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1 Erschienen in: Zeitschrift für celtische Philologie 49-50, 1998 (Jubiläumsdoppelband zum 100jährigen Bestehen der Zeitschrift im Jahr 1997), 1033-1053. Addenda und Originalpaginierung hier in [...]. Sprachliche Archaismen in Culhwch ac Olwen1 Stefan Zimmer Der Erzählung von Culhwch und Olwen (im folg. C&O) kommt eine besondere Stellung in der walisischen Literatur zu: sie ist der älteste literarische Prosatext der mittelkymrischen Periode und weist - nicht überraschend - eine ganze Reihe von inhaltlichen und sprachlichen Besonderheiten auf. So ist Arthur hier noch nicht der rex otiosus der klassischen Arthusepik, wie auch seine Männer noch lange keine hochmittelalterlichen Musterritter. In der Tat gilt C&O als - von Anspielungen in älterer poetischer Literatur abgesehen - älteste arthurische Dichtung überhaupt. Innerhalb der walisischen Literatur ist das der einzige Text, der aufgrund seines Alters von jedem Einfluß der kontinentalen Artusliteratur frei sein dürfte. Als Entstehungszeit wird meist etwa 1100 angenommen. Hier sollen einige lexikalische, morphophonemische, syntaktische und stilistische Eigentümlichkeiten behandelt werden, die älteren Sprachstufen bzw. poetischen Traditionen zu entstammen scheinen, und vielleicht als Archaismen der frühmittelkymrischen Prosadichtung in Anspruch genommen werden dürfen. Es ist klar, daß die Sprache von C&O n i c h t mit dem Standard-Mkymr. i d e n t i s c h ist, wie es D.S. Evans in seiner Grammatik (GMW) beschrieben hat. Die Frage, wie die Abweichungen zu beurteilen sind, kann sicher erst nach gründlicher Sammlung und Diskussion aller Einzelheiten endgültig beantwortet wer[[1034]]den. Bereits heute scheint es wahrscheinlich, daß zumindest für C&O, vielleicht auch für andere Texte aus der Zeit um 1100, eine Sprachstufe 'Frühmittelkymrisch' angesetzt werden dürfte. Ihre Abgrenzung gegen vielleicht ebenfalls mögliches 'Spätaltkymrisch', etwa im Buch von Llandaf, bedarf weiterer Untersuchung. A. Lexikalische Archaismen 1. In der Beschreibung des Titelhelden wird ein Teil seines Schwertes racllauyn genannt (Z. 67). Rachel Bromwich und D. Simon Evans (im folg. B&E), die kürzlich zwei Ausgaben, auf kymrisch und auf englisch vorgelegt haben, die weitgehend, aber nicht vollständig identisch 1 Eine englische Kurzfassung dieses Beitrages wurde auf dem 10. Internationalen Keltologenkongreß in Edinburgh (24.-28.7.95) vorgetragen, eine ausführlichere deutsche am 22.11.95 im Linguistischen Kolloquium, Bonn. 2 sind und auf Vorarbeiten aus dem Nachlaß von Idris Forster beruhen, erklären es als "llafn / blade", was ganz offensichtlich nicht richtig ist. Die Schwertklinge heißt llafn, aber rhagllafn muß "Parierstange" bedeuten, dasjenige Teil, welches "vor der Klinge" liegt; man vgl. rhaglaw "Leutnant, Stellvertreter", wtl. derjenige, der dem Befehlshaber "zur Hand" ist.2 2. Das Adverb ochwinsa (RB y chwinsaf) in Z. 451 wird von B&E als "yn union, yn fuan / immediately, soon" aufgefaßt. GPC kennt ein Wort chwinsa(f), chwinsang, das "Abend, Abenddämmerung" bedeutet, als Adverb "spät". Die folkloristische Literatur des 18. und 19. Jhd. verwendet es mit der Spezialbedeutung "später Abend, wenn sich die Jugend zum Tanz trifft".3 Jedenfalls heißt es nicht "bald", sondern etwa "recht spät am Abend". Der Kontext gibt keinen Hinweis, doch scheint als, als kämen Culhwch und seine Gefährten erst ziemlich spät am abend des betreffenden Tages zu Custennins Bauernhof. 3. Der Riese beschimpft seine Knechte, die die Mistgabeln holen sollen, um seine Augenlider anzuheben, als direidyeit [[1035]] (Z. 517). B&E verstehen das als "wicked, villainous", analysieren also dir + rhaid. Ein Adj. rhaid wird in GPC mit der Grundbedeutung "compulsory, fatal" angegeben. Dem Präfix dir- kommt nach GPC nur verstärkende Bedeutung zu.4 Hier scheint eher ein Bahuvrhi-Kompositum (im folgenden BV) aus negierendem di- und dem Subst. rhaid "Notwendigkeit" vorzuliegen. Die Bedeutung dieses *di-raid wäre, wie bei BV-Adj. üblich, ein verschieden aufzufassendes "durch die Abwesenheit von Notwendigkeit charakterisiert", also etwa "nicht notwendig" von Dingen, aber "das Notwendige nicht ausführend", dann "nachlässig, faul" von Menschen - genau das, was Herren von ihren Dienern zu behaupten pflegen. Die mky. Endung -eit haben B&E als Pluralendung aufgefaßt; es könnte aber auch eine mky. Schreibung für modernes -aidd, d.h. eine Adj.-Endung vorliegen. Bekanntlich werden gerade BVs gerne durch zusätzliche Adj.Endungen charakterisiert, um ihre Auffassung als Adj. - und nicht als Subst. - sicherzustellen. Das Adj. bildende Suffix -aid kann übrigens ausgeschlossen werden, da es erstens sehr selten ist - ich kennen nur 11 Belege insgesamt5 - und zweitens, was das stärkere Argument ist, weil 2 Der Buchstabe -y- muß einen epenthetischen Vokal bezeichnen; das Singulativ- bzw. Diminutiv-Suffix - yn hätte sicher Umlaut bewirkt, cf. plant - plent-yn, darn - dern-yn usw. 3 Man hat übrigens versucht, das Wort als Entlehnung aus ae. aefensang zu erklären, doch bleibt das formal wie semantisch unbefriedigend (die Form chwinsaf könnte auf eine Umgestaltung mit ky. Superlativendung hinweisen). 4 Die dort (1030c) vorgeschlagene etymologische Gleichsetzung mit dem Subst. dir = air. dír "Verpflichtung" : lat. dūrus "hart" dürfte kaum richtig sein! 5 Vgl. SWWF § 68: ariann-(i)aid 'silver-plated, made of silver'; bendig-aid 'blessed, sacred'; calch-aid 'whitewashed'; cann-aid 'white, bright, pure'; ceul-aid 'curdled'; eur-aid 'golden, of gold'; hidl-aid 'strained, 3 es adjektivische Ableitungen nur von Simplicia bildet. 