Jürgen Streeck
Konversationsanalyse. Ein Reparaturversuch
Aus Unbehagen über die Tatsache, daß die ethnomethodologische Konversationsanalyse
in der Rezeption umstandslos unter sehr heterogene und in ihren theoretischen und methodologischen Leitlinien oft sehr anders gelagerte Modelle von Diskuranalyse subsumiert wurde, werden in diesem Artikel einige Kernbestandteile konservationsanalytischen
Arbeitens noch einmal zusammenfassend dargestellt, unter Betonung des technischen und
nicht-induktiven Charakters dieses Ansatzes. Anhand der drei, von der Konversationsanalyse als grundlegend ausgewiesenen Mechanismen der Gesprächsorganisation
(Sprecherwechsel, Temperatur und Sequenzierung) wird auf die intrinische Relevanz des
Modells für die Syntax und die Analyse sprachlicher Handlungen hingewiesen. Abschließend werden einige Besonderheiten der interaktiven Ausrichtung des Modells herausgestellt.1
Eine „weiche Welle" schwappt durch die deutsche Linguistik. Im Bereich der
empirischen Diskurslinguistik hat ein „interpretatives Paradigma" um sich gegriffen, dessen Methodik sich nicht selten in einer intuitiven Paraphrasierung
des gemeinten Sinns sprachlicher Äußerungen zu erschöpfen scheint. Fragen der
sprachlichen Form und der sie erklärenden Systematik finden in ihm keine nennenswerte Beachtung. So kann es niemanden verwundern, wenn dieses Programm von den Vertretern eines vermeintlich „harten Kerns" der Linguistik mit
dem Etikett „vorwissenschaftlich" exkommuniziert oder mit dem generösen
Hinweis, es handle sich hier um ein „notwendiges exploratives Durchgangsstadium", auf härtere Zeiten vorbereitet wird.
Neben den interpretativen Ansätzen der Diskurslinguistik finden sich auch
handlungstheoretische, die sich ein festeres Korsett von theoretisch deduzierten,
wenn auch nicht selten aus der Introspektion gewonnenen, normativen Erklärungskategorien eingezogen haben, mit dem sie sich der Empirie nähern. Versucht man dort, den Motivationen, Wünschen und biographischen Umständen
nachzuspüren, die einen Sprecher bewogen haben mögen, dies oder das zu sagen
und zu tun - wobei man nicht ohne Melancholie zur Kenntnis nimmt, daß man
l Ich danke Phil Davies für eine gute Idee und seinen britischen Humor und Helmut
Richter für einige Ermutigung. Horst Ebbinghaus danke ich für seine phantasievollen und
überaus genauen Ratschläge für die Überarbeitung und vor allem für die Übersetzung von
Termini; ich kenne in der Tat niemanden außer ihm, dem auffallen würde, daß der Redewechsel nicht nach, sondern bei Abschluß einer Turnkonstruktions-Komponente relevant
wird. - Die Signaturen des Datenmaterials werden von den Konversationsanalytikern
benutzt, um die Lokalisierung von „Phänomenen" in ihren Datenkollektionen zu erleichtern. - Übersetzungen der Originalzitate von Jörg Bergmann, Horst Ebbinghaus, Helmut
Richter und Jürgen Streeck.
Zeitschrift für Sprachwissenschaft 2, l (1983), 72-104
© Vandenhoeck & Ruprecht
ISSN 0721-9067
Konversationsanalyse
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ihn oft weder fragen noch in sein Herz schauen kann -, so stößt man uns hier auf
eine schier unumstößliche Ordnung aus Zwecken, Maximen, Regeln und Kosten-Nutzen-Gleichungen, der wir immer schon unterworfen sein sollen, ehe wir
noch den Mund geöffnet haben. Unternimmt man im ersten Fall den vergeblichen Versuch, eine der Beobachtung unmittelbar zugängliche Wirklichkeit - die
der sprachlichen Kommunikation - durch eine für linguistische Methodik kaum
zugängliche, aber angeblich wirklichere Wirklichkeit - die intrapsychische - zu
begründen und so Soziales in Persönliches aufzulösen, so ist man im zweiten Fall
der empirischen Wirklichkeit immer schon voraus: empirische Forschung dient
nicht der Entdeckung von Realitäten, sondern der Vergewisserung und Illustration ihrer Übereinstimmung mit normativen Ordnungen.
Unter Vertretern beider Richtungen (und anderer) ist es überaus modern, sich
bei der Einordnung ihrer Vorgehensweisen auf die Konversationsanalyse zu berufen. Fast ist es schon ein stillschweigender Konsens, sich gegenseitig - bei allen
anderen Differenzen - diesen Verwandtschaftstitel zuzubilligen; geprüft wird er
selten. So hat die Konversationsanalyse unter dem Zugriff dieser Rezeption
ganz erheblich an Konturen verloren. Sie nämlich verzichtet nicht nur ausdrücklich auf psychologisierende oder personalisierende Erklärungen sprachlicher
Phänomene, sie lehnt so etwas ganz emphatisch ab; sie rekonstruiert die Phänomene sprachlicher Kommunikation nicht in Begriffen individuellen Handelns,
sondern in Begriffen der Interaktion zwischen Beteiligten; sie subsumiert vorflndliche Empirie nicht unter empirieunabhängig gewonnene theoretische Kategorien, sondern versucht, die Kategorien der Analyse aus der Analyse selbst
herzuleiten; und schließlich verzichtet sie nicht zugunsten einer Explikation von
gemeintem Sinn auf die Erklärung der Form, sondern läßt sich vielmehr gerade
die Frage der Gestaltung der Form sprachlicher Äußerungen durch interaktive
Ordnungsprozesse angelegen sein.
Wenn es das Ziel wissenschaftlicher Forschung bleiben soll, im Interesse der
Wahrheit um die besseren Erklärungen zu konkurrieren, dann kann es nicht
befriedigen, wenn alle Unterschiede schon mit dem Besen der Rezeption und des
Zitierens unter den Teppich gekehrt werden. Der vorliegende Artikel versteht
sich deshalb als Versuch, einige der Schäden, die der Konversationsanalyse im
Zuge ihrer Rezeption durch die Diskurslinguistik zugefügt wurden, zu reparieren. Dabei soll der technische Charakter der Disziplin ausdrücklich betont werden. Mit dem Hinweis auf das Gewicht, das von Konversationsanalytikern auf
Form und Struktur sprachlicher Äußerungen gelegt wird, soll gezeigt werden,
daß deren Untersuchungen auch für den „harten Kern" der Linguistik interessant sind.2
2 Diese Akzentsetzung, die die starke Selektivität der Darstellung in diesem Artikel
bestimmt, unterscheidet diesen von den Darstellungen der Konversationsanalyse in Bergmann (1981) und Kallmeyer/Schütze (1976); inhaltliche Differenzen in der Rezeption der
Arbeiten dieser Schule erscheinen mir unbedeutend.
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Einleitung: Sätze und Gespräche
In einem neueren Papier hat Schegloff (l979R) den in der Linguistik gängigen
Gebrauch der Begriffe 'Sprache' bzw. 'eine Sprache' problematisiert.
„Die Vorstellung davon, was 'eine Sprache' sei, scheint auf der Vorannahme zu gründen,
daß einer ungeheuren Vielfalt menschlichen Verhaltens einige invariante Eigenschaften
gemeinsam zugrundlägen. Die Bandbreite dieses Verhaltensspektrums erstreckt sich von
Alltagsgesprächen in der Familie über das Rezitieren von Shakespeare-Texten, das Erbetteln von Almosen bis hin zum schriftlichen Protokollieren und dem Abhalten von Vorlesungen; wobei jede dieser Tätigkeiten in eine ihr spezifische Kombination von Organisationsstrukturen, einschränkenden Bedingungen und Ressourcen eingebettet ist. Solange
die Charakteristika dieser sozial organisierten Settings nicht angemessen detailliert untersucht und expliziert sind, ist die Herauslösung von 'Sprache' aus ihnen ein Vorgehen mit
unbekannten Eigenschaften und Konsequenzen" (Schegloff 1979R: 282).
Der zentrale Ort, an dem „Sprache" gebraucht wird, sind Alltagsgespräche,
die nicht von vornherein irgendwie gearteten institutionellen Zwängen oder Beschränkungen ausgesetzt sind; denn sie sind nicht nur gewissermaßen verbreiteter als, sondern auch in verschiedener Hinsicht Voraussetzung für alle anderen
Sprachgebrauchszusammenhänge oder „Sprach-Austausch-Systeme".3
Die sprachlichen Objekte, die in dieser Umgebung vorgefunden werden, sind
von ihr geprägt. Hat die herkömmliche linguistische Analyse von „Sprache"
oder „einer bestimmten Sprache" primär schriftsprachlichen Sätzen oder, wie
Schegloff es ausdrückt, (konstruierten) Sätzen gegolten, „die (warum auch
nicht?) geschrieben werden könnten" (Schegloff 1979R: 263), so hat die Konversationsanalyse zu zeigen vermocht, daß viele formale Gegebenheiten von
Sätzen, die in Gesprächen gesagt werden, generellen organisatorischen Mechanismen des Gesprächs, nicht aber hypostasierbaren Eigenheiten eines gegenständlichen Objekts „Sprache" geschuldet sind. Gespräche sind eine Form von
Interaktion, und so bemüht sich die Konversationsanalyse „systematische Charakterisierungen der Interaktion, die durch Konversation vollzogen wird", zur
Verfügung zu stellen (Schenkein 19781: 3). Als Produkte interaktiv entfalteter
kommunikativer Prozesse zwischen konkreten, einzelnen Individuen unterscheiden sich sprachliche Äußerungen und - für die Linguistik umso bedeutsamer - Sätze, die in Gesprächen gesagt werden, von ihren schriftsprachlichen
Nachfahren vor allem in folgenden übergreifenden Aspekten:
- sie sind an Turns gebunden, in denen sie vorkommen, d.h. an strukturell
gekennzeichnete Spielzüge, die sich die Beteiligten vermittels eines Systems
des Sprecherwechsels Schritt für Schritt zuteilen;
3 Vgl. zu diesem Begriff sowie zur Abgrenzung der Alltagskonversation von anderen
Sprach-Austausch-Systemen wie Debatte, Interview etc. Sacks/Schegloff/Jefferson 1978:
45-47.
Konversationsanalyse
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- sie sind von voraufgegangenen Äußerungen geprägt, haben „sequentielle Implikationen" für nächste Äußerungen, treten also nicht isoliert auf;
- sie sind immer im Hinblick auf die Bedürfnisse ihres konkreten Empfangers
gestaltet (recipient designed), d. h., sie sind so gehalten, daß sie genau von
dem/den besonderen Anderen, an den/die sie gerichtet sind, an diesem Punkt
dieses Gesprächs hinreichend verstanden werden können (und nicht von einem mehr oder weniger anonymen Publikum zu einem beliebigen Zeitpunkt);
- sie treten in lokale, von den Beteiligten organisierte Situationskontexte ein, als
ihr Resultat, aber auch als diese strukturierende Bestandteile;
- sie sind Produkte eines störanfälligen Systems, das Reparaturen an Ort und
Stelle erforderlich machen kann; schriftsprachliche Sätze werden vor ihrer
Veröffentlichung ediert, ob Korrekturen vorgenommen wurden, ist für den
Leser nicht erkennbar; für die gesprochene Sprache gibt es jedoch kein TippEx: sie ist voller Fehler, deshalb aber auch voller Korrekturen; Teil der interaktiven Organisation von Gesprächen sind deshalb die jederzeit bereitstehenden Reparaturmechanismen für die Schäden, die im System vorkommen.
Die Konversationsanalyse hat einige dieser Organisationsmechanismen konversationeller Interaktion, die überall wirksam sind und deshalb keiner kontextuellen Variation anheimfallen dürfen, systematisch herausgearbeitet. Dabei handelt es sich um das System des Sprecherwechsels (turn-taking;
Sacks/Schegloff/Jefferson 1978), die Organisation von Reparaturen (repair;
Schegloff/Jefferson/Sacks 1977; Jefferson 1974; Schegloff 1979R) und - weniger vollständig - die sequentielle Organisation (Pomerantz 1978; Schegloff
1968; Schegloff/Sacks 1973).
