewaffireten Landesverteidigung 223 Si egenth a/er, Regelvertrauen. Köni g/Kreis/lvleisler/Romano, Dynarnisierung, 14 Ebd., 13. "t 226 B ret s ch er-Spindler, Kalter Krieg, 287. '27 Heirig"r, Antiatombewegung, 1 1. 224 52 - gestarl<t.227 Im Dm Scuwptz rN DEN 50pn uNo 60pn Jesn¡N LzgNn¡.TSARBEIT vorparlamentarischen Entscheidungsverfahren Spitzenverb¿inde228 erreichten die wirtschaftlichen mit Hilfe ihrer starken Organisationen eine dominierende Stellung.22e Die politische Struktur (Methoden und Verfahren) dieser tragenden Koalition war ihrem Wesen nach auf gegenseitige Verståindigung, die Konsens- oder Kompromisspolitik ausgerichtet. Im Rahmen dieser Konsenspolitik verzichtete die Linke auf ihre traditionellen Positionen wie Verstaatlichung und Antimilitarismus, das Reformbürgertum seinerseits bot Hand beim Ausbau der Sozialversicherung (Annahme der Gesetzesvorlage zur AHV 1947230). Nach René Lévy und Laurent Duvanel führte die Kombination von fäkultativem Referendum, das einen starken Konsens- und Kompromisszwang ausübte, und einem starken Ausbau der vorparlamentarischen Verhandlungsstrukturen ar ,,vorparlamentarischen Verhandlungsdemokratfe".z3l Ausbildung einer Die eigentlichen Abstimmungsdemokratie wurde damit immer ståirker zu einer,,bargaining"-Demokratie.232 Bis über die Mitte der sechziger Jahre hinaus stützte sich die Politik der ,,Konkordanzdemokratie" aì¡f einen weitreichenden Konsens bezüglich der Ziele, die der Staat verfolgen sollte: die Garantierung sozialer Sicherheit und wachstumsfreundlicher Rahmenbedingungen.233 Wie Lévy und Duvanel atfzeiglen, war mit dieser Zielsetzung vor allem auch eine Reduktion der Staatsaufgaben und -ausgaben verbunden.23a Eine wirkungsvotle Politik der Globalsteuerung der Wirtschaft hat es deshalb bis 1976 zu keinem Zeiþunkt der Nachkriegsjahre gegeben. Wenn möglich, wurde an die Selbstkontrolle der Verbåinde appelliert, sich interorganisationell äber wirtschaftliche Belange ^rversttindigen.ss diese Romano bezeichneten Meister und Gaetano Franziska Mario König, Georg Kreis, umfassende Handlungskompetenz der Verbände als ,,liberalen Korporatismus der Nachkriegsjahre".236 Peter Gilg und Peter Hablützel nennen fünf Organisationen, die einen massgeblichen Einfluss in der Verhandlt'ngsdemokratie ausübten: Der ,,Schweizerische Handels- rmd Industrieverein' (SHIV), der ,,Zpntalverband schweizerischer Arbeitgeber-Organisationen", die ,,Schweizerische Bankiervereinigung", der ,,schweizerische Gewerbeverband" und der ,,schweizerische Bauernverband*. GilglHablützel, Beschleunigter 228 Wandel,9l4,l95. Altermott, Fundamentalopposition, 4. Das Recht der Wirtschaftsverbände zur Vernehmung im vorparlamentarischen Gesetzgebungsverfahren wurde hierbei mit der Revision der Wirtschafuartikel der Bundesverfasswrg im Jahr 1947 forrnal festgeschrieben. Siegenthaler, Schweiz, 5ll. Vgl. dazv Luchsinger, Sozialstaat auf wackligen Beinen, 51-69. "o 231 L,lty/Duvanel, Politik von unten, 96. 22n "2 Heiniger,Antiatombewegung, 233 234 Siegenthaler, Schweiz, ll. I 5. L,ivy/Duvan el, P olitikvon unter¡ 94. Schw eiz, 12. 235 Si e gen th a I er, 23u Köni g/Kreis/luleister/Romano, Dynanisierung, I 5. 53 Dm ScuwEZ rN DEN 50pnu¡,io 60¡n Jeun¡N LzpNnRTSARBEIT Die noch in den 50er Jahren integrationsfÌihige Struktur- und Systemkonstellation mit ihrer Zielsetzung, gtinstige sozioökonomische Bedingungen und die Lösung materieller Verteilungsfragen zu schaffen, geriet zu Beginn der 60er Jahre allerdings zunehmend unter Druck. Stimmen am Rande und ausserhalb des Gefüges traditioneller intermedi¿irer Organisationen begannen, sich gegen die Transformation der Demokratie hin zu einer ,,Oligarchisierung des politischen Lebens"237 zur Wehr zu setzen und Fragen nach der Funktionsweise direktdemokratischer lnstitutionen und den Partizipationsmöglichkeiten an den etablierten politischen Kommunikationsstrukturen (vorparlamentarische Verhandlungsdemokratie mit starkem Kompromiss- und Konsenszwmg) zu stellen.238 Das damit in Ansätzen in Erscheinung tretende Legitimationsdefizit der politischen Struktur und des politischen Systems ist eng mit dem Auftauchen einer ganzen Reihe neuer Themen in der öffentlichen Diskussion verbunden. Wie im nächsten Abschnitt gezeig! wird, griflen die neuen Themen das über die Politik und deren Verfasstheit gelagerte gemeinschaffsideologische Amalgam an und legten durch die allmähliche Zersetzung dieser Leitlinien auch den Unterbau frei, der nunmehr der Kritik eine offene Flanke bot. 5.3 Das politische Selbstverständnis der Nachkriegsschwe¡z: Antikommun¡smus, Neutral¡tät und,,Sonderfall Schweiz" Ztt den integrativen und stabilisierenden Gemeinschaftsideologien in den Nachkriegsjahren gehörten drei, sich teilweise überlappende und bedingende Leitvorstellungen: 1. Der Bedrohungskonsens: Der Antikommunismus war für das konkordanzdemokratische, sozialma¡ktwirtschaftliche Gesellschaftsmodell der Schweiz konstitutiv. Wie Kurt Imhof in einer Studie ztú öffentlichen politischen Kommunikation bemerkte, erschien der ,,Dåimon Moskau" in Presse als ,,allwissender und seine Glacis vollståindig beherrschender Feind, der nichts weniger als die Welteroberung zttm ZieI hat und zu diesem Zweck nicht nur alles instrumentalisiert, sondem schlimmer noch: alles instrumentalisieren kann".23e Der ,,Osten" befand sich über seine bewussten und unbewussten Parteigåinger deshalb folgerichtig auch im ,,Westen" und daselbst als ,,Fünfte Kolonne" im Rücken der Freiheit, die es zu erhalten 21' 238 Heiniger, Antiatombewegrurg, 28. Köri g/Kreis/Meister/Romano, Dynamisierung, "n I. 13 ho¡, Entstabilisierung en, 39, 40. 54 Drc Scuwuz rN DEN 50Bn u¡,to 60en JnunnN LzBNneTSARBEIT galt.2a} Ausgegrenzt vom nationalen Konsens im Zeichen des Kalten Krieges waren dabei vor allem die verbliebenen Kräfte links der SPS - speziell die Partei der Arbeit.24t 2. Die Neutralitrit: Die Rückkehtr ztr integralen Neutralitat 1938 und die Stilisierung dieses Prinzips zum Zentralmerkmal des schweizerischen Staatsverståindnisses in der ,,geistigen Landesverteidigung"2a' wurde in der antikommunistisch orientierten Renaissance der geistigen Landesverteidigung zu Beginn der 50er Jahre bekräftigt. Wie Markus Heiniger betonte, konnte die Neutralitätsformel allerdings weder im Hinblick auf die schweizerische Wirtschafts- noch auf die Sicherheitspolitik in den 50er und 60er Jahren Faktizität beanspruchen. Sie wurde nach Heiniger vielmehr als ,,Tradition, als moralische Überzeugung verstanden".243 3. Der ,,sonderfall Schnueiz": Antikommunismus, Neutralität, das Reduit-Leitbild des Zweiten Weltkrieges und die schweizerische Armee prägten zus¿mtmen eine vorwiegend defensiv orientierte nationale Identitat als ,,Sonderfall Schweiz" und ,,Willensnation". Beispielhaft präsentierten sich die auf Struktur- und Kulturbewahrung ausgerichteten Elemente des ,,sonderfalls" an der Selbstschau der Schweiz anlåisslich der Expo 64: Auf dem ,,Weg der Schweiz" sollten dem Publikum nach dem Willen der eingesetzten Studiengruppe die Schweizer Konstanten Wehrwillen, Hirtentum, Partikularismus, Ehrhaftigkeit, Unabhåingigkeitswillen, Föderalismus, Neutralität, Demokratie und sachliche Tüchtigkeit vorgeführt werden.2* Neue aussenpolitische und innenpolitische Themen, die zu Beginn der 60er Jahre in der öffentlichen Diskussion auftauchten, begannen Selbstverståindnis allerdings allmåihlich Ungarnaufstands 1956 war die das oben sl<uzierte politische zu unterminieren: Mit der Niederschlagung Schweiz als des historisch-mythisch verankerte, neutralitätspolitisch aufgeladene ,,Hüterin der Alpenpässe" vorerst unter den Druck einer 2oo 24r Tonn er,Staatsschutz, 36ff. Zw Stigmatisienrng der PdA in der schweizerischen Politik äusserte sich Marcel Beck, Professor an der Universtität Zirtch, in einem Artikel 1967: ,,Angstlichkeit rurd Abscheu lassen es schon gar nicht zu, dass man dem vollkommen anderen Denken [der PdA, Anm. SB] im legalen Gespräch einer parlamentarischen Kommission zu begegnen versucht. Mær ist in dieser Beziehung bisweilen hinter das Mittelalter gefallen, das ja Religionsgespräche kannte, in denen sich etwa Ch¡isten und Juden gegenüberstanden." ,,Zärcher Student", Dezember 1967.Vdl. auch Kreis, Staatsschutz in der Schweiz,257tr. 'o' Vgl. dazu auch Imhof, Geisige Landesverteidigung, l9-84. 2a' Heiri g"r,Antiatombew egmg, 23. 24 Sidler, Suisse de demain, 40. In diesem Zusammenhang muss allerdings festgehalten werden, dass die Landesausstellung Expo 64 nicht eindimensional auf die Darstellwrg einer in der Vergangenheit begrti,ndeten autochthonen Eigenart der Schweiz ausgerichtet war. Die Ausstellung spiegelte vielmehr eíne Ambivalenz 55 Dm Scuwprz rN DEN 50¡nuNo 60rnJnHnsN LzeNnersARBEIT versch¿irft wahrgenommenen Polarisierung der Welt in Ost und West gekommen. Die Geschehnisse in Ungarn lösten Aggressionen in der Bevölkerung aus, die sich in vereinzelten Ausbrächen des Volkszorns gegen Kommunisten äusserten2a5 und das Bild der ,,Willensnation" als umfassender,,Sonderfall" erstmals einigermassen trtibten.26 Diese ersten Anzeichen einer einsetzenden Erosion leitrnotivischer Ideologien wurden durch neue Herausforderungen zu Beginn der 60er Jahre verståirkt Mit der Kuba-Krise 1962 und der Eskalation des Vietnamkriegs im Rahmen der direkten Intervention amerikanischer Truppen 1964 verschob sich der Ost-West-Dualismus sukzessive in den Nord-Süd-Dualismus: Das einigende Konstrukt des ,,Dåimon Moskau" begann damit an Geltungs- und Erklåirungskraft einzubässen. Die institutionelle Umsetzung der europäischen Einigungsbestrebungen in den Römer-Verftägen und die Diskussion um eine europäische Freihandelszone in den OECDLtindern erzwang in der Schweiz schliesslich eine Neutralitätsdebatte, die nn Verunsicherung dieses zuvor sakrosankten Staatsverståindnisses führte.2'7 Innenpolitisch begann die im Ratrmen des Konjunkturdiskurses einsetzende Problematisierung der Fremden in der Schweiz, die erneut aufl<eimenden Autonomiebestrebungen im Jura die Debatten um die atomare Aufrüstung und der neuerwachte linke Internationalismus die identitätssichernden Schweizer Konstanten langsam 5.4 nt zersetzen. Gesellschaftliche Gärung: ,,Helvetisches Malaise" und ,,Verrat an der Opposition" Die geschilderten Begleiterscheinungen des wirtschaftlichen und sozialen V/andels sowie die nachlassende Integrationskraft der gemeinschaftsideologischen Leitvorstellungen in der Mitte der 60er Jahre lösten in einigen Kreisen der Schweizer Bevölkerung Verunsicherung, zwischen Tradition und Moderne wieder, wobei die modernen ,,Elemente" vor allem im architektonischen und kifurstlerischen Bereich der Ausstellung angesiedelt waren. 2as lnZilrrch artete dieser Volkszorn gegen die Kommunisten in eine Progromstimmung aus - beispielsweise gegen die Familie des als ,,Chefideologen" denunzierten Kon¡ad Famer, Parteimitglied der PdA. Wie Emilio Modena rückblickend bemerkte, erzeugten die Plünderung der Pafeibuctrhaltung der PdA und Verprügelung der Genossen, die von einem kommunistischen Jugendfestival in Moskau zwückkehrten, ein Klima der Angst: ,,Fortan wurde gekuscht. Schon der Besuch der Pekingoper kam einer Muþrobe gleich, man musste zum Opernhauseingang druch ein Spalier von aufgebrachten Bitgern moralisch spiessrutenlaufen. Die Universtität wwde von der Bewegrmg ,,Vergesst Ungarn nie" beherrscht. Noch 1961162 erlebte ich dof, wie einfachste syndikalistische Refonnversuche mit antikommunistischen Schlagworten niedergeschmettert wurden." Modena, Veränderung der Psychoanalyse, 7 4. 2a6 B retscher-Spindler, Kalter Ki'eg, 243. 47 Im hoTEntstabilisierung en, 53, 5 4. 56 LzgulersARBEIT DrE Scuwnz IN DEN 50en uxo 60Bn JeHnsN Orientierungslosigkeit und ein Unbehagen gegenüber Staat und Gesellschaft aus.'08 In der öffentlichen Auseinandersetzung mit der Grundbefindlichkeit der Bevölkerung sprach man allerdings relativ undifferenziert von einer gesamtgesellschaftlichen Gärung und malte das Schreckgespengst einer ,,Entfremdung zwischen Volk und seinen Institutionen", die eigentliche ,,politische Entfremdung" aÍr die Wand.2ae Die nonkonformistische ,,Zircher Woche" bezeichnete die Schweiz 1967 als ,,Land ohne Zukunft", als ,,ein Land, das in den Notstand gekommen ist"2so. Als Sammelbegriff füLr das Unbehagen kursierte auch das 1964 vom Staatsrechtler Max Imboden geprägfe Diktum,,Helvetisches Malaise"2st. Ein dringender Handlungs- und Reformbedarf wurde allenthalben publizistischen Aufwand angezeig¡, mit einem grossen um der Schweiz ihren ,,wirklichkeitsfremden und zivilisationsfeindlichen Geist"252 auszutreiben. Im Ztge der in der Tagespresse nahezu uferlos gefi.ihrten Debatten über die ,,Helvetische Malaise" und dessen Ausprägung wurden deshalb auch Fragen nach den Möglichkeiten, Aufgaben und Formen einer Opposition aufgeworfen. Die Meinungen fielen unterschiedlich aus: Wåihrend in der Schweiz die einen die institutionellen direktdemokratischen Gestaltungsmöglichkeiten des einzelnen Btirgers hervorhoben und für einen ,,an den Realitäten orientierten Widerspruch" im Rahmen des ,,schweizerischen Wegs" - definiert als ,,Verzicht auf Utopien und revolutionåire Träume" - plädierten253, sprachen andere von einer ,,z;rn{anzig Jahre dauemden Ära der verratenen Opposition"2s und der Notwendigkeit einer nicht-institutionellen ausserparlamentarischen Opposition2ss. Die Möglichkeit eines ,,flarnmenden Protests" wurden dabei aber als wenig erfolgsversprechend erachtet. Wie Marcel Beck 1967 monierte, sei dieser Protest ,,in der tausendfÌiltigen Rücksichtsnahme eines Allparteienregimes nicht mehr möglich. Und weiter: ,,Keine Idee mehr, die uns zu Aussergewöhnlichem, vielleicht sogar Unbequemen in unserer 2a8 Kurt Imhof spricht in diesem Zusammenhang von einem ,,struktuwerlust" und der ,,Erosion Differenzsemantiken". Imhof, Entstabilisierungen, 37 der . 2o'NZz, ro.3.r96i. "o ,Zütchet Woche", 1.7.1967. "t Wie Kurt Imhof festhielt, findet sich der Begriff,,Helvetisches Malaise" in der politischen Alltagspublizistik bereits fräher als das gleichnamige Buch von Max Imboden aus dem Jahr 1964. Imhof, Entstablisierungen, 35. 2s2,ftircher W oche", 1.7 .1967 . 2s3 Luchsinge¿ Abbruch oder Reform, 5. 2s4 Als Verrat an der Opposition charakterisierte Amold Künzli in einem Referat 1968 vor allem das faktisch nicht ñmktionierende Initiativ- und Referendumsrecht: ,,Was da nicht stimmt, ist, dass die konstitutionelle ausserparlamentarische Opposition auf dem Gebiete der Volksinitiative infolge der Manipulationsgewalt von Finanz- und anderen Interessengruppen nicht richtig fimktioniert, hingegen da, wo sie frrnktioniert - auf dem Gebiete des Referendums - allzuleicht ein Opfer der Manipulationsgewalt der Behörden wird. Beide Male wird Verrat an der Opposition und damit Venat an der Demokratie geidbt." Kùnzli,Yenatene Oppositior¡ 23. 25s Ebð,20tr. 57 Drs ScHwprz rN DEN 50¡n u¡qo 60pn JesnrN LzgtITIATSARBEIT oppositionslosen, gegenseitigen Liebedienerei mitreissen würde."256 Wenig optimistisch vermerkte auch Max Frisch 1968 in der ,,Weltwoche", dass der seit dem Landessüeik 1918 ungebrochene politische Hausfrieden allen - selbst den Konsumenten - heilig sei: ,,Ein politischer Entwurf, eine Opposition im Sinn einer Alternative zum Bestehenden, erscheint in unserem Land überflüssig; man weiss: ein politischer Enh¡rurf wärde Unruhe bringen, nämlich Politik, und das heisst Kampf."2s7 friß 1A Aus: LévyiDuvanel, Politik von unten, 95 5.5 Ausserparlamentarische Oppositionsstrukturen: Akteure, Protest-Zyklus und Art¡kulationsformen Mit der Anti-Atombewegungz5t, der Antimilitarismus- und Friedensbewegung3t', der Strömung der sogenannten intellektuellen Nonkonformisten2*, der Ûberfremdungspartei26l, dem jurassischen Separatismus262 und einer moderaten Rechtsopposition263 hatten sich bereits 2tu ,Zrt"h", Student", Dezember 1967. 257,,weltwoch zst e", I1.4.1968. Heiniger, Antiatombewegung; Kre¡s, Staatss chutz, 456-459. Vgl. dazu Eppte-Gass, Friedensbewegung, 147-156, vnd Kreis, Staatsschutz, 444ff. "n 260 Als Bewegung konnte man die Nonkonformisten ab etwa 1960 bezeichnen. Ih¡e Geschichte wa¡ im wesentlichen Pressegeschichte. Tnntrum und Sprachrohr wa¡en etwa die ,,Zitrcher Woche" von 196l-1964, dle ,,Weltwoche" 1964-1967, die ,,Basler Nationalzeitung" r¡nd die ,,Neutralitä1". Man nannte die Blätter auch ,,Blaue Presse". H e i n i ge r, Antiatombew egng, 37 . 2u1 Die Nationale Aktion (NA) formierte sich 1961 als Bewegung. Altermatt, Fundamentalopposition, 11. Vgl. atch Romano, Überfremdungsbewegrmg, I 43 -160. 'u' Vgl. dazu Eisenegger, Einflussmöglichkeiten sozialer Bewegungen, 16l-174: vnd Ruch, Kommunikation durch Konfl ikte, l7 5 - I82. 263 In den 50er Jahren traten diese Kräfte als anonyme Komitees oder durch ihre Organisationen auf (Redressement national, Trumpf Buur etc.). Heiniger, Antiatombewegung, 36. 58 Drc Scswez IN DEN 50pnuNo 60sn Jenn¡N LzpNn¡TSARBEIT Ende der 50er und Oppositionsstrukturen zv Beginn der 60er Jahre die ersten in der Nachkriegsschweiz ausserparlamentarischen Protest-Zyklus mit ausserparlamentarischen gebildet. Der Beginn eines eigentlichen nachfolgender explosiver Zunahme der politischen Aktivierung manifestierte sich aber erst nach der zweiten Hälfte der 60er Jahre. Wie Hanspeter Kriesi in einer empirischen Studie zu den politischen Aktivierungsereignissen in der Schweiz aufzeig¡e, stiegen zwischen 1967 und 7973 die Anzahl der Protestereignisse mit konventionellen und unkonventionellen Artikulationsformen sehr stark aÍr.2@ Die Zunahme der Aktivierungsereignisse wird von Kriesi vor allem mit dem Auffreten neuer Akteure auf der politischen Bühne verbunden: eine vielgestaltige ,Neue Linke", ab 1969 eskortiert von einer ,,ngue Frauenbewegung"z6s und einer Vielzahl umwelt- und energiepolitischer Bewegungen in den frühen 70er Jahren.26 V/as und wer stand hinter dieser ,Neuen Schweiz vorerst ein Linken'? Als Konstrukt war die ,Neue Linke" in der äusserst heterogener und instabiler Korpus verschiedenster Gruppierungen, der sich einerseits durch die Abgrenzung gegenüber der,,alten Linken" (SP, Gewerkschaften)%1, andererseits durch einen fliessenden Übergang zu sogenannten ,,counterculfure" (Rocker, Hippies) charakterisieren låisst. Strömungen der Im Gegensatz zlur apolitischen Halfung der ,,counterculture" strebte die ,,Neue Linke" mit politischen Aktionen nach der Umgestaltung sozialer, politischer und wirtschaflicher Machtverhåilhisse in der Schweiz. Abbau von Hierarchien und Herrschafustnrkturer¡ Abbau der Auswächse der Konsumgesellschaft, Nichtdiskriminierung von Minderheiten und Aussenseitern und Demokratisierung von Politik und Wirtschaft lauteten einige der diversen Forderungen der Gruppierungen.tu* Eine geschlossene Ideologie oder ausgeprägte organisatorische Strukturen besass die ,,Neue Linke" nicht.2un Um ihrer Diversitåit und Heterogenität gerecht zu werden, wird die,,Neue Linke" im folgenden jeweils im Sinne eines Sammelbeckens verstanden. Auf die ,,Junge Linke" als Vorhut der ,).leuen Linken" und Mitffägerin der 68er Bewegung wird im Hinblick auf die Zvrcher Verhältnisse weiter unten nåiher eingegangen. t* Zt diesemsachverhalt 'ut Vgl. Kriesi/Léry/Ganguillet/Zv,islcy (Hg.), Politische Aktivierung,42l-45'l . daat Hinn, Frauenbefreiung, 57-72; BrodalJorislMüller, Die alte und neue Frauenbeu/egung, 201-226:, siehe Schmucki, Fotogeschichte der Frauenbefreiungsbewegung. 266 Kriesi, Neue Soziale Bewegungen, 27. A.uch Urs Zweifel hielt fest, dass mit der Formierung dieser neuen Gruppierungen r¡nd Bewegungen nach einer gewissen Karenzfrist ein drastischer Anstieg der politischen Aktivierung in der Schweiz einherging . Zu'etfel, Ordmrngsdienst, 186. 2u1 Der Begriff der ,,Neuen Linken" kam bereits zu Beginn der sechziger Jahre als Selbstbezeichnung derjenigen Kräfte auf, die das ideelle Monopol der kommunistischen Orthodoxie in der Führung der radikalsozialistischen Politik brechen wollten. Kreis, Staatsschutz, 403. 2ut Léuy/Duvan el, P olitik von unter¡ 39. 26e Kimm el,studentenbew egwg, 29. 59 Dru Scswsz rN DEN 50Bn u¡,ro 60¡n JesnBN LznNTTeTSARBEIT Hatten sich die Ende der 50er und zu Beginn der 60er Jahre emergierenden Gruppierungen um eine punktuelle Revision des Status quo bemüht und mit ihren Artikulationsformen abgesehen von wenigen Ausnahmen (beispielsweise Ostermåirschetto) - im - Rahmen der etablierten Handlungsformen politischer Konfliktaustragung2Tr bewegt, so änderte sich mit dem Auftritt der,,Neuen Linken" nicht nur das Ausmass der Kritik am Bestehenden, sondern auch die Formen der Artikulation massgeblich. Ab Mitte der 60er Jahre wurden immer häufiger unkonventionelle, nicht-institutionalisierte Formen wie Demonstrationen, und Ultimaten geprobt und neue, bis dahin unbekannte Aktionsformen erfunden: Besetzungen von Häusern und Sälen (Go-ins), Informationsaktionen, Boykottaktionen Strassentheater, das Blockieren von Sfrassen und Eingängen (Sit-ins), das Umfunktionieren von Veranstaltungen aller Art (Teach-ins, Love-ins etc.).272 Betrachtet man den von Kriesi rekonstruierten Protestzyklus zwischen 1967 tlrlrd 1973, so stellt das Jahr 1968 einen ersten Ereignis-,,peak" dar, der vor allem im Bereich der unkonventionellen Formen politischer Artikulation im Vergleich zum Jafu 1967 einen sprunghaften Anstieg aufueist (1967: 38 Ereignisse, 1968: 139 Ereignisse).ttt Dieser erste signifikante Anstieg von Aktionen mit mit einem im Vergleich zum Vorjahr markant ausfallenden Anstieg der Beteiligung junger Akteure im politischen unkonventionellen A¡tikulationsfonnen korreliert Konfliktkamrssell - die sogenannte 68er Bewegung (vgl. die Diagramme auf der folgenden seite).274 270 Nach Markus Heiniger bewirkten die Anti-Atombewegung und die Nonkonformisten eine Erweiterung der politischen Aktionsfonnen. Heiniger, Antiatombewegung, 39. Dem ersten Ostennarsch wa¡en in der AntiAtombewegung Debatten da¡über vorausgegângen, ob in der Schweiz mit ihren weitreichenden Volksrechten überhaupt solche anderen Aktionsformen nötig seien. Epple-Gass, Friedensbewegung, 210,211. 2" Zu den konventioneller Artikulationsformen rechnet Hanspeter K¡iesi in seiner Untersuchung der politischen Aktivienrngsereignisse in der Schweiz zwischen 1945 und 1978 diejenigen Formen, für welche entweder institutionelle Kanäle offenstehen oder die zum etablierten und in der Bevölkerung akzeptierten Repertoire politischer Aktivierung gehören. Kriesi/Lévy/Ganguillet/Zwisky (HS.), Politische Aktivierung, 440. Bei der ausführlichen Typologisierung der konventionellen und unkonventionellen Formen zwischen 1945 und 1978 mutet die implizite Annahme, dass sich im Untersuchungszeitraum keine Änderungen im Hinblick auf die etablierten und von der Bevölkerung akzeptierten Repertoires politischer Aktivierung ergeben hätten, allerdings etwas befremdlich an. 2'z LéuylDuronel, Polittk von unten, 174; Kriesi/Lévy/Ganguillet/Zu,islcy (Hg.), Politische Aktivierung, 440tr; Kri e si, Neue Soziale Bewegungen, 30. 273 Kriesi/Lévy/Ganguil l et/Zu,ist"y Glg),Politische Aktivierung, 439. "o Léry/Drronel, Politik von unten, 34,35.Im Zusammenhang mit der 68er Bewegung in Zürich muss an dieser Stelle betont werde4 dass das Phänomen des massenhaften Dagegenseins nicht ausschliesslich mit den Gruppierungen der ,Jungen Linken" in Verbindung gebracht werden darf. Im Gegenteil: Der Grossteil der am Protest beteiligten Jugendlichen oder jungen Menschen waren organisatorisch nicht oder nur sporadisch verankert. 60 Drc Scuwpz rNDEN 5O¡nuto 60pnJeHn¡N LzpNl¡TSARBEIT Entwicklung der Aktionen in der Schweiz 1945-1978 ANZAHL JUV- - AKTIOIIEN -) l] t: iÞ b 4DÖ - .t ?: ñ c :l¡o 2tÌl - Aktionsformen LJ__ læìiî'.jtc,nÊìl ffi!--_ t'lkf,t-rnsllrJüon z^ sll i,\rêkie Aäiic,¡k:n + e l r:rlr,,r '1!rt5 *hellgrau: inst¡tut¡onelle Formeo her¡schen vor (mehr als dunkelgrau: nicht-insrìtutíonelle herrschen ri5 ã0 vor; ;lr,lrr, 6,0 ri5 7t '¿5 il',-a SOc,á) die di¡ekten ÀJ<tíonen sind Teil der nìchþínstítutionellen. eìÕ-. Aktlve H tr lir:i _ æjlË - !tû - ¡Lr€r'l.ìîhmè¡ Jiinûr fJireHtP;rofene Fordorüng lfl, Kl aS¡iSCh u. !-i:,¡í,.e Nwqe Linke Uin¡sit 0- UU - ;.¡u.I.Jl¡åd.¡.-¿or**.5 Æ jj [[il;;.-hh ffidmer¡r*ü:¿åSdlå I' l: ì9l15 ffi 55 rl 60 I Éc I I ,?5 tì71, Aus: LévylDuvanel, Politik von unten, 34, 35 kn Rahmen der öffentlichen Diskussion über die Möglichkeiten und Formen der Opposition in der Schweiz wurde sehr schnell klar, dass das propagierte pluralistische Modell, wonach alle gesellschaftlichen Kräfte am Aushandlungsprozess um das Gemeinwohl beteiligt waren, dort seine Grenzen fand, wo der nationale Konsens in Frage gestellt wurde und wo sich eine Bewegung nicht verbandsfonnig organisierte und berechenbar verhielt. So wurden beispielsweise die intern keineswegs einheitlichen Forderungen aus dem Sammelbecken der ,,Neuen Linken" von konservativen Blättern vorerst relativ rasch und unbesehen der ,,kommunistischen Subversion" zugeordnet.2's Der,,Antikommunismus" offenbarte sich damit trotz dringend nötigem Reformbeda¡f bis Ende der 60er Jahre als besonders resistentes, auf die Bewahrung des Status quo ausgerichtetes Element des gemeinschaftsideologischen 275 Bereits die Anti-Atombewegrrng und die Friedensbewegung hatten im Zuge der mit der Niederschlagung des Ungarn-Aufstands 1956 verstärkt einsetzenden ,,HeIze" gegen den totalitären Feind im Osten mit Ausgrenzungsstrategien des ,,eidgenössichen Machtkartells" zu kåimpfen. Epple-Gass, Friedensbewegung, 153. 61 Dm Scuwnz rN DEN 50pn rnqo 60rn JesnnN LzeNnRrsARBErr Amalgams. hn Zuge der als Ausgrenzungsstrategie zr bezeichnenden Diffamierung, Verketzerung und moralischen Diskreditierung der Akteure als ,,Linksextreme" und ,,Kryptokommunisten" wurden auch die Aktionsformen aus dem Bereich zulässiger, legitimer politischer Handlungsmuster ausgeschlossen und als ,,unschweizerisch" taxiert. Eine Auseinandersetzung mit den Forderungen und den zum Teil neuen Handlungs- und Konflikfmustern der Oppositionsgruppen wurde damit im Keime zu ersticken versucht - ein Vorgehen, das im Zusammenhang mit der ,,Jungen Linken" und den mit dem Gewaltdiskurs verknüpften Aktivierungsereignissen von 1967-1969 in Zürich ebenfalls beobachtet werden konnte und an dieser Stelle genauer betrachtet wird (vgl. Abschnitte 6.3.1-6.3.3). 5.5.1 Junge Opposition ,,Es ist von heute aus gesehen kaum nachzuvollziehen, v,ie konsemativ die sclr,eizerische Kulturlandschaft damals war. Fùr die Jugendlichen in der Sclu,eiz v,urde in Kuhur, Bildung und Sexualitcit mehr oder v,eniger alles unÍerdrückl, v,as abu,ich und aufmuclcsle. So kann ich von meiner Jugend sagen, dqss alles, u,as ich gern hatte, entv,eder verbolen wor oder moralisch verpönL Es herrschle totqle Oppo si tion slo si gkei t im Innde. "276 5.5.1.1 Jugendliche Verweigerungshaltung: Vom ,,Halbstarken" zum ,,Teenager" Seit Mitte der 50er Jahre kam es nZnnchwie auch in vielen anderen europäischen Städten zu außehenerregenden Versammlungen Jugendlicher, die in zahlreichen F2illen mit Ruhestörungen, Polizeieinsätzen und Fesürahmen einhergingen. Ausgehend von derartigen VorfÌillen manifestierte sich das allgemeine Jugendbild der 50er Jahre im Terminus des ,,Halbstarken". Der Begriff ,,Halbstarker" diente um die Jahrhundertwende zur Beschreibung verdorbener oder verwahrloster Jugendlicher aus den unteren sozialen Schichten. Dieses von Verderbtheit, Laxheit, und Kriminalität, aber auch Verunsicherung und Unversttindnis der generalisierte negative Charakterbild, Degeneration die Assoziationen Erwachsenen lebten im Begriff des Jugendbildes in den 50er Jahren fort.2" Die Auflehnung der Jugendlichen war allerdings nicht politisch motiviert; weitergehende, explizit politische, reflektierte oder begrändete Zielorientierungen, Planungen oder Strategien fehlten. Mit den Aufsehen erregenden, medial kolportierten Krawallen richteten sich die Jugendlichen gegen den traditionellen Wohlstandspfad und versuchten, dem Konforrnitätsdruck und den erstarrten 27 6 277 G re t I er, Nonkonformisten, 4 5. Lindn"r,Jugenprotest, 25-27 . 62 Dr¡ Scuwntz LzpNnarsARBErr rN DEN 50en uNo 60Bn Jenn¡N Rollennormen der Gesellschaft mit einer generellen Verweigerung zu entkoÍrmen. Zu dieser Verweigenrng gehorte unter anderem auch die Visualisierung eines Lebensstils, in dem ein anderer Gebrauch von Dingen mit neuen Deutungsmustern und Sinnstiftungen verbunden wurde: Bluejeans, Lede{acke, Rock'n'Roll und der Motorroller gehörten zu ihrem Lebensgefühl.278 Die NZZ befasste sich ab Mitte der 50er Jahre regelmässig mit den ,,Halbstarken" in der Schweiz. Mit einer besonderen Dichte der Artikel im Jahr 1960 verfolgte sie das Thema bis über die Mitte der 60er Jahre hinaus mit Beiträgen verschiedenster Fachpersonen (Lehrer, Psychologen, Soziologen, Politiker), mit Berichtel za) einzelnen Krawallen und mehrteiligen Diskussionsreihen. Während zu Beginn der Berichterstattung die ,,Halbstarken" neugierig als ,"Zeiterscheinung"2Te unter die Lupe genommen und im Grundtenor als ,,trotzig und leichtsinnig"2s0 bezeichnet wurden, verschob sich die Beurteilung des jugendlichen Verhaltens im Lauf der 60er Jahre in Richtung einer kaum verhällten Ablehnung: Dem ,,HalbstarkenProblem" wurde mit dem ,,Ruf nach schärfsten Massnahmen" begegnet.2sL Zelt$eich wurden die Jugendlichen in ihrer Gesamtheit - nunmehr unter dem Sammelbegriff,,Teenager" - zrm Gegenstand einer Diskussion über das ,,Generationenproblem". IJnter der Rubrik ,,Die Schwierigen" wurden sie im Hinblick auf die Aspekte Öffentlichkeit, Konsumgesellschaft und Autoritat intensiv durchleuchtet.2s2 Dass das Verhalten der,,Teenager", ihr Auflreten und ihre Missachtung gesellschaftlich etablierter Werte, Nonnen und Autoritäten nicht nur Unmut und Unverståindnis, sondem auch Ängste bei der älteren Generation auslöste, beweist der Artikel von Salvador de Madriaga vom 11. Juni 1966; im Artikel ,,Wie Halbstarke ntzähmenwären" hielt de Madriaga fest, dass Trotz und überschtissige Vitalität der Teenager offensichtliche für jede Gemeinschaft mit sich bringen wtirden und dass die Lage sich verschlimmere. Deshalb müsse man ,,nach Lösungen suchen, die über blosse Gefahren Unterdräckungsmassnahmen hinausgehen". Zvr ,,Zdùmlung" des ,,Teenagers" schlug er deshalb vor: ,,Es gäbe allenfalls eine Lösung, mit der [...] das Teenagerproblem zu beheben wä¡e: ein obligatorischer Zivildienst, der einer zivilen Version der Militärdiensçflicht, wie sie viele Låinder bereits kennen, entsprechen wtirde. Alle jungen Leute beiderlei Geschlechts hätten unter pararnilitärischer Disziplin und in paramilitfischen Uniformen fü,r zwei Jahre zu dienen. Wåihrend dieser Zeit hätten sie Posten auszufüllen, die erfahrungsgemäss nur schwer zu besetzen sind. Mit diesem obligatorischen System könnten auch Freiwilligenkontingente füLr 278 21e 280 Bretscher-Spindler, Kalter Krieg, 330 Tanner, Schweiz in den 50er Jalren, 40. NZZ,2r.r.r95i. NZZ,5.12.1956. "' N77 ,2t.10.1960. "' NZZ, 12.6.1962: 14.6.1962; 2r.6.1962. 63 Dr¡ Scuwrz Lz¡Nn¡TSARBEIT rN DEN 50pn txo 60pn JeunEN geführliche A¡beiten aufgestellt weren, welche die überschüssigen Kräfte der ins Kraut schiessenden Teenager absorbieren wt¡rden.'