4. Die Verbalform digonho kommt mehrfach in formelhaften Wendungen vor: 579: nac a'e digonho 684: nyt oes...a digonho 789/90: mi a'e digonaf (RB ganz anders) 797/8: kyny digo[n]ho (WB digoho, RB dycko) 803: kyn ny digonho (RB wypo). Die Modernisierungen des RB legen die Vermutung nahe, es handele sich um eine altmodische, schon Ende des 14. Jh. nicht mehr recht verständliche Ausdrucksweise. B&E übersetzen di[[1036]]goni hier mit "make, do, prepare". Es sei nicht bestritten, daß digoni dies bedeuten kann, vgl. GPC 998c (Bed. a3), doch zunächst in C&O paßt die Grundbedeutung "ausreichen, hinreichend kennen oder können" viel besser. Sogar in Z. 528, in Ysbaddadens Fluch über den Schmied, bedeuten digones und digonet nicht einfach "machte", sondern mit deutlicher Konnotation des "Ausreichens, Vermögens" klar "vollbrachte, zustande brachte, vermochte", und zwar bemerkenswert gut für den betreffenden Verwendungszweck. [[Altkymr. ti dicones, Juv. 3.]] 5. In Z. 613 wird ein "starkes Getränk" - wörtlich llyn cadarn - pennllat genannt. B&E übersetzen das als "the best drink" [[wohl wegen akymr. llat in 'Edmyg Dinbych', das traditionell mit air. laith verglichen wird]], verstehen also das Vorderglied (im folgenden VG) penn- "Kopf" i.S. "vorderst, best" und das Hinterglied (im folgenden HG) als llad "liquor, ale, gift, grace". Das mag stimmen, doch angesichts der burlesken, ja vielleicht sogar satirischen Schildung der Szene - die Passage stammt aus der Liste der unmöglichen Aufgaben - könnte eine Alternativauffassung berechtigt sein, die davon ausgeht, daß eine 6 altky. Schreibung /t/ gelegentlich auch für den stimmhaften dentalen Frikativ [ð] stehen kann. Dann läge hier ein Verbales Rektionskompositum penn+lladd "hitting the head", also etwas wie dt. "Schädelspalter" vor, was ja durchaus einen passenden Name für den 'Stoff' abgeben könnte. clarified; distilling, dropping; abundant'; honn-aid 'well-known, famous, open'; ir-aid m 'grease, fat, ointment' < '*juicy (matter)'; llathr-aid 'bright, brilliant'; llif-(i)aid 'whetted, honed, sharp'. 6 Bezweifelt von P. Russell, An Introduction to the Celtic Languages, London 1995, 215-8; doch vgl. etwa Goleudyt (HG klärlich dydd "Tag") C&O 2,14; aky. (auch in den Urkunden belegtes) häufiges yssit (= modernes sydd) C&O 913 (RB!). Russell selbst räumt ein, daß "at least in Arfon in North Wales an early Old Welsh orthography was still current in the mid 13-th century" (218). 4 6. In Z. 760 entdecken die Helden ein kaer uaen gymrwt. Das Wort maengymryt haben B&E ohne Anmerkung gelassen. Wie die Lenition nach kaer (fem.) zeigt, handelt es sich syntaktisch um ein Adjektiv. Historisch dürfte ein Gen.qual. eines Dvandva-Komp. vorliegen "aus Stein und Mörtel". Der Beleg hier in C&O ist für Jahrhunderte der einzige Beleg für cymrwd, das erst im 18. Jh. wieder verwendet wird: ein klarer Fall von Wiederverwendung obsoleten Wortgutes. 7. Die Redewendung yg kyfenw yr un dyd ymphen y vlwydyn steht in Z. 822. B&E erklären cyfenw als "cognomen, epithet; here the anniversary of that day". Das ist zweifellos rich[[1037]]tig, muß aber unbedingt ergänzt werden, um überhaupt verständlich zu werden. Das BV-Komp. cyfenw - eine Bildung wie Cymro - ist zunächst ein Adjektiv und heißt "durch denselben Namen charakterisiert". Das hier in substantivischer Verwendung von cyfenw daneben ersparte Substantiv ist "Tag", der "gleichnamige Tag" ist aber der Jahrestag des Tagesheiligen aus dem römischen Kalender. Im Mittelalter hat man überall in Europa das Datum durch Bezug auf den Heiligenkalender angegeben - gerade im protestantischen Wales muß das heute erklärt werden. 8. In Z. 1040 lesen wir: a dyuot o gennat Arthur a nac genthi o Iwerdon. Im Eintrag cennad des GPC (464a) heißt es: dichon mai'r ystyr 'cenhadaeth, embassy', oedd iddo'n wr[reiddiol], ac mai dyna rheswm pam y mae eb.[i.e. enw benyw]", "vielleicht war die ursprüngliche Bedeutung "Botschaft", und deshalb ist es fem." Genau das trifft hier zu: wie die flektierte Präposition genthi 3r.Sg.fem. zeigt, darf nicht "Bote, Botschafter" übersetzt werden, wie die Hrgg. im Glossar durch die Angabe "messenger, representative" vorschlagen. Drei Zeilen weiter, in 1043, erscheint eine constructio ad sensum: Gwelsant niuer Otgar "Otgars Truppe sahen..." mit einem pluralischen Verb zum Kollektiv nifer, eig. "Zahl, Anzahl, große Zahl". Hätte der Erzähler bzw. Verfasser in 1040 ebenfalls die Personen herausstellen wollen, die die negative Antwort bringen, hätte er dort ebenso eine Pluralform der flektierten Präposition verwenden können, also mky. ganthunt. Daß er es nicht getan hat, zeigt m.E. deutlich seine Auffassung von cennad als fem. Singular "Botschaft, Gesandtschaft, Gruppe von Boten". Es ist also zu übersetzen "und Arthurs Gesandtschaft brachte ein NEIN mit sich aus Irland". 