Ich will im folgenden einige Grundzüge solcher Organisation skizzieren, wobei es mir jedoch nur in zweiter Linie um deren intrinsische Eigenschaften gehen
wird, da diese hinreichend bekannt sein sollten; wichtiger erscheint es mir hier,
die strukturellen Einflüsse aufzuzeigen, die von diesen Organisationen auf die
Gestalt von Äußerungen ausgehen, die in Gesprächen gemacht werden; andererseits werde ich mich bemühen, den interaktiven Charakter von Gesprächen
und Äußerungen in Gesprächen als abstraktere theoretische Implikation dieser
Organisationsmechanismen herauszuarbeiten, um so eine sachgerechte Einschätzung der Besonderheiten des konversationsanalytischen Modells zu ermöglichen, die dieses von „interpretativen", intentionalistischen, pragmatischen, handlungstheoretischen, textlinguistischen, kognitiven und anderen Diskursmodellen unterscheiden.
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Jürgen Streeck
1. Sprecherwechsel (Turn-Taking)
„Turn-Taking" bedeutet zunächst einmal nichts anderes als 'einander abwechseln'. Es stellt ein organisatorisches Problem dar, das überall dort gelöst sein
will, wo einem Geschehen mehrere Teilnehmer beiwohnen, die - obzwar gleichermaßen ständig beteiligt - doch ihre aktiven Beiträge in der einen oder anderen Form in eine lineare Abfolge bringen müssen. Das neuzeitliche Paradigma
des Turn-Taking ist die Verkehrsampel (für weitere Beispiele siehe Sacks/
Schegloff/Jefferson 1978: 7-9).
Auch Gespräche sind soziale Vorgänge, die eine Linearisierung zumindest der
sprachlichen Beiträge verlangen, die „aktives Zuhören" erforderlich machen. In
ihrem bekanntesten Papier haben Sacks/Schegloff/Jefferson (1978) eine „einfachste Systematik" vorgestellt, mit der der Wechsel der Rollen von Sprecher
und Hörer in Gesprächen gehandhabt wird. Da Turn-Taking ein universelles
Organisationsproblem jedes Gesprächs ist, noch dazu eines, das nach jedem
Beitrag aufs Neue zu lösen ist, sollte diese Systematik gleichgültig sein gegenüber
den Gesprächsinhalten und den Identitäten der Beteiligten sowieAllgemeingültigkeit für ihren Wirkungsbereich beanspruchen können, dies freilich in einer
Weise, die beliebige Anpassungen an den einzelnen Interaktionskontext gestattet. Diese Eigenschaft des Systems wird als sein „kontext-frei/kontext-sensitiver" Charakter bezeichnet (Sacks/Schegloff/Jefferson 1978: 10, 40-42); ich
werde später darauf eingehen.
Die Autoren gehen von folgenden Basisbeobachtungen aus:
- Sprecher wechseln sich ab, und zwar meist mehr als einmal;
- überwiegend spricht nur ein einzelner Teilnehmer;
- es kommt zwar gelegentlich vor, daß mehrere Beteiligte zugleich reden, aber
dann doch nur für einen kleinen Augenblick;
- es gelingt den Sprechern, sich so abzulösen, daß zwischen ihren Beiträgen
keine oder allenfalls eine sehr kleine Lücke bleibt (Sacks/Schegloff/Jefferson
1978: 10f.).
Das System, dem sich diese Gegenheiten verdanken, umfaßt zwei Komponenten und wenige Regeln:
l. eine Turnkonstruktions-Komponente: beginnt ein Sprecher mit der Konstruktion seines Turns, stehen ihm hierzu vielfaltige Konstruktionstypen zur Verfügung: der Satz, die Phrase, die Klausel oder lexikalische Konstruktionen. Allen
diesen Typen von Konstruktionseinheiten ist jedoch die Eigenschaft gemeinsam, daß sie beliebigen Hörern sogleich die Einschätzung des Typs der Turnkonstruktion erlauben wie auch die Antizipation des weiteren Tura-Verlaufs, einschließlich seines Abschlusses. Bei Abschluß dieser Konstruktionseinheit (possible completion point) endet fürs erste das Rederecht des Sprechers, womit der
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Redewechsel als organisatorisches Problem auf die Tagesordnung kommt. Diesen Punkt im Verlauf eines Turns bezeichnet man als „übergaberelevante Stelle"
(transition relevance place).
2. eine Turnzuweisungs-Komponente: zwei Gruppen von Techniken der Turnübergabe lassen sich unterscheiden, (a) solche, mit denen der Sprecher, der gegenwärtig spricht, einen nächsten Sprecher auswählt, von (b) solchen, mit denen
ein nächster Turn durch Selbsiwahl eines nächsten Sprechers eingeleitet wird.
Regeln: Sie bedingen Konstruktion und Zuweisung von Turns und koordinieren einen weitgehend lückenlosen Transfer.
Regel l: sie betrifft die erste übergaberelevante Stelle beim Abschluß einer ersten
Turnkonstruktionseinheit:
(a) wenn der bis dahin realisierte Turn eine Technik vom Typ (2) (a) enthält, mit
der der gegenwärtige Sprecher einen nächsten gewählt hat (Beispiel: eine adressierte Frage), dann hat allein der solcherart gewählte Sprecher das Recht, den
nächsten Turn zu übernehmen, und ist eingeladen, unverzüglich zu beginnen;
(b) enthält der bis dahin realisierte Turn keine derartige Technik, dann ist
Selbstwahl möglich; den nächsten Turn erhält dann, wer als erster beginnt;
(c) wenn weder der gegenwärtige Sprecher einen nächsten wählt noch Selbstwahl erfolgt, dann kann der gegenwärtige Sprecher mit einer neuen Turnkonstruktionseinheit fortfahren.
Regel 2: Hat bei Abschluß der ersten Turnkonstruktionseinheit, an ihrer ersten
übergangsrelevanten Stelle also, weder der gegenwärtige Sprecher einen nächsten, noch ein nächster sich selbst gewählt, fahrt stattdessen der gegenwärtige
Sprecher fort, dann treten an der nächsten übergangsrelevanten Stelle, also bei
Abschluß der nächsten Turnkonstruktionseinheit die Regeln der Menge (1) (a)(c) erneut in Kraft, und weiterhin an jeder nächsten übergangsrelevanten Stelle.
Die Regeln des Turn-Taking operieren fallweise über jeder übergangsrelevanten
Stelle, und das heißt, über dem Abschluß jeder Turnkonstruktionseinheit
(Sacks/Schegloff/Jefferson 1978: 12-14, 40).
Betrachtet man diese in der Tat simple Systematik im Zusammenhang, dann
fallt zumindest zweierlei auf: erstens werden hier Konstruktionstypen, die Linguisten aus der Syntax und Schülern aus der Schulgrammatik bekannt sind, als
Typen der Konstruktion von Turns charakterisiert, die ihrerseits Züge in einem
interaktiven Geschehen darstellen; und zweitens: welche Gestalt auch immer ein
einzelner Redebeitrag eines Sprechers letztendlich annimmt - wenn er eine Reihung von zwei oder mehr selbständigen Konstruktionseinheiten enthält, dann
ist er als Produkt eines nichterfolgten Sprecherwechsels anzusehen, denn ein
Sprecherwechsel wäre schon beim Abschluß der ersten Einheit möglich gewesen,
78
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wenn er auch nicht erfolgte. Somit ist jedoch die Rede des Sprechers im Verlaufe
eines so beschaffenen Turns das Produkt einer Sprecher-Hörer-Interaktion, insofern die Hörer auf die Übernahme eines Turns verzichten.
Soviel zunächst zur Beschreibung der Organisation des Sprecherwechsels.
Diese Organisation wirft nun einige interessante Fragen auf hinsichtlich der
strukturellen Beschaffenheit von Sätzen (oder anderer Typen von sprachlichen
Konstruktionseinheiten), die in Gesprächen geäußert werden, sowie hinsichtlich
der Eigenschaften des strukturierenden Prozesses, dem sich diese Beschaffenheit
verdankt.
Zunächst sei noch einmal auf die schon erwähnte Tatsache hingewiesen, daß
Sätze (wie andere Konstruktionseinheiten) innerhalb von Turns auftreten und
somit „der Organisation von Turns unterworfen" sind (Schegloff 1979R: 281).
Jeder gegenwärtige Turn ist weiterhin auf einen nächsten Turn hin orientiert;
beim Abschluß des laufenden Turns kann das Rederecht an einen anderen Sprecher übergehen. Die syntaktische Beschreibung von gesprächsweise geäußerten
Sätzen sollte deshalb ihre „progressive Entwicklung zu einem möglichen Abschluß" in Rechnung stellen (Schegloff 1979R:
281). Denn der
Satzplan, den ein
^^
·*
Sprecher vor Beginn oder im Verlauf der Produktion seiner Äußerung entwirft,
ist nicht allein durch semantische Erwägungen (die Probleme der Umsetzung
kognitiver Gehalte in externe sprachliche Repräsentationen) motiviert und auch
nicht nur grammatikinternen Beschränkungen unterworfen, vielmehr ist diese
Planung ebenso wie die Produktion zugleich und wesentlich auch durch die
Bedingung bestimmt, daß jeder Abschluß einer Konstruktionseinheit für den
Sprecher zum Verlust des Rederechts führen kann. Dies ist eine Bedingung von
Interaktion, nicht von Sprache. Für Hörer - als mögliche nächste Sprecher ergibt sich aus der Aufgabe, als Beteiligte bei der Organisation des Redewechsels mitzuwirken, neben einer „intrinsischen Motivation zum Zuhören"
(Sacks/Schegloff/Jefferson 1978: 43) die Notwendigkeit, den Abschluß der jeweils produzierten Konstruktionseinheit zu antizipieren, um auf den Sprecherwechsel vorbereitet zu sein und diesen lückenlos zu vollziehen. Die syntaktische
Struktur des Turns erleichtert ihnen diese Aufgabe; denn es ist ein wesentliches
Merkmal syntaktischer Konstruktionseinheiten, daß sie „Punkte eines möglichen Abschlusses" (possible completion points) und damit „übergaberelevante
Stellen" (transition relevance places) vorhersehbar machen:
„Welche Einheiten auch immer für die Konstruktion verwendet werden und wie auch
immer die theoretische Sprache zu ihrer Beschreibung beschaffen ist, [sie weisen] Stellen
eines möglichen Abschlusses der Einheit auf, Stellen, die antizipiert werden können"
(Sacks/Schegloff/Jefferson 1978: 34).
Dieses Passungsverhältnis zwischen syntaktischen Einheiten und den organisatorischen Zwängen des Sprecherwechsels, die Tatsache also, daß eine Reihe
von Gegebenheiten der Strukturen menschlicher Sprache für den Gebrauch von
Sätzen in Gesprächen „und, paripassu, die Wechselfälle des Turn-Taking" zuge-
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schnitten zu sein scheinen (Sacks/Schegloff/Jefferson 1978: 36), legt eine erweiterte Neuorientierung der Syntax nahe, deren vornehmstes Ziel es sein sollte,
über die Aufgaben von syntaktischen Einheiten in Turns in Gesprächen Rechenschaft abzulegen. Eine derartige „Konversationssyntax" (syntax-for-conversation, Schegloff 1979 R) müßte unter anderem in der Lage sein, syntaktische
Charakterisierungen der verschiedenen strukturell und interaktiv relevanten
„Stellen" im Verlaufe von Sätzen, die in Turns gebraucht werden (können), zu
geben wie z. B. „im Vorfeld eines möglichen Abschlusses" (pre-possible-completion); und sie sollte Pausen, Silbendehnungen und Verzögerungen als konversationssyntaktische Objekte fassen können, von denen interaktiver Gebrauch gemacht wird. Schon heute bieten sich eine Reihe von Phänomenen für eine konversationssyntaktische Bearbeitung an, etwa Sätze. Es ist eine Eigenschaft von
Sätzen, daß sie - durch Nebensatzeinbettungen, Adjektivreihungen etc. - vor
einem möglichen Abschluß expandiert werden können. Diese Eigenschaft
macht sie zu besonders geeigneten Mitteln für die Realisierung von Turns, da
durch die Expansion auch der mögliche Abschluß des Turns hinausgeschoben
wird, wodurch sich der Sprecher das Rederecht für einen längeren Zeitraum
sichert als bei der Reihung von Sätzen oder anderen selbständigen Einheiten;
Reihungen enthalten Punkte eines möglichen Abschlusses, an denen der Verlust
des Rederechts droht. Das Expandierungspotential von Sätzen mag den syntaktischen und semantischen Motivationen ihres Gebrauchs in Gesprächen eine
spezifisch interaktionale zur Seite stellen.
Weiterhin ist zu beachten, daß Turns, wie immer sie sonst beschaffen sein
mögen, nicht selten eine Struktur aus drei Teilen aufweisen; dies scheint der
Tatsache geschuldet zu sein, daß Turns meist Turns in Sequenzen, Nachfolger
eines vorigen und Vorläufer eines nächsten Turns sind. Während eine Einheit
der Struktur des Turns dessen Verbundenheit mit dem vorigen demonstriert, ist
ein anderer Teil auf die Aufgaben des gegenwärtigen Turns zugeschnitten und
ein dritter der Herstellung einer Beziehung zu möglichen oder wünschenswerten
Nachfolgeturns gewidmet (Sacks/Schegloff/Jefferson 1978: 36).
Schließlich gibt es Klassen sprachlicher Objekte, die wohl ausschließlich in
Gesprächen auftreten, zumindest nicht in schriftlichen Texten. Ihre Erklärung
in Begriffen der Bedingungen des Sprecherwechsels bietet sich an. Zu dieser
Klasse zählen insbeondere solche Objekte, die typischerweise im „Korridor"
(transition space) zwischen zwei Turns vorkommen: „tag questions" (nicht?,
ne?, wa?, oder?) mögen als „Techniken zum Verlassen des Turas" (turn exit
techniques) wirksam sein.
„Wenn ein gegenwärtiger Sprecher einen Turn bis zu einer übergaberelevanten Stelle
konstruiert hat, ohne einen nächsten Sprecher auszuwählen und ohne einen anderen zu
finden, der sich selbst als nächsten Sprecher wählt, kann er aufgrund seiner Option zur
Fortführung des Turns eine 'tag question' benutzen, so daß er mit dem Abschluß dieser
'tag question' einen nächsten Sprecher wählt und auf diese Weise seinen Turn verläßt"
(Sacks/Schegloff/Jefferson 1978: 30-31).
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Partikeln, die am Satzanfang plaziert werden (äh, nun, ja aber, na), mögen
entsprechende Techniken zur Übernahme eines Turns sein (turn entry techniques); sie verdanken sich der Bedingung, daß den Turn erhält, wer zuerst
beginnt, und demonstrieren, daß sich ihr Benutzer an dieser Bedingung orientiert. Sie sind oft in Überlappung mit dem Abschluß des noch laufenden Turns
plaziert, genauer: im unmittelbaren Vorfeld eines möglichen Abschlusses, und
sie signalisieren den Anspruch ihres Benutzers auf Übernahme des nächsten
Turns und sind zugleich deren Beginn. Da sie lediglich den minimal hinreichenden „Bedingungen für den Beginn" (Sacks/Schegloff/Jefferson 1978: 32) genügen müssen, verlangen sie von ihrem Benutzer noch keinen ausgearbeiteten
Konstruktionsplan für seinen so begonnenen Turn.
Da gesprächsweise geäußerte Sätze (ebenso wie alle anderen Einheiten konversationellen Sprachgebrauchs) innerhalb von Turns vorkommen, sind sie den
Bedingungen eines Systems unterworfen, das die Verhältnisse zwischen den Beteiligten regelt und damit ein genuin interaktives System darstellt. Eine Neuorientierung der Syntax als Konversationssyntax sähe sich der Aufgabe gegenüber, die Struktur derartiger sprachlicher Objekte aus den interaktiven Mechanismen der Gesprächsorganisation herzuleiten, zu denen auch das System des
Sprecherwechsels zu zählen ist. Ein Mißverständnis wäre es freilich, wollte man
„Turns'4 als Einheiten behandeln, „die von einer Arbeitsteilung geprägt sind,
innerhalb derer der Sprecher die Einheit und ihre Grenzen bestimmt, während
anderen Gesprächsteilnehmern nurmehr die Aufgabe zufällt, diese zu erkennen" (Sacks/Schegloff/Jefferson 1978: 42). Als ein solches „Dampfmaschinenmodell" des Sprecherwechsels, in dem das „Gespräch [...] nichts anderes mehr
[ist] als der Austausch monologisch produzierter, fertig abgepackter Redestükke" (Bergmann 1981: 26), scheint mir die „Simplest Systematics" allerdings in
die Pragmalinguistik eingegangen zu sein; dies ist Ausdruck einer Rezeption, die
die Konsequenz scheut, einen einmal aufgespannten Erklärungsrahmen - die
Theorie handelnder Individuen - fallenzulassen.
Irregeleitet ist das Dampfmaschinenmodell des Sprecherwechsels vor allem
deshalb, weil auch „der Turn - als Einheit - interaktiv determiniert" ist
(Sacks/Schegloff/Jefferson 1978: 42). Nicht allein die Interaktion zwischen
Sprecher und Hörer im Vollzug des Redewechsels bestimmt als ständig präsente
organisatorische Aufgabe Realisierung und Struktur des Turns. Vielmehr interagieren die Beteiligten auch im Prozeß der Realisierung des Turns miteinander.
Der Turn selbst ist ein interaktives Produkt. Die eindrucksvollste Studie der
interaktiven Konstruktion von Turns ist Goodwins Untersuchung der Äußerung
I gave, I gave up smoking cigarettes:: 1-uh: one-owe week ago t'day.
Acshilly
(G.26:(T)8: 50),
Konversationsanalyse
81
die während eines gemeinsamen Essens zweier Ehepaare fallt und nacheinander
an drei verschiedene Adressaten gerichtet wird (Goodwin 1979). Goodwins
Analyse der schrittweisen Hervorbringung dieser Äußerung liegt die Überlegung zugrunde, daß für jede Äußerung ein Empfanger vorhanden und dies für
den Sprecher erkennbar sein muß; es reicht mit anderen Worten nicht aus, daß
der Adressat zuhört, er muß dem Sprecher auch demonstrieren, daß er zuhört.
Ein probates und kulturell eingeschliffenes Mittel zu demonstrieren, daß man
zuhört, besteht - grob gesprochen! - darin, daß man seinen Blick auf den Sprecher richtet. Außerdem sollte der Sprecher seine Äußerung auf ihren jeweiligen
Empfanger zuschneiden (recipient design), indem er etwa ihren semantischen
Gehalt an dessen ihm bekannten Vorwissen ausrichtet.
Die obige Äußerung (des Gastgebers) ist zunächst an einen seiner Gäste gerichtet, und sie
enthält Informationen, die für diesen neu sind. Im Verlauf ihrer Produktion wendet der
Adressat jedoch seinen Blick vom Sprecher ab. Die Lautdehnung am Ende von cigarettes
(::) und den Phrasenabbruch l-(last week) wertet Goodwin als Mittel zur Elizitierung
von Blickkontakt. Der Sprecher erhält daraufhin den Blick seiner Frau, für die die Äußerung jedoch so, wie sie begonnen wurde, keinen Neuigkeitswert besitzt. Daraufhin ersetzt
der Sprecher mittels einer „Form zur Korrektur von Irrtümern" (error correction format)
l-uh: das Wort „last" durch die Phrase „one-one week ago today", die eine „Entdeckungsintonation" aufweist. Der Satz wird nunmehr zur Bekanntgabe eines „Jubiläums" (heute
ist es genau eine Woche her...), die auch für die Ehefrau des Sprechers Nachrichtenwert
besitzen kann. Aber der Sprecher verliert auch ihren Blickkontakt, erhält jedoch den seines
zweiten Gastes und modifiziert daraufhin seine Äußerung so, daß aus der Entdeckung ein
Bericht über ein Jubiläum (acshilly), die Äußerung also ein zweites Mal ihrem neuen
Rezipienten angepaßt wird.
Der „letztendlich produzierte Satz kommt so als Produkt eines dynamischen
Interaktionsprozesses zwischen Sprecher und Hörer zustande, die wechselseitig
den Redeturn konstruieren" (Goodwin 1979: 112); der Sprecher eliziert mit
Hilfe von Lautdehnungen und Phrasenabbrüchen den Blickkontakt eines Anwesenden, verschafft seiner Äußerung einen Zuhörer, die Hörer demonstrieren
ihre Rezeption der Äußerung durch Blickkontakt mit dem Sprecher bzw. legen
ihre Hörerrolle demonstrativ ab, indem sie den Blick abwenden, und der Sprecher modifiziert im Vollzug der Realisierung seines Turns dessen semantischen
Gehalt so, daß er jeweils für den momentanen Zuhörer geeignet ist. Der Transfer
von Äußerungen in der Kommunikation von Angesicht zu Angesicht ist an die
Wirksamkeit von Mechanismen der Herstellung und Darstellung wechselseitiger Verfügbarkeit und Aufmerksamkeit der Beteiligten gebunden, an denen gewissermaßen deren gesamte körperliche Präsenz in der Situation mitwirkt. An
der Organisation des Sprecherwechsels sind Blickkontakte in besonderem Maße
beteiligt (vgl. hierzu auch Duncan 1974, Kendon 1967). Bevor jedoch eine Turaübergabe an einen nächsten Sprecher erfolgt, kann dieser, wie Kendon (1973)
nachgewiesen hat, die Übergabe dadurch bereits eingeleitet haben, daß er seine
Körperbewegungen mit denen des gegenwärtigen Sprechers synchronisiert; sol-
82
Jürgen Streeck
ehe Synchronisierungen bewirken regelmäßig, daß der gegenwärtige Sprecher
dem betreffenden Mit-Teilnehmer seinen Blick zuwendet und ihm den Turn
übergibt (zum Phänomen der Bewegungssynchronie vgl. Condon/Ogston 1966).
Obleich sich die Konversationsanalyse in ihren Untersuchungen zur interaktiven Organisation von Gesprächen aus forschungsstrategischen Gründen zunächst auf die Analyse von Tonbandaufnahmen beschränkt hat, beginnt eine
Kooperation mit ähnlich orientierten Forschungen zur sozial-organisatorischen
Funktion nichtverbalen Verhaltens sich allmählich abzuzeichnen (für einen
Überblick siehe Kendon 1979). Für die Linguistik sind derartige Untersuchungen nicht zuletzt deshalb von Interesse, weil sie intersubjektiv kontrollierbare
Erklärungen zahlreicher „Oberflächenphänomene" gesprochener Sprache in
Aussicht stellen, denen bisher nur mit Plausibilitätserwägungen zu Leibe zu
rücken war. Wenn konversationelle Objekte wie etwa Lautdehnungen, gefüllte
und ungefüllte Pausen, Verzögerungen und Phrasenabbrüche als geordnete Produkte der Organisation des Sprecherwechsels oder der Sprecher-Hörer-Interaktion während der Turnkonstruktion ausgewiesen würden, dann könnten Hypothesen über ihre Bedingtheit durch mentale Planungsprozesse in ihrem Anwendungsbereich möglicherweise stark eingeschränkt werden, ohne daß sie gänzlich
ihre Relevanz verlören. Langfristig würden sich jedoch zumindest ad hoc vorgenommene psychologisierende Erklärungen der Beschaffenheit einzelner Turns
erübrigen.
2. Die Organisation von Reparaturen (repair)
Sätze, die in Gesprächen gesagt werden, sind, wie eingangs erwähnt, noch voll
von jenen Fehlern und Korrekturen, die aus der verschriftlichten Sprache herausgelöscht sind. Dies ist ein Grund, weshalb schriftsprachliche Sätze ein
schlechtes Modell für Hypothesen über diskursive Sprachproduktion abgeben:
wie sich zeigen wird, wohnt der Reparatur von Fehlern nämlich eine Systematik
inne, die für die Untersuchung sprachstruktureller Gegebenheiten von Interesse
sein kann, in der Schriftsprache jedoch unwiederbringlich verloren ist.
Folgendes sind Beispiele von Reparaturen (die Beispiele sind Schegloff 1979 R
und Schegloff/Jefferson/Sacks 1977 entnommen, wo sie ausführlicher diskutiert
werden):
(1) N:
She was givin me a:ll the people that
-> were go:ne this yea:r I mean this quarter y' // know
J:
Yeah
(NT: 4)
(2) Vic:
En-it nevuh /zappen. Now I could of wen' up there en told the
parents
-> myself but then the ma- the husbin liable tuh come t'd'doh...
(US: 4)
Konversationsanalyse
83
Hier korrigiert der Sprecher seinen Fehler selbst, unmittelbar nach dessen Auftreten (self initiated self-correction). Im folgenden Beispiel repariert der Sprecher einen Fehler, auf den ihn sein Gesprächspartner aufmerksam gemacht hat
(other-initiated self-correction):
(3) Ken:
Dan:
Is Al here today?
Yeah.
(2.0)
Roger: -» He is? hh eh heh
Dan: -> Well he was.
(GTS: 5 : 3)
Auch Fremdkorrektur ist möglich; sie kann vom Sprecher des reparaturbedürftigen Turn eingeleitet werden (self-initiated other-repair) :
(4) B:
A:
-»He had dis uh Mistuh W- whatever k-1 can't
think of his first name, Watts on, the one who wrote // that piece.
-» Dan Watts.
(BC: Green:
oder vom anderen, der die Reparatur ausführt (other-initiated other-repair):
(5) Lori:
But y'know «ringle beds'r awfully thin tuh sleep on.
Sam:
What?
Lori:
Single beds. // They'reEllen: -> Y'mean narrow?
Lori:
They're awfully narrow II yeah.
(JS: II: 97)
Reparaturversuche können erfolglos bleiben:
(6) Mike:
I never heard it eetheh.
(0.7)
Mike: -» Awl I her- All I- Awl I ree- all you- all //
I reeVic:
You knew duh broa// :d.
(7) L:
M:
L:
(Frankel: US: 26)
I read a very interesting story today.
Uhm, what's that.
-» w'll not today, maybe yesterday, aw who knows when, huh, it's
called Dragon Stew.
(Super-seedy: SP)
Reparaturen sind auch nicht an das vorherige Auftreten eines identifizierbaren Fehlers gebunden. Sie verändern jedoch oft die syntaktische Struktur des
Satzes, in dem sie vorkommen.
84
Jürgen Streeck
(8) B:
A:
B:
A:
:
That's too bad
hhh!
(0.5)
-> (I'unno) 'hh Hey do you see V - (0.3)
fat ol' Vivian anymouh?
No, hardly, en if we do: y'know, I jus'
say hello quick'n hh y'know jus' pass
each othuh in the e // hall(way).
Is she still hanging
aroun' (with) Bo: nny?
(TG, 338-366)
In (8) wird eine Nominalphrase durch Einfügung eines Modifiers expandiert (V...fat
Vivian).
(9) Cathy:
Wul knowing you you'd have thirty one en, thousan' and an
nickel.
Gene:
hhh! heh-heh-heh- // heh
Cathy: -> Shit y-1 think y'got the original nickel. (Goldberg, II: 1: 6)
In (9) wird der begonnene Satz unter einen Rahmensatz subsumiert. Reparaturen ohne sichtbare Fehler können auch Fragen in Behauptungen umwandeln:
(10) J:
E:
We saw Midnight Cowboy yesterdayor |~Suh- Friday.
LSh?
L:
-> Didjus s- you saw that, it's really good.
(JS: II: 61)
Die Einleitung selbst-initiierter Reparaturen oder Korrekturen findet regelmäßig an drei alternativen Positionen statt:
- im gleichen Turn, in dem der Fehler vorkam (11);
- im „Korridor" (transition space) zwischen dem fehlerhaften und dem folgenden Turn, also unmittelbar nach einem Punkt eines möglichen Abschlusses:
(12)
- oder im dritten (übernächsten) Turn nach dem fehlerhaften (13);
(für die Unterscheidung zwischen Reparatur und Korrektur vgl. Schegloff/Jefferson/Sacks 1977).
(11) Deb:
Kin you wait til we get home? We'll be there in five minutes.
Anne:
Ev//en less th'n that.
Naomi:-)· But c'd we- c'd I stay u:p?
(Post-party: 11)
Konversationsanalyse
(12) L:
L:
L:
85
An' 'en bud all of the doors 'n things were taped up =
-> = I mean y'know they put up y'know that kinda paper 'r stuff,
-* the brown paper.
(Super-Seedy: 3)
(13) Annie:
Zebrach:
Annie: ->
Zebrach:
Which one::s are closed, an which ones are open.
Most of 'em. This, this,//this, this ((pointing))
I don't mean on the shelters, I mean on the roads.
Oh:.
(CDHQ:I:52)
Die Initiation einer fremd-initiierten Korrektur findet ausnahmslos im nächsten
Turn nach dem fehlerhaften statt:
(14) B:
A:
B:
A:
B:
A:
B:
A:
Where didju play ba:sk//etbaw.
(The)gy:m.
-> In the gy:w?
Yea:j. Like grou(h)p therapy. Yuh know =
Oh:::.
= half the group thet we had la :s' term wz there en we jus' playing
arou:nd.
-> Uh- fooling around.
Eh- j;eah...
(TG: 3)
Das Vorkommen von Fehlern ist eine Folge der Störanfälligkeit der verschiedenen Mechanismen, die an der Produktion mündlicher Rede und an der interaktiven Organisation von Gesprächen beteiligt sind.
„Jedes System und jeder Umstand, die bei der Produktion und Rezeption von Rede beteiligt sind - Artikulation, Gedächtnis, Sequenzierung, Syntax, Gehör, Geräusche der Umgebung etc. - können versagen. Das Zusammenfügen der regelgeleiteten Aspekte der Produktion und Analyse von Rede kann mißlingen. Kurz, der Austausch von Rede ist inneren
und äußeren Störungen ausgesetzt, die jederzeit auftreten können" (Schegloff 1979R:
269).
Das Vorkommen von Reparaturen dokumentiert, daß Sprache „einen eingebauten Apparat" für die Beseitigung von Fehlern besitzt, einen „selbstkorrigierenden Mechanismus für die Organisation des Sprachgebrauchs in der sozialen
Interaktion" (Schegloff/Jefferson/Sacks 1977: 381). Die von der Konversationsanalyse aufgeworfene und aufgrund der Vielfalt der hier in Rechnung zu
stellenden Phänomene noch längst nicht abschließend beantwortete Frage ist
nun, ob dieser Mechanismus in ähnlich allgemeingültiger, einfacher und systematischer Form darstellbar ist wie die Organisation des Sprecherwechsels. Die
Tatsache, daß die Notwendigkeit zur Reparatur ähnlich unwägbar ist wie die
des Sprecherwechsels, legt eine solche Annahme zumindest nahe. Beteiligte müssen ständig damit rechnen, daß Reparaturen erforderlich werden, Fehler sind
86
Jürgen Streeck
nicht vorhersehbar an Kontexte gebunden, und deshalb sollten die Mechanismen der Reparatur ebenso vielseitig verwendbar sein wie die des Sprecherwechsels: kontext-frei, aber doch zur beliebigen Anpassung an einen einzelnen Kontext fähig. Sollte sich ein derartiger Mechanismus finden lassen, dann gälte es,
sein Zusammenwirken mit anderen Mechanismen der Gesprächsorganisation
(Turn-Taking, Syntax etc.) zu rekonstruieren. Hierzu lassen sich schon heute
einige Beobachtungen anstellen.
Obwohl Fehler jederzeit und überall auftreten können, läßt sich in der Verteilung der Reparaturen dieser Fehler eine Ordnung nachweisen. Die Plazierung
der Reparaturen ist - unabhängig von der Art und dem Ort des Schadens offenbar durch eine Anzahl von Präferenzen (zum Begriff 'Präferenz' vgl. Pomerantz 1978 sowie Schegloff/Jefferson/Sacks 1977: 362, Fn. 4) bestimmt, die
sich empirisch in Häufigkeitsverteilungen dokumentieren: Selbstkorrekturen
sind erheblich häufiger als Fremdkorrekturen; fremdinitiierte Selbstkorrekturen sind häufiger als fremdinitiierte Fremdkorrekturen; selbstinitiierte Selbstkorrekturen sind häufiger als fremd initiierte Selbstkorrekturen; selbstinitiierte
Selbstkorrekturen werden überwiegend noch im fehlerhaften Turn ausgeführt
(same-turn repair); selbstinitiierte Selbstkorrekturen, die noch im fehlerhaften
Turn ausgeführt werden, werden überwiegend noch innerhalb des fehlerhaften
Satzes innerhalb des betreffenden Turns ausgeführt (same-sentence repair).
D. h., in der überwiegenden Anzahl der Fälle, in denen ein Fehler repariert oder
aus anderen Gründen eine Reparatur ausgeführt wird, wird diese innerhalb
desselben Satzes ausgeführt, der als reparaturbedürftig betrachtet wird (vgl. die
Beispiele (1), (2) und (6) bis (11)).
Dieser empirische Befund läßt sich im Rekurs auf die Organisation des Sprecherwechsels und die sequentielle Organisation von Gesprächen (die im nächsten Abschnitt behandelt wird) erklären. Es ist vor allem die Tatsache bedeutsam, daß Redeturns-und damit auch reparaturbedürftige Redeturns bzw. reparaturinitiierende Redeturns - überwiegend Turns innerhalb einer Sequenz sind:
ein Turn, mit dem eine verbale Aktivität ausgeführt wird, kann eine bestimmte
nächste Aktivität auf den Plan rufen (sequentiell implizieren); der Sprecher, dem
der nächste Turn zufällt oder zugeteilt wird, ist gehalten, primär diese Aktivität
auszuführen, so daß „ein nächster Turn seinem Vorgänger nicht einfach folgt,
sondern im Hinblick [...] auf diesen besonderen (Turn) produziert" wird (Schegloff 1979R: 267). Würde dieser nächste Turn stattdessen dazu benutzt, die
Korrektur eines Fehlers im gegenwärtigen Turn zu initiieren, dann
„würde die sequentielle Implikation des gegenwärtigen Turns aus ihrer natürlichen Umgebung vertrieben und ginge zumindest für diesen Turn verloren. Weil jedoch eine fremdinitiierte Reparatur im nächsten Turn selbst eine Sequenz in Gang setzt [...], würde die
sequentielle Implikation in noch weitere Ferne gerückt und verlöre so möglicherweise den
organisierten Ort ihrer Realisierung" (Schegloff 1979R: 267).
Konversationsanalyse
87
D. h., die vom gegenwärtigen Sprecher intendierte nächste Aktivität des nächsten Sprechers könnte erst an einer Stelle vollzogen werden, an der ihr eine
geeignete und ihr Verständnis erleichternde sequentielle Umgebung fehlt.
Diese Aspekte der sequentiellen Organisation erklären die Präferenz für
Selbstkorrektur und die Präferenz für Selbstkorrektur im selben Turn (sameturn repair). Sie machen es auch verständlich, warum Sprecher, denen der nächste Turn nach einem reparaturbedürftigen, jedoch nicht reparierten Turn zufallt,
auf Korrekturinitiierungen häufig verzichten und stattdessen die ihnen nahegelegte Folgehandlung vollziehen; verständlich wird schließlich auch, warum
Fremdkorrekturen oder Fremdinitiierungen von Korrekturen nicht selten nicht
als Korrekturen, sondern als Einwände (disagreements) oder Vorankündigungen von Einwänden (pre-disagreements) behandelt werden (Schegloff/
Jefferson/Sacks 1977: 380).
Die weitergehende Präferenz für Reparatur im selben Satz im selben Turn
(same-sentence repair) hängt offenkundig damit zusammen, daß der Abschluß
des Satzes auch ein möglicher Abschluß (possible completion point) des Turns
ist, an dem das Rederecht verloren gehen kann. Es besteht demnach eine strukturelle Motivation dafür, den Fehler im fehlerhaften Satz selbst zu korrigieren,
wenn er im fehlerhaften Turn repariert und damit der geordnete sequentielle
Ablauf des Gesprächs sichergestellt werden soll. Hier wird die Integrität des
Satzes als Einheit der Turnkonstruktion zwar gewahrt, indem der Punkt des
möglichen Abschlusses durch die Einfügung der Reparatur hinausgeschoben
wird, aber zugleich wird ihr die syntaktische Integrität der Satzkonstruktion
geopfert.
Faßt man diese Ergebnisse zusammen, dann ergibt sich, daß die Organisation
der Reparatur der sequentiellen Organisation des Gesprächs ebenso untergeordnet ist wie der Organisation des Sprecherwechsels. Zugleich wird jedoch überall
(oder: fast überall) dort, wo Reparaturen ausgeführt werden, die syntaktische
Organisation des Satzes vorübergehend der Organisation der Reparatur untergeordnet. Nach Schegloff legen diese empirischen Gegebenheiten die Auffassung nahe, daß
„eine wie auch immer beschaffene Syntax die reibungslose Produktion von Sätzen als
Einheiten der Turnkonstruktion organisiert und beim Eintreten von Störungen eine Organisation der Reparatur in Kraft tritt, die ihrerseits mit geordneten Komponenten [...]
ausgestattet ist und die Störungen so bewältigt, daß die syntaktische Organisation rasch
wieder in ihr Recht treten kann" (Schegloff 1979R: 277).
Da gesprochene Sprache störanfällig und reparaturbedürftig ist, sollte „eine
adäquate Theorie der Organisation natürlicher Sprache in der Lage sein zu
beschreiben, wie eine natürliche Sprache mit ihren intrinsischen Störungen zurechtkommt" (Schegloff/Jefferson/Sacks 1977: 381). Die Tatsache, daß aufgrund der übergreifenden Mechanismen der Sequenzierung und des Sprecherwechsels eine Tendenz besteht, Reparaturen in die reparaturbedürftigen Sätze
Jürgen Streeck
selbst zu drängen, und damit die syntaktische Organisation von Sätzen stärker
von Störanfälligkeit betroffen ist als andere Organisationsmechanismen, spricht
ebenfalls für eine Neuorientierung der Syntax als Konversationssyntax.
3. Sequentielle Organisation
Wie die linguistische Pragmatik und ihre empirische Spielart, die Diskurslinguistik, von der Einsicht geprägt sind, daß in sprachlichen Äußerungen nicht nur
etwas gesagt, sondern mit ihnen auch etwas getan wird, betrachtet auch die
Konversationsanalyse Äußerungsfolgen in Gesprächen als „Handlungsverkettungen" (Pomerantz 1978). Sie untersucht diese jedoch nicht - wie etwa die
Sprechakttheorie - mit dem Ziel der konzeptuellen oder handlungstheoretischen
Explikation des einzelnen Akt-Typs, sondern in der Perspektive der interaktiven
Organisation von Handlungssequenzen.
Die sequentielle Organisation von Gesprächen ist die dritte von der Konversationsanalyse explizierte Systematik der Gesprächsorganisation; naturgemäß
ist sie weniger vollständig ausgearbeitet als die des Sprecherwechsels oder der
Reparatur: anders als diese verlangt die sequentielle Organisation nämlich einen
typologischen Zugriff; es gibt nicht eine sequentielle Organisation, sondern eine
Vielzahl von interaktiv organisierten Szquenztypen.
Die von der Konversationsanalyse am eingehendsten untersuchten und möglicherweise auch empirisch häufigsten Sequenztypen gehören zur Klasse der
„Paarsequenzen" (adjacency pairs), deren Merkmale sich folgendermaßen umschreiben lassen4: (1) Paarsequenzen umfassen zwei Äußerungen; (2) diese sind
in unmittelbarer Nachbarschaft plaziert; und (3) verschiedene Sprecher produzieren die beteiligten Äußerungen (Schegloff/Sacks 1973). Folgendes sind Beispiele von Paarsequenzen unterschiedlichen Typs:
(15) Anrufer
Hello?
Polizeibeamter Hello.
Es handelt sich um eine Anruf-Antwort-Sequenz (summons-answer; Schegloff
1968).
(16) A Hi Bonnie.
B Hi.
Gruß-Erwiderung (Schegloff 19791).
(ID, No. 275a)
4 Für eine Übersicht über konversationsanalytisch untersuchte Aktivitätssequenzen
in Gesprächen siehe Bergmann 1981: 28-29; Bergmanns Artikel ist die umfassendste mir
bekannte Darstellung konversationsanalytischer Arbeitsgebiete; der bibliographische
Anhang gibt eine nahezu vollständige Übersicht.
Konversationsanalyse
89
(17) A Bye bye.
B Bye.
Verabschiedung-Verabschiedung (Schegloff/Sacks 1973).
(18) A Okay.
B Okay.
Paß-Rückpaß (Schegloff/Sacks 1973).
(19) A She's a fox!
B Yeh, she's a pretty girl.
Feststellung-Zustimmung (Pomerantz 1978).
(20) R You're a very good rower, honey.
J These are very easy to row, very light.
Kompliment-Entgegnung (Pomerantz 1978).
(21) A How yuh doin.
B Fine.
Frage-Antwort (Goldberg 1978).
(GJ: 1)
(WS: YMC.-4)
(NB-G/A)
Allen Paarsequenzen ist gemeinsam, daß zwischen ihren beiden Teilen eine
Beziehung besonderer Art besteht, die man als „bedingte Relevanz" (conditional relevance) bezeichnen kann: wenn ein Sprecher eine Äußerung macht, die
einem bestimmten Paar-Typus zuzuordnen ist (z. B. dem Frage-Antwort-Paar)
und deren ersten Teil darstellt, dann wird - bedingt allein durch die Tatsache
dieser Realisierung - die Realisierung des zweiten Paar-Teils des gleichen PaarTypus für den nächsten Sprecher relevant (Sacks 1972; Schegloff/Sacks 1973).
Beteiligte, denen „nächste Turns" nach einem ersten Paar-Teil zufallen, sind
gehalten, den entsprechenden zweiten Teil des Paares zu realisieren. Charakteristischerweise werden Turas, die diesen sequentiellen Bedingungen nicht genügen, als solche markiert:5
„Das Erfordernis, seine Aufmerksamkeit gegenüber dem sequentiellen Kontext deutlich
zu machen, kann dadurch erfüllt werden, daß der Sprecher zeigt, daß er weiß, was als
nächstes relevant ist, obgleich er stattdessen etwas anderes tun wird. [... ] Während er dann
5 In der Konversationsanalyse spricht man in diesem Zusammenhang von „official
absence'4 oder „noticeable absence"; Schegloff/Sacks 1973. Zum Begriff 'account' vgl.
Pomerantz 1978 und Scott/Lyman 1968.
90
Jürgen Streeck
fortfahren kann, dieses andere zu tun, hat er doch Sorge getragen, daß seine Äußerung
seine Aufmerksamkeit und sein Verständnis für die vorausgegangene Äußerung oder Sequenz offenlegt'4 (Schegloff 1972S: 16).
Ein gängiges Mittel, seine Kenntnis sequentieller Anforderungen zu demonstrieren, ohne ihnen ansonsten Genüge zu tun, ist der Gebrauch von „Fehlplazierungsmarkierungen" (misplacement markers; Schegloff/Sacks 1973) wie z. B.
ach übrigens, nebenbei, da fäll t mir ein. So zeigt sich die Orientierung der Beteiligten am sequentiellen Ablauf ihres Gesprächs ex negative am deutlichsten.6
Von Interesse dürfte in diesem Zusammenhang auch die Beobachtung sein,
daß im Falle von Sequenztypen, in denen für zweite Teile Optionen gegeben sind
(wie etwa bei Einladungen, die angenommen oder abgelehnt werden können),
diese Alternativen nicht äquivalent sind, sondern vielmehr zwischen bevorzugten Optionen und Optionen zweiter Wahl (preferred und dispreferred seconds;
Pomerantz 1978) unterschieden werden kann. Diese Unterscheidung ist deshalb
möglich, weil, wie Pomerantz nachweist, die verschiedenen Optionen auch „verschiedengestaltige Turns behausen und sich hinsichtlich ihrer Möglichkeiten zur
Sequenzbeendigung unterscheiden" (Pomerantz 1978: 83). Bevorzugte Optionen werden regulär in Turn-initiierender Position realisiert:
(22) A
B
... it's the loveliest record I ever heard.
And the organWell thank you.
(SBL: 2.2.4-3)
(Es handelt sich um die - bevorzugte - Akzeptierung eines Kompliments für ein
Geschenk.)
Optionen zweiter Wahl - z. B. die Ablehnung einer Einladung - können demgegenüber „nach rechts verschoben" sein (und so z. B. Platz für einen Dank in
Turn-initiierender Position machen); zudem enthalten sie oft einen „account"7 :
(23) B Uh if you'd care to come over and visit a little this morning. I'll give you
a cup of coffee.
6 Für eine Diskussion der Relevanz sequentieller Organisation für die Gestaltung und
das Verständnis sprachlicher Äußerungen in konversationellen Zusammenhängen vgl.
Coulter 1976.
7 Häufig wird ein Turn, der eine Option zweiter Wahl realisiert, durch eine Partikel
wie hmm eingeleitet; diese Partikel wird dann vom Sprecher des ersten Teiles des Sequenzpaares wie eine Einladung zur Reparatur (seines letzten Turas, d. h. des Paarinitiierenden)
im nächsten Turn (next turn repair initiator, NTRI) behandelt: ihm wird Gelegenheit
gegeben, eine sich abzeichnende Ablehnung einer Einladung - um bei diesem Beispiel zu
bleiben - zu vermeiden, indem er seinen Einladungs-Turn rephrasiert, etwa zu einem
Vorschlag, man möge sich doch einmal treffen. Optionen zweiter Wahl werden, um es
überpointiert auszudrücken, nach Möglichkeit interaktiv umgangen; vgl. hierzu auch Jefferson 1981 und Schegloff 19791.
Konversationsanalyse
91
A Hehh! Well that's awfully sweet of you, I don't think I can make it this
morning um, I'm running an ad in the paper and ...
(SBL: 1.1.10-11)
Diese Beispiele mögen zur Illustration der These hinreichen, daß neben der
Organisation des Sprecherwechsels und der der Reparatur auch die sequentielle
Organisation Auswirkungen auf die Konstruktion von Turns hat; Sprecher stellen den sequentiellen Ort ihres Turns und die strukturellen Präferenzen für seine
Realisierung bei seiner Konstruktion in Rechnung. Damit bietet sich auch die
sequentielle Organisation als Parameter an, der in eine konversationssyntaktische Explikation der Struktur von Redeturns eingehen sollte.
Die Orientierung der Beteiligten an der sequentiellen Entwicklung ihres Gesprächs manifestiert sich jedoch nicht allein in ihrer Gestaltung der Turns, sie
steuert zudem ihr Verstehen von Äußerungen als Aktivitäten. Hieraus scheint
sich eine für die Diskurslinguistik signifikante methodologische Implikation der
sequentiellen Organisation zu ergeben. Die Bestimmung des Handlungspotentials, das eine Äußerung im konkreten Falle realisiert, verlangt eine Konsultation ihrer sequentiellen Umgegung; nicht die einzelne sprachliche Handlung,
sondern allein die Aktivitätssequenz ist als Einheit für die Analyse geeignet.
Hierfür sprechen u. a. folgende Gründe: erstens, es gibt zahlreiche Äußerungen
oder Äußerungstypen, deren „Tun" (doing) sich ausschließlich ihrer sequentiellen Plazierung verdankt; zweitens, in zahllosen Fällen ist das „Tun" einer Äußerung intuitiv nicht erschließbar oder widerspricht der Intuition des Analysierenden und kann deshalb nur in seinen Resultaten, d. h. den sequentiellen Folgen,
wiedergefunden werden; drittens, Sequenzierung ist ein Mechanismus, der Beteiligten nicht nur zur Verkettung ihrer Handlungen, sondern auch zur wechselseitigen Demonstration ihres Verstehens von Äußerungen, d. h. zur Verständigung dient; und viertens verflüchtigt sich fast immer das Problem, daß einer
Äußerung verschiedene „illokutive" Lesearten zugeordnet werden können, sobald man ihre sequentielle Umgebung untersucht und dabei herausfindet, welche Lesearten die Beteiligten selbst bevorzugt haben.
Daß „einige Äußerungen ihren Charakter als Handlungen ausschließlich aufgrund von Überlegungen über ihre Plazierung erhalten" demonstrieren Schegloff/Sacks (1973) am einfachen Beispiel der Unterscheidung von Feststellungen
und Antworten: sie ist nur möglich im Rekurs auf den Turn, der der Äußerung
vorausgegangen ist. Handelt es sich bei diesem um eine Frage, ist die Feststellung eine Antwort.8 Aber auch eine Frage verlangt keine grammatische Frage-
8 Daß die Unterscheidung selbst signifikant ist, ergibt sich daraus, daß Antworten
und Feststellungen ihrerseits unterschiedliche sequentielle Implikationen für den jeweils
nächsten Turn haben: Antworten sind - in der Regel - sequenzbeendend, während Feststellungen sehr wohl sequenzeröffnend sein können.
92
Jürgen Streeck
form oder Frageintonation, um als Frage erkannt zu werden: auch in ihrem Fall
kann die sequentielle Umgebung für das Erkennen ihres „Tuns" hinreichend
sein (Schegloff 1972S: 11).
Das zweite Argument, daß sich in der sequentiellen Umgebung einer Äußerung Hinweise auf intuitiv unerschließbare „doings" verbergen, will ich an einem komplexeren Beispiel veranschaulichen.
Schegloff (19791) hat in einer Analyse der Eröffnungssequenzen von (USamerikanischen) Telephongesprächen die Methoden untersucht, mit denen Anrufer und Angerufene sich zu erkennen geben (self-identification) und deutlich
machen, daß sie einander an der Stimme (oder am Namen) erkennen (recognition). In diesen Eröffnungssequenzen hat der erste Turn des Anrufers -d.h. der
zweite Turn des Telephongesprächs - häufig die Form einer als Frage intonierten Nennung des Namens des Angerufenen:
(24)
(25)
A: Hello
-> B: Connie?
A: Yeah Joanie
(JG No. 65a)
I: Hello:,
-» B: H'llo Ilse?
I: Yes. Be:tty.
(ID, No. 231)
Ich denke, daß unsere Intuition uns sagt, daß derartige Turn der Rückversicherung dessen dienen, daß der Anrufer den Angerufenen korrekt identifiziert,
einer Rückversicherung, die wohl dann erforderlich wird, wenn der Angerufene,
indem er den Anruf nur mit „Hello?" beantwortet, dem Anrufer keine sichere
Grundlage für die Identifikation bietet. Wollten wir diese Lesart paraphrasieren, würden wir die Umschreibung „Gehe ich recht in der Annahme, daß du
Bonnie bist?" wählen können.
Aber Schegloff s sequentielle Analyse kommt zu einem anderen Ergebnis.
Schegloff zeigt, daß in den Eröffnungssequenzen amerikanischer Telephongespräche eine Präferenz wirksam ist, wonach es bevorzugte Option ist, sich durch
die Stimme zu erkennen zu geben und an der Stimme erkannt zu werden, während die Nennung des eigenen Namens nur ein Mittel zweiter Wahl darstellt.
Diese Präferenz ist unabhängig von den Motivationslagen und Interessen der
jeweiligen Beteiligten strukturell wirksam: sie wird allein durch die Analyse
großer Datenkollektionen sichtbar, dergestalt daß der eigene Name von Anrufern und Angerufenen überwiegend erst dann genannt wird, wenn ein Versuch,
sich durch eine „Stimmprobe" zu erkennen zu geben, gescheitert ist. Die hier zur
Debatte stehenden ersten Turns des Anrufers sind solche Stimmproben. Die
Frageintonation hat, so Schegloff, die Funktion einer Markierung der Stimmprobe als „Versuch" (try marker):
Konversationsanalyse
93
„Wenn die Annahme, dem Angerufenen sei das Erkennen des Anrufers mithilfe einer
Stimmprobe möglich, in Zweifel gezogen wird, dann kann die Markierung eines Versuchs
herangezogen werden, wobei dieser [...] keine [...] Selbsteinschätzung des Sprechers hinsichtlich seines Wissens, wer der Empfänger ist, darstellt, sondern eine Einschätzung der
Annahme, daß der Angerufene aufgrund der Stimmprobe, die der Turn anbietet, wissen
wird, wer der Sprecher (d. h. der Anrufer) ist" (Schegloff 19791: 51).
Daß diese Turns von Angerufenen als Stimmproben analysiert werden, deren
Erfolg dem Anrufer zu bestätigen ist, zeigen die dritten Turas in den obigen
Beispielen: in ihnen demonstriert der Angerufene sein Erkennen des Anrufers.
Mißlingt der Versuch - weil die Stimmprobe nicht hinreicht -, dann beschränkt
sich der Angerufene oft auf eine Grußformel, mit der er dem Anrufer den Turn
zurückspielt, um ihm so eine Gelegenheit zur Nennung seines Namens, der Option zweiter Wahl, zu geben; er vermeidet es, den Mißerfolg der bevorzugten
Option deutlich zu machen:
(26)
->
-»
(27)
->
->
B: 'hhh Hello,
Ba: Hi Bonnie,
B: Hi. =
Ba: It's Barbie. =
B: = Hi.
J: Hello,
B: Hello Him?
J: Hi-,
B: Hi, it's Bonnie.
J: Yeah I know
(ID, No. 275a)
(ID, No 246)
Es handelt sich offenbar bei den in Rede stehenden Turn-Typen um interaktive Mittel von einiger Komplexität und Subtilität, die sich, wie mir scheint, unserem intuitiven Zugriff gänzlich entziehen. Aus diesem Grunde sollte die sequentielle Analyse von Kollektionen derartiger Konversationsobjekte auch die bessere Alternative darstellen als der näherliegende Weg, die Absichten des Sprechers im Einzelfall zu erraten. Schegloff faßt sein Ergebnis so zusammen:
„Die als Versuch markierte Anredeform im ersten Turn des Anrufers kann [...] als Vorläufer der Nennung des eigenen Namens (pre-self-identification) fungieren, indem sie (1)
eine Stimmprobe anbietet, (2) einen Zweifel darlegt, daß der Angerufene den Anrufer an
ihr erkennen kann, (3) einen nächsten Turn impliziert, in welchem der Angerufene demonstrieren kann, daß er den Anrufer erkennt (falls es ihm gelingt), (4) eine Gelegenheit bietet,
im negativen Fall im nächsten Turn dennoch das Scheitern des Erkennens nicht offenzulegen, und somit (5) dem Anrufenden die Gelegenheit gibt, [...] sich selbst durch Nennen
seines Namens [...] zu identifizieren. * Pre-self-identification' enthält somit die Möglichkeit eines Erfolges, ohne daß der weniger geschätzte Weg der Selbstidentifikation gegangen werden müßte" (Schegloff 19791: 5l).9
9 Ein anderes, sehr instruktives Beispiel für die Unabdingbarkeit sequentieller Analyse macht die Relevanz der genauen Plazierung eines Gesprächsobjekts in seiner sequentiellen Umgebung deutlich: Jefferson (1981) hat sich der deutschen Fragepartikel «e?zuge-
94
Jürgen Streeck
Ein zentrales Merkmal sequentieller Analyse ist darin zu sehen, daß sie darum
bemüht ist, die „Lesearten" zu rekonstruieren, die Beteiligte - wie bewußt auch
immer - ihren wechselseitigen Äußerungen zuordnen, und die Mechanismen zu
verdeutlichen, die diesen Prozessen wechselseitiger Verständigung zugrundeliegen. Die Frage,
„was [eine Äußerung, J. S.] [...] wirklich bedeutet, ist irrelevant und nicht zu beantworten.
Von zentraler Bedeutung ist es demgegenüber, seine Aufmerksamkeit der Frage zu widmen, wie Mitglieder für Bedeutung, [...] Verständigung, Erklärbarkeit usw. aufkommen"
(Schenkein 19721: 348).
Die sequentielle Organisation der Konversation ist hier einschlägig: sie dient
nicht allein der „Ordnungsmontage", sondern auch der „Sinnmontage" (Coulter 1973). Man muß sich vergegenwärtigen, daß es für Beteiligte nicht hinreicht,
daß die jeweiligen Hörer Äußerungen verstehen; Hörer sind vielmehr - gerade
wegen der prinzipiell drohenden Ambiguität - auch gehalten, Sprechern ständig
darzulegen, wie sie deren Äußerungen verstehen. Die Mechanismen des Sprecherwechsels und der Sequenzierung liefern ihnen hierfür ordnungsgemäße Gelegenheiten :
wandt, deren Benutzung wir, wie ich vermute, als Versuch, Zustimmung oder Verständnis
zu erheischen, deuten würden. Jefferson führt jedoch vor Augen, daß die interaktiven
Funktionen der Partikel ganz verschiedene sind, je nachdem, wo genau sie in Relation zu
„ihrem" Turn und zu dem Turn des Gesprächspartners plaziert ist. (Jefferson geht es in
erster Linie um eine Rekonstruktion der Funktion -d.h. der sequentiellen Implikationen
- eines ne? - sienennt es „das unerträgliche neT' und hält es ironisch für "just the sort of
thing the Aryan mentality would devise"; Jefferson 1981: 54 -, das nach Beginn eines
Antwort-Turn plaziert ist; post-response initiation response solicitation.) Jeffersons Kategorie zur Bezeichnung dieses sequentiellen Objekts - "the Abonimable Ne?" - wirft, so
ironisch sie gemeint ist, ein Licht auf die Rolle deskriptiver Kategorien in konversationsanalytischen Arbeiten und auf die konversationsanalytische Sicht der Rolle von Theorie
und empirischer Analyse für die Definition von Kategorien: vor Beginn der sequentiellen
Analyse kann der deskriptiven Kategorie keine andere Funktion zukommen als die, ein
Objekt (oder einen Typ von Objekten) so zu identifizieren, daß es in den verschiedensten
Datenkorpora wiedergefunden werden kann. Man findet ein Phänomen, gibt ihm einen
Eigennamen und sucht nach weiteren Instanzen. Diese Suche ist ausschließlich von sequentiellen Gesichtspunkten geleitet: im vorliegenden Fall wurde nach weiteren Vorkommen von Fragepartikeln gesucht, die, von „ihrem" Turn abgetrennt, in Überlappung mit
einem schon begonnenen Antwort-Turn plaziert waren. Was das betreffende Objekt in
seiner Umgebung tut - seine „illokutive Rolle", um einen etwas sachfremden Begriff zu
benutzen - ergibt sich erst aus dieser Analyse, kann also nicht schon im vorhinein bei der
Definition der Kategorie berücksichtigt werden. Die Sprechakttheorie z. B., der Leser
errät es, geht den umgekehrten Weg: sie definiert Kategorien von Sprechakten im Hinblick auf deren illokutive Rollen und sucht erst dann - wenn sie überhaupt sucht - nach
Instanzen in empirischen Datenkorpora (um nur allzu häufig festzustellen, daß in diesen
Instanzen die betreffenden Äußerungen noch sehr viel mehr und erheblich anderes tun, als
gemäß der Definition der Kategorie zu erwarten war); vgl. Jefferson 1981: 55.
Konversationsanalyse
95
„Wenn ein Sprecher ein erstes Glied eines Äußerungspaares wie eine Trage' oder eine
'Beschwerde' an einen anderen richtet, wählt er den anderen als nächsten Sprecher aus und
wählt für ihn ebenfalls aus, daß er ein zweites Glied für das von ihm begonnene Äußerungspaar realisieren, also eine 'Antwort' oder 'Entschuldigung' (oder was sonst möglich
ist) geben möge. Der Adressat realisiert, indem er als nächstes ein solches zweites Glied des
Paares wie eine 'Antwort' oder eine 'Entschuldigung' zur Ausführung bringt, nicht nur
diesen Äußerungs-Typ, sondern er offenbart dadurch auch (und zwar in erster Linie seinen
Gesprächspartnern) sein Verständnis der im vorgängigen Turn enthaltenen Rede"
(Sacks/Schegloff/Jefferson 1978: 44).
Die Mechanismen des Sprecherwechsels und der Sequenzierung werfen somit
drittens als ein Quasi-Nebenprodukt ein „Suchverfahren" ab, dessen sich der
Konversationsanalytiker bei seinem Versuch der Lokalisierung und Festschreibung der von Beteiligten realisierten sprachlichen Aktivitäten bedienen kann.
Der natürliche Ort, an dem auszumachen ist, was mit einer Äußerung in einem
Turn getan wurde - und das heißt: als welche soziale Aktivität die Äußerung
analysiert und behandelt wurde - ist der jeweils folgende Turn:
„Indem das Verständnis des je anderen Turas für die Gesprächspartner offengelegt wird,
ist es zugleich dem professionell Analysierenden verfügbar, dem damit ein Beweiskriterium für die Analyse dessen, womit ein Turn beschäftigt ist, an die Hand gegeben wird. Da
es das Verständnis ist, das Teilnehmer von vorgängigen Turns haben, das für ihre Konstruktion nächster Turns maßgeblich ist, ist eben ihr Verständnis für die Analyse gefragt.
Die Offenlegung jener Lesearten in der sprachlichen Form nachfolgender Turns liefert der
Analyse vorgängiger Turns ihre - durchaus datenimmanenten - Ressourcen und die Beweismittel für professionelle Analysen vorgängiger Turns" (Sacks/Schegloff/Jefferson
1978: 45).
Deckt sich die vom Sprecher des je folgenden Turns vorgenommene und in
seinem Turn offengelegte „Analyse" (Schegloff 1972N) des vorgängigen Turns
nicht mit der vom vorgängigen Sprecher bevorzugten Leseart, so steht diesem in
seinem nächsten Turn (dem dritten der Sequenz) jederzeit die Möglichkeit offen,
den Betreffenden zu einer Reparatur seiner Analyse einzuladen und deren Resultat wiederum im nächsten Turn (dem vierten der Sequenz) vorzuführen (Jefferson 1981; Schegloff 1979 R).
Die Mechanismen des Sprecherwechsels, der Reparatur und der Sequenzierung reichen Beteiligten mithin aus, in einem für ihr geordnetes und wechselseitig kontrolliertes Fortschreiten im Gespräch hinreichenden Maße Verständigung zu erzielen, auch und gerade über die sprachlichen Aktivitäten, die sie Zug
um Zug vollziehen.
Damit erweist sich - viertens - das Problem der Vielzahl möglicher Lesarten
nurmehr als Problem für den Außenstehenden, der „mithört" (overhearer's
problem):
„Ein 'Mithörer', der ein Stück des Gesprächs mitbekommt [...], kann im Gespräch Ambiguitäten ausmachen, die für die [...] Beteiligten nicht vorhanden sind. Gespräche werden
96
Jürgen Streeck
von den Beteiligten im Hinblick auf das angelegt, was der andere weiß und was er nicht
weiß, und wir dürfen annehmen, daß diese Anlage des Gesprächs den Großteil möglicher
Ambiguität für die Gesprächsteilnehmer von vornherein ausschaltet" (Schegloff 1972S:
44)10.
Ich fasse* ·zusammen: Gesprächsteilnehmer orientieren sich in der Konstruktion ihrer Außeningen sowohl an den Notwendigkeiten des Sprecherwechsels
wie an dem sequentiellen Ort ihres Turns (nach einem bestimmten vorgängigen
Turn und möglicherweise vor einem ebenfalls strukturell bestimmten nächsten
Turn); sie konstruieren ihre Äußerungen auf Grundlage ihrer Analyse vorgängiger Turns und legen sich diese Analysen wechselseitig durch die Konstruktion
ihrer Turns dar: nächste Turns legen dar, wie ihre Sprecher vorgängige Turns
analysiert haben; deckt sich die so offengelegte Analyse nicht mit der vom betreffenden Sprecher bevorzugten (ist intersubjektive Verständigung nicht hergestellt), so können sie in Reparatursequenzen Reparaturen an diesen „nicht beabsichtigten" Lesarten einleiten und ausführen. Da die maßgeblichen Fragen der
Konversationsanalyse auf die wechselseitige Verständigung von Beteiligten und
auf die Mechanismen zielen, mit denen sie erzielt wird, sollten die hier in vol vierten Mechanismen bei der Analyse der Aktivitäten, die mit Äußerungen vollzogen werden, zu Rate gezogen werden: von Beteiligten werden sie zu Rate gezogen. Dann erledigt sich das Problem der Ambiguität (der unendlichen Vielfalt
möglicher Paraphrasen), da es kein faktisches Problem für Beteiligte ist; zugleich lassen sich der Intuition unzugängliche Aktivitäten, die mit Äußerungen
vollzogen werden, identifizieren.
4. Der Charakter des Modells
Aus den spezifischen Merkmalen der drei Mechanismen lassen sich abschließend einige generelle Charakteristika des konversationsanalytischen Modells
von Gesprächsorganisation entnehmen, deren Darstellung dem Leser einen Vergleich mit anderen Ansätzen (und mit anderen Rezeptionen dieses Modells)
gestatten sollte.
Die Organisation konversationeller Interaktion wird von der Konversationsanalyse als eine Menge von Regeln und Regelsystemen gekennzeichnet, die „auf
einer 'Fall-für-Fall-Grundlage' [...] operieren" (Schegloff/Jefferson/Sacks
1977: 362, Fn. 5). Inhalt, Umfang und Konstruktion von Turns (und Sequenzen) werden nicht im vorhinein für gesamte Gespräche oder Gesprächsabschnitte, sondern lokal, an jedem möglichen Abschlußpunkt (bzw. nach jeder Se10 In der Tat läßt sich zeigen, daß Beteiligte, wenn sie die Gefahr der Ambiguität ihrer
Äußerungen wittern, diese so konstruieren, daß die Gefahr minimisiert wird; Sharrock/Turner 1978.
97
Konversationsanalyse
quenz) für den jeweils nächsten Turn (bzw. die nächste Sequenz) mit Hilfe abstrakter „Maschinerien" in einer Weise ausgehandelt, die den unmittelbaren,
spezifischen Umständen Rechnung trägt. Die Mechanismen der Gesprächsorganisation weisen die Eigenschaft auf, sowohl kontext-frei wie kontext-sensitiv zu
sein: die Ordnungsressourcen jeglichen Gesprächs sind selbst abstrakter Natur
und können ohne Bezug auf einen spezifischen Kontext beschrieben werden:
„Da Konversation einen weiten Spielraum von Umständen in sich aufnehmen kann, da sie
ein Vehikel für Interaktionen darstellt, in denen Personen in variierenden Identitäten [...]
operieren, da sie sensitiv ist gegenüber den verschiedensten Kombinationen und in der
Lage, mit einem Wechsel der Situation innerhalb einer Situation zurechtkommen, muß es
einen formalen Apparat geben, der selbst kontext-frei ist, aber gerade durch die besondere
Art, in der er kontext-frei ist, in den lokalen Fällen seines Operierens gegenüber verschiedenen Parametern sozialer Realität in einem lokalen Kontext sensitiv sein und diese Sensitivität auch zur Darstellung bringen kann" (Sacks/Schegloff/JefTerson 1978: 10).
^^
l
Es ist, mit anderen Worten, gerade die Tatsache, daß die Mechanismen der
Gesprächsorganisation zu einer beliebig flexiblen Anpassung an je singuläre
Umstände fähig sind11, die die Konversationsanalytiker bewogen hat, die Eigenschaften dieser Mechanismen auch als kontext-freie zu konzipieren.
Die abstrakten Mechanismen der Gesprächsorganisation sind darüber hinaus
nicht nur zur Anpassung an Kontexte fähig, sie stellen selbst die Mechanismen
dar, mit denen Kontexte erst hervorgebracht werden. Die Konversationsanalyse
versteht sich in dieser Hinsicht als ein Beitrag zur Untersuchung, „wie eine Welt
je besonderer, spezifischer Szenen mit Hilfe einer Menge allgemeiner, formaler
Praktiken zustandegebracht und offengelegt" wird (Schegloff 1972N: 117).
Eine dieser „formalen Praktiken", ein universales Merkmal konversationeller
Interaktion, das außerhalb der ethnomethodologischen Theorietradition kaum
Beachtung gefunden hat, ist die „Partikularisierung" des Gesprächs durch seine
Beteiligten. Hiermit ist gemeint, daß die „Parteien Mittel und Wege besitzen,
irgendein [idealtypisches, J. S.] 'Wir-Unterhalten-Uns' zu individualisieren"
(Sacks/Schegloff/Jefferson 1978:43), d. h. sich an dem flüchtigen, nicht wiederkehrenden „Hier und Jetzt" des gerade stattfindenden Gesprächs zwischen diesen einzelnen Individuen mit ihrer besonderen Interaktionsgeschichte zu orientieren und sich diese Orientierung gegenseitig in den Details der Äußerungen
„indexikalisch" aufzuzeigen.
11 Dies gilt auch für Eröffnung und Abschluß übergreifender Interaktionseinheiten,
z. B. „einer einzelnen Konversation" (Schegloff 1968; 19791; Schegloff/Sacks 1973) sowie
für die Durchführung solcher Einheiten „oberhalb" der Ebene der Äußerungssequenz, die
einen vorhersehbaren Verlauf nehmen, wie z. B. Erzählungen oder Witze (Jefferson 1978;
Sacks 1972, 1974; 1978: Die hier in Anspruch genommenen Ordnungs- und Verständigungsmechanismen sind die beschriebenen, wobei die von ihnen bereitgestellten Lösungen
den zusätzlich hinzutretenden Umständen angepaßt sind, z. B. dem, daß eine erste Gesprächssequenz an keine vorangegangene anknüpfen kann oder eine letzte so konstruiert
sein sollte, daß sie sequentielle Implikationen für weitere Turns nicht enthält).
98
Jürgen Streeck
Eines der Mittel der Partikularisierung ist der bereits erwähnte „rezipientenspezifische Zuschnitt" (Sacks/Schegloff/Jefferson 1978: 43), der sich für jeden
empirisch vorfindlichen Turn nachweisen läßt: Gesprächsteilnehmer legen
grundsätzlich und mit Notwendigkeit ihre Äußerungen in einer Weise an, die
ihre „Orientierung an und Sensitivität gegenüber dem/den besonderen Ändern
offenlegt, die die Gesprächsteilnehmer sind" (Sacks/Schegloff/Jefferson 1978).
Ein einzelnes Gespräch ist mithin nie nur ein „Fall" eines abstrakten Gesprächtyps, keine bloße Implementierung je schon gegebener „normativer Ablaufschemata" mit ihren allgemeinen Zwecken. Gespräche sind immer auch eingebettet
in eine „besondere Szene" des Miteinanders unverwechselbarer Individuen.
Diese Partikularität und Indexikalität eines jeden Gesprächs ist keine kontingente Restgröße, die man durch die Maschen eines auf die Rekonstruktion wiederkehrender Muster ausgerichteten Erklärungsmodells fallen lassen darf, denn
sie ist selbst eine „kunstvolle Hervorbringung" (Garflnkel 1967) der Beteiligten
und ihrer Inanspruchnahme eben jener Mechanismen, die zugleich die wiederkehrenden Ordnungsprobleme jeglicher Gesprächsinteraktion lösen. Dies ist
mit der doppelten Eigenschaft der Gesprächorganisation, kontext-frei undkontext-sensitiv zu sein, gemeint.
Darüber hinaus argumentiert Schegloff, daß
„die vielbeschworene „Kontextabhängigkeit" untersucht werden muß, indem gezeigt wird,
daß und wie die Beteiligtenden Kontext analysieren und die Ergebnisse ihrer Analyse für die
Produktion ihrer Interaktion heranziehen" (Schegloff 19721: 115).12
Ihre Konzeption von Gesprächskontexten bringt die Konversationsanalyse in
deutlichen Gegensatz zu solchen Ansätzen der Diskurs- und Soziolinguistik, in
welchen „Sprechsituationen" oder soziale Merkmale von Sprechern im objektivistischen Zugriff gleichsam als „unabhängige Variablen" für die Erklärung der
12 Eine in diesem Zusammenhang relevante Praktik ist die Wortwahl, wie Schegloff
anhand von lokalen Referenzformen aufgezeigt hat. Er legt dar, daß die jeweils getroffene
spezifische Auswahl einer Form aus der Menge alternativer, referentiell adäquater Referenzformen (in Tenejapa, bei den Tzeltal, bei diesem Maya-Stamm, im Hochland von Chiapas, im Süden Mexikos) jeweils das Ergebnis der vom Sprecher vorgenommenen Analyse
verschiedener sozialer Parameter der Sprechsituation wie z. B. von Aufenthaltsort, Wohnort und dem daraus ableitbaren „geographischen Wissen" der Adressaten sowie der gemeinschaftlich ausgeübten Aktivität ist. Die Dimensionen alltagsweltlicher Kontextanalyse, die für diesen Aspekt der Turn-Konstruktion potentiell relevant sind, sind universell,
die Analyse selbst bezieht sich freilich auf den lokalen Kontext: „eine 'richtige' (lokale)
Formulierung legt durch die bloße Tatsache ihres Vollzugs dar, daß es 'dieses Gespräch,
an diesem Ort, mit diesen Beteiligten, an diesem Punkt seiner Entwicklung' ist, das analysiert wurde, um jene Form auszuwählen"; Schegloff 1972N: 115. Der Empfänger der
Äußerung wird durch die indexikalische Auswahl von Referenzformen darüber instruiert,
in welchem Kontext sie anzusiedeln ist; lokaldeiktische und andere indexikalische Äußerungsbestandteile verlangen für ihr Verstehen nicht nur eine Konsultation eines „gegebenen" Kontextes, sie zeigen dem Adressaten einen Kontext erst auf.
Konversationsanalyse
99
Variation „abhängiger Variablen" der Sprechproduktion herangezogen werden. Dieser Unterschied ist z. B. dort relevant, wo Sprachverhalten im Kontext
von Institutionen zur Debatte steht. Anstatt die dort auszumachenden rekurrenten Merkmale verbaler Interaktion aus normativen Verhaltensregeln abzuleiten,
die für den betreffenden Typ von Institution gelten sollen, insistiert die Konversationsanalyse - ihrer ethnomethodologischen Tradition gemäß - darauf, daß
die Erklärung der Eigenschaften empirischen Sprachverhaltens durch die Annahme solcher unabhängig existierenden normativen Regeln deshalb nicht tragen kann, weil diese zugleich erst in der Interaktion hervorgebracht werden. Die
Darstellung normativ wiederkehrender Merkmale institutionsgebundenen
Sprachverhaltens ist deshalb erst als Beginn der Analyse zu sehen, die dann im
wesentlichen offenzulegen hat, wie Beteiligte mit Hilfe der abstrakten Ressourcen der Gesprächsorganisation auch diese besonderen und in ihren Besonderheiten zugleich typischen sozialen Situationen hervorbringen und damit von Augenblick zu Augenblick die Institution reproduzieren.
Es bieten sich für die konversationsanalytische Forschung somit zwei Strategien an: das Datenmaterial kann entweder mit dem Ziel bearbeitet werden,
Aspekte der kontext-freien Organisation der konversationellen Interaktion aufzudecken ; oder es kann - in Fallstudien - nachvollzogen werden, wie Individuen
in einem konkreten Fall die abstrakten Ressourcen dieser Organisation in Anschlag bringen, um lokale Probleme des singulären Kontextes zu lösen: wenn sie
etwa die sozialen Identitäten aushandeln, in denen sie sich in der gerade beginnenden Situation aufeinander beziehen werden (Schenkein 19781), ihre Unterwerfung unter formelle Verfahrensregeln so demonstrieren, daß ihre innere Distanz zu diesen erkennbar bleibt (Jefferson 1974), wenn sie einen Witz so erzählen, daß er für das jeweilige Auditorium geeignet ist (Sacks 1974; 1978), oder für
die Übermittlung einer Nachricht delikaten Inhalts erst eine Umgebung bereitstellen, ui der diese vom Empfänger mit Sicherheit ohne Empörung aufgenommen werden wird (so Jefferson in einem Vortrag im Juni 1982 an der FU Berlin:
"The Interactional Unpackaging of a Gloss"). Welcher der beiden Wege eingeschlagen wird - ob die Mechanismen der Gesprächsorganisation per se oder ihre
lokale Verwendung zu besonderen Zwecken studiert wird - bleibt letztlich der
Vorliebe des einzelnen Forschers überlassen.
Die Konversationsanalyse, die Mitte der 60er Jahre von Harvey Sacks, einem
Schüler Erving Goffmans und Kollegen Harold Garflnkels, begründet wurde,
hat ihren Ursprung und ihre disziplinäre Motivation in der ethnomethodologischen Kritik normativer Soziologie. Sie teilt deren Interesse an der Grundfrage
soziologischer Theorie nach der Natur und der Möglichkeit sozialer Ordnung
und deren Kritik an der seit Durkheims Begründung der Soziologie als einer
eigenständigen wissenschaftlichen Disziplin nicht mehr aufgegebenen Hypostasierung eines „moralischen Konsensus" der Gesellschaft, dem als einer Realität
„sui generis" das Verhalten empirischer Subjekte nachgeordnet sei. Schon die
Ethnomethodologie hat hervorgehoben, daß soziale Ordnung nicht „oberhalb
100
Jürgen Streeck
von", sondern nur innerhalb der Interaktion empirischer Subjekte zu verorten
ist, als eine Organisation, die sie selbst hervorbringen, beachten und so offenlegen, daß sie sich gegenseitig ein ordnungsgemäßes Voranschreiten möglich machen. Schegloff/Sacks geben den methodologisch-theoretischen Prämissen ihres
Arbeitens in folgender Weise Ausdruck:
„Wir sind gemäß der Prämisse vorgegangen [...], daß das Material, mit dem wir gearbeitet
haben, insofern es einen geordneten Charakter zu erkennen gab, diesen nicht nur uns,
nicht einmal in erster Linie uns, sondern den Teilnehmern zu erkennen gab, die es produziert haben. Wenn die Materialien (Aufnahmen von natürlichen Gesprächen) geordnet
waren, dann deshalb, weil sie von den Gesellschaftsmitgliedern in methodischer Weise
produziert worden waren; es erwies sich als eine Eigenschaft der von uns als Datenmaterial herangezogenen Gespräche, daß sie so produziert worden waren, daß sie die wechselseitige Offenlegung ihrer Geordnetheit seitens der Beteiligten gestatteten und es den Beteiligten weiterhin gestatteten, füreinander ihre Analyse, Einschätzung und Benutzung dieser
Ordnung offenzulegen. Demgemäß hat unsere Analyse versucht, die Methoden zu explizieren, mit denen die Materialien ordnungsgemäß produziert wurden und mit denen ihre
Geordnetheit so offengelegt [...] wird, daß diese sich als Grundlage nachfolgender Handlungen heranziehen läßt" (Schegloff/Sacks 1973: 290).
Der konversationsanalytische Forschungsgang vollzieht sich dementsprechend in den folgenden Schritten: ein Ordnungsphänomen - z. B. ein Sequenztyp oder die reguläre Plazierung eines konversationeilen Objekts an einer bestimmten sequentiellen Position - wird im Material verortet; vorhandene Datenkorpora werden nach weiteren Vorkommen des gleichen Phänomens durchforstet mit dem Ziel, dessen „strukturelle Form" herauszudestülieren. Schließlich werden die geordneten Merkmale des Phänomens durch eine interaktive
Organisation für seine „gemeinschaftliche Produktion" erklärt. Ein wesentliches Verdienst der Konversationsanalyse ist darin zu sehen, daß sie die Phänomene sozialer Ordnung auch und gerade in den scheinbar beiläufigsten Details
verbaler Interaktion nachgewiesen und aus diesen Details einige der zentralsten
ordnungsstiftenden Mechanismen rekonstruiert hat. (Man vergleiche hierzu
etwa die Studien über die sequentielle Organisation von Lachen; Jefferson
1979.) Sie ist damit nach den früheren großen Fallstudien zur Mikroorganisation zwischenmenschlichen Verhaltens (Mc Quown 1956; Pittenger et al. 1960;
Scheflen 1973) die erste, in ihren Methoden eigenständige Disziplin, die sich in
wirklich produktiver und theoretisch reflektierter Weise die Möglichkeiten zunutze gemacht hat, die den Verhaltenswissenschaften mit der Entwicklung der
audiovisuellen Technologie eröffnet werden - eine Situation, die, wie Bergmann
(1981) treffend bemerkt, der der Biologie nach der Entwicklung des Mikroskops
ähnelt.
Das Faszinierendste an den Untersuchungen zur MikroOrganisation des zwischenmenschlichen Verhaltens - denen der Konversationsanalyse ebenso wie
den Studien zur interaktiven Organisation körperlichen Verhalten - scheint
mir denn auch darin zu liegen, daß von ihnen soziale Ordnung auch dort noch
Konversationsanalyse
101
nachgewiesen wird, wohin das menschliche Urteilsvermögen aktualiter nicht
mehr reicht: nicht nur in den Details der Produktion sprachlicher Äußerungen,
sondern auch in der Koordination des Blicks, in den Übereinstimmungen von
Körperhaltungen und der Synchronie von Bewegungen. Stellt man in Rechnung, daß die in diesem Bereich wirksamen Mechanismen nicht nur der Vergemeinschaftung des Verhaltens, sondern auch der Strukturierung von Verständigung dienen, dann scheint Kendons Einschätzung nicht übertrieben, daß hier
,,das Problem der InterSubjektivität, das uns [...] seit der Zeit von Descartes
geplagt hat, seine Auflösung finden mag" (Kendon 1979: 290).
Glossar
absence, official/noticeable
adjacency pair
collection
conditional relevance
conversation
display
error correction format
floor
form, structural
formulation
gap
pause
identification
recognition
listening, active
management, local
misplacement marker
order assembly
sense assembly
overlap
particularization
preference
preferred ...
dispreferred ..
recipient design
repair
correction
offizielles/erkennbares Fehlen
Paarsequenz
Kollektion
bedingte Relevanz
Konversation, Gespräch
Offenlegung
Form zur Korrektur eines Irrtums
Rederaum, Rederecht
strukturelle Form
Formulierung
Lücke
Pause
Selbst-Identifikation (sich zu erkennen geben)
(Wieder-)Erkennung
aktives Zuhören
lokale Handhabung, lokales Management
Fehlplazierungs-Markierung
Ordnungsmontage
Sinnmontage
Überlappung
Partikularisierung
Präferenz
bevorzugte Option
Option zweiter Wahl
rezipientenspezifischer Zuschnitt
Reparatur
Korrektur
102
Jürgen Streeck
self-correction
other correction
self-initiated repair
other-initiated repair
same-turn repair
third-turn repair
next-turn repair initiator (NTRI)
self-selection
sequence
sequential organisation
sequential placement
speech-exchange system
syntax-for-conversation
turn
turn-taking
turn-taking system
turn-entry techniques
turn-exit techniques
turn construction
turn-constructional unit
turn-constructional component
possible completion point
pre-possible completition
transition relevance place
transition space
SelbsWEigenkorrektur
Fremdkorrektur
eigeninitiierte Reparatur
fremdinitiierte Reparatur
Reparatur im selben Turn
Reparatur im dritten Turn
Einladung zur Reparatur im nächsten
Turn
Selbstwahl
Sequenz
sequentielle Organisation
sequentielle Verortung/Plazierung
Sprach-Austauschsystem
Konversationssyntax
Turn, Redeturn
Redewechsel, Sprecherwechsel
System des Sprecherwechsels
Turnübernahme-Techniken
Techniken zum Verlassen des Turn
Turnkonstruktion
Einheit der Turnkonstruktion
Turnkonstruktions-Komponente
Punkt eines möglichen Abschlusses
(einer Turnkonstruktions-Einheit)
Vorfeld eines möglichen Abschlusses
übergaberelevante Stelle
„Korridor44 (Übergaberaum)
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