¿83 5.5.1.2 Politisch motivierte Junge Opposition: D¡e ,,Junge Linke" Mitte der 60er Jahre bildeten sich in der Schweiz als Vorhut der,,Neuen Linken" verschiedene Gruppierungen Jugendlicher, die, wie bereits die ,,Halbstarken" in den 50er Jahren, eine Verweigerungshaltung gegenüber dem Staat und der Gesellschaft propagierten. Im Gegensatz zum apolitischen Hintergrund der ,,Halbstarken" wiesen die Zielgerichtetheit ihrer Aktionen, die Schlagworte ,,anti-autorit¿ir", ,,fortschrittlich" oder ,,progressiv" sowie das - mithin unscharf - sl<tzzierte ZieI der Demokratisierung von Staat und Gesellschaft auf einen politischen Gestaltungswillen hin, der auch nach einer Entfaltung auf der politischen Bühne drfingte. Der Protest richtete sich einzelnen Elemente - mit gruppenspezifisch variierender Akzentuierung - gegen die Tradition und das sogenannte der ,,Establishment" in Schulen, Universitäten und im politischen System, kutzum gegen jegliche Forrnen von Autorität, Macht und Herrschaft.2e Dartiber hinaus wurde die ,,Ideologie des Kühlschranls66285, das heisst die allseitig propagierte Leistungsbereitschaft in der Arbeitswelt und der Zwang konforrnen Konsumieren Beeinflussung - zrrlrr von vielen Jugendlichen als unmerkliche, aber gezielte - empfunden, welche die widerspruchslose als sogenannte ,,Manipulation" Ein- und Unterordnung in das gesellschaftliche Wert- und Normengefüge der Gesellschaft ntm ZieI hatte. Die Forderungen der jungen Opposition entsprangen damit einem Daniel Cohn-Bendit es darlegte - - wie ,,lViderspruch zwischen Lebensgefübl und politischer Theorie"; einerseits forderte man eine Sprengung der moralischen Glocke, gegossen aus den Werten, Normen und dem Verhaltenskodex in der Konsum- und Leistungsgesellschaft, und andererseits versteckte Selbstbestimmungsrecht sich hinter den Forderungen nach Mitbestimmungsrecht, und der Demokratisierung der Institutionen der Gedanke einer Reinstauration eines utopisch-radikaldemokratischen Gesellschafts- und Staatsgefüges. Das Rekrutierungsfeld der diversen Gruppierirngen der ,,Jungen Linken" war äusserst heterogen (Studenten, Mittelschüler, læhrlinge, junge Arbeitnehmer). Grob vereinfacht l¿isst sich sagen, dass sich hierbei Allianzen zwischen den ,,Politischen", die auf eine Vergangenheit in sozialistischen Jugendgruppen und bei den Ostermtirschen zurückblicken konnten, und den ,,Kulfurellen" gebildet haben, die in erster Linie von Literatur-, Theater- 283 2u N7.7.,It.6.1966. Altermatt,Fundamentaloppositioû 28s,,Die Weltwoche", 10.5. 1968. 14 64 Lz¡NnersARBErr Dre ScHwEz rN DEN 50¡nu¡qo 60¡n JennpN oder meist Musikerlebnissen in den Schmelaiegel der ,,Jungen Linken' gestossen worden sind.ttu Gerade die Musik genauer: die Popmusik spielte bei der Entstehung des affektiven Unterbaus des Protestes eine grosse Rolle. Das bei sogenannten ,,Monsterkonzerten" erfahrene sinnliche Erlebnis der Popmusik entwickelte ein Lustprinzip, das bei Besucherinnen und Besuchern die ekstatische Bejahung des Augenblicks, des Hier und Jetzt - kurz: ein kollektives (Selbst-) Ermächtigungsgefi.ihl stimulierte. In diesen kleinen und grossen ,,dionysischen Revo1ten"287 kreierten die Jugendlichen einen Freiraum gegen fremdbestimmte Vereinnahmungen, denen Verbindungen z.rm politischen Denken noch nicht zwingend zugehörten, sondern gewissennassen als opake und undeutliche Empfindungen von Rebellion und Anderssein mitschwangen. V/ie Martin Schäfer dmlegte, hiess ,,I can't get no satisfaction" der Rolling Stones gar.zkJar auch: jetzt keinen weiteren Lustaußchub mehr, ,,no direction home", keine Ausfltichte mehr.288 ,,We want the world, and we want it now" sangen die Doors und artikulierten damit ein Gefühl, das nach einer direkten Übereinstimmung von Utopie und Alltag, von Politischem und Privatem verlangte. In einem Flugblatt vom Mai 1968, das anlässlich des zweiten Jimi Hendrix-Konzertes in ZtiLrich verteilt wurde, kommt diese Suche nach der unmittelbaren Befriedigung des BedtiLrûrisses nach Freude, Begeisterung, Lust und Liebe und der Bruch mit dem ,,Ruhe- und Ordnungskulf' des sogenannten ,,Establishments" paradigmatisch zum Ausdruck: ,,Erweitern wir die Rebellion in der Musik in eine Rebellion in unserem Alltag. Fordern wir Full-Time-Satisfaction! Verlangen wir die Demokratisierung der Schulen, das Mitbestimmungsrecht für Schüler und Lehrlinge. Igenorieren wir ihre [gemeint ist hier: das Establishment, Anm. SBI verklemmte Sexualmoral. [...] Satisfaction ist möglich. Rebellion ist berechtigt!"2tn 5.5.1.3 Die,,Junge Linke" in Zürich In Zitrtch fonnierte sich die ,,Junge Linke" in zahlreichen Organisationen: der Fortschrittlichen Studentenschaft ZüLrich (FSZ), der Jungen Sektion der Partei der Arbeit Zäich, dem linksliberalen Republikanischen Club, den Progressiven Mittelschülern (PM), der Progressiven Jugend, 2'6 T 7 2tr 2*n den Fortschrittlichen Gewerkschaftem Zirich (FGZ), Léuy/Duu qn el, P olitikvon unten, 1 66. Lirdrr"r,Jugendprotest, 149. Schci¡rr,Utopie der Rockmusik, 32. SA, Ar.26.4}.4,Flugblatt,,1. Flugblatt der antiautoritären Menschen", Mai 1968. 65 den DrE ScHwEZ rN DEN LzgNnRTSARBEIT 50pnuuo 60pn Jeun¡N Jungsozialisten, den pazifistischen Kriegsdienstgegner unter anderem Teilweise oder temporåir integriert in die ,,Junge Zircher Linke" waren auch Gruppierungen wie die ,,Lone Star"Rockergang und das Autorenkollektiv um das Untergrundblatt ,,Hotcha" (die ,,Hotcha- Sippe").2s Mit Demonsffationen, Diskussions- und lnformationsveranstaltungen (Teach-ins), Sit-ins, Go- ins, Strassentheatern und anderen unkonventionellen politischen Artikulationsformen thematisierte die ,,Junge Zixcher Linke", von zeitgenössischen Gruppenmitgliedem auch als ,,Neue Linke"2qt oder ,,Zircher Linke"2e2 bezeichnet, ab 1966 zunächst vor allem internationale Problemk¡eise (Kritik am Vietnamkriog, an der Unterdrückung im Franco-Spanien und der Ausbeutung der Dritten Welt), ab 1967 auch innenpolitische Probleme (Missståinde im Polizeiapparat der Stadt Ztirich, Hochschulpolitik). hn Frühling 1968 bildeten verschiedene Gruppierungen der ,,Jungen Zurcher Linken" die Koordinationsgruppe ,,Fortschrittliche Arbeiter, Schüler und Studenten" (FASS)2e3, nachdem sich ein Zusammenschluss einiger Gruppierungen zum FAS, den ,,Fortschrittlichen Arbeitern und Studenten", bereits 1967 ergeben hatte.2ea Die FASS setfen sich als Reaktion auf die Ereignisse nach dem zweiten Jimi Hendrix-Kotuert vom 31. Mai 1968 (Schlägereien zwischen Polizeibeamten der Stadþolizei und jugendlichen Konzertbesuchem) mit verschiedenen Aktionen im Juni 68 gegen das Verhalten der Stadtpolizei und füLr das seit Beginn der 60er Jahre brisante Thema eines autonomen Jugendzentrumrzrs ¡- Stadtzentrum ein. Vom 29. Jurrttbis 1. Juli 1968 kam es im Gefolge einer Grossdemonstration vor dem Globus-Areal, das vom kurzfristig eingesetzten ,+Aktionskomitee für ein autonomes Jugendzentrum" als ideales Areal für ein autonomes Jugendzentrum erachtet wurde, vom Stadtrat allerdings zu diesem Zeiþunkt bereits zwei anderen Interessenten zugeschlagen worden war, zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen der Stadþolizei und den Demonsüanten. Das Fazit der sogenannten ,,Globuskrawalle" vom 29.6.-1.7.1968: 208 Festnahmen und über 60 YerIetze.2% zeo zer tnt 2n3 zea Gretler,Nonkonformisten,48; Wisler,Drei Gruppen, 64; SA, Ar.2Ol.36,FASS-Information, Dezember 1968. Nonkonformisten, 4 8. (DD) Nr. 13, Ar.26.40.4,Diskussions-Dokumente SA, G ret l er, 1. Wisler,Drei Gruppen, 64. G re t ler, Nonkonformisten, 4 9. rWahrheit und Legende" 'nt Vgl. hierzu den an23.6.1968 erschienenen NZZ-Artikel ,Ðas Zürcher Jugendhaus von Stadtrat E. Bieri, der die verschiedenen Etappen der Auseinandersetzungen um ein Zircher Jugendhaus aus der Sicht der St¿dtbehörde aufzeichnet. der 'nu Vgl. dazu auch Stadt AZ, V.B.c.1l:39, Bericht von Oberrichter Dr. H. Gut an den Stadtrat bezüglich von Unruhestiftern im Zusammenhang mit der Verhaftung an die Stadtpolizei der Vorwtirfe ,,Untersuchwrg anlässlichderVorfrillevordemGlobusprovisoriumundderHauptwachevom29.6.-1.7.1968", 66 15.11.1968,2. Drc Scuwnrz rN DEN 50En u¡qo 60Bn JeHn¡N LzeNnRTSARBEIT Nach den ,,Globuskrawallen" verhåingte der Stadtrat vom 2.-16. Juli 1968 ein Demonstrationsverbot. Erst am 13. Juli gelang es dem Aktionskomitee, eine Vollversammlung abzuhalten, nachdem es ihm zunächst verweigert wurde, verschiedene Lokalitäten zu mieten. Die Versammlung verabschiedete eine Resolution, in welcher unter anderem festgehalten wurde, dass ,,die Verantwortung für den Polizeikrawall vom 29. Juni auf den Stadtrat und die Polizeileitung zurückfÌillt, welche offensichtlich ein Exempel statuieren wollten"2e7. Das am 3. Juli 1968 als Reaktion auf das Verhalten der ,,Globuskrawalle" gegründete ,,Ztircher Manifest" - Stadçolizei anlässlich der bestehend aus 5300 unterzeichnenden Personen, darunter namhafte Schweizer Kunstschaffende, Intellektuelle und Politiker - organisiserte vom 4.-9.9.1968 im Centre le Corbusier eine als ,,kulturelles Sechstagerennen"2es bezeichnete Grossveranstaltung, an der in Diskussion, Theater und Malerei das Thema ,,Unterdrückung und Demokratie" beleuchtet werden sollte. Die Gruppierungen der,,Jungen Linken" und die FASS beschäftigten sich nach den Ereignissen vom Juni und Juli 1968 vor allem mit Organisations- und Strategiefragen: So beschloss die FASS-Vollversammlung Ende November 1968 ein neues Organisationsmodell mit Zennalstelle, im Januar 1969 legte die FSZ ein Papier zur Sfrategie- und Organisationsproblematik der Zürcher Linken vor und die Junge Sektion der PdA Zíntch äusserte sich in einem Bericht zum ihrem Verhåiltnis zur PdA, dem FASS und der Bewegung der,,Neuen Linken".2ee Nachdem die Dachorganisation FASS im Mai und im Juni 1969 im Zusammenhang mit den Prozessen zu den,,Globuskrawallen" vor dem Obergericht Znnch mit Teach-ins und einer Protestdemonstration gegen die Stafrnasse für Demonstranten noch einmal auf sich aufuierksarn gemacht hatte, ebbte der koordinierte antiautoritäre Protest n Zixtch allmåihlich ab. Vor allem im Zuge der Auseinandersetzungen um einen Ersatz für das Globus-Areal (,,Bunker"3m) spaltete sich die Gruppe tn zvei Flügel. Wie Dominique V/isler in diesem Zusammenhang festhielt, war das Jahr 1969 von ideologischen und strategischen Grundsatzdiskussioner¡ Selbstkritik und Erklärungsversuchen für das Scheitem der Proteste gepragt das Außplittem der einzelnen Gruppierungen, interne Zerreissproben, Auflösungen und gleichzeitige GrtiLndungen neuor 2e7 tnt Abgedruckt in: ,,Vorwärts", 18.7.1968. SA, KS 335/41a, Flugblatt ,,Das Zürcher Manifest zu politischen, juristischen und kulturellen Vorstellungen und Aktionen", ohne Datum. Strategie- und Organisationsproblematik der Zürcher Linken unter besonderer Berücksichtigung der FSZ", Janua¡ 1969; SA, Ar.26.40.4, Manuskript ,,Zum Verhäl¡ris der ,Antiautoritären Jungen Sektion derPíAZ'zur PdA, unter Hervorhebung der Rolle der AJS im FASS und in der 'n' SA, Æ.201.35, Manuskript ,l,ur Bewegung der Neuen Linken", Januar 1969. 'oo Vgl. daat Miillerl Lotm ar, Bunker. 67 Drs ScHwuz rN DEN 50Bnuxo 60BnJeHn¡N LznNnersARBEIT Organisationen jeglicher Couleur (beispielsweise der Revolutionären Aufbauorganisation Zurich RJAZ3OI ) waren die Fo1ge.302 Mit ihren bereits frtih einsetzenden Aktivitaten seit 1963 beziehungsweise 1964 traten unter den Gruppierungen der ,,Jungen Zircher Linken" vor allem die ,,Fortschrittliche Studentenschaft Zürich' (FSZ) und die ,,Junge Sektion der Partei der Arbeit Zrúnch* (Junge Sektion) hervor, die in der zweiten H¿ilfte der 60er Jahre auch in gemeinsamer Organisationsarbeit verschiedenste Veranstaltungen und Aktionen planten (ab 1967 auch im Rahmen der FAS und ab 1968 im FASS). In einem aus der Retrospektive verfassten Artikel mit dem Titel ,,Utopie und Realität nach 68" vermerkte Theo Pinkus im Hinblick auf die Rolle der FSZ und der Jungen Sektion füLr die Vorgåinge um 1968, dass die unmittelbaren Wurzeln der 68er Bewegung in ZäLrich bei diesen beiden Gruppierungen lägen (vergleiche die Kuzchronik der Aktivierungsereignisse n Zínrich mit spezieller Berücksichtigung der Organisationsarbeit der FSZ und der Jungen Sektion auf Seite 70).'o' 5.5.1.4 Kurzporträt der Fortschrittlichen Studentenschaft Zürich (FSZ) und der Jungen Sektion der PdA Zürich Die FSZ wurde 1963 als Verein von Studierenden der Zürcher Hochschulen gegründet und war nach den Worten eines Gründungsmitglieds ,,ein Sammelsurium linker Kräfte", das ein breites Gesinnungsspektrum einschloss.3s Als Zwecksetzung des Vereins wurde in den Statuten folgener Passus festgehalten: ,,$ 1: [Die FSZ] fordert im Geiste der Menschenrechte die freie Entfaltung der Persönlichkçlq ¡¡¿þhängig von der rassischen, sozialen oder nationalen Zugehörigkeit. Sie wendet sich insbesondere gegen jeden irgendwie 't Vgl. dazu SA, Ar.20I.35, Manuskript ,lum Aufbau einer neuen sozialistischen Studentenorganisation in Ziinclf',9.6.1970. 3o' Witl"r,Drei Gruppen, 74. Pinkut, Utopie r¡nd Realiøt, 53. Ähnlich argumentiert Hanspeter Kriesi: ,Ziinch stand Ende der sechziger Jahre nicht im Zentrum der politischen Ereip.isse in Europa. Die studentischen Proteste an den ,,focal points" strahlten aber in die Schweiz aus wrd fanden hier vorab in Zürich ihren Widerhall. Die Impulse aus den europäischen Zentren wurden von den radikalen jugendlichen Rebellen in Zürich dankbar aufgenommen. Sie hatten sich bereits ab 1963 in der Fortschrittlichen Studentenschaft Ziinch (FSZ) zusammengeschlossen r¡nd ein 3o3 kleinere Gruppe hatte auch an die oppositionelle Tradition der Arbeiterbewegung anzuknüpfen versucht und war 1964 geschlossen der PdA [...] beigetreten, wo sie fortan die Junge Sektion bildete." Kriesi, Ziúrcher Bewegung, 183, 184. 3oo Mod"ro, Verändenrng der Psychoanalyse, 74. Anfringlich hatte die FSZ sowohl freisinnige als auch sozialdemokratische rmd kommunistische Mitglieder. Als letûerejedoch einen anti-kommunistischen Passus in den Organisationsstatuten verhindert hatten, traten die f'¡eisinnigen aus dem Verein ans. Wisler, Drei Gruppen, 65. Im ihrer internen Zeitschrift ,,FSZ-intern" bezeichnete sich die FSZ als ,,Kristallisationskeim der Linken jenseits der Ideologien ', der all jene zu vereinen suche, ,die kritisch und sozial füùlen - Christen und Man<isteru Liberale r¡nd Sozialisten". SA, Ar.20I.35, FSZ-intern Nr. I (28.4.1967), 5. 68 Drc Scuw¡rz rN DEN 50Bn ul,ro 60rn Jnsn¡N LzBNneTSARBEIT gearteten Totalitarismus, Kolonialismus und Rassismus, denen sie die Prinzipien der Toleranz, der Achtung frernder Uberzeugungen und die Bereitschaft ntr Diskussion gegenüberstellt. $ 2: Sie steht fest auf dern Boden der Demok¡atie und der internationalen studentischen Zusammena¡beit.'óos Bei ihren Aktivitäten konzentrierte sich die FSZ zunächst auf Veranstaltungen, die einen demokratischeren Lehrbetrieb und höhere Stipendien an der Universitat Zt¡rich propagierten. Ab 1965 setzte sie sich unter dem Einfluss der internationalen Ereignisse (chinesische Kulturrevolution, Anti-Vietnamkrieg- und Studentenbewegung in der BRD, Frankreich und Italien) verstärkt auch mit internationalen Themen auseinander und engagierte sich gegen den für die Solidarität mit der Dritten Welt, den Fremdarbeitern und Dienstverweigerem.'ou 1967 nahn sie die im Ratrmen einer grossen Medienkampagne Vietramkrieg und aufgestellten Komrptionsvorwärfe gegen den Ztircher Polizeiapparat auf und organisierte in Zusammenarbeit mit der Jungen Sektion eine erste Protestkundgebung mit Sitzblockade gegen die Ztircher Stadþolaei (26.8.1967).307 Ún Frühling 1968 schloss sie sich mit verschiedenen Gruppierungen der ,,Jungen Linken' afi Koordinationsgruppe FASS zusammgn.3o8 Die Junge Sektion der Partei der Arbeit Znnch wurde 1964 gegrtndet.3oe Ihre Mitglieder rekrutierten sich zu grossen Teilen aus der Arbeitsgemeinschaft der Jugend gegen atomare Aufrästung (auch Atomjugend genannt), die in Zwich die Atominitiativen vonI962 und 1963 und die Ostermtirsche mit initiierten.3to Die Gründung der Jungen Sektion war auf Wunsch von unter¡ das heisst als Entschluss der Mitglieder der Atomjugend und Jugendgruppen der Arbeiterbewegung erfolgt: Mit ihrer anderer Zielsetzttng einer sozialistischen Schweiz stellte die Partei der Arbeit für sie das einzig valable Geftiss dar, mit dem man das ZieI etner,,gesamtgesellschaftlichen Umwtilzttrng" der ,,unzulänglichen Herrschaftsform" zu erreichen hofte.31t Als wesentliche Aufgaben der Mitglieder der Jungen Sektion, die sich selbst als marxistisch gesinnte Jugendliche bezeichneten, wurden die Aufrtittelung von resignierten Sozialisterl die Durchbrechung der Isolation der PdA, Bewusstseinsbildung, aber auch die Thematisierung aussenpolitischer Problembereiche wie beispielsweise der Vietnamkrieg oder die Dritte V/elt bezeichnet. 'ot SA, Æ.201.35, Statuten der Fortschrittlichen Studentenschaft Zürich. 36 Wisler,Drei Gruppen, 66. 3o7 B ösch, ly'reier 19, 7 -20. 308 Kriesi,Zwcher Bewegung, 184. 3oe SA, Ar.26.40.4, Gründungserkkirung der Jungen Sektion, 6.8.1964. 310 Daneben sta¡nmten die Mitglieder aus anderen Jugendgruppen der Arbeiterbewegung (etwa Freie Sozialistische Jugend). Epple-Gass, Friedensbewegung, 210, 2l l. ttt SA, Ar.26.40.4,Diskussions-Dokumente (DD) Nr. 13, 4. 69 Jugend, Drc Scuwnz IN DEN 50pnuNo 60en JesnsN LzpNunrsARBEIT 7.3.t968 Kundgebung gegen den Vietramkrieg mit anschliessender Demonstration vor dem Dow-ChemicalGebäude Informationszentrum für Abrüstung und internationale ZusammenarbeilAkti onskomitee gegen den Vietnamkrieg (FSZ, JSPdAu.a.m. 1.1.1968 Marlin Lutlter 1t.4.1968 Josef Eru,in Bachmann verübl auf Rudi Dutschke in Berlin ein Attentat. Es folgen an mehreren Tagen andauentde Protestaktionen, die sich besonders gegen den SpringerKonzern richten. Bei Auseinandersetzwtgen mit der Polizei v,erden Foloreporler Klaus Frings Schreck t ödl ic h t¡ erletzt. und Student Als Fotge des Attentals auf Dutschke Spontandebatle über die Geu,altfrage am Rande des Römberbergs (Franlcfurt). Oskar Negt spricht zwn Thema ,,Politik und Gev'ah". Dutschke sollen. hritte am 26.4.1968 an der Universitrit Zürich FSZ Veranstaltung mit SDS-Rednem an der Universität 13.4.1968 26.4.t968 v,ird in erschossen. Ziinch 3.s.-30.s.1968 ,,Pariser Mai": Diefranzösische Polizei geht in den Gebeiuden der Sorbonne gegen proteslierende Studenten vor. Die [Jniversitötu,ird geschlossen. Heftige Strassenschlachten der Studenten lösen Arbeiterslreiks mit Betriebsbesetzungen aus- 13. Mai: Generalstreik: Studenten und Arbeiter de Gaulles. den wird die 30.5.1968 In der 30/3 1.5.1968 Jimi Hendrix-Konzerte im Hallenstadion Protestaktion gegen Verhalten der Stadçolizei am Jimi Hendrix-Konzert, Besetzung des Globus-Provisoriums, Ultimatum an Stadtrat im Hinblick auf Hearing zum Thema Zürcher Jugendhaus 15.6.1968 19.6.t968 22.6.t968 24.6.t968 26.6.1968 29.6.t968 29.6.-1.7.t968 2.7.1968 s.7.1968 t6.7.1968 16.7.1968 4.-9.9.1968 Mlîrz1969 Mai 1969 20.5.t969 2r.s.1969 Juni 1969 11.6.1969 29.6.1969 Stadtrat empfrinet Aktionskomitee Pressekonferenz des Aktionskomitees über bevorstehende Aktionen Warrikundgebung und Sit-in zum Thema autonomes Junsendzentrum Grossdemonstration vor dem Globus-Areal --Globusk¡awalle" Demonstrationsverbot u.a. FSZ, JSPdA, Wahl des Provisorischen Aktionskomitees autonomes Jr¡nsendzentrum Aktionskomitee autonomes Jugendzenür¡m Aktionskomitee Aktionskomitee FASS Stadtrat Protestdemonstration gegen Demonstrationsverbot Aufirebuns des Demonstrationsverbots Teach-in zum Thema,,Legalitat und Legitimitat" Sechs Tage Dauer-Diskussion zum Thema ..Unterdrückung und Demokratie" Anklageerhebrmg gegen Demonstranten durch Zücher Staatsa¡rwaltschaft Erste Anklageerhebung gegen Stadtpolizei Informations-Teach-in zu den Strafrnassen für Demonstranten bei den Protestdemonstration gegen die Strafrnasse für Demonstranten Obergerichtsprozesse Protestdemonstration auf dem Bellevueplatz und vor dem ObergerichtZ¡¡nch Diskussion zum Jabrestas der Krawalle 7l Aktion für Bürgerrechte Stadtrat FSZ Zürcher Manifest FASS FASS FASS Zwcher Manifest DrsruRs¡.NALYSE Lz¡NneTSARBEIT 6 Diskursanalyse 6.1 ldentifikation des Gewaltdiskurses 6.1.1 Die evidenten Wissenseinheiten über die Existenz des Gewaltdiskurses Die Hypothese über die Existenz des Untersuchungsobjektes in Znnch - des Gewaltdiskurses beruht vorerst auf evidenten Wissenseinheiten, die der um 1968 deutschen wissenschaftlichen Literatur zum Thema Gewalt und 68er Bewegung entnommen werden. Oskar Negt, der sich selbst als Mentor und aktiver Begleiter der Ereignisse charakterisiert, spricht in in der BRD seinem 1995 erschienenen Buch ,Âchtundsechzig. Politische Intellektuelle und die Machf'von einem ,,weltweit angestossenen Gewaltdiskurs"3l4 und der ,,Aktualität der Gewaltfrage"3ls, die eine ,Bhilosophische und praktische Reichweite"3r6 hatte. Ännlictr äussern sich auch Ekkehard Mochmann und Ute Gerhardt, die in ihrer Studie ,,Gewalt in Deutschland. Soziale Befunde und Deutungslinien" betonen, dass ,,dâS Gewaltthema [...] bereits einmal in den sechziger Jahren im öffentlichen Leben und auch im politischen Geschehen einen wichtigen Platz innegehabt [...] haf'3r7. Um die Hypothese über die Existenz des Gewaltdiskurses in Bezug auf die 68er Ereignisse in Ziinch zu fundieren, wird das bereits erw¿ihnte Vorab-Wissen um die weltweite Aktualität des Gewaltthemas im Zusammenhang mit der 68er Bewegung aufgrund der Lücken in der Forschungsliteratur3ls vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Medienberichterstattung Zusammenhang mit den n Znrich, speziell im ,,Globuskrawallen" vom 29.6.-1.7.1968 abgebildet. Bei einer oberflächlichen Betrachtung ftillt die generelle Relevanz des Themas Gewalt und Politik in der Medienberichterstattung"' inr Auge. Die Bedeutung des Themas lässt sich tto dabei N"gr,Achtundsechzig, 49. Ebd., 57. "s 3t6 Ebd., 52. 3r7 MochmannlGerhordt, Gewalt in Deutschland, 8. 318 Die einzige explizit atf Zíxtchzugeschnittene Äusserung findet sich bei Hanspeter Kriesi, der im Hinblick auf die ,,Globuskrawalle" bemerkte, dass der Stadtrat von Zürich den jugendlichen Protest brutal wrterdrückte. Im weiteren bemerkte er: ,,Darin unterscheiden sich die Zürcher Ereignisse zwar nicht von jenen anderer Ltinder, in Ziinch erscheint die behördliche Reaktion angesichts der beschränkten Form der Bewegung und der Pragmatik ihrer unmittelbaren Ziele aber als besonders unangemessen." Kriesi, Ztircher Bewegung, 187. tt' Vgl. hierzu auch eine vom Soziologischen Institut der Universtität Zürich Mitte Juli 1968 veröffentlichte Studie, in welcher die Berichterstattung der Tages- oder Wochenzeitungen,,Tat", ,¡eue presse", ,,BhIV',NZZ, ,NZN", ,,Tages At:r:eiger", ,,Vorwärts", ,,Volksrecht", ,,Tagblatt der Stadt Zänch", ,Ziinchsee-Zeitung", ,,National-Zeitu"g", ,,Vaterland', ,,La Suisse", ,,Zän-Lou.', ,/wcher \Voche" und ,,Die Weltwoche" über die ,,Zttrcher Unruhen' vom 1. - 6.7.1968 inhaltsanal¡isch untersucht wurde. Die Gewaltanwendung wird dabei im 72 DnrunseuALYSE LzBNneTSARBEIT insbesondere an rwei Beitragsreihen zrLm Themenkomplex Gewalt in politischen Auseinandersetzungen ablesen, die über mehrere Wochen hinweg geführt wurden. Bei den Beitragsreihen handelt es sich um die im November 1968 imNzz-Buchverlag erschienene Sammlung von NZZ-Artikeln zum Thema ,,Gewalttätigkeit in der Po1itik"320 und die im Dezember 1968 in der ,,Tat" als Gesprächsserie erschienene Reihe ,,Politik und Gewalt", die nach den Worten von Chefredaktor Alfred A. Håisler zur ,,geistigen Klåirung der Frage: Gewalt ja oder nein" einen Beitrag leisten sollte.32l Diese ersten Hinweise werden als ausreichend erachtet, um die Hypothese über die Existenz des Gewaltdiskurses um 1968 in Znnch auùustellen vorerst im Sinne der Problematisierung des Themas Gewalt und Politik im öffentlich-sozialen Raum insbesondere nach den gewaltformigen ,,Globuskrawallen" vom 29.6.-I.7.1968. An dieser Stelle muss allerdings nochmals betont werden, dass die hiermit postulierte Existenz des Diskurses faktisch erst durch seine Analyse überprüft werden kann.322 6.1.2 Der,,Ort des Aussagens": Einführung der Diskursgeme¡nschaften Um den Aussagenkorpus des postulierten Gewaltdiskuròes um 1968 z-tt identifizieren, wird gemåiss den bereits thematisierten Strategieî zttr Diskursidentifikation in einem ersten Schritt nach den ,,Orten des Aussagens" gefragt, das heisst nach den Orten der institutionalisierten Macht beziehungsweise der organisierten Gegenmacht oder den Orten des legitimierten Sprechens im Hinblick auf den Gegenstand Gewalt im politischen Protest um 1968 in Zixich.323 Als Diskursgemeinschaften"o oder Subjektpositionen, die im Themenkomplex Gewalt einen Hinblick auf den Ort der institutionalisierten Macht beziehungsweise der Zusammenhang mit der Bewertung der Kategorien ,pemonstranten', ,,Polizisten', ,Behörden", ,fuschauer" und macht ,,Ereignisse" als wichtige Analysedimension beigezogen. Die Einfihrung dieser Analysedimension .Wochenzeitungen Tagesoder deutlich, dass die Problematisierung des Gewaltthemas bei allen obgenannten vorzufinden war. SA, KS 335/41a, Die Zti,rcher Unruhen. Inhaltsanalyse der Zeitungsberichte über die Zircher Unruhen vom 29.6.-1.7 .1968, Soziologisches Institut der Universität Zitrrch, 10.7.1968. 320'Wehret den Anfängen! Zur Gewalttätigkeit in der Politik. t" ,,Taf', 14.12.1968. "'Ygl. dazu Abschnitt 4.1.1. Vgl. dazu Abschnift 4.1.2. "' 324 Das Mit- rmd Gegeneinander, in dem der Gegenstand eines Diskwses formiert wird, erzeugt spezifische Diskursgemeinschaften. Solche Diskwsgemeinschaften gewinnen ihre charakteristische Gestalt durch die Einheit disku¡siver Beitrage mit und die Differenz oder Abgrenzung zu anderen Diskursgemeinschaften, die divergierende Lesarten zum gleichen Themengebiet entwickeln, und nach innen durch den mehr oder weniger identischen Gebrauch gleicher Argumente. Diskwsgemeinschaften besitzen diskursive und soziale Wwzeln. Sie entstehen diskursiv durch Verwandtschaft der Argumentationspraxis und ihre Anbindung an gemeinsame Traditionszusammenhänge. Sie werden sozial durch Zugehörigkeit zu spezifischen Milieus oder Pa¡teien und 73 DrsruRs¿.t¡ALYSE Lz¡NUeTSARBEIT organisierten Gegenmacht darstellen, werden einerseits das sogenannte ,,Establishment", reprtisentiert durch den Stadtrat als Exekutive der freisinnig dominierten Stadtregierung und die ,,Neue Zircher Zeitttng" als Sprachrohr des Ztdrrcher Wirtschaftsfreisinns, und andererseits die ,,Junge Linke" eingeführt, in starker Vereinfachung vertreten durch die FSZ und die Junge Sektion sowie die Koordinationsgruppe FASS. Der Stadtrat und die NZZ als das Gros der als Diskursgemeinschaft ,,Establishment" stellen dabei keineswegs ,,Establishmeît" zrl charakterisierenden institutionalisierten Macht im Hinblick auf den Themenkomplex Gewalt dar. Dennoch scheint die Beschränkung auf den Stadtrat und die NZZ als Diskursgemeinschaft ,,Establishment" gerechtfertigt, wenn man berücksichtigt, dass diese bei den politischen Auseinandersetzungen um 1968 in Zürrich spezifische Sprecherpositionen zum Gegenstandsbereich Gewalt einnahmen, die gehört werden und als wahr gelten sollten. Umgekehrt ist die in sich bereits heterogene ,,Junge Linke" und insbesondere die FSZ und die Junge Sektion nicht als Gesamtheit der aus unterschiedlichsten und ungleichzeitigen Subkulturen hervorgegangenen 68er Bewegung in Zirtch zu verstehen (vgl. Abschnitte 5.5.1.2 und 5.5.1.3). Mit ihrer Organisationsstruktur und den vor allem im Kontext der Ereignisse rund um die ,,Globuskrawalle" angesiedelten politischen Aktivitäten lassen sich die FSZ und die Junge Sektion allerdings im Vergleich zt nicht-institutionell um 1968 aber als einzige Subjektpositionen einen Ort der organisierten, in Text (und Bild) in Erscheinung gebundenen Teilnehmerlnnen der Proteste eruieren, die überhaupt tretenden Gegenmacht darstellen. 6.1.3 Bestimmung der diskursiven Ere¡gnisse im Gewaltdiskurs Um den Aussagenkorpus des Diskurses schliesslich zusaÍrmenstellen zu können, müssen als zweiter Schritt in der Diskursidentifikation - wie im Abschnitt 4.I.2 festgehalten - die diskursiven Ereignisse als Kristaltisationspunkte in der kontinuierlichen Auseinandersetzung der Diskursgemeinschaften zum Gegenstand Gewalt im Protest um 1968 bestimmt werden. Um sich der Problematisierungskonjunkhr des Gegenstandes Gewalt anzunähern, wird vorerst von der - im Abschnitt ztt den evidenten Wissenseinheiten bereits angesprochenen - Annahme ausgegangen, dass die zwei Aktivierungsereignisse im Juni 1968 (31.5.1968: Jimi Hendrix-Kon2ert,15.6.1968: Protestdemonstration und Besetzung des Globus-Gebäudes) und durch Gegnerschaft zu konkurrierenden Gruppen vergemeinschaftet. Scl¡u,ab-Trapp, Legitimatorische Diskurse, 309. Z;61n Widerspruch zwischen der Apriori-Bestimmung von Diskursgemeinschaften/Subjeþositionen und 74 DsrunseNarvs¡ LzgNuersARBEIT die ,,Globuskrawalle" vom 29.6.-1.7.1968 zu einem diskursiven Zentralereignls geführt haben, das gewissennassen als ,,heisse Zone" des Diskurses gelten kann. Um weitere diskursive Ereignisse im Gewaltdiskurs zu bestimmen, wird dieses diskursive Zentralereignis als Ausgangspunkt fixiert, um anschliessend nach weiteren Aktivierungsereignissen im Protest zu fragen, die - chronologisch betrachtet - vor und nach dem diskursiven Zentralereignis in der Öffentlichkeit auf Resonanz gestossen sein und eine Problematisierung des Gegenstandes Gewalt im politisch-sozialen Kontext nach sich gezogeî haben könnten. Der Einbezug weiterer diskursiver Ereignisse scheint insbesondere für die Ermittlung einer möglichen Tranformation des Diskurses, das heisst für die Evaluation der Diskursdynamik von entscheidender Bedeutung. Für das Aktivierungsereignisse an, Jahr 1967 bieten sich hierbei die aufgrund ihrer drei unkonventionellen Artikulationsformen (Demonstrationen, Sitzblockaden) sowie der konfliktiven politischen Themenstellungen auf die Existenz von ihnen angelagerten diskursiven Ereignissen im Rahmen des Gewaltdiskurses schliessen lassen: Die Vietnamdemonsüation vom 4.2.1967 (organisiert vom,,Komitee gegen den Vietnarnkrieg", dem auch die FSZ und die Junge Sektion angehörten), die Protestdemonstration gegen die Stadtpolizei vom 26.8.1967 (organisiert vom FAS und den ,,Zirchem für Polizeisäuberung", wiederum unter Teilnahme der FSZ und der Jungen Sektion) sowie die Kundgebung zlttm intemationalen Vietnamtag mit anschliessender Demonstration vom 21.10.1967 (organisiert vom ,,Komitee gegen den Vietnamkrieg"). Da unmittelbar vor der ,,heissen Zone" des Diskurses im Juni 1968, insbesondere im April und Mai 1968 manifest gewalttatige Ausschreitungen zwischen Demonstranten und Ordnungskräften in Nachbarländern zu verzeichnen waren, wird auch im Hinblick auf diese Ereignisse verrnutet, dass sie mit einem diskursives Ereignis des Gewaltdiskurses in ZtiLrich verknüpft sind. Für das Jahr 1969 schliesslich stellt vor allem die Protestdemonstration vor dem Ztircher Obergericht am 11.6.1969 ein Aktivierungsereignis dar, in dessen Umfeld Aussagen des Gewaltdiskurses auùufinden sein dürften; es wurden Sachbeschädigungen und Verkehrsstörungen festgestellt. Die Gesamtheit der Aussagen der Diskursgemeinschaften ,,Establishmenf' und ,,Junge Linke", welche sich im Rahmen der hier erwähnten diskursiven Ereignisse konstituierten, bildeten das ,,konkrete Korpus", das der folgenden Analyse zugrunde lag. Foucaults Beschreibung disku¡siver Formationen der Äusserungsmodalitäten (Subjektpositionen) siehe auch Anm. 196. 