9. Die Wendung taraw lygat in Z. 1097 steht im Kontext von Arthurs Reise in seinem Schiff 5 Prydwen. B&E übersetzen "in the twinkling of an eye" und verweisen auf eine Passage in der kymr. Fassung der Davidsvita, die allerdings sehr unähnlich ist. Eine wörtliche Übersetzung von taraw lygat in eine andere Sprache als Englisch, etwa Französisch, hätte klargemacht, was gemeint ist: 'jeter un œil' heißt auf Englisch "to look for", und das ist es, was Arthur und sein Heer tun: sie fassen das erwünschte Zusammentreffen mit (mky. ymwelet ac) den von [[1038]] ihnen gejagten Ebern in Auge. Eine adverbielle Auffassung, wie sie B&E vertreten, würde - selbst in semantischer Modifizierung - dazu zwingen, das Verbalnomen ymwelet hier im Sinne eines flektierten Verbs aufzufassen. Das ist zwar grammatisch ohne weiteres möglich, widerspricht jedoch dem Kontext hier, aus dem klar hervorgeht, daß die Jäger ihr Wild erst am nächsten Tag (trannoeth) wiederfinden, und noch nicht einmal am Morgen (vgl. Z. 1099/1100). B. Ein möglicher morphophonemischer Archaismus: Mutation/Nichtmutation nach verlorenen Kasusendungen? Kasus als formale Flexionskategorie sind in einer vorhistorischen Periode des Kymrischen aufgegeben worden. Es ist anzunehmen, daß der Verlust der Kasusendungen so spät vor sich 7 ging, daß den britischen bzw. altkymrischen Dichtern noch sprachliches Wissen über ältere, im normalen Sprachgebrauch inzwischen untergangene morphosyntaktische Bedingungen 8 zugetraut werden darf , andernfalls sähe das Mutationssystem ganz anders aus oder wäre niemals grammatikalisiert worden: das altirische Beispiel ist unwiderleglich. Was aber in allen Einzelheiten geprüft werden muß, ist die Frage nach dem Ausmaß, in dem die Geschichte des Kymrischen von Konventionen der älteren Dichtersprache bestimmt wurde. Es handelt sich um ein komplexes Problem, aus dem hier nur ein kleiner Ausschnitt vorgeführt werden kann. In C&O wird das übliche inselkeltische Namensformular angewendet: auf den Personennamen folgt der durch mab oder merch angeschlossene Vatersname (nur ausnahmsweise der Name der Mutter). Im Mittelkymr. werden die Wörter für "Sohn" und "Tochter" in dieser syntaktischen Position leniert (GMW 15). Die traditionelle Erklärung 7 Zum Verlust der Endsilben s. jetzt P. Russell [Anm. 6], 123-5, mit Verweisen auf die ältere Literatur. 8 Vgl. auch die regelrechte Lenierung nach (ehemals) vorhergehenden Dualendungen: deu uilgi uronwynyon urychyon "zwei weißbrüstige, gefleckte Jagdhunde" (Z. 69). Noch in Branwen (Z. 383, ed. D.S. Thomson, Dublin 1976) erscheinen einmal deu Wydel uonllwm "zwei Iren ohne Hosen". 6 hierfür lautet, daß die Namen im alten Vokativ verallgemeinert wurden, der ja in [[1039]] praktisch allen in Frage kommenden Deklinationsklassen auf einen kurzen Vokal auslautete. Wenn das die ganze Wahrheit wäre, sollte der auf "Sohn" bzw. "Tochter", die dann ja ebenfalls im Vokativ gestanden haben müssen, folgende Vatersname ebenfalls leniert erscheinen, denn nur wenn zwei Personen gleichzeitig genannt werden, kennt das Idg. die Abfolge Vokativ + Nominativ, vgl. ved. Vyau Índraśca und das homerische Gegenstück Il. 3, 276ff. Ζεῦ πάτερ Ἠέλιος τε. 9 Das vorklassische Mittelkymrische folgt ganz anderen Regeln als etwa die "Vier Zweige des Mabinogi". In der Einleitung zu CA hatte Ifor Williams daraufhin gewiesen, daß im Gododdin und in späterer Dichtung bis ins 9. Jh. mab und merch in der Grundform, d.h. unleniert erscheinen (CA, lxxix-lxxx). B&E meinen, daß "these words form close compounds with preceding personal names" (engl. Ausgabe S. 67). Das ist aus linguistischen Gründen 10 inakzeptabel und paßt obendrein nicht zur Beleglage. Die Angabe, leniertes uab und uerch käme "only very rarely in either of the two texts" (ebd.) von C&O vor, ist so nicht richtig. Zwar steht ein einziges uerch gegen 22-faches merch, doch verhält es sich bei den Männernamen ganz anders: die 31 Belege von uab gegenüber 126 mab sind viel zu zahlreich, um als "exceptional" abgetan werden zu können. Eine neue Untersuchung mag also sinnvoll sein. Ich gehe davon aus, daß die alten Erzähler ihre Lenitionen nicht willkürlich angewendet haben, wir also nach einer ratio suchen können. Eindeutige Resultate sind nicht zu erwarten, da einerseits spätere Kopisten so kleine Details leicht haben ändern, d.h. unbewußt an ihren jeweiligen Sprachgebrauch anpassen können, und andererseits die vormoderne Orthographie des Kymrischen bekanntlich alles andere als konsistent gewesen ist (so wird z.B. beim ersten Vokativ von mab in Z. 47 die Lenition nicht bzeichnet: a mab!). Wie bereits angedeutet, ist zwingend anzunehmen, daß die frühere Kasusendung eines Namens für den Gebrauch der lenierten bzw. nichtlenierten Form von mab und merch entschei[[1040]]dend gewesen ist. In der Sprache des 11. Jh. sind diese Endungen schon seit Jahrhunderten nicht mehr da, doch können die dichterischen Traditionen stark genug 9 Vgl. dazu R. Zwolanek, Vyau Índraśca, München 1970 (und B. Schleraths Besprechung in OLZ 73/5.1978, 492-495). 10 Vgl. jetzt auch P. Mac Cana, CMCS 29.1995, 57. 7 gewesen sein, um entweder die alten Regeln oder doch zumindest ausreichend viele formelhafte Wendungen zu überliefern, die somit den älteren Sprachgebrauch in diesem einen Punkt für lange Zeit verfestigt haben können. Als Arbeitshypothese wird hier davon ausgegangen, daß das Spätbritische und zumindest teilweise auch das Altkymrische noch über dieselben fünf Kasus wie das Altirische verfügte. Da, wo sie als morphologische Kategorie nicht mehr lebendig gewesen sind, dürften sie doch wenigstens als syntaktische Kategorien fortbestanden und als solche die Form des folgenden Anlauts gesteuert haben. Eine neue Auszählung der Belege und ihre Einordnung in Kasuskategorien, die ihrer syntaktischen Verwendung zugrundeliegen, ergab folgende Verteilung: 11 1. X Mab Y vs. X uab Y "X Sohn des Y" mab uab Nom. 105 vs. 8 Gen. 6 13 Dat. 3 11 Akk. 5 6 Fast alle der 105 Belege für nominativisches mab entstammen der langen Liste (Z. 175-374), in der Culhwch Männer und Frauen an Arthurs Hof als Bürgen für die Erfüllung seines Wunsches anruft. (Die Liste