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Hans Peter Hahn Anthropologie als „spekulative Geschichte“ Versuche der Annäherung und ihre Grenzen A beau mentir qui vient de loin! 1 Die Erkenntnis der Einheit des Menschengeschlechtes und seiner Kultur hat oft und früh den Gedanken einer Universalgeschichte lebendig werden lassen. Ein alter Traum, kann man sagen; ja, meistens mehr Traum als Wirklichkeit. 2 Die Menschen und ihre Geschichte betrachte ich gerne mit der Mentalität eines Laborforschers. Historiker beschwören gern den Einzelfall. Ich bin an großen Datenmengen interessiert und halte Ausschau, wo die Geschichte natürliche Experimente angestellt hat. 3 1 Einleitung: Arten der Erzeugung von Wissen über die Vergangenheit Das 19. Jahrhundert ist geprägt von einer zuvor für unmöglich gehaltenen Ausdehnung der Felder wissenschaftlichen Wissens. Die Zahl der Disziplinen multipliziert sich, die Notwendigkeit einer wissenschaftlichen Durchdringung, gleich welchen Problems der Gesellschaft oder der Natur, wird allgemein anerkannt, wenn nicht gar gefordert. Neben dieser Anerkennung und die Zunahme an wissenschaftlichen Disziplinen tritt ein zweites Merkmal der Entfaltung. Die bis dahin etablierten Orte der Wissenschaft, die Akademien und die Universitäten, werden ergänzt durch das Museum als eine neue, von spezifischen Triebkräften ermöglichte und geforderte Einrichtung. Während Universität und Akademie im alten Europa wesentlich mit der feudalen Staatsform verknüpft sind, betritt das Museum mit dem Selbstbewusstsein einer den Bürgern zugeordneten Einrichtung die Sphäre der Öffentlichkeit: Museen gehören zur modernen, mit der Epoche der Aufklärung verbundenen Idee vom Staat; sie werden als Recht oder auch Eigentum des Volkes 1 Lemma „Mentir“, in: Dictionnaire de l'Academie Francaise. Paris 1694, S. 41. 2 Wilhelm Koppers: Der historische Gedanke in Ethnologie und Prähistorie. I n : Wiener Beiträge zur Kulturgeschichte und Linguistik 9 (1953), S. 11-65, hier S. 38. 3 Jared Diamond: „Ich pflege eine konstruktive Paranoia“. Interview, ausgeführt von Kai Michel. In: GEO 3 (2018), S. 112-117, hier S. 114. https://doi.org/10.1515/9783110552201-010 194 Hans Peter Hahn verstanden. Die Forschung in Museen ist nicht mehr nur die Sache akademisch etablierter Fachleute, sondern auch ein Ort der (Selbst-)Bestätigung von gebildeten Dilettanten. Das Bild des wissenschaftlich Interessierten, des außerhalb etablierter Institutionen tätigen, unabhängigen Forschers ist eng mit der Idee des „Privatgelehrten“ verknüpft. Obgleich Privatgelehrte ihr Engagement nicht exklusiv auf Forschungen in Museen beschränken, so bildet doch das Anlegen einer Sammlung oder die Arbeit beispielsweise an kunsthistorischen oder ethnografischen Sammlungen eine typische Beschäftigung dieser Gruppe von Wissenschaftlern. Wesentlich für das Argument dieses Beitrags ist die gemeinsame Stoßrichtung, die im 19. Jahrhundert sowohl Privatgelehrten als auch den Museen ihre herausgehobene Bedeutung verlieh und ein außerordentliches Ansehen bescherte: In beiden Fällen geht es um neue Praktiken der Wissenserlangung. Diese neuen epistemischen Praktiken gehen einher mit neuen Orten (dem Museum, der Sammlung, dem wissenschaftlichen Verein ) und auch mit der Betonung der Unabhängigkeit gegenüber etablierten Formen der Wissensproduktion, also den Universitäten und Akademien. Hinzu kommt als Drittes ein weiteres Merkmal der Wissenschaftsentwicklung, das ebenso wesentlich ist. Es geht dabei um die Auffächerung des Methodenspektrums. Das 19. Jahrhundert brachte es mit sich, dass sich neben den bis dahin praktizierten und anerkannten Methoden der Wissenschaftlichkeit weitere, neue Methoden entwickelten. Die neuen Methoden waren damals vielfach um4 5 6 4 Museen sind zugleich auch Einrichtungen der Disziplinierung des Bürgers. Tony Bennett zeigt, in welcher Form dies insbesondere für die Selbstvergewisserung des Bürgers und seines Status im 19. Jahrhundert gilt: Ders.: The Birth of the Museum. History, Theory, Politics. London 1995. 5 Zur Entwicklung der Geisteswissenschaften im 19. Jahrhundert und den damit einhergehenden Spannungen zwischen Universitätsgelehrten und engagierten Bürgern s. Joseph Ben-David: The Scientist's Role in Society. A Comparative Study. Englewood Cliffs 1971, S. 128, sowie Andreas W. Daum: Wissenschaftspopularisierung im 19. Jahrhundert. Bürgerliche Kultur, naturwissenschaftliche Bildung und die deutsche Öffentlichkeit 1848-1914. München 1998, S. 425. Entgegen der Aussage von Walter Rüegg ist hier festzustellen, dass die explosionsartige Entwicklung von Fachgesellschaften nach 1850 nicht von den Professoren getrieben wurde. Gerade in den Fachgesellschaften waren zahlreiche Gelehrte aktiv, die keinen Platz in der universitären Welt hatten: Ders.: Themen Probleme Erkenntnisse. I n : Ders.: Geschichte der Universität in Europa. Bd. 3: Vom 19. Jahrhundert zum Zweiten Weltkrieg (1800 -1945). München 2004, S. 17- 41, hier S. 22, Anm. 17. 6 Sabine Imeri beschreibt am Beispiel der Situation in Berlin Ende des 19. Jahrhunderts sehr genau den außerordentlichen Zulauf, den wissenschaftliche Vereine damals hatten: Dies.: Volkskunde als Urbane Wissenspraxis. Berlin um 1900. I n : Alltag - Kultur - Wissenschaft. Beiträge zur Europäischen Ethnologie 3 (2016), S. 107-133. Popularität wurde insbesondere durch neue, ereignishafte Wissenspraktiken erzeugt: Exkursionen, das Vorweisen von neu erworbenen Objekten durch Museumsexperten, Lichtbilder u. a. Anthropologie als „spekulative Geschichte“ 195 stritten, und nicht wenige der Konflikte um wissenschaftliche Theoriebildung in jener Zeit betrafen die Anerkennung oder aber Zurückweisung solcher Methoden. Die drei damit kurz skizzierten Entwicklungen - (1) Zunahme der wissenschaftlich bearbeiteten Wissensfelder; (2) Entstehung neuer Wissensorte und -praktiken (z. B. Museen) und (3) die Ausweitung des Methodenspektrums - bilden die Grundlage für das zentrale Argument dieses Beitrags. Das Argument bezieht sich auf den Anspruch der Ethnologie im 19. Jahrhundert, mit eigenständigen Methoden eine Geschichte jener Regionen der Welt zu rekonstruieren, für deren Kulturen es keine schriftlichen Dokumente gibt, und damit zugleich als historische Disziplin anerkannt zu werden. Das bedeutet: Autonomie im Hinblick auf die epistemischen Praktiken, zugleich aber der Wunsch nach Anschluss an eine der Leitdisziplinen jener Zeit - das ist die paradoxale Struktur in der Selbstbestimmung des jungen, noch nicht etablierten Faches, die unausweichlich zu inneren Widersprüchen wie auch zum Teil zur Zurückweisung durch andere Disziplinen führen mussten. Bevor jedoch hier die unmittelbaren Reaktionen von Historikern auf die in deren Augen inakzeptablen Ansprüche der Ethnologie referiert werden, sei zunächst noch einmal auf die Positionierung der Ethnologie in statu nascendi im Umfeld der dynamischen und spannungsreichen Wissenschaftsentwicklung jener Zeit eingegangen. Ein weiterer Abschnitt wird der Spezifik der von Ethnologen neu entwickelten Methode - der Geschichtsschreibung aufgrund der Analyse von Objektformen - gewidmet sein, um deutlich zu machen, um welche unmittelbare Provokation es sich bei den Versuchen der historischen Rekonstruktion handelt. 2 Ethnologische Erkenntnis: ein marginales Wissen Eine der beiden Entwicklungslinien hin zu einem Korpus ethnologischen Wissens beginnt in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und verweist auf die Bewegung zur Abschaffung der Sklaverei. Zunächst sind in diesem Kontext philanthropische Motive hervorzuheben. So wurde in den 1830er-Jahren die Ethnological Society of London gegründet, vorrangig mit dem Ziel, die Menschenwürde der australischen Urbevölkerung sichtbar zu machen. Engagierte Bürger und wissenschaftliche Dilettanten wollten die Existenz einer Kultur dieser Bevölkerungsgruppen und 7 7 Conrad C. Reitling: A Lost Period of Applied Anthropology. I n : American Anthropologist 64 (1962), S. 593-600. 