75 DrsruRsRNervsp LzpNuersARBEIT 6.2 Analyse des Gewaltdiskurses 1967-1969: Die Organisation des Aussagenfeldes Als vorweggenommenes Fazit, das den Einstieg in die detaillierte Übersicht der Ergebnisse der Diskursanalyse erleichtern soll, wird im folgenden das im Ordnungsschema beziehungsweise der Orientierungsrahmen dargestellt, Diskurs eruierte in welchem die Grundüberzeugungen, Vorstellungsmuster und Deutungslinien zur Gewalt zwischen 1967 wd 1969 generiert, wiederholt und ståindig modifiziert wurden (siehe nachfolgende Auflistung). Das Ordnungsschema oder der Orientierungsrahmen ergibt dabei ein auf hoher Abstraktionsstufe gezeichnetes Bild von der Organisation des Aussagenfeldes im Gewaltdiskurs. Insgesamt werden im Gewaltdiskurs vier, sich teilweise überlappende Dimensionen /tir das Erscheinen des Gegenstandes Gewalt definiert.Im Hinblick auf die zwischen 1967 urrd 1969 sukzessive definierten Dimensionen der Feldorganisation werden sowohl der semantische Raum skizziert, in welchem die Bedeutungsausprägungen des Gewaltbegrrffs stnrkturiert und im Verlauf des Diskurses transforrniert werden, als auch die dislrursiven Strategien entwickelt, welche die legitimen Sichtweisen und Deutungsmuster zur Gewalt institutionalisieren. Die Organisation des Aussagenfeldes im Gewaltdiskurs 1967-1969 PolitityDimension Der Gegenstand Gewalt erscheint innerhalb eines Orientierungsrahmens, der von Aspekten politisch-institutioneller Ordnungsentwürfe geprägt ist. Die Aspekte beziehen sich dabei auf die Institutionen, Instrumente und Techniken verschiedener Ordnungsentwürfe (Staatsfonnen), zum Beispiel die Foren politischer Artikulation (Parteien, Verbåinde, Parlamente) oder die Instrumente und Techniken der politischen \Villensbildung und Einflussnahme. Für den Ordnungsentwurf ,,Demokratie" entwickeln sich im Diskurs zwei moralisch verbindliche Direktiven: das für die Staatssubjekte geltende Gewalttabu und das Gewaltmonopol des demokratischen Staatsapparates. Im Hinblick auf eine autokratische Herrschaftsordnung (Diktatur) mit entsprechenden Herrschaftsinstrumenten und -techniken verliert das staatliche Monopol auf Gewaltanwendung sein moralisches Fundament und die Verbindlichkeit des Rechtsdimension Gewalttabus wird für die Staatssubiekte aufgehoben. Der Gegenstand Gewalt erscheint innerhalb eines Orientierungsrahmens, der von den Aspekten gesetzes- und verfassungskonformen Handelns in der rechtsstaatlichen Sphtire geprägt ist. 76 DrsrunseNALYsE LzntnRrsARBErr Politischideologische Dimension Der Gegenstand Gewalt erscheint innerhalb eines Orientierungsrahmens, der von Aspekten politisch-ideologischer Denksysteme geprägt ist. Als politischideologische Denkschablonen werden im Diskurs die beiden austauschbaren Entwertungsetiketten ,,Kommunismus" und ,,Faschismus/lttrationalsozialismus" entwickelt. Diese Konstrukte bilden die Basis fi.ir die Präparation den Prinzipien der spezifischer totalitärer Gesinnungsmuster, die ,,Öffentlichkeit", ,,Gedankenfreiheit" und ,,Diskussion' entgegengestellt werden. Individualethische Dimension Der Gegenstand Gewalt erscheint innerhalb eines Orientierungsrahmens, der von den Aspekten der Ethik individuellen Handelns in Sozietäten geprägt ist. der im Hinblick auf diese Dimensionen sfukturierte semantische Raum des Gewaltbegriffes und die diskursiven Stategien der (De) Legitimierung der Gewalt werden im Laufe der Analyse genauer Die einzelnen Dimensionen der Feldorganisation sowie ausgeftihrt. Zu Beginn jedes Analyseabschnittes (der Gewaltdiskurs 1967, 1968 und 1969) wird dabei ein kurzes Fazit aus der in der Folge im Detail dargelegten Untersuchunggezogerl. Der Gewaltdiskurs 1967: Begriffsstrukturierung und diskursive 6.3 Feldorganisation, Strategien der (De-) Legitimierung Die analysierten Aussagen des Gewaltdiskurses im Jahr 1967 sind ausschliesslich mit der Subjekþosition ,,Junge Linke" verknüpft. Die Subjeþosition ,,Establishment" prägt im Zusammenhang mit den diskursiven Ereignissen im Jafu 1967 keine Diskursaussagen. Im Hinblick auf die Aktivierungsereignisse lassen sich für die Subjeþosition ,,Establishmenf' allerdings Àusserungen zur Form und zum Inhalt der politischen Auseinandersetzungen eruieren, welche für die im Jalil 1968 erfolgende Definition sowohl der politisch- ideologischen als auch der Rechtsdimension im Aussagenfeld des Diskurses relevant sind. Als gewissermassen vorbereitende Diskursaussagen deuten bezüglich der Feldorganisation an und sie die zeichnen damit Entwicklungstendenzen die Möglichkeiten der Begriffsstrukturierungen und der diskursiven Strategien bereits vor. Ftin die Feldorganisation im Jahr 1967 wtrd vorerst nur eine Dimension definiert: die polity- Dimension. Der Gegenstand Gewalt erscheint dabei in einem Orientierungsrahmen, der von den Aspekten autokratischer Ordnungsentwtirfe und deren Herrschafu instrumenten und 77 LzpNnersARBErr DrsruRseNALYSE -techniken geprägt ist. Eine umfassende Definition der Gewalt findet sich Orientierungsrahmen nicht. lndes wird ein semantischer Raum sktzziert, in diesem in welchem das semantische Zentrum des Gewaltbegriffes in. seiner Kompetenzsausprdgungl2s über die Begriffe ,,Machf' und ,,Herrschaft" (Fremdhenschaft, imperialistische Herrschaft, Diktatur) wd in seiner Aktionsausprägungl26 über die Begriffe ,,ZwaÍrg", ,,Unterdrtickung" und ,,Repression" strukturiert wird.ttt Innerhalb der polþ-Dimension wird eine diskursive Strategie entwickelt, welche die legitime Sichnryeise einer auf die USA und das gesamte spätkapitalistische ,,System" bezogenen, moralisch diskreditierten Herrschaftsordnung institutionalisiert - die physischen und psychischen Zwang, Unterdrtickung und Repression ausübende Diktatur, welche das im demokratischen Ordnungsentwurf als verbindlich geltende Gewalttabu moralisch obsolet erscheinen l¿isst. Eine eher ,,oppositionelle Gewalt" diffiis strukturierte im Rahmen der hedonistische Handlungselemente eigene beinhaltenden ,,direkten Aktionen", welche die Herrschaflsstrukfuren des Systems entschleiern sollen, erscheint datrer als legitim. 6.3.1 Vietnamdemonstration vom 4. Februar 1967 Das Aktivierungsereignis: Das ,,Aktionskomitee gegen den Krieg in Vietnam" organisiert am 4. Februar einen vom Stadtrat bewilligten32s Demonstrationszug vom Bürkliplatz zum Volkshaus Helvetiaplatz und eine Kundgebung im Theatersaal mit Referaten und einem Dokumentarfilm zum Krieg in Vietnam. Am Demonstrationszug nehmen ca. 12OO Menschen teil. Während der Kundgebung im Theatersaal werden zwei Resolutionen angenommen, die an den Botschafter der USA in der Schweiz und an Bundesrat Spühler gerichtet werden. Botschafter Hayes wird darüber in Kenntnis gesetzt, dass die Sympathie der Schweizer Íü¡ die USA am Schwinden sei. ln der Resolution an Bundesrat Spühler wird dieser aufgefordert, dem Bemühen um Vermittlung im Vietnamkrieg die absolute Priorität einzu räumen. Die Aussagen des Gewaltdiskurses finden sich im Rahmen von Ausserungen zur damaligen Situation im Vietnamkrieg. Der Gewaltbegriff selbst füllt nicht explizit. Im Kontext des Vietnamkriegs wird das Verhalten der USA jedoch mit Begriffen beschrieben, die im Umfeld des Gewaltbegriffes im Sinne des Aktionsbegrffis angesiedelt werden können. Die USA übt eine Praxis der ,,Zerstörung" und des ,,Terrors" aus, die mit den im Kontext physischer "t vgl. Abschnitt ,ru tt' t" 2.1.1 Ebd. Vgl. Abschnitt 6.3.4: Semantischer Raum des Gewaltbegriffes im Diskurs 1967 studt AZ,Y.B.a.I3, Stadtrat von Zürich, Sitzungsprotokoll vom 2.2.1967. 78 DrsruRseNALYSE LzgNlersARBEIT Aktionsgewalt situierten Begriffen ,,Folterung", ,,Erschiessung", ,,Bombardierung" und ,,Mord" (mit den Waffen Napalm, Phosphor, Giftgas, Splittergranaten und Dum-DumGeschossen) inhaltlich gefüllt und als ,,grausam" taxiert wird. Andererseits wird die Praxis auch mit dem Begriff ,,Unterdrtickung" bezeichnet, der als Gegenbegriff zu den Begriffen ,,Freiheif' und,,selbstbestimmungsrechf' verwendet und damit im Kontext der psychischen Aktionsgewalt situiert wird. Die von der USA ausgeübte,,Unterdrückung" entspricht überdies Mit einer ,,uffechten" Handlung. den Begriff ,,Herrschaft" wird der semantische Raum des Gewaltbegriffes auch in seiner Kompetenzausprägung strukturiert. Der Begriff ,,Hetrschaft" wird dabei mit dem Begritr ,,Demokratie" erscheint. ,,Fremdherrschaft" assoziief, als deren Antonym die 329 Indem innerhalb der polity-Dimension der Feldorganisation die Herrschaftsform der USA als ,,Fremdherrschaft" entwickelt wir{ welche das Selbstbestimmungsrecht und die Freiheit der Vietnamesen unterdrückt (psychische Aktionsgewalt), das Volk grausam ermordet und das Land zerstört (physische Aktionsgewalt) wird das Vorgehen der USA moralisch diskreditiert und delegitimiert. Eine diskursive Strategie der Legitimierung von gewalts¿unen Formen des Protests der Vietnamesen gegen die USA oder von neuartigen, den Gegenstand Gewalt reflektierenden in der Schweiz wird aufgrund dieser Delegimierung Aktionsformen der Protestbewegung indes nicht entwickelt. Ebensowenig wird die ,,illegitime Herrschaft" der USA und ihre Pra¡ris der ,,Unterdrückung" mit den gesellschaftlich-politischen Verhaltnissen in der Schwetz als spätkapitalistische Industrienation direkt verglichen. Diese Strategien und Vergleiche fliessen erst Ende des Jahres 1967 n den Gewaltdiskurs ein und werden im Jahr 1968 im Hinblick auf das Protestverhalten der Opposition in der Schweiz weiterentwickelt (siehe dazu Abschnitt 6.3.3). Eine erste Annåiherung an die sprachliche Strukturierung des Vergleichs zwischen der durch die USA praktizierten ,,Herrschaft" und den gesellschaftlich-politischen Konstellationen in der Schweiz setzt allerdings bereits etwas frtiher ein: Als Reaktion auf Vieûramdemonstration vom 4.2.1967 n die Znrich und zwei weiteren Demonstrationen in Bern und Zürich330 wird bereits im Mai 1967 innerhalb der ,,Jungen Linken" eine Diskussion äber Formen und Funktionen von Demonstationen in der Schweiz geführt. Im Rahmen dieser t2n,2eitdiensf', 3'o 1 1.02.1967 ; SA, 4r.20 1.3 5, Vietram-Aufrut Februar 1 967. Es haodelt sich dabei um den Friedensmarsch Biel-Bern sowie um die l. Mai-Krmdgebung 79 inZtrtch. DrsruRseNRrvsg Lz¡NnersARBEIT Ausserungen finden sich erstmals Diskursaussagen mit dem explizit forrnulierten Begriff ,,Gewalt", der vorerst mit den beiden Begriffen ,,Macht" und ,,Herrschaft" substifuiert wird Es handelt sich hier um die Kompetenzausprägung des wobei dieser nicht mit den USA, sondern mit dem ,,System" der (semantisches Zentrum). Gewaltbegriffes, spätkapitalistischen Gesellschaft - der ,,bürgerlichen Diktatur" - als Auslöser in Verbindung haxis der ,,Gewalt des Systems" (im Sinne von Herrschaft und Macht) wird einerseits als ,,Zwaîg" definiert, wobei dieser Zwang sich darin äussert, dass in der gebracht wird. Die schweizerischen Demokratie Formen und Kanäle der Meinungsäusserung ,,eingebürgert" und ,,kontolliert'werden (psychische AktionsgewalQ. Die Herrschaft wird demnach,,in der Fonn der Demokratie" ausgeübt, die ,,Gewalt des Systems" ist ,,nicht direkt spürbar".33l Sptirbar wird sie erst bei der Überschreitung des Gesetzes, wo sie in Form der Gewalt der Polizei oder des Milit¿irs in Erscheinung tritt (physische Aktionsgewalt). Wie im Zusammenhang mit den Herrschaftspraktiken der USA Orientierungsrahmens in Vietnam werden an dieser Stelle innerhalb der polity-Dimension sprachliche des Strategien zatt moralischen Diskreditierung und Delegitimierung der,,Gewalt des Systems" entwickelt: Die ,,btirgerliche Diktatur" übt psychischen und physischen Zwang aus (kontrolliert Formen und Kantile der Meinungsäusserulg, Gewalt der Polizei und des Militåirs) und verliert als Ordnungsentwurf damit jegliche moralische Legitimität. kn Gegeîsatz ^tr Vietnamdemonstration werden daraus nun aber Schlüsse füLr die Legitimierung der Forrnen wd Ziete des politischen Protestes in der Schweiz gezogen. Da die ,,Gewalt des Systems" nicht mehr direkt sptirbar ist, wird die Erzeugung des ,,fehlenden Bewusstseins von der Herrschaftsstruktur des kapitalistischen Systems"332 tüm Ziel desProtestes erklåirt. Gefordert wird deshalb: ,,Keine Zugeständnisse an btiLrgerliche Ordnung und Anständigkeit, sondern lieber Aussergewöhnliches, Spannendes bieten, um die gân?e Bande jugendlicher Sexprotestler und Provo-Bewunderer amtziehen, d.4. _eine Gigenkultur schaffen. [...] Mehr Interessantes, meh¡ Aussãrgewöhnliches, mehr Radikalismus, mehr Witz!'ó33 Die konkrete Protesþraxis soll in kleinen, ,Justvollen' und Aufsehen erregenden Aktionen bestehen, bei welchen das Bewusstsein ,,2.T. durch Parolen, z.T. durch Rede und Diskussion propagiert [wird]".334 In diesem Zusammenhang wird nun auch erstrnals der Begriff,,Gewalt" in Verbindung mit dem Protest der,,Jungen Linken" sfukturiert: 33r,,zeitdienst', I9.5.1967 332,4eitdiensf', 19.5.1967 333,Zeitdiensr", 19.5.1967 334 ,,zeítdiensf', 19.5 .1967 80 LzpNnersARBErr DrsruRseNALYSE ,,Vy'enn eine Gruppe von Menschen das Systern der Gesellschaft, in der sie leben, ändern wollen, brauchen sie dazu Gewalt, eine Gewalt, die stärker sein muss als diejenige, die das alte Systern sttitzt.'ó35 Es handelt sich indessen weder um den Aktionsbegriff noch um den Kompetenzbegrifl sondern um die Gewalt im Sinne einer Metapher336: Durch die Wendungen ,,gemeinsame St¿irke" und,,zahlenmässigen Stärke der Opposition" wird mit dem Begriff Gewalt Vehemenz und K¡aft assoziiert. Im weiteren Verlauf der Analyse kann gezeig! werden, dass die eigene Gewalt in Bedeutungsausprägung von ,,Kraff' und ,,Sttirke" von der Subjeþosition ,,Junge Linke" durch die Integration der an dieser Stelle bereits angeklungenen Terminologie verwendeten - der - allerdings nicht in expliziter theoretischen Versatzstücke Marcusescher Prägung337 allmtihlich neu strukturiert wird: Ende 1967 wird im Zusammenhang mit den ,,direkten Aktionen" der Opposition die ,,oppositionelle Gewalf' entworfbn und im Jahr 1968 zur doppeldeutigen ,,Gegengewalf ' transformiert.33s Wie einleitend bereits erwåihnt, fritt der Gegenstand Gewalt ..Establishment" im Hinblick auf in der Diskursgemeinschaft das Aktivierungsereignis Vietnamdemonstration vom 4.2.1967 nicht in Erscheinung. Der Bericht tiber die Demonstration und die Forderung des Aktionskomitees, die militåirischen Aktivitaten in Vieûran einzustellen, wird vielmehr zum Anlass genommen, um die Veranstalter der Demonstration ins Zentrum der Aufürerksarnkeit zu rücken und die einzelnen Akteure zu typologisieren. Hauptelement der unter dem Titel ,,Propagandisten Hanois" erscheinenden Typologisierung ist ein manifester Unterwanderungsvorwurf Die Veranstalter werden bezichtig¡, kommunistisch infiltriert und linksextremistisch gesinnt zu sein. Als ,,Generalstäbler" und,,Mini-Apparatschiks" würden die,,Eiferer aus dem Ftihrungsgremium" versuchen, die anwesenden Linkssozialisten, die sich ,þewusst oder naiv gebrauchen liessen", beeinflussen. Die mit ihrer anti-amerikanischen Haltung zat Stellungnahmen zlttm Vietnamkrieg werden rundweg als tendenziös bezeichnet.33n Überdies gelten die Teilnehmer der Demonstration als nicht repråisentativ für die 33s,,Zeitdiensf', 19.5.1967 . t'u Vgl. dazu Anm. 43. 3" Das von Marcuse beeinflusste Vokabular beinhaltet dabei insbesondere die Begriffe ,"lr4anipulation" und (verschleierte manifeste Gewalt) sowie den Begriff,,Gegengewalt", der dem und ,,Natturecht" auf ,,Repression" gewaltsamen Widerstand entlehnt wurde. Vgl. dazu auch die Abschnitte 2.3.1.1 und2.3.I.2. 338 T,,r,,oppositionellen Gewalt" siehe Abschnitt6.3.3,zur,,Gegengewalt" die Abschniue 6.4.2vnd6.4.4. 3t'N22,6.2.1967. 8l DTSTURSRNALYSE LTzSNTIATSARBEIT Zircher Bevölkerung. Untermauert wird diese These mit Verweisen auf die äusserliche Erscheinung der Teilnehmer: ,,Herbeigeströmt wa¡ keine repräsentative Vertretung der bürgerlichen Bevölkenurg, auch nicht die Zijrchet Linke, sondern nur ihr linker Rand. Aktivisten der Jungen Sektion der PdA, die den Anstoss gegeben hatte, agierten aus dem Hintergrund als Generalstäbler. [...]. Einen beachtlichen Harst stellte die Fortschrittliche Studentenschaft. Dazu kamen die Bärte und Baskenmützen, die Beatnik-Mädchen und raffaelischen Jünglingsfrisuren, die ergrauten Pazifisten und unschuldige Kinder, die zu jeder kornmunistisch gesteuerten Veranstaltung dieser Art im In- und Ausland gehören".3O Diese über die subversive politische Gesinnung und die unkonventionelle äusserliche Erscheinung konstruierte Diffamierung und Diskreditierung der Alcteure (Veranstalter und Teilnehmer) kann als diskursive Ausgrenzungsstrategie verstanden werden, die das emotional neurotisierende, regressive und repressive Kräfte weckende ,,Feindbild Moskau" wiederum aufleben låisst'at und zur Delegitimierung des Protestes beiträgt. Wie in der Folge gezeigt werden kann, wiederholt sich diese diskursive Strategie zur Delegitimierung des Protestes in den Äusserungen nt den Aktivierungsereignissen von 1967 und taucht 1968 ersûnals im Zusammenhang mit den Aussagen z.rrrl Gegenstand Gewalt innerhalb des politisch- ideologischen Orientierungsrahmens des Diskurses auf. 6.3.2 Protestdemonstration gegen die Stadtpolize¡ vom 26. August 1967 Das Aktivierungsereignis: Die ,,Fortschrittlichen Arbeiter und Studenten" (FAS) und die ,,Zürcher für am 26. August auf dem Hirschenplatz eine nicht-bewilligte gegen die Stadtpolizei Zürich. Die Demonstration ist eine Polizeisäuberung' organisieren Protestdemonstration Solidaritätskundgebung für Detektiwtrachtmeister Kurt Meier (polizeiinterner Name ,Meier 19"), der geheime Dokumente über inteme Missstände bei der Stadtpolizei Zürich (privilegierte Behandlung eines Obersten nach einem Verkehrsdelikt) an einen Juristen weitergab und vom Obergericht Zürich wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses verurteilt und von der Kriminalpolizei suspendiert wurde. Auf dem Hirschenplatz wird ein Galgen aufgestellt, an dem eine lebensgrosse Puppe in Polizeiuniform Yo sl Nz7,6.2.1967. Bereits anlässlich des ersten von der FSZ organisierten Vietnam Teach-ins vom 7 .7.1965 an der Universität Zi¡rtch wu¡de die FSZ in der NZZ als ,,unter extrem linken Einfluss stehend" charakterisiert (NZZ, 9.7.1965). Gegen diesen Vorwurf wehrte sich die FSZ in einem Schreiben an dieNZZ, in welchem sie betonte, dass sie ,,von keiner politischen Organisation weder abhängig ist, noch beeinflusst wird. Die Zusammensetzung ihrer Mitglieder und ihres Vorstandes wie auch ihre Tätigkeit können keineswegs als linksexfiem bezeichnet werden." Wie die Replik der NZZ auf dieses Schreiben beweist, schienen diese Klåirungen durch die FSZ jedoch ungehört zu verhallen: Man sprach weiterhin von dem ,,getarnten Vorgehen der Kommunisten" und \varnte vor der Studentenorganisation: ,pas Bestehen und die auffallende Aktivität einer von linksextremen K¡äften infiltrierten und beeinflussten Studentenguppe an den Hochschulen Zürichs verdient [...] die wachsende Aufinerksamkeit der Öffentlichkeit". Auch im Jahr 1966 wurde gegen die FSZ der Vorwurf laut, sie sei eine ,,kommunistisch gesteuerte Tarnorganisation'. Die Debatte über die vermeintlichen ,$ryptokommunisten" der FSZ wurde im ,fiíircher Student" im Januar und Februar 1966 geführt und schliesslich vom Tages-Anzeiger unter dem Titel 82 DrsrunseNALYSE LzBNUeTSARBEIT hängt. lm Zuge der Kundgebung setzen sich die Demonstranten auf die Strasse; der Verkehr zwischen Central und Bellevue wird blockiert. Die Puppe in Polizeiuniform wird verbrannt.3a2 Die Diskursaussagen finden sich im Rahmen der Ausführungeî z1r den internen Missståinden bei der Stadtpolizei Ziinch. Der Gewaltbegriff ftillt nicht explizit. Änderungen in Bezug auf den semantischen Raum des Gewaltbegriffes sind insoferî Zusammenhang mit der Bewertung der Missstände im zr verzeichnen, als dass im Zvrcher Polizeiapparat und der Entscheidung des Zircher Obergerichts der Begriff ,,Unterdrtickung" im Sinne des Aktionsbegriffes der Gewalt nicht mehr mit den USA, sondern mit dem Gesetz, den Richtern und der Polizei in Verbindung gebracht wird.*' Überdies wird die Praxis der ,,Klassenjustiz" mit einem im Kontext physischer Aktionsgewalt situierten Begriff inhaltlich gefüllt Gesetze und Richter,Jråingen" die,,Kleinen": ,,[...] solche Beispiele beweisen, dass die Reichen und ihre ¡¡¿pdlanger in Behörden und Regierwrg von Gesetz und Richtern geschont werden, die normalen Arbeiter und Angestellten jedoch unterdrtickt r¡nd bestraft werden. V/ir haben eine Klassenjustiz: ,,Die Kleinen håingt man, die Grossen lässt man laufen!"s Die innerhalb der polity-Dimension entwickelte diskursive Stategie, welche das Vorgehen der Richter, der Polizei und des Gesetzes als ,,die normalen Arbeiter und Angestellten" unterdrückende und den ,,unschuldigen, kleinen Polizeiwachmeister" hängende ,,Klassenjustiz" moralisch diskreditiert und delegitimiert, dient in der Folge der Legitimierung der Protestdemonstration, die in dieser Form (Sit-in, Mitführen eines Galgens, sytnbolischer Verbrennungsakt) nZtxich noch nicht beobachtet werden konnte. Die neue Auspråigung des Protestes wird als Ausdruck der,,Verståirkung des demokratischen Bewusstseins" interpretiert, der Protest selbst als ,,demokratischer Protesf' und als ,,Plausch" und ,,Happening" beschrieben.s5 Nachdem sich die Äusserungen des ..Establishments" Vieûramdemonstration vom 4.2.1967 hauptsächlich zu der vom Stadtat bewilligten auf die Typologisierung und Charakterisierung der Veranstalter und Akteure fokussierterU werden die Veranstalter der unbewilligten Protestdemonstration gegen die Stadtpolizei vom 26.8.1967 zwar wiederum typologisiert, tiberdies aber auch mit kritischen Kommentaren zur Forrn ihrer Aktionen ,,Stark genug, r'n auch mit Kommunisten zu diskutieren: Ist die ,,Fortsch¡ittliche Studentenschaft Zürich" geführlich oder nützlich?" aufgenommen (,,Tages-Anzeiger", 12.2.1966). *t Y gl. Bösch,Meier 19, 7-15. StB, Æ.I}sl}2,Flugblatt ,,Zitrchq für Polizeisäuberrurg", ohne Datum; ,,Zeitdienst", 2.9.1967. StB, k.l}5l}2,Flugblatt ,Zircher fü,r Polizeisäuberung", ohne Datum. *' * 83 DrsruRsRNer-vse LzENnRrsARBErr wåihrend der Demonstration bedacht. Die FSZ als ,,Drahtzieherin" und,,treibende wie bei der Vietnamdemonstration als Organisation Kraft" wird bezeichnet, ,,die bekanntlich von linksextremen Einflüssen nicht frei isf'und einen ,,extremistischen politischen Hintergrund" aufweist.a6 Die Art und Weise des Protestes gibt zu,,schweren Bedenken" zeig¡ man sich über die ,,Störungen" und vor allem Arlass, beunruhi$ über die ,,Masslosigkeit der Slogans" (beispielsweise ,,Die Kleinen h¿ingt man, die Grossen lässt man laufen!") und die ,,Teîderu der gegen die Polizei als tnstrument der öffentlichen Ordnung überhaupt gerichteten Demonstratioî".Y1 Im Zusammenhang mit den Beobachfungen AÍ Form des hotestes wird die Schlussfolgerung gezogeî, dass der Protest von den,,Drahtziehern" nur benutzt werde, um den Staat und die Gesellschaft ver2ichtlich zu machen. Wiederum trägt die - über die subversive politische Gesinnung konstruierte der Akteure zltfi Delegitimierung ihres Protestes - Diskreditierung bei. Der bereits anlässlich der Vieûramdemonstration vom 4.2.1967 entwickelte Unterwanderungsvorwurf gewinnt an dieser Stelle allerding einen neuen appellativen Aspekt, indem er in den Kontext eines für die staatliche und gesellschaftliche Ordnung der Schweiz fonnulierten Bedrohungsszenarios gestellt wird: ,,Die Art und Weise, in welche der Protest zu einer Attacke gegen die Einrichtwrg unseres Staates benutzt wurde, lässt erkennen, dass es den Drahøiehern hinter dieser Demonstration nicht so sebr um die Wiedergutnachtung eines möglichen Unrechts ging als vielmebr darum, diesen Staat rmd seine Gesellschaft verächtlich zu machen. Der extremistische politische Hintergrund der angeblich für Freiheit und Gerechtigkeit sich einsetzenden Aktion wird nicht tibersehen werden diirfen.'&8 6.3.3 lnternationaler Vietnamtag vom 21. Oktober 1967 Das Aktivierungsereignis: Die ,,Fortschrittliche Studentenschaft Zürich" (FSZ) organisiert am 21. Oktober anlässlich des lnternationalen Vietnamtages eine Kundgebung im Börsensaal. Die Kundgebung ist eine Solidaritätsaktion für die inneramerikanische Opposition gegen den Vietnamkrieg. An der Kundgebung im Börsensaal wird von den USA die bedingungslose Einstellung der Bombardierungen und die vorbehaltlose Anerkennung des Selbstbestimmungsrechtes des vietnamesischen Volkes gefordert. lm Anschluss an die Kundgebung setzen sich die Teilnehmer vor dem amerikanischen Konsulat auf die Strasse; der Verkehr wird blockiert, eine Protesterklärung wird per Lautsprecher verlesen. Anschliessend versammeln sich einige Teilnehmer beim Paradeplatz; erneut wird eine Protesterklärung verlesen. rs,¿eitdienst', 2.9.1967 . Yu N22,28.8.1967. Die als ,,StOrungen" bezeichneten Vorfülle anlässlich der Demonstration, namentlich die Behinderung des Verkehrs, das Einscblagen einer Scheibe eines Tramwagens und die Beschädigung einer Kupplung eines v' Tramzuges erregten dabei gegenüber der,,Masslosigkeit der Slogans" und der,,Tendenz der gegen die Polizei als Instrument der öffentlichen Ordntrng gerichteten Demonstration" weniger Bedenken (N22,28.8.1967). Yr N77,28.8.t967. 84 LzpNnRrsARBErr DtsruRseNervsp lm Zusammenhang mit der Beurteilung der Situation in Vietram wird das Vorgehen der USA, wie bereits anlässlich der Vietnamdemonstration vom Februar 1967, mit den im Kontext physischer Aktionsgewalt situierten Begriffen ,,Zerstörung", ,,Terror" und ,,Mord" (mit den V/affen Napalm, Splitterbomben, Dum-Dum-Geschossen, Giften und Entlaubungsmitteln) umschrieben. Auch der im Zusammenhang mit der ,,bürgerlichen Diktatur" bereits geprägte Begriff ,,ZwarLg" taucht erneut auf, wobei er nunmehr auch in Bezug auf die Urheberin USA verwendet wird.3ae Ob der Begriff im Kontext der psychischen oder physischen Aktionsgewalt situiert werden kann wird allerdings nicht klar. Auch mit dem im Hinblick auf ,/wang" kontradiktorisch verwendeten Begriff ,,Freiheif'lost sich diese Unklarheit nicht auf Eine Referentialisierung der verbalen Aussagen mit einer nicht-verbalen Aussage zum Vieharnkrieg kann die Bedeufungsausprägungen von ,,ZwaÍrg" und ,,Freiheit" konkretisieren (siehe unten): indes Auf einem anltisslich der Demonstration vom 21. November 1967 verteilten Flugblatt erscheint eine Photographie eines US-Soldaten, der vier Vietramesen mit enblösstem Oberkörper und auf dem Rücken gefesselten Håinden an einem Seil hinter sich herzieht, das jeweils um die Hälse der Vietnamesen geknüpft ist. Der amerikanische Soldat kehrt dem Betrachter des Bildes seinen Rücken zu. Die Gesichter von zwei Vietnamesen mit schmerzverzehrtem und leidendem Ausdruck sind sichtbar, wobei einer der beiden durch einen an seinem Hals festgebundenen Sack eine gebeugte Haltung annimmt. ,,Zwarrg" wird in dieser nicht-verbalen Aussage im Sinne der physischen Aktionsgewalt strukturiert. ,,Freiheit" als Gegenbegriff entwickelt sich demgegenüber in der Bedeutungsausprägung des physischen Ungebundenseins. Ouelle: S A, Æ.20 sn 1. 3 5, Flugblatt,,Vieûrarn', 2I. 10. 19 67 . ,,Zeitdie.tst",27 .10.1967; SA, Ar.201.35, Manuskript ,,Rede im Börsensaal zum Intemationalen Vietnamtag", 21.t0.t967 85 LzBuu¡,rsARBErr DrsruRseuALYSE ,,Indem wir dwch Aktion die Erscheinung der Gesellschaft praktisch kritisieren, an denen die Repression des Systerns am ehesten gefüúrlt oder mitgefühlt wird (Polizei, Vietnam u.a.) versucht die fsz, in Zusammenarbeit mit anderen fortschrittlichen Kräften rurd Organisationen, imrner rnehr Menschen aritikapitalistisch zu engagieren. Die sinnliche Erfahrung des Protestes, der Widerstand, der von den Institutionen entgegengesetzt wird, urd die Diskussion und Agitation in der Aktion durchbrechen das durch Erziehung und Manipulation errichtete ideologische Gebäude und erleichtern die Einsichten in die Mechanismen der Herrschaft.'as6 Diese Beschreibung der ,,direkten Aktionen" bildet eine Basis des sprachlichen Laboratoriums, in welchem sich in den Jahren 1968 und 1969 im Hinblick auf die Formen politischer Auseinandersetzungen neue Begriffe ausbilden, die den Diskurs neben dem bereits Begriff ,,Manipulation" dominieren werden: die ,,Provokation" und die ,,Gegengewalf'. Die beiden Subjekþositionen ,,Junge Linke" und ,,Establishment" geprägten differenzieren die Begriffe ,,Manipulation", ,,Provokation' und ,,Gegengewalt" allerdings höchst unterschiedlich aus und generieren damit gleichzeitig auftretende kontradiktorische Gewaltbegriffe. Überdies entwickeln sie im Hinblick auf das eigene sowie das fremde Gewalthandeln auch gegensätzliche diskursive Delegitimierungs- beziehungsweise Legitimierungs strate gien. Wie bereits bei der Vietnamdemonstration vom 4.2.1967 und der Protestdemonstration gegen die Stadþolizei vom 26.8.1967 wird der politisch-ideologische Hintergrund der Veranstalter in den Äusserungen des ..Establishments" zum Intemationalen Vietnarntag beleuchtet. Der Unterwanderungsvorwurf Börsensaal werden wird erneut formulierL Die wie bereits anlässlich der verschiedenen Darbietungen im tendenziös bewerte! unverkennba¡ offenbaren sich im Februar als in den Ausführungen der Redner die Vietramdemonstration ,,uralten mamistischen Klamotten", die Übereinstimmung der Forderungen zum Vietnamkrieg mit den ,,Forderungen Moskaus" gilt als gegeben.3sT Im weiteren beziehen sich die Äusserungen auf die Forrn des Protestes, wobei im Gegensatzztx Protestdemonstration gegen die Stadtpolizei ein neues Element in Erscheinung tritü die Frage nach der Legalität 35s SA, 4r.201.35, FSZ-intern Nr. 3 (19.2.1968), 35; der t5.t2.1967. ,,Zßitdieîsf' ttu SA, Ar.201.35, FSZ-intem Nr. 3 (19.2.1968),36. Die im gesamten Programmvorschlag auftillig an Versatzstticke aus Marcuses ,,One-dimensional man" wie auch der ,,Repressiven Toleranz" erinnemde Terminologie ist kaum zufüllig: Nachdem der ,fiixcher Student" bereits im Juli 1967 Teile von ,per eindimensionale Mensch" abgedruckt hatte, trafen sich Mitglieder der Jungen Sektion und der FSZ im August 1967 ztt einem Gespräch mit Marcuse in Zürich (vgl. ,,Z.eitdienst",2.9.1967). Überdies nahmen Mitglieder der FSZ auch an der 22. SDS-Delegiertenkonferenz im September 1967 n Frankfirt teil. Das an der Konferenz gehaltene Organisationsreferat von Rudi Dutschke und Hans-Jûgen Krahl enthält diverse Parallelen zum Programmvorsctrlag und der zitierten Passage: ,,Die Agitation in der Aktíon, die sinnliche Erfahrung der organisierten Einzelkämpfer in der Auseinandersetzung mit der staatlichen Exekutivgewalt bilden die mobilisierenden Faktoren in der Verbreiterung der radikalen Opposition und ermöglichen tendenziell einen Bewusstseinsprozess für agierende Minderheiten [...).* Zit. nach Kraushaør, Frankfirrter Schule, 8d,.3,22. 357 N22,23.10.1967. 