verdient übrigens die Aufmerksamkeit der Forschung aus mancherlei Gründen, auf die hier nicht eingegangen werden kann.) Nur zwei Männernamen in der Liste zeigen leniertes uab: der erste, Gwythyr uab Greidawl (Z. 176), ist der erste MäN mit Patronym überhaupt in der Liste - er kommt nach drei Namen ohne Patronym - und könnte daher durchaus noch von der Präposition ar gesteuert sein, die am Beginn der Liste steht, und ursprünglich den Dativ erforderte. Der zweite, 11 Zweifelhafte Fälle von feminin aussehenden Namen, auf die mab folgt (z.B. Bratwen mab Moren Mynawc, Z. 183) werden hier buchstäblich aufgefaßt und nicht weiter diskutiert. Sie könnten durch mechanisches Kopieren (mab für abgekürztes zweideutiges m.) entstanden sein. Auf die Einbeziehung der sog. Beinamen, d.h. der meist adjektivischen Epitheta, wird an dieser Stelle verzichtet. 8 Brys uab Bryssethach (Z. 332), erscheint in der Mitte der Liste und muß anders erklärt werden. Es dürfte sich einfach um eine standard-mkymr. Schreibung handeln, die ein späterer Kopist eingesetzt hat. Die anderen Belege für Nom. uab sind die folgenden: Goreu uab Custennin (Z. 1230) vs. derselbe Name in Z. 811, 1178, 1239: Nom. mit mab ! Gwarthegyt uab Kaw (Z. 1107) (einmal mit mab, Z. 1114/5 - aber als Acc., s.u.) Mabon uab Modron (Z. 921/2, 1176/7) vs. Z. 685, 914: Nom. mit mab ! Mabon uab Mellt (Z. 1008) vs. Z. 1013: Nom. mith mab ! Manywydan uab Llyr (Z. 1181) vs. Z. 215: Nom. mit mab (in der Liste)! Es ist an dieser Stelle unnötig, die beiden Mabons zu besprechen, ihre mögliche Identität und die Frage seiner bzw. ihrer Eltern. Die ehemaligen Gottheiten Mabon und Manawydan sind jedenfalls alt genug für die Annahme, sie seien in vorchristlicher Zeit so oft - eben im Vokativ - angerufen worden, daß ihre Namen samt Patro- oder Metronym in der Form 12 13 überliefert wurden, die jenem Kasus entspricht. Die Figuren von Goreu und Gwarthegyt 14 sind leider weniger klar. Eine weitere mögliche Quelle für nominativisches uab könnten die n-Stämme mit Nom.Sg. - ū (vgl. gall. FRONTV) und die Namen auf kelt. *- kū "Hund, Wolf" darstellen. [[1042]] Im Genitiv überwiegen klar die Fälle mit lautgesetzlichem uab nach ehemals 12 Vgl. den ältesten Beleg des Namens in BBC 94,10: Manawidan ab llyr (mit der orthographisch älteren, aber lautlich fortgeschritteneren Lenition m- > Null). 13 Vgl. D. Binchy JCSt 1.1949-50, 148-151: Ir Forggu = W Goreu, HG < *geus-, cf. Ir togu, rogu + Gen "the best, the choiciest of" [indeklinable Nomina!]. Zur möglichen Verknüpfung mit air. Forggus etc. s. J. Uhlich, Die Morphologie der komponierten Personennamen des Altirischen, Witterschlick/Bonn 1993, 260. R. Bromwich TYP 364-6 erwog eine Korruption von *Gorneu "from Cornou = Cornwall". 14 Gwarthegyt kommt als Eigenname sonst nicht vor; in der älteren Dichtersprache ist das Wort jedoch als Appellativ für 'cattle-provider, cattle-raider' geläufig. Es scheint sich offensichtlich um eine Ableitung von gwartheg 'cattle' mit den Nomina agentis bildenden Suffix -ydd zu handeln. Alternativ bzw. komplementär sollte an eine hybride brit.-lat. Bildung mit br. *or- + lat. tacitus (kymr. Tegid) gedacht werden, vgl. den bekannten Namenstyp Gwortheyrn < *or- + tigernos. 9 vorhergehendem *-ī. Einige der 6 Belege mit mab könnten hinter Genitiven von konsonantischen oder i-Stämmen, d.h. nach ursprünglichem *-s, gestanden haben - oder doch wenigstens analogisch nach solchen Fällen zu erklären sein, deren einstige Existenz nicht in Frage steht. Auch die dativischen Fälle sind klar: das lautgesetzlich zu erwartende uab nach alter, in allen Flexionsklassen vokalischer Dativendung überwiegt ganz deutlich. Der Befund bei den Akkusativen ist auffällig. Beide mögliche Formen halten sich in etwa die Waage. Leniertes uab kann in keinem Fall historisch berechtigt sein, da der mask. Akk.Sg. aller Deklinationsklassen mit einem Nasal endete. Wir müssen daher annehmen, daß schon früh zwischen Nom. und Akk. nicht mehr unterschieden wurde, zumindest formal. Der Vergleich mit derselben Entwicklung im Übergang vom Vulgärlatein zum Romanischen liegt nahe (dort hat sich allerdings der Akk. durchgesetzt). Die akkusativischen Belege müssen also zusammen mit den nominativischen betrachtet werden, mit anderen Worten, uab im Akk. setzt f o r m a l eine Vokativ-Form fort. Die historisch zu erwartende Nasalierung kann natürlich bei mab (wie bei merch) nicht Platz greifen. 2. X Merch Y vs. X Uerch Y "X Tochter von Y" Hier ist die Statistik viel weniger aussagekräftig, da der Text nur sehr wenig Belege liefert: merch uerch Nom. 2 1 Gen. 1 Dat. 1 Acc. 18. Es gibt also nur einen Beleg für regelrecht leniertes uerch: 988 Creidylat uerch Lud Law Ereint. Hier geht das HG -dillad sehr wahrscheinlich auf ein altes Kollektiv mit der Endung *-tā zurück, die Lenition des folgenden Anlautskonsonanten verursacht. In diesem 10 Beleg hat der brit. Nom. *merkkā das folgende Patronym [[1043]] vielleicht 15 ebenfalls leniert, vgl. denselben Namen in Z. 367, wo [[sprachhistorisch korrekt]] Creidylat merch Llud Llaw Ereint (es handelt sich syntaktisch um einen Akk.) geschrieben ist. Bei den beiden Belegen mit merch in der Subjektsangabe handelt es sich nur um einen einzigen Namen: 2,14 Goleudyt merch Anlawd Wledic. Die überraschende Nichtlenierung kann auf zwei Weisen erklärt werden. Zunächst ist dydd ein alter Konsonantenstamm, der im Nom.Sg. niemals auf *-ā ausging; die brit. Form war (etwa) *di(i)uh < *díēs; zweitens könnte der Name als Akk. aufgefaßt worden sein, nämlich als direktes Objekt in einer constructio ad sensum, abhängig von uynnwys "er wollte/wünschte"; in diesem Fall würde -dyt einen brit. Akk. *dion fortsetzen, wie er etwa in dem Adverb beunydd "täglich" belegt ist. 16 Der Genitiv in 173 Olwen merch Yspadaden Penkawr hängt von kaffel "bekommen" ab und könnte der historisch korrekte Fortsetzer eines brit. *-enās sein, das einen folgenden Konsonaten nicht lenieren konnte. Die unlenierten Dative, nämlich 169, 453 o Oleudyt merch Anlawd Wledic 258 o Wenabwy merch Kaw sind historisch nicht richtig. Die ky. Präp. o verlangt den Dativ, genau wie altir. ó, úa, und die Dat.