196 Hans Peter Hahn damit das Anrecht auf die Beachtung der vollen Menschenwürde hervorheben. Diese, wie auch die etwa zur gleichen Zeit gegründete Société ethnologique de Paris sammelten mithilfe von Fragebögen Informationen über Kulturen und Gesellschaften in Übersee und verfassten auf dieser Grundlage Vorträge und Berichte über die schwierige wirtschaftliche und politische Lage indigener Bevölkerungsgruppen in den Kolonien. Das philanthropische Anliegen war klar: Es ging um das gleiche Recht von Menschen auf ein menschenwürdiges Leben, gleich welcher Herkunft, Kultur oder Hautfarbe. Aber damit ist nur eine Wurzel der Ethnologie im 19. Jahrhundert beschrieben. Von wenigstens gleicher Bedeutung war daneben das Interesse, die damals immer deutlicher sichtbare Vielfalt der Kulturen und Rassen zu ordnen. So verfolgt die Mehrzahl der Autoren die Vorstellung einer beschränkten Anzahl menschlicher Rassen, die sich aus einem gemeinsamen Ursprung entwickelt hätten. Dieses anthropologisch-anatomische Denken wurde zum Beispiel in prominenter Weise durch den Göttinger Gelehrten Johann Friedrich Blumenbach vertreten. Dessen Studien wurden damals auch in England zur Kenntnis genommen und sind 8 9 10 11 12 8 Justin Stagl: August Ludwig Schlözer and the Study of Mankind. I n : A History of Curiosity. The Theoryof Travel 1550-1800. Hrsg. von Justin Stagl. Chur 1995, S. 233 - 268; George W. Stocking: What's in a Name? The Origins of the Royal Anthropological Institute (1837-71). In: Man. New Series 6 (1971), S. 369-390. 9 Im Auftrag des Zaren Peter I. führte der Göttinger Historiker Gerhard Friedrich Müller schon im 18. Jahrhundert Forschungsreisen nach Sibirien durch und hatte dafür wohl die ersten Fragebögen zu Kultur entwickelt. Dieser älteste ethnografische Fragebogen hatte den Titel „Instruction was zu Geographischen und Historischen Beschreibung von Sibirien [...]“. Vgl. Han F. Vermeulen: Von der Empirie zur Theorie. Deutschsprachige Ethnographie und Ethnologie von Gerhard Friedrich Müller bis Adolf Bastian. In: Zeitschrift für Ethnologie 134 (2009), S. 253-266, hier S. 255. 10 Die allmähliche Durchsetzung der sogenannten Fragebogenmethode und die einhergehende Etablierung des „Lehnstuhlethnologen“ können als die Fundierung einer wissenschaftlichen Ethnologie angesehen werden. James Urry: Notes and Queries on Anthropology and the Development of Field Methods in British Anthropology 1870 -1920. I n : Proceedings of the Royal Anthropological Institute (1973), S. 45 - 57; Jeremy Coote: Notes and Queries and Social Interrelations. An Aspect of the History of Social Anthropology. I n : Journal of the Anthropological Society of Oxford 18 (1987), S. 255-272. Obgleich der Typus und die Methode etwa um 1900 eher kritisch gesehen wurden, spielten Fragebögen bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts eine Rolle. Royal Anthropological Institute: Notes and Queries on Anthropology. 6. Aufl. London 1951. 11 Dieter Haller: Die Suche nach dem Fremden. Geschichte der Ethnologie in der Bundesrepublik 1945-1990. Frankfurt a.M. 2012, S. 31; Lothar Schott: „Verteidigung der Rechte der Menschheit“ als Aufgabe anthropologisch-ethnographischer Sammlungstätigkeit. Johann Friedrich Blumenbach zum 150. Todestag. I n : Ethnographisch-Archäologische Zeitschrift 32 (1991), S. 18-22. 12 Han F. Vermeulen: Before Boas. The Genesis of Ethnography and Ethnology in the German Enlightenment. Lincoln 2015, S. 372. Anthropologie als „spekulative Geschichte“ — 197 deshalb von einiger Bedeutung für die gleich noch zu erläuternde Verschiebung des Selbstverständnisses der engagierten Dilettanten in diesem Wissensgebiet. Blumenbachs vergleichend-anatomische Vorgehensweise stand schon damals, in den Jahren nach 1800, in einer gut etablierten Tradition anthropologischer Abhandlungen. Solche Beschreibungen des Menschen hatten, wie Werner Sombart schildert, schon im 18. Jahrhundert ihre erste Blütezeit. Es handelte sich in jener Zeit um Werke, die ganz überwiegend von medizinisch gebildeten Autoren verfasst wurden. Diese Abhandlungen gingen vom anatomischen Wissen aus und beruhten in erster Linie auf allgemeinen Überlegungen (z. B. Introspektion). Damit standen sie im Kontrast zur Wissenspraxis der britischen und französischen gelehrten Gesellschaften, bei denen, wie bereits erwähnt, empirisch in der Beobachtung einer Kultur erhobene Informationen eine größere Rolle spielten. Vor diesem Hintergrund ist es wenig verwunderlich, dass im deutschsprachigen Raum auch im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts zahlreiche Ethnologen auf eine medizinische Ausbildung verweisen konnten, noch bevor sie sich der Anthropologie oder Ethnologie zuwendeten. Dazu sind einige wichtige Gründerfiguren zu rechnen, wie Adolf Bastian, Rudolf Virchow und Augustin Kramer. Diese medizinische Basis anthropologischen Denkens stand für eine naturwissenschaftliche Auffassung von Mensch und Gesellschaft: Ordnung war in die Vielfalt der Kulturen nur durch naturwissenschaftliche Verfahren zu bringen, allen voran die direkte Beobachtung der Physiologie des Menschen und insbesondere der Schädelformen. Die beiden soweit kurz skizzierten Wissensquellen (1) Befragung und Beschreibung der Kulturen auf der Grundlage von Berichten; (2) direkte Beobachtung im Sinne einer Physiologie - bilden das breite und uneinheitliche Fundament des Faches, das sich im engeren Sinne erst Jahrzehnte nach 1850 herausbilden sollte. Anders formuliert: Empathie (= philanthropisches Interesse) und Ordnung (= vergleichend-anatomische Methode) beschreiben die Eckpunkte einer noch nicht etablierten Wissenschaft, die ihre Anerkennung erst noch zu finden hatte. Den Gründerfiguren in England, Frankreich oder im deutschsprachigen Raum kam das Interesse aus sehr unterschiedlichen Wissensfeldern und politischen 13 14 13 Werner Sombart (Hrsg.): Beiträge zur Geschichte der wissenschaftlichen Anthropologie. Berlin 1938. 14 Wie Peter Probst: Beobachtung und Methode. J.S. Kubary als Reisender und Ethnograph im Spiegel seiner Briefe an Adolf Bastian. In: Baessler-Archiv. Neue Folge 31 (1983), S. 23-56, zeigt, gibt es noch mehr Abgrenzungen, auch wenn diese kaum je explizit gemacht wurden. Neben Beobachten und Beschreiben tritt nämlich auch die Vorstellung einer notwendigen Distanz, wie am Scheitern von lohann Kubary zu beobachten ist, der als Ethnologe über zwanzig Jahre auf den Karolinen-Inseln lebte. 198 Hans Peter Hahn Engagements zugute: Gleichviel, ob es sich um prähistorische Knochenfunde oder die Beschreibung der lokalen Bevölkerung in den gerade erst entdeckten und von europäischen Nationen in Besitz genommenen überseeischen Territorien handelte, immer waren Ethnologen gefragt. Sie sollten Ordnungen entwickeln und kulturelle Beziehungen beschreiben. Das Nebeneinander zwischen naturwissenschaftlichen und deskriptiven Zugängen erwies sich überall in Europa als heikel. Es gab keine Einigkeit über die Gültigkeit bestimmter Methoden. Während manche wie z.B. Virchow der Beschreibung einschließlich dem Vermessen von Schädeln die Priorität gaben, konzentrierten sich andere, wie Moritz Lazarus, auf die Untersuchung der Entwicklung sozialer Normen. Trotz eines gemeinsamen Auftretens mit neuen äußeren Merkmalen, etwa dem wissenschaftlichen Verein oder dem Laboratorium, blieben die Methoden sehr unterschiedlich. In einem breiteren Rahmen beschreibt Han F. Vermeulen dieses Nebeneinander bereits für die letzten Jahre des 18. Jahrhunderts. Sein Bild jener Zeit stützt sich auf die biologische Anthropologie einerseits, namentlich den bereits erwähnten Blumenbach, und ethnografisch arbeitende Historiker andererseits, insbesondere die Göttinger Professoren August Ludwig Schlözer, August Gatterer und Gerhard Friedrich Müller. Während Blumenbach und andere, denen man durchaus auch Immanuel Kant hinzurechnen kann, die Aufgabe der Beschreibung der Menschheit als eine „Naturgeschichte“ ansahen, orientierten sich die 15 16 17 18 15 Marianne Sommer: Bones and Ochre. The Curious Afterlife of the Red Lady of Paviland. Boston 2007; dies.: The Lost World as Laboratory. The Politics of Evolution between Science and Fiction in the Early Decades of Twentieth-Century America. I n : Configurations 15 (2007), S. 2 9 9 329. 16 Vgl. Moritz Lazarus: Über den Ursprung der Sitten. In: Zeitschrift für Völkerpsychologie und Sprachwissenschaft 1 (1860), S. 437- 477, und Ivan Kalmar: The Völkerpsychologie of Lazarus and Steinthal and the Modern Concept of Culture. I n : Journal of the History of Ideas 48 (1987), S. 671690. 