88 DrsrunseNelvs¡ LzpNrr¡,rsARBErr Protestform. Kritisiert wird in diesem Zusammenhang nicht nur die Tatsache, dass die Veranstalter keine Bewilligung für die Demonstrationszüge nach der Kundgebung eingeholt hatten, sondern auch die den ,,Verkehr behindernde Sitzdemonstration" und ,,improvisierte Herumziehen mit Lautsprecherpropaganda auf der das Strasse".358 Diese Manifestationen werden als ,,eindeutig jenseits der Grenze des Zumutbaren' bewertet, die fehlende Bewilligung entspricht nicht dem Rahmen,,von Verfassung und Gesetz".3se Die über den politisch-ideologischen Hintergrund konstruierte Diffamierung und Diskreditierung der Akteure tägt wiederum zur deren Ausgrenzung und der Delegitimierung des Protestes bei. Zlsàtzltch gesttirkt wird diese Delegitimierungsstrategie nun aber durch juristische Erwägungen, die mit appellativen Momenten verknüpft werden und damit das emotional geschtirte Bedrohungsszenario für den demokratischen Rechtsstaat perfekt erscheinen lassen: ,,Es ist [...] bekannt, dass es in der FSZ und in ihrer engen Nachbarschaft Leute gibt, die mit dem ,,Berliner Modell" liebäugeln, denen eine Radikalisierung mit Krawall nicht unwillkommen wåire. Angenommen, diese Tendenz gowänns weiter an Boden, glaubt dann die Zttrcher Stadþolizei, sie könne ihr durch besondere Milde die Spitze brechen? Es geht nicht darum, von der Polizei besondere Strenge im Umgang mit der demonstrationsfreudigen FSZ nt verlangen. Diese soll die gleichen Rechte haben wie jede andere Vereinigung, aber auch nicht mehr."3@ Die im Rahmen von Überlegungen zur Gesetzmåissigkeit und Verfassungskonformit¿it Protestes konstruierte Delegitimierungsstrategie taucht des im Jahr 1968 ersünals auch im Zusammenhang mit dem Gegenstand Gewalt innerhalb des rechtlichen Orientierungsrahmens 3s8 35n NTT ,23.10.1967. N7.7.,23.10.L967. tu'N22,23.10.1967. Auch im Zusammenhang mit dem vom 22.11.1967-13.2.1968 durchgefihrten FSZ-seminar ,pritte Welt" wwden Stimmen laut, welche vor einer ,,Roten Agitation' rmd der ,,geplanten kritischen Universität nach Berliner Muster als einem geistigen Znntnsm der permanenten Revolution" in Zürich warnten. ,,8ä,ndner Tagblatt*, 14.12.1967 (derselbe Arikel erschie¡1 im ,,Vaterland", 28.12.1968). ,Ðie Weltwoche" vermerkte hierzu: ,,Gross ist in der Schweiz das Misst¡auen jenen gegenüber, die für die Zukunft und an der Zukunft a¡beiten. Zum Beispiel die FSZ, von der immer dann die Rede ist, wenn ausserhalb des regultiren Lehrbetriebs ein ,,Happening" in Szene geht. Die Gruppe steht links, weil sie nicht rechts steht, und weil sie das tut, ist sie beliebte Zielscheibe für die Fanatiker des Status quo, die dem kalten Krieg, der alles so einfach macht, nachtrauern... " (,,Die Weltwoche", 26. l. L9 68). 89 LzpNuarsARBErr des Diskurses auf.36r DrsruRseNALYSE Im Jahr 1969 wird der rechtliche Orientierungsrahmen für das Erscheinen des Gegenstandes Gewalt sogar dominant.362 6.3.4 Semantischer Raum des Gewaltbegriffes im Diskurs 1967 1967 Subjekçosition,,Jr.rnge Linke" ekçosition,,E stablisment" þrägt lediglich,,vorbereitende" Subj Diskursaussagen) Bedeutungsauspragungen ,,Eigene" Gewalt Gewalt des/der Anderen ,,Eigene" Gewalt Gewalt des/der Anderen Der Gewalt Aktionsbegriff Oppositionelle Gewalt Terror Manipulation *Freiheit *S elb stbe stimmungsrecht Kompetenz- begritr *Demok¡atie Metapher * Semantisches Zentrum Gegenbegriffe 6.4 Der Gewaltdiskurs 1968: Die Dynamisierung des Themenkomplexes Die Aussagen des Gewaltdiskurses im Jahr 1968 sind sowohl an die Subjeþosition,,Junge Linke" als auch an die Subjektposition ,,Establishment" geknüpft. Durch das zeitgleiche Auftreten von Aussagen beider Subjeþositionen erscheint der Diskurs gewissermassen als Zwiegespräch, das durch konkurrierende Grundüberzeugungen, Vorstellungsmuster und Deutungslinien zum Themenkomplex Gewalt charakterisiert ist. Da der Diskurs nicht vollst?indig von einer dominanten Diskursregel normiert wird, kann er mit Michel Pêcheux als nicht-stabilisierter Diskurs bezeichnet werden.363 361 Anlässlich des Aktivierungsereignisses Protestdemonstration und Besetzung des Globus-Gebäudes am 15.6.1968. *'Vgl. dazu Abschnitt 6.5. %3 Pêch"ro,Rolle des Gedächtrisses, 5l 90 Lz¡NnersARBErr DrsruRseNRLysp Das Aussagenfeld des Gewaltdiskurses weitet sich sukzessive auf alle eingangs bereits dargestellten Dimensionen aus: Zt der im Jahr 1967 defnierten polity-Dimension fieten damit auch die Rechtsdimension, die politisch-ideologische und die individual-ethische Dimension. flir die einzelnen Meist låisst sich Aussagen des Diskurses nicht bloss eine Dimension bestimmen; Überschneidungen der Orientierungsrahmen für das Erscheinen des Gegenstandes Gewalt sind die Regel. Mit der Erweiterung der Orientierungsrahmen ist eine eigentliche Dynamisierung des Diskurses verbunden, da sich diskursintern mehr Möglichkeiten für die Strukturierung des Gewaltbegriffes und auch flir die Entwicklung der diskursiven Strategien der (De)Legitimierung sowohl fremder als auch eigener Gewalt ergeben. Zeitlich betrachtet markieren die gewaltsamen Studentenunruhen im Ausland im Mai und April 1968 den Beginn der Dynamisierung des Diskurses. Der eigentliche Zenit der Diskursentfaltung wird indes erst mit den ebenfalls von gewaltsamen Konfrontationen zwischen Polizei und Demonstranten begleiteten,,Globuskrawallen" Ende Juni 1968 erreicht: Der Gegenstand Gewalt erscheint in diesem Kontext ersÍnals in allen vier Dimensionen des Im Hinblick auf die Diskursdynamik l¿isst sich deshalb die These fonnulieren, dass die sukzessive Entfalfung, Erweiterung und Transformation der Aussagenfeldes. Wissenssfrukturen - die Grundüberzeugungen, Vorstellungsmuster und Deutungslinien - zttr Gewalt durch die gewalttätigen Ereignisse im Ausland zwar ausgelöst wurden, dass aber erst der Ausbruch roher Gewalt n Zurich zt den weitestgehenden (Neu-)Konfigurationen des Themenkomplexes Gewalt flihrten.3s Die Strukturierun g des Gewaltbegriffes Ln Vergleich zu Gewaltbegnff n seiner Relevanz in den Diskursaussagen des Jahres 1967 tritt seiner Kompetenzausprägung stark der in den Hintergrund. Der Gewaltbegriff taucht im Jahr 1968 damit vorwiegend im Bedeutungszusammenhang bestimmter Formen sozialer Konfliktaustragung auf: Nachdem Ende 1967 der Aktionsbegriff der Gewalt als Zwang, Unterdrtickung und Repression stnrkturiert wurde, erscheinen im semantischen Zentrun der vorrangig thematisierten fremden Gewalt nunmehr auch die Begriffe 3s Vergleiche daan auch die auf Seite 25 festgehaltene Vermutung von Oskar Negt, der im Hinblick auf die Dynamisierung der Gewaltthematik im Kontext der Studentenunruhen in der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1967 bemerkte, dass erst die ersten Demonstrationserfahrungen und Auseinandersetzungen mit den Ordnungslräften das Thema Gewalt und seine theoretische Fundierung in den Vordergrund rückten. 9t LzpNnqrsARBErr DrsruRseNer.vse ,,(repressive) Manipulation" beziehungsweise ,,Provokation". Die eigene Getualt hingegen wird mit den Begriffen,,Gegengewalf'beziehungsweise,,legale Gewalt" substituiert.36s Wie nachfolgend gezeig¡ werden kann, steht die diskursive Neustrukturierung des semantischen Zentrums in einem engen Zusammenhang mit zwei Aktivierungsereignissen, die sich vor allem im Hinblick auf das manifeste Moment der Gewalt physischen Gewaltakt - - den unmittelbaren besonders auszeichnen: dem Jimi-Hendrix Konzerl vom 31. Mai 1968 und den ,,Globuskrawallen" vom 29.6.-1.7.1968. Nach dem Jimi-Hendrix-Konzert substituiert die Diskursgemeinschaft ,,Junge Linke" die fremde Gewalt mit dem Begriff ,,Repression" und erstmals auch mit dem Begriff der ,,(repressiven) Manipulation": Neben physischen Eingriffen in die Integrität eines Menschen (Repression) wird damit auch jeglicher psychischer und sozialer Zwang im,,System" (Manipulation) explizit als Gewalt definiert. Die eigene Gewalt erscheint dagegen als (noch diffus strukturierte) ,,Gegengewalt"36. In der Diskursgemeinschaft ,,Establishment" wird die fremde Gewalt nach den Globuskrawallen erstmals mit dem Begriff,,Provokation" gleichgesetzt. Unter Gewalt wird damit nahezu jedes Handeln subsumiert, das die öffentliche Ordnung stört. Als Stellvertreter für die eigene Gewalt erscheint demgegenäber die legale und staatliche Gewalt im Sinne einer vom Gewaltmonopol beglaubigten Aktionsgewalt. Indem die fremde Gewalt in den Aussagen der beiden Diskursgemeinschaften nunmehr einerseits fast alles ist, was die bestehenden Verh¿iltnisse in Frage stellt und andererseits mit fast såimtlichen Lebensbedingungen im,,System" gleichgesetzt wird, hat sie ihren spezifischen Charakter verloren. Der Gewaltbegriff wird so anm Symbol in einem ,,moralischenKretuzug" verdichtet, das uber Legitimitätsentzug und Ausgrenzùngbestimmt (vgl. diskursive Strategien der (De-)Legitimierung weiter unten). Versteht man das Jimi-Hendrix Konzert und die Globuskrawalle als ,þitische Ereignisse"367, die aufgrund des manifesten Moments der Gewalt *t - dem,,Rausch der Aktion"36 - den Alltag Vgl. dazu Abschnitt6.4.5: Semantischer Raum des Gewaltbegriffes 1968. Nach dem Jimi Hendrix-Konzert wird aufgrund der Struktwierung der ,,Gegengewalt" nicht klar, ob mit dem Begriff die reine Selbstverteidigung gegenüber der manifesten Gewalt der Polizei gemeint ist oder ob ,,Gegengewalt" eine Methode der Aufl<ltirung bezeichnet, die wie die ,,Provokationen" und die ,,direkten Aktionen" die mittelbare Gewalt des ,,Systems" sichtba¡ machen soll (die Differenzen zwischen den drei Begriffen verschwimmen an dieser Stelle, vgl. Seite 103). Diese diffrrse Strukturierung löst sich erst nach den ,,Globuskrawallen" auf, als der Begriff,,Gegengewalt" im Zusammenhang mit Reaktionen auf die unmittelba¡e Gewalt des ,,Systems" im Sinne der aktuellen, eigene physische Gewalt einschliessenden Notweh¡, r¡nd im Zusammenhang mit den eigenen Organisationsformen im Sinne des Kompetenzbegriffes (Verfügungsmacht) strukturiert wird (vgl. Seite 110). 3u6 tut 368 vgl. Anm.1o4. L¡ndner,Jugendprotest, 2 I 0. 92 LzpNnersARBErr DrsruRseNer.ys¡ und die normale Ordnung der Dinge durchbrochen und ,,moments of madness"36e erzeugt haben, in welchen alles möglich erscheint, lässt sich die nachfolgende Neustrukturierung des semantischen Zentrums des Gewaltbegriffes als Resultat eines durch die Handlungen initiierten Differenzierungsverlustes materiellen im Hinblick auf die wirklichen Ausdruckformen der Gewalt interpretieren. Im Anschluss an die Diskursanalyse wird in einem eigensttindigen Abschnitt die oben formulierte These, wonach diskursive Formationen durch materielle Handlungen in ,,kritischen Ereignissen" beeinflusst werden, zur These der reziproken Beeinflussung ausgeweitet; anhand der diskursiven Strategien der Delegitimierung fremder und Legitimierung eigener Gewalt lässt sich veranschaulichen, Handlungsdispositionen der Akteure durch wie die die Strukturierung ihrer Wahmehmung von Entscheidungsspielräumen und Handlungsalternativen mitbestimmt wurden. Die diskursiven Formationen beeinflussen damit auch die aus den Handlungsdispositiven resultierenden materiellen Handlungen.3To Diskursive Strategien der (De-)Legitimierung Der Gegenstand Gewalt erscheint 1968 in der polity-Dimension sowohl bei den von der Subjekþosition ,,Junge Linke" als auch vom ,,Establishmenf' geprägten Aussagen innerhalb eines Orientierungsrahmens, der åihnlich wie anerkannter Herrschaftsformen im Jafu 1967 ûlrch Aspekte moralisch nicht und deren Instrumente und Techniken bestimmt wird. Besonderes Augenmerk erhalten die Techniken der Herrschaftsausübung, die vor dem Hintergrund der demokratischen Regeln der Einflussnahme als Referenz- und (Del Legitimierungsmatrix abgebildet werden: Die ,,Herrschaft" des ,,autoritären Systems" (des ,,Establishments", des Staates) äussert sich in den von der ,,Jungen Linken" geprägten Aussagen als unmittelbare und manifeste Gewalt (repressive Manipulation und Repression); Manipulation und Repression verstossen als Techniken einer autoritåiren Herrschaffsausübung gegen die Grundsäulen der Demokratie und legitimieren damit die eigene ,,Gegengewalt". Bei der Subjektposition,,Establishment" verstösst die als Gewalt gedeutete ,,Provokation" gegen die demokratischen Spielregeln (Bruch mit dem Gewalttabu in der Demokratie) und rechtfertigt damit die ,,staatliche Gewalf' (Gewalünonopol des demokratischen Staatsapparates). Tarrow,Cycles of Collective Aclon,282. Vgl. dazu Abschnitt 6.7. "o 'un 93 DrsruRseNetvsn LzrNnersARBErr In der Rechtsdimension erscheint der Gegenstand Gewalt innerhalb eines Orientierungsrahmens, der in den von beiden Subjektpositionen geprägten Aussagen durch die Aspekte der Gesetzmässigkeit und Verfassungskonformitat von Handlungsformen politischer Konfliktaustragung bestimmt wird: Das Ausüben von Manipulation und Repression þsychische und physische Gewalt) und von Provokationen wird von der Subjektposition ,,Junge Linke" gleichermassen wie vom,,Establishment" demokratischen Ordnungsentrvurf - - meist im Zusammenhang mit dem als gesetzes- und rechtswidrige Handlung konstruiert, welche den Rechtsstaat in einen Unrechtsstaat verwandelt oder den Rechtsstaat zerstört (Illegalisierungs- oder Kriminalisierungsstrategie). Im Ratrmen der politisch-ideologischen Dimension wird von der Diskursgemeinschaft ,,Establishment" das totalit¿ire und damit moralisch entwertete Gesinnungsmuster ,,Kommunismus" geprägt. Beide Diskursgemeinschaften verhandeln auch den ,,Faschismus und Nationalsozialismus" als verfemte Ideologie, welche die Demolaatie innerlich geführdet. Die Konstrrktion einer faschistischen oder kommunistischen Gesinnung von gewalttätig Agierenden (zum Beispiel angeblich faschistisch gesinnte Polizisten oder Taktiker der Provokation) beinhaltet emotional neurotisierende Elemente, die alte Feindbilder restituieren, politische Gegner als Schuldobjekte aus der Gesellschaft ausschliessen und eine gleichsam automatische Delegitimierung der in Form von Manipulation und Repression oder Provokation auftretenden Gewalt nach sich ziehen (Feindbildstrategie). Schliesslich wird für den Gegenstand Gewalt auch definiert; dieser Orientierungsrahmen die individual-ethische Dimension ist durch ethische Maximen des individuellen Verhaltens in Sozietäten bestimmt. Die von den Diskursgemeinschaften als Gewalt gedeuteten Provokationen beziehungsweise Repressionen werden als degenerierte und deviante Handlungen konstruiert und mit sich rasch ausbreitenden, nicht kontrollierbaren Kranlifreiten sowie psychisch anormalen Verhaltensdispositionen assoziiert (Seuche, Epidemie, Tollwut, Raserei, Sadismus). Diese Degenerations- und Pathologisierungsstrategien beinhalten als diskursive Delegitimierungsstrategien ebenfalls stark emotional neurotisierende Elemente und tragen zur automatischen Ausgrenzung der gewalttätig Agierenden aus der normalen und sich adäquat verhaltenden Gesellschaft bei. 94 DrsrunseNALYSE LzrNuersARBEIT 6.4.1 April und Mai 1968: Studentenunruhen in Deutschland und Frankreich Die Aktivierun gsereign isse : Nach dem Attentat auf Rudi Dutschke am 11. April 1968 in Berlin kommt es in zahlreichen Städten der BRD zu tagelangen Demonstrationen und Versuchen, die Auslieferung von Publikationen der Springer-Presse zu verhindern. Bei Zusammenstössen zwischen Polizei und Demonstranten sterben ein Student und ein Fotoreporter. Vom 11. bis 30. Mai 1968 werden Warnstreiks und Demonstrationen gegen die ,,Notstandsgesetze' durchgeführt, die am 30.5.1968 vom Bundestag angenommen werden. Anfang Mai kommt es in Folge der Schliessung der Fakultäten in Nanterre bei Paris und des Einsatzes der Polizei in Gebäuden der Universität Sorbonne zu Demonstrationen in Paris. Die einsetzenden heftigen Strassenschlachten lösen Arbeiterstreiks mit Betriebsbesetzungen aus. Zehn Millionen Menschen treten am 13. Mai 1968 in einen Generalstreik und fordern den Rücktritt der Regierung und de Gaulles. Die Aussagen des Gewattdiskurses finden sich im Rahmen von Äusserungen, die sich vornehmlich auf die Forrnen der Demonstrationen und Ausschreitungen in Deutschland und Frankreich beziehen. Der Gegenstand Gewalt erscheint im Orientierungsrahmen der pohtyDimension, der politisch-ideologischen sowie der individual-ethischen Dimension. Die mit der Subjekfposition ..Establishment" verknüpften Aussagen strukturieren hauptsächlich den semantischen Raum des AktionsbegrifÏes der Gewalt. Die Demonstranten werden als Urheber von ,,Gewalttätigkeit" und ,,Gewalf'beschrieben, die mit dem Begriff ,/wang" substituiert wird (semantisches Zentrum). Die ,,Gewalttåitigkeit" wird durch die im Kontext physischer Aktionsgewalt situierten Begriffe ,,Zerstörung" Anwendung von ,,'Waffen" wie ,,Büchsen und ,,Terror" (unter mit Pfeffer" und ,,Gefüssen mit Farbe"), mit ,þennen" und,Blündern" inhaltlich gefüllt. Als Gegenbegriff zur Gewalt taucht der Begriff ,,Ordnung" auf. Das Vorgehen wird als ,,unehrenhaft", ,,undemokratisch", ,,unzivilisiert", ,,unnattidich",,,unvernünftig",,,primitiv" und,,verrückt" bewertet.372 Als neuer Begriff im semantischen Raum des Aktionsbegriffes wird erstmals im Diskurs der Begriff,,Provokation" strukturiert. Die ,,Provokation" als Methode der Agitation ,,stört" die ,,öffentliche Ordnung" und bringt öffentliches und privates Eigentum in Gefahr. Gewalttatigkeit wird in diesem Zusammenhang als eine Stufe der ,,Provokation" beschrieben. 3tr Die folgenden Ausführungen beruhen im wesentlichen auf den Daten ztt den Studentemrnruhen bei Ba¡bara Brunotte, Ingrid Gilcher-Holthey und Wolfgang Kraushaa¡ sowie der ,,Kleinen Chronologie zu 1968" im Widerspruch l5(19SS). Brunotte, Rebellion im Wort, 85-104; Gilcher-Holthe¡ Phantasie an die Macht; Kraushaar, Frankfirrter Schule, Bd. l. 372 N7.7., 4.4.r9 68 ; 5 .4. 1968; 14.4.1968; 16.4.1968 1 9. 5. I 9s 968. DTSTURSRNALYSE LzpNnersARBEIT Provokation und Gewalttätigkeit gehören ,,nicht zu den Spielregeln einer zivilisierten Auseinandersetzung", sie sprengen den ,,Rahmen der demokratischen Auseinandersetzung" und entsprechen einer ,,Verwilderung der politischen Manifestation".3T3 Als neues Vexierbild im Zusammenhang mit den - Gewalt und Provokation einschliessenden Agitation" entwickelt sich in - ,,Methoden der den Aussagen erstnals ein Vergleich mit den Methoden ,,fascistischer [sic] Kolonnen": ,,Man mag zögern, sie [die Methoden der Agitatio4 Anm SB] direkt als ,,fascistisch" zu bezeichnen; man kommt nicht darum herum, ihre frappierende Ähnlichkeit mit denen der fascistischen Kolonnen von ehedem fesøustellen: beide suchen das ,,System" r¡nd seine Staatsmacht zu unterhöhlen, indem sie sie bewusst und systematisch provozieren; beide siná in ihrem Wesen und in ihrer Erscheinung antidemok¡atisch."37a Als weiteres Novum im Diskurs wird die Agitation als Krankheit und Raserei, als ansteckende ,,Epidemie" und bösartiger,,Furor teutonicus" beschrieben.3tt Als Urheber der Tumulte und der,,Gewalttätigkeif'werden die ,,Taktiker der Provokation" genannt, deren,,sucht nach Macht" (oder ,,ZugnachMacht") von den Kommunisten gesteuert wird: ,,Hinter vielen Studentenunruhen und anderen Tumulten, die zw Konfusion der ohnehin schon ziemlich konfl¡sen 'Welt beitragen" steckt die unbeirrbare, zielbewusste Organisation der kornmunistischen Riesenzwillinge. Peking und Moskau wissen nur allzu gut die grosse, ziellose Armee der Gefühlsduseligen und Hitzköpfe, die auf dem gaîzen Erdball Aufruh¡ stiften, fernzusteuem. Nur allzu oft findet man im Zentrum eines dieser Unruheherde einen zielbewussten Man¡L der in Moskau oder Peking geschult wurde.'3?6 Mit dem Begriff ,,Macht" wird in den Aussagen auch der semantische Raum des Kompetenzbegrifß der Gewalt stnrkturiert. Die ,,Macht" (semantisches Zentrum) wird mit dem Begriff ,,Diktatur" inhaltlich gefüllt und als ,,bösartig" bewertet. Die Begriffe ,,Demokratie" und,,Rechtsstaaf ' fungieren als Antonyme zur,,Macht". Im Hinblick auf den Gegenstand Gewalt \ryerden insgesamt drei, teilweise ineinander verwebte, diskursive Strategien der Delegitimierung entwickelt: Innerhalb der polityDimension wird einerseits die bösartige Diktatur als eine zum demokratischen Rechtsstaat gegenpolige Herrschaftsfomr entwickelt. Andererseits zeichnen sich die Herrschafupraktiken dieser bösartigen ,,Machf' durch die Zerstörung der demokratischen Ordnung aus und werden mit faschistischen Herrschaftsinstrumenten - den ,,fascistischen Kolonnen" - verglichen. Die diskursive Strategie innerhalb der polity-Dimension bildet demnach das moralisch fundierte 373 374 NZZ, 5.4.1968, r4.4.1968; 16.4.1968. NZZ,16.4.196g. 37s N7z.,19.5.1968. 376 N72.,4.4.1969. 96 DrsruRsnNer.vss LrzeNrnrsARBEIT Gewalttabu in der Demokratie aus, dessen Verletzung insbesondere durch die Stilisierung des Vexierbildes ,,Faschismus" eine gleichsam automatische Delegitimierung nach sich zieht. Gleichzeitig werden die ,,Taktiker der Provokation" und ihre Gewalttätigkeit einschliessende Agitation innerhalb des politisch-ideologischen Orientierungsrahmens durch den Unterwandenrngsvorwurf (Feindbild,,Kommunismus") diffamiert und ausgegrenzt. Úberhöht wird diese Ausgrenzungsstrategie durch die Degenerations- und Pathologisierungsstrategie, die beide innerhalb der individual-ethischen Dimension entwickelt werden und stark auf Emotionen rekurieren: Die ,,Gewaltt¿itigkeit" gilt vor dem Hintergund der Ethik individuellen Verhaltens in Sozietåiten als degeneriert und deviant þrimitiv, unnattirlich) und wird patholo gisiert (ansteckende,,Epidemie"). Diese diskursiven Strategien der Delegitimierung der Gewalt bedingen die Legitimierung der ,,Gewalf' des Staates - nicht nur für Deutschland und Frankreich, auch für den Schweizer Staat. In Bezug auf die Situation in der Schweiz, wo sich eine ,,Demonstritis" abzuzeichnen beginnt, die Akteure allerdings bisher im grossen und ganzen auf gewalttätiges Vorgehen verzichtet hëÍten377,wird die ,,Gewalt" des Staates im Sinne eines physischen Gewaltaktes mit einer im Rahmen der polity-Dimension implizierten Chaos-Angst prophilaktisch legitimiert: schlagt unweigerlich auf Provokateure zwück. [...] Wo die öfFentliche Ordnung gestört wird, ist "Provokation der Herausgeforderte der Staat, der die Verantworhrng für ihren Schutz wie auch für den Schutz des öflentlichen und privaten Eigentums trägt. Er ist in vollem Recht, und er handelt im Interesse seiner Bürger, werm er dafür seine Mittel einsetzt, notfalls, gegen die Gewalt, die der Gewalt [...]. Niemand als vielleicht ein Grüppchen von Taktikern der Provokation kann sich hier chaotische Zustände witurschen, niemand kann an Bildern von Knüppeleien und Wasserschlachten Gefallen finden. Sie können peinliche Wirklichkeit nw werden, wenn man sie willentlich heraufbeschwört, ,Brovoziert'. Auseinandersetzurigen, \ryenn es sein muss, scharfe Auseinandersetzungen um Überzeugungen mit der Ìilaffe der Argumente: ja! Auseinandersetzungen nach dem Beispiel, das uns axzeitvorgeführt wird: so nicht!'378 Die mit der Subjektposition ..Junge Linke" verknüpften Aussagen strukturieren den Aktionsbegriff und den Kompetenzbegriff der Gewalt. Im semantischen Zentum des Kompetenzbegriffes tauchen, wie bereits 1967, die beiden Begriffe ,,Macht" und ,,Herrschaff' auf Die beiden Begriffe beziehen sich auf die Urheber ,,Establishmenf' und die ,,spätkapitalistische Gesellschaft".37e Auch das semantische Zentrum des Aktionsbegriffes tindert sich im Vergleich zum Diskurs Ende 1967 nicht: Die Herrschaflspranis des NZZ, 2.5.1968. Mit der ,,Demonstritis" verband die NZZ insbesondere die Aktivierungsereignisse vom 2l .10.1967 (Internationaler Vietnamtag), vom 7 .3.1968 (Kundgebung gegen den Vietnamkrieg), vom 27 .4.1968 (Napalm-Demonstration) und vom 1.5.1968 (1.Mai-Demonstration). Im Hinblick auf die Reaktion der Öffentlichkeit auf die ,,Demonstritis" wird konstatiert, dass man,,in der Schweiz die Politik auf der Stasse nicht mehr gewohnt [ist] und auch nicht daran [glaubt], dass sie wieder Schule machen könnte." N22,2.5.1968. "' t" N77, 16.4.1969. 97 DrsrunslN¡r.vsp LzBNneTSARBEIT ,,Establishments" wird als ,,Unterdri.ickung" beschrieben. Inhaltlich geflillt wird der Begriff ,,Unterdrtickung" einerseits wiederum über den im Kontext psychischer Alctionsgewalt sifuierten Begriff ,,Manipulation" sowie neu dem Begriff ,,Gesinnungsterror", der als ,,Verketzerung" und ,,systematische Verhetzlmrg" ,,der unangenehmen Andersdenkenden" umschrieben wird. Der,,Gesinnungsterror" als integrales Element des ,,Zustands repressiver ToleÍaî2" kommt einem Bruch mit dem ,,demokratischen Pnnzip" gleich und wird nicht nur auf die Situation in Deutschland und Frankreich, sondern auch in der Schweiz tiberfagen.3so Im Hinblick auf die Verhåilfrrisse in der Schweiz wird der ,,Gesinnunsterror" gar als ,,primåire Gewaltanwendung" bezeichnet und mit einer in Analogie zum Ende der Weimarer Zeit konstruierten ,,präfaschistischen Gesinnung" in Verbindung gebracht.3sl Andererseits enthält der Begriff,,Unterdrückung" über die beiden Begriffe ,,Terror" und ,,Repression" auch die Bedeutungskomponente der physischen Aktionsgewalt. Die ,,Herrschaff' des ,,Establishments" wird im Rahmen der poliçDimension wie bereits im Jafu 1967 über die Konstruktion der (psychische und physische) Aktionsgewalt ausübenden, gegen das demokratische P.rnzip verstossenden Praxis (Unterdrtickung, Manipulation, Gesinnunsterror, gewaltsamer Terror und Repression) moralisch diskreditiert und delegitimiert. Zlsätzlich entwickelt sich innerhalb der politisch-ideologischen Dimension eine über das ideologische Feindbild ,,Faschismus" konstruierte Diffamierungsstrategie, die moralisch gleichsam automatisch delegitimierend wirkt (vgl. auch Feindbild ,,Kommunismus"). Aufgrund dieser Delegitimierirng der Herrschaftspraktiken des ,,Establishments" werden Forderungen im Hinblick auf die Ziele und Formen des oppositionellen Protests in Schweiz aufgestellt. Sie beziehen sich - der wie im Jahr 1967 - auf die ,,Entlarvung" der ,,verborgenen Machtstrukfuren" mittels der Methode der ,,Aufldärung". Nachdem Ende 1967 unter der Methode der Aufldåirung Diskussionen und ,,direkte Aktionen" subsumiert wurden, die im Zusammenhang mit dem Gegenstand Gewalt noch keine klare Ausdifferenzierung erfuhren, wird die physische Gewalt im Zusammenhang mit den direkten Aktionen nunmehr explizit erw¿ihnt. Mit dem Verweis auf das Fehlen einer revolutionåiren Situation in der ,,D"t öffentliche Dienst", 1.5.1968 (mit Beitragen von FSZ-Mitgliedern). ,Zän"h". Student", Nr. 2 Mai 1968; ,Zeitdienst", 10.5.1968. "o 381 ,,Zircher Student", Nr. 2 Mai 1968; Erklåirung der FSZ nr geplanten Veranstaltung über,,Hochschule und "' Gesellschaft", abgedruckt n: NZZ, 14.4.1968. 98 DnTURSRNALYSE LzrNlersARBEIT Schweiz wird vorerst festgehalten, dass Aktionen wie in Deutschland eine Gefahr für den Protest darstellen, da sie zu Amoklâufen als Klimax ,,blinder", das heisst sinn- und vemunftentbehrender Handlungen führen könnten: ,,In den reichen Industrienationen besteht keine revolutionåire Situation. Blinde Aktionen köruren - man hat das in Berlin gesehen - zu einem Amoklauf füh¡en, wrd einen grösseren Gefallen könnten wir den Mächtigen gar nicht tun. Es karur also nw darum gehen, dwch eine verstärkte Aufl<låinurg die verborg^e^nen Machtstrukflren bewusst zu machen, die immer noch bestehende Herrschaft und Ausbeutung zu entlarven.'ó82 Anschliessend wird die physische Gewalt als Mittel des Protestes in einem demokratisch verfassten Rechtsstaat wie der Schweiz abgelehnt. Nach demselben Strukturierungsmuster wie bei der Subjektposition ,,Establishment" wird hier das Gewalttabu in der Demokratie kreiert: ,,In einem Land wie dem rursrigen t...], in dem jedennann seine politische Ansicht vertreten darf t.'.], wrd in welchem es jedem Bürger freisteht, die Bevölkerung ,,aufruklä¡en', ohne dass er darauflrin von der Regierung lileg zu beschreiten. Ich glaube, strafrechtlich verfolgt wird, [ist es] nicht erlaubg den illegitimen, gewalttätigen erreic6l 1,ve¡dea tç'nn''á83 was mit Gewaltlõsigkeit dass es Martin Luther King dìch g"l,rog"o ist, zu beweisen, 6.4.2 Zweites Jimi Hendrix-,,MonsterkonzeÍt" vom 31. Mai 1968 Das Ereignis: Nach dem zweiten Jimi Hendrix-Konzert vom 31. Mai 1968 im Zürcher Hallenstadion mit rund 8000 Konzertbesucherinnen und -besuchern kommt es bei der Räumung des Stadions und vor dem Stadion zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen der Stadtpolizei Zürich und einigen Konzertteilnehmerlnnen. Ohne Vorwarnung schlägt die Stadtpolizei bei der Räumung des Areals Konzertbesucher und anwesende Journalisten mit Gummiknüppeln. Einige Besucher werden von Polizeihunden gebissen. Die Konzertbesucher, die im, und nach der Räumung auch vor dem Stadion Feuer entfacht haben, werfen Steine, Bierflaschen, Baumaterial unter anderem gegen die Stadtpolizei. Die Auseinandersetzungen verlagern sich später zur EPA Oerlikon, zum Albert-Näf-Platz, zur Schaffhauserstrasse/Allenmoosstrasse und schliesslich zum Bahnhofplatz, wo auch die Feuerwehr zum Einsatz kommt.3e Die Aussagen des Diskurses finden sich im Rahmen von Ausserungen, die sich auf die Forrn der Auseinanderseøungen zwischen der Polizei und den Konzertbesucherlnnen beziehen. Für die Feldorganisation Demonstrationen in der wird wie bereits im Zusammenhang mit den und in Frankreich die polity-Dimension, die politisch- Aussagen Deutschland ideologische und die inidividual-ethische Dimension definiert. ,,Der öffentliche Dienst", 1.5.1968 (mit Beitragen von FSZ-Mitgliedern). öffentliche Dienst", 1.5.1968 (mit Beitragen von FSZ-Mitgliedern). ,,D"t "' 3* Zam Einsatz beim Jimi Hendrix-Konzert kommandierte die Stadçolizei Zitrtch ca. 200 Mann der Uniformpolizei (darunter auch Hundefüûrer) und ca. 40 der Zivilmarrrtschaft ab. Stadt AZ, II, Akten zum Siøungsprotokoll des Stadtrates vom 21.11.1968: ,,Pop-Konzerte im Hallenstadion vom 30. und 31. Mai 1968": Zusammenfassender Bericht von Polizeiinspektor Dr. G. Fuchs, 19.6.1968; Ebd., Bericht von Oberrichter Dr. H. Gut zur überprufung der,,Vorfälle anlässlich des Pop-Konzertes vom 31. Mai 1968", 4.9.1968. 382 99 DrsrunsaNALYSE LzpNuersARBEIT In den an die Subjektposition ..Establishment" geknUpften Aussagen wird der Einsatz von Polizeiknüppeln durch die Polizei nach dem Jimi Hendrix-Konzert explizit als ,,Gewalt" bezeichnet. Diese ,,Gewaltanwendung" wird moderat negativ bewertet, indem die Notwendigkeit der Härte und der Ausgiebigkeit des Zuschlagens in Zweifel gezogen wird.385 Dennoch dient die Negativbeurteilung nicht der Delegitimierung der Praxis: Als ,,primlire IJrsache" der Vorftille vor dem Hallenstadion wird nicht ,,dÍts mehr oder weniger zweckmässige Verhalten der Polizei", sondern die,,Freude am Randalieren" und der,,Hang ztlm Vandalismus" der ,,Jugendlichen" bezeichnet, deren Verhalten auch durch eine zunehmende ,,Neigung zur Gewalttätigkeif' charakterisiert wird. Die ,,Gewalf' der Polizei erscheint gegentiber dieser primären Gewalttätigkeit als Reaktion, die vertretbar und im Falle von Verstössen gegen und Provokationen der ,,Ordnung" im ,,demokratischen Staat" nicht in Zw eifel gezo geî werden darf: ist [...] nicht Aufgabe der Polizei, Zusammenstösse, zu denen sie oflensichtlich provoziert wird, um jeden Preis zu vermeiden. Sie hat den Auffrag, im Interesse der Öffentlicbkeit die Ordmrng aufrechtzuerhalten und Verstösse dagegen zu verhindern, nötigenfalls unter Anwendung von Gewalt. Zweifel da¡an aufl<ommen zu lassen, dass sie willens r¡nd auch in der Lage ist, diesen Aufirag unter Kontrolle der vorgesetzten Behörden zu ,,Es erfüllen, wäre verfehlt.'