-Endungen aller Deklinationsklassen endeten mit einem Vokal, der Lenition bewirkt hätte. Man muß also annehmen, daß die [[statt des gedruckten 'Namenformen' lies recte: beiden merch]] im Text also entweder verallgemeinerte Nominative sind oder daß die Lenition orthographisch unbezeichnet geblieben ist. 15 Doch ist zu beachten, daß von einer konsequenten Unterscheidung zwischen (unleniertem) ll und (leniertem) l in unseren Mss. nicht die Rede sein kann. 16 Andere alte Kasusformen von dydd sind bezeugt in den Tagesangaben (dyw + Wochentag) und he-ddiw (L oder I) "heute" < *dū; sowie dieu (nom.pl.) < *diéh. Zu den brit. Formen vgl. K. Jackson LHEB 336 und E.P. Hamp, *DIEU- 'day' in Celtic, Études Celtiques 14.1975.472-7. 11 Alle 18 in akkusativischer Verwendung vorkommenden Frauennamen mit merch sind historisch einwandfrei; 15 von ihnen folgen auf die Präp. am (in Z. 358), die nach Ausweis von [[1044]] altir. imb, imm den Akk. erforderte. Die andern drei sind jeweils der Name der Titelheldin 51, 56, 1245 Olwen merch Yspadaden Pennkawr wo das HG auf Brit. *-enān (oder auch *-ian, man vgl. die goid. Endung) zurückgeht, das folgendes m- nicht verändern konnte. 17 Die Aussagekraft der Frauennamen im Hinblick auf die zu überprüfende These ist wesentlich kleiner als die der Männernamen. Das liegt zunächst einmal an der verhältnismäßig geringen Anzahl von Frauen, die in der Erzählung erwähnt werden. Es sind aber auch sprachlich-grammatische Gründe denkbar: so könnte man annehmen, daß bei Frauennamen nicht-vokalische Deklinationklassen länger lebendig geblieben sind als bei den Männernamen, die mit der Ausnahme von ein paar besonderen Typen fast alle in die o-Dekl. überführt worden sind. Ferner liegt die Annahme nahe, daß aufgrund der in der altkymrischen Dichtung reflektierten Gesellschaftsstruktur Männernamen häufig im Vokativ, Frauennamen dagegen meist im Akkusativ vorkamen. Dies könnte dazu geführt haben, daß bei Männernamen die alte Alternative zwischen Nom. und Vok., und d.h. zwischen mab und uab, in den Namenformeln nach dem Abfall der usprünglichen Endungen viel stärker lebendig geblieben ist als bei den Frauennamen. [[1045]] C. Syntaktische Archaismen 17 Die dazugehörigen Patronyme werden wie folgt behandelt: vier sind klärlich leniert ( Tangwen m. Weir Dathar Wenidawc, Eneuawc merch Uedwyr, Gwenwledyr merch Waredur Kyruach, Eurolwyn merch Wdolwyn Gorr), elf sind zumindest orthographisch unleniert ( Kelemon merch Kei, Gwen Alarch m. Kynwal Canhwch, Eurneit merch Clydno Eidin, Enrydrec merch Tutuathar, Erduduyl merch Tryffin, Teleri merch Peul, Creidylat merch Llud Llaw Ereint); die verbleibenden vier Belege geben nichts her, da der Vatersname mit einem Vokal oder n- beginnt. Ein älterer Akk. *merkkān (oder *merkkan) hätte im Gegensatz zum Nom. *merkkā niemals Lenition des folgenden Patronyms bewirken können. Die theoretisch zu erwartende Nasalierung ist nirgends bezeugt. Die vier Fälle von merch + Lenition des Patronyms schließen sich wohl dem generalisierten Gebrauch des Nom. der femininen Namen (und Appellative) an, die auf älteres *-ā und *-ī zurückgehen; andernfalls könnten sie auf unbewußte Moderisierung des Kopisten zurückgeführt werden (vgl. Z. 366, wo WB Gwenlliant Tec bietet - mit nur orthographischem akymr. T- - gegen RB Gwenlliant Deg, mit grammatisch korrekter Lenition). 12 1. Freie Nominative Bereits der älteste erhaltene altkymrische Text, das sog. Surexit-Memorandum (ca. 800), enthält einen Beleg für NOMINATIVUS PENDENS, d.h. einen Nominativ, der syntaktisch unverbunden neben den sonstigen Satzgliedern steht. Es handelt sich um die berühmte Wendung grefiat guetig nis minn tutbulc hai cenetl in ois oisou "eine geschriebene Urkunde, später will sie nicht [haben/sehen o.ä] Tudbwlch und seine Sippe in Ewigkeit". Unser Text bietet zwei Belege der Konstruktion: 534/5: Hi a'y ffedeir gorhenuam a'e fedwar gorhendat yssyd uyw ettwa - reit yw im ymgyghori (RB ymgyghor) ac vynt. "Sie und ihre vier Urgroßmütter und ihre vier Urgroßväter, die noch am Leben sind ich muß mich mit ihnen beraten." 1238: A'm heneit inheu ymadws yw y diot. "Und meine Seele / mein Leben - es ist höchste Zeit, sie / es wegzunehmen." Alternativ könnte heneit als ACCUSATIVUS GRAECUS aufgefaßt werden, d.h. als Akk., der einen 'Bezug auf,' ein 'Interesse an' ausdrückt, jedenfalls nicht das direkte Objekt eines transitiven Verbs bezeichnet: "Und in Bezug auf meine Seele / was mein Leben angeht - es ist höchste Zeit, ..." In heneit steckt ein weiteres, bisher m.W. überhaupt noch nicht kommentiertes Problem: Das h- ist unetymologisch, jedenfalls nach dem possessiven m' "mein" historisch unberechtigt, solange man das Wort mit den Hrgg. zu dem Lexem enaid "Seele" stellt. Ich stelle daher den Vorschlag zur Diskussion, henei(n)t "Alter, hohes Alter" zu konjizieren, d.h. einen in der Abschreibetradition verlorenen Nasalstrich über i wiederherzustellen. Das Ergebnis macht guten, m.E. besseren Sinn: "In Hinblick auf mein (beschwerliches) hohes 18 Alter ist es höchste Zeit [näml. für mich], es abzuwerfen." [[1046]] 18 Zwei Belege für nom.pend./acc. graecus finden sich zitiert in WG 278: Ond ef nis gwelsant: "But [as for] him, they saw him not." Luc 24,24; und Safnau'r môr nis ofnir mwy: "the mouths of the sea - one no longer fears them" DW 271 (Dichter des 19. Jh.). - Mehr bei Pádraig Mac Coisdealbha, Die Syntax des Satzes im Altirischen. In: Keltisch und Indogermanische, unter Mitwirkung von R. Ködderitzsch hrg. v. K.H. Schmidt, Wiesbaden 1977, S. 34-43, und H. Wagner, Die Wortstellung im Keltischen und Indogermanischen, ibid. 204-235. Vgl. weiter: W. Havers, Der sogenannte 'Nominativus pendens', IF 43.1926, 207-257. 