17 Das gilt auch für die Szene der Anthropologen in Berlin. Die Berliner Gesellschaft für Ethnologie, Anthropologie und Urgeschichte umfasst sowohl biologisch-anthropologische Strömungen als auch Ethnologie im Sinne einer historischen Wissenschaft. Uwe Hoßfeld: Zur Geschichte der biologischen Anthropologie in Deutschland, 1856 bis 1930. Tendenzen und Strömungen. In: Mitteilungen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte 36 (2015), S. 165-180. Mitunter erschien es so, als sei die Zugehörigkeit zu dieser oder einer der beiden anderen Gesellschaften das wichtigste Merkmal, um überhaupt als Anthropologe oder Ethnologe zu gelten. Vgl. Sabine Imeri: Heimatforschen in der Metropole oder wie regionales Wissen entsteht. Die Brandenburgia, Gesellschaft für Heimatkunde der Provinz Brandenburg zu Berlin um 1900. In: Volkskundliches Wissen. Akteure und Praktiken. Hrsg. von Antonia DavidovicWalther. Münster 2009 (Berliner Blätter 50), S. 113-138. 18 Stagl, Schlözer. Anthropologie als „spekulative Geschichte“ — 199 Ethnografen an dem damals noch umstrittenen Ideal einer „Geschichte der Zivilisationen“. Offensichtlich sollte das 19. Jahrhundert den Fokus auf Anthropologie und die Naturgeschichte bringen, während die alten ethnografischen Zugänge eher zurückgedrängt wurden, ohne jedoch ganz zu verschwinden. In England wurde 1871 die bereits erwähnte Ethnological Society of London aufgelöst und durch das Royal Anthropological Institute ersetzt. Einerseits hatte sich damit die Frage nach den menschlichen Rassen - also die „anthropologische“ Frage nach der Ordnung in der beobachteten Diversität von Kulturen durchgesetzt, andererseits wurde aber auch die „ethnografische“ Vorgehensweise mithilfe von Fragebögen perfektioniert. Dies ist besonders an dem von dieser Gesellschaft herausgegebenen Handbuch mit dem Titel Notes and Queries zu erkennen. Die britische (und auch US-amerikanische) Orientierung ist ergänzend zu kennzeichnen durch die weitgehende Übernahme der Theorie des Evolutionismus. Wie besonders an dem Werk von Edward Tylor untersucht wurde, dominierte das Prinzip einer Einordnung der Kulturen nach ihrem Status auf einer imaginierten Entwicklungsleiter. Der Evolutionismus stellt ein Schema bereit, das jeder Kultur eine spezifische Stufe zwischen der „primitiven Kultur“ einerseits und der „Zivilisation“ andererseits zuordnet. Kulturwandel bedeutet damit stets die Entwicklung von einem gegebenen und durch Beobachtung feststellbaren Niveau hin zur nächsthöheren Stufe. Bis heute ist es umstritten, ob ein solcher gerichteter Prozess als „historische Entwicklung“ angesehen werden kann. Aus dieser Unsicherheit heraus ist für die Argumentation dieser wichtigen Studie festzustellen: Geschichte spielt in der anglophonen Tradition der Ethnologie eine eher geringe Rolle. 19 20 21 22 23 19 Ob und nach welchen Prinzipen diese zu schreiben wäre, war damals zudem Gegenstand einer heftigen Wissenschaftsdebatte. Als Gegner Schlözers hatte sich damals insbesondere Johann Gottfried Herder positioniert, indem er nämlich den Versuch einer systematischen Geschichte als unerfüllbar und letztlich obsolet verwarf. Johann G. Herder: Rezension von Schlözers „Vorstellung der UniversalHistorie“, Göttingen/Gotha 1772. In: Frankfurter Gelehrte Anzeigen (1772), S. 473 - 478. Herder stellt stattdessen das sympathetische Vorgehen in den Mittelpunkt und bekennt sich zur notwendig subjektiven Position des Geschichtsschreibers. Dietrich Harth: Kritik der Geschichte im Namen des Lebens. Zur Aktualität von Herders und Nietzsches geschichtstheoretischen Schriften. I n : Archiv für Kulturgeschichte 68 (1986), S. 407-456. 20 Vermeulen, Before Boas, S. 45 f. 21 Urry, Notes and Queries. 22 Joan Leopold: Culture in Comparative and Evolutionary Perspective. E. B. Tylor and the Making of Primitive Culture. Berlin 1980. 23 Klaus E. Müller: Grundzüge des ethnologischen Historismus. I n : Grundfragen der Ethnologie. Hrsg. von Wolfdietrich Schmied-Kowarzik u. Justin Stagl. Berlin 1981, S. 193-231. 200 Hans Peter Hahn 3 Ethnologie zwischen Geschichte und Biologie Mehr als andere Fächer, die sich im späten 19. Jahrhundert konstituierten, ist die Ethnologie zwischen den beiden Leitdisziplinen jener Epoche hin- und hergerissen. Neben der Geschichte ist hier die Biologie zu nennen, deren berühmtester Vertreter jener Zeit, Charles Darwin, eine Ausstrahlung weit über Fächergrenzen hinaus hatte. In einem Zeithorizont, in dem sich die zunächst in hohem Ansehen stehende historistische Schule der Geschichtswissenschaften unwillkürlich in einer direkten Konkurrenz zum Evolutionismus wiederfand, konnten die noch nicht akademisch etablierten Ethnologen ein Nebeneinanderherlaufen der beiden Strömungen in ihrem Wissensfeld tolerieren. Für Karl Pusman, der sich wesentlich auf Justin Stagl bezieht, wird der im gleichen Zeithorizont „zusammenbrechende“ Historismus durch einen szientistischen Materialismus, also eine Orientierung an den Naturwissenschaften ersetzt. Die Entwicklung der Ethnologie in Großbritannien zeigt, in welch hohem Maße die Ethnologie sich ab 1860 an spätestens seit dem 18. Jahrhundert bereits etablierten naturwissenschaftlichen Methoden und Theorien orientierte. Auch die Zuordnung von ethnografischen Sammlungen zu naturhistorischen Museen sollte in diesem Lichte betrachtet werden: Den Gesellschaften, deren kulturelle Artikulationen in diesen Museen verwahrt und untersucht wurden, wurde mit dieser 24 25 26 24 Justin Stagl: Kulturanthropologie und Gesellschaft. Wege zu einer Wissenschaft. München 1974, S. 22. Stagl hielt das Jahrzehnt 1850 -1860 für die entscheidende Dekade im Hinblick auf den damals erfolgten Paradigmenwechsel: Die in den 1840er-Jahren gegründeten ethnologischen Gesellschaften in Paris und London gerieten damals mangels öffentlichen Interesses in eine Krise. Stagl stellt an den Beginn dieses Zeithorizonts die bürgerliche Revolution von 1848. An dessen Ende - gewissermaßen als öffentlich unübersehbarer Vollzug der Durchsetzung naturwissenschaftlicher Prinzipien - steht die erste wichtige Publikation von Charles Darwin On the Origin of Species (1859). Charles Darwin: On the Origin of Species. London 1859. 25 Karl Pusman: Die „Wissenschaften vom Menschen“ auf Wiener Boden (1870 -1959). Münster 2008, S. 18. 26 Ganz ähnlich äußerte sich bereits Rudolf Virchow: Die Gründung der Berliner Universität und der Uebergang aus dem philosophischen in das naturwissenschaftliche Zeitalter. Rede am 3. August 1893 in der Aula der Königlichen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin. Berlin 1893, S. 24. Ihm zufolge ist „aus den Studierzimmern der Philosophen kein Aufschluss über wirkliche Naturvorgänge zu erlangen, sondern nur aus der dauernden Verbindung der Wissenschaft mit realen Dingen“, also „Museen Sammlungen, Laboratorien, Institute“. Bei seiner Rede am Ende seiner Amtszeit als Präsident der Humboldt-Universität gibt es einen Rückblick auf die Entwicklung der Wissenschaften im 19. Jahrhundert. Dabei bestätigt er die Beobachtung einer Konkurrenz zwischen Geschichte und Naturwissenschaften. Ihm zufolge war 1856, das Jahr der Gründung des pathologischen Instituts, für den Sieg der Naturwissenschaft (und damit der direkten Beobachtung) entscheidend. Virchow, Gründung, S. 28. Anthropologie als „spekulative Geschichte“ — 201 Platzierung nicht etwa der Status einer von Menschen hervorgebrachten Kultur abgesprochen. Die Verknüpfung erfolgte vielmehr auf der Grundlage der methodologischen Basis: So, wie die Biologie durch Beobachtung und Vergleich die relative Platzierung jeder einzelnen Spezies bestimmen konnte, so glaubte man, durch ähnliche Methoden den Platz jeder einzelnen Kultur in der Menschheitsgeschichte identifizieren zu können. Die Ordnung der Kulturen entspricht der Ordnung der Tier- und Pflanzenarten. Ethnologie wurde zu einer „vergleichenden Anatomie“ der Kulturen. Trotz der philanthropischen Wurzeln richteten sich die Ethnologen in England nach 1871 an der Biologie aus, verfolgten die historisch nur wenig informierte Theorie des Evolutionismus. Damit kamen sie zu einem dezidiert „anthropologischen“ Verständnis aller Kulturen weltweit. In den deutschsprachigen Ländern verlief der Weg im gleichen Zeitraum in die entgegengesetzte Richtung. Auch hier kann von einer doppelten Orientierung als Ausgangspunkt gesprochen werden: einerseits die biologische, die unter anderem in dem großen Engagement von Ärzten in dem neuen Wissensgebiet erkennbar ist; andererseits eine historische, die sich zum Beispiel schon im späten 18. Jahrhundert in dem Konflikt zwischen Johann Gottfried Herder und August Ludwig Schlözer über die Geschichte der Bildung der Menschheit erkennen lässt. Gegenläufig zur für Großbritannien gezeichneten Entwicklung des Faches verlief in der deutschsprachigen Tradition der Weg recht bald weg von der somatisch-physiologischen Anthropologie und hin zur historisch-rekonstruieren27 28 29 30 27 Martin Gierl: Das Alphabet der Natur und das Alphabet der Kultur im 18. Jahrhundert. I n : Zeitschrift für Geschichte der Wissenschaften, Technik und Medizin 18 (2010), S. 1-27, hat die im Grunde aus dem 18. Jahrhundert stammende Parallelisierung des Ordnungssystems der Natur (insbesondere die Linne'sche Nomenklatur) mit Ordnungssystemen der kulturellen Vielfalt anhand der Studien der Göttinger Universitätskollegen Gatterer und Büttner untersucht. 28 Frances Larson: Anthropology as Comparative Anatomy? Reflecting on the Study of Material Culture During the Late 1800s and the Late 1900s. In: Journal of Material Culture 12 (2007), S. 89 112. 29 In einem Rückblick zur Entwicklung der Ethnologie verweist Frobenius kritisch auf diese Strömung und bezeichnet speziell britische Vertreter (wie z.B. Edward Tylor) als „Analogisten“, die nur Prozesse der Konvergenz beschrieben und deshalb keine historische Entwicklung der Kulturen erkennen könnten. Konvergenz meint hier die Entwicklung zu einer einheitlich und homogen gedachten Zivilisation, wie es die britische Gesellschaft jener Zeit verkörperte. 30 Herder, Rezension; Harth, Kritik. In einem umfangreichen Kommentar zu Herders Traktat hat Hans-Georg Gadamer dessen besondere Leistung herausgearbeitet. Demnach liegt Herders Leistung in einer der frühesten Formulierungen des Kulturrelativismus: Mit der Zurückweisung des Fortschrittsglaubens hat Herder sich bereits im Jahr 1774 für die Gleichwertigkeit der Menschen in allen Kulturen ausgesprochen. Johann G. Herder: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. Nachwort von Hans-Georg Gadamer. Frankfurt a.M. 1967. Hans Peter Hahn 202 den Ethnologie oder „Völkerkunde“, mit zunehmend kritischer Distanz zur biologischen Ausrichtung und hin zu einer stärkeren Orientierung an geschichtlichen Fragen. Dies ist insbesondere am wissenschaftlichen Profil eines der Begründer des Faches, Adolf Bastian, erkennbar. Bastian, in jungen Jahren als Mediziner ausgebildet, entwickelte die Theorie der Elementargedanken und engagierte sich zuletzt mit großer Energie für das Völkermuseum in Berlin als Ort der Forschung. Nach Fiedermutz-Laun steht Bastians zentrales Forschungsanliegen in einer „komparativ-genetischen“ Betrachtung der Kulturen. Zugleich ist für Bastian die Einheit der Menschheit durch deren biologische Grundlagen gegeben. Diese beiden Theorieelemente machen deutlich, wie in seinem Denken Geschichte und Biologie unmittelbar nebeneinanderstehen. Zugleich wird aber deutlich, dass für Bastian die Idee der historischen Rekonstruktion die eigentliche Zukunftsaufgabe der Ethnologie sein wird. 31 32 33 34 35 Im Verhältnis zu den etablierten Fächern ist für die Ethnologie also ein ungleiches Nebeneinander zu konstatieren. Einerseits übernahmen Ethnologen Methoden (Beobachten, Vergleichen) und Konzepte (Entwicklung, Geschichtlichkeit) von den damals dominanten Disziplinen Biologie und Geschichte. Andererseits gelang es nicht, daraus einen im System des einen oder des anderen Faches verankerten Wissensanspruch abzuleiten: Weder galt die Ethnologie als eine Subdisziplin der Biologie, noch hatten ihre Ergebnisse einen substanziellen Einfluss auf die historischen Wissenschaften. 31 Wenigstens für die Periode als Schiffsarzt ist Bastian auch der Kategorie der forschungsreisenden Privatgelehrten zu zurechnen. Daum, Wissenschaftspopularisierung, S. 414. Auch andere wichtige „ethnologische Amateure“ - Nachtigall, Rohlfs, Ratzel - nennt Daum an gleicher Stelle. 32 Annemarie Fiedermutz-Laun: Der kulturhistorische Gedanke bei Adolf Bastian. Systematisierung und Darstellung der Theorie und Methode mit dem Versuch einer Bewertung des kulturhistorischen Gehalts auf dieser Grundlage. Wiesbaden 1970 (Studien zur Kulturkunde 27); dies.: The Scientific Legacy of Adolf Bastian (1826 -1905). Compilation, Evaluation and Significance of Knowledge about the Life and Work of the Scholar. I n : Adolf Bastian and his Universal Archive of Humanity. The Origins of German Anthropology. Hrsg. von Manuela Fischer [u.a.]. Hildesheim 2007. S. 55 - 74. 33 Fiedermutz-Laun, Der kulturhistorische Gedanke, S. 259. 34 Klaus-Peter Koepping: Adolf Bastian and the Psychic Uniry of Mankind. The Foundations of Anthropology in Nineteenth Century Germany. St. Lucia 1983. 35 Pusman, Die „Wissenschaften vom Menschen“, S. 83, fasst die besondere Situation der deutschsprachigen Ethnologie in einen scheinbar klaren Trend: „Vom evolutionistischen zum kulturhistorischen Denkansatz“. Pusman, der sich sehr weitgehend auf Justin Stagl und Eike Haberland stützt, stellt die Verbindung von Ratzel und Frobenius dabei in den Vordergrund. Eine Begründung, warum diese Entwicklung gerade im deutschsprachigen Raum möglich war, liefert er jedoch nicht. Anthropologie als „spekulative Geschichte“ — 203 Stattdessen mussten Ethnologen sich damit abfinden, in eng umrissenen Kontexten der Exotisierung als Fachleute zu gelten. So wurden sie bei Völkerschauen herangezogen, um eine Expertise der „Echtheit“ abzugeben. Die Museen für Völkerkunde wurden zu Rumpelkammern kolonialer Trophäenjagden, ohne dass die verantwortlichen Ethnologen sich zu einer grundsätzlichen Kritik am kolonialen System durchringen konnten. Damit wurden sie zu Werkzeugen einer Wissensordnung, die zu überwinden das Fach einmal angetreten war: Ethnologen waren nicht mehr für die Menschheit insgesamt zuständig, sondern nur noch für die weit entfernten Kulturen, für die Gegenentwürfe zur eigenen „zivilisierten“ Welt. 36 37 4 Materielle Kultur als „Methode“ Möglicherweise haben Ethnologen eine tendenziell eher exotische Selbstinszenierung akzeptiert, um ihrem Fach eine größere Popularität in der schon geschilderten wissenschaftsaffinen Öffentlichkeit am Ende des 19. Jahrhunderts zu geben. Das gilt ohne Zweifel für eine Person wie Leo Frobenius, der in geschickter Weise Exotik und Wissenschaft miteinander verbindet. Eine Resonanz dieser durchaus problematischen „Selbst-Exotisierung“ findet sich im sogenannten Expeditionsstil, der für einen kurzen Zeitraum um 1900 sogar als eine zentrale 38 39 36 Andrew Zimmerman: Geschichtslose und schriftlose Völker in Spreeathen. Anthropologie als Kritik der Geschichtswissenschaft im Kaiserreich. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 47 (1999), S. 197-210. Die Berliner Gesellschaft für Ethnologie, Anthropologie und Urgeschichte ließ sich „Privatvorstellungen“ der von Hagenbeck nach Berlin gebrachten „Wilden“ geben. Edward G. Norris: Trivialisierung der Allgemeinbildung durch Ausstellungen mit überseeischer Exotik. Carl Hagenbeck. In: Kultur im Spannungsfeld von Wirtschaft und Politik. Hrsg. von Dirk Rustemeyer u. Jürgen Wittpoth. Berlin 1991, S. 149-170. 37 Hans P. Hahn: Ethnologie und Weltkulturenmuseum. Positionen für eine offene Weltsicht. Berlin 2017, S. 22 f. Sicher hat auch Bastian selbst in dieser Hinsicht nicht deutlich genug Stellung bezogen. Seine Kritik an einer von kolonialer Überheblichkeit geprägten Sicht auf die Kulturen der Menschen in den Kolonien ist dennoch deutlich vernehmbar. Adolf Bastian (Hrsg.): Zwei Worte über Colonial-Weisheit von jemandem dem dieselbe versagt ist. Berlin 1883. Insbesondere stört ihn die mangelnde Verwertbarkeit kolonialer Sammlungen für seine wissenschaftliche Fragestellung. Ders.: Ueber Ethnologische Sammlungen. I n : Zeitschrift für Ethnologie 17 (1885), S. 38-42. 38 Hans-Jürgen Heinrichs: Die fremde Welt, das bin ich. Leo Frobenius: Ethnologe, Forschungsreisender, Abenteurer. Wuppertal 1998. 