óe Im Hinblick auf die diskursiven Strategien rund um den Gegenstand Gewalt wird die Gewalttätigkeit der Jugendlichen im Rahmen der individual-ethischen Dimension mit den mentalen Konstrukten ,,Ijraîgf'und ,,lrleigung" zur Gewalttätigkeit in den Kontext einer psychisch anormalen Verhaltensdisposition gertickf und moralisch delegitimiert. Diese diskursive Strategie kann als weitere Komponente der bereits in Benrg auf die Studentenunruhen im Ausland entwickelten Degenerationsstrategie interpretiert werden. Die Gewalttatigkeit wird überdies im Rahmen der polity-Dimension delegitimiert, da sie sich gegen die ,,demokratische Ordnung" richtet und damit das Gewalttabu in der Demokratie verletzt. Als Resultat dieser Strategien wird die ,,Gewalt" der Polizei gleichsam automatisch legitimiert: Insgesamt hat das Vorgehen der Polizei zu einer Reihe von polizeikritischen Anmerkungen in der Presseberichterstattung über die Vorfrille beim Hallenstadion geführt. Der Stadtrat beschloss in der Stadtratssiøung vom 13.6.1968, die VorQille durch eine in der Perspektive des Stadtrates,¡eutralen Person" genau abklären zu lassen. Dr. H. Gut, Präsident des Schwurgerichtes, führte die Administrativuntersuchung durch und legfe seinen Bericht am 4.9.1968 vor. Aufgrund des Berichtes von Dr. H. Gut verfügte der Stadtrat Ende November 1968 eine Disziplinaruntersuchrmg gegen,,fetrlbare" Polizeibeamte, die von Oberrichter Dr. R. Levi durchgeführt wurde. Stadt AZ, V.B.a.13, Stadtat vonZünch, Sitzungsprotokoll vom 29.11.1968. 385 3ru N7z,5.6.196g. 100 DnrunsaNer-vsp LzeNu¡.TSARBEIT ,,Wegleitend muss [...] die Einsicht sein, dass der freiheitlich-demokratische Staat jede Art von geistiger Auseinandersetzung, nicht aber die Gewalttätigkeit zulässt r¡nd dass er sich deshalb auf die Polizei verlassen können muss, um die Respektierung dieser Grenze nötigenfalls zuermÅngen.'387 In den von der Diskursgemeinschaft ..Junge Linke" geprägten Aussagen åindert sich die Strukturierung des Kompetenzbegriffes im Vergleich zum vorhergehenden diskursiven Ereignis nicht: Die ,,Gewalt des Establishments" und des ,,Systems" wird durch die Begriffe ,,Herrschaff'und,,Macht" substituiert. Im Gegensatz dazu wird das semantische Zentrum des Aktionsbegriffes der Gewalt völlig neu strukturiert: Das System übt einerseits die ,,mittelbare", ,,repressive" oder ,,verwaltete Gewalt" aus. Die drei Gewaltbegriffe werden synonym verwendet und mit den Praktiken der,Bsychischen Verkrtippelung, Versttimmelung, und Vergewaltigung" ausdifferenziert. Als weiterer Stellvertreter der ,,mittelbaren", ,,repres-siven" oder ,Jerwalteten' Gewalt taucht neu der Begfiff der Unterdrückung ,,repressiven Manipulation" auf (psy-chische Aktionsgewalt). Andererseits praktiziert die ,,Herrschaft des Establishments" eine ,,unmittslbare", ,,materielle, tätliche Gewalt" (physische Aktionsgewalt), die von der Polizei wird.388 - den ,,uniformierten Sadisten' - als Urheber verübt Die ,,Gewalt" der Polizei wird als ,,Terrorakt" einer ,,faschistoid gesinnten Nazi- Polizel" bezeichnet.3se Opfer und damit Objekte der ,,materiellen Gewalf' des ,,lebensfeindlichen Systems" ist die ,,lebenshungige, in den Käfigen autoritåirer Strukturen gefangen gehaltene, unbefriedigte Jugend."3e0 Referentialisiert man den Kompetenz- und den Aktionsbegriff der Gewalt mit einer nichtverbalen Aussage, so können die il Bedeutungsnuancen der prononcierter B egriffe herausgearbeitet werden: Auf einem Flugblatt mit aa dem Titel,,Hunde wollt ihr ewig beissen??", das nach den Vorfüllen beim Monsterkonzert ztt einer Protestdemonstration aufruft, erscheinen Zeichnungen von uniformierten, physiognomisch stereotypisierten Polizisten, die mit erhobenen Polizeiknüppeln und mit Hunden gegen deutlich kleiner dargestellte Menschen vorgehen.3el Daneben erscheint auch ein überdimensionierter Stiefel, dessen Absatz auf eine wiederum sehr viel kleiner dargestellte, auf dem Bauch liegende und "'NZZ,s.6.1968. 3t8,¿eitdie.rs t', I 4.6. 1968. "n StB, Ar.lo5/02,Flugblatt,,Aufruf 'no,¿eitdiettsf', 14.6.1968. an den Gemeinderat", Juni 1968. 'nt In Bildüberschriften werden die dargestellten Handlungen als ,,schlagen" und ,¡erprügeln" spezifiziert. 101 Dtsruns,q,NeLvs¡ LzpNnRTSARBEIT mit den Armen den Kopf schützende Frau gerichtet ist und eine mit Pfeilen angedeutete sich ,/¡it 1í" Bewegung nach unten auszuführen scheint. Der Stiefel als Symbol des ,,lebenfeindlichen Systems", durch die im Titel des Flugblattes + angedeuteten Hakenkreuze zudem nationalsozialistisch/faschistisch konnotiert, übt in der bildlichen Darstellung den Klimax ---Ê ,,unmittelbaren Gewalf' aus - physische Aktionsgewalt - der und vernichtet den Gegner Ouellenausschnitte: StB, Ar.105.02, Flugblatt ,,Hunde wollt ihr ewig beissen??*, Juni 1968. Átnlictr wie bereits im Zusammenhang mit den Vorgängen in Deutschland und Frankreich wird die ,,Gewalf' des Establishments und des Systems im Rahmen der polity-Dimension über die Konstruktion illegitimer Herrschaftstechniken, das heisst einer mittelbare (repressive Manipulation) und unmittelbare Gewalt ausübenden Praxis diskreditiert und insbesondere durch den Vergleich mit nationalsozialistischen/faschistischen Herrschaftsinstrumenten (der ,Nazi-Polizei") moralisch delegitimiert. Der Verstoss gegen ein explizit ,,demokratisch" tituliertes prinzip wird als Delegimierungsstrategie nicht entwickelt. Dagegen entwickelt sich innerhalb des politisch-ideologischen Orientierungsrahmens eine ausgepråigte, über das ideologische Entwertungsetikett ,,Faschismus" kreierte diskursive Feindbildstrategie, welche die moralische Delegitimierung der Praxis gewissennassen automatisiert. Gleichzeitig werden die Urheber der Gewaltt¿itigkeit, die angeblich Lust an Grausamkeiten empfindenden polizisten, im individual-ethischen Orientierungsrahmen als psychisch Anonnale pathologisiert und ins moralische Abseits manövriert. Fär den oppositionellen Protest in der Schweiz entwickeln sich auf der Basis dieser Delegitimierung der Herrschaftstechniken des ,,Systems" neue Strategien zur Legitimierung der eigenen Mittel und Methoden. Erstnals tauchen in der Diskursgemeinschaft ,,Junge Linke" dabei die Begritre ,,Provokation" und ,,Gegengewalt" auf; diese beiden Begriffe werden in das Umfeld der bereits Ende 1967 erwåihnten und anl¿isslich der Beurteilung der internationalen Studentenunruhen wiederum rezipierten ,,direkten Aktionen" als Mittel der Zielen ,,4ufl<låirung" gestellt.3e2 lm Gegensatz zu den Ende 1967 formulierten Formen und ttt Vgl. dazu die Abschnitte 6.3.3 und 6.4.1 102 LzsNrArsARBErr müssen die DrsrunsRNALYSE Aufldtirungsaktionen nunmehr durchgeführt und mit mit ,,radikaldemokratischen Sensationscharakter ausgestattet werden. Das Methoden" Ziel einer ,,direkten Aktion" liegt im Vergleich zur Ende 1967 formulierten Zielsetzung nicht nur in der Einsicht in die Mechanismen der Herrschaft, sondern auch in einer befristeten, symbolischen Veråinderung der Herrschaft sstrukturen: ,,[Bei den direkten Aktionen] wird durch Anwendung radikaldemokratischer Methoden (GoJn, Sit-I4 Demonstrationen, Kundgebungen usw.) versucht, befüstete, symbolische Veränderungen der aktuellen Strukturen zu erreichen, um die Möglichkeit ihrer Veränderung einem grösseren Personenkreis sinnlich erfassbar zu machen."3e3 Im Zusammenhang mit den radikaldemokratischen Methoden wird auf die ,,gezielten Provokationen" verwiesen, welche die ,,verfassungsm¿issig bestehenderl aber faktisch nicht mehr ausgeübten demokratischen Rechte [...] mit neuem Inhalt [...] füllen und so die Demokratisierung der gesamten Gesellschaft vorantreiben" sollen.3ea FüLr die Diskussion und Demokratie auf der Strasse wird das,,Stören von Ruhe und Ordnung" dabei als ein Mittel der Provokation genannt, das man bewusst erstrebt: ,,Die Störung soll unter Umständen gross sein, aber nicht so, dass sie die Bevölkerung ?irgert. Sie soll aber so gross sein, dass man sieht, dass sich Diskussion und Umwandlung der Gesellschaft mu in einem Zustand einer gewissen Unordnung abspielen können. Die etablierte Ordnung Íerlangen nach Ruhã und Ordntng dazu missbraucht wird, die gese das 41es Weitere Ausdifferenzierungen zum Begriff finden sich über Verkntipfungen mit dem Begriff ,,Gegengewalt", woraus allerdings ein Zirkelschluss resultiert, der die ,,Gegengewalt" mit den ,,direkten Aktionen" und der,,Provokation" gleichzusetzen scheint: ,,Punktuelle, unmittelba¡e, überall dort eingesetzte Gegengewalt, wo sich die unterdräckende Gewalt unter dem Gefühl der Provokation zum offenen Ausbruch verleiten liess, scheint allein noch frihig, das Überrnass an mittelbarer Gewalt sichtbar zu machen, um den Kampf für eine Gesellschaft zu beginnen, in der die Gewalt nicht mehr die notwendige Basis des sozialen Lebens sein muss.'a% An dieser Stelle scheinen die Differenzen zwischen den drei Begriffen zu verschwimmen. Als mögliche Stabilisierung dieses terrninologischen Flottierens kann der Versuch erachtet werden, die ,,Gegengewalt" durch weiterführende Pråizisierungen Ausführungen zn den Studentenunruhen in ,,Provokation" abztsetzen Der Begriff Rahmen von und Frankreich von der wird dabei im Sinne der Deutschland ,,Gegengewalf' im Selbstverteidigung und Selbsthilfe strukturiert: wollen die Fortschrittlichen? Stellungnahme von Thomas Held. Abgedrucktn:NZZ, 16.6.1968. Kursive Hervorhebung durch die Autorin. 'n3 Was tno N22,16.6.1968. ages- Anzeigef', 14.6.1968 (Beitrag FASS-Mitglied). 3e5,,T 3eu,,zeitdiensf', 4.6.I9 68. I 103 DISTUnSRNALYSE LzBNneTSARBEIT ,,Viele Kommentatoren [gehen davon aus], dass die Studenten in Berlin turd Paris als erste Gewalt anwendeten. Entscheidung: Gewalt ja oder nein? jemals bei den Demonstranten gelegen hätte! Die Gewaltanwendung unserer Freunde im Ausland kann nur als Gegengewalt begriffen werden; kein Mensch kann von einer Minderheit verlangen, dass sie sich physisch vernichten lässt.'' Als ob die ,,Gegengewalt" als Vefeidigung im Sinne einer mit physischer Kraft vollzogenen Reahion gegen die unmittelbare Gewalt des ,,Systems" wird damit legitimiert. Die noch bis zum Monsterkonzert im Rahmen einer,,rein theoretischen Frage"3e* behandelte physische Gewalt als genuines Mittel der Aufl<låirung wird dagegen weiterhin abgelehnt, wobei sie als eine den Sinnen entbehfende (unbewusste) Handlung konstruiert wird (,,blinde Gewalt"): ,,Wir sind dafü,r, dass sich die Auseinandersetzù\g zielgerichtet und politisch bewusst abspielt. Wir schliessen Gewalt nicht in jedem Sinne aus þemeint ist hier die Selbsthilfe, Anm. SBl, lehnen aber blinde Gewalt, Zerstörung um jeden Preis und Angriffe auf ältere Leute ab. Als Endziel erstreben wir eine demok¡atische Gesellschaft, in der Gewalt nicht mehr nötig ist.'¿e 6.4.3 Protestdemonstration und Besetzung des Globus-Gebäudes am 15. Juni 1968 Das Aktivierungsereignis: Am 15. Juni 1968 organisieren die,,Fortschrittlichen Arbeiter, Schüler und Studenten" (FASS) auf dem Hirschenplatz eine Protestkundgebung gegen die Stadtpolizei und deren Verhalten anlässlich des Jimi Hendrix-Konzerts. Vor der Hauptwache der Stadtpolizei wird ein Strassentheater veranstaltet, bei welchem ein als Polizist verkleideter Darsteller von einem ,,Volksgericht" des ,,sturen Kadavergehorsams" angeklagt, schliesslich aber doch freigesprochen wird. Anschliessend wird ein Katalog verlesen, der unter anderem den Rücktritt der gesamten Polizeileitung, die Kenntlichmachung der Polizeibeamten durch Nummern und Namensschilder, die öffentliche Untersuchung des Falles Meier 19 und ein freies Demonstrationsrechtfordert. Am Abend des 15. Juni 1968 und am folgenden Tag diskutieren Teilnehmerder Kundgebung in dem vom Stadtrat freigegebeneno@ Globus-Gebäude beim Hauptbahnhof über die Zürcher Polizei, die Fragwürdigkeit von Konzepten wie ,,Ruhe und Ordnung", ,,demokratische Spielregeln" oder ,,Rechtsstaat" sowie über das Projekt eines autonomen Zürcher Jugendhauses. An den Stadtrat wird eine Resolution mit folgendem Wortlaut gerichtet ,,Steht der Jugend am 1. Juli der Globus oder ein ihm gleichwertiges Gebäude im Zentrum der Stadt nicht zur Verfügung, werden wir das Globus-Areal beseÞen." Für eventuelle Kontakte mit dem Stadtrat wählen die Teilnehmer ein provisorisches Aktionskomiteeaol. Die Aussagen des Diskurses finden sich im Rahmen der Äusserungen des ,,Establishments" zur Form der Protestdemonstration auf dem Hirschenplatz und den nachfolgenden Vorgängen 3n7 NT.7., 16.6.1969. 3es N7.7.,16.6.1969. ages-Alr:eiger", 14.6.1968 (Beitrag FASS-Mitglied). ooo Stadt AZ,Y.B.a.l3, Stadtrat von Zíii.ich, Sitzungsprotokoll vom 14.6.1968 3ee,J 104 DrsrunseNervse LzgNIRTSARBEIT im Globus-Gebäude. ideologische und - Für das Aussagenfeld wird die polity-Dimension, die erstmals im Diskurs - auch die Rechtsdimension politisch- definiert. In Bezug auf die Diskursgemeinschaft ,,Junge Linke" lassen sich ftir die Protestdemonstration keine vom vorhergehenden Ereignis abweichenden diskursiven Formationen des Gegenstandes Gewalt ausmachen. Wie bereits im Zusammenhang mit den Studentenunruhen im Ausland wird in den von der Subjektposition ..Establishmenf' geprägten Aussagen dem Aktionsbegriff der Gewalt besondere Aufinerksamkeit geschenkt. Die faktischen Handlungen der Veranstalter werden allerdings nicht direkt als Gewalttätigkeit oder Gewalt bezeichnet, sondern über den im Kontext physischer Aktionsgewalt situierten Begriff ,,Terror" beschrieben, der mit dem Begriff ,,Provokation" substituiert wird und sich auf die als ,,Ultimatum" bezeichnete Resolution bezieht. Das ,,Ultimatum", das eine ,,Drohung mit Gewalt" enthåilt, entspricht einer ,,Provokation" und ,,Störung" der ,,demokratischen Ordnung und der Gesellschaff' und liegt als ,,beschleunigte Notverordnung" ,,ausserhalb der demokratischen Prozedur". Für das ,,Ultimatum" wird auch das Sprachbild ,,Mine" verwendet. Der Begriff ,,Gewalf', welcher eine bewusst herbeigeführte Eskalationsstufe der,,Provokation" darstellt, bezieht sich auf eine ,,angedrohte" und damit faktisch nicht eingetretende Handlung: Gebäudes. die ,,Besetzlttngi'des Globus- Die Besetzung als physische Aktionsgewalt entspräche einem ,,rechtswidrigen Tatbestand"402, einer verbotenen ,,Handlung gegen das Gesetz", ,,zerstören" wtirde welche den Rechtsstaat - die pråisumptive Aktion wird als ,,anarchische Gewalt" bezeichnet und mit dem Sprachbild,,Explosion" umschrieben. 403 Die FASS als Urheberin der ,,Provokation" (das heisst des Ultimatums) und der vorwegnehmend prophezeiten Gewalt erscheinen als ,,Taktiker der Provokation", ,,MaoSchüler" und,,kommunistische Haupteinpauker", welche die ,,Anarchie im Sinn haben".404 Im Hinblick auf den Gegenstand Gewalt werden åihnlich wie bereits im Kontext der Studentenunruhen im Ausland drei, teilweise ineinander verwebte diskursive Strategien der Delegitimierung entwickelt, die sich weniger auf die fàktischen Tatbeståinde als auf vermeintliche Reaktionen des Gegners beziehen: Innerhalb des Orientierungsrahmens der 4l oo' ao3 Na Das Aktionskomitee besteht aus 18 Personen, davon vier FASS-Mitglieder Studt AZ,Y.B.a.l3, Stadtrat von Zürich, Sitzungsprotokoll vom 27 '6.1968 N7z., r7.6.1968. NZZ, 17.6.t968. 105 DrsrunseNALYSE LzENneTSARBEIT polity-Dimension entspricht die angedrohte Besetzung des Globus-Gebäudes einer Zerstörung der demokratischen Ordnung, deren Gegenpol das moralisch nicht anerkannte Ordnungskonstrukf ,,Anarchie" darstellt. Unterstützt wird diese auf das Gewalttabu in der Demokratie rekurierende Strategie der Delegitimierung einerseits durch eine diskursive im Orientierungsrahmen der Rechtsdimension: Die Besetzung wird explizit als Handlung gegen das Gesetz bezeichnet und ist damit illegal. Andererseits werden die Strategie Auslöser des prlisumptiven Gewaltaktes - die ,,Takfiker der Provokation" - im politisch- ideologischen Orientierungsrahmen durch das ideologische Feinbild ,,Kommunismus" diffamiert. Die tatsächlichen und präsumptiven Handlungen werden damit moralisch und rechtlich delegitimiert. Diese Delegitimierungsstrategien implizieren eine vorwegnehmende Legitimierung des eigenen Handelns: Eine mit,,fester (wenn auch nicht unnötig heftig dreinschlagender) Hand" ausgeführte Sicherung der öffentlichen Ordnung Bedrohungsszenarios wird mittels der Konstruktion eines für den demokratischen Rechtsstaat legitimiert, das gewissermassen eine moralische Panik erzeûg|l. ,,Wenn man das [gemeint ist hier die Resolution" Anm. SB] durchgehen lässt, wenn das Schule macht, dann wi¡ die Anarchie. [...] Unsere Demokratie würde zur Fa¡ce, wenn die Behörden dwch solche Methoden sich in Galopp setzen und ihre Entscheidungen diktieren liessen. [...] Ma" möchte die öffentliche Ordnung mit fester (wenn auch nicht mit unnOtþ heftig dreinschlagender) Hand gesichert wissen. Und man will auf keinen Fall auf der schiefen Ebene falscher Nacþiebigkeit ,,französischen Zusttinden" entgegenschlittern, noch will man sich insgesamt mit der Rolle eines hilflosen ,,ancien regime" abfinden und begnügen. [...] Es ist Zeit, die Auseinandersetzxngvon der Strasse weg in ihre geordneten demokratischen Bahnen zu weisen [...] und es ist Zeit für ein ,Bis hierher urd nicht weiter!" an die Adresse derer, die diese Ordnung erst stören und dann zerstören haben wollen.'ao5 6.4,4 Gross-Demonstration beim Globus am 29. Juni 1968 und GlobusKrawalle vom 29.6.-1.7.1 968 Das Aktivierungsereignis: Nachdem bekannt geworden ist, dass der Stadtrat das GlobusProvisorium am 14.6.1968, das heisst bereits vor der Protestdemonstration und der bewilligten Benutzung des Gebäudes am 15.6.1968, an den Lebensmittelverein Zürich und die ETH vermietet hatam, organisiert das Aktionskomitee oos oou a07 am 29. Juni 1968 eine Grossdemonstration vor dem Globus.aoT N77.,17.6.1969. Stadt AZ,V.B.a.13, Stadtrat von Zärich, Sitzungsprotokoll vom 14.6.1968. Vgl. Nach Plan des Aktionskomitees sollten sich die Jugendlichen vor dem Globus treffen, um anschliessend als Antwort auf das Angebot des Stadtrates, das ,,Hofuiese"-Areal als Jugendtretrpunkt ar ilttzeî, vor dem Kursthaus als symbolischer Akt ein Altersheim aus Brettern auÈurichten. Vor dem Stadthaus sollte schliesslich eine Vollversammlung abgehalten werden, an welcher über das weitere Vorgehen diskutiert werden sollte. Eine gewaltsame Besetzung des Globus-Gebäudes wurde vom Aktionskomitee dabei als nicht opportun erachtet. Vgl. 106 DISTURSRNALYSE LzgNneTSARBEIT Um 19.00 Uhr fordert die Polizei die ca. 2500 versammelten Personen über Lautsprecher auf, das Gelände vor dem Globus zu verlassen. Kurze Zeit später setzt die Polizei Wasserwerfer gegen die Demonstranten ein. Es kommt zu gewalttätigen Konfrontationen zwischen den Demonstranten und der Polizei, die sieben bis acht Stunden andauern und sich auf das Limmatquai, den Bellevueplatz und das Gelände vor dem Globus-Areal erstrecken. Arretierte werden von der Polizei im Keller des GlobusGebäudes geschlagen und einigen werden die Haare abgeschnitten. Auch auf der Hauptwache werden Arretierte von der Polizei geschlagen.oot Otfizielle Bilanz der Auseinandersetzungen in der Nacht des 30. Juni 1968: mehr als vierzig Verletzte und 169 Verhaftungen. Am Abend des 30. Juni 1968 setzen sich die Kämpfe fort; 37 Personen werden verhaftet, 17 Personen verletzt. lnsgesamt werden bei den ,,Globus-Krawallen" 208 Personen festgenommen und über 60 Personen verletzt. Der Stadtrat verfügt mit Wirkung auf den 2. Juli 1968 ein Demonstrationsverbot.aoe Die im Hinblick auf die Vorgåinge vom 29.6.-1.7.1968 geprägten Aussagen der Diskursgemeinschaften stellen gewissermassen den Zenit des bisher Gewaltdiskurses dat: Der Gegenstand Gewalt erscheint ersmals in allen vier analysierten Dimensionen des Aussagenfeldes (vgl. Seite 76). Die Strukturierung des Gewaltbegriffes sowie die Entwicklung der diskursiven Strategien der (De)Legitimierung erfahren dadurch eine spektrale Erweiterung. Die von der Diskursgemeinschaft ..Junge Linke" geprägten Aussagen im Rahmen ihrer Äusserungen zu den gewalttâtigen Konfrontationen zwischen Polizei und Demonsffanten und dem Demonstrationsverbot definieren für den Gegenstand Gewalt die polity-Dimension und erstmals auch die Rechtsdimension. Im semantischen Zentûm des Kompetenzbegriffes tauchen wiederum die beiden Begriffe ,,Macht" und ,,Herrschaff' auf, die sich auf das ,,autorit?ire System" und den ,,Staat" in Form der Polizei bezieht. Die dem ,,autoritåiren System" pennanent immanente ,,Gewalf'wird durch die im Kontext sowohl psychischer als Strategie- und Organisationsproblematik der Jungen Linken unter ñ.1 (1969):Müller/Lotmar, Bunker, 12. H. Gut an den Stadtrat bezüglich ,der Vgl. auch Stadt Untersuchtrng der Vorwürfe an die Stadçolizei im Zusammenhang mit der Verhaftung von Unruhestiftern anlässlich der Vorfrille vor dem Globusprovisorium und der Hauptwache in der Nacht vom 29. Auf den 30' Juni und auf den 1. Juli 1968", 15.11.1968. Oberrichter Gut vermerkte in diesem Bericht, dass man,,auf Grund der dazu SA, 4r.201.35, Manuskript ,/vr besonderer Berücksichtigung der FSZ", Januar 1969,9-I3;,uA.gitation", oot AZ, Y.B.c.l1:39, Bericht von Oberrichter Dr. Angaben der Arrestanten, auch wenn sie emotionell bedingt manchmal als etwas übertrieben betrachtet werden müssen, und derjenigen der Zeugen [...] davon ausgehen [muss], dass in vielen Fällen seitens der Polizei auch noch im Innern des Globus und der Hauptwache geschlagen wurde. Einige besonders schwerwiegende Fälle sind durch ärzliche Zeugnisse über Misshandlungsspwen belegt worden" (Ebd., 2l). Vgl. dazu auch SA, KS 33514Ia, Dokumentation I. Berichte und Aussagen von Augenzeugen über die Ausschreitungen vom 29.130. Juni 1968 in Ztnch,hrsg. von der Arbeitsgemeinschaft ,Zwcher Manifest", September 1968' oon Studt AZ,Y.B.c.ll:39, ebd., 2; Schmid, Demokratie, 198 ff. Das Demonstrationsverbot hatte den Wortlaut: ,,Jede Ansammlung demonstrativen Charakters ohne ausdräckliche Bewilligung des Stadtrates öffentlichem Grund und in öffentlichen Anlagen der Stadt Ztirich bis auf weiteres verboten." r07 ist auf DIsrunS¡NALYSE Lz¡NnarsARBEIT auch physischer Aktionsgewalt situierten Begriffe ,,Manipulation" und ,,Repression" substituiert.aro Der physischen Gewalt wird durch die inhaltlich breite Ausdifferenzierung des Begriffes ,,Repression" besondere Aufinerksamkeit geschenkt: Die Repression äussert sich in ,,systematischen Prtigeleien", ,,Folter" und ,,Misshandlungen" Wasserwerfern) - (mit Gummiknüppeln und physische Gewaltakte, die von der Polizei verübt und als ,,grâtlsâlll" bewertet werden.art Überdies wird die ,,Gewalt" des autoritären Systems auch mit Praktiken wie Verboten (Demonstrationsverbot) und Repressalien aller Artat2 verknüpft. Die als ,,gesetzeswidrig" bezeichneten und die ,,Grundsäulen der Demokratie" unterhöhlenden Herrschaftstechniken erinnern an die ,,Greuelnachrichten" aus dem Dritten Reich und werden in ihrer Gesamtheit als,,Neofaschismus" gekennzeichnet.al3 Die diskursiven Strategien der Delegitimierung entwickeln sich in Beztg auf den Gegenstand Gewalt über die Konstruktion moralisch nicht anerkannter Herrschafutechniken im Rahmen der polity-Dimension: Die psychische und vor allem physische Gewalt integrierenden Herrschaftpraktiken des ,,autoritären Systems" verstossen gegen die ,,Grundsäulen der Demokratie" und werden in die N¿ihe faschistisch-totalitärer damit moralisch diskreditiert. Ln Machtausübung gerückt und rechtlichen Orientierungsrahmen erscheinen die Herrschaftspraktiken als gesetzeswidrig und werden daher auch rechtlich delegitimiert. Das eigene Verhalten erscheint aufgrund dieser Delegitimierungsstrategien als legitime ,,Gegengewalt" im Sinne einer aktuellen Notwehr gegen die Gewalt des Systems: ,,Wichtig ist es, festzuhalten, dass diese Bewegung der Jugend absolut bereit isg hart fi¡¡ ih¡e Ziele zu kämpfen, d.h. dass sie bereit ist, überall dort, wo ihr das autorilåre, seine ihm nicht mehr zustehenden Privilegien verteidigende System mit seiner ihm permanent immanenten Gewalt, d.h. dwch Verbote, Polizei und Repressalien aller Art, entgegentritt, zur legitimen Gegengeu,ah, der Selbsnerrcidigung, zu greifen. Pflastersteine und brennende Autos sind zwar keine Argumente, aber Gummikniþpel, Wasserwerfer, Tränengas und Gefüngnisse auch nicht, und letztere treten immer vorher in Aktion. Auch Barrikaden dienen lediglich der Selbsperteidigung. In diesem Sinne müssen auch die Ereigrisse in Zürich vom29.130. Juni 1968 [...] verstanden t weroen. *414 Auf der Basis der diskursiven Sfiategien der Delegitimierung entwickeln sich nach einer gewissen Karenzzeit Forderungen bezüglich der einzusetzenden Mittel und Methoden des zuktinftigen ausserparl¿rmentarischen Protestes. Die Forderungen finden sich im Rahmen von aro Insgesamt wird diese Herrschaftspraxis als ,¡epressive Toleranz" charakterisiert. ,,Zeitdienst",12.7.1968. Die Misshandlungen und Prügeleien werden insbesondere auf die im Keller des Globus-Gebäudes und auf der Hauptwache von der StadÞolizei verübten Gewaltakte bezogen. ,/eitdierst", 5.7.19681' 12.7.1968; Resolution olt der Bewegung für ein autonomes Jugendzentrunr, (gefasst anlässlich der zweiten Vollversammlung vom 13.7 .1968), abgedruckt in:,,Vorwärts*, 18.7 .1968. ot'Uot"r die Repressalien werden die Suspendierung von Thomas Held als Hilfslehrer an einem Gymnasium, die Relegation von Studenten und Schülern und die Ausweisung von Ausl¿indern subsumiert, die sich an der Grossdemonstration vor dem Globus beteiligt haben. 413 ,Zeitdiensf', I2.7 .1968. 108 LzrNnersARBErr DrsruRsRNer.vss AusserungenziJr Organisations- und Strategieproblematik innerhalb der,,Jungen Linken", wie sie Ende l9o8 und zu Beginn des Jahres 1969 formuliert werden."t Die noch im Mai 1968 unter ,,radikaldemokratischen Methoden der Aufl<lärung" firmierenden ,,direkten Aktionen" und ,,gezielten Provokationen" weichen nunmehr der ,,Politik der gezielten Provokation" als Methode einer ,,revolutionären Praxis". Die ,,Politik der gezielten Provokationen" soll die ,,Repression" und,,Manipulation" des kapitalistischen Herrschaftssystems enthüllen und zur Aufldärung und Erzeugung revolutionären Bewusstseins beitragen.at6 Die ,,Provokationen" werden dabei als - der Politisierung der ,,Massen" ,,exemplarische Angriffe auf - die Institutionen" beschrieben, welche ,,die Gesellschaft, das heisst ihre jeweils spezifischen Vertreter, zu einem offensichtlich antidemokratischen ,,Fehlverhalten" veranlassen [sollen], wodurch sich das wahre Gesicht des Kapitalismus enthullt und sich in der Folge durch praktische Demonstration desselben das antikapitalistische Lager vergrössern wird".4r7 ,,Direkte Konfrontationen" mit der ,,organisierten Macht in Form von Polizei und Justiz'4l8 werden bei den ,,direkten Aktionen' mit dem Verweis auf die geftihrliche ,,Revolutionsromantik" allerdings abgelehnt, da diese die Gefahr der Verwechslung von ,,Symbol und Macht" in sich berge: ,,Vor allem die Revolutionsromantik birgt die Gefalr einer Verwechshurg von Symbol rurd Macht in sich. Die Besetzung eines Gebäudes z.B. kann unter gegenwärtigen Umständen immer nur s¡rmbolische Bedeutung haben und keinesfalls einer effektiven Machtübernahme entsprechen.'Ale Um den ,,sinnlosen Machtktimpfen' vora¡beugen, müssen den ,,direkten Aktionen" deshalb Analysen und kritische Reflexionen, das heisst vor allem langfristige theoretische Planungen vorausgehen.a2o Als langfristige Strategie sollen die Aktionen schliesslich den Widerstand der ata,Teitdienst'', 12.7 .1968. Kursive Hervorhebung durch die Autorin. Organisations- und Strategiefragen erlebten in den verschiedenen Gruppierungen der,,Jungen Linken" Ende 1968 und in der ersten Hälfte des Jahres 1969 eine eigentliche Konjunktur. Vergleiche dazu auch Abschnitt 5.5.1.3. 416 Als potentielle revolutionäre Subjekte werden dabei Jugendliche, Studenten, aber vor allem die ,,Massen der Lohnabhåingigen" - Arbeiter und Angestellte - erachtet: ,J.angfristig gesehen, muss dabei der Protest in die relevantesten Teile der Bevölkerung hineingetragen werden, d.h. er darf sich nicht nw auf Randgruppen al5 beschränken. Nur eine solche Entwicklung ermöglicht einen Erfolg revolutionärer Politik". SA, 4r.201.35, Manuskript,,Zur Strategie- und Organisationsproblematik der Zitrcber Linken unter besonderer Berücksichtigrurg der FSZ", Januar 1969,1,6,16. ot7 SA, Ar.201.35, ebd., 16. An dieser Stelle wäre es besonders interessant, mögliche Verknüpfungspunkte zu Argumentationsmustern RAF-naher terroristischer Gruppierungen, die sich ab l97l n Znnch konstiutieren (beispielsweise der Gruppe Båindlistrasse, vgl. þúrn 27), zu ermitteln. ott sA, Ar.201.35, ebd, 25. ot' sA, Ar.201.35, ebd., 25. '20 Dieses ,,Primat der Theorie" wurde im Rahmen der Überlegungen zw Theorie-Praxis-Beziehung entwickelt: ,,A,lso: was tun? [...] Wie im Modell die Zukunft vorwegnehmen und in der Gegenwa¡t effizient sein? Es ist die Frage nach der Theorie-Praxis-Beziehung, die sich stellt. Und von diesen beiden unzertennlichen ist es anr Zeit die Theorie, der die Prioritet zukommt. Die gesamte JL [Junge Linke, Anm. SB] innerhalb ihrer bestehenden Organisationen muss ihr revolutionares Ziel neu definieren, die erlebte Praxis in Beziehung zur neuformulierten 109 DrsruRseNALYSE LzeNuarsARBEIT ,,Jungen Linken" in eine ,,organisierte Gegengewalt" verwandeln.azr Der Begriff ,,Gegengewalt" wfud damit doppelt strukturiert: im Zusammenhang mit Reaktionen auf die unmittelbare ,,Gewalt des Systems" im Sinne der aktuellen, eigene physische Gewalt einschliessenden Notwehr, und im Zusammenhang mit den eigenen Organisationsformen im S inne von Verfügungsmacht. Die von der Diskursgemeinschaft ..Establishmenf' geprägten Aussagen beziehen sich auf die Form der Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und den Teitnehmerlnnen der Grossdemonstration vor dem Globus. Im semantischen Zentrum des nur selten strukturierten Kompetenzbegriffes erscheint der Begriff ,,Herrschaft", der sich auf den ,,Pöbel auf Zürichs Strassen" bezieht. Die Herrschaffspraktiken werden als ,,Gewalf' und ,,Gewa1ttätigkeif' bezeichnet, wobei das semantische Zentrum des Aktionsbegriffes der Gewalt neu strukturiert wird: ,,Gewalttätigkeit" im Sinne eines physischen Gewaltaktes wird erstmals mit dem Begriff ,,Provokation" gleichgesetzt: ,,Es war tmd es ist offenkundig, dass die bewegende Ursache der Zürcher ,,Explosion' in Theorien und taktischen Konzepten lag, die ,,Provokation', also Gewalt, als erlaubtes Mittel der Minderheiten gelten lassen und propagieren."4z2 ,,Oie fafctlt der Provokation ist die Taktik der Gewalttätigkeit; [...]."423 Die Gewalttätigkeit und die Provokation (auch: systematische Provokation) ist dem Begriff ,,Ordnung" entgegengesetzt; sie zerstört die ,,öffentliche Ordnung" des demokratischen Rechtsstaates, ignoriert die ,,demokratischen Spielregeln" und Füssen". tritt das ,,Gesetz" ,¡nit Die Gewalttätigkeit und die Provokation wird mit vielftiltiger¡ im den Kontext physischer Aktionsgewalt situierten Begriffen inhaltlich gefüllt Die Handlungen werden als ,/erstörung" und ,,Terror" bezeichnet und mit ,¡andalieren", ,,pöbeln", ,,beschiessen" und ,,schleudern" (mit Steinen, Latten, Kisten, Pflastersteinen, Schaufeln, Pickeln), kurz: den ,Jerroristischen Mitteln" weiter ausdifferenziert. Als Sprachbild wird in diesem Zusammenhang auch der Begriff,,Explosion" verwendet. Das Vorgehen wird als ,,vulgär", ,¡iedrig", ,,degeneriert", ,,verwildert", ,,krimine11", ,¡erbrecherisch", ,,i11ega1" und Strategie beu¡teilen und daraus die brauchbare Taktik entwickeln". SA, 4r.26.40.4, Manuskript ,,Zum Verhaltnis der ,Antiautoritären Jungen Sektion derPIAZ'zur PdA, unter Hervorhebung der Rolle der AJS im FASS und in der Bewegung der Neuen Linken", Januar 1969,3. o2r sA, Ar.26.40.4,Ebd., 422 NZZ r4.7.1968. 023 N22,2.7.1968. 