13 2. Doppelte Markierung eines Akk.-Objekts 19 Die doppelte Markierung eines Akk.-Objekts ist v.a. aus der altir. Syntax bekannt, vgl. die Studie von I. Lucht, diese Zs. 46.1994, 80-118, die allerdings die kymr. Belege nicht 20 untersucht hat. Im Mkymr. ist die Erscheinung selten. C&O bietet nur sichere zwei Belege: 410: hyt nas gwelei neb vynt "bis niemand sie sehen konnte." Das infigierte pluralische Pronomen -s wird von der freien Form vynt wieder aufgenommen. 1171: nys ymlityaf i ef bellach "Ich werde ihn nicht weiter verfolgen." Hier wird das singularische - s durch ef wieder aufgenommen. Zwei ähnliche Fälle dürften damit vergleichbar sein: In 913/4: oia wr, yssit le idaw y gwynaw y neb yssyd yma "oh Mann, der du an einer Stelle bist (wtl. welcher ist), wo für ihn sein Beklagen ist für jeden, der hier ist" (d.h. "du befindest dich an einer Stelle, wo jeder, der hier ist, ihn beklagen muß") wird das indirekte Objekt zweifach markiert, mit der flektierten Präposition idaw "für ihn" und dem Poss.-Pron. y "sein". Noch lockerer ist die Konstruktion in Zeile 720/1: Nes dyuot Guilenhin brenhin Freinc, ny helir Twrch Trwyth uyth hebdaw. "Vor dem Kommen von Wilhelm, dem König von Frankreich, nicht wird man den Eber Trwyth jemals jagen ohne ihn." [[1047]] 3. Narratives (h)yny "bis" + Indikativ Präsens 19 Auf vergleichbare Phänomene in nichtkeltischen Sprachen gehe ich hier nicht ein. Zu nennen ist besonders die sog. Reprise in den Balkansprachen. Viele Beispiele in Ju. A. Lopašov, Mestoimennye povtory dopolnenija v balkanskich jazykach, Leningrad 1978 (für Hinweis auf diesen Titel danke ich Rolf Ködderitzsch). 20 Ein paar andere Belege sind in GMW § 60 verzeichnet. 14 Mit der Ausnahme von T.H. Parry-Williams' kurzer Note aus dem Jahre 1922 21 ist der Gebrauch der kymr. Konjuktion für "bis" - zu ihrer Geschichte vgl. man WG 446 und LP 220 zur Einleitung eines Hauptsatzes nie wieder, soweit ich weiß, als das bemerkt worden, was es ist, nämlich eine bemerkenswerte semantisch-syntaktische Parallele zum altir. Gebrauch von co n- + Hauptsatz.22 Im Irischen ist diese Erscheinung bei den positiven Perfektformen von "hören" und "sehen" fest geworden, so daß cocúalae und con-accae einfach als reguläre Perfektformen betrachtet werden (cf. GOI 556, LP 254). Beide Sprachen haben dieselbe semantisch-syntaktische Erscheinung parallel entwickelt, aber jeweils mit verschiedenen Lexemen. (H)yny + Indikativ ist im Kymr. immer selten gewesen. 23 Nach D.S. Evans (GMW 245) hat die Konstruktion eine exklamative Funktion. Eine solche Klassifikation könnte sich nur auf den letzten der sechs Belege in C&O stützen; sie wird von B&E nicht mehr wiederholt und 24 kann daher als stillschweigend zurückgezogen gelten. Neben zwei Stellen aus C&O zitiert GMW zwei weitere mkymr. Belege, nämlich einen aus Branwen, den bereits Parry-Williams gebucht hatte, und einen aus Peredur (ed. Goetinck 35/18-20). Die Stelle aus Branwen gehört möglicherweise nicht hierher, denn yny könnte vom vorhergehenden Hauptsatz abhängig sein, der ein Verbalnomen anstelle eines flektierten Verbs aufweist: [[1048]] ...na chael o dyn yn y ty gauael arnaw yny want y mab yn wysc y benn yn y gynneu "niemand im Haus erhielt (Gelegenheit), ihn zu ergreifen, bevor er den Knaben 21 Yny, BBCS 1/2.1922, 103; Er gibt nur vier Belege, davon zwei aus C&O (vgl. 412 und 415 im folgenden), einen aus Branwen (364-6 in D.S. Thomson's Ausg.), und einen aus Breudwyt Ronabwy (11/30-12/4 in M. Richards' Ausg.). 22 Zur Entstehung dieser Verwendungsweise vgl. C. Watkins, Preliminaries to a historical and comparative analysis of the syntax of the Old Irish Verb, Celtica 6.1963, 1-49, spez. 9-10. Sie ist noch im Neuirischen möglich: Tháinig sé isteach sa seomra go bhfuair sé an leabhar "Er kam ins Zimmer bis er das Buch bekam = ...und holte das Buch." 23 Ein homonymes yny, das mit Konjunktiv gebraucht wird, behandelt Henry Lewis, Ene, eny, BBCS 1/1.1921, 9-12. Daneben gibt er einen Beleg für hyny uyd aus C&O, aber vergleicht es, darin Ifor Williams folgend, mit air. relativem a n-. Morgan, Treigladau 378 ist mir unzugänglich. 24 Jedenfalls drückt eher das 'consuetudinal present and future' (GMW 136) eine gewisse dramatische Konnotation aus, wie man an dem Gebrauch von bydd in den hier angeführten Beispielen ablesen kann. 15 kopfüber ins Feuer warf" (vgl. auch D.S. Thomsons Kommentar zur Stelle). Angesichts der erwähnten unvollständigen Belegsammlungen ist durchaus mit der Möglichkeit zu rechnen, daß das mkymr. Literaturcorpus noch weitere, bislang unbemerkte Belege für die Konstruktion enthält. In C&O finden sich sechs solcher Fälle: 378: Ympen y ulwydyn hyny uyd kenhadeu Arthur heb gaffel dim. "Ein Jahr später [bis] sind Arturs Boten ohne etwas zu bekommen (d.h. haben sie immer noch nichts herausbekommen)." 