Irslinger, Britta (2017): Genus im Bretonischen. In: Wörter bilden. 9. Jenaer
Maikolloquium. Hrsg. Francis Gieseke-Golembowski und Kathrin Schaaff.
Hamburg, Baar: 73-126.
GENUS IM BRETONISCHEN
BRITTA IRSLINGER, Berlin
1. Einleitung
Für zahlreiche europäische Sprachen wurden in den letzten Jahrzehnten Untersuchungen zur Genuszuweisung sowie zur quantitativen Distribution der einzelnen
Genera durchgeführt. Diese Untersuchungen zeigen, dass Genus weit weniger
arbiträr ist, als gemeinhin angenommen wird, und bestätigen damit die Annahme, dass Genus bei der Klassifizierung des substantivischen Lexikons eine
Rolle spielt.1 Auch die Definition von Hoberg 2004: 6 enthält dieses Merkmal:2
„Genus ist eine Klassifikation des nominalen Lexikons, die semantisch oder formal basiert sein
kann. Jedes Substantiv gehört (im Prinzip) einer Genusklasse an. Die Klassenzugehörigkeit drückt
sich notwendig an Bezugseinheiten des Substantivs aus; sie kann darüber hinaus am Substantiv
selbst markiert sein.“
Großen Einfluss auf die spätere Forschung hatten die didaktisch motivierten
quantitativen Arbeiten von Bull 1965 für das Spanische und von Tucker /
Rigault / Lambert 1970, 1977 für das Französische. In beiden Fällen ging es
darum, Sprechern mit englischer Muttersprache leicht verständliche Regeln für
das Erlernen des Genus der Fremdsprache an die Hand zu geben. Beide Untersuchungen konzentrierten sich auf die Rolle der Wortausgänge zur Genusbestimmung. Wenngleich die Beschränkung auf phonetische Merkmale bei
beiden Untersuchungen kritisiert wurde,3 so lenkten sie doch zum ersten Mal
die Aufmerksamkeit auf die Bedeutung formaler Faktoren bei der Genusmarkierung, die weit über die Leistung der Suffixe hinausgeht. Die Wirksamkeit des Auslauts wurde u. a. von psycholinguistischen Experimenten
von Eddington 2004: 80 f. bestätigt.
Ein zweiter Forschungsschwerpunkt ist die Untersuchung der Rolle semantischer
Kriterien. Hier sind z. B. für das Deutsche die Arbeiten von Köpcke / Zubin
1984, 1986, 1996, 2009 zu nennen, die einen wichtigen Beitrag zum Verständ1
Vgl. Irslinger 2010a: 2 ff. Corbett 1991: 320 f. oder Köpcke / Zubin 2009: 150 f. sehen in der
Kongruenzerzeugung bzw. dem reference-tracking die Hauptfunktion von Genus.
2
Da in allen inselkeltischen Sprachen das Vorhandensein oder Fehlen von Anlautveränderungen
(Mutationen) eine große Rolle bei der Genusmarkierung von Substantiven spielt (s. u. 2.2.1), beschreibt diese Definition, die eine optionale Markierung „am Substantiv selbst“ enthält, die inselkeltische Situation adäquater als die vielzitierte Definition von Hockett 1958: 231: ‟Genders are
classes of nouns reflected in the behaviour of associated words.”
3
Vgl. Morin 2010: 143 ff. zum Spanischen, Surridge 1986: 282 zum Französischen.
74
BRITTA IRSLINGER
nis semantischer Regeln leisten. Köpcke / Zubin 2009: 138 stellen außerdem
fest, dass die semantische Motivierung im Lexikon noch nicht erschöpfend erforscht sei.
Beschreibungen von Genussystemen mittels formaler wie auch semantischer
Genuszuweisungsregeln kommen allerdings immer dann an einen toten Punkt,
wenn versucht wird, die Systeme möglichst vollständig und ausschließlich mit
nur einem Typ von Regeln zu analysieren. Bessere Ergebnisse liefern Untersuchungen, die eine Kombination von Regeln für verschiedene Teilbereiche des
Wortschatzes postulieren, vgl. z. B. Surridge 1995 zum Französischen und
1989b zum Kymrischen, Di Meola 2007, Köpcke / Zubin 2009 zum Deutschen
oder Hoberg 2004 und Schwarze 2008, die das Deutsche mit einer Reihe weiterer Sprachen vergleichen.
Dieser kombinierte Ansatz wird hier auf das Bretonische angewendet, wobei
sowohl typologisch-vergleichende als auch einzelsprachliche Genusuntersuchungen, insbesondere zum Deutschen und Französischen, als Vorbild dienten. Im Folgenden werden die wichtigsten Merkmale des Genussystems des
Bretonischen analysiert, mit dem Ziel, die Datenbasis für typologische Untersuchungen zu erweitern.
Das bretonische Genussystem wird mit Hilfe quantitativer Methoden analysiert, indem die Substantive der Datenbasis anhand verschiedener Kriterien
ausgezählt und zueinander in Beziehung gesetzt werden. Dabei kann die quantitative Analyse zeigen, dass die aufgestellten Regeln zwar für die große
Mehrheit der Substantive gelten, dass aber immer auch Substantive übrig bleiben, die durch alle Raster fallen. Der Anteil dieser Substantive beträgt in den
verschiedenen Untersuchungen zwischen 5 und 20 % der Datenbasis. Man
könnte nun versuchen, diesen Anteil durch die Aufstellung immer komplexerer
Regeln weiter zu reduzieren. Die diachrone und diatopische Variabilität von
Genussystemen deutet jedoch eher darauf hin, dass eine solche unbestimmte
Restmenge vorhanden ist, die gegebenenfalls den Ausgangpunkt für Reanalysen
und neue Entwicklungen bilden kann.
Ein wichtiger Aspekt der quantitativen Methode ist die Relevanz der Ergebnisse, denn jede quantitative Analyse spiegelt exakt die Relationen der zugrunde
gelegten Datenbasis und gilt nur für diese. Verschiedene Faktoren wie die
Länge von Texten oder das Register haben Einfluss auf die Frequenz der einzelnen Genera. So kommen im Deutschen in gesprochener Alltagssprache z. B.
mehr Maskulina vor als in einem journalistischen Text, der einen höheren Anteil an Feminina und zugleich weniger Neutra enthält. Wenn man das Genus
der 100, 200 oder 500 häufigsten deutschen Substantive untersucht, so wird der
Anteil des Neutrums geringer, je größer die Stichprobe ist (Hoberg 2004: 84).
GENUS IM BRETONISCHEN
Für das Niederländische untersuchte van Berkum 1996: 30 ff. die Relation von
Lexikoneinträgen des CELEX Dutch Lemma Lexicon (lemma types) und ihrem
Vorkommen im INL-Textkorpus (lemma tokens). Während bei den types der
Anteil der Neutra 26,8 % beträgt, stellen sie 31,5 % der tokens.
Wenn man jedoch diese Variabilität angemessen berücksichtigt, können die
aus quantitativen Genusuntersuchungen resultierenden Werte als Grundlage
für vergleichende Studien herangezogen werden, sei es für Vergleiche mit anderen Sprachen oder für Analysen der diachronen Entwicklung.
Der Artikel ist in die folgenden Abschnitte gegliedert: Abschnitt 2 gibt einen
kurzen sprachhistorischen und soziolinguistischen Überblick und behandelt
dann Locus und Umfang der Kongruenz im Bretonischen. Abschnitt 3 widmet
sich der Analyse des substantivischen Lexikons, d. h. der Frequenz und Distribution von Maskulina und Feminina in Abhängigkeit von den für die Genuszuweisung wirksamen Regeln. Außerdem werden diejenigen Substantive
diskutiert, für die keine der festgestellten Genuszuweisungsregeln gelten,
wodurch ihr Genus labil und für Veränderungen anfällig ist. Zusammenfassung
und Schlussfolgerungen finden sich in Abschnitt 4.
2. Genus im Neubretonischen
2.1 Bretonisch
Das Bretonische gehört mit Kymrisch (Walisisch) und dem gegen Ende des
18. Jh. ausgestorbenen Kornischen zum britannischen Zweig der keltischen
Sprachen. Es wird im westlichen Teil der Bretagne als indigene Sprache gesprochen, allerdings gibt es praktisch keine monoglotten Sprecher mehr und
die Zahl der Sprecher geht kontinuierlich zurück. Broudic 2009: 75 ermittelte
206.000 Sprecher, die jedoch mehrheitlich über 60 Jahre alt sind. Zudem geben nur 3 % der Eltern das Bretonische an ihre Kinder weiter.4 Gleichzeitig
gibt es eine wachsende Zahl an Zweitsprachlern (néobretonnants), deren Bretonisch sich jedoch meist am Schriftstandard orientiert und oft stark vom Französischen beeinflusst ist.
Das Bretonische wird in vier Dialekte eingeteilt, wobei Tregerieg und Kerneveg
ein zusammenhängendes, von Nordosten nach Südwesten reichendes Gebiet
mit jeweils graduellen Übergängen bilden. Am nordwestlichen bzw. südöstlichen Rand schließen sich Leoneg und Gwenedeg an, die sich beide stärker von
den zentralen Dialekten unterscheiden und nicht überregional verständlich
4
Le Boëtté 2003: 22. Siehe auch Broudic 2009: 133 ff. und Ofis publik ar brezhoneg – Office public
de la Langue Bretonne, Les chiffres clés de la Langue Bretonne (http://www.fr.brezhoneg.bzh/5chiffres-cles.htm, konsultiert am 03.03.2017).
75
76
BRITTA IRSLINGER
sind. Dennoch besitzen gerade diese beiden Varietäten Schriftsprachen, wobei
sich die auf dem Leoneg basierende als die allgemeingültige durchgesetzt hat.
Die schriftlichen Varietäten wurden außerdem stark von Gelehrten und
Sprachaktivisten geprägt, von denen nicht alle Muttersprachler waren (Irslinger
2010b: 271 f.; Ternes 2011: 436 ff.).
2.2 Locus und Umfang der Kongruenz
Das Bretonische besitzt wie Kymrisch und Kornisch ein Zwei-Genus-System
mit den Genera Maskulinum und Femininum.
2.2.1 Genuskongruenz innerhalb der Nominalphrase
Eine wichtige Rolle bei der Herstellung von Genuskongruenz innerhalb der
Nominalphrase spielen die sogenannten Anlautmutationen. Dies sind regelhafte Veränderungen von Anlautkonsonanten (Übersicht 1) in bestimmten syntaktischen Konstellationen.5
unregelmäßig / dialektal6
Standardsprache / orthographisch markiert
¢p² ¢k²
/p/ /k/
¢t²
/t/
¢b²
/b/
¢g²
/ɡ/
¢gw, gou²
/gw, gɥ/
¢d²
/d/
¢m²
/m/
¢s²
/s/
¢ch²
/ʃ/
¢c’h²
/x/
¢f²
/f/
¢b² ¢g²
/b/ /ɡ/
¢d²
/d/
¢v²
/v/
¢c’h²
/x/
¢w, ou²
/w, ɥ¨/
¢z²
/z/
¢v²
/v/
¢z²
/z/
¢j²
/ʒ/
¢h²
/ɣ/
¢’f²
/v/
Übersicht 1: Anlautveränderungen durch Lenition im Bretonischen
Genus wird markiert durch das Vorhandensein von Lenition bei femininen Substantiven im Singular nach dem Artikel7 und bei nachgestellten attributiven Adjektiven oder substantivischen Attributen. Bei Nominalphrasen mit maskulinen
Substantiven bleiben die Lenitionen aus (Favereau 1997: 151 f.). In Bsp. (1) mutiert das Femininum kêr ‚Stadt‘ zu gêr, die Adjektive bihan ‚klein‘ und koant
‚schön‘ zu vihan bzw. goant. Im Gegensatz dazu bleiben in (2) das Maskulinum
tu ‚Seite‘ und die Adjektive dehoù ‚rechts‘ und kleiz ‚links‘ unverändert.
5
Siehe zur Entstehung dieses Systems Irslinger 2015: 50.
6
Vgl. zu den dialektalen Unterschieden Le Dû 1986: 435 ff., Ternes 2011: 459. S. zur Repräsentation dieser Mutationen in den verschiedenen bretonischen Orthographiesystemen Wmffre, vol. II, 2007: 567 ff.
7
Das Bretonische besitzt den definiten Artikel ar, an, al und den indefiniten Artikel ur, un, ul.
Beide Artikel liegen in jeweils drei allomorphischen Varianten vor, deren Distribution sich nach
dem Anlaut des folgenden Substantivs richtet, d. h. an, un erscheinen vor Substantiven mit den
Anlauten d-, t-, n-, h- oder Vokal, al, ul vor Substantiven mit Anlaut l- und ar, ur vor allen übrigen
Anlauten. Das Genus des folgenden Substantivs spielt bei der Verwendung der Allomorphe keine
Rolle (Favereau 1997: 18 ff.).
GENUS IM BRETONISCHEN
(1) Favereau 1997: 152
ur
gêr
vihan
ART
LEN.Stadt
LEN.klein
‚eine schöne kleine Stadt‘
(2) Cornillet 2000: 429
an
tu
dehoù
hag
ART
Seite
rechts
und
‚die rechte und die linke Seite‘
goant
LEN.schön
an
ART
tu
kleiz
Seite links
Auch substantivierte Adjektive und Ordinalzahlen zeigen nach dem Artikel die
jeweiligen Mutationen, wenn sie in Konstruktionen mit Ellipse eines femininen
Substantivs auftreten. Dasselbe gilt, wenn das Bezugswort durch das Indefinitpronomen un(an) ‚ein‘ (3) oder das Determinativum hini, heni (4) vertreten
wird (Favereau 1997: 121 f.).
(3) Favereau 1997: 122
un(an) zu
INDEF
LEN.schwarz
‚eine Schwarze‘
vs.
(4) Favereau 1997: 91
an
hini
wellañ
ART
DET.SG
LEN.best.SUP
‚die Beste‘
un(an)
du
schwarz
‚ein Schwarzer‘
INDEF
vs.
an
hini
ART
DET.SG
gwellañ
best.SUP
‚der Beste‘
Unabhängig von Genus und Numerus wird nach dem definiten oder indefiniten Artikel der Anlaut k- zu c’h- mutiert, falls keine Lenition vorliegt, vgl.
kafe mask. ‚Kaffee‘ (5) und kanaouenn fem. ‚Lied‘ (6). Diese Mutation –
Spirantisierung – tritt komplementär zur Lenition auf und findet sich im Singular bei maskulinen Substantiven, im Plural bei allen femininen Substantiven sowie bei denjenigen maskulinen, die keine Personenbezeichnungen
sind. Sie wirkt daher ebenfalls teilweise genusunterscheidend (Favereau
1997: 19; Hemon 1975: 10 f.).
(5) Favereau 1997: 19
ar
c’hafe
ART
SPI.Kaffee
‚der Kaffee‘
(6) Hemon 1975: 10 (Beleg aus dem Jahr 1718)
ar
c’hanavennoù
ART
SPI.Lied.PL
‚die Lieder‘
Die Genusmarkierung durch Anlautmutationen erfasst jedoch keineswegs alle
Nominalphrasen aufgrund der folgenden Ausnahmen:
– Anlautende Vokale sind nicht lenierbar. Dasselbe gilt für Konsonantengruppen mit zwei Okklusiven (sp-, sk-, st- usw.) und je nach Dialekt auch
für Resonanten.
77
78
BRITTA IRSLINGER
– Feminine Substantive mit dem Anlaut d- werden nach dem Artikel nicht
–
leniert, z. B. ur diskouezadeg fem. ‚eine Aufstellung‘.
Attributive Adjektive mit den Anlauten p-, t- und k- werden nur leniert,
wenn das vorausgehende feminine Substantiv auf Nasal, Liquida oder Vokal auslautet. Bei einem Femininum auf Sibilant wie brozh fem. ‚Rock‘
wird daher das Adjektiv bihan ‚klein‘ leniert, kozh ‚alt‘ jedoch nicht (7).
(7) Favereau 1997: 152
ur
vrozh
ART
LEN.Rock
‚ein kleiner Rock‘
vihan
LEN.klein
vs.
ur
vrozh
LEN.Rock
‚ein alter Rock‘
ART
kozh
alt
– Bei attributiv verwendeten Partizipien, insbesondere bei zweisilbigen,
bleibt die Lenition oft aus (8).
(8) Favereau 1997: 131
div
ganerez
brudet
zwei.F
LEN.Sängerin
berühmt.PTC
‚zwei berühmte Sängerinnen‘
– Die genannte Regel, Lenition bei NPs mit femininem Bezugswort, NichtLenition bei maskulinem, gilt im Singular. Im Plural sind die Markierungsverhältnisse umgekehrt, d. h. NPs mit femininem Bezugswort bleiben
unmarkiert, während maskuline Personenbezeichnungen – mit Ausnahme
der Plurale auf -où – leniert werden, vgl. (9) mit den Beispielen kemener
mask., Pl. -ien ‚Schneider‘ und tad mask., Pl. -où ‚Vater‘.
(9) Favereau 1997: 154 f.
ar
gemenerien
ART
LEN.Schneider.PL
‚die Schneider‘
vs.
an
tadoù
Vater.PL
‚die Väter‘
ART
Das Vorkommen der Lenition nur bei Personenbezeichnungen stellt eine erhebliche Einschränkung der Genuskongruenz im Plural dar. Dies gilt auch für
attributive Adjektive, deren Lenition im Wesentlichen auf feste Fügungen wie
paotred vat ‚gute Jungs‘ (mat ‚gut‘) beschränkt ist und bei Personenbezeichnungen mit Plural auf -où ohnehin unterbleibt, vgl. tadoù-kozh ‚Großväter‘
(Favereau 1997: 154 f.). Die Funktion von Lenition als Genusmarker wird
außerdem dadurch geschwächt, dass Lenition generell enge syntaktische Zusammengehörigkeit markiert und damit auch genusunabhängig auftritt.8 So
können auf männliche Vornamen lenierte Adjektive oder Substantive folgen,
die Spitznamen (10: bras ‚groß‘), Epitheta (11: badezour mask. ‚Täufer‘) oder
Nachnamen bzw. Patronyme (12: Penneg) bilden.
8
Kompositionshinterglieder werden nach einem attributiven Element (Substantiv oder Adjektiv)
generell leniert, vgl. z. B. mor mask. ‚See‘ + bleiz mask. ‚Wolf‘ → morvleiz mask. ‚Hai‘, izel
‚niedrig‘ + mor mask. ‚Meer‘ → izelvor mask. ‚Ebbe‘ (Ternes 2011: 460).
GENUS IM BRETONISCHEN
(10) Favereau 1997: 154
Yann
vras
Yann
LEN.groß
‚der große Yann‘
(11) Favereau 1997: 154
YannVadezour
LEN.Täufer
Yann
‚Johannes der Täufer‘
(12) Favereau 1997: 154
Herve
Benneg
LEN.Penneg
Herve
‚Herve Penneg‘
Bei substantivischen Appositionen nach einem femininen Substantiv gibt es
zwei Typen. Appositionen werden leniert, wenn das Bezugswort generische
Funktion hat und von der Apposition näher bestimmt wird, vgl. taol fem.
‚Tisch‘ + koad mask. ‚Holz‘ (13).
(13) Favereau 1997: 153
un
daol
goad
ART
LEN.Tisch
LEN.Holz
‚ein Holztisch‘
In allen anderen Fällen unterbleibt die Lenition, wie in (14) mit buhez fem.
‚Leben‘ + martolod mask. ‚Seemann‘. Die Lenition von buhez erfolgt genusunabhängig durch das maskuline Possessivum der 3. Sg. e ‚sein(e)‘.
(14) Favereau 1997: 153
e
vuhez
martolod
POSS.3SG.M LEN.Leben Seemann
‚sein Leben als Seemann‘
Favereau 1997: 153 listet Beispiele mit Ortsnamen als Apposition, bei denen
die eigentlich inkorrekte Lenition in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen ist (15).
(15) Favereau 1997: 153
bugale
Vreizh
Kind.PL
LEN.Bretagne
‚die Kinder der Bretagne‘
neben
bugale
Breizh
Kind.PL Bretagne
‚die Kinder der Bretagne‘
2.2.2 Pronomina
Die Genusunterscheidung bei Pronomina und verwandten Wortklassen beschränkt sich auf die dritte Person Singular, vgl. z. B. die Subjektpronomina
Sg. mask. eñ ‚er‘, Sg. fem. hi ‚sie‘ vs. Pl. int ‚sie‘, und findet sich bei den in
Übersicht (2) gelisteten Formen.
Die Subjektpronomina können alleine stehen oder suffigiert auftreten (Favereau
1997: 105 ff.). Die sogenannten Objektpronomina stehen vor Verben und repräsentieren deren direkte oder indirekte Objekte. Sie sind formal identisch mit
79
80
BRITTA IRSLINGER
den Possessiva und verursachen unterschiedliche Anlautmutationen. Während 3. Sg. mask. e beim Folgewort Lenition auslöst, verursacht 3. Sg. fem.
he Spirantisierung.9 Bei vokalischem Anlaut erscheint das Allomorph hec’h
(Favereau 1997: 109 ff.).
Sg. mask.
Sg. fem.
Subjektpronomina
eñ
Objektpronomina
und Possessiva
L
hi
e
Intensivum
e-(h)unan ‚er selbst, er allein‘ hec’h-unan ‚sie selbst, sie allein‘
Demonstrativa
proximal
medial
distal
ho(u)mañ ‚dieser‘
hennezh ‚jener‘
henhont ‚jener dort drüben‘
hemañ ‚diese‘
ho(u)nnezh ‚jene‘
ho(u)nhont ‚jene dort drüben‘
flektierte Präpositionen
z. B. gant ‚mit‘
-(h)añ
gantañ ‚mit ihm‘
-i
ganti ‚mit ihr‘
heS, hec’h (vor Vokal)
Übersicht 2: Genusunterscheidung bei Pronomina und verwandten Wortklassen
Zusammen mit dem Element (h)unan bilden diese Pronomina zudem die Intensiva e(h)unan ‚er selbst, er allein‘, hec’h-unan ‚sie selbst, sie allein‘ (Favereau 1997: 114).
Die Demonstrativpronomina reflektieren die dreistufige Unterscheidung des
deiktischen Systems und besitzen für jede Stufe genusunterscheidende Formen
im Singular (Favereau 1997: 118; Hemon 1975: 129).