6. lr0 LzTNnRTSARBEIT DTSTURSRNALYSE ,,ungesetzlich" gewertet und ist damit eindeutig negativ konnotiert.oto Überdies wird das auf den Strassen wie bereits im Zusammenhang mit den Studentenunruhen im Ausland auch mit Krankheiten und devianten psychischen gewalttatige Handeln Verhaltensdispositionen assoziiert; es mutet wie eine ,,Seuche", die ,,Tollwut" (Wohlstandstollwut) oder ein ,,fJngeist" an und erinnert an die ,,vandalische Barbarei" und als deren Höhepunkt - - das ,,Saubanner [sic]-Treiben".a2s Urheber der Gewalttatigkeit und der Provokation ist einerseits, wie bereits bei den vorhergehenden Aktivierungsereignissen, die ,,zahlenmåissig kleine" Gruppe der,,Taktiker der Provokation', die nun auch als ,,Apostel der Provokation", als ,,Dirigenten", ,,Dtahtzieher" und,,Generalstäbler" beschrieben und mit den,,Brandstiftern von damals" Verheter von,,Faschismus" und,,Totalitarismus" - verglichen - gemeint sind hier werdeno2u: ,,Sind die -ismen von damals und heute so verschieden, dass man gewisse verbindende Elemente nicht erkennen darf und muss, ntimlich beispielsweise das der Gewalttätigkeit und das eines arroganten Ausschliesslichkeitsanspruches und der hochmütigen Verketzerung des ,,Systems"? Ábneln die Aufruhrstifter von heute wirklich in nichts den Brandstiftern von gestern?'¿27 Andererseits beteiligt sich die ,,Meute", das ,,Schlägergesindel", ,,asoziale Elemente", der ,,Bodensatz der Gesellschaff' und ,,Toren" an der Gewalttätigkeit.428 kn Bild wird sprachlich konstruierte, dichotome Typologisierung der gewalttätig Agierenden totalit?ir gesinnte ,,Taktiker", andererseits das asoziale ,,Gesindel" - - diese einerseits besonders augenfÌillig (siehe Bilder): Die ,,asozialen Elemente" werden durch einen bärtigen, langhaarigen und auf der Strasse schlafenden repråisentiert, Rocker der mit einer Jeans- Weste bekleidet ist. An seiner Weste ist ein Stecker mit Emblem befestigt. it;¿ ìs.4'.,t>.:::.jr.¡i øx,.¡'l* ¿ìÀ i:x ,9#.Ì:'. À;:.f 'rú!E&iÌæ /.Ér.. sit ltyilû4.ù È+.1 {ør,'q-F} An seinem Hals h¿ingt eine grobe Kette mit einem grossen Kreuz, das an ein milittirisches Symbolversatzstück erinnert (Bundesverdienstkreuz). Der ,,Haupteinpeitscher" und ,,Taktiker" der Provokation wird als 424 NZZ, t.t.t969:2.7.1968 7.7.1968; t4j]96; t6.7.r968; Stadt AZ, v.B.a.13, Sødtrat von Zti,ricb, Sitzungsprotokoll vom 4.7. 1 968. o" Nzz, r.7 .1968;2.7.1968,7 .7 .1968. 426 NZz,l.t.1968:2.7.1968;7.7 .1968 14.7.1968; Erklärung vom 3.7. I 968, zit. nach: NZZ, 021NZZ, o28 NZZ, 7 .7 .1968. 14.6.196g. r.7 .1968;2.7 .1968:7 .7 .1969. 111 des Stadtrates vor dem Gemeinderat in der Siøung LzeNuersARBErr DrsruRseNALYSE junger Mann dargestellt, der die Menge in leicht erhöhter Position Oberkörper - - und mit entblösstem mit Hilfe eines Megaphons ,,dirigiert". Bilder: NZZ,1.7.1968. Die teilweise miteinander verwebten diskursiven Strategien der Delegitimierung entwickeln sich innerhalb der vier Dimensionen des Aussagenfeldes. Im Rahmen der polity-Dimension wird wiederum auf das Gewalttabu in der Demokratie rekuriert: Die Praktiken der,,Herrschaft des Pöbels" - also Provokation und Gewalt - richten sich gegen das demokratische Ordnungsgefüge und zerstören es. Gleichzeitig entspricht die Provokation und die Gewalt im rechtlichen Orientierungsrahmen einer verbrecherischen, kriminellen Handlung, die gegen das Gesetz verstösst - es sogar mit Füssen tritt - und den Rechtsstaat damit ebenfalls ,,zerstört", ihn gewissermassen explodieren låisst. Diese diskursive, insbesondere durch das Sprachbild ,,Explosion" mit emotionalen, appelativen Elementen angereicherte Delegitimierungsstrategie wird durch die Degenerations-, Pathologisierungs- und Feindbildsnategie komplementiert: Im Rahmen der individual-ethischen Dimension werden die Auslöser der Gewalttätigkeit und Provokation als degenerierte, deviante ,,Elemente" aus der ,¡ormalen" Gesellschaft ausgeschlossen (vgl. auch Devianzzenûertheit in der Darstellung des Rockers) und ihr Verhalten damit moralisch delegitimiert. Die Handlungen der ,,Meute" werden durch die Assoziationen mit sich rasch ausbreitenden und ansteckenden Krankheiten (Seuche, Tollwut) und psychisch anormalen Verhaltensdispositionen (Ungeist) wiederum mit appelativen emotional Momenten gsten) unterfrittert. Diese Ausgrenzungs- und Delegitimierungsstrategie wird im Rahmen der politisch-ideologischen Dimension durch die Konstruktion von Feindbildern ergarut: Die ,,Takfiker der Provokation" werden einer faschistisch-totalitären Gesinnung (und Agitation, vgl. Bild des Taktikers) bezichtig! - eine diskursive Strategie, die emotional ebenfalls neurotisierend und moralisch delegitimierend wirkt. tt2 Lz¡NnersARBErr DrsruRseNRLys¡ Aus diesen Delegitimierungsstrategien resultiert die Legitimierung der eigenen Gewalt, die in Form der abstrakten und apriori-rechtmässigen ,,legalen", ,,gesetzlichen" und ,,staatlichen" Gewalt in Erscheinung tritt. Sie dient dem Schutz der Ordnung des demokratischen Gemeinwesens und des Gesetzes, d.h des demokratischen Rechtsstaates. Die ,,legale Gewalt" wendet sich mit ,,harten Mitteln" und ,,der nötigen Entschlossenheif' gegen die ,,direkte Gefahr" und wird als Alfionsgewalt, die durch das Gewaltmonopol beglaubigf ist, in die Kate gorien einer auftrags gemäs sen Leistung gedrängt : ,,Die Polizei tut ihre Pflicht, wenn sie die Ordnung schütá, sie tut das, wofür sie die öffentliche Gemeinschaft in Dienst gestellt ha! rurd die Gemeinschaft weiss ihr Dank dafü,r."42e Auch das Demonstrationsverbot wird im Rahmen der polity-Dimension legitimiert, da es die Demokratie und deren Spielregeln wiederherstellt: ,,Denn darum geht es þeim Demonstrationsverbot] einzig und allein: um die Wiederherstellung der Demokratie rurd ihrer Funktionsfrihigkeit, um die Wiederink¡aftsetzung ihrer Spielregeln, die nicht Provokation und Gewalttätigkeit heissen kanrL sondern und Entscheidntrg [...]."oto mr geordnete, freie, auch vom Druck der Strasse freie Auseinandersetzung Als Antonyne zu den ,,Taktikem der Provokation" und den kranken ,,asozialen Elementen' erfolgt der Schutz und die Wiederherstellung des demokratischen Rechtsstaates durch ,,gutgesinnte", ,,gesundg" ,¡erantwortungsbewusste" und ,,verl2issliche" Kräfte431: ,,Einer zahlenmässig kleinen, aber sehr aktiven Gruppe von Provokatewen ist es gel'ngen, Unruhen inZüichan stiften. Der Stadtrat bekräftigt emeut seine Entschlossenheit, solcher Zwiettacht und Unsicherheit in rmserer Stadt mit allen durch das Gesetz gegebenen Mitteln entgegenzutreten. Er weiss sich dabei einig mit der überwältigenden Meh¡heit der Zirrcher Bevölkerung. Ln Augenblick der Bedrohung schliessen sich die Reihen der Gutgesirinten. So sind auch Gemeinderat und Stadtrat heute aufgerufen, gemeinsam und tatkräftig zu handeln. Die Polizei stand im Laufe der letzten Tage unter einer ausserordentlichen Beanspruchung. Der Stadtrat dankt der Stadtpolizei und anerkennt ihre Einsatzbereitschaft. [...] Ruhe und friedliche Ordnung sollen heute unser erstes [...] Ziel sein.a32 Mit Blick auf die zuktiLnftige Entwicklung des ausserparlamentarischen Protestes in der Schweiz wird für die ,,geistigen Urheber" der Gewalttätigkeit und Provokation sowie die ,,Steine- und Flaschenwerfer" schliesslich die Forderung nach sofortiger strafrechtlicher Behandlung erhoben: ,Jene, die das Gesetz mit Füssen getrampelt und die öffentliche Ordnung in schwerste Gefahr gebracht haben, müssen die Härte dieses Gesetzes jet* zu spüren bekommen. Milde, gar Amnestie, würde nach unserem Eindruck vom Zustand der öffentlichen Meinung nicht verstanden; sie wäre Benzin ins Feuer und würde uns allen nichts ersparen. [. .] Die Verantwortung t...] für das, was geschehen ist und noch gescheheî mag, [...] diese Verantwortung liegt unverkennbar und in allererster Linie bei den Aposteln der Provokation, die niemandem meh¡ einreden könnten, sie wüssten nicht, was sie tun. Sie wissen es genau. Es ist zu hofflen, dass die Justiz über *n N22,2.7.1969. N7.7 ,7.7.1969. *o ott Erklä.utrg des Stadtrates vor dem Gemeinderat in der Siøung vom 3.7. 1968 , zit. nach:N22,7.7.1968 klÈi.utrg des Stadtrates vor dem Gemeinderat in der SiØung vom 3.7.1968 , zit. nach:N22,7.7.1968 o" E 113 LzewuersARBErr DrsrunseNALYSE die Steine- und Flaschenwerfer hinaus zu den ,,geistigen" Urhebern der Gewalttaten durchzugreifen vennag, die man mit Namen und Vornarnen kennt."a33 6.4.5 Semantischer Raum des Gewaltbegriffes 1968 Subj ektposition,,Junge Linke" 1968 Bedeutungsauspragrmgen der Gewalt ,,Eigene" Gewalt Aktionsbegriff Gegengev,ah Subj Gewalt des/der Anderen ekçosition,,E stablishment" ,,Eigene" Gewalt Gewalt des/der Anderen Zwang Terror Unterdrückung Zwang Terror *Freiheit *Ordnuns Kompetenz- begriff *Demok¡atie *Demokratie +Rechtsstaat Semantisches Zentrum Gegenbegriffe l, 6.4.6 Exkurs: Die Entwicklung des juristischen stabilisierten Gewaltdiskurses ab I 968 Wie im weiteren Verlauf der Analyse gezeig¡ werden kann, dominiert im Hinblick auf die Feldorganisation des Gewaltdiskurses im Jahr 1969 der rechtliche Orientierungsrahmen (vgl. Abschnitt 6.5.1). Als mögliche Ursache dieser Dominanz der Rechtsdimension für das Erscheinen des Gegenstandes Gewalt kann die Entwicklung eines neuen, bis Mitte 1969 scheinbar parallel zum Gewaltdiskurs verlaufenden juristischen Gewaltdiskurses interpretiert werden.a3a 033 a3a Als juristischer Diskurs wird er nach Michel Peucheux vollstZindig von einer N7z,2.7.1969. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob man den juristischen Gewaltdiskurs als Produkt einer Transfonnation oder Weiterentwicklung des wsprünglichen Gewaltdiskurses oder als eigenständigen, vom urprtinglichen Gewaltdiskurs entkoppelten Diskurs betrachten soll. Da seine Aussagen von neuen Subjeþositionen geprägt werden (v.a. Justizbehörden), müsste bei der ersten Variante die eingangs der Arbeit erwåihnte Prämisse, wonach die Subjekçositionen vor der eigentlichen Diskursanalyse bestimmt werden können, revidiert werden. Die Subjekçositionen würden dann - wie Foucault es bereits festhielt (vgl. Archäologie, 75ff. und Anm. 196) - durch den Diskurs hervorgebracht. Um die Validität der methodischen PrZimissen dieser Arbeit nicht in Frage ztt stellen, wird der juristische Gewaltdiskurs deshalb im Sinne der zweiten Variante begriffen. 714 LzeNuersARBErr DnruRseNer.ys¡ dominanten Diskursregel normiert und ist deshalb als stabilisierter Diskurs zu bezeichnen.o" In Bezug auf das im Jaltr 1969 analysierte diskursive Ereignis scheint der juristische mit dem ursprtiLnglichen Gewaltdiskurs zu interferieren: Einige seiner Elemente finden Eingang in die Rechtsdimension des ursprtÍrglichen Gewaltdiskurs diskursiven Gewaltdiskurses. [n der Folge wirkt sich der juristische Gewaltdiskurs gewissermassen als Absorbens aus, da sich der Anfangsdiskurs durch die Selbstregression der Subjektposition ,,Junge Linke" auflöst (vgl. Abschnitt 6.5). Die Aussagen des juristischen Gewaltdiskurses werden von einer neuen Subjekþosition gepragl., die auf einer engen Kooperation von behördlichen Institutionen basiert: dem Zusammenspiel von Justizbehörde, Polizeibehörde und den Exekutivbehörden von Stadt und Kanton Zirich.a36 Die Konjunktur der juristischen Beleuchtung des Gegenstandes Gewalt nimmt mit dem nach der Grossdemonstration vor dem Globus vom Stadtrat verhåingten Demonstrationsverbot ihren Anfang und erstreckt sich auf der Zeitachse tiber das Jahr 1969. Der juristische Gewaltdiskurs besitz einerseits einen strafrechtlich-disziplinierenden Aspekf, der sich in den Verfahren zur Bestrafung, Disziplinierung und Relegation der Akteure der gewalttatigen Auseinandersetzungen vom 29.6.-1.7.1968 wiederspiegelt.ß1 Andererseits besitz er einen formaljuristischen Aspekt, der seinen Ausdruck in Beurteilungen des Demonstrationsrechts, in Anweisungen zum Vorgehen der Polizei bei Demonstrationen und ßs Pêch"*,Rolle *u des GedächÍrisses, 5 l. Zrrr Problematik der neuen Subjeþositionen im Hinblick auf die Charakterisierung des juristischen Gewaltdiskurses als eigenständigen Diskurs siehe auch Anm. 434. 437 lrlit den Strafuntersuchungen der Bezirksanwaltschaft Ziu;tch gegen Demonstranten (Anklagepunkte der Zixcher Staatsanwaltschaft: Gewalt und Drohung gegen Beamte, LandfriedensbrucÐ und gegen einen einzelnen Polizeibeanten (Anklagepunkte: einfache Körperverletzung, Nötigung r¡nd Amtsmissbrauch) setzte eine n Gerichtsverhandlungen vor dem Obergericht Zinch und im Globus-Prozess vor dem Schwurgericht in Winterthur fübrte, einem siebenwöchigen Verhandlungsmarathon. Am Schluss kam es nur zu bedingten Strafen gegen die 30 angeklagten Demonstranten, die längste Strafe betrug 4 Monate Gefüngnis. Der einzige angeklagte Polizeibeamte, der des Schlagens eines Photographen füLr schuldig befunden wurde, erhielt sieben Tagen Gefüngnis bedingt. Gegen Polizeibeamte wu¡de vom Stadtrat in der Siøung vom 6.12.1968 eine Disziplinaruntersuchung verfügt, die von Bezirksrichter Dr. H. Portmann durchgeführt wurde. Als Resultat der Untersuchung wuden vier Angehörige des Polizeikorps wegen ,,übertriebener rurd nicht mehr nötigen Gewaltanwendung" (Haare abschneiden, Ohrfeigen, Knüppelhiebe im Keller des Globus-Gebäudes) disziplinarisch bestraft. 30 Beamte, darunter Polizeiinspektor Bertschi, erhielten einen schriftlichen Verweis für ih¡ Vorgehen. Thomas Held, Mitglied der Fortschrittlichen StudentenschaftZnrah\ wurde vom Ztircher Erziehungsrat aufgrund seiner Teilnahme an der Grossdemonstration vor dem Globus rurd seiner Presseerklärung von seiner Stelle als Hilfslehrer am Realgymnasium fristlos entlassen. Gegen Studenten und Schüler, die sich bei der Demonstration strafbar gemacht hatten, wu¡den von den Behörden der Universität und der Mittelschulen Disziplinarmassnahmen ergrifFen. Drei Ausländer, die sich an der Grossdemonstration vor dem Globus beteiligt hatten, wwden vom Regierungsrat ohne Strafuntersuchung des Entwicklung ein, die im Mai wrd Juni 1969 September und Oktober 1970 zlm Landes verwiesen. 11s LzENnRrsARBErr DrsruRsaNALYSE den davon tangierten Überlegungen zr polizeiinternen Restrukturierungsmassnahmen findet'". Eine umfassende Analyse des juristischen Gewaltdiskurses würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Im folgenden Abschnitt wird deshalb nur auf diejenigen diskursiven Elemente des juristischen Gewaltdiskurses Bezug genommen, die mit dem ursprünglichen Gewaltdiskurs im Jahr 1 969 interferieren. 6.4.6.1 DiskursiveVermittlungselemente Die in der Folge berticksichtigten Aussagen des juristischen Gewaltdiskurses finden sich im Rahmen von Äusserungen der städtischen Exekutivbehörde sowie des Polizeiinspektorates zttm Demonstrationsrecht und den Dienstanweisungen für die Stadtpolizei bei Demonstrationeno'n: Anlåisslich der Auftebung des Demonstrationsverbotes am 16.7.1968 verfasst der Stadfrat unter dem Eindruck der Ausschreitungen bei der nicht-bewilligten Grossdemonstration vor dem Globus eine Mitteilung, in welcher er darauf verweist, dass die Beanspruchung des öflentlichen Grundes frlr Kundgebungen, Demonstrationen usw. gemäss Artikel 23 der Allgemeinen Polizeiverordnung der Stadt Znrich grundsätzlich einer Bewilligung durch den Polizeivorstand bedarf.ao Konkrete, auf juristischen Erwägungen basierende Differenzierungen zum Begriff ,,Ausschreitungen" bei Demonstrationen werden dabei nicht angeführt. Diese finden sich im Marz 1969 in einer Wegleitung des Stadtrates, die das Vorgehen der Stadþolizei bei Demonstrationen reglementiert. Darin wird das Einschreiten der Polizei bei Verstössen des Artikels 2 der Allgemeinen Polizeiverordnung (die GefÌihrdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit von Personen und Eigentumat) und bei einer erheblichen Störung des Verkehrs, die als ,¡echtswidrige Handlungen" bezeichnet werden, als zwingend erachtet. o" Vgl. zu den polizeiinternen Massnahmen, vor allem der Bildung einer Bereitschaftspolizei, mit welcher der erste ,¡noderne" Ordnungsdienst geschaffen wu¡de, und der Anschaffirng neuer Einsatzrnittel wrd Ausrüstung (Wasserwerfer, Weidenschilder, Trãinengaskörper, Lautsprecher, Armeehelne mit Nackenschutz), die Ausführungenbei Zu,eifel, Ordnungsdienst, 189-199. Zw Schaftrng eines Psychologischen Dienstes bei der Stadçolizei Zítrtch siehe auch PBV-Nachrichten (Publikationsorgan des Polizei-Beamten-Verbandes der Stadt Znnch),Nr. 54, Dezember 1969. o'n Stadt AZ, Y.B.a.l3, Stadtrat von Zü'ricl¡ Sitzungsprotokoll vom 15.7.1968 Stadtrat von Züricll Sitzungsprotokoll vom IL.3.1969; StB, 4r.105.13.01, StadpolizeiZünch, Polizeiinspektorat. Demonstrationen, Unruhen und polizeiliches Verhalten. Erfahnrngen turd Leh¡en aus dem In- und Ausland. Nur fü¡ dienstlichen Gebrauch. November 1968. *o Studt AZ,Y.B.a.l3, Stadtrat von Zürich, Sitzwrgsprotokoll vom 15.7.1968. al Allgemeine Polizeiverordnung, Gemeinderatsbeschluss vom 14.10.19 59, 1u:t.2. 116 Lz¡NrersARBErr DnTURSeNALYSE Für den Einsatz der Polizei wird dabei eine Stufenfolge der anzuwendenden Mittel in Betracht gezogen, die als ,,Rechtshandlungen'42 zur Einstellung der rechtswidrigen Handlungen führen sollen. Diese Stufenfolge reicht von Verhandlungen mit einer Abordnung der Demonstranten über das eventuelle Wegstellen oder -tragen der Störer und dem Einsatz von Wasserwerfern (auch mit Beimischung von Tränengas) bis zur Ver-wendung der Polizeiknüppel. Als Beispielfall fi.ir eine rechtswidrige, gegen Artikel 2 der Polizeiverordnung verstossende Handlung wird der tätliche Angntr durch Wurfgeschosse aufgeführt.oo' Dieser wird in einer internen Dienstanweisung der Stadtpollz,ei Znrich, welche die Leitsatze über das Verhalten und Vorgehen der Beamten enthält, als ,,Gewalttätigkeit" (siehe weiter unten) und auf die ,,Globuskrawalle" - - in Bezug auch als Bestandteil von,,Provokationsn" bezeichnet: ,,Es mochte gelegentlich schwer fallen, [...] von der Anwendung unmittelba¡en Zwangs abzusehen, wenn die Provokationen der Störer bis an die Grenze der persönlichen Belastbarkeit der Polizeibeamten gingen oder sie sogar noch übersch¡itten (rvVurf von Eiern und Farbstoffen gegen die Polizei sowie unflätige Beschimpfung"ù*-* Bei Angriffen durch Wurfgeschosse (Eier, Farbe, Steine, Abfall) und bei Provokationen die Polizei - - also bei Gewalttätigkeiten sowie der ernsthaften Geûihrdung von Leben und Besitz Dritter kann gemåiss Wegleitung Einsatzmittel abktirzena5 und und Dienstanweisung die empfohlene Stufenfolge der mit dem Gummiknüppel vorgehen, womit sie legale ,,Gegengewalt" ausübt: Gebrauch des Gummikniþpels (Schlagstockgebrauch) ist, mit Ausnahme des Schusswaffengebrauchs, das letzte Mittel [...] der Anwendung von Gewalt; erst \Ã'enn die anderen Mittel nichts mebr fruchten sollten wñ die ,per Polizei gewaltsam (mit Wudgeschossen aller Art) angegriffen v'ird, soll auf die Gewalt der Störer mit G egen gøt *2 all geantwortet werden."46 StB, Ar.l05i 13.01, Sødçolize i Zútch, Polizeiinspektorat. Demonstrationen, Unruhen wrd polizeiliches Verhalten, 9. a3 * Stadt AZ, Y .B.a.I3, Stadtrat von Zürich, Sitzungsprotokoll vom 1 1.3. 1 969. StB, Æ.105/13.01, Stadçolizei Zixtcb¡, Polizeiinspektorat. Demonstrationen, Unruhen und polizeiliches Verhalten,23. *t Strdt AZ,Y.B.a.I3, Stadtrat von Zürich, Sitzungsprotokoll vom 15.7.1968: ,,Wird die Polizei überraschend tätlich angegriffen (zum Beispiel mit Wurfgeschossen), oder wird unvennutet im Sinne von Artikel 2 der Allgemeinen Polizeiverordnung Leben und Besitz Dritter emstlich gefÌihrdet, so kann die in Ziffer 2.3 erwähnte Stufenfolge abgektira werden." a6 StB, Ar.l05/13.01, Stadçolizei Ztnch, Polizeiinspektorat. Demonstrationen, Unruhen und polizeiliches Verhalten, 38. Kursive Hervorhebung durch Autorin. Interessant erscheint in diesem Zusammenhang die explizite Gleichsetzung der eigenen (Polizei)Gewalt mit dem Begriff ,,Gegengewalt", der im ursprüurglichen Gewaltdiskurs von der Subjekçosition,,Junge Linke" srukturiert wurde. 177 DrsrunsRNALYSE LzpNMTSARBEIT 6.5 Die Die Auflösung des Gewaltdiskurses im Jahr 1969 anschliessende Aussagenanalyse des Ereignisses - für das Jahr 1969 bestimmten diskursiven - dem Teach-in am Bellevue und vor dem Obergerichtsgebäude am 11. Juni 1969 wiederspiegelt die Auflösung des ursprünglichen nicht-stabilisierten Gewaltdiskurses. Wie im Folgenden gezeig¡ wird, finden sich die dargestellten diskursiven Vermittlungselemente des juristischen Gewaltdiskurses im dominant in Erscheinung tretenden rechtlichen Orientierungsrahmen des nicht-stablisierten Gewaltdiskurses. Die Vermittlungselemente tauchen dabei ausschliesslich in den Diskursaussagen der Subjekþosition,,Establishment" auf Gewalt und Provokation im Protest werden im Rahmen von klaren juristischen Kategorien entwickelt und nach juristischen Erwâgungen sanktioniert' Die Subjekþosition ,,Junge Linke" hingegen unterliegt einer selbstinduzierten Regression. Das eigene Protestverhalten offenbart für die ,,Junge Linke" die Nichteinlösbarkeit der im Januar 1969 forrnulierten ,,Politik der gezielten Provokation". Die eigenen Alfionen werden im rechtlichen Orientierungsrahmen als explosive und verbrecherische Primitivreaktionen entwickelt, womit es der ,,Jungen Linken" nicht gelingf, sich weiterhin als polarisierende Sprecherposition im Gewaltdiskurs zu positioniereî.41 Das nicht-stabilisierte Zwiegespräch des Anfangsdiskurses der Gewalt löst sich ,,Junge Linke" somit mit der Selbstregression der Sprecherposition auf Aus dieser Darstellung lässt sich thesenartig die Schlussfolgerung ziehen, dass der stabilisierte juristische Gewaltdiskurs dem nicht-stabilisierten, durch konfligierende Deutungsmuster geprägten Anfangsdiskurs der Gewalt gewissermassen ,jiberlegen' ist und ihn deshalb absorbiert. Die Ûberlegenheit des stabilisierten Diskurses speist sich möglicherweise aus der normierten Regelhaftigkeit seiner Aussagen, die von einer hermetischen und eng mit behördlichen lnstitutionen verknüpften Subjekçosition gepra$! werden. Gerade die institutionell flottierende Subjektposition ,,Junge Linke" scheint gegenüber diesem definitionsmächtigen Institutionengefüge keine Möglichkeiten zu besitzen, ihr Sprechen zum Gegenstandsbereich Gewalt in einem Ort des Aussagens zu homogenisieren und zu kanalisieren, womit ihr die Generierung einer gleichwertigen Definitionsmacht nicht gelingt. at Als gewissermassen ,¡naterielles" Indiz fü,r den Verlust ihrer Sprecher- oder Subjeþosition kann die n Ziiichbetrachtet werden, die sich im Laufe des Jalres 1969 immer deutlicher Linken" der Spaltung ,,Jungen abzeichnet (vgl. Abschnitt 6.6). 118 DtsrunseNALYSE LzENtleTSARBEIT 6.5.1 Teach-in am Bellevue und vor dem Obergerichtsgebäude vom 11. Juni 1969 Das Aktivierungsereignis: Die FASS und die Gruppe ,,Saint Ju organisieren am 11. Juni 1969 beim Bellevueplatz ein nicht-bewilligtes Teach-in zu den Untersuchungen der Bezirksanwaltschaft gegen die Globus-Demonstranten. Etwa 100 Personen setzen sich untereinerVerkehrskanzel beider Quaibrücke auf die Strasse und blockieren den Verkehr. ln der Folge versammeln sich die Teilnehmer der Kundgebung vor dem Obergerichtsgebäude beim Hirschengraben. Ein Galgen, an welchem die ,,Hure Justitia" aufgehängt werden soll, wird vor dem Gebäude aufgerichtet. Das Obergerichtsgebäude wird mit Plastikbeuteln, die rote Farbe enthalten, beworfen. Die Kundgebung wird mit einem Teach-in vor dem Kunsthaus beendet. Die Polizei greift während der gesamten Kundgebung nicht ein. Die Feldorganisation der Diskursaussagen wird im Hinblick auf das letzte diskursive Ereignis nurrnehr von rwei Dimensionen bestimmt: der Rechtsdimension und der politisch- ideologischen Dimension. Im semantischen Zentrum des Aktionsbegriffes der Gewalt tauchen die Begriffe ,,Provokation' (Subjektposition ,,Establishment) und ,,Repression" (,,Junge Linke") auf, der Begriff der ,,(repressiven) Manipulation" verschwindet gtinzlich. In seiner Kompetenzausprägung (Macht, Herrschaft) wird der Gewaltbegriffnicht meh¡ stukturiert.ae Die an die Subjektposition..Establishment" geknüpften Aussagen beziehen sich auf die Form des Protestes am Bellevueplatz und vor dem Obergericht. Das Blockieren des öffentlichen Verkehrs und die Sachbeschädigung des Obergerichtsgebäudes werden als ,,Provokationen" bezeichnet, die das ,,Mass des Tolerierbaren" und die ,,Grenzen des Zumutbaren' überschreiten, einem ,,ges€tzeswidrigen Übergriff' entsprechen und mit einem ,Jegalen Mittel der freien Meinungsäusserung" nichts mehr zu tun haben. Der Begritr ,,Provokation", definiert als ,,eine Strategie, die mittels systematischer Herausforderung die Zerstörung der Autoritat im demokratischen Rechtsstaat ntm Ziele hat", wird durch ,,destruktives Tun", ,,Vandalismus", ,/warrg" und,,Terror" ausdifferenzíert. Als Teil der ,,Provokation" wird das V/erfen von Gegenståinden (Farbbeuteln), das zur ,,Besudelung" des Obergerichtsgebäudes führte, mit dem Begritr,,Gewalf' substituiert. Als kontradikforische Praxis zu Provokation und Gewalt wird das Nichteinschreiten der für den Schutz des 48 Obergerichtsgebäudes Die Gruppe ,,Saint Just" wurde im Januar 1969 von Mitgliedern der FSZ und den Progressiven MittelschüLlern gegrthrdet und setzte sich zum Ziel, mit Informationen, Aktionen und einem Justiztraining für angeklagte Demonstranten die Prozesse und Vorgåinge der Justiz ,durchsichtig" zu machen. SA, Ar.20l.36, Mitteilungen Nr. 1 (Arbeitsgruppe Justiz), 29.1.1969. *'Vgl. Abschnitt 6.5.2: Semantischer Raum des Gewaltbegriffes im Diskurs 1969. l19 DtsrunsnNALYSE LzeNUETSARBEIT zuständigen Kantonspolizei hervorgehoben, die mit dieser ,,Taktik" ztt zeigen vermochte, wer sich ins,,IJnrecht" gesetzt hat: ,,Der Stadtrat möchte immerhin da¡auf hinweisen, dass [...] die Kantonspolizei anlässlich der Demonstration gegen die Justiz vor dem Obergericht, bei welcher sich [...] eine kleine Minderheit dazu berufen fütrlte, sogar óe*utt gegen in öffentlichem Eigenturn stehende Sacherl nämlich ausgerechnet gegen das Gebäude einer der obersten kantonalen Gerichtsinstanzen zu verüben, in grundsirt^içhel Hinsicht die [...] Taktik verfolgte, der Bevölkerung deutlich zeigen zu können, wer sich ins Unrãcht gesetzt hat.'¿50 Als Urheber der Gewalt (als Teil der Provokation) werden ,,Extremisten" und ,,kommunistische Gruppen" genamt, die ,,zusammen mit andern Ztrkelnunter der Flagge der Jungen Linken Segeln" und die ,,menschenryürdige Ordnung zerstören'451. Die diskursiven Strategien der Delegitimierung von Provokation und Gewalt entwickeln sich hauptsächlich innerhalb des rechtlichen Orientierungsrahmens. Man kann in diesem Zusammenhang von einer Objektivierungsstrategie sprechen, die den Gegenstand Gewalt ent- emotionalisiert und in klar umrissene Kategorien einteilt: Die Provokationen (Verkehrsstörungen, SachbeschädigungeÐ und die Gewalt als eine Stufe der Provokation (Wurf von Farbbeutetn) werden als ,,gesetzeswidrige" und illegale Handlungen präpariert und damit delegitimiert. Die Übereinstimmung dieser diskursiven Formation mit der im vorhergehenden Abschnitt beschriebenen Formation im juristischen Gewaltdiskurs ist an dieser Stelle offensichtlich (vgl. die diskursiven Vermittlungselemente auf Seite 116). Als zweite diskursive Stategie werden die AuslOser von Gewalt und Provokation durch die Konstrukfion einer subversiven, extremistischen Gesinnung und der damit verbundenen Stilisierung des ideologischen Feindbildes ,,Kommunismus" diskreditiert und ihre Handlungen delegitimiert. Das im Zusammenhang mit der,,heissen Phase" des Diskurses im Juni/Juli 1968 entwickelte dominante ideologische Feindbild,,Faschismus" wird damit durch das 19 67 vorherrschende Feindbild,,Kommrmismus" ersetzt. Aus der im rechtlichen Orientierungsratrmen entwickelten diskursiven Objektivierungsstrategie resultiert die Legitimierung unmittelbarer Sanktionen gegen alle Teilnehmer, die sich justiziabler Gesetzestiberschreitungen schuldig gemacht haben: in jüngster Zeit erfolgfen, nicht bewilligten Demonstrationen, wo es zu unliebsamen Verkehrsstörungen ,,Die [...]-guhohofb.ü.ke und am Bellevue und schliesslich noch zu Sachbeschädigungen am Obergericht karn, áuf dãr AZ,Y.B.a.l3, Stadtrat von Zürich, Stadtratsprotokoll vom 27.6.1969. Oie Ähnlichkeit der von der Kantonspolizei verfolgten Taktik mit der von den ,Jungen Linken" formulierten ,,Politik der gezielten Provokation", welche die jeweils spezifischen Vertreter der Gesellschaft z;tt einem offensichtlichen a5o Stadt antidemokratischen Fehlverhalten veranlassen sollte, ist an dieser Stelle frappierend. Vgl. Seite 109. ott NZZ, 12.6.1969; 19.6.1969; Stadt AZ, V.B.a.13, Stadtrat von Zürich, Sitzungsprotokoll vom 20.6.1969 sowie das Siøungsprotokoll vom 27 .6.1969. 120 Lz¡NnersARBErr DrsrunseNALYSE mit aller Deutlichkeit, dass die Veranstalter nicht willens oder in der Lage sind, gesetzeswidrige Úbergriffe zu verhindern. Der Stadtrat möchte deshalb [...] unmissverståindlich seine Meimrng z.rm Ausdruck bringen, dass er nicht rneh¡ gewillt ist, weitere V/iderhandlungen gegen die gesetzliche Ordmrng zu dulden. [...] Er hat deshalb beschlossen, dass die Teilnehmer an der Demonstration vom 11. Juni 1969, die sich der Störung des öffentlichen Verkehrs, der Störung von Betrieben, die der Allgemeinheit dienen, der Sachbeschädigung, allfülliger Verletzung des Strassenverkehrsgesetzes, eventuell des Unfugs im Sinne von Artikel 25 der allgemeinen Polizeiverordnung, schuldig gemacht haben, durch die Stadçolizei ausfindig zu machen und zu bewiesen verzeigen sind.'