412: Mynet a orugant hyd pan deuuant (RB deuthant) y uaestir mawr hyny uyd kaer a welynt... Hier könnte auch eine Folge von einem Hauptsatz und zwei Nebensätzen vorliegen: "Sie marschierten bis sie in eine große Ebene kommen (RB kamen), bis es eine Burg ist, was sie sehen." 415: Mal25 y deuant..., han ny uyd dauates uawr a welynt... "Als sie....kamen, [bis] es ist eine große Schafherde, die sie sahen." 759: Kerdet a orugant wy... hyny vyd kaer uaen gymrwt a welasit "Sie marschierten...bis es ist eine Burg aus Stein und Mörtel, die man sah." 910/1: Ac y kerdassant hyt pann deuthant... yny uyd kwynuan a griduan a glywynt... (nur RB! hyt pann + Prät., yny + 'Fut.'; vgl. 412 oben) "Und sie marschierten weiter bis sie...kamen, bis es ist Wehklagen und Jammern, was sie hörten." 959: ...yny uyd Dillus Uarruawc yn deiuaw baed coet. "...bis es Dillus der Bärtige ist beim Absengen eines Wildschweins": hier ist möglicherweise ein Hauptsatz wie etwa "und sie sahen" vor der Angabe des Anblicks ausgelassen, der sich Kei und Bedwyr bot, vielleicht um das Erstaunen der beiden auszudrücken, d.h. also aus dramatischen Gründen (vgl. die ältere, bereits erwähnte Meinung von D.S. Evans). [[1049]] D. Stilistische Archaismen Potentiell handelt es sich bei den folgenden Punkten um Reste der altbritischen und damit keltischen Dichtersprache. Entsprechende Behauptungen lassen sich jedoch nur dann glaubhaft machen, wenn es gelingt, geeignete Parallelen in anderen kelt. oder altidg. 25 Das -a- ist altkymr. Orthographie. RB hat hier einen ganz anderen Wortlaut. 16 Sprachen beizubringen; selbst dann ist die Möglichkeit einer unabhängigen Parallelschöpfung prinzipiell nicht mit Sicherheit auszuschließen. Wo Parallelen nicht vorliegen, kann es sich um Augenblicksformulierungen des kreativen Dichters/Erzählers handeln, oder eben wiederum um dichtersprachliches Erbe, von dem zufällig nur eine einzelsprachliche Ausprägung erhalten ist. 1. lladd ystlys In Z. 50 verflucht die Stiefmutter den Titelhelden, na lath[o] (RB chyflado) dy ystlys urth wreic "daß du nicht deine Flanke an eine Frau schlägst", bis er die ihrer Ansicht nach unerreichbare Olwen errungen habe. Was gemeint ist, macht der Kontext völlig klar: die sprachliche Form des Ausdrucks ist jedoch ganz singulär, obwohl der Wortschatz aller Sprachen und Völker gerade für die in Rede stehende Tätigkeit von enormem Umfang, ja, zieht man die subliterarischen Niveaus heran, von unerschöpflichem Reichtum sein dürfte. Hier ist möglicherweise eine humoristische Konnotation mit ins Spiel gebracht, denn das Verbalnomen lladd "schlagen, treffen, erschlagen" wird von altbritischen Kriegern gewöhnlich in ganz anderem Zusammenhang gebraucht. 2. defnyt uyn daw Das in Z. 518 vorkommende defnyt uyn daw bedeutet klärlich "mein zukünftiger Schwiegersohn". Bereits Loth und Vendryes haben den Ausdruck mit bret. Formulierungen wie danve me mab kaer "futur beau-fils", danve roue "heritier présomtif de la couronne" (T) 26 verglichen. Das altir. Kompositum ríg-damnae (DIL rígdomna R-67) "person qualified to become king" [[1050]] beleuchtet die semantische Entwicklung von kelt. *dam-nio- (air. damnae, ky. defnydd, bret. danvez) "(Bau-)Material" zu "zukünftig". Die von B&E im Kommentar (S. 119) vorgeschlage Erklärung "the substance (that is, the future shape) of my son-in-law" kann unter Bezug auf das air. Kompositum verbessert werden. Ríg-damnae ist ein BV "durch das Material eines Königs charakterisiert"; in substantivischer Verwendung bezeichnet es eine entsprechend qualifizierte Person: Nach Irischem Recht muß zumindest 27 sein Ururgroßvater ein regierender König gewesen sein. Im Irischen selbst erscheint neben 2 26 Émile Érnault, Geiriadurig brezoneg-galleg, Brest 1984. 27 Siehe D.A. Binchy, Some Celtic Legal Terms, Celtica 3.1956, 221-228, esp. 225; ferner die in TYP Nr. 4, Notes, angeführte Literatur; sowie Donncha Ó Corráin, Ireland before the Normans, Dublin 1972, 2. Kap. (Lit.- 17 dem Komp. auch eine Auflösung damnae ríg (DIL D-65). Für das Kymr. ist die Stelle hier in C&O die einzige Bezeugung. Nur im Neubret. ist danvez als VG von Komposita produktiv geworden. Diese bezeichnen Personen, die beabsichtigen, das zu werden, was das HG aussagt, z.B. danvez-gwaz, -gwreg and -pried "fiancé(e)", -kannad "candidat parlementaire", -lean(ez) and -manac'h "novice", -martolod "apprenti marin", - ofiser "aspirant officier". Bemerkenswert erscheint mir, daß die Bildungsweise wieder auf Materialien angewendet wird, also der ursprüngliche BV-Typ bewahrt ist: danvez-leskiñ and -losk "combustible", - tarzh "explosif".28 3. ar ulaen pob lloer Wiederum in einem Fluch des Riesen, Z. 556, finden wir die Zeitangabe ar ulaen pob lloer, wtl. "an der Stirn jedes Mondes". Die genaue Bedeutung ist mir nicht klar, in Frage kämen m.E. "in jeder ersten Monatshälfte" oder "jeden Ersten des Monats" - "Mond" und "Monat" sind in alter Zeit bei Zeitangaben so gut wie synonym. Man wird an den Kalender von Coligny erinnert, wo jeder Monat mit M oder MID überschrieben und durch MAT ("günstig"?) oder ANM (Abkürzung für *ANMAT "ungünstig"?) qualifiziert wird, oder eher an die indische Rede von der "hellen" vs. der "dunklen" Monatshälfte (entsprechend den Mondphasen). [[1051]] 4. ym bronn y dyd Die Formel ym bronn y dyd (Z. 1119, nur RB), wtl. "in der Brust des Tages", kommt an keiner anderen Stelle der kymr. Literatur wieder vor. Weder das GBGG noch GPC erwähnen sie, B&E haben sie noch nicht einmal in ihr Glossar aufgenommen. Lauran Toorians hat mir (im Anschluß an den Vortrag in Edinburgh, Brief v. 27.8.95) vorgeschlagen, die Formel mit ähnlichen zu verbinden, in denen Körperteile zur Bezeichnung von Ort und Zeit verwendet werden, wie das bereits genannte ympen y ulwydyn (C&O 378) und die in den Canu Llywarch Hen (XI.52a) je einmal bezeugten ym bron y coet "am Waldesrand" und ar wyneb y gwellt "auf dem Gras". Er vergleicht diese Ausdrücke mit Verweise dort 196-7). 