Eine Besonderheit der inselkeltischen Sprachen sind die sogenannten „flektierten Präpositionen“, die durch die Verschmelzung von Präpositionen mit suffigierten Pronomina entstanden sind. Wie letztere zeigen sie daher eine Genusunterscheidung in der 3. Sg. und kodieren indirekte bzw. präpositionale Objekte. Die frequentesten Präpositionen mit ihren maskulinen und femininen Formen sind in (16) gelistet (Favereau 1997: 408 ff.):
(16) a ‚von‘
da ‚zu‘
evit ‚für‘
gant ‚mit‘
ouzh ‚gegen, an‘
e(n) ‚in‘
anezhañ mask.
dezhañ mask.
evitañ mask.
gantañ mask.
ouzhañ mask.
ennañ mask.
anezhi fem.
dezhi fem.
eviti fem.
ganti fem.
outi fem.
enni fem.
Darüber hinaus finden sich genusmarkierte Formen auch bei den folgenden
Präpositionen: a-raok ‚vor‘, davet ‚gegen, in Richtung‘, dirak ‚davor‘, dreist
‚über‘, eget ‚als (vergleichend)‘, etre ‚zwischen‘, hep ‚ohne‘, nemet ‚außer‘,
panevet ‚ohne, wenn nicht ... gewesen wäre‘, trema ‚gegen‘.
9
Diese werden dargestellt durch die hochgestellten Buchstaben: L = Lenition, S = Spiransmutation.
GENUS IM BRETONISCHEN
2.2.3 Verbformen
Genusmarkierungen an Verben kommen im Bretonischen nur sporadisch vor
und entstanden durch die Fusion der finiten Verbform mit einem Pronomen.
2.2.3.1 kaout / endevout ‚haben‘
Die Bedeutung ‚haben‘ wird im Bretonischen periphrastisch ausgedrückt durch
die 3. Sg. des Verbs bezañ ‚sein‘ mit einem vorangestellten Objektpronomen in
dativischer Funktion, vgl. dt. mir ist, lat. mihi est. Während die Pronomina
Numerus und Genus markieren, werden Tempus und Modus durch die Formen
der 3. Sg. von bezañ ausgedrückt, z. B. Präsens eus, Futur bo, Imperfekt boa,
Konjunktiv I befe usw. Die Pronomina der zweiten Personen mutieren den Anlaut b- zu p-. Das d- im Anlaut der 3. Personen im Präsens geht auf ein Kompositum *de-vout zurück, das die unkomponierten Formen suppletiv ergänzt
(Favereau 1997: 212 ff.; Hemon 1975: 218; Schrijver 2011: 406).
Präsens
Futur
Imperfekt
Konjunktiv I
1. Sg.
am eus
am bo
am boa
am befe
2. Sg.
ac’h eus
az po
az poa
az pefe
3. Sg. mask.
en deus
en do
en doa / devoa
en defe
3. Sg. fem.
he deus
he do
he doa / devoa
he defe
1. Pl.
hon eus
hon bo
hon boa
hon befe
2. Pl.
hoc’h eus
ho po
ho poa
ho pefe
3. Pl.
o deus
o do
o doa / devoa
o defe
Übersicht 3: Schriftsprachliches Paradigma von en devout (kaout) ‚haben‘ (Auszug)
Die Periphrase wurde als transitives Verb lexikalisiert, wobei das ursprüngliche Subjekt als Objekt und das den Possessor bezeichnende Pronomen als
Subjekt reanalysiert wurde (Poppe 2005: 171 ff.). In Bsp. (17) kongruiert die
feminine Form des Verbs he deus mit dem femininen Subjekt ar soubenn ‚die
Suppe‘. Da das Pronomen he auf dieselbe Entität referiert wie die NP ar
soubenn, ist es nicht mehr als Pronomen, sondern als verbaler Marker zu
analysieren.
(17) Favereau 1997: 219
blaz
mat
he
deus
Geschmack
gut
PRON.3SG.F
haben.PRS.3SG
‚Die Suppe hat einen guten Geschmack.‘
ar
ART
soubenn
Suppe
Während die in Übersicht (3) genannten Formen in der Schriftsprache verwendet werden, zeigt die gesprochene Sprache der einzelnen Dialekte unterschiedlich starke Angleichungen der haben-Periphrase an die Flexion der übrigen
Verben. In den zentralen Dialekten des Trégor und der Cornouaille erhalten
81
82
BRITTA IRSLINGER
die Pluralformen die Verbendungen -(o)mp, -(o)c’h, -(o)nt (Übersicht 4). Die
periphären Dialekte des Leon und Vannetais sind dagegen konservativer und
näher an der Schriftsprache.
Umgangssprache / Dialekte10
Schriftsprache
Léon, Vannetais
1. Sg.
2. Sg.
3. Sg. mask.
3. Sg. fem.
1. Pl.
2. Pl.
3. Pl.
’meus, ’beus (L)
’c’heus, z’ peus
’neus
’deus
’beus, ’neus
’peus
’deus
am eus
ac’h eus
en deus
he deus
hon eus
hoc’h eus
o deus
Cornouaille, Trégor
Basse-Cornouaille
’meus
’c ’heus, z’ peus, ’feus, ’teus
’neus
’neus
’neusomp
’meump
’neusoc ’h
’peuc’h
’neusont
’neus, ’neuint, ’deuint
Übersicht 4: kaout / endevout ‚haben‘, Indikativ Präsens
In der gesprochenen Sprache werden die unbetonten Pronomina auf ihre konsonantischen Morpheme reduziert und mit dem Verb verschmolzen. Dadurch
beschränkt sich die Numerus- und Genusmarkierung auf die unterschiedlichen
konsonantischen Anlaute, die aus dem Futur, Imperfekt usw. auch auf das Präsens eus übertragen wurden. In der 3. Sg. mask. wird en deus zu ’neus assimiliert, während feminines ’deus im Léon und Vannetais erhalten bleibt (Bsp. 18,
19). In den Dialekten des Trégor und der Cornouaille wird ’neus auch für das
Femininum verwendet, wodurch die Genusunterscheidung verloren geht (20).
(18) Favereau 1997: 219
daoulagad
glas
zwei-Augen blau
‚er hat blaue Augen‘
’neus
M.haben.PRS.3SG
(19) Favereau 1997: 215, Vannetais, Arrée
choajet
’deus
eno
wählen.PTC F.haben.PRS.3SG dort
‚sie hat dort ein Zimmer gewählt‘
(20) Favereau 1997: 215
hi
’neus
PRON.3SG.F haben.PRS.3SG
‚sie hat zu mir gesagt‘
ur
ART
laret
sagen.PTC
gampr
Zimmer
din
zu.1SG
2.2.3.2 eme ‚sagt(e)‘
Das defektive Verb eme ‚sagt(e)‘ wird ausschließlich nach direkter Rede verwendet und kann wie flektierte Präpositionen mit suffigierten Pronomina kombiniert werden. Die genusunterscheidenden Formen der 3. Sg. sind emezañ
10
Favereau 1997: 212 ff., 218.
GENUS IM BRETONISCHEN
mask. ‚sagt(e) er‘, emezi fem. ‚sagt(e) sie‘. Sie finden sich vor allem in älteren
Texten und traditionellen Liedern (Favereau 1997: 416 f.; Hemon 1975: 245 f.).
2.2.4 Kardinalzahlen
Die unterschiedliche Form der maskulinen und femininen Kardinalzahlen daouL
mask., divL fem. ‚zwei‘, triS mask., teirS fem. ‚drei‘ und pevarS mask., pederS fem.
‚vier‘ ist aus dem Urindogermanischen ererbt. Sie tritt lediglich bei attributiver
Verwendung auf, vgl. (21) mit den Substantiven kanerez fem. ‚Sängerin‘ und jao
mask. ‚Pferd‘. Die Zahlwörter verursachen Anlautmutationen, die jedoch nicht
genusunterscheidend sind (Favereau 1997: 131 f.; Hemon 1975: 8 f., 12, 165).
(21) Favereau 1997: 131
div
ganerez
brudet
zwei.F
LEN.Sängerin
berühmt.PTC
‚zwei berühmte Sängerinnen‘
vs.
Favereau 1997: 132
daou
jao
zwei.M
Pferd
‚zwei Pferde‘
2.3 Genus von Komposita
Bei Komposita, die aus einem Substantiv sowie aus einem nicht-substantivischen Wort bestehen, z. B. Präfix, Adjektiv, Partizip oder Zahlwort, wird das
Genus des Substantivs in der Regel beibehalten (22). Hierzu gibt es jedoch gelegentliche Ausnahmen (23).
(22) amzer fem. ‚Zeit‘ + tremenet ptc. ‚vergangen‘ → amzer-dremenet fem. ‚Vergangenheit‘
skol fem. ‚Schule‘ + meur adj. ‚groß‘ → skol-veur fem. ‚Universität‘
hanter adj. ‚halb‘ + eur fem. ‚Stunde‘ → hantereur fem. ‚halbe Stunde‘
div fem. ‚zwei‘ + bronn fem. ‚Brust‘ → divronn fem. ‚Brust, (beide) Brüste‘
(23) ken- ‚gemeinsam‘ + gwerzh fem. ‚Verkauf, Wert‘ → kenwerzh mask. ‚Handel, Geschäft‘11
teir fem. ‚drei‘ + gwern fem. ‚Mast‘ → teirgwern mask. ‚Dreimaster, Segelschiff, das drei Masten hat‘12
Scheinbare Ausnahmen können aber auch das Resultat einer falschen Analyse
sein. Analysiert man droug-hirnez ‚Melancholie‘ als Kompositum mit substantivischem Vorderglied, so ist maskulines Genus zu erwarten (24), wie es auch
in den meisten Wörterbüchern verzeichnet ist. Lediglich Deshayes 2003: 333
gibt das Wort als feminin an, offenbar basierend auf der Analyse mit adjektivischem Vorderglied (25).
11
Nicht alle Wörterbücher klassifizieren kenwerzh als Maskulinum; Favereau 1993: 399 gibt fem.
(und mask.), Deshayes 2003: 307 fem. an. Für die einzelnen Bedeutungen des Hinterglieds gwerzh
setzt Favereau unterschiedliches Genus an, d. h. gwerzh fem. ‚Verkauf‘, mask. ‚Wert‘. Da kenwerzh
die Bedeutung *‚gemeinsamer Verkauf‘ voraussetzt, kann dies jedoch nicht ausschlaggebend sein.
Das Genus von kenwerzh mask. ‚Handel, Geschäft‘ wäre jedoch regelmäßig, wenn es das Denominale zum Verb kenwerzhañ ‚handeln‘ darstellt oder als solches reanalysiert wurde.
12
teirgwern übernahm das Genus von gouelier mask. ‚Segelschiff‘ oder lestr mask. ‚Schiff‘, dessen (gedachte) Apposition es bildet, vgl. frz. le tempsMASK. après-guerreFEM. → l’après-guerre mask.
und fem. ‚die Nachkriegszeit‘ (Hoberg 2004: 38).
83
84
BRITTA IRSLINGER
(24) droug mask. ‚Übel, Schmerz‘ + hirnez fem. ‚Melancholie‘ → droug-hirnez mask. ‚Melancholie‘ (wörtl. *‚Melancholie-Schmerz‘)
(25) droug adj. ‚schlimm, schlecht‘ + hirnez fem. ‚Melancholie‘ → droug-hirnez fem. ‚Melancholie‘ (wörtl. *‚schlimme Melancholie‘)
Bei den aus zwei Substantiven bestehenden Determinativkomposita gibt wie
im Deutschen das Genus des Determinatums den Ausschlag, unabhängig davon, ob es an erster oder an zweiter Stelle steht (26):13
(26) mor mask. ‚Meer‘ + gast fem. ‚Hure‘ → morc’hast fem. ‚Hundshai‘ (wörtl. ‚Meereshure‘)
gavr fem. ‚Ziege‘ + mor mask. ‚Meer‘ → gavr-vor fem. ‚Krabbe, Garnele‘ (wörtl. ‚Meeresziege‘)
Zusammenrückungen von Nominalphrasen mit substantivischem Kopf haben
das Genus dieses Substantivs (27) (andere Zusammenrückungen s. u. 3.3.3).
(27) bag-dre-dan fem. ‚Dampfer‘ ← bag fem. ‚Schiff‘ + dre ‚durch‘ + tan mask. ‚Feuer‘
tro-war-tro fem. ‚Umgebung‘ ← tro fem. ‚Drehung, Umkreis‘ + war ‚auf‘ + tro fem. ‚dass.‘
kont-a-gil fem. ‚Rückwärtszählen‘ ← kont fem. ‚Rechnung‘ + a ‚von‘ + kil mask. ‚Rückseite‘
karr-dre-dan mask. ‚Automobil, Kraftwagen‘ ← karr mask. ‚Wagen‘ + dre ‚durch‘ + tan mask. ‚Feuer‘
deiz-ha-bloaz mask. ‚Jahrestag, Geburtstag‘ ← deiz mask. ‚Tag‘ + ha ‚und‘ + bloaz mask. ‚Jahr‘
ur pezeiz mask. ‚eines schönen Tages‘ ← pe ‚welche(r, s)‘ + deiz mask. ‚Tag‘
peanv mask. ‚Zeug, Dings; Herr So-und-So‘ ← pe ‚welche(r, s)‘ + anv mask. ‚Name‘
milendall mask. ‚Irrgarten, Labyrinth‘ ← mil ‚tausend‘ + hent mask. ‚Weg‘ + dall ‚blind‘
3. Analyse des substantivischen Lexikons
3.1 Datenbasis
Basis der Datensammlung bildet der bretonisch-deutsche Teil von Gérard
Cornillet, Geriadur Brezhoneg-Alamaneg hag Alamaneg-Brezhoneg. Bretonisch-deutsches und deutsch-bretonisches Wörterbuch (2000).14 Dieses
Wörterbuch, das sich an deutschsprachige Bretonischlerner richtet, basiert
auf einer Liste der 15.000 häufigsten Wörter, die von der Redaktion des einsprachigen Wörterbuchs Geriadur Brezhoneg von An Here ermittelt wurde.
An dieser Liste hat der Autor selbst einige nicht näher erläuterte Ergänzungen
vorgenommen.15 Die untersuchte Varietät ist damit der überregionalen, an
der Schriftsprache orientierten Standardsprache zuzuordnen. Auch handelt es
sich um ein Lernerwörterbuch, bei dem der derivierte Wortschatz nur in
Auswahl aufgenommen wurde. Die Bedeutungen seltenerer produktiver bzw.
13
Vgl. Favereau 1997: 82, Kervella 1995: 201, § 299, Pilch 1996: 71.
Die deutsch-bretonische Sektion ist nicht identisch und enthält zusätzliche Substantive.
15
Diese wurden offensichtlich nicht immer nach quantitativen Kriterien ausgewählt, da sie auch
Wörter umfassen, die z. B. Favereau als selten oder sehr selten einstuft, wie morlu mask.
‚(Kriegs-)Flotte‘, ein als Neologismus wiederbelebtes Wort aus dem Altbretonischen.
14
GENUS IM BRETONISCHEN
regelhafter Bildungen sollen sich die Nutzer mit Hilfe einer Liste von Prä- und
Suffixen selbst herleiten (Cornillet 2000: 12, 15). Ein Textkorpus, das die
Auswertung nach types und tokens erlaubt, existiert für das Bretonische bislang nicht.
3.2 Quantitative Verteilung der Genera
Für die Datensammlung wurden alle Substantive mit Ausnahme der Personennamen aufgenommen. Die Auszählung der Datensammlung ergab die in
Übersicht (5) dargestellte quantitative Verteilung der Genera. Danach sind
Maskulina mit einem Anteil von 58,32 % deutlich häufiger als die Feminina,
die 33,37 % ausmachen. Getrennt aufgelistet wurden Substantive mit variablem
Genus, Kollektiva und Pluraliatantum.
Anzahl
Anteil
Substantive gesamt
6183
100,00 %
Maskulina
3606
58,32 %
Feminina
2063
33,37 %
109
1,76 %
Variables Genus gesamt
mask./fem.
95
fem./mask.
14
Kollektiva gesamt (einschl. variable)
(Singulativa fem., nicht in Zählung enthalten)
366
(366)
Kollektiva
328
koll./mask.
35
koll./fem.
3
Pluraliatantum
keine Angabe (Städtenamen)
23
16
5,92 %
0,37 %
0,26 %
Übersicht 5: Quantitative Verteilung der Genera im Bretonischen
3.2.1 Pluralia und Pluraliatantum
Bei einem Teil der Substantive, die als Lemma im Plural ohne Genusangabe
gelistet sind, ist das Genus bekannt, weil der zugehörige Singular entweder in
Cornillet selbst oder einem der anderen Wörterbücher einen eigenen Eintrag
besitzt. Diese Wörter wurden wie maskuline oder feminine Substantive im Singular gezählt.
Daneben gibt es 23 Pluraliatantum wie anaon ‚die Seelen der Verstorbenen‘,
ismodoù ‚Umstände, Manieren, Allüren‘, argouroù ‚Mitgift‘, moch ‚Schweine‘, echedoù ‚Schachspiel‘ (vgl. frz. échecs Pl.), reputailhoù ‚Schrott, Alteisen‘ (vgl. frz. rebut ‚Abfall‘, auch rebuts Pl. ‚Abfälle‘, ferailles Pl. ‚Alteisen‘).
85
86
BRITTA IRSLINGER
Aufgrund der eingeschränkten Kongruenz im Plural lässt sich bei diesen
Substantiven kein Genus feststellen.16
3.2.2 Kollektiv-Singulativ-Paare
Im Bretonischen gibt es ein sogenanntes Kollektivum, von dem ein Singulativum mit dem femininen Suffix -enn deriviert werden kann. Das Kollektivum
bezeichnet eine Sammlung gleichartiger Elemente und findet sich bei Substantiven, die den Klassen der Aggregate angehören, insbesondere bei Bezeichnungen
für Pflanzen und kleine Tiere, aber auch bei Materialien wie Haare, Zweige
oder Getreide. Bezeichnungen für Substanzen wie Sand oder Glas, die zu den
Massennomina gerechnet werden, gehören ebenfalls hierher (Übersicht 6).
Kollektiv
de(i)l mask. ‚Laubwerk,
Blätter‘
delienn
logod mask. ‚Mäuse(schar)‘
logodenn fem. ‚Maus‘
blev mask. ‚Haar(e), Pelz‘
Singulativ
fem. ‚Blatt‘
blevenn fem. ‚einzelnes Haar‘
gwer ‚Glas; Glasscheibe,
Fensterglas‘
gwerenn fem. ‚(Trink-)Glas; Glasscheibe, Fensterglas‘
traezh ‚Sand‘
traezhenn fem. ‚Sandkorn, Sandfläche, Strand‘
Übersicht 6: Kollektiv-Singulativ-Paare
Die Kollektiva beruhen etymologisch häufig auf ursprünglichen Pluralen, weshalb kongruierende Verben und Pronomina meist ebenfalls im Plural erscheinen,
wo es aufgrund der eingeschränkten Kongruenz keine Genusunterscheidung
gibt. Bei der selteneren singularischen Konstruktion zeigen die Kollektiva hingegen maskuline Kongruenz (Favereau 1997: 50, 66; Irslinger 2014: 95).17
Da die Kollektiva weder eindeutig zu den Maskulina noch zu den Pluralen gerechnet werden können, erscheint es am besten, sie als eigene Gruppe zu listen.
Ein weiteres Problem ist die Behandlung der zugehörigen femininen Singulativa:
16
Ein Sonderfall ist tud ‚Menschen, Leute‘, das als suppletiver Plural zu den mask. ‚Mensch‘
fungiert. Nach dem Artikel zeigt diese Personenbezeichnung Lenition, und auch ein attributives
Adjektiv wird leniert, sofern es nicht mit den stimmlosen Konsonanten [k], [t] oder [p] anlautet,
vgl. an dud, tud vad. Favereau 1993: s. v., 1997: 152 analysiert das Wort in Übereinstimmung mit
seiner Etymologie – es wird mit air. túath fem. ā ‚Volk, Stamm, Gebiet‘ verglichen und aus urkelt.
*teutā- oder *toutā- fem. hergeleitet (Irslinger 2002: 363 f.) – als Femininum. Es kann allerdings
nicht ausgeschlossen werden, dass das Wort einen Genuswechsel erfahren hat, denn die kymr.
Entsprechung tud ‚Land, Volk, Region‘, die als Singular verwendet wird, ist ebenfalls maskulin
und nur gelegentlich feminin. Im Bretonischen wären die Mutationen bei einer maskulinen Personenbezeichnung im Plural regelkonform.
17
Vgl. auch Irslinger 2010c: 47 f.
GENUS IM BRETONISCHEN
Zwar unterscheiden sich diese nicht von den übrigen Feminina und könnten zu
diesen hinzugezählt werden, wodurch sich der Anteil der Feminina erhöhen
würde. Allerdings würde dies eine unzulässige Doppelung der Lemmata bedeuten, da die Kollektiv-Singulativ-Opposition bei Substantiven aus der Gruppe der
Aggregate und Substanzen der Singular-Plural-Opposition der Individuativa
entspricht und Letztere auch nur einmal gezählt werden.
3.2.3. Genusdistribution bei unkomponierten Substantiven
Zur Ermittlung der Anzahl der unterschiedlichen Substantive (types) wurden
alle Komposita aussortiert, deren genusbestimmendes Substantiv bereits als
Simplex vorhanden ist. Mitgezählt wurden jedoch Komposita, die ein anderes
Genus als das zugehörige Simplex haben oder zu denen kein Simplex (mehr)
vorhanden ist.
Berücksichtigt man nur diesen Teil des Wortschatzes, ist die Differenz zwischen
Maskulina und Feminina etwas kleiner,18 d. h. der Anteil der unterschiedlichen
femininen Substantive ist tatsächlich höher, während die Maskulina häufiger in
Komposita vorkommen (Übersicht 7).
Gesamt
6183
100,00 %
mask.
fem.
3606
2063
58,32 %
33,37 %
Unkomponiert
4785
100,00 %
mask.
fem.
2684
1698
56,09 %
35,49 %
Übersicht 7: Genusdistribution bei unkomponierten Substantiven (ohne Kollektiva und mask./fem.)
3.2.4 Vergleich mit anderen Sprachen
Parallelen bestehen zwischen den Genussystemen der britannischen und der
romanischen Sprachen, wo nach dem Verlust des Neutrums ähnliche Umstrukturierungen stattfanden. So ist in beiden Sprachzweigen das Maskulinum das
Defaultgenus für Konversiva und Neunominalisierungen (s. u. 3.3.3). Zwar ist
in allen in Übersicht (8) gelisteten Sprachen das Maskulinum das zahlenmäßig
stärkste Genus, doch ist die Differenz zum Femininum unterschiedlich groß.
Vergleicht man die für das Bretonische ermittelten Zahlen mit verwandten und
benachbarten Sprachen, so zeigt sich, dass die größte Ähnlichkeit zum Französischen besteht.
Im Bereich der Suffixbildungen resultiert der im Vergleich zum Kymrischen
und Kornischen höhere Anteil von Feminina daraus, dass das Bretonische
feminine Suffixe neugebildet oder aus dem Lateinischen und Französischen
entlehnt hat und dass bei einem Teil der ererbten Suffixe ein Genuswechsel
Maskulinum → Femininum stattgefunden hat (Irslinger 2014: 95 ff.).
18
Maskulina (Faktor 1,34, p < 0.05), Feminina (Faktor 1,21, p < 0.05).
87
88
BRITTA IRSLINGER
Außerdem haben sich die Suffixvarianten kymr., korn. -yn(n) mask., -en(n)
fem. im Bretonischen lautgesetzlich zu femininem -enn entwickelt. Dieses Suffix bildet nicht nur Singulativa, sondern ist darüber hinaus in weiteren Funktionen sehr produktiv.19 Die in Cornillet gelisteten enn-Bildungen machen mehr
als ein Drittel aller abgeleiteten Feminina aus (s. u. 3.3.6.3). Eine detaillierte
Analyse des underivierten Lexikons des Bretonischen, die möglicherweise
weitere Genuswechsel zu Tage fördern würde, steht bislang noch aus.
Bretonisch20 Kymrisch21
Kornisch (1900+)22 Französisch23 Spanisch24
mask.
58,32 %
69,7 %
66 %
61,2 %
51,6 %
fem.
33,37 %
27,5 %
34 %
38,8 %
45,4 %
1,76 %
2,8 %
k. A.
k. A.
3,0 %
mask./fem.
Übersicht 8: Vergleichende quantitative Analyse
3.3 Regeln für die Genuszuweisung
Im folgenden Abschnitt werden die für die Genuszuweisung relevanten Faktoren diskutiert, die relativ große Substantivgruppen erfassen.
19
Siehe Irslinger 2010c: 43 ff., Kersulec 2015: 41 ff.
20
Ohne Kollektiva.
21
Siehe Surridge 1989b: 190. Surridges Sammlung umfasst 1469 Substantive, die eine Stichprobe
aus dem Wörterbuch Y Geiradur Mawr (Evans / Thomas 1983) darstellen. Im Gegensatz zu Cornillet
2000 umfasst dieses Werk als Großwörterbuch auch seltene und veraltete Wörter. Die Anzahl der
Stichwörter wird allerdings nicht genannt. Surridge nahm die Substantive auf jeder neunten Seite
auf, wobei sie stillschweigend davon ausgeht, dass ihre Stichprobe repräsentativ ist und dass der
prozentuale Anteil der Genera dem eines größeren Korpus entspricht.
22
Für die Angaben zum Kornischen danke ich Dr. Ken George. Die Zahlen basieren auf der Auszählung der seinem Wörterbuch (George 1993) zugrunde liegenden Datenbanken. Auch das Kornische enthält eine kleine Anzahl von Wörtern mit variablem Genus, die George jedoch nicht berücksichtigt hat. „Kornisch 1900+“ bezeichnet das ab 1900 wiederbelebte Kornisch, also eine
künstliche, von Sprachaktivisten gestaltete Sprache. Für das traditionelle Kornisch, das in einer
Zeitspanne von ca. 600 bis 1800 in Quellen belegt ist, ermittelte George 77 % Maskulina und 23 %
Feminina. Die sehr hohe Anzahl von Maskulina ist jedoch zumindest teilweise der Praxis früher
Lexikographen geschuldet, bei Fehlen explizit femininer Genuskongruenz das Substantiv als
Maskulinum zu klassifizieren, vgl. Irslinger 2014: 75 ff. Die höhere Anzahl der Feminina im wiederbelebten Kornisch dürfte u. a. daraus resultieren, dass fehlende Substantive aus dem Bretonischen ergänzt und die Genuszuweisungsregeln für Suffixe angepasst wurden.
23
Quantitative Analyse von Tucker / Rigault / Lambert 1970: 280, die nur die Anzahl der Maskulina angibt. Es ist unklar, ob die übrigen 38,8 % sämtlich Feminina sind oder ob es auch Substantive
mit wechselndem Genus gibt. Während im Französischen noch gegen Ende des 17. Jh. das Verhältnis von Maskulina (51 %) und Feminina (49 %) fast ausgeglichen war, nahm das Maskulinum
im Laufe der letzten drei Jahrhunderte zu (Surridge 1984: 69).
24
S. Bull 1965: 109.
GENUS IM BRETONISCHEN
3.3.1 Defaultgenus
Das Defaultgenus25 bezeichnet das Genus, das in bestimmten Situationen automatisch eintritt, wobei für Teilbereiche des Lexikons abweichende Defaultregeln gelten können. Nach Corbett / Fraser 2000: 74 ff. ist zwischen zwei
Arten von Default zu unterscheiden, in denen im Bretonischen jeweils das
Maskulinum erscheint. Das Maskulinum wird selektiert, wenn keine der Regeln
greift, die explizit das Femininum zuweist (‟normal case default”). Dies ist
z. B. der Fall bei den unten diskutierten sexusindifferenten Personenbezeichnungen (3.3.2) und Neunominalisierungen (3.3.3).
Das Maskulinum tritt weiterhin bei Referenzproblemen oder bei nicht-prototypischem Bezugswort (‟exceptional case default”) ein. Zu Ersteren gehört die
Referenz auf gemischtgeschlechtliche Gruppen, die ausschließlich über das
Maskulinum erfolgt, vgl. Bsp. (28) mit Frañzes mask. ‚Franzose‘, Galian
mask. ‚Gallier‘ sowie gourdad mask. ‚Vorvater‘.
(28) An Here 2001: 508 s. v., Galian
Desket
e
vez
lehren.PTC PTCL
sein.PRS.HAB.3SG
d’
zu
an
ART
holl
alle
Frañzisien
Franzose.PL
ez
eo
o
gourdadoù
ar
sein.PRS
POSS.3PL
Vorvater.PL
ART
‚Allen Franzosen wird beigebracht, dass die Gallier ihre Vorväter sind.‘
PTCL
C’halianed.
Gallier.PL
Bei nicht-prototypischem Bezugswort ist die Konstituente, die die Kongruenz
kontrolliert, hinsichtlich des Genus unterspezifiziert. In diesem Fall tritt das
Maskulinum als Defaultgenus ein. Ein Beispiel hierfür ist die Konstruktion
des Determinativpronomens hini. Bei definiter Verwendung verhält es sich
in Bezug auf die Mutation eines attributiven Adjektivs so wie das Substantiv,
das es vertritt (29). Bei indefiniter Verwendung ist hini jedoch ausschließlich
maskulin (30).
(29) Favereau 1997: 121
an
hini
kozh m.
ART
DET.SG
alt
‚der alte‘ mask.
vs.
an
hini
gozh f.
ART
DET.SG
LEN.alt
‚die alte‘ f.
(30) Favereau 1997: 121
hini
kozh m.
DET.SG
alt
‚ein alter‘ m.
Bei unpersönlichen Konstruktionen tritt im Bretonischen in der Regel das
Maskulinum ein, vgl. (31, 32), wobei dieses durch das Objektpronomen
25
Vgl. auch Köpcke / Zubin 2009: 149.
89
90
BRITTA IRSLINGER
3. Sg. mask. en repräsentiert ist. In (32) ist das Subjekt im finiten Verb enthalten. Während in Sprachen mit drei Genera hier das Neutrum eintritt (vgl. das
dt. unpersönliche es), hat im Bretonischen, wie in den romanischen Sprachen,
das Maskulinum diese Funktion übernommen.
(31) Favereau 1997: 112
M’
en
PRON.1SG
PRON-OJ.3SG.M
‚Ich werde es dir beibringen!‘
(32) Favereau 1997: 112
hag
en
und
PRON-OJ.3SG.M
‚und er glaubte es‘
desko
lehren.FUT
dit!
zu.2SG
krede
glauben.IPF.3SG
Daneben gibt es aber auch den unpersönlichen Gebrauch des Femininums, der
bereits im Mittelbretonischen belegt ist (Hemon 1975: 115). In der Regel werden die femininen Formen flektierter Präpositionen verwendet, während das
Objektpronomen extrem selten ist (33).26 Keine der Grammatiken äußert sich
zum genauen Umfang dieses Phänomens, doch scheint es im Wesentlichen auf
idiomatische Ausdrücke beschränkt zu sein (34–37).27 Hierzu gehören Aussagen über das Wetter (36, 37), bei denen Kervella 1995: 255, § 428 den
impliziten Bezug auf amzer fem. ‚Wetter, Zeit‘28 vermutet, jedoch auch auf die
Substantive mit wechselndem Genus (Neutra) verweist. Auch Bihan 2015: 7
sieht in diesem Gebrauch, der auch vereinzelt im Kymrischen belegt ist, einen
Hinweis auf ursprünglich neutrales Genus.
(33) Hemon 1975: 115; mbret., 16. Jh.
scryfet
hy
schreiben.IMP.2PL PRON-OJ.3SG.F
‚schreibt es!‘ (wörtl. ‚schreibt sie!‘)
(34) Hemon 1975: 115; 1870
a-raok
staga
gant-hi
bevor
festmachen.INF
mit-PRON.3SG.F
‚bevor wir damit beginnen‘ (wörtl. ‚bevor festmachen mit-ihr‘)
26
Alle bei Hemon angeführten mbret. Belege stammen aus demselben Text, Buhez Sant Gwenole.
Dieser liegt nur in einer Abschrift aus dem Jahr 1716 von Dom Louis Le Pelletier vor, die auf zwei
verschollenen Handschriften aus den Jahren 1580 und 1608 basiert, vgl. Widmer / Jørgensen 2011:
5 f. Für das Pronomen in Bsp. (33) erwägen Widmer / Jørgensen (2011: 68, Anm. zu Zeile 473) die
alternative Analyse als 3. Pl. y.
27
Vgl. Kervella 1995: 344, § 597 zu a, 356, § 633 zu ouzh, 357, § 636 zu war, 360, § 646 zu gant,
Favereau 1997: 427, § 789 zu a, 429, § 800 zu da, 436, § 841 zu gant, 441, § 872 zu war. Weitere
Beispiele liefert Bihan 2015: 7.
28
Allerdings zeigt amzer fem. ‚Wetter, Zeit‘ teilweise maskuline Kongruenz bei Zahlwörtern und
Pronomina (s. u. 3.3.7.4).
GENUS IM BRETONISCHEN
(35) Favereau 1997: 436
erru
omp
pell
ganti
angekommen sein.PRS.1PL
weit
mit.3SG.F
fig. ‚die Grenzen sind überschritten / wir werden (damit) nicht weiter gehen‘
(wörtl. ‚wir sind weit gekommen mit-ihr‘)
(36) Hemon 1975: 115; 1890
glao
a
zo
enn-hi
Regen
PTCL
sein.PRS
in.PRON.3SG.F
‚Es wird regnen.‘ (wörtl. ‚Regen ist in-ihr.‘)
(37) Kervella 1995: 255, § 428
Yen
eo
anezhi.
kalt
sein.PRS.3SG von.3SG.F
‚Es ist kalt.‘ (wörtl. ‚Kalt ist von-ihr.‘)
3.3.2 Semantische Regeln
Bei dieser Art der Genuszuweisung ist allein die Semantik eines Wortes
ausschlaggebend, morphologische und phonetische Kriterien spielen keine
Rolle.29 Die bei Kervella 1973: 196 f., 1995: 196 f., § 295, Trépos 1982: 79 ff.
und Favereau 1997: 66 f. angeführten semantischen Regeln wurden anhand der
Datenbasis auf ihre Gültigkeit überprüft.
Die größte Gruppe bilden Personenbezeichnungen, bei denen sich das Genus
in der Regel am Sexus, dem biologischen Geschlecht des Referenten, orientiert
(Übersicht 9). Generische Bezeichnungen sind jedoch fast ausschließlich maskulin. Underivierte sexusneutrale Bezeichnungen mit maskulinem Genus sind
z. B. den mask. ‚Mensch‘, bugel mask. ‚Kind‘, ar geizh mask. Pl. ‚die Armen‘
(zu kaezh adj. ‚arm‘). Ausnahmen bilden die mit dem Suffix -enn fem. abgeleiteten Neologismen hinienn fem. ‚Individuum‘ und penntudenn fem. ‚Hauptperson (literarisch)‘.
Wenn speziell auf weibliche Personen referiert wird, so werden in der Regel
nicht die generischen Substantive, sondern Feminina verwendet. Hierbei handelt es sich entweder um eigene Lexeme wie merc’h fem. ‚Mädchen, Tochter‘,
moereb fem. ‚Tante‘ oder aber um Motionsfeminina, die mit dem Suffix -ez
von einer maskulinen Basis abgeleitet werden, wie santez fem. ‚Heilige‘ :
sant mask. ‚Heiliger‘, mignonez fem. ‚Freundin‘ : mignon mask. ‚Freund‘,
parrezianez fem. ‚weibliches Gemeindemitglied‘ : parrezian mask. ‚Gemeindemitglied‘. Dies gilt auch für Berufsbezeichnungen wie kemenerez fem.
‚Schneiderin‘ : kemener mask. ‚Schneider‘. Diese produktiven Ableitungen
sind bei Cornillet nicht durchgängig gelistet, so dass die Zahl der femininen
Personenbezeichnungen relativ niedrig ist.
29
Vgl. Corbett 1991: 7 ff., zum Französischen Surridge 1989a, zum Kymrischen Surridge 1989b: 200 ff.,
zum Deutschen u. a. Köpcke / Zubin 1996: 479 ff.; 2009: 133 ff., Hoberg 2004: 28 f., Di Meola 2007: 141 ff.
91
92
BRITTA IRSLINGER
Mit -ez können weiterhin feminine Adjektive gebildet werden, die unregelmäßig und, mit Ausnahme von dougerez adj. ‚schwanger‘, fem. ‚Schwangere‘,
ausschließlich in prädikativer Stellung und mit Bezug auf Personen verwendet
werden, vgl. z. B. mezvez : mezv ‚betrunken‘ (Bsp. 38; Favereau 1997: 83).
Cornillet 2000 enthält keine Beispiele dieses Typs, bei dem es sich um die adjektivische Verwendung des Motionssuffixes -ez handelt, vgl. doug-erez fem.
‚Schwangere‘ : douger mask. ‚Träger‘, adj. ‚tragend‘, dougen ‚tragen‘. Gelegentlich werden auch enn-Bildungen so gebraucht.
(38) Favereau 1997: 83
mezvez
’oa-hi
betrunken.F sein.IPF.3SG-PRON.3SG.F
‚sie war betrunken‘
vs.
ur
plac’h
vezw
Frau
betrunken
‚eine betrunkene Frau‘
ART
Sehr selten sind auch Substantive, die je nach Sexus des Referenten mit maskuliner oder femininer Kongruenz erscheinen, z. B. lousken mask./fem.
‚schmutziger Mensch‘, karantez mask./fem. ‚Geliebte(r)‘, ranezenn mask./
fem. ‚Schwätzer(in)‘. Die beiden letztgenannten sind ursprüngliche Feminina;
ranezenn ist durch das Suffix -enn overt als solches gekennzeichnet. Bildungen, deren Genus nicht zum Sexus des Referenten passt, weil semantische oder
morphologische Regeln dominieren, sind insgesamt aber rar und finden sich
ausschließlich bei metaphorischen Verwendungen von Tier- und Objektbezeichnungen, die teilweise pejorative Konnotationen ausdrücken, vgl. z. B.
yar fem. ‚Huhn; böser und schlauer Mensch‘, Kabellig Ruz mask. ‚Rotkäppchen‘ (Diminutiv zu kabell mask. ‚Kappe‘), penn-sardin mask. ‚Frau aus
Douarnenez; Trachtenhaube aus Douarnenez‘ (wörtl. ‚Sardinenkopf‘), higenn
fem. ‚Angelhaken; Witzbold, Schlaukopf‘. Doch besteht auch bei metaphorischer Verwendung die Tendenz der Korrelation des grammatischen Genus der
Bezeichnungen mit dem Sexus der Referenten.30 Einen Genuswechsel bei
Verwendung als Personenbezeichnung zeigt z. B. istrogell fem. ‚seltsames
Ding, Kuriosität‘, mask. ‚Sonderling, komischer Kauz‘.
Unregelmäßige Anlautmutationen zeigt plac’h fem. ‚Mädchen, Magd‘ (39),
wobei der Grund dafür in der Etymologie des Wortes vermutet wird (Favereau
1997: 71). Auch attributive Adjektive verhalten sich je nach Region unterschiedlich, wobei auch Mutation und Nichtmutation gleichzeitig auftritt
(Kervella 2016: 41 ff.).31
30
Cornillet 2000 enthält keine Beispiele wie dt. Tunte fem., Schwuchtel fem., bei denen Feminina
für männliche Referenten zur pejorativen Bezeichnung „unmännlicher“ Verhaltensweisen dienen.
31
Die Etymologie des Wortes ist umstritten, doch müsste ein ursprüngliches Maskulinum oder
Neutrum zugrunde liegen wie in dt. Mäd-chen neutr. oder air. caile mask. ‚Dienerin‘, nir. cail-ín
mask. ‚Mädchen‘. LEIA C-12 vermutet bei caile eine ursprünglich pejorative Bezeichnung. De
GENUS IM BRETONISCHEN
(39) ar plac’h ‚das Mädchen‘ (keine Mutation nach Artikel im Sg. wie Mask.)
div blac’h ‚zwei Mädchen‘ (mit der femininen Form des Zahlworts)
ar plac’hed Pl. ‚die Mädchen‘ (keine Mutation)
plac’h bihan ‚kleines Mädchen‘ (Adj. unmutiert) neben plac’h vat ‚gutes Mädchen‘ (Adj. mutiert)
Anzahl Anteil am subst. Lexikon (6183)
32
Personenbezeichnungen
mask.
fem.
mask. oder fem. (je nach Sexus)
Pl. tantum (tud + 2 Komposita, tudoù, tudigoù)
860
711
144
5
5
13,91 %
11,50 %
2,33 %
0,08 %
0,08 %
Übersicht 9: Semantische Genuszuweisung bei Personenbezeichnungen
Hierher gehören auch die Bezeichnungen für Haustiere, bei denen die Sexusunterscheidung wichtig war. Neben den Paaren mit jeweils unterschiedlichen
Lexemen wie buoc’h fem. ‚Kuh‘ : tarv mask. ‚Stier‘, yar fem. ‚Huhn, Henne‘ :
kilhog mask. ‚Hahn‘, gavr fem. ‚Ziege‘ : bouc’h mask. ‚Bock‘ können mit -ez
aus den überwiegend maskulinen generischen Substantiven Bezeichnungen für
das weibliche Tier gebildet werden, vgl. kiez fem. ‚Hündin‘ : ki mask. ‚Hund‘
oder bleizez ‚Wölfin‘ : bleiz mask. ‚Wolf‘.33 Doch ist bei Vogelnamen wie yar
fem. ‚Huhn‘, gwaz fem. ‚Gans‘ : garz mask. ‚Ganter‘, bran fem. ‚Rabe‘ : malbran mask. ‚männlicher Rabe‘ das Femininum das Generikum.34
Bernardo Stempel 1995: 432 Fn. 40 rekonstruiert caile als *kʷl̥h1-i̯̯os mask. ‚Diener‘ zu *kʷelh1‚eine Drehung machen, sich umdrehen, sich (um-, zu-)wenden‘, bret. plac’h ‚Mädchen‘ wäre
*kʷl̥h1-sko- > *kwalsko- > *kwlasko- > *plasko- (de Bernardo Stempel 1987: 61, Anm. 110a). Diese Herleitung von air. caile ist lautlich problematisch, weil nach McCone 1996: 118 nach
Labiovelar die Rundung von *a zu *o, d. h. *coile zu erwarten wäre, vgl. auch Zair 2012: 91. Unsicher ist daher auch der alte Vergleich der kelt. Wörter mit tochar. A kuli, B klyiye fem. ‚Frau‘,
s. Adams 2013: 242 f.
Alternativ wurde plac’h als Lehnwort erklärt. Allerdings kann Deshayes’ Herleitung aus vlat.
*placca < lat. pallaca fem. ‚Konkubine‘ (Deshayes 2003: 582) die Unregelmäßigkeiten im Kongruenzverhalten nicht erklären. Dasselbe gilt für Henrys 1900: 224 Vorform *pal-ac’h, das er mit
air. caile vergleicht und als Entlehnung von griech. byz. παλλακή fem. oder lat. pellex fem. ‚Konkubine‘ interpretiert. Bihan 2015: 7 Fn. 8 erwägt eine Umbildung aus bret. floc’h mask. ‚Page,
junger Mann‘, das in mkorn. flogh mask. ‚Kind, Junge, junger Mann‘ eine Entsprechung hat. Ohne
Parallele bleibt allerdings der Wechsel des Anlauts von f → p. (Vergleichbar ist vielleicht das bei
Lehnwörtern gelegentlich auftretende Rückgängigmachen einer vermeintlichen Mutation, z. B. frz.
voyage mask. ‚Reise‘ → bret. beaj fem.).
32
Diese Zahl enthält auch metaphorisch gebrauchte Bezeichnungen, von denen 24 Objekt- (15
mask., 8 fem., 1 mask./fem.) und 18 Tierbezeichnungen (14 mask., 4 fem.) sind.
33
S. Kervella 1995: 202, § 302 mit einer Liste.
34
Vgl. Kervella 1995: 203, § 303 mit einer Liste der sexusspezifischen Bezeichnungen.
93
94
BRITTA IRSLINGER
Semantisches Genus findet sich weiterhin bei kleinen, klar definierten Teilbereichen des substantivischen Lexikons, d. h. bei Namen, die häufig mit einem
klassifizierenden Substantiv auftreten, das sie semantisch einordnet und nach
dem Leitwortprinzip sein Genus auf alle Elemente der Gruppe überträgt (Übersicht 10). Ohne Ausnahme maskulin sind Namen für Monate, Wochentage und
Feste, feminin sind Ländernamen. Städtenamen, für die Cornillet kein Genus
angibt, sind nach Kervella 1995: 197, § 295 feminin wie kêr fem. ‚Stadt‘, vgl.
Roma gozh ‚das alte Rom‘, außer wenn als Name ein synchron transparentes
Maskulinum verwendet wird. Namen für Berge sind hingegen maskulin
wie menez mask. ‚Berg‘, das allen in Cornillet enthaltenen Namen vorangestellt ist, vgl. Menez Du (‚Schwarzer Berg‘, frz. Montagnes Noires).35 Weniger
einheitlich verhalten sich Namen für Flüsse, von denen jedoch einige üblicherweise mit stêr fem. ‚Fluss‘ verwendet werden, vgl. (ar) stêr Aon ‚(der)
Fluss Aulne, die Aulne‘.
Die quantitative Auswertung semantischer Gruppen ist teilweise schwierig,
da unklar bleibt, welche Beispiele zusätzlich zu den von den Handbüchern
genannten dazugehören sollen, und weil die Interpretation semantischer
Inhalte teilweise subjektiven Kriterien unterliegt. Auch sind sie bezüglich
des postulierten Genus nicht immer homogen, so dass die Autoren selbst auf
Ausnahmen hinweisen, die z. B. bei den Bezeichnungen für Zeiträume ungefähr dem generellen Anteil der Feminina entsprechen. Da das Maskulinum
das Defaultgenus darstellt, ist zu erwarten, dass sehr kleine Gruppen zufällig
keine Feminina enthalten. Außerdem ist der Erkenntnisgewinn in diesen
Fällen gering.
Interessanter sind größere Gruppen wie die, denen Favereau einen „valeur
collective ou générique (éléments, métaux, bois...)“ zuschreibt. Die Definition ist auch hier unpräzise und die Abgrenzung schwierig, da Massennomina im Bretonischen auch als Kollektiva36 konzeptualisiert sein können,
vgl. z. B. glaou ‚Kohle‘, sabl ‚Sand‘, wobei die Wörterbücher bei der Klassifikation dieser Substantive als Kollektiva oder Maskulina nicht immer
übereinstimmen. Man kann allerdings festhalten, dass in dieser mindestens
250 Lemmata umfassenden Gruppe von wenigen Ausnahmen wie huzil
fem. ‚Ruß‘ oder roc’h fem. ‚Felsblock, Gestein‘ abgesehen keine Feminina
zu finden sind.
35
Die Namen beziehen sich auf in der Bretagne liegende Berge mit Ausnahme von Menez Kalvar
‚Golgatha‘, Menez-Olived ‚Ölberg‘ und dem Plural Alpoù ‚Alpen‘.
36
Vgl. Irslinger 2010c: 48.
GENUS IM BRETONISCHEN
Maskulina
Anzahl Anteil
Ausnahmen
Monatsnamen, vgl. mi mask. ‚Monat‘
z. B. ar Genver ‚Januar‘
12 0,19 % keine
Wochen- und Feiertage, vgl. deiz
mask. ‚Tag‘
z. B. ar meurzh ‚Dienstag‘
21 0,34 % keine
Feste, vgl. gouel mask. ‚Fest‘
z. B. Pask ‚Ostern‘
11 0,18 % keine
? Himmelsrichtungen
z. B. gwalarn ‚Nordwesten‘
13 0,21 % regional feminin, vgl. Favereau
1997: 66
? Jahreszeiten37
? Zeiträume
z. B. pred ‚Zeitpunkt, Augenblick‘, mare ‚Zeitabschnitt‘, deiz
‚Tag‘, miz ‚Monat‘, bloaz ‚Jahr‘,
beure, mintin ‚Morgen‘, enderv
‚Nachmittag‘, abardaez ‚Abend‘,
derc’hent ‚Vorabend‘
Bergnamen, vgl. menez mask. ‚Berg‘
z. B. ar C’halvar ‚der Kalvarienberg‘
Menez Kalvar ‚Golgatha‘
Menez Bre
Generika, Bezeichnungen für Elemente, Metalle, Hölzer
Feminina
7 0,11 % nevez-amzer mask./fem. ‚Frühling‘
> 45 0,73 % sizhun fem. ‚Woche‘ + 2 Komposita
eur fem. ‚Stunde‘ + 1 Kompositum
noz fem. ‚Nacht‘ + 2 Komp. + 1 Abl.
amzer fem. ‚Zeit‘ + 7 Komposita
munut mask., aber munutenn fem.
‚Minute’
eilenn fem. ‚Sekunde‘
6 0,10 % (alle Bergnamen in Cornillet mit
Determinativ menez)
> 250 4,04 % huzil fem. ‚Ruß‘ u. a.
zahlreiche Kollektiva
Anzahl Anteil
Ausnahmen
38
Ländernamen, vgl. bro fem. ‚Land‘
31 0,50 % keine
Städtenamen, vgl. kêr fem. ‚Stadt‘
16 0,26 % keine Genusangabe in Cornillet
Flussnamen, vgl. stêr fem. ‚Fluss‘
Unbelebte gesamt
7 0,11 % Blavezh mask.
419
6,78 %
Übersicht 10: Semantische Genuszuweisung bei Bezeichnungen für Unbelebte
37
Kervella 1995: 196, § 295 nennt die vier Jahreszeiten hañv ‚Sommer‘, goañv ‚Winter‘, nevezamzer ‚Frühling‘, diskar-amzer ‚Herbst‘, die er alle als maskulin klassifiziert. Cornillet 2000 gibt
nevez-amzer mask./fem. ‚Frühling‘, außerdem die Komposita nevezhañv mask. ‚Sommer‘, dilosthañv mask. ‚Herbst‘, rageost mask. ‚Herbst‘.
38
Komponierte Toponyme mit gorre mask. ‚Oberseite, Oberfläche‘ und goueled mask. ‚Unterseite, Boden‘ sind maskulin, da der Ortsname lediglich Attribut ist, vgl. Gorre-Breizh (auch GorreVreizh) ‚Ostbretagne‘, Goueled-Breizh (Goueled-Vreizh) mask. ‚Westbretagne‘ gegenüber Breizh
fem. ‚Bretagne‘. Goueled-Breizh ist bei Cornillet wider Erwarten feminin, bei Hemon 1995 jedoch
maskulin. Die übrigen Wörterbücher machen keine Angabe.
95
96
BRITTA IRSLINGER
Die Personenbezeichnungen sind mit einem Anteil von 13,91 % die größte
Gruppe mit semantischer Genuszuweisung. Zusammen mit den übrigen Gruppen und den Kollektiva beträgt der Anteil der Substantive mit semantischer
Genuszuweisung mindestens 26,61 % am Gesamtlexikon.
Personenbezeichnungen
Unbelebte
„echte“ Kollektiva
Semantische Genuszuweisung (gesamt)
Anzahl
860
419
366
Anteil am Gesamtlexikon
13,91 %
6,78 %
5,92 %
1645
26,61 %
Übersicht 11: Semantische Genuszuweisung
3.3.3 Funktionale Regeln
Im Zusammenhang mit den semantischen Gruppen führen Favereau 1997: 67,
Kervella 1995: 196 f., § 295 auch Konversiva39 an, weil diese formal unmarkiert sind.
Es scheint jedoch adäquater, mit Di Meola 2007: 143 die Genuszuweisung anhand der „Integration bzw. Verwurzeltheit im mentalen Lexikon“ zu postulieren, wonach Wörter, die im nominalen Lexikon eine marginale Stellung haben,
ein bestimmtes Genus als Defaultgenus annehmen. Zu den Substantiven mit
geringem Intergrationsgrad gehören z. B. rezente Lehnwörter, Gelegenheitsbildungen und Neu-Nominalisierungen, die im Deutschen Neutra sind.
Im Bretonischen wird Gelegenheitsbildungen und Neu-Nominalisierungen
maskulines Genus zugewiesen.40 Zu den Gelegenheitsbildungen gehören u. a.
substantivierte Interrogativa (40), Pronomina (41) und Präpositionen (42) sowie Komposita mit Pronomina (43) (Favereau 1997: 66 f.).
(40) Favereau 1997: 66
gouzout
ar
penaos
hag
kennen.INF ART
wie
und
‚das Wie und das Warum kennen‘
ar
ART
perak
warum
(41) Kervella 1995: 229, § 368
ar
me,
an
te
ART ich
ART du
‚das Ich, das Du‘
39
Konversiva sind Neu-Nominalisierungen, die durch produktive Nullableitung (Konversion) entstanden sind (Di Meola 2007: 144).
40
S. zur diachronen Entwicklung Irslinger 2014: 83 f. Bei den Lehnwörtern unterscheidet sich das
Bretonische mit intensivem Kontakt zum Französischen als dominanter Sprache grundlegend vom
Deutschen und kann hier nicht weiter untersucht werden. Es zeigte sich allerdings, dass, falls das
Genus des Lehnworts nicht übernommen wird, der Wechsel frz. Femininum → bret. Maskulinum
häufiger ist als der umgekehrte Fall.
GENUS IM BRETONISCHEN
(42) araog mask. ‚Vorderteil‘
: a-raok ‚vorne, davor‘
diaraog mask. ‚Vorderteil‘41 : a-raok ‚vorne, davor‘
(43) hini-kreñv ‚Schnaps, Weinbrand‘ (wörtl. ‚ein Starker‘)42
peb-all mask. ‚der Rest, das Übrige‘ ← peb ‚jede(-r, -s)‘ + all ‚andere(-r, -s)‘
Hierher gehören auch zahlreiche Wörter der Kindersprache, soweit ihre Basen
onomatopoetisch oder anderweitig singulär sind. Meist sind diese mit -ig erweitert (44). Auch die Buchstabennamen (45) sind als marginal zu betrachten.
Satzartige Zusammenrückungen (46, 47) sind ebenfalls maskulin, wobei der
Typ in (47), bei dem zwei Konstituenten durch ein Possessivum der 3. Sg. mask.
verbunden sind, relativ frequent ist.43
(44) boubou mask. ‚Wehwehchen‘
toutouig mask. ‚Heia, Schlaf‘
(45) Kervella 1995: 196, § 295
daou a,
tri
b
zwei.M a
drei.M b
‚zwei a, drei b‘
(46) petrefe mask. ‚Dingsda‘
penefi mask. ‚(Herr/Frau) So-und-so‘
← petr(a) ‚was‘44 + ’vefe ‚wäre‘, d. h. ‚was wäre (es)‘
← pe ‚welche(-r, -s)‘ + anv ‚Name‘ + eo ‚ist‘ + hi ‚sie‘45
‚Welcher Name ist ihr?‘, ‚Welchen Namen hat sie?‘
(47) lonk-e-sizhun mask. ‚Trunkenbold‘ ← lonk ‚schluckt/schluckend‘ + e (POSS) + sizhun fem. ‚Woche‘
kar-e-vro mask. ‚Patriot‘
← kar ‚liebt/liebend‘ + e (POSS) + bro fem. ‚Land‘
lip-e-bav mask. ‚Leckerbissen‘ ← lip ‚leckt/leckend‘ + e (POSS) + pav mask. ‚Pfote‘
hej-e-lost mask. ‚Bachstelze‘
← hej ‚schüttelt/schüttelnd‘ + e (POSS) + lost mask. ‚Schwanz‘
Maskulin sind Substantivierungen von Adjektiven46 (48, 49) einschließlich
ihrer Steigerungsformen (50) und Adverbien, die Abstrakta bzw. Unbelebte
bezeichnen, während Bezeichnungen für Belebte je nach Sexus des Referenten maskulines oder feminines Genus haben (51) (Favereau 1997:
66, 31).
41
Komponiert mit der Präposition di- ‚da‘.
42
Vgl. Favereau 1997: 122 und oben (3.3.1).
43
Vgl. Favereau 1997: 82, Trépos 1996: 79. Das erste Element ist mehrdeutig, da es einerseits als
finites Verb in der 3. Person Singular Präsens interpretiert werden kann und dann vergleichbar
wäre mit Komposita wie dt. Vergissmeinnicht, Stelldichein, die mit einen Imperativ beginnen. Andererseits können Verbstämme auch adjektivisch gebraucht werden, d. h. lonk- ‚schluckend, der
schluckt‘ (Favereau 1997: 97 f.).
44
Das Interrogativum petra ‚was‘ ist seinerseits komponiert aus pe ‚was‘ + tra mask. ‚Ding‘.
45
Siehe Le Gonidec 1850: 477.
46
Hierher gehören auch Farbbezeichnungen, bei denen es sich um die substantivische Verwendung der jeweiligen Adjektive handelt, z. B. gwenn mask. ‚das Weiß‘ : gwenn ‚weiß‘. Diese sind
maskulin wie im Französischen, vgl. zu Letzterem Surridge 1989a: 32. Alternativ ist die Konstruktion mit liv mask. ‚Farbe‘ möglich, d. h. liv ruz ‚rote Farbe, Rot‘.
97
98
BRITTA IRSLINGER
(48) Favereau 1997: 31
ur
brav
eo
deoc’h!
ART
schön sein.PRS.3SG zu.2PL
‚das ist ein Glücksfall für Euch!‘ (ur brav wörtl. ‚etwas Schönes, eine schöne Sache‘)
(49) An Here 2001: 580, s. v. gwenn
ar Gwenn-ha-Du mask. ‚das Schwarz-und-Weiß‘
(Name der bretonischen Fahne, cf. banniel mask. ‚Fahne‘)
(50) Kervella 1995: 195, § 295
ar
gwashañ
a
zo
ART
schlimm.SUP REL.PTCL sein.PRS.REL
‚das Schlimmste, was es gibt‘
(51) ar geizh mask. ‚die Armen‘
dous fem. ‚Geliebte‘
Daneben gibt es auch ältere, überwiegend maskuline Eigenschaftsabstrakta,
vgl. (52). Bei den drei in Cornillet enthaltenen femininen Substantiven, die mit
Adjektiven homonym sind, handelt es sich nicht um Neunominalisierungen
(53). Bei kumun fem. ‚Gemeinde‘ wird Beeinflussung durch frz. commune
fem. ‚Gemeinde‘ angenommen, während reizh fem. ‚Recht, Justiz; Ordnung,
Gesetz; (grammat.) Geschlecht‘ in kymr. rhaith fem. ‚Gesetz‘ eine feminine
Entsprechung hat (zu tenn s. u.).47
(52) uhel mask. ‚Höhe, Erhebung‘ : uhel ‚hoch‘
mad mask. ‚Gutes, Wohl, Wohltat; Gut, Habe‘ : mat ‚gut‘
(53) reizh fem. ‚Recht, Justiz; Gesetz; (grammat.) Geschlecht‘ : reizh ‚gerecht, rechtschaffen, gerade‘
kumun fem. ‚Gemeinde‘ : kumun ‚gemeinsam, zusammen‘
tenn fem. ‚Gespann‘ : tenn ‚hart, mühsam, gespannt‘
Maskulin sind außerdem substantivierte Infinitive (54) sowie Deverbativa,
d. h. Substantive, die mit dem Verbalstamm identisch sind (55, 56). Letztere
werden bei suffigierten Infinitiven wie in (55) durch Weglassen des Infinitivsuffixes gebildet, d. h. berr-aat Inf. ‚kürzen, kürzer machen‘ → berr mask.
‚Kürzung, Kürzen‘. Bei Infinitiven ohne Infinitivsuffix sind beide Bildungen
identisch wie in (56), d. h. bale Inf. ‚marschieren‘ → bale mask. ‚Marsch‘.
(54) Favereau 1997: 67, Poher
da
c’hortoz
ar
paeo
zu
warten.INF
ART
bezahlen.INF
‚um die Zahlung zu erwarten‘ (wörtl. ‚um das Bezahlen zu erwarten‘)
47
Vgl. noch abret. reith gl. lex uel regula, mkymr. reith, kymr. rhaith fem. ‚Gesetz, Eid, Urteil,
Wiedergutmachung‘, mkymr. cyfreith fem. ‚Gesetz, Brauch‘. Diese Wörter werden mit air. recht
(urspr. neutr.?, mask. u) ‚Gesetz, Recht‘ verglichen und aus dem ursprünglichen Neutrum *h3regtu- zu *h3reg- ‚gerade richten, ausstrecken‘ (LIV 270, IEW 854 f.) hergeleitet (Irslinger 2002:
120). Allerdings würde das Genus der britannischen Wörter eher für eine andere Stammbildung
sprechen, z. B. einen ti-Stamm.
GENUS IM BRETONISCHEN
(55) Favereau 1997: 67, Groix
gober
ur
berr
machen.INF
ART Kürzung
‚das Seil kürzen‘ (wörtl. ‚eine Kürzung machen‘)
(56) Favereau 1997: 67
ober
ur
bale
ART Marsch
machen.INF
‚einen Marsch machen‘
Anzahl
Konversiva mask. (gesamt)
54
Anteil
0,87 %
11
2
7
5
5
4
1
19
Adjektive (A: 3 fem.)
Adverbien
Pronomina
Infinitive
Zahlwörter
Präpositionen / Adjektive (+ 11 mit -(ed)ig, s. u. 3.3.6.1)
Kindersprache (+ 11 mit -ig, s. u. 3.3.6.1)
satzartige Zusammenrückungen
Übersicht 12: Konversiva mit maskulinem Defaultgenus
In Cornillet 2000 gibt es 663 underivierte Substantive, deren zugehöriges
Verb identisch ist (respont mask. ‚Antwort‘ : respont ‚antworten‘) oder sich
lediglich durch ein Infinitivsuffix und ggf. Umlaut des Wurzelvokals unterscheidet (karg fem. ‚Last‘ : kargañ ‚beladen‘, rog mask. ‚Riss‘ : regiñ ‚reißen‘).48
Diese Substantive sind überwiegend maskulin und fungieren als Nomina actionis bzw. deren typische Lexikalisierungen (Nomina subjecti, objecti, loci,
instrumenti oder resultativa) (Übersicht 13).
Anzahl
Anteil
Substantiv = Infinitiv (± Infinitivsuffix)
663
100,00 %
mask.
fem.
koll.
variabel (3 mask./koll., 5 mask./fem.)
567
78
10
8
85,52 %
11,76 %
1,51 %
1,21 %
Übersicht 13: Genus von Substantiven mit zugehörigen Verben
Die maskulinen Deverbativa wie in Bsp. (57) aus Kervella 1995: 197, § 295
unterscheiden sich formal jedoch in keiner Weise von primären Verbalabstrakta mit danebenstehendem denominalem Verb, d. h. von Paaren, bei denen die
48
Diese relativ niedrige Zahl resultiert aus dem selektiven Ansatz des Wörterbuchs, während es
tatsächlich erheblich mehr solcher Substantiv-Verb-Paare gibt. Nicht berücksichtigt wurden in
Übersicht (13) Infinitive auf -aat und -a, die denominale Verben bilden.
99
100
BRITTA IRSLINGER
Ableitungsrichtung entgegengesetzt und das zugrunde liegende Substantiv ggf.
ein ererbtes oder entlehntes Femininum ist (58).49 In seltenen Fällen gibt es
zwei homonyme Bildungen mit unterschiedlichem Genus (59), wobei das
Maskulinum hier die deverbative Bedeutung ausdrückt.
(57) troc’h-añ ‚einschneiden‘
→ troc’h mask. ‚Einschnitt, Unterbrechung‘
(58) gwerzh fem. ‚Verkauf‘
karg fem. ‚Last, Bürde‘
→ gwerzh-añ ‚verkaufen‘
→ karg-añ ‚beladen‘
(59) gwask-añ ‚drücken, pressen‘ ↔ gwask mask. ‚Druck, Zwang‘
gwask fem. ‚Presse, Druckmaschine; Wäschemangel, -klammer‘
Noch schwieriger ist die Bestimmung des Ausgangspunkts der Sippe in (60).
Während tenn mask. ‚Schuss‘ als Deverbativum zu tennañ ‚schießen, (aus-,
weg-)ziehen‘ analysiert werden kann, dürfte tenn fem. ‚Gespann, Joch‘ eher
auf das homonyme Adjektiv zu beziehen sein und könnte, auch aufgrund der
konkretisierten Bedeutung, ein ursprüngliches Femininum fortsetzen.50
(60) tennañ ‚schießen, (heraus-, weg-)ziehen‘
tenn adj. ‚hart, mühsam, gespannt‘
→ tenn mask. ‚Schuss‘
↔ tenn fem. ‚Gespann, Joch‘
Allerdings lassen sich die Feminina meist aufgrund ihrer Semantik als primäre
Substantive erkennen, die, wie die Bsp. (59, 60 und 61) zeigen, keine Nomina
actionis, sondern Konkreta bezeichnen. Eine Untergruppe sind Bezeichnungen
für Gefühle, psychische Zustände oder geistige Tätigkeiten (62). Zudem lassen
sich diese Substantive z. T. als deriviert analysieren, wenngleich die betreffenden
Suffixe unproduktiv oder entlehnt sind (kaou-ed, tru-ez, faltaz-i, stud-i).
(61) kaoued fem. ‚Käfig‘
krib fem. ‚Kamm‘
noz fem. ‚Nacht‘
kador fem. ‚Stuhl‘
→ kaouedañ ‚in einen Käfig sperren‘
→ kribañ ‚kämmen‘
→ noziñ ‚Nacht werden‘
→ kadoriañ ‚ernennen, in ein Amt einsetzen‘
(62) kounnar fem. ‚Zorn‘
truez fem. ‚Mitleid‘
doan fem. ‚Kummer‘
faltazi fem. ‚Phantasie‘
studi fem. ‚Studium‘
→ kounnariñ ‚zürnen‘
→ trueziñ ‚bemitleiden‘
→ doaniañ ‚bekümmern‘
→ faltaziañ ‚sich vorstellen‘
→ studiañ ‚studieren‘
49
Bret. gwerzh fem. ‚Verkauf‘ < urkelt. *gʷertā- fem., cf. air. gert fem. ā alle Rinderprodukte außer
den Kälbern, i. e. ‚Milch‘, ‚Dung‘ (Schrijver 1996: 201; Irslinger 2002: 144). Mask. oder Neutr. sind
allerdings die Entsprechungen mkymr., kymr. gwerth mask. ‚Wert, Preis‘ und germ. *werþo- in
got. waírþ neutr.? a ‚Preis‘, ahd. werd mask./neutr., ae. weorþ neutr. ‚Wert, Preis‘ usw. Casaretto
2004: 93 rechnet im Germ. mit Substantivierungen des Adjektivs germ. *werþa- ‚wert‘. Ein solcher
adjektivischer Ursprung könnte auch die Genusunterschiede im Keltischen erklären.
Bret. karg fem. ‚Last‘ < vlat. *carrica fem. ‚Last, Ladung‘ (Deshayes 2003: 371; Ernoult-Meillet
1976: 182).
50
Vgl. zur Etymologie LEIA-T 49 s. v. tenn, tendait.
GENUS IM BRETONISCHEN
3.3.4 Abstraktere Klassifizierungsprinzipien
Zahlreiche Forscher postulieren die Korrelation von Genus mit abstrakteren,
nicht auf den ersten Blick erkennbaren Klassifizierungsprinzipien, bei denen
die Substantivkategorie eine Rolle spielt. Im Deutschen sind z. B. Oberbegriffe
bzw. Kollektiva meist Neutra, vgl. Obst neutr., Tier neutr., während die zugehörigen Unterbegriffe Maskulina oder Feminina sind, vgl. Apfel mask., Birne
fem., Hund mask., Katze fem. Allerdings können Kollektiva auch mit Suffixen
gebildet sein, die nicht immer neutrales Genus zeigen, vgl. Ge-birge neutr.,
Mann-schaft fem. Auch Massennomina sind oft neutral, vgl. Wasser neutr.,
Salz neutr., Öl neutr., aber keineswegs ausschließlich, vgl. Sand mask., Essig
mask., Schrott mask., Lauge fem., Kohle fem., Milch fem. (Köpcke / Zubin
2009, Di Meola 2007: 143).
Ein anderes Klassifizierungsprinzip postuliert Weber 2000: 506; 2001: 113 ff.
Nach ihr liegt die Funktion von Genus in der Perspektivierung von Nomina
anhand des Nominalaspekts, insbesondere anhand des Merkmals [± partikularisierend]. Dieses Merkmal umfasst Unterscheidungen wie [± Begrenztheit], [± innere Strukturierung] und [± Teilbarkeit], die den traditionelleren
Termini wie Individuativa vs. Kontinuativa bzw. zählbare Substantive vs.
Massennomina und Kollektiva oder Konkreta vs. Abstrakta zugrunde liegen.51
In Zwei-Genus-Systemen sei jeweils ein Genus mit der An- bzw. Abwesenheit
dieses Merkmals korreliert.
Im Deutschen sei das Maskulinum mit Individuativa [+ partikularisierend], das
Femininum mit Abstrakta [– partikularisierend] und Kollektiva/Massennomina
mit dem Neutrum [– partikularisierend] assoziiert. Diese Unterscheidung sei
auch innerhalb des Sekundärwortschatzes präsent. Die deverbalen Bildungen
Dreh mask. / Drehung fem. / Drehen neutr. belegen verschiedene Positionen
innerhalb des Kontinuums von Individualität und Kontinuativität.
Die Überprüfung des Sekundärwortschatzes der britannischen Sprachen lieferte jedoch keine vergleichbare Korrelation von Femininum und Abstraktion
(Irslinger 2014: 96 f.). Vielmehr wechselten im Urbritannischen viele Abstraktsuffixe ins Maskulinum. Im Kymrischen hat sich diese Entwicklung fortgesetzt, während im Bretonischen durch lateinischen und französischen Einfluss
feminine Suffixe zugenommen haben. Zwar kodiert das Bretonische bei verschiedenen Bildungen des Sekundärwortschatzes Nominalaspekt, doch ist diese Kodierung nicht an ein bestimmtes Genus gekoppelt, vgl. z. B. die femininen Suffixe -adenn fem. und -adeg fem. Ersteres bezeichnet eine einzelne
51
S. die ausführliche Diskussion dieser Hypothese in Irslinger 2010a und 2014.
101
102
BRITTA IRSLINGER
Handlung, Letzteres eine komplexe Handlung oder ein Ereignis mit vielen
Teilnehmern wie in (ober un) neunviadenn ‚(allein) schwimmen, (eine
Schwimmtour machen)‘ vs. redadeg ‚Wettrennen‘.
Für den kleinen Teilbereich der Kollektiv-Singulativ-Paare kann die Korrelation von Genus mit Nominalaspekt bejaht werden. Hier erfolgt die Markierung allerdings nicht primär durch Genus, weil die Singulativa das zusätzliche Suffix -enn tragen (Irslinger 2014: 95). Ausgehend von dieser Gruppe
wurde die Korrelation des Maskulinums mit den Merkmalen [+ generell,
abstrakt, komprehensiv, kollektiv] und des Femininums mit den Merkmalen
[+ punktuell, konkret, individuell, singulativ] in gewissem Umfang produktiv,
s. u. 3.3.7.3.
3.3.5 Formale Regeln: Phonetische Faktoren
3.3.5 Silbenzahl und Wurzelvokal
Wie für zahlreiche Sprachen festgestellt wurde, können, abgesehen von den
Ausgängen, weitere phonetische Faktoren wie die Farbe von Wurzel- oder Suffixvokalen, Phoneme und Phonemfolgen im Anlaut sowie Wortstruktur und
Silbenzahl bei der Genuszuweisung eine Rolle spielen.52 So sind nach Surridge
1989b: 203 im Kymrischen z. B. Wörter mit den Anlauten gl-, gn-, go- und grganz überwiegend maskulin.
In zahlreichen Sprachen wurde eine Korrelation von Silbenzahl und Genus
festgestellt. Im Deutschen sind Einsilbler tendenziell eher maskulin und einsilbige künstliche Wörter werden von Muttersprachlern mehrheitlich als
maskulin klassifiziert (Di Meola 2007: 140).53
Im Bretonischen besitzen Feminina durchschnittlich mehr Silben aufgrund der
Tatsache, dass sie überwiegend deriviert sind. Betrachtet man allerdings ausschließlich underivierte, unkomponierte Lexeme,54 so zeigt sich, dass der Anteil von Ein- und Zweisilblern bei beiden Genera fast identisch ist (Übersicht 14).
Die Durchsicht einer Stichprobe ergab außerdem keinen Zusammenhang zwischen der Farbe des Wurzelvokals oder dem Auslaut (Konsonant oder Vokal)
und dem Genus eines Wortes.
52
Vgl. zum Französischen z. B. Tucker / Lambert / Rigault 1977: 57, Surridge 1984: 70; 1989a:
18 ff., zum Schottisch-Gälischen Ó Muirí 1986: 423 ff., zum Irischen Hickey 2011: 159 ff., zum
Deutschen Köpcke / Zubin 1996: 475 ff.; 2009: 136 f.
53
Surridge 1989b: 206 vermutet im Kymrischen einen Zusammenhang zwischen Silbenzahl und
Genus, hat diesen jedoch nicht untersucht. S. zu den Regeln bei Einsilblern im Irischen Ó Muirí
1992: 231 ff.
54
Mitgezählt wurden jedoch die derivierten oder komponierten Substantive mit unerwartetem Genus wie plijadur f. ‚Vergnügen‘, kennerzh f. ‚Trost‘, korfken(n) f. ‚Korsett‘.
GENUS IM BRETONISCHEN
Maskulina (1441 Substantive)
Feminina (418 Substantive)
einsilbig
732
50,80 %
202
48,32 %
zweisilbig
630
43,72 %
175
41,87 %
dreisilbig
76
5,27 %
38
9,09 %
viersilbig
3
0,21 %
3
0,72 %
Übersicht 14: Genus und Silbenzahl
3.3.5.2 Mutationsfähigkeit des Anlauts
Phonetische Faktoren können Genuswechsel bewirken. Z. B. zeigen Wörter
mit vokalischem Anlaut im kanadischen Französisch die Tendenz zum
Wechsel ins Femininum, vor allem im niedrigen Register (Surridge 1984:
70). Dies korrespondiert mit der Feststellung von Tucker / Rigault / Lambert
1977: 57, dass Lerner des Französischen größere Probleme bei der richtigen
Genuszuweisung bei Wörtern mit vokalischem Anlaut haben, weil weder der
Artikel noch die Possessiva über differenzierende Formen verfügen.
In ähnlicher Weise könnten im Bretonischen mutationsfähige Anlaute als overte
Genusmarker für das Femininum stabilisierend wirken, während nicht-mutationsfähige Anlaute Genusschwankungen oder den Übertritt ins Maskulinum
begünstigen. Zur Überprüfung dieser Hypothese wurde exemplarisch die
Frequenz von Maskulina und Feminina bei Substantiven mit vokalischem Anlaut untersucht, wobei die komplette Datensammlung inklusive Derivate und
Komposita herangezogen wurde (Übersicht 15). Der Anteil der Feminina ist
bei Substantiven mit vokalischem Anlaut in der Tat signifikant niedriger als
bei den Substantiven insgesamt (Faktor 1.23, p < 0.05). Andererseits ist er aber
auch nicht so niedrig, dass man schließen könnte, dass bei dieser Gruppe das
Femininum im Schwinden begriffen sei oder dass sich daraus eine Regel ableiten ließe, die bei vokalischem Anlaut maskulines Genus zuweist.
Anlaut55
Lexeme
<a>
<e>
<i>
<o>
<u>
gesamt
Anteil
246
145
76
79
27
573
100,00 %
Maskulina
151
100
46
41
16
354
61,78 %
Feminina
72
32
21
21
10
156
27,23 %
Übersicht 15: Genusdistribution bei underivierten Substantiven mit vokalischem Anlaut (ohne
Kollektiva und mask./fem.)
55
Das Graphem (einschließlich seiner Kombinationen) steht für die von ihm repräsentierten Anlautvokale sowie zugehörige Diphthonge.
103
104
BRITTA IRSLINGER
3.3.6 Formale Regeln: Suffixe und Ausgänge
Im Gegensatz zur vorausgehenden, formal heterogenen Gruppe ist bei dem mit
Suffixen abgeleiteten Teil des Wortschatzes das Genus an das Suffix gekoppelt
und damit prinzipiell overt. Ausnahmen bilden einerseits Suffixe, die das Genus der Basis beibehalten, sowie andererseits homonyme Suffixe, bei denen
das unterschiedliche Genus der Bildungen mit unterschiedlichen Bedeutungen
korreliert. Neben der Pluralbildung ermöglicht hier vor allem die Semantik die
eindeutige Zuordnung. Die Klassifizierung eines Wortes als Suffixbildung
setzt also eine synchrone Wortbildungsregel voraus, die die Zerlegung in Ableitungsbasis und Suffix erlaubt, wobei bei einer substanziellen Anzahl der
Bildungen die jeweiligen Basen auch vorliegen müssen.
Fehlen entsprechende Wortbildungsregeln und Ableitungsbasen, so liegen keine Suffixe, sondern lediglich „Ausgänge“ vor, d. h. identische Phonemfolgen
am Wortende, die mit den Suffixen jedoch homonym sein können.56 Homonyme Ausgänge haben nicht zwingend denselben Ursprung, sondern können
auf ererbten, unanalysierbar gewordenen Suffixbildungen beruhen, verdunkelten Komposita sowie Lehnwörtern, die entweder ebenfalls ein Suffix enthalten,
oder die zufällig dieselbe Phonemfolge aufweisen, vgl. z. B. Personenbezeichnungen auf -ad mask. (63):
(63) a. Breizhad mask. ‚Bretone‘
b. retredad mask. ‚Rentner’
: Breizh fem. ‚Bretagne‘
: retred mask./fem. ‚Rente‘
< frz. retraite fem. ‚Rente‘
c. abad mask. ‚Abt‘ < abret. apat, britann. Lehnwort < lat. abbātem, Akk.Sg. zu abbās mask. ‚Abt‘
d. kamelad mask. ‚Kamerad‘
< frz. camarade mask. ‚Kamerad‘57
Breizhad (63a) und retredad (63b) sind Suffixbildungen, wobei erstere von einer
einheimischen, letztere von einer entlehnten Basis abgeleitet wurde. Hingegen
liegen bei (63c, d) Ausgänge unterschiedlichen Ursprungs vor (63c lat. stammbildendes *-at-, 63d span. -ado- < lat. Suffix *-atu-), die synchron jedoch mit
dem produktiven Wortbildungsmuster assoziiert werden können. Was im konkreten Fall zutrifft, lässt sich nur mit Hilfe diachroner Analysen entscheiden.
Eine strenge Trennung zwischen beiden ist nicht immer möglich, da in etlichen
Fällen ererbte oder entlehnte Substantive modifiziert und damit formal an eine
mit produktivem Suffix abgeleitete Gruppe angeglichen wurden. So erscheint
ab dem Fnbret. (al)hueder mask. ‚Lerche‘ mit dem Ausgang -er neben ererb56
Strikt synchrone Untersuchungen rechnen die Ausgänge nicht zu den morphologischen, sondern
zu den phonetischen Faktoren, vgl. z. B. Bull 1965: 108 f., Tucker / Rigault / Lambert 1970, 1977.
Ansätze, die nur die Form berücksichtigen und diese Suffixe dann als mehrdeutig klassifizieren,
gelten jedoch inzwischen als überholt, vgl. Nelson 2005: 23 ff.
57
Ursprünglich ‚Zimmergenosse (beim Militär)‘ < span. camarada ‚dass.‘ (Deshayes 2003: 362).
GENUS IM BRETONISCHEN
tem alc’hwedez, vgl. mbret. huedez, ehuedez, kymr. ehedydd (64a). Nach
Deshayes 2003: 312 stammt bret. gwiñver ‚Eichhörnchen‘ aus lat. vīverra fem.
‚Frettchen‘ (64b). Die Assoziation mit den maskulinen Nomina agentis auf -er
bewirkte offensichtlich einen Genuswechsel, dessen Reichweite die Wörterbücher unterschiedlich einstufen, vgl. Cornillet, An Here: mask./fem., Hemon
1995, Deshayes 2003: mask., Meurgorf: mask. und manchmal fem., Favereau
1993: mask., fem. im Tregerieg.
(64) a. bret. alc’hweder mask. ‚Lerche‘ ← bret. alc’hwedez mask. ‚Lerche‘
mbret. huedez, ehuedez, kymr. ehedydd mask. ‚Lerche‘
b. bret. gwiñver mask./fem. ‚Eichhörnchen‘ < lat. vīverra fem. ‚Frettchen‘
3.3.6.1 Suffixe, die das Genus der Basis beibehalten
-(i)ad58
Ableitungen auf -(i)ad bezeichnen je nach Semantik der Basis Inhalte, Schläge
oder an bestimmten Körperteilen lokalisierte Krankheiten, vgl. z. B. bagad
fem. ‚Fracht‘ : bag fem. ‚Boot‘, begad mask. ‚Bissen‘ : beg mask. ‚Mund,
Schnabel‘, jodad fem. ‚Ohrfeige‘ : jod fem. ‚Wange‘, meudad mask. ‚Daumenleiden; Fingerspitze, Prise‘ : meud mask. ‚Daumen‘. Bei friad mask. ‚Nasenleiden; Schlag auf die Nase; Prise Schnupftabak‘ : fri mask. ‚Nase‘ sind alle
drei Bedeutungen belegt.
Maskulin sind Bildungen, die synchron keine substantivische Basis besitzen
(vgl. 3.3.3 zum Genus von Substantivierungen). Hierzu gehören z. B. kementad
‚Menge‘ : kement adj. ‚soviel, all, jede(r, -s)‘, martezead ‚Annahme, Hypothese‘ : marteze adv. ‚vielleicht‘, meuriad ‚Volksstamm‘ : meur adj. ‚groß‘ sowie
piñsad ‚Fingerspitze, Prise‘ : pinsañ ‚einklemmen, kneifen‘ und kavad ‚Fund,
Einfall‘ : kavout ‚finden‘, die nur auf Verben bezogen werden können.
Nach Hemon 1975: 28 besteht im Leoneg die Tendenz, Bildungen mit diesem
Suffix feminines Genus zuzuweisen.
-ig
Das Suffix -ig bildet Diminutiva wie karrig mask. ‚Wägelchen‘ : karr mask.
‚Wagen‘, rannig fem. ‚Partikel‘ : rann fem. ‚Teil‘, steredennig fem. ‚Sternchen‘ : steredenn fem. ‚Stern‘ (Favereau 1997: 79). Bei diesen Bildungen handelt es sich um Diminutiva im engeren Sinn, d. h. die ig-Bildung bezeichnet
eine kleinere oder jüngere Form des Referenten.
Weiterhin ist -ig häufig in Namen für kleine Tiere, Vögel, Insekten, Blumen und
Kräuter, wo es, ähnlich wie in dt. Rotkehlchen, Schneeglöckchen oder Glühwürmchen teilweise als verblasst gelten kann. Beispiele sind yarig-Doue fem. ‚Ma58
Vgl. Favereau 1997: 73, Hemon 1975: 27 f., Trépos 1982: 42–45.
105
106
BRITTA IRSLINGER
rienkäfer‘ (yar fem. ‚Huhn‘ + doue mask. ‚Gott‘), penndu(ig) mask. ‚Kohlmeise‘
(penn mask. ‚Kopf‘ + du ‚schwarz‘), karv(ig)-lann mask. ‚Heuschrecke‘ (karv
mask. ‚Hirsch‘ + lann mask. ‚Heide‘), erminig mask. ‚Hermelin‘ (ermin mask.
‚dass.‘), tommheolig mask. ‚Gänseblümchen‘ (tomm ‚heiß‘ + heol mask. ‚Sonne‘).
Bei anderen ig-Bildungen drückt das Suffix eher Emphase aus, vgl. z. B. allazig
mask. ‚Streicheln, Liebkosung‘ : allaz ‚Ach!‘ (Interjektion) sowie Wörter aus
der Kindersprache, vgl. z. B. toutouig mask. ‚Heia, Schlaf‘. Diese Bildungen
sind maskulin, ebenso wie deadjektivische Objektbezeichnungen, vgl. madig
mask. ‚Bonbon, Süßigkeit‘ : mat ‚gut‘, bravig mask. ‚Schmuck, Spielzeug‘ :
brav ‚schön‘ (s. o. 3.3.3).
Das Suffix -vezh bezeichnet Zeiträume, z. B. devezh mask. ‚Dauer eines Tages‘ :
deiz mask. ‚Tag‘, nozvezh fem. ‚Dauer einer Nacht‘ : nozh fem. ‚Nacht‘
(Favereau 1997: 81). Nach Hemon 1975: 28 besteht auch hier im Leoneg die
Tendenz, Bildungen mit diesem Suffix feminines Genus zuzuweisen.
Anzahl
Anteil
209
189
20
3,38 %
-ig (gesamt)
Diminutiva
Tier- und Pflanzennamen
Emphatische Bezeichnungen
Kindersprache
deadjektivisch -ig (7), -edig (4)
71
21
25
3
11
11
1,15 %
-vezh
20
0,32 %
-ad (gesamt)
Inhalt, Kollektiv, Gesamtheit
Schläge, Krankheiten
Dauer, Zeitraum
Übersicht 16: Suffixe ohne Genuswechsel
3.3.6.2 Homonyme Suffixe
Die Suffixe -eg und -erezh bilden Ableitungen mit maskulinem wie auch mit
femininem Genus unterschiedlicher Bedeutung:
-eg bildet feminine Bezeichnungen für Orte oder Sammlungen wie segaleg
fem. ‚Roggenfeld‘ : segal mask./koll. ‚Roggen‘ oder levraoueg fem. ‚Bibliothek‘ : levr mask. ‚Buch‘. Bezeichnungen für Sprachen sind maskulin, vgl.
brezhoneg mask. ‚Bretonisch‘, saozneg mask. ‚Englisch‘ (Favereau 1997: 76).
-erezh bildet desubstantivische maskuline Tätigkeitsbezeichnungen wie peskerezh mask. ‚Fischerei(handwerk)‘ : pesk mask. ‚Fisch‘ sowie feminine Ortsbezeichnungen, z. B. peskerezh fem. ‚Fischgeschäft‘ : pesk mask. ‚Fisch‘
(Favereau 1997: 77).
GENUS IM BRETONISCHEN
3.3.6.3 Umfang formaler Markierung bei Maskulina und Feminina
Der unterschiedliche Umfang formaler Marker bei beiden Genera ergibt sich
aus den Übersichten (17, 18), die sowohl Suffixbildungen59 umfassen wie auch
größere Gruppen mit identischen Ausgängen.
Wie die Übersicht zeigt, gilt bei einer Reihe homonymer Suffixe bzw. Ausgänge zusätzlich eine semantische Regel. Übersicht (17) gibt die Anzahl der
Substantive sowie den prozentualen Anteil bezogen auf die Gesamtheit der
Datensammlung (6183 Lemmata) an. Komposita wurden als eigene Lemmata
mitgezählt. In der rechten Spalte ist jeweils die Anzahl der regelkonformen
Substantive gelistet. Ausnahmen, die nur vereinzelt auftreten, erscheinen in der
linken Spalte nach „A:“. Insgesamt sind die Gruppen sehr einheitlich.
Die Liste der Ausgänge könnte noch erweitert werden, insbesondere, wenn
man höhere Ausnahmequoten akzeptiert. Problematisch sind allerdings sehr
kleine Gruppen, da das Fehlen von Feminina mitunter dem begrenzten Umfang
der Datensammlung von Cornillet 2000 geschuldet ist. Drei Lehnwörter auf
-ist (kolist mask. ‚Messdiener‘, sakrist mask. ‚Küster‘, tourist mask. ‚Tourist‘)
werden als Personenbezeichnungen bereits über das semantische Genus als
Maskulina klassifiziert. Bemerkenswert ist der Genuswechsel zahlreicher frz.
Entlehnungen auf -ique fem., von denen lediglich bret. republik ‚Republik‘
und barrik fem. ‚Fass‘ das feminine Genus bewahren. Das Letztere besitzt die
suffigierte Nebenform barrikenn, mit -enn fem. (65).
(65) frz. musique fem. ‚Musik‘
frz. mécanique fem. ‚Mechanik‘
frz. politique fem. ‚Politik‘
frz. république fem. ‚Republik‘
frz. barrique fem. ‚Fass‘
→ bret. muzik mask.
cf. bret. sonerezh mask. ‚Musik‘
→ bret. mekanik mask. ‚Dreschmaschine, Maschine, Werkzeug‘
→ bret. politik mask.
cf. bret. politikerezh mask.
→ bret. republik fem.
→ bret. barrik fem. ‚Fass‘, Nebenform: barrikenn fem.
Einen Genuswechsel zeigen auch Sprachbezeichnungen auf -eg, z. B. Brezhoneg
mask. ‚bretonisch(e Sprache)‘ gegenüber kymr. Brythoneg fem. ‚britisch‘
< *Brittonikā oder britann.-lat. Brittanica (lingua). Den Ausschlag gab die
Analyse als substantiviertes Adjektiv, vgl. frz. le breton (Irslinger 2014: 90).
Übersicht (18) gibt die entsprechende Aufstellung für die Feminina. Auch hier
sind Ausnahmen selten, abgesehen vom Suffix -ell. Als produktives Suffix ist
es feminin, und dieses Genus haben auch die erweiterten Suffixe -idell, -igell
usw. Daneben gibt es jedoch zahlreiche Lehnwörter aus dem Lat. und Frz., so
dass 137 femininen Bildungen 23 nicht-feminine gegenüberstehen, was einem
Anteil von 16,79 % entspricht.
59
Vgl. zu den einzelnen Suffixen Favereau 1997: 73–81, zu den Abstrakta bildenden Suffixen und
ihrer diachronen Entwicklung Irslinger 2014: 71 ff.
107
108
BRITTA IRSLINGER
Bei den enn-Bildungen60 sind die beiden Ausnahmen amanenn mask. ‚Butter‘
und tevenn mask. ‚Steilküste, Felswand, Düne‘, die maskuline Entsprechungen im Kymrischen besitzen, vgl. kymr. ymenyn, menyn, emenyn mask. ‚Butter‘, mkymr., kymr. tywyn mask. ‚Strand, Küste, Düne‘. Es handelt sich damit nicht um bretonische Neubildungen mit produktivem femininen -enn,
sondern um Erbwörter, die ihr angestammtes Genus beibehalten haben.
Während im Kymrischen die Suffixvarianten -yn mask. und -en fem. erhalten
sind, fiel im Abret. die maskuline mit der femininen Variante lautlich zusammen und verschwand, so dass nur -enn fem. fortgesetzt ist (Irslinger
2014: 105).
Ausgänge mit femininem Genus sind selten. Zu -añs und -ion, -sion kommen
noch die mehrheitlich femininen Bildungen auf -tur, von denen Cornillet jedoch nur zwei listet.
Anzahl
Bezeichnungen für Männer, Berufsbezeichnungen
Nomina agentis -er (253), -our (64)
Einwohner -ad (21)
Tiere -er (9, davon 5 Ausgänge; A61: 1 mask./fem.)
Maschinen, Geräte
-er (32 + 2 frz.), -our (2 frz.) (A: 2 fem.: kaoter62 + 1 Komp.)
Anteil
347
36
60
Die Gruppe enthält auch einige wenige Bildungen, die synchron keine Ableitungsbasis besitzen,
wie aotenn fem. ‚Rasiermesser‘ oder telenn fem. ‚Harfe‘, d. h. bei denen -enn kein Suffix, sondern
Ausgang ist. Dasselbe gilt für dienn mask. ‚Sahne‘, das, falls es nach Favereau 1993: 147 zu kymr.
dien ‚fein, schön, klar‘ gehört, ein substantiviertes Adjektiv und keine mask. enn-Bildung fortsetzt.
Unklar ist die Zugehörigkeit zweier Lehnwörter, bret. pallenn mask. ‚Decke‘ und plankenn mask.
‚Planke‘, die in Cornillet mit jeweils zwei Komposita gelistet sind und damit sechs maskuline ennBildungen stellen. Bret. pallenn wird von lat. palla fem. ‚Obergewand, Mantel‘ hergeleitet und
besitzt eine feminine Entsprechung in kymr. pall fem./mask.? ‚Mantel, Vorhang, Decke‘, Diminutiv pallen fem. (Deshayes 2003: 554). eGPC erwägt für das kymr. Wort die Entlehnung über afrz.
paile (auch paille, palle, pale usw.) ‚wertvolles Gewebe, Vorhang, Teppich‘, für das Godefroy 1888,
Bd. 5, 87b mask. und fem. Genus gibt. Bret. plankenn ist entlehnt aus normann.-frz. planque,
plance, planke fem. ‚kleine Holzbrücke‘, frz. planche fem. (Deshayes 2003: 583). Favereau 1993:
s. vv. listet die Substantive als planken(n) und pallen(n) und erwägt damit offensichtlich alternativ
den Ausgang -en.
61
62
A = Ausnahme.
Bret. kaoter fem. ‚Kochtopf, Kessel‘ setzt wie akorn. caltor gl. cacabus, mkymr., kymr. callawr,
callor fem. ‚Kessel‘ ein gesamtbritann. Lehnwort aus lat. caldāria fem. ‚Warmbadzelle, Kochtopf‘
fort (Haarmann 1973: 24). Der Erhalt des ursprünglichen Genus ist in Anbetracht der Masse maskuliner er-Bildungen bemerkenswert (falsch kaoter mask. in Deshayes 2003: 369).
GENUS IM BRETONISCHEN
Anzahl
Eigenschaftsabstrakta
-der/-ter63
Sprachen
-eg
Nomina loci
-va (7)
Komposita mit ti mask. ‚Haus‘ (14 Typ ti-kêr ‚Rathaus‘, 16 Typ
maerdi ‚Rathaus‘)64
Ordinalzahlen
-ved (2)
Anteil
27
25
37
2
Nomina actionis
-adur (48; A: 1 fem.), -aj/-ach (46; A: 1 fem., 1 mask./fem.),
-amant (18; 1 fem.)65, -erezh (80)
192
Gesamt: Suffixe
666
Ausgänge (Auswahl)
-ac’h in Mehrsilblern (7; A: 1 mask./Koll.)
-ad: Personen (41)
-an: Personen (28), Tiere (15; A: 2 fem., 1 Koll.)
-ard: Personen (8), Tiere -ard (2), sonstige (A: 1 fem.)
-eg: Tierbezeichnungen (16) (A: 2 fem.: kazeg ‚Stute‘ + 1
Komp., 1 Koll.)
-ik (Lehnwörter) (9; A: 1 fem.)
-ist Personen (3)
-od: Personen (7)
-où z. T. urspr. Plurale (19; A: 2 Koll.)
-str (16; A: 1 Koll.)
-tr (4)
165
Maskulina mit overter Genusmarkierung (Suffixe + Ausgänge)
831
10,77 %
13,44 %
Übersicht 17: Formale Genuszuweisung bei Maskulina
63
Nach Favereau 1997: 76 mit einigen Ausnahmen.
64
Umstritten sind Genus und Ursprung von abati ‚Abtei‘. Nach Le Menn 2005: 36 ist das Wort
entlehnt aus lat. abbātia fem. ‚Abtei‘. Belege für fem. Genus sind z. B. das lenierte Epithet in Abaty
Velrepos (GReg 103b, 1732) sowie in den modernen Dialekten Phrasen wie an abati zu ‚die
schwarze Abtei‘ (mit leniertem Adj., Langonet). Zahlreiche Lexikographen analysieren das Wort
jedoch als Kompositum aus abad mask. ‚Abt‘ + ti mask. ‚Haus‘ und geben mask. Genus an (u. a.
Deshayes 2003: 45, GIB, Favereau 1993, Cornillet 2000, Hemon 1995). Auch nach Meurgorf ist
das Wort mask., die gelegentlichen fem. Belege seien durch frz. oder lat. Einfluss zu erklären.
65
Enthält auch Lehnwörter sowie 3 Bildungen mit -imant, von denen batimant ‚Schiff‘ fem. ist.
Dialektal sind weitere Bildungen wie gouarnamant ‚Regierung‘, paeamant ‚Bezahlung‘ fem.
109
110
BRITTA IRSLINGER
Anzahl
Motionsfeminina zur Markierung von weibl. Sexus (gesamt)
Personen -ez (43), -erez (22), -ourez (4)
Tiere -ez (15), -erez (1)
Metaphorisch, ohne Sexusbezug: -ez (2), -erez (8)
95
Maschinen, Instrumente, Artefakte
-erez (41)
-ell, einschl. -adell, -idell, -igell, -ikell, -itell, -odell usw. (81)
(A: 4 mask., 2 mask./fem.)
Sonstige Bildungen auf -ell (57) (A: 12 mask., 2 mask./fem., 1
fem./mask., 2 K)
ABER: ell-Bildungen, die keine Feminina sind (23)
179
enn-Bildungen
Personenbezeichnungen auf -enn (22) (A: 1 mask./fem.)
Sonstige Bildungen auf -enn (528) (A: 2 mask.)
(Singulativa zu Kollektiva 366, nicht mitgezählt)
550
Abstrakta
-ded/-ted (29; A: 1 mask.); -ezh (4), -adurezh (16), -idigezh (39),
-egezh (24), -elezh (20), -iezh (27), -oniezh (13), -ourezh (1),
-ouriezh (13); -antez (3), -entez (13), -enti/-inti (4), -iz (5),
-nez (5), -ni (1), -oni (12)
229
Nomina loci, Sammlungen
-erezh (10), -eg (15 fem. + 1 fem./mask.)
Abstrakta, z. T. auch konkretisiert
-eri/-iri (13, davon 2 frz. Lw.)
Nomina actionis
-adenn (108), -adeg (31), -añs (12; A: 1 mask.), -ijenn (8), -ien (2)
Ausgänge
-añs in Lehnwörtern (12; A: 3 mask., 2 umstritten, 1 Pl. tantum)
-ion, -sion in abstrakten Lehnwörtern (8; A: 1 mask.)66
Gesamt: Feminina mit overter Genusmarkierung
Anteil
25
13
161
20
1272
20,57 %
Übersicht 18: Formale Genuszuweisung bei Feminina
Der Anteil der Substantive, deren Genus durch ihr Suffix bestimmt wird, beträgt mindestens 34,01 % und ist damit größer als die Gruppe der Substantive
mit semantischer Genuszuweisung. Der Anteil der derivierten Bildungen ist
bei den Feminina erheblich höher als bei den Maskulina.67 Er beträgt 20,57 %
des Gesamtlexikons, wobei die Gruppe der Singulativa nicht mitgezählt wurde.
66
D. h. feminin sind Substantive wie relijion fem. ‚Religion‘, kofesion fem. ‚Beichte‘, aber nicht
Konkreta wie camion mask. ‚Lastwagen‘.
67
Dies wurde auch für andere idg. Sprachen wie das Deutsche festgestellt, vgl. Vogel 2000: 479.
GENUS IM BRETONISCHEN
Die Mehrzahl der bretonischen Feminina ist overt durch Suffixe markiert. Dies
ist auch der Fall bei vielen der eigentlich semantisch definierten Personenbezeichnungen, die dadurch doppelt charakterisiert sind. Teilweise greift das
Motionssuffix sogar über auf den Kernwortschatz femininer Personen- und
Tierbezeichnungen, vgl. c’hoar fem. : c’hoarez fem. ‚Schwester‘, yar fem. :
yarez fem. ‚Henne‘.
Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass Substantive auf -ad und
-vezh im Leoneg dazu neigen, zu Feminina zu werden (Hemon 1975: 28). Dies
stellt die konsequente Weiterentwicklung der Korrelation von Femininum und
Deriviertheit dar.
Anzahl
Anteil
100,00 %
Feminina gesamt
2063
Feminina mit overter Genusmarkierung
1272
61,66 %
Feminina ohne overte Genusmarkierung
791
38,34 %
418
20,26 %
abzüglich:
Substantive mit semantischer Genuszuweisung
Länder-, Städte- und Flussnamen
Personen- und Tierbez. mit Sexusunterscheidung
Doppelungen
Komposita
Bildungen auf -ad, -ig, -vezh
Feminina ohne Genuszuweisungsregeln
Anteil am Gesamtlexikon (6183 Substantive)
6,76 %
Übersicht 19: Feminina ohne Genuszuweisungsregeln
Bereinigt man die Gruppe der Feminina ohne overte Genusmarkierung um die
Substantive mit semantischer Genuszuweisung und um lexikalische Dubletten,
so bleiben 418 feminine Substantive übrig, für die keine Genuszuweisungsregeln gelten. Dies sind 20,26 % aller Feminina bzw. 6,76 % des Gesamtlexikons. Das Fehlen eindeutiger Zuweisungsregeln gilt auch für die Gruppe
mit variablem Genus.
3.3.7 Genus bei Substantiven ohne Genuszuweisungsregeln
Wie die bisherige Untersuchung gezeigt hat, ist das Femininum einerseits mit
weiblichem Sexus bei Belebten assoziiert, andererseits mit Abstrakta und
Singulativa. Die beiden Letztgenannten sind immer mit Suffixen markiert, besitzen also eine klare formale Genuszuweisung, die fast keine Ausnahmen
aufweist. Bei den Belebten ist die Semantik ausschlaggebend, zu der noch eine
redundante formale Markierung kommen kann.
111
112
BRITTA IRSLINGER
Potenzielle Unklarheiten bestehen damit in der Gruppe der underivierten
Substantive, die keine Personenbezeichnungen sind. Im Folgenden wird eine
Reihe von Phänomenen besprochen, die bei dieser Gruppe auftreten.
3.3.7.1 Homonyme mit unterschiedlichem Genus
Bei einigen homonymen Wörtern sind unterschiedliche Bedeutungen mit verschiedenen Genera korreliert. Etymologisch verschiedene Wörter liegen in (66,
67) vor (Favereau 1997: 70, § 129, weitere Bsp. siehe Kervella 1995: 200 f.,
§ 298):
(66) Favereau 1997: 70
a. bagad (tud) mask. ‚Truppe, Gruppe (Menschen)‘ < *bācātus, -ā ‚mit Beeren versehen,
Traube, Ansammlung, Gruppe, Bund‘ zu lat. bāca fem. ‚Beere‘
vgl. kymr. bagad mask./fem. ‚Ansammlung, Bund‘
b. bagad (pesked) fem. ‚Ladung (Fische)‘ < bag fem. ‚Boot‘ + -ad (Inhalt)
(67) Favereau 1997: 70
a. gouel fem. ‚Segel‘ < lat. vēla, Pl. zu vēlum neutr. ‚Segel‘ (Deshayes 2003: 281)
b. gouel mask. ‚Fest‘ < abret. guil ‚Wache, Überwachung‘, guilou Pl. ‚Feste‘ < lat. viglia <
vigilia fem. ‚Nachtwache, nächtliche Feier‘68
vgl. mkymr. gwyl, kymr. gŵyl fem. ‚(religiöses) Fest, Feiertag‘, air. féil fem., i ‚(religiöses) Fest‘
3.3.7.2 Regionale Differenzen
Alle Handbücher betonen regionale Genusunterschiede bei einer nicht genau
bestimmbaren Menge an Substantiven. Nach Kervella 1973: 71 ff. liegt dies
einerseits an der geringen Standardisierung des Bretonischen, während andererseits bei vielen Lehnwörtern das Genus aufgrund mangelnder Integration
ins Lexikon schwanke. Große Unterschiede gibt es bei der Frage, welche
Wörter konkret betroffen sind. Favereau 1997: 70 f., § 132 gibt 12 Beispiele
für Substantive, die je nach Region und Gebrauch maskulin oder feminin sind,
sowie zusätzlich 26 Maskulina und 22 Feminina (§ 134, 135), deren Genus oft
falsch verwendet wird. Kervellas 1995: 200, § 298 Liste enthält 61 Substantive, deren Genus je nach Sprecher schwanken kann. Diese beiden Listen sind
nur teilweise deckungsgleich und auch nicht mit den als „mask./fem.“ markierten Substantiven in Cornillet 2000 identisch.
3.3.7.3 Umkategorisierung
Gleichzeitig stehen jedoch in zahlreichen regionalen Varietäten Substantive
mit doppeltem Genus nebeneinander, bei denen die Genera komplementär in
verschiedenen syntaktischen Konstruktionen auftreten und z. T. unterschiedliche Bedeutungen haben. In (68a) wird son mit maskulinem Zahlwort konstruiert, in (68b) jedoch mit leniertem Adjektiv. Beide Substantive setzen lat.
68
Haarmann 1973: 25, Fleuriot 1964: 191 f., Deshayes 2003: 281.
GENUS IM BRETONISCHEN
sonus mask. ‚Laut, Ton, Klang, Geräusch‘ fort und sind homonym mit afrz.
son mask. ‚Laut, Klang; Stimme; Lied, Gesang‘, frz. son mask. ‚Laut, Klang,
Ton‘ desselben Ursprungs.
(68) Favereau 1997: 70: son ‚Laut, Lied‘
a. an
tri
son
(kleier)
ART
drei.M
Laut
Glocken
‚das dreimalige Läuten (der Glocken zur Messe)‘ (wörtl. ‚die drei Laute (der Glocken)‘)
b. ur
son
vrav
ART
Lied
LEN.schön
‚ein schönes Lied‘
< lat. sonus mask. ‚Laut, Ton, Klang, Geräusch‘, vgl. kymr. sŵn mask. ‚Klang, Lärm,
Geräusch; Gerücht‘, air. son mask. ‚Klang, Stimme, Wort‘69
Die Behandlung dieser und ähnlicher Dubletten in den Handbüchern ist unterschiedlich. Während Cornillet, ebenso wie Hemon 1995: s. vv. und An Here
2001: s. vv., die Homonyme son1 mask. ‚Laut‘ und son2 fem. ‚Lied‘ ansetzen,
geht Favereau 1997: 70, ebenso 1993: s. v. von einem einzigen Substantiv aus,
bei dem die Verwendungen in bestimmten Kontexten und Syntagmen jedoch
zur Korrelation von Genus mit einer bestimmten Semantik tendieren.
Die bislang umfassendste Diskussion des Phänomens findet sich in Kersulec
2010: 216 ff., der die Beispiele der Untersuchungen von Kervella 1973: 71 ff.,
Favereau 1997: 69 f. und Plourin 2000: 13 ff. behandelt. Diese lassen sich in
verschiedene Untergruppen einteilen:
1) Femininum zum Ausdruck von Partikularisierung
Nach Kersulec 2010: 216 zeigt das Bretonische in bestimmten Teilbereichen des
Wortschatzes die Resemantisierung von Genus. Hierbei ist das Maskulinum mit
den Merkmalen [+ generell, abstrakt, komprehensiv, kollektiv] korreliert, das
Femininum mit den Merkmalen [+ punktuell, konkret, individuell, singulativ].
In (69a) erscheint kouign ‚Kuchen‘ nach dem Artikel mit Spiransmutation (ar
c’houign), die maskulines Genus markiert. Die Aussage bezieht sich auf Kuchen im Allgemeinen. In (69b) ist von konkreten Kuchen die Rede, die angeboten werden. gouign ist leniert und damit als Femininum markiert, das mit
der femininen Form des Zahlworts (div) kongruiert.
(69) Kersulec 2010: 231
a. Kalz tud
a
gav
mat
ar
c’houign.
viel
Leute PTCL
finden.PRS
gut
ART
SPI.Kuchen
‚Viele Leute mögen gern Kuchen.‘ (wörtl. ‚den Kuchen‘)
b. kinnig
ur
gouign
pe
ziv
da
anbieten.INF
ART
LEN.Kuchen
oder
LEN.zwei.F
zu
‚jedem einen Kuchen oder zwei anbieten‘
69
Haarmann 1973: 24, LEIA S-171, Deshayes 2003: 677, Kersulec 2010: 230.
bep hini
jede(-r, -s)
113
114
BRITTA IRSLINGER
Nach Trépos 1982: 268 können die Bedeutungen [+ generell, abstrakt] vs.
[+ punktuell, konkret] auch durch Paare bestehend aus einem underivierten
maskulinen Substantiv und einer femininen enn-Ableitung realisiert sein, vgl.
Bsp. (70) in dem lod mask. ‚Anteil‘ vor der Teilung verwendet wird, lodenn
fem. ‚Anteil‘ danach.
(70) Trépos 1982: 268
a. Pep hini
’no
e
jede(-r, -s)
haben.FUT.3SG.M POSS.3SG.M
‚Jeder wird seinen Anteil bekommen.‘
b. Brasoc’h
eo
e
groß.COMP sein.PRS
POSS.3SG.M
‚Sein Anteil ist größer.‘
lod.
Anteil
lodenn.
Anteil
Die Kollektiv-Singulativ-Opposition mit ihrer typischen Korrelation von
maskulinem Kollektivum und femininem Singulativum wurde hier auf andere
Substantive übertragen und findet sich nach Kersulec 2010: 275 in manchen
Dialekten sogar bei derivierten Substantiven (Irslinger 2014: 102).
In vielen Fällen erfolgt die Umkategorisierung von Kontinuativa zu Individuativa allerdings nicht durch Genus, sondern durch die Kombination des
Substantivs im Singular mit Verben und Pronomina im Plural, vgl. (71), in
dem douar mask. ‚Erde, Boden, Land‘ in der Kombination mit der 3. Pl. des
Verbs vint digoret ‚sie werden urbar gemacht‘ die Bedeutung ‚Landstück,
Acker, Parzelle‘ erhält (Plourin 2009: 163 ff.):
(71) Plourin 2009: 166
Kalz a
zouar
na
vint
viel
von
LEN.Land
NEG
LEN.sein.FUT.3PL
‚Viele Parzellen werden nicht urbar gemacht werden.‘
ket
NEG
digoret
öffnen.PTC
Ähnlich verhalten sich z. B. barw mask. ‚Bart‘ / ‚Barthaare‘, boued mask.
‚Essen, Nahrung‘ / ‚Nahrungsmittel‘, arc’hant mask. ‚Silber‘ / ‚Geld, Münzen‘,
derw mask. ‚Eiche‘ / ‚Eichenzweige, -scheite‘, gwlan mask. ‚Wolle‘ /
‚Wollfäden, gesponnene Wolle‘, foenn mask. ‚Heu‘ / ‚Sorten Heu‘, ed mask.
‚Weizen‘ / ‚Weizenpflanzen‘, lojeis mask. ‚Unterkunft‘ / ‚Zimmer (einer
Wohnung)‘ (Plourin 2009: 165 ff.).
2) Femininum zum Ausdruck einer Evaluation
Eine Evaluation durch den Sprecher bezieht sich jeweils auf einen konkreten
Gegenstand oder Zustand, wobei das betreffende Substantiv feminine Kongruenz zeigt, vgl. Bsp. (72) mit ment mask. ‚Größe‘. In (72a) wird ment mit der
maskulinen Form des Zahlworts konstruiert, das genusunabhängig Lenition
verursacht und eine generelle oder neutrale Proposition ausdrückt. In (72b)
markiert die Lenition des Adjektivs brav ‚schön‘ zu vrav die subjektive Beurteilung der Größe durch den Sprecher.
GENUS IM BRETONISCHEN
(72) Kersulec 2010: 223, Kervella 1973: 74
a. Ne
oa
nemet daou
vent
anezhe
NEG
sein.IPF.3SG nur
zwei.M
LEN.Größe von.3PL
‚Es gab nur zwei Größen davon im Laden.‘
b. ment vrav
Größe LEN.schön
‚schöne Größe‘
er
in-ART
stal.
Laden
Auch bei Bsp. (68) oben könnte eine Evaluation zugrunde liegen. Die semantische Differenzierung von son mask. ‚Klang, Geräusch‘ und son fem. ‚Lied‘
dürfte sich dann dadurch ergeben haben, dass zu Liedern und Melodien eher
subjektive Aussagen gemacht werden als zu Geräuschen.
Dieses System besitzt allerdings nur beschränkte Verbreitung. Die involvierten
Substantive sind großteils Bezeichnungen für Maße, Gewichte und Preise, die
äußere Erscheinung sowie sensorische Wahrnehmungen (73). Diese werden
überwiegend mit den drei einsilbigen Adjektiven mat ‚gut‘, bras ‚groß‘ und
brav ‚schön‘ kombiniert (Kersulec 2010: 230).
(73) – Maße, Gewichte und Preise: ment ‚Größe‘, pouez ‚Gewicht‘, priz ‚Preis‘, pae ‚Bezahlung‘
– äußere Erscheinung: neuz ‚Aussehen‘, stumm ‚Form‘, stad ‚Zustand‘, doare ‚Art, Weise;
Form, Aussehen‘, seblant ‚Gestalt, Aussehen, Erscheinung‘
– sensorische Wahrnehmungen: blaz ‚Geschmack‘, c’hwez ‚Geruch‘, trouz ‚Lärm‘
– Adjektive: mat ‚gut‘, bras ‚groß‘, brav ‚schön‘
In den Dialekten des Vannetais findet sich die Lenition des attributiven Adjektivs mat auch bei Aussagen mit optativischer Bedeutung, vgl. (74) mit hent
mask. ‚Weg‘:
(74) Kersulec 2010: 227, Berné
Hent
vat
doc’h !
Weg
LEN.gut
zu.2PL
‚Gute Reise!‘ (wörtl.: ‚Guter Weg (zu) Euch!‘)
3) Phonetische Lenition des Adjektivs bei Substantiven auf -r und -l?
Daneben gibt es nach Kersulec 2010: 224, 230 auch Fälle von Lenition ohne
semantische oder pragmatische Konnotationen. Eine lediglich phonetische
Mutation des Adjektivs postuliert er bei einigen Substantiven mit den Auslauten -r und -l, nämlich amzer ‚Zeit, Wetter‘, aer ‚Luft‘, avel ‚Wind‘, labour
‚Arbeit‘, revr ‚Hintern, Hinterteil‘, skouer ‚Beispiel‘.
Wenngleich diese Auslaute als Resonanten besonders lenitionsaffin sind, da
sie im Gegensatz zu anderen Auslauten bei den normalen Feminina auch
attributive Adjektive mit den Anlauten p-, t- und k- lenieren (s. o. 2.2.1,
Bsp. 7), so erklärt Kersulec nicht, warum der Effekt nur bei dieser kleinen
Gruppe von Substantiven auftritt, während die große Masse davon unberührt bleibt.
115
116
BRITTA IRSLINGER
Die traditionelle Erklärung für die unregelmäßige Kongruenz, nämlich, dass es
sich um ursprüngliche Neutra handelt, wird im nächsten Abschnitt diskutiert.
3.3.7.4 Ursprüngliche „Neutra“
amzer ‚Zeit, Wetter‘ gilt als Femininum und löst Lenition bei einem attributiven Adjektiv aus (75). Allerdings kongruiert es in bestimmten Kollokationen
mit den maskulinen Formen der Numeralia (76) oder mit einem maskulinen
Pronomen (77). Im Gegensatz dazu gilt tra ‚Sache, Ding‘ als maskulin, wird
aber nach dem Artikel wie ein Femininum leniert (79) und leniert seinerseits
ein attributives Adjektiv (78). Bei einem vorangestellten Numerale wird hingegen die maskuline Form selektiert (78), ebenso beim Pronomen. Bsp. (79)
enthält einen indirekten Relativsatz mit einer flektierten Präposition als
Resumptivum (anezhañ 3. Sg. mask.), die in Genus und Numerus mit dem
Kopf des Relativsatzes (an dra) kongruiert.
(75) Kervella 1995: 99, § 158
amzer
vat,
amzer
deñval
Wetter LEN.schön Wetter
LEN.dunkel
‚schönes Wetter, dunkles Wetter‘
(76) Favereau 1997: 72; Kervella 1995: 201, § 298
ar pevar amzer
ART vier.M Zeit
‚die vier Jahreszeiten‘
(77) Favereau 1997: 72
ema
’n
amzer
sein.LOC ART
Zeit
‚die Zeit verstreicht‘
oc’h
PTCL
ober
machen.INF
e
dro
POSS.3SG.M
LEN.Runde
(78) Favereau 1993: IX, Absatz 2
daou
dra
vras
zwei.M
LEN.Sache LEN.groß
‚zwei große Dinge‘
(79) Favereau 1993: IX, Absatz 2
an
dra
a
gomzan
anezhañ
ART
LEN.Sache PTCL.REL LEN.sprechen.PRS.1SG von.3SG.M
‚die Sache, von der ich spreche‘
Ähnlich verhalten sich avel fem./mask. ‚Wind‘, re mask. ‚Paar‘, und revr, reor
mask. ‚Hinterteil‘, die wie amzer und tra von mehreren Handbüchern auf
ursprüngliche Neutra zurückgeführt werden.70
Ein Nachweis ist freilich schwierig, weil diese Bildungen keinen idg. Anschluss haben, also nur im Keltischen belegt sind, oder weil ihre Etymologie
70
S. Favereau 1997: 72, Kervella 1995: 200 f., § 298, 99 f., §§ 157–160, 1973: 71 ff., Hemon 1975:
29. S. zu avel Matasović 2009: 47, zu amzer Matasović 2009: 33 f., LEIA A-3 s. v. aimser fem.,
Guyonvarc’h 1967: 240 f., zu re LEIA R-10 s. v. ré fem.
GENUS IM BRETONISCHEN
umstritten ist. Dass ursprüngliche Neutra im Neubretonischen nicht mit einem
bestimmten Kongruenzmuster assoziiert sind, zeigt sich bei solchen Wörtern,
deren ursprünglich neutrales Genus aufgrund der idg. Kognaten als sicher gelten kann. Hierzu gehören ererbte Wörter wie arc’hant mask. ‚Silber, Geld‘, ti
mask. ‚Haus‘ oder dour mask. ‚Wasser‘ (80–83):
(80) bret. arc’hant mask. ‚Silber, Geld‘, vgl. akymr. argant, mkymr. ariant mask., air. argat neutr., o ‚Silber‘
< urkelt. *arganto- neutr. < uridg. *h2 g- t-o- neutr. ‚Silber‘
arc’hant ‚Silber‘ zeigt das regelmäßige maskuline Kongruenzmuster, sofern es
nicht als Kollektiv bzw. Plural der Bedeutung ‚(Silber-)Münzen, Geld(stücke)‘
konstruiert wird (s. o. 3.3.7.3).
(81) bret. ti mask. ‚Haus‘, vgl. akymr. tig, kymr. ty mask., air. tech neutr. s ‚Haus‘71
< urkelt. *tegos- < uridg. *teg-os neutr. ‚Decke, Dach‘ zu *(s)teg- ‚decken, bedecken‘
ti ‚Haus‘ leniert im Nbret. und im Nkymr. gelegentlich substantivische Attribute (82), was Favereau nach Morris-Jones 1931: 39 als Hinweis auf das
ursprüngliche Genus interpretiert.72 Da diese Art der Lenition jedoch genusunabhängig enge syntaktische Zusammengehörigkeit markiert, wird diese
Erklärung auch von Morris-Jones alternativ in Erwägung gezogen. Die
Annahme eines ursprünglichen Neutrums ist daher nicht zwingend.
(82) Favereau 1997: 72
bret. ti
Bêr
Haus LEN.Pêr
‚Pêrs Haus‘
kymr.
tŷ
Bedr
Haus LEN.Pedr
‚Pedrs Haus‘
71
S. Matasović 2009: 376, Stüber 2002: 152 f., LEIA T-39 f.
Bei bret. tu mask. ‚Seite‘ liegt trotz gelegentlicher Unregelmäßigkeiten (an tu c’hounit ‚die
Gewinnerseite‘ mit Spiransmutation von gounit ‚gewinnen‘, vgl. Favereau 1997: 72) kein ursprüngliches Neutrum vor. Die Entsprechungen in den verwandten Sprachen sind mask., vgl.
mkymr. tu mask. ‚Seite‘ und air. taeb, tóeb mask. o, später fem. ā und mask. u ‚Seite, Flanke‘.
Für den neutralen s-Stamm, den IEW 1018 postuliert, gibt es insbesondere im Air. keine Evidenz.
Matasović 2009: 387 rekonstruiert urkelt. *toi̯bo- ‚Seite‘.
72
Morris-Jones 1931: 39 geht von schwankendem Genus aus, da ty ‚Haus‘ im Mittelkymrischen
gelegentlich mit femininem Adjektiv kongruiere, wie in:
Morris-Jones 1931: 39, note, WM 47, Mitte 14. Jh.
yny vyd
y
ty
yn
burwen
am eu
penn
bis sein.PRT.3SG ART Haus PTCL LEN.reinweiß um POSS.3PL Kopf
‚bis das Haus um sie herum reinweiß (d. h. weiß-glühend) war‘
Das Kompositum pur-wen ‚rein-weiß‘ enthält gwyn mask., gwen fem. ‚weiß‘, das zu den wenigen
Adjektiven gehört, die im Mkymr. noch eine Genusunterscheidung zeigen. Die Mutation ist in diesem Fall kein Genusmarker, sondern wird in prädikativer Konstruktion von der Partikel yn ausgelöst. Nach Mühlhausen 1925, 1988: 126 ist bur-wen eine ältere Schreibung für gwyn mask., also
kein Femininum.
117
118
BRITTA IRSLINGER
dour mask. ‚Wasser‘ könnte ein Neutrum fortsetzen, das im gall. Gewässernamen Uerno-dubrum belegt ist und das auf der Substantivierung des Adjektivs uridg. *dhub-ro/ah2- ‚tief‘ basiert (83).
(83) bret. dour mask. ‚Wasser‘, vgl. akymr. dubr, mkymr. dwfyr, kymr. dwfr, dŵr mask. ‚Wasser‘,
air. dobur adj. o/ā ‚dunkel, schmutzig‘, dobur o ‚Wasser‘, gall. Uerno-dubrum Gewässername
(‚Erlenbach‘)
< urkelt. dubro- neutr. ‚Wasser‘ < uridg. *dhub-ro/ah2- ‚tief‘73
Bihan 2015: 7 stuft bret. dour jedoch als zweifelhaft ein, weil die Mutationen
zwar unregelmäßig sind, aber nicht eindeutig auf ein Neutrum weisen. Neben
unmutiertem oder leniertem Adjektiv oder Attribut gibt es noch die Spiransmutation (84). Nach Bihan geht dour c’hlav auf die Phrase *dour-a-c’hlav zurück, d. h. die Lenition wurde nicht von dour, sondern von der ausgefallenen
Präposition a ‚von‘ verursacht.
(84) Kervella 1973: 75; Bihan 2015: 7
a. dour
tomm dour
domm
Wasser heiß
Wasser LEN.heiß
‚heißes Wasser‘ ‚heißes Wasser‘
b. dour
glav
dour
c’hlav
Wasser Regen Wasser LEN.Regen
‚Regenwasser‘
‚Regenwasser‘
dour
zomm
Wasser SPI.heiß
‚heißes Wasser‘
dour
c’hlouar
Wasser SPI.lauwarm
‚lauwarmes Wasser‘
Maskulin sind außerdem einige frühe, d. h. urbritannische Lehnwörter (85, 86),
die im Irischen neutrales Genus haben. Es lässt sich nicht feststellen, ob diese
Wörter als Neutra ins Britannische entlehnt wurden oder ob die Maskulina, die
sich bereits im Vulgärlateinischen entwickelt hatten,74 zugrunde liegen.
(85) bret. gwin mask. ‚Wein‘, vgl. akymr., mkymr. guin, kymr. gwin mask., air. fín neutr. u ‚Wein‘
< vlat. vīnus mask. oder klass.lat. vīnum neutr. ‚Wein‘
(86) bret. aour mask. ‚Gold‘, vgl. mkymr. eur, aur, awr, kymr. awr mask., air. ór neutr., o (später
mask.) ‚Gold‘
< vlat. aurus mask. oder klass.lat. aurum neutr. ‚Gold‘
Seltener ist der Übergang ins Femininum, der bei lat. offerendum neutr.
‚Messe‘ im Britannischen, aber nicht im Irischen stattgefunden hat (87). Zahlreiche Handbücher nehmen daher als Ausgangspunkt den Plural offerenda
neutr. ‚Darzubringendes, Opfer‘ an.75
73
S. LEIA D-123, Delamarre 2003: 152, NIL 122 ff.
S. zum Genus im Vlat. Väänänen 1981: 102 f. und Rheinfelder 1976: 12. Nach Väänänen 1981: 103 erscheint der Großteil der Neutra auf -um in nicht-literarischen Texten des 7. und 8. Jh. als Maskulina auf -us.
75
Haarmann 1973: 24: Bret. und Kymr. < lat. offerendum; Deshayes 2003: 545, eGPC s. v. offeren,
eDIL s. v. oifrend: < lat. offerenda; LEIA O-17: < lat. offerendum oder offerenda.
Falls das Wort im Singular entlehnt wurde, wäre im Britannischen ein Genuswechsel aufgrund der
phonetischen Regel möglich, dass Wörter mit -e- in der Endsilbe tendenziell Feminina sind, vgl.
Irslinger 2014: 84 f.
74
GENUS IM BRETONISCHEN
(87) bret. oferenn fem. ‚Messe‘, vgl. mkymr. efferen fem., kymr. offeren fem., air. oifrend mask. o,
nir. aifreann mask. ‚Messe‘
< lat. offerendum oder offerenda neutr. ‚Darzubringendes, Opfer‘
Favereau 1997: 72, § 138 gibt darüber hinaus eine Liste mit weiteren Substantiven, bei denen es sich aufgrund von Auffälligkeiten bei der Kongruenz
wie bei tra ‚Ding‘ ebenfalls um ursprüngliche Neutra handeln soll. Hierzu gehören u. a. aer mask. ‚Luft‘, fin fem. ‚Ende, Schluss‘, labour mask. ‚Arbeit‘,
mod mask. ‚Art‘ oder sin mask. ‚Zeichen‘. Im Wörterbuch (Favereau 1993)
werden diese mit „n.“ für Neutrum klassifiziert.
Ein Teil der Liste besteht aus Substantiven lateinischer Herkunft, die über das
Altfranzösische bzw. über dessen Vorläufer, das gesprochene Latein Galliens,
ins Bretonische gelangt sind. Wenn hier wirklich Reflexe ursprünglicher
Neutra vorliegen sollten, so müssten die betreffenden Entlehnungen sehr alt
sein, da das Neutrum bereits im Altbritannischen, das ab dem späten 8. Jh. in
Texten belegt ist, vollständig verschwunden ist (Schrijver 2011: 41). Auch im
frühen Altfranzösisch (ab Mitte des 9. Jh.) war das Neutrum bereits stark zurückgegangen. In einer zufällig ausgewählten Stichprobe von Substantiven in
den Straßburger Eiden (842) und den Eulalia (884) beträgt der Anteil der
Neutra nach Polinsky / Jackson 1999: 44 nur noch 4,6 % gegenüber 18,4 % im
Vulgär- und 21,3 % im klassischen Latein.
Andererseits dürfte zumindest bei einem Teil der Substantive das Genus im
Französischen zum Zeitpunkt der Entlehnung eine Rolle spielen. Das lat. Maskulinum labōr ‚harte Arbeit‘ war im Altfranzösischen überwiegend feminin.
Es hat jedoch eine Nebenform labeur, die sich in der Verwendung teilweise
überschneidet mit labour mask. ‚Bodenbearbeitung‘ und dann mask. Genus hat
(FEW V, 103, 105). Das Genus des aus dem Afrz. entlehnten mbret. labour ist
nicht belegt. Im Nbret. ist das Wort maskulin und selektiert wie tra ‚Ding‘ das
maskuline Numerale bei gleichzeitiger Lenition eines attributiven Adjektivs in
daou labour vad ‚zwei gute Arbeiten‘ (mat ‚gut‘) (88). Es scheint daher möglich, dass bret. labour entweder zunächst Femininum war und dann wie das
Französische einen Genuswechsel erfahren hat, oder aber dass bestimmte Syntagmen vom Französischen beeinflusst sind. Das Wort war jedoch weder im
Lateinischen noch im Britannischen jemals Neutrum. Mkymr., nkymr. llafur
mask. setzt das ursprüngliche lateinische Genus fort.
(88) lat. labor mask. ‚Mühsal, Arbeit‘ → mkymr. llafur mask. ‚harte Arbeit‘
→ afrz. labor, labeur fem. ‚harte Arbeit‘
afrz. labour mask. (seit 1180), labeur mask. ‚Bodenbearbeitung‘ → nfrz. labour mask.
→ nbret. labour mask. ‚harte Arbeit‘, aber: daou labour vad
119
120
BRITTA IRSLINGER
Ähnlich komplex sind die Verhältnisse bei den Fortsetzern von lat. sīgnum
neutr. ‚Zeichen‘ und modus mask. ‚Maß‘, wo im Afrz. und Mfrz. Bildungen
mit unterschiedlichem Genus und unterschiedlicher Semantik nebeneinanderstehen (89, 90).76 Lat. fīnis mask., selten fem. ‚Grenze, Ende‘ ist im Afrz.
überwiegend feminin, selten auch mask. (91). Lat. āēr mask. ‚Luft‘ ist aus
dem Griechischen entlehnt und hat die Akkusative āera und āerem (92). Im
Afrz. und im nfrz. Standard ist das Wort zwar maskulin, zahlreiche regionale
Varianten zeigen aber feminines Genus.
(89) lat. sīgnum neutr. ‚Zeichen‘ → afrz. seign mask. ‚Zeichen‘, seingne fem. ‚Feldzeichen, Schild‘
(90) lat. modus mask. ‚Maß‘
→ afrz. moet, mo, mou mask., mfrz. meuf mask. ‚Modus
(Grammatik, Musik)‘
→ mfrz., nfrz. mode fem. ‚Mode‘, mode mask. ‚Art, Modus‘ (ab 1611)
(91) lat. fīnis mask., selten fem. ‚Grenze, Ende‘, Akk. fīnem → afrz. fin fem., aber auch mask.
(92) lat. āēr mask. Akk. āera, āerem ‚Luft‘
→ frz. air mask. und regional air fem.
Außer bei lat. sīgnum liegen auch hier keine ursprünglichen Neutra vor, so
dass dies nicht als Ursache der Genusschwankungen gelten kann. Die Kongruenzirregularitäten bei den bretonischen Lehnwörtern reflektieren vielmehr
Schwankungen zwischen Maskulinum und Femininum im Französischen.
3.3.7.5 Einfluss der Datenbasis
Cornillet 2000 enthält insgesamt 147 Fälle von unklarem bzw. wechselndem
Genus, was 2,38 % aller gelisteten Substantive entspricht (Übersicht 20).
Substantive gesamt
Variables Genus gesamt
mask./fem.
fem./mask.
mask./koll.
fem./koll.
Anzahl
6183
147
Anteil
100,00 %
2,38 %
95
14
35
3
Übersicht 20: Unklares Genus
Auch die anderen Grammatiken weisen darauf hin, dass es eine nicht genau
bestimmbare Menge an Substantiven mit wechselndem Genus gibt. Neben den
in den vorausgegangenen Abschnitten diskutierten Substantiven fallen die Genusangaben der Handbücher auch in anderen Fällen unterschiedlich aus. Verständlich ist dies bei Favereau 1993, dessen Wörterbuch auf dem Dialekt von
Poher basiert und damit einen regionalen Schwerpunkt hat.
76
S. zu sıgnum FEW XI, 605a, zu modus FEW VI.3, 19b, zu fīnis FEW III, 568a, Anm. 1, zu aer
FEW XXIV, 221a, 226b.
GENUS IM BRETONISCHEN
Davon abgesehen sind Ursachen für die Unterschiede zwischen den einzelnen
Wörterbüchern aber oft nicht nachvollziehbar und es entsteht teilweise der
Eindruck, dass die Klassifikation „m./f.“ weniger den tatsächlichen unterschiedlichen Gebrauch als vielmehr unterschiedliche Angaben in den Wörterbüchern reflektiert, vgl. (93):
(93) samm ‚Last, Bürde‘ : sammañ ‚aufladen‘
mask.
Hemon 1995, GIB, Favereau 1993, An Here 2001, Deshayes 2003
fem.
Meurgorf
fem./mask.
Cornillet 2000
Da neben samm das Verb sammañ ‚aufladen‘ steht, kann samm synchron als
maskulines Deverbativum analysiert werden (s. o. 3.3.3). Aus diachroner Sicht
ist das Substantiv allerdings primär, da es wie afrz. somme fem. ‚Last‘ auf
ein umgangssprachliches lat. samma < vlat. sagma, -ae fem. ‚Packsattel,
Last‘ zurückgeführt wird.77 Der Genuswechsel dieses ursprünglichen Femininums wäre anhand der synchronen Regeln leicht zu motivieren.
Obwohl das Wort seit dem Mittelbretonischen belegt ist, gibt es keine Textstellen, aus denen das Genus erkennbar ist. L’Armeyries Dictionnaire François-Breton ou François-Celtique du dialecte de Vannes (Leide 1744) gibt sam
mask. ‚charge d’un cheval‘ (S. 53), ebenso Le Gonidec, Dictionnaire CeltoBreton ou Breton-Français (Angoulême 1821), samm mask., ar samm
(S. 394). Die Ausgabe von 1850 enthält einen fast identischen Eintrag, doch
wurde beim Beispielsatz ar samm zu ar zamm geändert, was als Lenition des
Anlauts und damit als Hinweis auf feminines Genus zu interpretieren sein
könnte. Allerdings lautet die auf das Lemma folgende Genusangabe nach wie
vor „mask.“ (94).
(94) Le Gonidec 1850: 518
samm s. m. Somme, charge, fardeau que peut porter un cheval et autre bête
likid
ar
zamm
war
gein
va
marc’h
laden.IMP.2PL ART
LEN.Last auf
LEN.Rücken
POSS.1SG
Pferd
‚Ladet die Last auf den Rücken meines Pferdes.‘
Ähnlich verhält es sich bei dem aus frz. dance fem. entlehnten bret. dañs
‚Tanz‘, das ebenfalls synchron als Deverbativum aufgefasst werden kann (95).
Favereau 1993 und Deshayes 2003 geben hier jedoch feminines Genus, während Meurgorf keine Angabe macht. Ein uneinheitliches Bild ergibt sich auch
bei den übrigen Substantiven auf -añs, die alle aus dem Frz. entlehnt sind und
überwiegend auf Feminina basieren.
Das vlat. Wort ersetzt klass.lat. sagma, -atis neutr., das seinerseits aus griech. σάγμα, -ατος
neutr. ‚Packsattel‘ entlehnt ist, vgl. Deshayes 2003: 642, Ernoult / Meillet 1979: 1039, Rheinfelder
1976: 11.
77
121
122
BRITTA IRSLINGER
(95) dañs ‚Tanz‘ : dañsal ‚tanzen‘
mask. Cornillet 2000, GIB, Hemon 1995, An Here 2001
fem.
Favereau 1993, Deshayes 2003
k. A.
Meurgorf
Es ist damit festzuhalten, dass die Zahlen zur Genusdistribution im Bretonischen in größerem Maß von den ausgewerteten Wörterbüchern abhängen als
bei anderen, stärker standardisierten Sprachen.
4. Schlussfolgerungen
Die quantitative Analyse des bretonischen Lexikons auf der Basis von Cornillet
2000 hat gezeigt, dass das Genus von Substantiven weitgehend anhand semantischer, morphologischer und phonetischer Faktoren sowie Kombinationen
derselben vorhersagbar ist. Das Bretonische bestätigt damit eine Aussage, die
auch für die Genussysteme zahlreicher anderer Sprachen getroffen wurde.
Parallelen bestehen zwischen den Genussystemen der britannischen und der
romanischen Sprachen im Allgemeinen sowie zwischen dem Bretonischen und
dem Französischen im Besonderen. Der Verlust des Neutrums führte zur Entstehung von Zwei-Genus-Systemen mit dem Maskulinum als Defaultgenus.
Weitgehende Übereinstimmungen gibt es bei den semantischen und funktionalen Genuszuweisungsregeln. Dies kann zwar auf unabhängigen Parallelentwicklungen beruhen, allerdings lässt die sehr ähnliche quantitative Distribution
der Genera im Bretonischen und Französischen arealen Einfluss vermuten.
Eine Besonderheit des Bretonischen ist das gelegentliche Auftreten des Femininums bei unpersönlichen Subjekten.
Wenn eindeutige Genuszuweisungsregeln fehlen, ist das Genus Schwankungen
unterworfen. Dieser Verlust der Klassifizierungsfunktion führt jedoch nicht
automatisch zum Genusverlust. Zumindest in Teilbereichen des Lexikons
wurden die Genera mit neuen Merkmalen korreliert, die die produktive Umkategorisierung ermöglichen oder zum Ausdruck pragmatischer Funktionen
dienen. Diese Entwicklung lässt sich jedoch nur mit Hilfe von Korpora, nicht
anhand der ausgewerteten Datenbasis ablesen.
Problematisch ist die oft wiederholte Hypothese, dass Kongruenzunregelmäßigkeiten bei Substantiven im Neubretonischen ursprüngliche Neutra reflektieren.
Mehrere gesicherte ursprüngliche Neutra aus dem Keltischen oder Lateinischen
wurden ins Maskulinum überführt und verhalten sich regelmäßig, während bei
anderen Substantiven Unregelmäßigkeiten auftreten, das neutrale Genus aber
nur vermutet werden kann. Dieselben Unregelmäßigkeiten finden sich bei einer
Reihe von Lehnwörtern aus dem Altfranzösischen, die keine Neutra waren,
aber zwischen Maskulinum und Femininum schwankten.
GENUS IM BRETONISCHEN
LITERATURVERZEICHNIS
GReg: De Rostrenen, Grégoire. 1732. Dictionnaire françois-celtique ou françois-breton. Rennes.
WM: Gwenogvryn Evans, John (ed.). 1907. The White Book Mabinogion. Welsh tales and romances
reproduced from the Peniarth manuscripts. Pwllheli: Issued to subscribers only.
ADAMS, Douglas Q. 2013. A dictionary of Tocharian B. 2 vols. 2. ed. revised and greatly enlarged.
Amsterdam/New York, NY.
An Here = Geriadur brezhoneg. Kinniget da eñvor Roparz Hemon, gant skouerioù ha skeudennoù.
2. éd. Ar Releg-Kerhuon 2001.
AR MENN, Gwennole. 2005. Evezhiadennoù war ur geriadur... . Hor Yezh 242, S. 27–49.
BIHAN, Herve. 2015. Notennoù diwar-benn roudoù an nepreizh ha diwar-benn ereadurezh ar
c’hemmadurioù e brezhoneg. Hor Yezh 282, S. 3–9.
BROUDIC, Fañch. 2009. Parler breton au XXIe siècle. Le nouveau sondage de TMO Régions.
Brest.
BULL, William Emerson. 1965. Spanish for teachers. Applied linguistics. New York.
CASARETTO, Antje. 2004. Nominale Wortbildung der gotischen Sprache. Die Derivation der Substantive. Heidelberg.
CORBETT, Greville G. 1991. Gender. Cambridge.
CORBETT, Greville / FRASER, Norman M. 2000a. Default genders, in: Unterbeck / Rissanen (eds.)
(2000), S. 55–97.
CORNILLET, Gérard. 2000. Geriadur divyezhek brezhoneg-alamaneg / deutsch-bretonisches zweisprachiges Wörterbuch. Lesneven.
DE BERNARDO STEMPEL, Patrizia. 1987. Die Vertretung der indogermanischen liquiden und nasalen Sonanten im Keltischen. Innsbruck.
DE BERNARDO STEMPEL, Patrizia. 1995. Zum Genus Femininum als ableitbarer Kategorie im Keltischen, in: Wojciech Smoczyński (ed.): Analecta Indoeuropaea Cracoviensia II. Kuryłowicz
Memorial Volume. Part One. Cracow, S. 427–446.
DELAMARRE, Xavier. 2003. Dictionnaire de la langue gauloise. Une approche linguistique du
vieux-celtique continental. 2e éd. rev. et augm. Paris.
DESHAYES, Albert. 2003. Dictionnaire étymologique du breton. Douarnenez.
DI MEOLA, Claudio. 2007. Genuszuweisung im Deutschen als globaler und lokaler Strukturierungsfaktor des nominalen Lexikons. Deutsche Sprache 35/2, S. 138–158.
EDDINGTON, David. 2004. Spanish phonology and morphology. Amsterdam/Philadephia.
eDIL 2013: Dictionary of the Irish Language: Based mainly on Old and Middle Irish materials.
Dublin 1913–76. (http://edil.qub.ac.uk/dictionary/search.php).
eGPC: R. J. Thomas et al. (eds.). 1950. Geiriadur Prifysgol Cymru. A dictionary of the Welsh
language. Caerdydd. http://geiriadur.ac.uk/gpc/gpc.html.
ERNOUT, Alfred / MEILLET, Antoine. 1979. Dictionnaire etymologique de la langue latine. Histoire
des mots. 4. ed. augm. d’add. et de corr. nouv. par Jacques Andre. Paris.
EVANS, H. Meurig / THOMAS W. O. 1983. Y Geiriadur mawr. The complete Welsh-English
English-Welsh dictionary. 11. ed. Llandybïe.
FAVEREAU, Francis. 1993. Geriadur ar brezhoneg a-vremañ / Dictionnaire du breton contemporain.
Morlaix.
FAVEREAU, Francis. 1997. Grammaire du breton contemporain / Yezhadur ar brezhoneg a-vremañ.
Morlaix.
FEW = von Wartburg, Walther. 1972–1987. Französisches etymologisches Wörterbuch. Eine Darstellung des galloromanischen Sprachschatzes. Publ. par Otto Jänicke 1972–1987, par Carl
Theodor Gossen 1979–1983. Bâle, Paris u. a.
FLEURIOT, Léon. 1964. Dictionnaire des glosses en vieux breton. Paris.
GEORGE, Ken. 1993. Gerlyver Kernewek Kemmyn. An gerlyver meur. Seaton, Torpoint.
123
124
BRITTA IRSLINGER
GIB: Hemon, Roparz. 1979–1998. Geriadur istorel ar brezhoneg / Dictionnaire historique du
breton. 2. éd. Plomelin.
GODEFROY, Frédéric. 1826–1897. Dictionnaire de l’ancienne langue française et de tous ses
dialectes du IXe au XVe siècle. Composé d’après le dépouillement de tous les plus importants
documents, mss. ou impr. qui se trouvent dans les grandes bibliothèques de la France et de
l’Europe et dans les principales archives départementales, municipales, hospitalières ou privées.
10 vols. Paris.
GUYONVARC’H, Christian-J. 1967. Notes d’étymologie et de lexicographie gauloises et celtiques
XXVI–XXVII. Ogam 19, S. 137–140, S. 225–268.
HAARMANN, Harald. 1973. Der lateinische Lehnwortschatz im Bretonischen. Hamburg.
HENRY, Victor. 1900. Lexique étymologique des terms les plus usuels du breton moderne. Rennes.
HEMON, Roparz. 1975. A historical morphology and syntax of Breton. Dublin.
HEMON, Roparz. 1995. Dictionnaire français-breton. 9. ed. Brest.
HICKEY, Raymond. 2011. Gender in Modern Irish: The survival of a grammatical subsystem, in:
Raymond Hickey (ed.): Researching the languages of Ireland. Uppsala, S. 159–180.
HOBERG, Ursula. 2004. Grammatik des Deutschen im europäischen Vergleich: das Genus des
Substantivs. Mannheim (Institut für Deutsche Sprache: Amades 2004.3).
HOCKETT, Carles F. 1958. A course in modern linguistics. New York.
IEW: Pokorny, Julius. 1959. Indogermanisches etymologisches Wörterbuch. Bern.
IRSLINGER, Britta. 2002. Abstrakta mit Dentalsuffixen im Altirischen. Heidelberg.
IRSLINGER, Britta. 2010a. Genus und Nominalaspekt. Historische Sprachforschung 122 (2009)
[2010], S. 1–30.
IRSLINGER, Britta. 2010b. Die inselkeltischen Sprachen in Europa, in: Uwe Hinrichs (Hg.): Handbuch der Eurolinguistik. Wiesbaden, S. 241–264.
IRSLINGER, Britta. 2010c. Les dérivés avec gallois, cornique -yn/-en, breton -enn et irlandais -ne:
fonction et sémantique. La Bretagne Linguistique 15, S. 43–81.
IRSLINGER, Britta. 2014. The gender of abstract noun suffixes in the Brittonic languages, in: Sergio
Neri / Roland Schuhmann (eds.): Studies on the collective and feminine in Indo-European from a
diachronic and typological Perspective. Leiden/Boston, S. 57–113.
IRSLINGER, Britta. 2015. Standard Average European and the Western Fringe – a reconsideration.
Historische Sprachforschung 126 (2013) [2015], S. 33–88.
KERSULEC, Pierre-Yves. 2010. Étude morphologique des noms en -erezh en breton moderne.
Morphologie et grammaire. Manuscrit de thèse université Rennes II. (pdf may be downloaded at
http://morphobretonne.weebly.com/).
KERSULEC, Pierre-Yves. 2015. Le marqueur singulatif breton -enn a djoint à un nom singulier
dénombrable. Journal of Celtic Linguistics 16, S. 41–59.
KERVELLA, Divi. 2016. Notennoù Yezh. 173: Diwar-benn etimologiezh ar ger brezhonek plac’h.
Hor Yezh 287, S. 41–44.
KERVELLA, Franzes. 1973. Kudennoù reizh ha kudennoù niver e Brezhoneg. Hor Yezh 86–87,
S. 71–84.
KERVELLA, Franzes. 1995. Yezhadur bras ar brezhoneg. 3. ed. Brest.
KÖPCKE, Klaus-Michael / ZUBIN, David A. 1996. Prinzipien für die Genuszuweisung im Deutschen: Ein Beitrag zur natürlichen Klassifikation, in: Ewald Lang / Gisela Zifonun (Hgg.):
Deutsch – typologisch. Berlin/New York, S. 473–491.
KÖPCKE, Klaus-Michael / ZUBIN, David A. 2009. Genus, in: Elke Hentschel / Petra M. Vogel
(Hgg.): Deutsche Morphologie. Berlin, S. 132–154.
L’ARMEYRIE. 1744. Dictionnaire François-Breton ou François-Celtique du dialecte de Vannes
Leide.
LE BOËTTE, Isabelle. 2003. Langue bretonne et autres langues: pratique et transmission. Octant 92,
Janvier: 18.22.
GENUS IM BRETONISCHEN
LE DÛ, Jean. 1986. A sandhi survey of the Breton language, in: Henning Andersen (ed.): Sandhi
phenomena in the languages of Europe. Berlin, S. 435–450.
LE GONIDEC, Jean-François. 1821. Dictionnaire Celto-Breton ou Breton-Français. Angoulême.
LE GONIDEC, Jean-François. 1850. Dictionnaire Breton-Français de Le Gonidec, précéde de sa
Grammaire bretonne. Saint-Brieuc.
LEIA: Vendryes, Joseph / Bachellery, Édouard / Lambert, Pierre-Yves: Lexique étymologique
de l’irlandais ancien. A 1959; MNOP 1960; RS 1974; TU 1978; B 1980; C 1987; D 1996.
Dublin/Paris.
LIV: Rix, Helmut et al. 2001. Lexikon der indogermanischen Verben. 2. ed. Wiesbaden.
MATASOVIĆ, Ranko. 2009. Etymological dictionary of Proto-Celtic. Leiden.
MCCONE, Kim. 1996. Towards a relative chronology of ancient and medieval Celtic sound
change. Maynooth.
MEURGORF: Dictionnaire historique MEURGORF. http://meurgorf.brezhoneg.bzh.
MORIN, Regina. 2010. Terminal letters, phonemes, and morphemes in Spanish gender assignment.
Linguistics 48.1, S. 143–169.
MORRIS-JONES, John. 1931. Welsh syntax. An unfinished draft. Cardiff.
MÜHLHAUSEN, Ludwig. 1988. Die vier Zweige des Mabinogi = (Pedeir ceinc y Mabinogi). Mit
Lesarten und Glossar hg. von Ludwig Mühlhausen. 2., durchges. und erw. Aufl. von Stefan
Zimmer. Tübingen.
NIL = Wodtko, Dagmar S. / Irslinger, Britta / Schneider, Carolin (2008): Nomina im indogermanischen Lexikon. Heidelberg.
Ó MUIRÍ, Damien. 1986. Gender of the noun in Scottish Gaelic, in: MacLennan, Gordon W. (ed.):
Proceedings of the first American congress of Celtic studies. Ottawa, S. 423–441.
Ó MUIRÍ, Damien. 1992. Gender of monosyllabic nouns in Modern Irish, in: Cyril J. Byrne /
Margaret Harry / Pádraig Ó Siadhail (eds.): Celtic languages and Celtic peoples. Halifax,
S. 231–265.
NELSON, Don. 2005. French gender assigment revisited. Word 56.1, S. 19–38.
PILCH, Herbert. 1996. Word-formation in Welsh and Breton. A comparative study. Zeitschrift für
celtische Philologie 48, S. 34–88.
PLOURIN, Jean-Yves. 2000. Initiation au Breton familier et argotique. Crozon.
PLOURIN, Jean-Yves. 2009. Continu et discontinu dans le groupe nominal. La Bretagne linguistique
14, S. 143–174.
POLINSKY, Maria / JACKSON, Dan. 1999. Noun classes: language change and learning, in: Barbara
A. Fox / Dan Jurafsky / Laura A. Michaelis (eds.): Cognition and function in language. Stanford,
California, S. 29–49.
POPPE, Erich. 2005. Lexicalization of transitive ‘to have’ in Breton and Cornish, in: Bernadette
Smelik / Rijcklof Hofman / Camiel Hamans / David Cram (eds.): A companion in linguistics: A
Festschrift for Anders Ahlqvist on the occasion of his sixtieth birthday. Nijmegen/Münster,
S. 171–184.
RHEINFELDER, Hans. 1976. Altfranzösische Grammatik. Bd. 2: Formenlehre. 2. Aufl. München.
SCHRIJVER, Peter. 1996. OIr. gor ‛pious, dutiful’: meaning and etymology. Ériu 47, S. 193–204.
SCHRIJVER, Peter. 2011. Middle and Early Modern Breton, in: Elmar Ternes (ed.). Brythonic
Celtic – Britannisches Keltisch. From Medieval British to Modern Breton. Bremen, S. 359–429.
SCHWARZE, Brigitte. 2008: Genus im Sprachvergleich. Klassifikation und Kongruenz im Spanischen, Französischen und Deutschen. Tübingen.
STÜBER, Karin. 2002. Die primären s-Stämme des Indogermanischen. Wiesbaden.
SURRIDGE, Marie. 1984. Le genre grammatical des emprunts anglais en français: la perspective
diachronique. Canadian Journal of Linguistics / Revue canadienne de linguistique 29.1, S. 58–72.
SURRIDGE, Marie. 1985. Le genre grammatical des composés en français. Canadian journal of
linguistics / Revue canadienne de linguistique 30.3, S. 247–271.
125
126
BRITTA IRSLINGER
SURRIDGE, Marie. 1986. Genre grammatical et dérivation léxicale en français. Canadian journal of
linguistics / Revue canadienne de linguistique 31.3, S. 267–283.
SURRIDGE, Marie. 1989a. Le facteur sémantique dans l’attribution du genre aux inanimés en
français. Canadian journal of linguistics / Revue canadienne de linguistique 34.1, S. 19–44.
SURRIDGE, Marie. 1989b. Factors for the assignment of grammatical gender in Welsh. Études
Celtiques 26, S. 187–209.
SURRIDGE, Marie. 1995. Le ou la? The gender of French nouns. Clevedon/Philadelphia/Adelaide.
TERNES, Elmar. 2011. Neubretonisch, in: Elmar Ternes (ed.). Brythonic Celtic – Britannisches
Keltisch. From Medieval British to Modern Breton. Bremen, S. 431–528.
TERNES, Elmar (ed.). 2011. Brythonic Celtic – Britannisches Keltisch. From Medieval British to
Modern Breton. Bremen.
TREPOS, Pierre. 1982. Le pluriel breton. 2. éd. [Brest]: Brud Nevez.
TREPOS, Pierre. 1996. Grammaire bretonne. 5. éd. Rennes.
TUCKER, G. Richard / LAMBERT, Wallace E. / RIGAULT, André. 1970. Le genre grammatical des
substantifs en français: Analyse statistique et étude psycholinguistique, in: Alexandru Graur et
al. (eds.): Actes du Xe congrès de linguistes, Bucarest, 28 aoút–2 septembre 1967. Bucarest,
S. 279–290.
TUCKER, G. Richard / LAMBERT, Wallace E. / RIGAULT, André. 1977. The French speaker’s skill
with grammatical gender. An example of rule-governed behaviour. The Hague/Paris.
UNTERBECK , Barbara / RISSANEN , Matti (eds.). 2000. Gender in grammar and cognition. I.
Approaches to gender. II. Manifestations of gender. Berlin/New York.
VAN BERKUM, Johannes Josephus Augustinus. 1996. The psycholinguistics of grammatical gender. Studies in language comprehension and production. Nijmegen.
VÄÄNÄNEN, Veikko. 1981. Introduction au latin vulgaire. 3. éd. rev. et augm. Paris.
VOGEL, Petra Maria. 2000. Nominal abstracts and gender in Modern German: A “quantitative”
approach towards the function of gender, in: Barbara Unterbeck / Matti Rissanen (eds.). Gender
in grammar and cognition. I. Approaches to gender. II. Manifestations of gender. Berlin/New
York, S. 461–493.
WEBER, Doris. 2000. On the function of gender, in: Barbara Unterbeck / Matti Rissanen (eds.). Gender in grammar and cognition. I. Approaches to gender. II. Manifestations of gender. Berlin/New
York, S. 495–509.
WEBER, Doris. 2001. Genus. Zur Funktion einer Nominalkategorie exemplarisch dargestellt am
Deutschen. Frankfurt/Main.
WIDMER, Paul / JØRGENSEN, Anders Richardt (Hgg.) 2011: An Buhez Sant Gwenôlé. Das Leben des
heiligen Gwenole. Text, Übersetzung, Anmerkungen. Wien.
WMFFRE, Iwan. 2007: Breton orthographies and dialects. 2 vols. Frankfurt/Main.
ZAIR, Nicholas. 2012. The reflexes of the Proto-Indo-European laryngeals in Celtic. Leiden/Boston.
ZUBIN, David A. / KÖPCKE, Klaus-Michael. 1981. Gender: A less than arbitrary grammatical
category, in: Roberta A. Henderick / Carrie S. Masek / Mary Frances Miller (eds.): Papers
from the seventeenth regional meeting of the Chicago Linguistic Society. April 30 – May 1,
1981. Chicago, S. 349–449.
ZUBIN, David A. / KÖPCKE, Klaus-Michael. 1986. Gender and folk taxonomy: the indexical relations between grammatical and lexical categorization, in: Colette Craig (ed.): Noun classes and
categorization. Proceedings of a symposium on categorization and noun classification, Eugene,
Oregon, October 1983. Amsterdam/Philadelphia, S. 139–180.