¿s2 Die in dieser Passage zum Ausdruck kommende prophylaktische Abschreckungs- und Einschi.ichtenmgsstrategie, die mit der Deklarierung von Sanktionen für die - juristischen Kategorien entwickelten - in klaren Gewalt- und Provokationshandlungen erzielt wir{ lässt sich schliesslich auch im Hinblick auf das wegleitende Vorgehen der Polizei bei zukünftigen Demonstrationen festhalten. Provokationshandlungen Den gesetzeswidrigen bei Demonstrationen Sachbeschädigungen, das Werfen von Gegenståinden) (Störungen Gewalt- des und Verkehrs, soll mit einem abschreckenden Massnahmenkatalog begegnet werden: ,,Die Polizei ist auf Grund einer Wegleitung des Stadtrates über das einzuschlagende Vorgehen [zur Einstellung rechtswidriger Handlungen, Anm. SB] genau instruiert. Sie wird gemäss den Weisungen des Stadtrates handeln."a53 ,,Bei kärrftigen Demonstrationen werden Stadt- und Kantonspolizei Zírtch in einer erhöhten Alarrnstufe mit Chemikalien vennischtes Wasser einsetzen. Die motorisierten Wasserwerfer sollen nicht nu mit ,,gewöhnlichem" Wasser gefüllt sein, sondern es wird ihnen eine chemische Substanz beigemischt, die das Wasser noch ,¡asser" machen wird. In einer weiteren Alannstufe werden normale Armeeflammenwerfer zum Einsatz kommen, die von den eingeseEten Polizeimännern am Rücken getragen werden und mit Wasser und flüssigem Tränengas gefüllt sind. [...] Als letztes Mittel soll der Gummikntþpel auf Veranlassung eines verantwortlichen Polizeioffiziers zum Einsatz komm"o<'454 Die mit der Subjektposition..Junge Linke" verknäpften Aussagen finden sich im Rahmen von Äusserungeî zltr den Untersuchungen der Justizbehörden und den Vorgtingen vor dem Obergerichtsgeb¿iude. Die Justiz wird als Instrument und Institution des Staates bezeichnet, das rechtswidrig ,,Repression" ausübt. Die Mechanismen der ,,Repression" werden als ,,verschleiert" beschrieben, da sie sich in Gerichtsverfahren und Gesetzen manifestieren. Letztlich frihrt die Repression der Justiz zur ,,Diskriminierung und physischen Ausschaltung der Gegner (das heisst der Jungen Linken)", womit die Repression in den Kontext physischer Aktionsgewalt geräckt wird.a55 In diesem Zusammenhang wird sprachlich auch ein Vergleich zwischen den ,,Repressionsinstrumenten" ,,Gummiknüppel" und ,,Gummiparagraphen" 052 ot' oto Stadt AZ,Y.B.a.l3, Stadtrat von Zürich, Stadtratsprotokoll vom 27.6.1969 Stadt AZ,Y.B.a.l3, Stadtrat von Ztirich, Stadtratsprotokoll vom 20.6.1969 N77,23.6.1969. t2t DTSTURSENALYSE LzpNUeTSARBEIT Fehlverhalten" veranlassen solltena60, mit der militanten Aktion nicht eingelöst werden - gatlz im Gegenteil: Gerade durch das Nichteinschreiten ist es der Polizei gelungen, die Taktik der Provokation für sich in Anspruch zu nehmen: passiv das Gesetz ,,Dadwch, dass die Polizei nicht eingriff, hat sie (und rnit ihr der freisinnige decision-maker) hineingehen und Falle in eine vorbereitete urs des Handelns an sich gerissen, hat sie die Spielregeln verletzt, gewesen wåire. Dann zu noch vermitteln gefÌihrlich, uns aber für genau den Punkt verfehlen lassen, der fü,r sie Bevölkerungskreise aller die Unterstützung rnüssen, ohne uns angreifen hätten die reaktionären Kräfte "arrtti"tt zu haben, hätten sich auf ein neues, geführliches weil dem Prestige abträgliches - Globusabenteuer hinter sich einlassen müssen. Aber sie waren intelligenter."6l Im Hinblick auf die gesamte ,,Junge Linke" n Znnch wird schliesslich ein ,,Gefühl von Ohnmacht und Enttäuschung über die Unmöglichkeit real ver¿indernder Praxis" konstatiert, das sich in den zum Scheitern verurteilten,,explosiven Primitivreaktionen" und den,,politisch neutralisierbaren Synbolhandlungen" offenbare.a62 Um diesen ,,selbstzerstörerischen Widerspruch" aufrulösen, wird deshalb die Bildung neuer, informeller Kader gefordert: ,pie misslungene Gerichtsaktion und deren Analyse znigen [...], dass neue, informelle Kader gebildet werden Àürr"tt, die áuf einem anderen Organisationsniveau arbeiten müssen, um die Erfatrung d.ej Misslingens al verarbeiten und eine überflüssige Polarisierung innerhalb der Bewegrurg selbst zu verhindem."43 6.5.2 Semantischer Raum des Gewaltbegriffes 1969 Subj 1969 ektposition,,Junge Linke" ,,Eigene" Gewalt Bedeutungsauspragungen der Gewalt Gewalt des/der Anderen Subj ekçosition,,Establishment" ,,Eigene" Gewalt Aktionsbegriff Gewalt des/der Anderen Zwang Terror * Semanlisches Zentrum Gegenbegriffe *o vgl. Seite 109. SA, 4r.201.35, Manuskript,Zur Situatiorr",4,5. Hervorhebung im Text' 'ut 462,,Zeitd;rettsl*, l l.7 .19 69. 463 ,,zeitdiensf' , ll.7 .1968. 123 DrsruRsRNelvsg LzpUIeTSARBEIT 6.6 Epilog: Die Aufspaltung der ,,Jungen Linken" in Zürich Dass sich eine Polarisierung der ,,Jungen Linken" n Znrich mithin ltingst abzuzeichnen begann, kann der polemischen Schlussequenz der oben bereits zitierten, Mitte 1969 verfassten Situationsanalyse der FSZ entnommen werder¡ die sich auf die ,,agents provocateurs" der Aktion vor dem Obergericht bezieht: jene ,,gläubigen" Genossen nicht agents ,,Ein aussenstehender Syrnpathisant hat kürzlich besorgt geäussert, ob provocateurs seien, die den Aufirag bekornmen hätten, das FASS und die fsz möglichst schnell zu ruinieren' Da .i" du. nicht sind, dr¿ingt sich die Frage auf, ob eine psychiatrische Behandlungjener Genossen angesichts ihrer katastrophalen Fehler der Linken nicht billiger zu stehin kåime als ihre weitere Mitarbeit."464 Die in der Passage implizit angesprochene Spaltung beherrschte im Jahr 1969 nicht nur die strategischen und organisatorischen, sondern auch die ideologischen Grundsatzdiskussionen der ,,Jungen Linken". ln Bezug auf die Zerreissproben und Auflösungserscheinungen spricht Dominique Wisler von einer ,,tiefen Spaltung der neuen Linken und der Bildung rweier grosser Linien mit deutlich verschiedenem Profil": eine will die Auseinandersetzungen im orthodoxen Geist des Klassenkampf wiederaufuehmen, sieht das ievolutionäre Subjekt treu nach der Lehre in der Industriearbeiterschaft, und ih¡e Vereinigungen streiten sich um die zweckmässigsten Organisationsforrnen der neuen revolutionären Arbeiterpartei. Dies sind die Ouwieristen. Nach Einschäøung der anderen Linie ist die Arbeiterklasse nicht zur Revolution fühig; stattdessen konzentriert sich diese Strömung auf die Randgruppen, in denen sie revolutionäre Avantgarden sieht, und entw"ickelt insbesondere spontâne, subkultwelle Organisationsformen''¿65 ,pie Nach Wisler ging die ouwieristische Linie vor allem aus der Selbstkritik der Jungen Sektion und der FSZ hervor, die sich beide im Jahr 1969 auflösten; der FSZ gelang es nicht, die ideologischen Spannungen zwischen ihren Mitgliedem Leninisten und Antiautorit¿iren - abzubauen. - insbesondere zwischen Marxisten- Die Junge Sektion der PdA beschloss im November 1969 einen Massenaustritt aus der PdA, nachdem sich die Widersprüche zu den Positionen der PdA-Parteileitung als zu gross erwiesen hatten. Die Spaltung der ,,Jungen Linken" in ZnrjLch bedeutete auch das Ende des Koordinationsversuchs FASS, der im Laufe des Jabres 1970 bedeutungslos wurde.a66 Einige ehemalige Mitglieder der Jungen Sektion, der FSZ und der FASS fanden sich bei der Grtindungsversammlung der,,Revolutionåiren Aufbauorganisation Zitrtch (RAZ)" wieder. Aus der Retrospektive bemerkte das ehemalige FSZ-Mitglied Emilio Modena zur RAZ und anderen neugegründeten Organisationen der,J'{euen * SA, 4r.201.35, Manuskript,lw *t Witl"r,Drei Gruppen, 76. Situation', Linken' metaphorisch: 7. 6u Die Koordinationsgruppe FASS spaltete sich im Ztge der Auseinandersetzungen um einen Ersatz für das Globus-Areal (Lindenhof Bunker). Vgl. dazu auch Seite 67' 124 DtsrunsRNervs¡ LzsNrersARBEIT mich begann das Abenteuer des Parteiaufbaus in der Revolutionåiren Aufbauorganisation (RAZ). [...] Nach der langen Durststrecke und dem kurzen Gipfelrausch pruzelten nun'Wasserfülle, flossen vielerlei Bäche, die sich mit der Znit nt wenigen Flüssen vereinigten, durch eine breite grüure Hügellandschaft: die Autonomen und der bewaffirete Ku-pf, die Parateiaufbauorganisation oder K-Gruppen - die westeuropäische 68er Kultunevolution hatte die Neue Linke hervorgebracht, die sich fortan in einem spannungsreichen Verhältris den Überresten der ,,FüLr alten Arbeiterbewegung beigesellte.'¿67 6.7 Überlegungen zum Zusammenhang zw¡schen Sprache und politischem Handeln Nachdem im Einftihrungsabschnitt zum Gewaltdiskurs 1968 bereits die These formuliert wurde, dass materielle Handlungen in ,,kritischen Ereignissen" auf die diskursiven Formationen im Diskurs Einfluss nehmen (vgl. Abschnitt 6.4), sollen an dieser Stelle nun einige kurze Überlegungen zum Einfluss der diskursiven Formationen auf das politische Handeln der Alfeure angestellt werden. Flankiert von den ,,kritischen Ereignissen" Jimi-Hendrix Konzert vom Mai 1968 und den ,,Globuskrawallen" Ende Juni, anfangs Juli 1968 dient die ,,heisse Zorte" des Diskurses als Ausgangspunkt für diese Überlegungen. Betrachtet man in diesem Kontext die von beiden Diskursgemeinschaften entwickelten diskursiven Strategien der (De-)Legitimierung fremder und eigener Gewalt, so kann die These forrnuliert werden, dass die diskursiven Sftategien für die Prägung latenter Handlungsdispositionen, die sich in materiellen Praktiken Entscheidungen und sozialer Aktion auf der Basis Bedrohungsszenario, wonach in politischen schliesslich Bahn brachen, einen wichtigen Einflussfaktor darstellen. Beispielsweise kann das ,,Establishmenf' - von der Diskursgemeinschaft diskursiver Delegitimierungssfrategien entwickelte der demokratische Rechtsstaat Schweiz aufgrund der angektindigten Besetzung des Globus-Areals (der ,,Drohung mit der Gewalf') einer unmittelbaren Gefahr ausgesetzt sei, durch anarchische und gesetzlose Kommunisten zerstört zlt werden, als bedeutsames Movens bei der Konstruktion spezifischer Handlungsdispositionen von Stadþolizei und Behorden anlåisslich der Grossdemonstation am 29. Jwi 1968 interpertiert werden. Insbesondere die mit der prätendierten Ungeheuerlichkeit erzeugte ,,rnoralische PaniK' (Dramatisienmg, Aufblåihung und Verallgemeinerung durch Generierung des Feindbildes ,,Kommunismus" und des des Gegners Sprachbildes ,,Explosion') trug als diskursiv formiertes Watrnehmungsmuster womöglich zur 6' Mo de n o, Veråinderung der Psychoan aly se, 7 6. 125 DmruRseNervs¡ LrzpunersARBEIT Kreation von Handlungsmodellen bei, in welchem der Einsatz von Gewalt nicht ausgeschlossen wurde.ou* Umgekehf könnte auch die von der Diskursgemeinschaft ,,Junge Linke" mittels diskursiver Delegitimierungsstrategien entwickelte moralische Enfftistung über die Herrschaftspraktiken des ,,Systems" anlässlich des Jimi-Hendrix Monsterkonzertes zu Handlungsdispositionen beigetragen haben, welche im Hinblick auf die Herabsetzung der moralischen Hemmschwelle des ,,Gewalttabus" in den nachfolgenden Protestereignissen eine wichtige Rolle spielten. Mit der Konstruktion eines von psychisch degenerierten und faschistisch gesinnten PolizistenUnmenschen verübten Terroraktes beim Monsterkonzert wurde sprachlich gewissennassen der ,,Sündenfall" geschaffen, der auch flir den vom FASS gefüllten Entscheid handlungsleitend sein dürfte, ein Ultimatum an den Stadtrat zu richten. Gerade aufgrund des terminologischen Flottierens der für die eigenen Methoden verwendeten BegrifÏe ,,direkfe Aktíon", ,,Provokation" und ,,Gegengewùt'46e und der daraus resultierenden Ungenauigkeit und Widersprtichlichkeit für die Präparierung von Handlungsanleitungen muss aber davon ausgegangen werden, dass vor der Grossdemonstration beim Globus wohl keine klare Handlungsdisposition pro Gewalteinsatz vorlag.aTo Zusammen mit den im Überlegungen lzisst sich Einführungsabschnitt ztrm Gewaltdiskurs 1968 angestellten im Hinblick auf die Beziehungen diskursiver Formationen und materieller Praktiken schliesslich eine Interferenzthese formulieren: Diskursive Formationen strukturieren als WebfÌiden die Textur des politischen Handelns, und die politischen Aktionen arrangieren umgekehrt das Rohmaterial neu, aus welchem gesponnen werden. Was allerdings in einem sogenannten die sprachlichen ,¡noment Webftiden of madness't7r, dem enthemmten, rohen Gewaltakt, mit den Wissensstrukturen zur Gewalt geschieht und wie sich bereits existente Strukturen auf den Gewaltakt selbst auswirken, bleibt letalich ** Vgl. dazu das Quellenexzerpt auf Seite 106: ,Man möchte die öffentliche Ordnung mit fester (wenn auch nicht unnötig heftig dreinsclrlagender) Hand gesichert wissen." ou'vgl. seite 103. ato Mit der Kreation von Agency-Ansatz. Vgl. Handlungsdispositionen wrd darrit auch Handlungsmacht beschäftigt sich auch der dazu Anm. 205. 126 DrsruRsexervsn LzsNrrersARBEIT unerschliessbar - der ,,high noon" cler Gewalt, der Moment, in welchem das Ungeheuerliche und Aufirutihlende geschieh! reprtisentiert gewissermassen eine ,,black box", welche die Analyse eines ,,Vorher" oder,J'{achher", nicht aber des unmittelbaren ,,Jetzt" gestattet' ott Vgl. daan Tarrow, Cycles of Collective Action, 28L'284. r27 Lz¡NnersARBEIT 7 Scur-usssprRACHTUNG Schlussbetrachtung und Ausblick In dieser Arbeit setzte ich mir das ZieI, einen Einblick in Prozesse kultureller Kommunikation und Konstruktion zrr gewinnen: Im Zentam meines Erkenntnisinteresses Gewaltdiskurs in Zürich im Kontext der 68er Protestereignisse - lag der von dessen Analyse erhoffte ich mir eine tiefere Einsicht in die Mechanismen der Bedeutungs- und Sinnproduktion in Bezug auf das Phtinomen Gewalt in der Dynamisierungs- und Umbauphase ausgangs der 1960er Jahre. Als Gewaltdiskurs habe ich eine Ansammlung, also ein Korpus von Aussagen zlttÍ Gewalt definiert, welche durch diskursive Formationen mit im weitesten Sinne inhaltlichen (beziehungsweise semantischen) Kriterien oder Merlcnalen ausgestattet worden sind. Vor der eigentlichen Untersuchung dieser inhaltlichen (bzrv. semantischen) Merlanale habe ich in einem ersten Schritt das Aussagenkorpus - den Diskurs - identifniert. Die Einheit eines Diskurses kann nicht als präexistent vorausgesetzt werden, sondent ist im wesentlichen eine Interpretationsleistung Diskursidentifikation des Forschers oder der Forscherin. Im Sinne einer legte ich deshalb spezifische Sprecher- beziehungsweise Subjektpositionen fest (die beiden Diskursgemeinschaften ,,Establishmenf' und ,,Junge Linke") und fixierte Kristallisationspunkte im Protestgeschehen spezielle diskursive Ereignisse als in der Auseinandersetzung anm Themenkomplex Gewalt. Mein Analysekorpus bestand nach dieser Diskursidentifikation aus einer Ansammlung von Aussagen zur Gewalt, die in acht diskursiven Ereignissen zwischen 1967 und 1969 von den Diskursgemeinschaften ,,Establishmenf'und,,Junge Linke" geprägt wurden. Diese Aussagen der Diskursgemeinschaften konnten nun aufgrund der im methodischen Teil dieser Arbeit entwickelten Analyseanleitung untersucht werden: einerseits Dimensionen, die für den Gegenstand Gewalt in im Hinblick auf die den Diskursaussagen definiert wurden, andererseits in Bezug auf die Strukturierung des semantischen Raumes des Gewaltbegriffes und die diskursiven Strategien der (De) Legitimierung der Gewalt. Wie zu Beginn dieser Arbeit erwåihnt, ging es mir nicht um die Beantwortung einer spezifischen inhaltlichen Fragestellung zum Bedeutungsgefüge der Gewalt, etwa im Rahmen einer sozial- oder kulturgeschichtlichen Betrachtung der 68er Ereignisse oder der 68er Bewegung. Das eigentliche Objekt des Erkennûrisinteresses waren die Modalitäten des sinn- oder bedeutungsvollen Sprechens und Denkens zvm Themenkomplex Gewalt die sprachliche Strukturierung des Bedeutungsgefüges der Gewalt. Aufgrund der Ergebnisse t28 ScnrussssrRACHTuNG LzpNnersARBEIT meiner Diskursanalyse kann daher an dieser Stelle ein inhaltliches Fazit lediglich summarisch ausfallen und beispielsweise an die Frage anknüpfen, ob Gewalt bloss als physischer Akt, in dem ein Mensch einem andern Menschen Schaden mittels physischer Kraft zufügt, gedeutet wurde. Die Antwort auf diese Frage ftillt leicht, impliziert jedoch weitreichende Folgeüberlegungen: Gewalt bedeutete vor dem Hintergrund des jugendlichen Widerstandes in den Jahren 7967, 1968 und 1969 mehr als einen Eingriff in die physische Integntät eines Menschen - sie entpuppte sich im Diskurs als komplexer, vielschichtiger und dicht verwobener Gegenstand der im Schnittpunkt von Herrschafts-, Rechts- und Moralvorstellungen stand. 1967 entwickelte sich der Themenkomplex Gewalt in den noch ausschliesslich von der Subjekþosition ,,Junge Linke" geprägten Diskursaussagen als Gegenstand mit einer vorwiegend philosophischen, abstrakten Reichweite. Das Thema Gewalt wurde im Bedeutungszusammenhang einer illegitimen Herrschaftsordnung und ihrer Instrumente und Techniken derHerrschaftsaustibung entwickelt: Die Diktatur und Fremdherrschaft der USA in Vietnam und die nach demselben Herrschaftsmuster funktionierende ,,bärgerliche Diktatur" des ,,autoritåiren Systems" in der Schweiz wurden unter dem Begritr Gewalt subsumiert. Mit den Mitteln und Methoden des jugendlichen Protestes, die aus hedonistischen Happening- Elementen bestanden, hatte der Begriff Gewalt und die mit ihm Vorstellungsmuster vorerst nichts zu tun. Erst verknüpften im April und Mai 1968 erhielten diese Vorstellungsmuster zur Gewalt durch die Rezeption der gewalttätigen Auseinandersetzungen im Rahmen der Studentenunruhen im Ausland (insbesondere in Deutschland und Frankreich) auch eine konkrete Komponente: Gewalt trat in den Diskursaussagen nun vorwiegend im Bedeutungszusammenhang bestimmter Formen der Konfliktausfragung Aktion oder Handlung - - also einer konkreten auf und wurde vor dem Hintergrund der unkonventionellen Protestformen der Jugendlichen in Zunch abgebildet, evaluiert und bewertet. Der Diskurs hatte sich 1968 durch das zeitgleiche Auflreten von Aussagen beider Diskursgemeinschaften zvm gewisserm¿ßsen Grundüberzeugungen Zwiegespräch entwickelt, und Deutungslinien Nr das durch konkurrierende Gewalt charakterisiert war. Dieses Zwiegespräch z:lm Gegenstand Gewalt erfuhr mit den Schlägereien zwischen Polizeibearnten der StadtpolizeiZttrichund Konzertbesuchern nach dem Jimi Hendrix-,,Monsterkonzert" vom 31. Mai 1968 und - in verståirktem Masse - mit den ,,Globuskrawallen" vom 29. Juli 1968 eine ungemeine Dynamisierung: ln dieser Jlunr bis L ,,heissen Zone" des Diskurses wurde Gewalt hauptsächlich als Gewalt-Handlung unter ordnungspolitischen, ideologischen, r29 Scnr-ussenrRAcHTUNG Lz¡NIETSARBEIT ethischen und rechtlichen Gesichtspunkten verhandelt - ähnlich wie in Deutschland, als erst der Tod von Benno Ohnesorg bei der Polizeiräumung der Schah-Demonstration im Juni 1967 in Berlin das Thema Gewalt als praktischen Gegenstand Aufrnerksamkeit rtickte. Der Gewaltbegriff wurde in in den Vordergrund der dieser von den zwei ,J<ritischen Ereignissen' des 68er hotestes eingerahmten Phase sukzessive zum Symbol in einem ,,moralischen Kreuzzug" verdichtet, das tiber Legitimitätsentzug und Ausgrenzung des Gegners bestimmte. Unter dem polarisierenden Druck der Ereignisse hatte sich nach den ,,Globuskrawallen" schliesslich ein Differenzierungsverlust im Hinblick auf die effektiven Ausdrucksformen der jeweils ,,fremden" Gewalt eingestellt: lndem die Gewalt in den Aussagen des ,,Establishments" fast alles war, was die bestehenden Verh¿iltnisse in Frage stellte (Gewalt: Provokation) und in den Aussagen der ,,Jungen Linken" mit fast stimtlichen Lebensbedingungen im ,,System" gleichgesetzt wurde (Gewalt : Manipulation), hatte sie ihren spezifischen Charakter galozlich verloren. Das Jahr 1969 markiert gegenüber diesem Differenzierungsverlust eine Kehrtwende. Der Themenkomplex Gewalt wurde rationalisiert und objektivief: Gewalt wurde Diskursaussagen in den im Jahr 1969 fast ausschliesslich als - physische Kraft beinhaltende - Widerhandlung gegen Verfassung und Gesetz im Kontext von Demonstrationen wahrgenommen und als justiziable Gesetzesüberschreitung sanktioniert. Der Gegenstand Gewalt erfuhr damit eine Ent-emotionalisierung. Nach diesem kursorischen Úberblick möchte ich die wichtigsten Resultate der detaillierten Analyse des Gewaltdiskurses von 1967 bis 1969 pråisentieren. lnsgesamt wurden in den Dislarsaussagen zwischen 1967 und 1969 vier, sich teilweise überlappende Dimensionen definiert, in welchen sich das Wissen zur Gewalt konstituierte. Diese in der Folge ausführlich Orientierungsrahmen, in dargestellten Dimensionen bildeten gewissermassen den welchem die Grundüberzeugungen, Vorstellungsmuster und Deutungslinien zur Gewalt von den beiden Diskursgemeinschaften generiert, wiederholt und sttindig weiter modifiziert wurden. Im Hinblick auf diese Dimensionen wurden sowohl der semantische Raum des Gewaltbegriffes skizziert als auch die diskursiven Strategien der (De-) Legitimierung von Gewalt en¡ryickelt. Im Jahr 1967 erscheint der Gegenstand Gewalt in den ausschliesslich von der Diskursgemeinschaft ,,Junge Linke" geprägten Diskursaussagen innerhalb eines Orientierungsrahmens, der von Aspekten politisch-institutioneller Ordnungsentwtirfe geprîigl 130 LzpNtersARBErr ScHTUSSSBTRACHTUNG ist (polity-Dimension). Die Aspekte beziehen sich dabei auf die lnstitutionen, lnstrumente und Techniken eines moralisch diskreditierten, autokratischen Ordnungsenfivurfes - der Diktatur. Das semantische Zentrum des Gewaltbegriffes wird einerseits durch die Begriffe,,Macht" und ,,Herrschaff' (Fremdherrschaft, imperialistische Herrschaft), andererseits auch durch die Begriffe ,f,wartg",,,Unterdrtickung" und ,,Repression" strukturiert. Der Gewaltbegriff wird damit polysem strukturiert: einerseits als Kompetenzbegrifl der eine illegitime Verfügungsmacht assoziiert, andererseits aber auch als pejorativer Aktionsbegriff, der sich auf die Techniken der Herrschaftsausübung bezieht. Die Subjekþosition ,,Junge Linke" entwickelt in der polity-Dimension eine diskursive Strategie, welche die legitime Sichtweise einer auf die USA und schliesslich auch auf das gesamte ,,spätkapitalistische System" bezogenen, moralisch diskreditierten Herrschaftsordnung institutionalisiert und psychischen Zwang, Unterdrückung ,,demokratischer Protest" mit - die physischen und Repression ausübende Diktatur. Ein ,,direkten Aktionen", welche zur Aufldtirung tiber diese Herrschaftsverhåiltrisse beitragen oder sie gewissermassen ,,entschleiern" sollen, erscheint daher als legitim.472 kn Jahr 1968 werden die Aussagen des Diskurses von beiden Diskursgemeinschaften geprägl. Durch das Auftreten von Aussagen der Orte der Macht und der organisierten Gegenmacht erscheint der Diskurs im Jahr 1968 als Zwiegespräch, das nicht von einer einzigen dominanten Diskursregel norrniert wird. Nach Michel Pêcheux kann dieses Zwiegespräch deshalb als nicht-stabilisierter Diskurs typologisiert werden.at' Im Vergleich zum Jahr 1967 wird das Aussagenfeld neu organisiert und auf insgesamt vier Dimensionen ausgeweitet. Der Gewaltdiskurs erftihrt durch diese Neuorganisation eine enorme Dynamisierung. Der Gegenstand Gewalt taucht nicht nur in der polity-Dimension auf, sondem entwickelt sich vorab innerhalb eines politisch-ideologischen und individual-ethischen Orientierungsrahmens und anschliessend auch in einer Rechtsdimension. Der eigentliche Znnt der Diskursentfaltung wird dabei mit den von gewaltsamen Konfrontationen zwischen Polizei und Demonstanten begleiteten ,,Globuskrawallen" Ende Juni 1968 eneicht: Der Gegenstand Gewalt erscheint in diesem Kontext erstmals in allen vier Dimensionen des Aussagenfeldes. Ein kurzer Blick auf die einzelnen, sich überlappenden Dimensionen im Kontext der ,,Globuskrawalle" soll die Vielschichtigkeit und Komplexität des Bedeutungsgefüges der Gewalt Zoîe" 472 in dieser ,,heissen des Diskurses auÈeigen: Eine Anlehnung an das Vokabula¡ aus Herbert Marcuses Disktusaussagen 1967 damit erstrnals erkennbar. 131 ,per eindimensionale Mensch" ist in den LzpNr¡TSARBEIT ScHLUSSSSTRACHTUNG Der Gegenstand Gewalt wird wie bereits 1967 innerhalb eines Orientierungsrahmens entwickelt, der durch Aspekfe moralisch nicht anerkannter Herrschaftsformen und deren Instrumente und Techniken bestimmt Auseinandersetzungen ist. Im Zusammenhang bei den ,,Globuskrawallen" mit den gewalttätigen erhalten die Techniken der Herrschaftsausübung nun aber besonderes Augenmerk und werden vor dem Hintergrund der demokratischen Regeln der Einflussnatrme als Referenz- und (De-)Legitimierungsmatrix abgebildet. Die Herrschaft des ,,autoritären Systems" äussert sich in den von der ,,Jungen Linken" geprägten Aussagen als unmittelbare und manifeste Gewalt: als ,,repressive Manþlation" und,,Repression". Der Gewaltbegriff wird in seiner Aktionsausprägung damit zu einem Substanzbegriff angereichert, der mit fast stimtlichen physischen und psychischen Beeintrachtigungen der individuellen Freiheit ,,Manipulation" und im ,,autoritåiren System" assoziiert wird. ,,Repression" verstossen als Techniken einer autoritåiren Herrschaftsausübung gegen die Grundsäulen der Demokratie und legitimieren damit die eigene ,,Gegengewalf'. Diese eigene Gewalt wird dabei doppeldeutig strukturiert: im Zusammenhang mit den jugendlichen Reaktionen auf die unmittelbare, Íranifssls Gewalt der Polizei (des ,,Systems") im Sinne einer aktuellen, physische Gewalt einschliessenden Notwehr, und im Zusammenhang mit den eigenen Organisationsformen Verfügungsmacht.aTa im Sinne von Bei der Subjeþosition ,,Establishment" verstossen die als Gewalt gedeuteten,,Provokationen" gegen die demokratischen Spielregeln (Bruch des Gewalttabus in der Demokratie). Der Begriff ,,Provokation" beinhaltet in diesem Zusammenhang fast alles, was die Ordnung des demokratischen Staates stört oder in Frage stellt (von Schmtihungen bis zum \¡/urf von Steinen und Flaschen). Die ,,legale", ,,staatliche Gewalf' wird durch die Funktionen des Gewalûnonopols, den Schutz und die Aufrechterhaltung der Ordnung, beglaubigt und legitimiert, wobei sie - obwohl als Gewalt-Handlung strukturiert - in die Kategorien einer auftragsgemässen Leistung gedråingI wird. Der oben skizzierte semantische Raum des Gewaltbegriffes und die diskursiven Strategien der (De-)Legitimierung werden nun innerhalb der politisch-ideologischen, individual-ethischen und der Rechtsdimension weiter ausgebaut. hn Orientierungsrahmen der politisch- ideologischen Dimension wird von der Diskursgemeinschaft ,,Establishmenf' das totalitäre und damit moralisch entwertete Gesinnungsmuster ,,Kommunismus" geprägt. Sowohl die ,,Junge Linke" o" Pê"h"*,Rolle als auch das ,,Establishment" verhandeln des Gedächtrisses, 5 1 132 auch den LzBNuersARBErr ScnLUSSSBTRACHTUNG ,,FaschismusÀ{ationalsozialismus" als verfemte Ideologie, welche die gewissermassen innerlich geftihrdet. Die Konstruktion einer faschistischen oder - Demokratie bezogen auf die Aussagen der Subjektposition ,,Establishmenf' - kommunistischen Gesinnung von gewalttatig Agierenden bei den ,,Globuskrawallen" beinhaltet emotional neurotisierende Elemente, die alte ausschliessen Feindbilder restituieren, politische Gegner aus der Gesellschaft und eine gleichsam automatische Delegitimierung der ,,fremden" und Legitimierung der,,eigenen" Gewalt nach sich ziehen (diskursive Feindbildstrategie). Gewalttätigkeit (also ,,Manipulation" und,,Repression" beziehungsweise,,Provokation") wird in der ,,heissen Zone" des Diskurses von beiden Diskursgemeinschaften auch vor dem Hintergrund ethischer Maximen individuellen Handelns in Sozietäten abgebildet þolitischideologische Dimension). Sie werden als degenerierte und deviante Handlungen konstituiert (primitiv, niedrig, unnatürlich) und mit sich rasch ausbreitenden, nicht kontrollierbaren Krankheiten sowie psychisch anormalen Verhaltensdispositionen assoziiert (Seuche, Epidemie, Tollwut, Raserei, Sadismus). Diese Degenerations- und Pathologisierungsstrategien beinhalten als diskursive Delegitimierungsstrategien ebenso emotional stark neurotisierende Elemente, tragen ztx wie die Feindbildstategie automatischen Ausgrenzung der gewalttåitig Agierenden aus einer für,,normal" befundenen Gesellschaft bei und rticken das eigene Verhalten in ein ethisch korrekfes Licht.a?s im Kontext der ,,Globuskrawalle" auch der durch Aspekte der Gesetzmåissigkeit und Schliesslich erscheint der Gegenstand Gewalt innerhalb eines Orientierungsrahmens, Verfassungskonforrnität politischer Konfliktausftagung bestimmt wird (Rechtsdimension). Das Ausüben von ,,Manipulation" und ,,Repression" beziehungsweise von ,,Provokationen" wird von der Subjeþosition ,,Junge Linke" gleichermassen wie vom ,,Establishment" gesetzes- und rechtswidrige Handlung konstruiert, welche den Rechtsstaat Unrechtsstaat verwandelt, beziehungsweise den in als einen Rechtsstaat zerstört (diskursive Illegalisierungs- oder Ikiminalisierungsstrategie). a1a Aach in diesem Zusammenhang sind die theoretischen Versatzstücke Marcusescher Prägung deutlich ersichtlich (vor allem,,Manipulation', ,,Repression" und ,,Gegengewalt"). Vgl. dazu Afln. 337. ott I- Hitrblick auf die Häufigkeit dieser diskursiven Delegitimierungsstrategien lässt sich ein deutliches Gefülle in den Aussagen der beiden Sprecherpositionen ausmachen: Während sie sich bei der Subjekçosition ,,Junge Linke" einzig im Anschluss an die gewaltsamen Auseinandersetzungen beim Jimi Hendrix-Konzert vom 31. Mai 1968 ermitteln lässt, ist sie bei der Subjekçosition ,,Establishment" bereits im Zusarrmenhang mit den Studentenunruhen im Ausland festzuhalten rurd wird in s¿imtlichen diskursiven Ereignissen des Jahres 1968 als Delegitimierungsstrategie beibehalten. r33 LzBNneTSARBEIT ScHr-ussesrRACHTLrNG Nach diesem Zenit in Bezug auf die Vielschichtigkeit und Dichte des Bedeutungsgefüges der Gewalt im Kontext der ,,Globuskrawalle" Miffe des Jahres 1968 stellt die Analyse der Diskursaussagen im Jahr 1969 eine eigentliche Kehfwende dar: Der Themenkomplex Gewalt entfaltet sich fast ausschliesslich innerhalb des rechtlichen Orientierungsrahmens. So wird die wie bereits 1968 mit ,,Provokationen" verknüpfte Gewalt von der Diskursgemeinschaft ,,Establishment" im Rahmen von klaren juristischen Kategorien entwickelt: ,,Provokationen" und die Gewalt als eine Stufe der ,,Provokation" werden als renitente Handlungen präpariert, welche gegen die Allgemeine Polizeiverordnung und die Kantonsverfassung verstossen, und als deklarierte Gesetzesüberschreitungen sanktioniert. Der Gegenstandsbereich wird damit nicht nur objektiviert, sondern auch ent-emotionalisiert. Die Diskursgemeinschaft ,,Junge Linke" hingegen unterliegt einer selbstinduzierten Regression: Das eigene Protestverhalten im Jahr 1969 offenbart für die ,,Junge Linke" die Unmöglichkei! ihre Vorstellungen einer ,,real veråindernden Praxis" - die im Januar 1969 formulierte ,,Politik der gezielten Provokationen' - zu realisieren. Gemåiss einem Strategiepapier sollte die ,,Politik der gezielten Provokation" mit langfristigen theoretischen Planungen und kritischen Reflexionen verknüpft werden, damit man Machtk¿impfe wie bei den ,,Globuskrawallen" venneiden könne. Vor diesem Hintergrund entspricht das eigene Protestverhalten in den Aussagen der Diskursgemeinschaft ,,Junge Linke" einer reinen Selbstbefriedigung. Die fehlende Verbindung von Provokation und Reflexion wird beispielhaft für eine Farbbeutel-Wurfaktion beim Obergericht im Juni 1969 konstatiert, an welcher die Polizei nicht einschreitet. Indem die eigene Protestaktion im rechtlichen Orientierungsrahmen des Aussagenfeldes schliesslich als explosive, militante und verbrecherische Primitivreaktion bezeichnet wird gelingt es der ,,Jungen Linken" nicht, ihre polarisierende Sprecherposition im Gewaltdiskurs aufrecht zu erhalten. Das nicht-stabilisierte Zwiegespräch des Anfangsdiskurses der Gewalt lost sich 1969 damit schliesslich auf. Als mögliche Ursache der oben konstatierten Dominanz der Rechtsdimension im Aussagenfeld des Diskurses und als evozierendes Moment für die Auflösung des Zwiegesprächs habe ich die Entwicklung eines neuenjuristischen Gewaltdiskurses eruiert, der sich seit dem Demonstrationsverbot nach den ,,Globuskrawallen" scheinbar parallel zum ursprünglichen Gewaltdiskurs entfaltet. Die Aussagen dieses juristischen Gewaltdiskurses sind von einer neuen Sprecherposition geprägt, die auf einer engen Kooperation von behördlichen lnstitutionen basiert (insbesondere Justizbehörden). Er besitzt einerseits einen strafrechtlich-disziplinierenden Aspekt, der sich 134 in den Verfahren zrLr Bestrafung, ScHr-ussssrRAcHTuNG LzpNuersARBEIT Disziplinierung und Relegation der Akteure der gewalttätigen Auseinandersetzungen vom 29.6.