28 8 Cf. Roparz Hemon, Dictionnaire breton-français, Brest 1993, 140b. 18 den gängigen zusammengesetzten Präpositionen yn erbyn "gegen", wtl. "in Richtung auf vor dem Kopf" und gerllaw / gerbronn "bei", wtl. "bei der Hand / der Brust" und sieht darin "een typisch Britse (Keltische) ontwikkeling van yn, ar, ger + lichaamsdeel tot en (nieuwe) prepositie of een adverbium". Das ist ist eine semantisch ansprechende Einordnung. Der unterschiedliche Gebrauch zeigt m.E. jedoch, daß zwei verschiedene Klassen von Ausdrücken vorliegen: die bei Llywarch Hen und in C&O nur jeweils einmal bezeugten Ausdrücke sind klärlich dichtersprachliche Archaismen; die gängigen Präpositionen dagegen entsprechen ganz und gar einem in der Indogermania weit verbreiteten Typ mit verblaßter konkreter Bedeutung des Grundwortes. Den zitierten dichtersprachlichen Ausdrücken kommt gewiß hohes Alter zu, zumindest ihrem Typ. Man vgl. etwa irische juristische Formeln wie fri bruinni n-aenig ar uin "at the approach of the fair-day"29 oder ar chind fhogamair / fri bruinne buana "before autumn / at the beginning of battle".30 Sie scheinen ein altes mythologisches Bild zu varirieren, das in der kymr. Formel ym bron y dyd noch durchschimmert, nämlich die Vorstellung von der in weiblicher Gestalt vorgestellten [[1052]] göttlichen Morgenröte, die das Kommen des Tages ankündigt. Am schönsten erhalten ist das Bild im RV, wo es von Uas heißt (1,123,10): kanyèva tanv śśadānā éṣi devi devám íyakṣamāṇam / saṃsmáyamānā yuvatíḥ purástād  āvír vákṣāṅsi kṇuṣe vibhtī // "Wie ein Mädchen, stolz auf ihren Körper, gehst du, o Göttin, auf den begehrenden Gott zu, lächelnd, o junge Frau, machst du sichtbar deine Brüste, im Osten aufstrahlend." 31 Und in RV 5,80,6 heißt es ähnlich: 29 Ancient Laws of Ireland, ed. O'Donovan et all., 1865-1901, I 202.22 Comm. 30 Book of Rights, ed. M. Dillon (ITS 46) 1962, 1078. 31 B. Kölvers Versuch (Ai. vákṣas- und Verwandtes, ZDMG 127.1977, 344-368), für ved. vákṣas- die Bedeutung "Träufelndes; Pore; Pore mit Haar; Körperstelle, die diese Charakteristik aufweist" (S. 360) nachzuweisen und damit die Mythologie von Uṣas in einem wesentlichen Zug zu verändern, überzeugt nicht. C. Kiehnle hat in ihrem Buch, Vedisch ukṣ und ukṣ/vakṣ, Wiesbaden 1979, 110-118, 241, das Nötige dazu gesagt. Der Plural statt des zu erwartenden Duals in RV 1,123,10 bleibt freilich anstößig. 19 eṣ pratīcduhit divó nn yóṣeva bhadr ní riṇīte ápsaḥ / vyūrvat dāśúṣe vryāṇi púnar jyótir yuvatíḥ pūrváthākaḥ // "Sie, die Tochter des Himmels hat sich den Männern zugewendet, wie eine junge Frau läßt die Schöne ihr Brusttuch fallen, dem Verehrer enthüllt sie die zu Wünschenden, die Junge hat wiederum Licht gemacht wie zuvor." 32 Uṣas zeigt also - trotz Schwundstufe - weit mehr von ihrer schönen Erscheinung als ihre griechische Entsprechung ῥοδοδάκτυλος Ἠώς, wenn sie vor der Sonne hergeht und den Tagesanbruch ankündigt. Ohne weiter ins anatomische oder auch metereologische Detail zu gehen - die Verschiedenheit der poetischen Bilder ist tatsächlich auf unterschiedliche Bilder des frühmorgendlichen Himmels in Hellas und Indien zurückgeführt worden - sei hier vorgeschlagen, in der kymr. Formel ym [[1053]] bronn y dyd "an der Brust des Tages" einen letzten 33 Abglanz der indogermanischen Göttin 'Morgenröte' zu sehen. 34 Akgekürzt zitierte Literatur B&E Rachel Bromwich & D. Simon Evans, eds., Culhwch ac Olwen, Caerdydd 1968 (walis. Ausgabe); 1992 (engl. Ausgabe). CA Canu Aneirin, gol. Ifor Williams, Caerdydd 1938. DIL (Contributions to) A Dictionary of the Irish Language, Dublin 1913-1963. GBGG K. Lloyd-Jones, Geirfa Barddoniaeth Gynnar Gymraeg, Caerdydd 1931-1963. GMW D. Simon Evans, A Grammar of Middle Welsh, Dublin 1964. GOI Rudolf Thurneysen, A Grammar of Old Irish, Dublin 1946. GPC Geiriadur Prifysgol Cymru, gol. R.J. Thomas et all., Caerdydd 1950-[[2002]] LHEB Kenneth H. Jackson, Language and History in Early Britain, Edinburgh 1953. 32 Vgl. ferner 1,123,11 tanvà kṇuṣe dśé kám "macht den Körper zum Sehen = sichtbar" und 1,92,4 ūrṇute vákṣa "enthüllt die Brust". Siehe auch H. Lommel, Gedichte des Rigveda, München 1955, 33. 33 Zur Teilhabe der akymr. Dichter an der idg. Tradition s. auch meine kürzlich vorgeschlagene Interpretation des akymr. Frauennamens Rhieinfellt als "Blitz unter den Königinnen" (in: Hispano-Gallo-Brittonica, Essays in honour of D. Ellis Evans, ed. by J.F. Eska et all., Cardiff 1995, 330). 34 Weiteres zur Göttin und den verschiedenen Ablautsstufen ihres Namens bei G. Dunkel, Vater Himmels Gattin, Die Sprache 34.1988-90 [recte 1992], 1-26, bes. 9-10. 20 LP Henry Lewis & Holger Pedersen, A Concise Comparative Celtic Grammar, Göttingen 1961. RB The Text of the Mabinogion ... from the Red Book of Hergest, ed. J. Gwenogvryn Evans, Oxford 1987. SWWF Stefan Zimmer, Studies in Welsh Word-formation, im Druck [[Dublin 2000]]. TYP Rachel Bromwich, Trioedd Ynys Prydein, 2nd ed., Cardiff 1978 [[3rd ed. 2006]] WB The White Book Mabinogion, ed. J. Gwenogvryn Evans, Pwllheli 1907. WG John Morris Jones, A Welsh Grammar Historical and Comparative, Oxford 1913.