39 Hans P. Hahn: Ethnologie. Eine Einführung. Berlin 2013, S. 68 ff. 204 Hans Peter Hahn Forschungsmethode von Ethnologen gelten muss. Das Sammeln von Objekten, also das „Erringen“ von Dokumenten „fremder Kulturen“ wurde dabei zu einer öffentlich anerkannten Priorität erhoben. So wichtig das Sammeln von Dingen als praktische Tätigkeit war, so bedeutsam war der Versuch, den ethnologischen Wissenskorpus abzusichern, indem man konsistente Methoden der Analyse solcher Sammlungen entwickelte und sich damit einem der großen, etablierten Fächer annäherte. Die Konsistenz einer Methode ist dabei nicht nur eine Frage des Vorgehens, sondern vielmehr der Ausdruck einer klar definierten Fragestellung und der erwarteten Ergebnisse. In diesem Sinne lässt sich feststellen, dass die Geschichte eine prominente Rolle einnimmt. Ethnologen wie Adolf Bastian und Friedrich Ratzel, aber auch Leo Frobenius haben in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts immer wieder und ganz entschieden für die Ethnologie als historische Wissenschaft plädiert. Ihre Fragestellung bezieht sich auf die Geschichte jener Gesellschaften, die nicht über eine eigene Geschichtsschreibung verfügten. 40 41 Diese Ethnologen vertraten uneingeschränkt den Anspruch, Aussagen über die Geschichte der von ihnen untersuchten Gesellschaften und Kulturen zu machen. Ethnologen präsentierten ihre Ergebnisse als „komplementär“ zu den von Historikern bereits untersuchten Regionen und Epochen und behaupteten selbstbewusst, auf diese Weise zu einer Art Universalgeschichte beizutragen. Die damals rasch anwachsenden ethnografischen Sammlungen bewerteten sie als Basis für dieses Vorhaben, da die Dinge als direkte Zeugnisse der außereuropäischen Kulturen aufgefasst wurden. Öffentlich sichtbarer Ausdruck der selbstbewussten Behauptung eines eigenen Wissensfeldes waren die in jener Zeit entstehenden Museen für Ethnologie, die zugleich, wie eingangs erläutert, als Orte der Forschung verstanden wurden. Es waren Laboratorien der Forschung, mithin Orte, an denen neuartige Methoden erprobt werden konnten, deren Ergebnisse dann die Anerkennung der Ethnologie durch die universitären historischen Disziplinen erzwingen sollte. 42 43 40 Frobenius als ein wichtiger Vertreter dieser Methode wurde bereits erwähnt. Ein wichtiger Konkurrent, der mit der gleichen Methode arbeitete, war Emil Torday. S. John Mack: Emil Torday and the Art of the Congo, 1900 -1909. London 1991; Johannes Fabian: Curios and Curiosity. Notes on Reading Torday and Frobenius. I n : The Scramble for Art in Central Africa. Hrsg. von Enid Schildkrout u. Curtis A. Keim. Cambridge 1998, S. 79-108. 41 Johannes Fabian: Ethnische Artefakte und ethnographische Objekte. Über das Erkennen von Dingen. In: Das entfernte Dorf. Moderne Kunst und ethnischer Artefakt. Hrsg. von Äkos Moravänszky. Wien 2002, S. 2 1 - 40; Thomas Fillitz: Vom Sammeln und Klassifizieren. In: Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft Wien 141 (2011), S. 209-218. 42 Bastian, Ueber Ethnologische Sammlungen. 43 Hahn, Ethnologie und Weltkulturenmuseum, S. 27. Anthropologie als „spekulative Geschichte“ — 205 Aber wie lässt sich eine Geschichte mit den methodologischen Instrumenten der Ethnologie und im Kontext der heterogenen Orientierung rekonstruieren? An dieser Stelle rückt die Vorstellung in den Mittelpunkt, technische oder handwerkliche Artikulationen einer Kultur in der Form ethnografischer Objekte seien eine verwertbare Quelle, vergleichbar mit den Dokumenten der Historiker. Ethnologen wie Leo Frobenius und Fritz Graebner beriefen sich dabei auf Ernst Bernheim und dessen Lehrbuch der historischen Methode. Dort findet sich eine Definition, die darauf verzichtet, die ursprüngliche Bestimmung eines Dokuments als Zeugnis zum zentralen Merkmal einer echten Quelle zu machen. Nach Bernheim gelten als Quelle vielmehr: „Resultate menschlicher Betätigungen, welche zur Erkenntnis und zum Nachweis geschichtlicher Tatsachen entweder ursprünglich bestimmt oder doch vermöge ihrer Existenz, Entstehung oder sonstiger Verhältnisse vorzugsweise geeignet sind“. Bastian und andere zeitgenössische Ethnologen untersuchten materielle Artefakte als Quelle für die Form der jeweiligen Kultur, die sie hervorbrachten. Es erschien so, als sei ein Objekt, ähnlich wie ein Text, das komplexe Ergebnis unterschiedlicher intentionaler Akte: Einerseits die Weitergabe des Wissens über Formen, andererseits die Reproduktion von handwerklichen Techniken und Routinen der Materialaufbereitung und -bearbeitung. Sichtbare Evidenzen unterschiedlicher Materialbearbeitung und Formgebung schienen ausreichend, um „Kulturgeschichte“ zu rekonstruieren. Die Form der Objekte transportierte kulturelle Kontinuität und Identität, auch wenn keine anderen Quellen für solche Aussagen existierten. So bietet Frobenius in einem Reisebericht die Zeichnung einer eisernen Glocke aus Nord-Togo und auf der gegenüberliegenden Seite eine Skizze eines levantinischen Musikinstruments aus Bronze in ganz ähnlicher Form. Die formale Übereinstimmung ist für Frobenius der Ausgangspunkt einer Spekulation über die Wanderung von Kulturen vom Mittelmeerraum nach Westafrika. Diese Quelle stützt seine „Atlantistheorie“. Er glaubt also aufgrund der Beweiskraft einer Objektform, dass Reste einer bron44 45 46 44 Koppers, Der historische Gedanke, S. 20. 45 Ernst Bernheim: Lehrbuch der historischen Methode mit Nachweis der wichtigsten Quellen und Hilfsmittel zum Studium der Geschichte. 3. Aufl. Leipzig 1903, S. 227, Hervorhebung durch den Autor. Nach Ulrich Veit: Abfall als historische Quelle. Zeugenschaft in der Archäologie. I n : Parapluie 22 (2005), o. S., erhob Virchow das „Nichtintentionale“ der materiellen Kultur als Argument für deren Wahrhaftigkeit sogar besonders hervor. 46 Leo Frobenius: Ethnologische Ergebnisse der zweiten Reiseperiode der Deutschen Innerafrikanischen Forschungsexpedition (DIAFE). In: Zeitschrift für Ethnologie 41 (1909), S. 759-783, hier S. 780 f. Hans Peter Hahn 206 zezeitlichen mediterranen Kultur in der Regenwaldzone Westafrikas anzutreffen sind. Das konkrete Beispiel mag exotisch erscheinen. Aber die größeren und komplexeren Rekonstruktionen der kulturhistorischen Methode funktionieren sehr ähnlich. Sie bedürfen nicht einmal der unmittelbaren Evidenz des Auffindens am Ort ihres Gebrauchs, so wie es im obigen Beispiel der Fall ist. Solche Evidenzen können durch das Nebeneinanderstellen von ähnlichen Objekten im Museum erzeugt werden. Sobald eine oder mehrere Grundeigenschaften von Objekten sich gleichen, so liegt damit das Indiz für eine gemeinsame kulturelle Basis vor. Unter bestimmten Bedingungen hielten Ethnologen die visuelle Evidenz einer bestimmten Formähnlichkeit für hinreichend. Ein weiterer Schritt dieser Methode war die Definition sogenannter Kulturkomplexe. Dabei handelt es sich um eine kleine Anzahl verschiedener Objekte mit ziemlich genau zu beschreibenden Formeigenschaften. Dies erschien wie eine Absicherung: Nicht das Auftreten einer einzelnen Form (wie im Beispiel oben), sondern das gemeinsame Auftreten dieser Gruppe von Dingen wurde als Indiz für die Übereinstimmung in der Kulturgeschichte gewertet. Der Nachweis einer Gruppe von Dingen ähnlicher Form war gewissermaßen der „Basisbefund“ für einen Kulturkreis. Er wurde ergänzt durch die Beschreibung der räumlichen Verbreitung. Erst der Nachweis dieser Gruppe an zwei verschiedenen Orten machte es plausibel, diese Orte miteinander zu verbinden. Dabei fragte man nicht nach der Modalität; es war auch ohne Bedeutung ob es sich dabei um die Mobilität von Menschen oder von Ideen und Techniken handelt. 47 48 49 47 Jürgen Zwernemann: Culture History and African Anthropology. Stockholm 1983 (Uppsala Studies in Cultural Anthropology 6), S. 5 f. Zwernemann schildert sehr differenziert, in welcher Hinsicht Bernheim für die Generation der Ethnologen wie Frobenius oder Graebner gelesen wurde und warum man damals dessen Lehrbuch als Schlüssel zur Aufwertung materieller Kultur verstand. Vgl. dazu auch Hans P. Hahn: Ethnologie. In: Handbuch Materielle Kultur. Bedeutungen, Konzepte, Disziplinen. Hrsg. von Stefanie Samida [u.a.], Stuttgart 2014, S. 269-278. 48 Aus der unendlichen Zahl von Objekteigenschaften, die jedem Gegenstand anhaften, wählten die Ethnologen in jener Zeit nur die scheinbar dem Objekt immanenten aus: Farbe, Form, Material, Bearbeitung. Später mussten sie eingestehen, dass „Objektimmanenz“ ein unhaltbares Kriterium ist. So erklären sich Techniken der Herstellung mitunter nur, wenn auch der spätere Gebrauch berücksichtigt wird. Wie heute bekannt ist, können Formen von Objekten nicht von Gebrauchskontexten getrennt werden. Hans P. Hahn: Materielle Kultur. Eine Einführung. Berlin 2005. Die Geschichte der Befassung mit materieller Kultur könnte deshalb auch als eine Geschichte zunehmender epistemischer Unklarheit geschrieben werden: Die Klarheit der Kriterien, wie auch die Qualität, als „Indiz für [...]“ gewertet zu werden, schwanden im Laufe des 20. Jahrhunderts beständig. Hans P. Hahn: Dinge als unscharfe Zeichen. I n : Handbuch Museum. Geschichte, Aufgaben, Perspektiven. Hrsg. von Markus Walz. Stuttgart 2016, S. 14-18. 49 Zwernemann, Culture History, S. 53. Anthropologie als „spekulative Geschichte“ — 207 Man beschrieb die Mobilität der Kultur als Abstraktum und kam dadurch zu Modellen, die eine Wanderung von Kulturen über etliche tausend Kilometer hinweg unterstellte. Die beiden damit geschilderten Prinzipien - (1) die Formkonstanz und (2) die Gleichartigkeit an verschiedenen Orten - erschienen den Ethnologen eine methodisch sichere Grundlage. Obgleich damals dieser Begriff nicht verwendet wurde, bezeichnet man dieses Verfahren als diffusionistische Lehre. Der Diffusionismus war damals weit verbreitet und hatte auch in England und in den USA Anhänger. Der Begriff der „kulturhistorischen Methode“ beschreibt mithin eine vergleichsweise eng umrissene und anspruchsvolle Methode, die im weiteren Sinne nur als eine Methode unter anderen im Spektrum der diffusionistischen Ansätze darstellt. Da es innerhalb der deutschsprachigen Ethnologie erhebliche Differenzen und intensive Debatten bezüglich der Zahl der sogenannten Urkulturen und auch über die Ausbreitungswege gab, wäre es ohnehin falsch, von einer „Schule“ oder „Lehre“ zu sprechen. Vielmehr bildeten die ethnologisch-kulturhistorischen Zentren in Berlin, Köln, Frankfurt und Wien jeweils eigene „Schulen der Kulturgeschichte“ und stritten intensiv darüber, ob es z. B. eine einzige „älteste“ Kultur gegeben habe oder drei oder gar noch mehr „Urkulturen“. Es gab massive Differenzen darüber, ob z. B. alle indianischen Kulturen zu einer solchen Kultur zu rechnen wären oder ob hier unterschiedliche Einflusssphären, z. B. über den pazifischen Ozean hinweg und hin zu Inselkulturen des Süd-Pazifik anzunehmen wären. 50 51 52 Vielfach wird die „kulturhistorische Methode“ mit dem Begriff „Kulturkreislehre“ unmittelbar verknüpft. Wissenschaftsgeschichtlich wird dieser Begriff dadurch jedoch in unangemessener Weise überbewertet, da es niemals eine übereinstimmende Lehre bezüglich der „Kulturkreise“ gab. Es existierte nicht einmal eine von allen Seiten anerkannte Definition für diesen Begriff, der auch 53 54 50 Fritz Gräbner: Methode der Ethnologie. Heidelberg 1911. 51 Hans P. Hahn: Leo Frobenius et le Panafricanisme aujourd'hui: W.E.B. Du Bois et l'idee de la malléabilité des cultures. In: Kulturkreise. Leo Frobenius und seine Zeit. Hrsg. von Jean-Louis Georget [u.a.]. Berlin 2016 (Studien zur Kulturkunde 129), S. 361-376. 52 Zwernemann, Culture History, S. 67 ff. 53 Clyde Kluckhohn: Some Reflections on the Method and Theory of the Kulturkreislehre. In: American Anthropologist 38 (1936), S. 157-196; Koppers, Der historische Gedanke; Helene Ivanoff, Jean-Louis Georget u. Richard Kuba (Hrsg.): Kulturkreise. Leo Frobenius und seine Zeitgenossen. Berlin 2016 (Studien zur Kulturkunde 129). 54 Paul Leser: Zur Geschichte des Wortes Kulturkreis. In: Anthropos 58 (1963), S. 1-36. Hans Peter Hahn 208 von Bernheim und Ratzel verwendet wurde, jedoch mit sehr unterschiedlicher Bedeutung. Die grundlegenden Probleme dieses Ansatzes standen damals den aktiven Verfechtern wie Ankermann, Frobenius und Graebner, aber auch einer nicht gering zu schätzenden Zahl von Kritikern deutlich vor Augen: Stets schien die Auswahl von Kulturmerkmalen willkürlich; und die Frage nach dem Wie der kulturellen Mobilität wurde systematisch vernachlässigt. Dennoch hat die hier geschilderte Methode massive Auswirkungen auf die Situation der Ethnologie bis in die Gegenwart. Dafür ist insbesondere die paradoxe Lage der Museen anzuführen, die in der Zeit bis 1920 zweifellos als wichtige Orte der Forschung gelten konnten. Danach und parallel mit dem Untergang der kulturhistorischen Methode haben sie ihre wissenschaftliche Bedeutung auch deshalb verloren, weil die „Feldforschung“ zur zentralen epistemischen Praxis aufstieg. Die Durchsetzung der Feldforschung ging mit einem substanziellen Verzicht der ihr verpflichteten Ethnologen einher: Sie verzichteten zumeist darauf, Modelle historischen Wandels und überregionaler Kulturzusammenhänge zu präsentieren. Kulturen wurden von der Mehrzahl der Ethnologen spätestens ab 1920 nur noch als lokal abgegrenzte und tendenziell eher statische Einheiten betrachtet. Die Frage nach dem historischen Wandel erschien als zu komplex und im Grunde unlösbar. 55 56 57 5 Hat die Geschichtsschreibung mit materieller Kultur eine historische Aussage? Was nun sind die Leistungen und Defizite des Versuchs, auf der Grundlage eines Vergleichs von Objektformen „Geschichte“ zu schreiben? In einer sehr pragma- 55 Zu den unterschiedlichen Verwendungen des Begriffes und seiner zentralen Stellung für kulturhistorische Rekonstruktionen vgl Koppers, Der historische Gedanke, S. 25-28. Trotz der Widersprüche in der Definition ist der Begriff „Kulturkreis“ aus der Ethnologie im Zeitraum der Jahre nach 1900 in die Alltagssprache übergegangen und gehört heute zum allgemeinen Wortschatz. 56 Michael Haberlandt: Zur Kritik der Lehre von den Kulturschichten und Kulturkreisen. In: Petermanns Mitteilungen 57 (1911), S. 113 -118; Paul Hambruch: Das Wesen der Kulturkreislehre. Zum Streite um Leo Frobenius. Hamburg 1924; Alfred Vierkandt: Rezension von: Graebner, Fritz: Kulturkreise und Kulturschichten in Ozeanien. Bernhard Ankermann: Kulturkreise und Kulturschichten in Afrika. I n : Zentralblatt für Anthropologie 10 (1905), S. 211-213; ders.: Die Stetigkeit im Kulturwandel. Eine soziologische Studie. Berlin 1908. 57 Hans P. Hahn: Lokale Kulturen und globale Verflechtungen. Handwerker, Traditionen und transkontinentale Bezüge. In: Same same, but different. Der Dokra-Weg der Ringe. Hrsg. von Johanna Hess-Dahm. Zürich 2008, S. 86 - 95. Anthropologie als „spekulative Geschichte“ — 209 tischen Hinsicht wurde darauf bereits eine Antwort gegeben: Diese Methode diente als essenzieller „Trittstein“ auf dem Weg zu einer vollwertigen Wissenschaft. Gerade Frobenius, der deutlicher als Bastian in den Jahren um 1900 ein wahrhaft weltumspannendes Modell präsentieren konnte, verhalf damit seinem Fach zu größerem Selbstbewusstsein. Die Anerkennung durch die Leitwissenschaft Geschichte konnte nur eine Frage der Zeit sein. Aber es zeigt sich, dass die Reaktionen der Historiker sehr unterschiedlich waren. Andrew Zimmerman zufolge fiel es Virchow und Bastian schwer, Verbündete in den etablierten Geisteswissenschaften zu finden, obgleich sie Herder als Ahnherr benannt hatten und glaubten, eine Fortsetzung der Idee einer Universalgeschichte zu realisieren. Bastian und andere Ethnologen dieser Zeit verstanden die Leistung der Ethnologie als Erweiterung der humanistischen Ausrichtung in einem Moment, in dem die „Naturvölker“ unter dem Druck des Kolonialismus ihrer Ansicht nach dem Untergang geweiht seien. Bastian verstand ethnologische Museen als „Textsammlungen schriftloser Völker“. Nach Zimmerman waren Ethnologen damals „Positivisten“, also faktenversessen, sie traten damit in Opposition gegen die Philologen. Artefakte betrachteten sie als „objektiver“ im Vergleich zu ohnehin nicht verfügbaren schriftlichen Selbstzeugnissen. Die Masse der Daten und ihre statistische Auswertung galten als der beste Weg für die induktive Erforschung. Historiker wendeten sich gegen solche Vorstellungen und äußerten sich kritisch. Ihr Vorwurf lautete, die kulturhistorische Beschreibung begreife den Menschen nur monistisch. Ottokar Lorenz zufolge tendiere die naturwissenschaftliche Geschichte dazu, die immanente Potenz des Staates geringzuschätzen: 58 59 60 61 62 63 Ich erblicke hierin eine Gefahr des induktiv technischen Zeitalters [...]: die naturwissenschaftliche Betrachtung der Dinge schätzt nicht selten die immanente Potenz dessen, was sich als Staat geschichtlich darstellt, gering. [...] Sie ist bestrebt, das analytische Verfahren auf gesellschaftliche Zustände anzuwenden, als wenn sie ein bloßes Objekt ihrer Aufgaben 58 Wenigstens für Frobenius selbst hat sich die Erwartung auch erfüllt: Frankfurter Historiker waren Fürsprecher, als es darum ging, sein Afrika-Archiv in den frühen 1920er-Jahren nach Frankfurt zu holen. Bernhard Streck: Leo Frobenius. Afrikaforscher, Ethnologe, Abenteurer. Frankfurt a.M. 2014 (Gründer, Gönner und Gelehrte. Biographienreihe der Goethe-Universität Frankfurt am Main). 59 Zimmerman, Geschichtslose und schriftlose Völker, S. 197. 60 Eike Haberland: Historische Ethnologie. In: Ethnologie. Eine Einführung. Hrsg. von Hans Fischer. Berlin 1983, S. 319-343, hier S. 332. 61 Bastian, Ueber Ethnologische Sammlungen, S. 40. 62 Zimmerman, Geschichtslose und schriftlose Völker. 63 Ottokar Lorenz: Die bürgerliche und die naturwissenschaftliche Geschichte. I n : Historische Zeitschrift 39 (1878), S. 458 - 485, hier S. 461. 210 Hans Peter Hahn vor sich hätte; die Herabsetzung dieser letzteren Aufgaben [= die Erkenntnis des Staats und seiner kausalen Bedingungen] wird nicht nur die zeitgemäßen Bewegungen des Staats und seiner Zwecke erschweren, sondern auch sehr vieles beitragen, in jenem ,Ameisenhaufen' eine Schranke zu lockern, welche wenigstens die Ameisen der Naturgeschichte auszeichnet: das Staatsgefühl. 64 In ähnlicher Stoßrichtung äußert sich Johann Gustav Droysen, auf den Zimmerman ebenfalls verweist. Droysen sieht in der ethnografischen Beschreibung von Kulturen ein Missverständnis bezüglich der eigentlichen Zielsetzungen der Geschichte. 65 Wer darangehen wollte, eine Ethnografie im rechten Sinne zu machen, der müßte vor allem diesem Gedanken nachgehen, er müßte den Wandel der Völker, ihre Zersetzungen und die neuen Kombinationen verfolgen [...] Er würde zu der Frage kommen, welche Völker konnten sich verbinden, sich kreuzen, aus welchen Kreuzungen entstand Edleres, in welchen mulattisch Verächtliches, welches Volkselement war in der Kreuzung das zeugende, welches das empfangende? [...] Ein wunderliches, aber gedankenreiches Buch hat diese Aufgabe zu behandeln versucht: [Karl] Vollgraf ,Erster Versuch einer allgemeinen Ethnologie durch Anthropologie' 1851 - 5 5 . 6 6 Damit ist offensichtlich: Die externe Kritik war prägnant. Sicher war sie auch deutlich genug, um damals die Einrichtung eines regulären Lehrstuhls für Ethnologie oder Völkerkunde an der Universität in Berlin zu verhindern. Zugleich sollte jedoch nicht vergessen werden, dass auch die historischen Wissenschaften in der Zeit nach 1870 unter Kritik geraten waren. Eine interne gegenüber dem Historismus kritische Bewegung ist mit Karl Lamprecht und seiner Position zu den Aufgaben einer Geschichtswissenschaft verbunden. Lamprecht hat sich auf Herder berufen und auch Ethnologen wie Tylor und Henry Morgan zitiert. Zwar 67 64 Lorenz, Die bürgerliche und die naturwissenschaftliche Geschichte, S. 483. Zur tendenziellen Bereitschaft der Professorenschaft im Preußen jener Zeit, die Belange des Staates vor die Freiheit der Wissenschaft zu stellen, s. Christophe Charle: Vordenker der Moderne. Die Intellektuellen im 19. Jahrhundert. Frankfurt a.M. 1997, S. 208 ff. 65 Zimmerman, Geschichtslose und schriftlose Völker, S. 209. 66 Johann G. Droysen: Historik 1. Rekonstruktion der ersten vollständigen Fassung der Vorlesungen (1857). Stuttgart 1977, S. 312. Dieser Absatz endet mit einem Fragment, das möglicherweise später hinzugefügt wurde: „Schematisch, doktrinär, unhistorisch - Bastian“. Zit. S. 312. 67 Hasso Spode: Was ist Mentalitätsgeschichte? In: Kulturunterschiede. Interdisziplinäre Konzepte zu kollektiven Identitäten und Mentalitäten. Hrsg. von Heinz Hahn. Frankfurt a.M. 1999 (Beiträge zur sozialwissenschaftlichen Analyse interkultureller Beziehungen 3), S. 10-57, hier S. 26. Anthropologie als „spekulative Geschichte“ — 211 plädierte er für eine „empirische Historik“, in der sowohl die Geschichte aus der Reflexion über die Geschichtlichkeit heraus vorkommt als auch die Ethnologie als Geschichte ohne Bewusstsein der eigenen Geschichtlichkeit genannt wird. Aber Lamprechts Versuch, Ereignisgeschichte durch Alltags- oder Sozialgeschichte zu ersetzen, wurde von der Mehrheit der Historiker um 1900 abgelehnt. Seine Verteidigungsschrift Die kulturhistorische Methode benennt zwar noch einmal die Vorteile seines Ansatzes, aber er hat damit - wenigstens zu jener Zeit - nicht die Mehrheit der Historiker auf seiner Seite. Weitgehend unverbunden steht neben der Kritik der Historiker die interne Kritik von kulturhistorisch ausgerichteten Ethnologen, die die Beweiskraft der Objekte in Zweifel zogen. Je genauer nämlich Ethnologen die zuvor definierten Kulturkomplexe untersuchten, desto weniger war klar, ob ihre Beschreibungen der ethnografischen Objekte überhaupt kohärent und objektiv nachvollziehbar waren. Es wurden Debatten darüber geführt, ob die sogenannte Schlitztrommel in allen Fällen, in denen Objekte dieser Gruppe zugeordnet waren, überhaupt als ein einheitlicher Typus angesprochen werden sollte. An solchen Details von Form und Funktion hing die Bestimmung eines Kulturkomplexes und daran wiederum die Antwort auf die Frage, ob die indianischen Gruppen Südamerikas einer Grundkultur zugehörten oder aber mehr divergierenden Einflüssen zuzurechnen seien. Zur Kritik gehört auch die Debatte über Motive der Übernahme von kulturellen Neuerungen. Insgesamt gab es auch unter kulturhistorisch arbeitenden Ethnologen sehr bald Zweifel bezüglich ihrer Methode. 68 69 70 71 72 68 Karl Lamprecht: Was ist Kulturgeschichte? Beitrag zu einer empirischen Historik. In: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Neue Folge I (1896/1897), S. 75-150. 69 Karl Lamprecht (Hrsg.): Die kulturhistorische Methode. Berlin 1900. 70 Zu dem schwierigen Erbe dieser Debatte gehört sicher die bis in die Gegenwart anhaltende Skepsis gegenüber „materieller Kultur“. Hans Medick benennt sehr deutlich einige Missverständnisse, die scheinbar immer noch aus historischer Sicht vorherrschen. So kritisiert er Fernand Braudel, der materielle Objekte als Indikatoren für Stillstand und Unveränderlichkeit heranzieht. Hans Medick: Entlegene Geschichte? Sozialgeschichte und Mikro-Historie im Blickfeld der Kulturanthropologie. In: Alltagskultur, Subjektivität und Geschichte. Zur Theorie und Praxis von Alltagsgeschichte. Hrsg. von der Berliner Geschichtswerkstatt. Münster 1994, S. 94-109. 71 Erland Nordenskiöld: Ist die sogenannte Schlitztrommel in der neuen Welt sowohl wie in der alten Welt selbständig erfunden worden? In: Ethnologische Studien. Hrsg. von Fritz Krause. Leipzig 1929, S. 17-28; Paul Rivet: L'etude des civilisations materielles. Ethnographie, archeologie, prehistoire. In: Documents, Archeologie, Beaux-Arts, Ethnographie, Varietes 1 (1929), S. 130 135. 72 Auch Frobenius selbst gehört zu den Kritikern eines übermäßigen Vertrauens in die Beweiskraft materieller Kultur: „Alles in allem entzieht sich jedes Kulturgut, das äußerlich auch noch so einförmig aussehen mag, durch seine Variabilität jeder Bemühung einer wirklich exakten und nicht erzwungenen Zusammenfassung, wie solche die mehr statischen Objekte der Geologie, 212 Hans Peter Hahn Auch innerhalb der Ethnologie schwelte dieser Streit, und wichtige Vertreter wie Richard Thurnwald plädierten sehr früh gegen eine historische Rekonstruktion und für eine sozialwissenschaftliche Analyse von Überschichtung und Unterschichtung. Auch Franz Boas distanzierte sich sehr früh von der Idee der vergleichenden Untersuchung der weltweiten Verbreitung bestimmter Merkmale. Stattdessen trat er für die Darstellung lokaler Kulturen im Zusammenhang ihrer Kulturtechniken und lebensweltlichen Bezüge ein. 73 74 75 6 Schluss: Das zweifelhafte Erbe einer spekulativen Geschichte mit materiellen Objekten und aktuelle Aufgaben Der begrenzte Umfang eines Aufsatzes bietet nicht den erforderlichen Raum, um auf die grundsätzlichen Widersprüche der kulturhistorischen Methode einzugehen. Es mag an dieser Stelle der Hinweis genügen, dass sich die Lesbarkeit der Objekte immer deutlicher als eine fragwürdige epistemische Annahme herausstellt. Eine der schädlichen Nebenwirkungen dieses Vorhabens „in Objekten lesen“ ist die in den Humanities weit verbreitete, aber dennoch problematische Überbewertung des Materiellen. 76 Botanik und Zoologie gewähren. [...] Das Moment der Kinematik [Beweglichkeit] wird noch auffälliger, wenn wir beachten, daß jedes Kulturgut der Vergesellschaftung unterworfen ist. Die Verbreitung des Wurfeisens wird bedingt durch das Auftreten bestimmter Bogenformen, die des Knollenbaues durch Erscheinen von Getreidearten. [...] Das Leitende kann der Kulturkunde nur die Kinematik, das Statische lediglich ihr Objekt sein. Kultur ist eben ein lebendig Wirkliches.“ Leo Frobenius (Hrsg.): Atlas Africanus. Belege zur Morphologie der afrikanischen Kulturen. München 1921, S. 8. 73 Richard Thurnwald: Probleme der Völkerpsychologie und Soziologie. In: Zeitschrift für Völkerpsychologie und Soziologie (Sociologus) 1 (1925), S. 1-20. Weitere leidenschaftliche Kritiker der kulturhistorischen Methode waren Haberlandt, Kritik und Hambruch, Wesen. 74 Franz Boas: The Limitations of the Comparative Method of Anthropology. In: Science. New Series 4 (1896), S. 901-908. 75 Claude Imbert: Boas, de Berlin ä New York. Manieres de vivre, manieres de voir. In: Franz Boas. Le travail du regard. Hrsg. von Michel Espagne u. Isabelle Kalinowski. Paris 2013, S. 15-32. 76 Hans P. Hahn: Konsumlogik und Eigensinn der Dinge. I n : Warenästhetik - Neue Perspektiven auf Konsum, Kultur und Kunst. Hrsg. von Heinz J. Drügh [u.a.]. Frankfurt a.M. 2011, S. 92-110; ders.: Vom Eigensinn der Dinge. I n : Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde (2013), S. 13-22; ders. (Hrsg.): Vom Eigensinn der Dinge. Für eine neue Perspektive auf die Welt des Materiellen. Berlin 2015; ders.: Güterexpansion und Kulturwandel. Anmerkungen zu einer transepochalen Globalgeschichte des Sachbesitzes. In: Objekte als Quellen der historischen Kulturwissenschaften. Anthropologie als „spekulative Geschichte“ — 213 Was aber ist mit der Erwartung geworden, auf der Basis materieller Quellen eine Geschichte der Gesellschaften ohne Schrift zu etablieren? Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass auch die unbeugsamsten Kulturhistoriker unter den Ethnologen diese Methode in der Form, in der sie Ende des 19. Jahrhunderts gestartet wurde, nicht mehr für anwendbar halten. Innerhalb dieser kulturgeschichtlichen Strömung wie auch in der Ethnologie allgemein mag das Anliegen einer solchen Geschichtsschreibung weiterhin unterschiedlich hoch bewertet werden, die methodologischen Ausgangspunkte, das Nebeneinanderstellen von Objekten und der Vergleich der Formen sind heute obsolet. Es stellt sich heraus, dass das Projekt einer Verflechtung von Ethnologie und Geschichte zumindest auf diesem Weg schnell in eine Sackgasse geführt hat. Einhellig räumen die Fachleute an den früheren wichtigen Stätten kulturhistorischer Forschung (Wien, Frankfurt a.M., Köln) die methodologischen Defizite ein und äußern sich skeptisch im Hinblick auf eine Verbindung von materieller Kultur und Geschichte. Was ist also geblieben von diesem weitreichenden Ansatz? Welches sind die Wirkungen bis in die Gegenwart? Man kann die Folgen dieser spekulativen, empirisch niemals erfüllten Idee einer kulturhistorischen Forschung auf der Grundlage von materieller Kultur und der in den ethnologischen Museen verfügbaren Sammlungen in mehreren Etappen oder auf unterschiedlichen Ebenen sehen. Hier wären zu nennen: 1. Der taktische Erfolg. Wenn auch mit Verzögerung, so konnte sich die Ethnologie doch als akademisches Fach etablieren. 2. Die Zurückweisung. Das gilt sowohl für die Kritik der damals (um 1900) etablierten Geschichtswissenschaft wie auch für kritische Ethnologen, die den spekulativen Charakter der kulturgeschichtlichen Methode herausstellten. 3. Die breite Anerkennung einer Notwendigkeit zur wechselseitigen Bezugnahme von Geschichte und Ethnologie in der Gegenwart. 77 Dieser letzte Punkt ist offensichtlich der Aspekt, welcher es sinnvoll erscheinen lässt, heute noch einmal zurückzublicken und sich um ein genaueres Verständnis des damaligen Scheiterns zu bemühen. Gerade in einer globalisierten Welt, in der Stand und Perspektiven der Forschung. Hrsg. von Annette C. Cremer u. Martin Mulsow. Köln 2017, S. 47-62. 77 Christoph von Fürer-Haimendorf: Culture History and Cultural Development. I n : Yearbook of Anthropology 1 (1955), S. 149-168; Haberland, Historische Ethnologie; Sigrid Westphal-Hellbusch: Trends in Anthropology. The Present Situation of Ethnological Research. I n : American Anthropologist 61 (1959), S. 848-865. 214 Hans Peter Hahn Identitätsbildungen in jeder beliebigen Nation weltweit nicht ohne den Rekurs auf Geschichte möglich sind, stellt sich die Frage nach der Geschichte von Kulturen ohne eine lange Tradition der schriftlichen Fixierung von Geschichte erneut und mit größter Dringlichkeit. Niemand wird heute auf die alte Kritik der Historiker rekurrieren, und es gibt einen breiten Konsens bezüglich der Rolle von Geschichte im Kontext von nation building oder der Bestätigung der civil society. Ethnologen sehen hier ein besonderes Potenzial ihres Wissens und haben unterschiedliche Strategien vorgeschlagen, diese Wissenslücke zu schließen. Während zum Beispiel Zwernemann dafür plädiert, wieder materielle Kultur zu untersuchen, und darauf setzt, damit zumindest „regionale Kulturgeschichte“ schreiben zu können, hat Karl Wernhart ein neues methodisches Paradigma vorgeschlagen, das er als „Ethnohistorie“ bezeichnet. Damit meint er eine Kombination unterschiedlicher Quellen, die die Geschichte von Technologien genauso umfasst wie orale Traditionen und den Sprachvergleich. Überhaupt gibt es mit Jan Vansina einen prominenten Fachmann, für den „orale Tradition“ den Schlüssel zur Geschichte - in gewissen zeitlichen Grenzen - darstellt. 78 79 80 81 Schließlich sei auch noch einmal auf den bereits erwähnten Überblicksartikel von Eike Haberland hingewiesen, der die vier bislang genannten Methoden nebeneinanderstellt und die Hoffnung äußert, durch eine geschickte Kombination zur Geschichtserkenntnis dieser - oftmals jungen Nationen - zu gelangen. Haberland nennt namentlich die folgenden Methoden: (1) schriftliche Quellen (z. B. in Kolonialarchiven), (2) orale Traditionen, (3) archäologische Befunde und (4) Geschichte der umweltbezogenen Techniken. Es ist kein Zufall, dass die im letzten Absatz genannten Autoren ihre Prognosen durchweg in den 1980er-Jahren und damit vor über 30 Jahren veröffentlicht haben. Es zeigt die langsam zunehmende Einsicht, dass, jenseits einer wenig an historischen Entwicklungen orientierten Ethnologie, wie sie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts dominierte, die Geschichte aller Kulturen weltweit wieder auf der Tagesordnung steht. Zugleich besteht die Unsicherheit fort: Auf welcher methodologischen Grundlage wäre eine solche Geschichte zu schreiben? Welche Gültigkeit dürfen 82 78 Flora E. S. Kaplan: Nigerian Museums. Envisaging Culture as National Identity. In: Museums and the Making of „Ourselves“. The Role of Objects in National Identity. Hrsg. von ders. London 1994, S. 45-78. 79 Zwernemann, Culture History. 80 Karl R. Wernhart (Hrsg.): Ethnohistorie und Kulturgeschichte. Wien 1986. 81 Jan Vansina: Oral Tradition as History. London 1985. 82 Haberland, Historische Ethnologie, S. 327- 339. Anthropologie als „spekulative Geschichte“ — 215 bestimmte Quellen beanspruchen? Diese Fragen zu klären, ist von besonderer Bedeutung, wenn die Ethnologie ihren Anspruch aufrechterhalten will, eine universale Wissenschaft vom Menschen und deren Gesellschaften zu sein. Gerade die kritische Rückfrage von Wissenschaftlern und Politikern der jungen Nationen des globalen Südens nach dem Beitrag der Ethnologie heute für das Schreiben einer anerkannten Geschichte zeigt die Notwendigkeit, in diesem Gebiet neuen Ansätze zu finden und die Verbindung von Geschichte und Ethnologie wieder mit größerem Nachdruck zu unterstützen. Literatur Bastian, Adolf (Hrsg.): Zwei Worte über Colonial-Weisheit von jemandem dem dieselbe versagt ist. Berlin 1883. Ders.: Ueber Ethnologische Sammlungen. In: Zeitschrift für Ethnologie 17 (1885), S. 3 8 - 4 2 . Ben-David, Joseph: The Scientisfs Role in Society. A Comparative Study. Englewood Cliffs 1971. Bennett, Tony: The Birth of the Museum. History, Theory, Politics. London 1995. 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