-1.7.1968 wiederspiegelt. Andererseits besitzt er auch einen formaljuristischen Aspekf, der seinen Ausdruck etwa in Beurteilungen des Demonsüationsrechts findet. Einige Elemente dieses fonnaljuristischen Aspekfes frnden sich ,,Establishment" in den Aussagen der Diskursgemeinschaft im ursprünglichen Gewaltdiskurs wieder - der juristische Gewaltdiskurs scheint damit partiell mit dem ursprtinglichen Diskurs zu interferieren. Da der neue Diskurs als juristischer Diskurs vollståindig von einer dominanten Diskursregel normiert wird, kann er gemåiss Michel Pêcheux als stabilisierter Diskurs bezeichnet werden.aT6 Aufgrund dieser normierten Regelhaftigkeit seiner Aussagen, die von einer herrnetischen und eng mit behördlichen Institutionen verknüpften Sprecherposition geprägt werden, möchte ich thesenartig die Schlussfolgerung ziehen, dass der stabilisierte juristische Gewaltdiskurs dem nicht-stabilisierten und durch konfligierende Deutungsmuster geprägten ,¡Anfangsdiskurs" der Die institutionell flottierende Diskursgemeinschaft ,,Junge Linke" schien gegenüber dem definitionsmächtigen Institutionengefüge im Jahr 1969 keine Möglichkeit z;tt besitzen, ihr Sprechen zlrtm Gegenstandsbereich Gewalt in einem Ort des Aussagens zu homogenisieren und zu Gewalt ,jiberlegen" ist und ihn deshalb absorbiert. kanalisieren, womit ihr die Erzeugung einer gleichwertigen Defuritionsmacht misslang. Die Quintessenz dieser Ausführungen hat Max Frisch bereits im Juli 1968 in literarisch verdichteter Fonn vorweggenoÍrmen: ,,Es wird gesfaft. Macht. Das ist die g n7.e Erkenntnis.'a77 Die abschliessende These zur Auflösung des Zwiegespräches im Jahr 1969 leitet direkt zur kritischen Evaluation des methodischen Vorgehens in dieser Arbeit über. Im Zusammenhang mit der von mir konstatierten Entwicklung eines von einer neuen Sprecherposition geprägten juristischen Gewaltdiskurses stellt sich die Frage, ob er These, - entgegen der oben festgehaltenen er sei als eigenständiger Diskurs z1r befiachten nicht als Produkt einer Transformation des ursprünglichen Gewaltdiskurses interpretiert werden sollte. Er wtire damit nicht als eigenständiger, vom ursprünglichen Gewaltdiskurs entkoppelter Diskurs zrt betrachten, sondern lediglich als Weiterentwicklung dieses Diskurses. Da der Diskurs nach dem in dieser Arbeit entwickelten Diskursverständnis keine präexistente Einheit darstellt, kann er von der Forscherin, dem Forscher erst gedacht werden, wenn das Aussagenkorpus *u q7 Pêch"nx, Rolle des Gedächfirisses, 51. Frisch,Max. Die grosse Devotion. In: ,pie Weltwoche", 12.7.1968. l3s ScHrusseprRACHTUNG LzpNrrRrsARBErr zusammengestellt ist. Ftir die Konstituierung des Korpus muss er oder sie aber bereits im Voraus,,Orte des Aussagens" (Sprecherpositionen) festlegen, um nach den ihnen angelagerten Aussagen suchen zu können. [n der Herleitung meiner Analyseschritte bin ich deshalb von der Prämisse ausgegangen, dass die Sprecherpositionen im Diskurs vor der eigentlichen Analyse der Aussagen bestimmt werden können. Im Zusammenhang mit dem von einer neuen Sprecherposition geprägten juristischen Gewaltdiskurs stösst mein theoretisch-methodisches Arrangement deshalb an seine Grenzen: Der juristische Diskurs kann aufgrund der neuen Sprecherposition nicht als Produkt einer Transformation des ursprünglichen Gewaltdiskurses interpretiert werden.ot* Im weiteren stellt sich die Frage, ob die Diskursgemeinschaft ,,Junge Linke", vertreten durch die Organisationen FSZ, Junge Sektion und FASS, aufgrund ihrer instabilen Zusammensetzung und der institutionellen Vagheit einen Ort der organisierten Gegenmacht darstellt, an welchem eine überindividuelle Realität der Subjekte zrum Ausdruck gelangen kann. Da im gesichteten Quellenmaterial der ,,Jungen Linken" oft Anzeichen individuellen Sprechens der beteiliSen Akteure gefunden wurden, ist die Zusammenstellung der Diskursaussagen für die eigentliche Analyse nicht immer leicht gefallen. Als Perspelrfiven für eine V/eiterarbeit, die auch im Hinblick auf die oben Ûberlegungen ztñ methodischen Operationalisierung des erw¿ihnten Gewaltdiskurses weitere Außchlüsse geben könnten (Problematik der Sprecherpositionen), möchte ich abschliessend zwei Vorschläge formulieren. Viele Indizien sprechen dafür, dass der analysierte Gewaltdiskurs n Znnch sowohl im Hinblick auf die diskursiven Muster und Deutungslinien als auch auf die Diskursdynarnik Parallelen zum Gewaltdiskurs in Deutschland aufiveist. Eine komparative Studie zur Entwicklung des Diskurses der Gewalt im Kontext der sukzessive eskalierenden Gewalterfahrungen in Deutschland (Tod von Benno Ohnesorg atrt2.6.1967, Attentat auf Rudi Dutschke atrt 19.4.1968 mit anschliessenden Springer-Blockaden, sogenannte ,,Schlacht arn Tegeler Weg" am ll.1l.1963) und der Schweiz könnte gerade in Bezug auf die Funktion der ,,kritischen Ereignisse" für die Transformation der sprachlichen Webftiden neue Einblicke ermöglichen. Als keineswegs einfache und bislang nicht geleistete Vorarbeit müsste hiernt 478 Diese Problematik findet sich in Michel Foucaults ,,Archäologie" nicht: Subjektpositionen werden nach Foucaults methodischem Programm vom Diskurs hervorgebracht beziehungsweise formien (vgl. Anm. 196). Vor diesem Hintergrund stellt sich deshalb die Frage, ob ein neuer methodischer Modus entwickelt werden könnte, 736 ScHI.ussg¡TRACHTUNG LIzgNneTSARBEIT allerdings der Gewaltdiskurs in Deutschland (zumindest anhand von einigen diskursiven Ereignissen) erst noch diskursanalytisch untersucht werden. Spezifisch auf die Schweiz bezogen oder ebenfalls im Sinne einer komparativen Studie könnten überdies auch die möglichen diskursiven Vermittlungselemente zwischen den Strategien der (De-) Legitimierung von Gewalt bei der 68er Bewegung und den in den 70er Jahren auflceimenden RAF-nahen Gruppierungen in Znichbeziehurgsweise in Deutschland untersucht werden. bei welchem die ,,Orte des Aussagens" nicht im Rahmen der Diskursidentifikation behandelt werden, sondem als genuines Objekt der Analyse gelten. t37 Lz¡NnersARBErr I Blbliograph¡e 8.1 Quellen BterrocRAprrrs 8.1.1 Ungedruckte Quellen Sozialarchiv Zürich (SA). Archivbestände der Fortschrittlichen Studentenschaft ZtiLrich (FSZ) 4r.201.35. Einladungen, Protokolle FSZ-intern (Zeitschrift), Manuskripte Flugblätter Zeitungsauss chnitte (2 Mappen) Sozialarchiv Zürich (SA). Archivbestände der Jungen Sektion der PdA Zlrich. 1rr.26.40.4. lnterne Texte DD (Diskussions-Dokumente) Flugblätter Sozialarchiv Zürich (SA). Archivbeståinde der Fortschrittlichen Arbeiter, Schüler und Studenten (FASS). Ar.201.36. Einladungen, Protokolle, Korrespondenz Flugblätter Pressedokumentation (2 Mappen zu Studentenbewegung in der BRD und in anderen Ltindem) S o z i al ar c hiv Zür i c h (SA ) . Klens chrift en. Zir cher Unruhen, Zlúr cher M ani fest. KS 335/4\a. Die Zürcher Unruhen: Inhaltsanalyse der Zeitungsberichte über die Zircher Unruhen vom 29.6.-1.7.1969,vorgelegt vom Soziologischen Institut der Uni Zitrich,10.7.1968. 9.9.1969 im Centre le Corbusier: Flugblätter, ,,Sechs Tage Zurcher Manifest", 4. Materialien, Texte. Dokumentation I. Berichte und Aussagen von Augenzeugen über die Ausschreitungen vom 29.130.6.1968 Zärrch" hrsg. von der Dokumentationsstelle der Arbeitsgemeinschaft ,/lrcher Manifest", September 1 96 8. Ztrcher Unruhen 1968: Plakate Zvrcher Unruhen I 968: Materialien, Interpretationen, Aufrufe, Berichte - n Studienbibliothek zur Geschichte der Arbeiterbevegung Zürich (StB). Archivbesttinde der F orts chrittl ichen S tudentens chaft Zlr ich (F SZ). Ar.105102. Einladungen, Protokolle, Korrespondenz Manuskripte r38 BIeLTocRApHI¡ LznNuersARBEIT Flugblätter Zeitungsausschnitte Stud¡enb¡bliothek zur Geschichte der Arbeiterbevegung Zürich (StB). Archivbestände der Forts chrittlichen Arbeiter, S chuler und Studenten (FAS S ). 4r.105/05. Protokolle, Korrespondenz Manuskripte Flugblätter Polizeirapporte Studienbibliothek zur Geschichte der Arbeiterbewegung Zürich (StB). Archiv Justiz, Polizei, Repression, Staatsschutz. 4r.105/13. Stadtpolizei Z:drt'lich, Polizeiinspektorat. Demonstrationen, Unruhen und polizeiliches Verhalten. Erfahrungen und Lehren im In- und Ausland. Nur für dienstlichen Gebrauch. November 1968. Flugblätter (gegen polizeiliche Repression) Stadtarchiv Zürich (Stadt AZ). Y.B.a.l3. Stadtrat von Znnch. Sitzungsprotokolle (1967 - 1e6e). Stadtarchiv Zürich (Stadt AZ). r96e). L Stadtarchiv Zùrich (Stadt AZ). V.B.c.ll:39. Akten zt den Sitzungsprotokollen des Stadtrates (1967 - Rechtskonsulent. Demonstrationsrecht allgemein/Jugendunruhen 1968 und die Folgen. 8.1.2 Gedruckte Quellen Wehret den Anftingenl Zur Gewalttätigkeit Zwich1968. in der Politik (NZZ-Schriften zur Zeit Nr.7). 8.1.3 Periodika Zeitdienst. Unabhängige Sozialistische Information.20. -22. Jg. (1967 - 1969). Zürcher Student. Offzielles Organ der Studentenschaft der Universtität Ztirich. 44. (1966167 - r969t70). - 47 . Jg. Agitation. Aktionszeitschrift der FASS. Nr. 1- Nr. 3 (1969). Neue Zürcher Zeitung.188.-190. Jg. (1967 - 1969). PBY-Nachrichten (Publikationsorgan des Polizei-Beamten-Verbandes der Stadt Zürich), Nr, 54,Dezember 1969. 139 BreuocRApHIB LzBNI¡TSARBEIT 8.2 Darstellungen Albrecht, Clemens/B ehrmann, Günter C.lBock, MichaellHomann, Harald/Tenbruck, Friedrich H. (Hg.). Die intellektuelle Gründung der Bundesrepublik. Eine Wirkungsgeschichte der Frankfurter Schule. Frankfuil a. M. 1999. Albrecht, Clemens. Die Erf,rndung der ,,Frankfurter Schule" aus dem Geist der Eloge. In: ders./BehrmannÆockÆIomann/Tenbruck (Hg.), tntellektuelle Grtindung,2l-35. Altermatt, Urs. Rechte und linke Fundamentalopposition. Studien zur Schweizer Politik 19651990. BaselÆrankfurt a. M. 1994. Ball, Terence. Transforrning Political Discourse. Political Theory and Critical Conceptual History. Oxford 1988. Ball,Tercnce. Conceptual History and the History of Political Thought. Monk/TilmansA/anVree (Hg. ), History of concepts, 7 5 -86. Behrmann, Günter C.. Kulturrevolution. In: Hampsher- Zwei Monate im Sommer 1967. In: Albrechlders./BockÆIomann/Tenbruck (Hg.), Intellektuelle Gründung,372'386. Benjamin,V/alter. Zur Kritik der Gewalt und andere Aufsätze. Frankfurt a.M.1971. Blanc, JearLlclLuchsinger, Christine (Hg.). achtung: die 50er Jatne. Annåiherungen an eine widersprüchl iche Zeit. Zttr ich 199 4. Bogdal, Klaus-Michael (Hg.). Neue Literaturtheorien. Opladen 1990. Böke,KartnlJung,MatthiaslWengeler, Martin (Hg.). Öffentlicher Sprachgebrauch. Praktische, theoretische und historische Perspektiven. Opladen I 996. Bösch, Paul. Meier 19. Eine unbewältigte Polizei- und Justizaffare. Zi¡rtch 7997 . Bretscher-Spindler, Katharina. Vom heissen zum kalten Krieg. Vorgeschichte und Geschichte der Schweiz im Kalten Krieg 1943'1968. Zirtch7997. Br ockhaus Enzyklop cidie. B,d. 8, Mannheim Broda, M1ay 1 989' B.lJorrs, ElisabetVMüller, Regina- Die alte und neue Frauenbewegung. ln: König/KreisÀ4eister/Gaetano (Hg.), Dynamisierung, 201'226. Brunotte, Barbara. Rebellion im Wort. Eine zeitgeschichtliche Dokumentation. Frankfurt M. a. 1973. Bublitz, Hannelore/Bührmann, Andrea D.lHandke, ClristianlSeier, Andrea (Hg.). Das Wuchern der Diskurse. Perspektiven der Diskursanalyse Foucaults. Frankfirt a. M. 1999. 140 BIeLIocRApHI¡ LzBNnRTSARBEIT Busse, Dietrich. Historische Semantik. Analyse eines PrograÍtms (Sprache und Geschichte l3). Stuttgart 1987. Busse, DietricVTeubert, WolfganglHermanns, Diskursgeschichte. Methodenfragen und Fritz (Hg.). Begriffsgeschichte und Forschungsergebnisse der historischen Semantik. Opladen 1994. Busse, DietricYTeubert, Wolfgang. Ist Diskurs ein sprachwissenschaftliches Objekt? Zur Methodenfrage der historischen Semantik, In: dies.ÆIemanns (Hg.), Diskursgeschichte, t0-29. Chartier, Roger. The Chimera of the Origin. Archeology, Cultural History, and the French Revolution. In: Goldstein (Hg.), Foucault and the Writing of History, 167'186. Dahinden, Martin (Hg.). Neue Soziale Bewegungen - Und ihre gesellschaftlichen Wirkungen. Znrichl9&7. Daniel, Ute. Clio unter Kulturschock. Zl óen aktuellen Debatten der Geschichtswissenschaft. In: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 48 (1997), Teil I: 195'218, Teil II: 259- 278. De Sausswe, Ferdinand. Cours de linguistique générale. Paris 1976. Diaz-Bone, Rainer. Probleme und Strategien der Operationalisierung des Diskursmodells im Anschluss an Michel Foucault. In: Bublitz/BührmannÆ{anke/Seier (Hg.), Wuchem der Diskurse, 119-135. Ehlich, Konrad (Hg ). Diskursanalyse in Europa (forum Angewandte Linguistih B,d. 24). Frankfurt a.M.1994. Eisenegger, Mark. Alte und neue Einflussmöglichkeiten sozialer Bewegungen. Das Beispiel Jurakonflikt. In: König/Ikeis/\¡Ieister/Gaetano (Hg.), Dynamisierung,16l'174. Emirbayer, Mustafa./Mische, Ann. What is acency? In: American Journal of Sociology 103:4 (January 1998), 962-1023. Emirbayer, Mustafa/Goodwin, Jeff. Synrbols, Positions, Objects. Toward a new Theory of Revolutions and collective action. In: History and Theory 35 (1996), 358'374. Epple-Gass, Rudolf Friedensbewegung und direkte Demokratie in der Schweiz. Frankfurt a. M. 1988. Epple-Gass, Rudolf. Zur Friedensbewegung in den 50er Jahren. In: Blanc/Luchsinger (Hg.), 50er Jahre, 147 -156. Fels, Gerhard. Der Aufruhr der 68er. Zu den geistigen Grundlagen der Studentenbewegung und der RAF. Bonn 1998. t4t LzrNlersARBEIT BteUocRApHrp Fetscher, knglRohrmoser, Ginter. Ideologien und Strategien (Analysen zum Terrorismus l). Opladen 1981. Fohrmann, JurgenlMüller,Harro (Hg.). Diskurstheorien und Literaturwissenschaft. Frankfurt a. M. 1988. Fortier, Frances. Les stratégies textuelles de Michel Foucault. Un enjeu de véridiction. Cap Saint-Ignace (Quebec) 1997, 205-206. Foucault, Michel. Archäologie des Wissens. 8. Auflage. Frankfurt a.M. 1997 (Frz. Original: a.M. 1997 (Frz. Original: L'archéologie du savoir, Paris 1969). Foucault, Michel. Die Ordnung der Dinge. L4. Auflage. Frankfurt les mots et les choses, Paris 1968). Foucault, Michel. Die Ordnung des Diskurses. Frankfurt a. M. 1998 (Frz. Original: L'ordre du discours, Pais 1972). Frank, Manfred. Zurm Diskursbegriff bei Foucault. In: FohrrnannÀ4tirller (Hg.), Diskurstheorien, 25 -44. Galtung, Johan. Sûrftturelle Gewalt. Beitrtige zur Friedens- und Konfliktforschung. Reinbeck bei HamburgI975. Gardt, AndreaslMattheier, Klaus/Rel'chmann, Oskar (Hg.). Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen. Täbingen 1996. Garner, Robert4 Tenuto, John. Social Movement Theory and Research. An Annotated Bilbiographical Guide . Lanham 1997 . Garner, Roberta. Fifty Years of Social Movement Theory. An Interpretation. ln: dies.Æenuto, Movement Theory and Research, 1-58. Geertz, Clifford. Dichte Beschreibung. Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme. Frankfurt a.M.1997. Geschichte der Sclmeiz und der Sclnyeizer. Comité pour une Nouvelle Histoire de la Suisse. Redaktion Beatrix Mesmer. Basel 1986. Geschichtliche Grundbegrffi. Historisches Lexikon zltr politisch-sozialen Sprache in Deutschland. Hg. Otto Brunner, Werner Conze, Reinhart Kosellek. Bd. 3. Stuttgart L982. Gilcher-Holthey, Ingnd (Hg.). 1968 Vom Ereignis zltrm Gegenstand der Geschichtswissenschaft (Geschichte und Gesellschaft , S onderheft 1 7). Göttingen I 998. Gilcher-Holthey,lngid. Kritische Theorie und Neue Linke. In: Gilcher-Holthey (Hg.), 1968, 168-187. 742 BIeLIocRApHIg LzBNneTSARBEIT Gilcher-Holthey, Ingnd. Die Nacht der Barrikaden. Eine Fallstudie zur Dynamik sozialen Protests. tn: Neidhardt (H g. ), Öffentlichk eit, 37 5 -392. Gilcher-Holthey,Ingrid. ,,Die Phantasie an die Macht". Mai 68 in Frankreich. Frankfurt a. M. 1995. Gilg, PeterlHablützel, Peter. Beschleunigter Wandel und neue Krise (seit 1945). [n: Geschichte der Schweiz und der Schweizer, 821-968. Goldstein, Jan (Hg.). Foucault and the Writing of History. Cambridge 1994. Gretler, Roland. Die Nonkonformisten, die antiautoritåire Junge Sektion und FASS. Aufzeichnungen eines Gesprächs mit R. Gretler am 30.8.1988. In: Widerspruch 8:15 (Juni 1988), 45-49. Grossmann, HeinzlNegt, Oskar. Die Auferstehung der Gewalt. Springerblockade und politische Reaktion in der Bundesrepublik. Frankfurt a. M. 1968. Grotius, Hugo. De jure belli ac pacis. Prolegomena 57. Ausg. Leiden 1939. Habermns, JlrgenlLuhman, Niklaus. Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie. Was leistet die Systemtheorie? Frankfirt 1971. Habermas, Jürgen. Erlåiuterung err zrn Diskursethik. Frankf,¡rt 199 l. Habermas, Jürgen. Rede über die politische Rolle der Studentenschaft in der Bundesrepublik. Referat auf dem Kongress ,,Bedingungen und Organisation des Widerstandes" in Hannover, 9. Juni 1967. Abgedruckt in: Kraushaar (Hg.), Frankfurter Schule, Bd. 2, 246-249. Hampsher-Monk, Iain/Tilmans, KarnlVan Vree, Frank (Hg.). History of concepts. Comparative Perspectives. Amsterdam 1998. Handbuch der europrüschen Wirtschafts- und Sozialgeschichte. Hg. Wolfram Fischer et al. 8d.6. Stuttgart 1987. Hanisch, Ernst. Die linguistische Vy'ende. Geschichtswissenschaft und Literatur. In: Geschichte und Gesellschaft, Sonderheft 16 (1996): Kulturgeschichte heute,212-230. Harms, Wolfgang (Hg.). Text und Bild, Bild und Text. DFG-Symposium 1988. Stuttgart t990. H a s s I e r, Järg. Krawall. Video au2eichnung, Ztinch 19 68. Heiniger, Markus. Die schweizerische Antiatombewegung 1958-1963. Eine Analyse der politischen Kultur. Lizentiatisarbeit. Universität Zürich I 980. Heitmeyer, WilhelmJMöller, Kurt/Sünker, Heit:.z (Hg.). Jugend - Staat - Gewalt. Politische Sozialisation von Jugendlichen, Jugendpolitik und politische Bildung. Mthrchen 1989. 743 BßLIocRApHIP LzpNTTRTSARBEIT Hellmann, Kai-Uwe/rKo opmans, Ruud (Hg.). Paradigmen der Bewegungsforschung. Entstehung und Entwicklung von Neuen sozialen Bewegungen und Rechtsextremismus. Opladen 1998. Hellmann, Kai-Uwe. Paradigmen der Bewegungsforschung. Forschungs- und Erklåirungsansätze ein Überblick. tn: ders./I(oopmaris (Hg.), Paradigmen der Bewe gungsforschung, 9 -32. Hennig, Eike. Was leistet das Konzept der ,,strukturellen Gewalt"? HeitmeyerAvlöller/Sünker (Hg.), Jugend - Staat - Gewalt, 57-80. In: Hermanns, Fritz. Sprachgeschichte als Mentalitätsgeschichte. Überlegungen zu Sinn und Form und Gegenstand historischer Semantik. In: GardlMattheier/Reichmann (Hg.), Sprachgeschichte des Neuhochdeutschen, 69- I 0 l. Heusser,Marltntctüver, ClatslHoek,l-eolWeingarden, Lauren. The Pictured Word. Word and Image Interactions 2. Amsterdam, Atlanta 1998. Hinn, Vilma. Frauenbefreiung. Aufbrechen in der Geschichte. úr: Widerspruch 8:15 (Juni 1988), 57-72. Historisches Wörterbuch der Philosophie. Hg. Joachim Ritter. Bd. 3, Basel 1974. Hobbes, Thomas. Leviathan. London 1988 (first published 1651). für das 21. Hösle, Vittorio. Moral und Politik. Grundlagen einer politischen Ethik Jahrhundert. München I 997. Hugger, Paúlstadte¿ Ulrich. Gewalt. Kulturelle Fonnen in Geschichte und Gegenwart. Ztrich 1995. Hugger, Paul. Zur popul2iren Ikonographie der Gewalt. In: ders./Stadler, Kulturelle Formen, 232-260. Imb oden, Mær. Helvetisches Malaise. Iggers, Georg Zttnch 79 64. G. Zur ,,linguistischen Wende" im Geschichtsschreibung. In: Geschichte und Gesellschaft Geschichtsdenken 2I (199 5), und in der 5 57'57 0. Imhof, KlrtlKleger, HeinzLRomano, Gaetano (Hg.). Konkordanz und Kalter Krieg. Analyse von Medienereignissen in der Schweiz der Zwischen- und Nachkriegszeit (Krise und sozialer Wandel, Band 2). Znrich1996. Imhof Kurt. Das kurze Leben der geistigen ,,Volksgemeinschaft" Landesverteidigung. Von der vor dem Krieg zum Streit über die ,,Nachkriegsschweiz" im Krieg. In: ders./Iíeger/Romano (H g. ), Konkordanz, I 9-84. 144 LzpNnersARBEIT BrsLrocRApHre Imhof, KurtJKleger, HehulGaetanq Romano (Hg.). Vom Kalten Krieg zur Kulturrevolution. Analyse von Medienereignissen in der Schweiz der 50er und 60er Jahre (Krise und sozialer Wandel, Band 3). Znrich1999. Imhof, Kurt. Entstabilisierungen. Zukunftsverlust und Komplexitätsreduktion in der öffentlichen politischen Kommunikation der 60er Jahre. In: ders./Kleger/Gaetano (Hg.), Kulturrevolution, 3 5 -5 4. Jung, Matthias. Linguistische Diskursgeschichte. ln: Böke/Jung/Wengeler (Hg.), Öffentlicher Sprachgebr atch, 453 -47 2. Jung, Matthias. Ziúlen oder deuten? Das Methodenproblem der Diskursgeschichte arn Beispiel der Atomenergiedebatte. In: Busse/Teubert/Hermanns (Hg.), Diskursgeschichte, 60-8 1. Kaase, Max. Politische Gewalt. Gesellschaftliche Bedingungen und politische Konsequenzen. In: Mochmann/Gerhardt (Hg.), Gewalt in Deutschland, 17-38. Kammler, Clemens. Historische Diskursanalyse (Michel Foucault). Literaturtheorien, [n: Bogdal (Hg.), 3 1 -5 5. Kammler, Clemens. Michel Foucault. Eine kritische Analyse seines Werkes. Bonn 1986. Kant,lntmanuel. Kritik der Urteilslaaft. T. erw. 4ufl., Tübingen 1997. Kimmel, Michael. Die Studentenbewegung der 60er Jahre. BRD, Frankreich, USA. Ein Vergleich. Wien 1998. Klandermans, Bert/Kriesi, HanspeterlTarrow, Sidney (Hg.). From Structure to Action. Comparing Social Movements across culfures. Intemational Social Movement Research, Vol. l. Greenwich 1988. Kleger,Hetnz. Nonnalfall und Sonderfall. Unheimliche Stabilität bei rasanten Veråinderungen 19 5 6-19 63 . In: Imhofl ders./Gaetano (Hg.), Kulturrevolution, 19 l-23 4. König, MæiolKreis, GeorglMeister, FratuiskalGaetano, Romano (Hg.). Dynamisierung und Umbau. Die Schweiz n derL 60er und 70er Jahren (Die Schweiz 1798-1998: Staat- Gesellschaft-Politik, Bd. 3). Zíntch 1998. Kraushaar, Wolfgang (Hg.). Frankfurter Schule und Studentenbewegung. Von der Flaschenpost zum Molotowcocktail 1946-7995, Bd.1: Chronih Bd.2: Dokumente, Bd. 3: Außåitze und Kommentare, Register. Hamburg 1998. Kraushaar, Wolfgang. Autoritåirer Staat und Antiautorittire Bewegung. Zm Organisationsreferat von Rudi Dutschke und Hans-Jürgen kahl auf der 22. Delegiertenkonferenz des SDS in Frankfurt (4.-8. September 1967). In: ders. (Hg.), Frankfurter Schule, Bd. 3, 15-33. 145 Bter,rocRApHts LzpNnarsARBEIT Kreis, Georg (Hg.). Staatsschutz in der Schweiz. Bern 1993. Kriesi, Hanspeter (Hg.). Bewegung in der Schweizer Politik. Fallstudien zû Mobilisierungsprozessen in der Schweiz. Frankfuit 1984, Kriesi, Hanspeter/Zévy,RenélGanguillet, GllbertlZtuisþ,Heir.z (Hg.). Politische Aktivierung in der Schweiz 1945-1978. Diessenhofen 1981. Kriesi, Hanspeter. Die Zürcher Bewegung. Bilder, Interaktionen, Zusammenhänge. Frankfurt a. M. 1984. Kriesi, Hanspeter. Neue Soziale Bewegungen - der Protest einer Generation? In: Dahinden (Hg. ), S oziale Bewegung en, 25 -42. Künzli, Arnold. Verratene Opposition. In: Opposition 1968 (Polis 36, Evangelische ZeitJll'æfuerhe),20-43. Lét5t, RenélDuvanel, Laurent. Politik von unten. Btirgerprotest in der Nachkriegsschweiz. Basel 1984. Lévi-Strauss, Claude. Das wilde Denken. Frankfurt a. M. 1991. Linder, Wolf. Vom Einfluss neuer Bewegungen auf die institutionelle Politik. In: Dahinden (Hg.), Soziale Bewegungen, 7 -23. Lindner, Werner. Jugendprotest seit den frIrfriger Jahren. Dissens und kultureller Eigensinn. Opladen 1996. Linke, Angelika/l/zssbaumer, Markus/Portmann, Paul R.. Studienbuch Linguistik. 3. unver. Aufl. Tübingen7996. Lorenz, Chris (Hg.). Konstruktion der Vergangenheit. Eine Einftihrung in die Geschichtstheorie. Köln 1997. Luchsinger, Christine. Sozialstaat auf wackligen Beinen. Das erste Jahrzehnt der AHV. tn: Blanc/Luchsinger (Hg.), 50er Jahre, 5l-69. Luchsinger, Fred. Abbruch oder Refonn? In: Opposition 1968 (Polis 36: Evangelische Zeitbuchreihe), 5-19. Lüdtke, Alf (Hg.). Alltagsgeschichte. Zur Rekonstruktion historischer Erfahrungen und Lebensweisen. Frankfurt 1989. Läsebrink, Hans-JtirgerVReichardt, Rolf. Die ,,Bastille". Herrschaft und Freiheit. Frankfurt a. M. 1990. Zur Symbolgeschichte von Maingueneau, Dominique. Die ,,französische Schule" der Diskursanaþse. In: Ehlich (Hg.), Diskursanalyse in Europ4 187-195. 146 Lz¡NrersARBErr BrstrocRApHtp Maingueneau, Dominique. L'Analyse du discours. Introduction aux lectures de l'archive. Paris 1997. Marcuse, Herbert. Der eindimensionale Mensch. Studien zur Ideologie der fortgeschrittenen Industriegesellschaft . 23. Aufl ., Darmstadt I 988 (Erstaufl. 19 67). Marcttse, HerbertlWoffi Robert PauUBarringon, Moore. Kritik der Reinen Toleranz. Frankfurt a. M. 1965. Marcuse, Herbert. Repressive Toleranz. [n: ders.Molff/Barringon, Kritik der Reinen Toleratt¿,56-128. Marcuse, Herbert. Das Problem der Gewalt in der Opposition. Teil einer Vortragsreihe über ,,Das Ende der Utopie" an der Freien Universität Berlin, 13.7.67. Abgedruckt in: Kraushaar (Hg. ), Frankflirter S chule, B d. 2, 27 2-27 5 . Marcuse, Herbert/Ganz, RudolpVKrahl, Hans-Jürgen/Nevermann, Y:rnrL Diskussionsbeiträge zum Vortrag Herbert Marcuses über ,,Das Problem der Gewalt in der Opposition', 13.7.1967. Abgedruckt in: Kraushaar (Hg.), Frankfurter Schule, B,d.2,275-278. Matz,Ulnch/Schmidtchen, Gerhard. Gewalt und Legitimität (Analysen anm Terrorismus 4lI). Opladen 1984. Megill,Allan. Prophets of extremety. Nietzsche, Heidegger, Foucault, Derrida. Berkeley 1985. Meyer Sclnueizer, Ruth. Goldene 50er Jahre? In: Pfister (Hg.), 1950er Syndrom, 239-250. Mochmann, Ekkehard/Gerhardt, Uta (Hg.). Gewalt in Deutschland. Soziale Befunde und Deutungslinien. München 1995. Mochmann, Ekkehard/Oedegaard, Ingvill C.. Zwischen Wahrnehmung und Realitat. Zur Diskussion der Gewaltentwicklung in der Literatur und den Medien. In: Mochmann/Gerhardt (Hg. ), Gewalt in Deutschl and, 125 -145 . Modena, Emilio. Die Veråinderung der Psychoanalyse nZttrich 1968-1988. ln: Widerspruch 8: l5 (Juni 1988),73-84. Morris, Aldon/McClurg Mueller, Carol (Hg.). Frontiers in Social Movement Theory. New Haven7992. Müller, Hanspeter/Iotmar, Gerold. Der Bunker von Ztrtch. Jugend zwischen Rückzug und Revolte. Ein Modell fall. Olten 197 2. Nedelmann, Birgitta. Schwierigkeiten soziologischer Gewaltanalyse. In: Mittelweg (Juni/Juli 1995), 8-17. Negt, Oskar. Achtundsecllzig. Politische Intelektuelle und die Macht. Göttingen 1995. r47 36 BtsuocRApHIe Lz¡Nn¡TSARBEIT Negt, Oskar. Politik und Gewalt. Römerbergrede zum Attentat auf Rudi Dutschke, 13.4.1968. Abgedruckf in: Kraushaar (Hg.), Frankfurter Schule, Bd. 2, 3 56-363. Neidhardt, Friedhelm (Hg.). Öffentlichkeit, öffentliche Meinung, soziale Bewegungen (Sonderband 34 der KZfSS). Opladen 1994. Neidhardt, Friedhelm. Gewalt und Gegengewalt. Steigt die Bereitschaft zu Gewaltaktionen mit zunehmender staatlicher Kontrolle und Repression? [n: HeitmeyerÀ4öller/Sünker (Hg.), Jugend- Staat- Gewalt, 233-244. Neidhardt, Friedhelm. Gewalt. Soziale Bedeutungen und sozialwissenschaftliche Bestimmungen des Begritrs. In: Was ist Gewalt? ,109-145. Pêcheux, Michel. Über die Rolle des Gedächtrisses als interdiskursives Material. Ein Forschungsprojekt im Rahmen der Diskursanalyse und Archivlekttire. [n: Woetzel/Geier (Hg.), Das Subjekt, 50-58. Pfister, Christian (Hg.). Das l950er Syndrom. Der V/eg in die Konsumgesellschaft. Bern 1995. Pinkus, Theo. Utopie und Ralität nach 68. In: Widerspruch 8:15 (Juni 1988), 53-56. Popitz, Heinrich. Gewalt. In: Mittelweg36 (Dezember l995lJanuu 1996),19'40. Projekt Arthur. Die Gewaltfrage - 1968. Video-Dokumentation. Medienwerkstatt Freiburg t987. Rabehl, Bernd. Ztr archaischen Inszenierung linksradikaler in der Auswirkungen des politischen Existentialismus Politik. Ursachen und Studentenrevolte 1967168. In: Kraushaar (Hg.), Frankfurter Schule, Bd. 3, 34-64. Rammstedt, Otthein. Wider ein individuum-orientiertes Gewaltversttindnis. In: HeitmeyerÀ{öller/Sthker (Hg. ), Jugend - Staat - Gewalt, 47 -5 6. Reichardt, Rolf. Historische Semantik zwischen léxicometrie und New Cultural History. Einführende Bemerkungen zur Standortbestimmung. In: Zeitschrift Forschung, Beiheft flir Historische 2l (1998),7-28. Reichardt, Rolf. Lumière versus Ténèbres. Politisierung und Visualisierung aufldåirerischer Schlüsselwörter Historische F Reichardt, Rolf. in Frankreich vom XVIL orschung, Beiheft 2 | (199 8), Zur zïLm XIX. Jahrhundert. In: Zeitschrift für 83 - I 7 0. Geschichte politisch-sozialer Begriffe in Frankreich zwischen Absolutismus und Restauration. In: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik 47 (1982),49-74. Romano, Gaetano. Die Úberfremdungsbewegung als ,Neue Soziale BewegUng". KöniglKreis/Ivleister/Gaetano (Hg. ), Dynamisierung, 148 I 43 - 1 6 0. In: BIeUocRApHIP LzpNnersARBEIT Rorty, Richard (Erstat C. Roth, fl. M. The Linguistic Turn. Essays in Philosophical Methods. Chicago 1992 1967). Rainer. Zw Ritual der Gewaltlosigkeit. In: Springerblockade, 148-167 Grossmann/Negt (Hg.), . Roth, Roland. Demonstrieren, Blockieren. Neue Qualitaten in der Auseinandersetzung. In: HeitmeyerÀ4öller/StiLnker (Hg.), Jugend politischen - Staat - Gewalt, 191- 204. Ruch, Christian. Kommunikation durch Konflikte. Der jurassische Separatismus und die Schweiz der 60er Jahre. In: König/Kreis/Meister/Gaetano (Hg.), Dynamisierung, 175r82. Rucht, Dieter. Die Ereignisse von 1968 als soziale Bewegung. Methodologische überlegungen und einige empirische Befunde. ln: Gilcher-Holthey (Hg.), 1968, 116130. Rucht, Dieter. Modernisierung und neue soziale Bewegungen. Frankfurt 1994. Rus terholz, Peter. Poststrukturalistische Semiotik. In: Semiotik 1998, 2329'2339 . Sack, Fntz(Hg.). Protest und Reaktion (Analysen zum Terrorismus 412). Opladen 1984. Sarasin, Philþp. Autobiographische Ver-sprecher. Diskursanalyse und Psychoanalyse in alltagsgeschichtlicher Perspektive. In: Werkstatt Geschichte7:3 (April 1994),31-4I' Sarasin, Philipp. Subjekte, Diskurse, Körper. Überlegungen zt einer diskursanalytischen Kulturgeschichte. ln: Geschichte und Gesellschaft, Sonderheft 16 (1996): Kulturgeschichte heute, 13 I -164. Sclrifer,Martin. 1968 oder Die Utopie der Rockmusik. In: Widerspruch 8:15 (Juni 7988),27' 33. Schmid,Max. Demokratie von Fall zu Fall. Repression in der Schweiz. Zi,rtch1976' S c hmucki, B arbara. FBB. F oto geschichte der Frauenbefr eiungsbewe gung. ZüLrich 1 99 5 . Schnüffelstaat Scl¡,ueiz. Hundert Jahre sind genug. I{rsg. vom Komitee Schluss S chnUffelsta at . Zirtch mit dem 199 0. Schöttler,Peter. Mentalitäten, Ideologien, Diskurse. Zw sozialgeschichtlichen Thematisierung der,,dritten Ebsne". In: Lüdtke (Hg.), Alltagsgeschichte, 85-136. Schöttler, Peter. Sozialgeschichtliches Paradigma und historische Diskursanalyse. In: Fohrmann/Müller (Hg. ), Diskurstheorien, 159 -199 . Schöttler, Peter. Wer hat Angst vor dem ,,linguistic turn"? Úr: Geschichte und Gesellschaft 23 (1997), 134-157. r49 Lz¡NuersARBErr BrsLrocRApHre Treiber, Hubert. Die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Terrorismus. [n: Sack (Hg.), Protest und Reaktion, 320-365. Trotha, Trutz von (Hg.). Soziologie der Gewalt (Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Sonderheft 3 7). Opladen 1997 . Um in 1968. Konkrete Utopien gleichnamigen Ausstellung Köln Kunst und Gesellschaft. Ausstellungskatalog ztrÍ in der Städtischen Kunsthalle Düsseldor[ 27.5.-8.7.1990. 1990. Voigt, Lothar. Aktivismus und moralischer Rigorismus. Die politische Romantik der 68er Studentenbewegung. Wiesbaden I 99 1. Was ist Gewalt? Auseinandersetzungen mit einem Begriff (Sonderband der BKAForschungsrefüe. Bd. 1: Strafrechtliche und sozialwissenschaftliche Darlegung). Wiesbaden 1986. Wassermana Rudolf Die Neigung zur Gewalt wächst mit dem Erfolg. In: Mut, Nr. 251 (Juli 1e88). Weber, Max. Gesammelte politische Schriften. 2. Aufl., Tübingen 1958. Weingarden, Lauren S.. Art Historical Iconography and Word&Image Studies: Manet's A Bar at the Folies-Bergère and the Naturalist Novel, ln: Heusser/ClüverÆIoek/Weingarden (Hg.), Pictured Word, 49-63. Wieviorkn,Michel. 1968 und der Terrorismus. In: Gilcher-Holthey (Hg.), 1968,273-282. Willems, Helmut. Jugendprotest, die Eskalation der Gewalt und die Rolle des Staates. In: Heitmeyer/I4öller/Sünker (Hg.), Jugend - Staat - Gewalt, 219-232. Wsler, Dominique. Drei Gruppen der Neuen Linken auf der Suche nach der Revolution. Znrich1996. Woetzel, Harald/Gei¿r, Manfred (Hg.). Das Subjekt des Diskurses. Berlin 1983. Zwetfel, Urs. Polizeilicher Ordnungsdienst im KönigKreisÀ4eister/Gaetano (Hg. ), Dynamisierung, 151 I 83 ,¡A.ufbruch -200. 68". In: