Location via proxy:   [ UP ]  
[Report a bug]   [Manage cookies]                
B KULTURWISSENSCHAFTEN BB RELIGION UND RELIGIÖS GEPRÄGTE KULTUREN BBB Christentum, Theologie Personale Informationsmittel Sébastien CHÂTEILLON Contra libellum Calvini EDITION 20-1 Contra libellum Calvini / Sebastian Castellio. - A new critical edition supplemented by the text of the Basle manuscriptfragment / by Uwe Plath. - Genève : Droz, 2019. - 235 S. : Ill. ; 22 cm. - (Cahiers d'humanisme et renaissance ; 160). - ISBN 978-2-600-05976-3 : SFr. 35.00 [#6850] Es gehört zu den erfreulichen Erscheinungen der wissenschaftlichen Welt, daß in den letzten Jahren eine stattliche Zahl von Publikationen zu und von einer der wichtigsten Gestalten in der Geschichte der Religionstoleranz erschienen sind – nachdem sich zuvor wenig getan hatte, um Sebastian Castellio im kulturellen Gedächtnis Europas zu verankern.1 Sebastian Castellio, der einem breiteren Lesepublikum vor allem durch Stefan Zweigs dramatische Darstellung in Castellio gegen Calvin oder ein Gewissen gegen die Gewalt bekannt sein dürfte,2 hat in der Zeit der Reformation in aller Entschiedenheit die Frage aufgeworfen, ob man Häretiker verfolgen sollte. Die Kontroverse, in die Castellio in diesem Zusammenhang mit Calvin geriet, drehte sich vor allem um die Verbrennung des spanischen Arztes Michael Servet in Genf, die zum Fanal der religiösen Intoleranz wurde. Calvin hatte aktiv dazu beigetragen, daß die katholische Inquisition Servet verfolgte, weil 1 Dem hochgeschätzten Sebastian Castellio zu Ehren : Reden an Basler Feiern zum Gedenken an den Vordenker des Toleranzgedankens / Peter Litwan (Hg.). Mit Beiträgen von Michael Bangert ... - Basel : Schwabe, 2018. - 112 S. ; Ill. ; 22 cm. - ISBN 978-3-7965-3824-7 : SFr. 28.00, EUR 28.00 [#6335]. - Rez.: IFB 19-1 http://informationsmittel-fuer-bibliotheken.de/showfile.php?id=9522 2 Uwe Plath korrigiert die von Stefan Zweig kolportierte Behauptung, Castellio habe sich selbst in einem Exemplar seiner „Kampfschrift gegen Calvin“ als Mücke im Kampf gegen den Elefanten Calvin bezeichnet. Siehe „Die Mücke gegen den Elefanten“ - Castellio gegen Calvin? : einige Anmerkungen zu dem Basler Exemplar von Castellios „De haereticis an sint persequendi“, zu Ferdinand Buisson und zu Stefan Zweig / Uwe Plath. // In: Archiv für Reformationsgeschichte. - 109 (2018), S. 428 - 441. dieser in einer Schrift gegen Calvin auch die Lehre von der Dreifaltigkeit in Zweifel gezogen hatte.3 Uwe Plath hat nun im Nachgang zu der sehr verdienstvollen Publikation wichtiger Schriften Castellios im Alcorde-Verlag4 eine neue kritische Edition des lateinischen Textes von Castellios Buch aus dem Jahre 1554 vorgelegt, das dieser als Antwort auf Calvin verfaßt hatte.5 Plath hat, wie er in der Ein3 Siehe als knappes biographisches Porträt jetzt Sebastian Castellio (1515 1563) : Vorkämpfer für Toleranz im konfessionellen Zeitalter / Uwe Plath. - Würzburg : Königshausen & Neumann, 2020, 92 S. ; 21 cm. - (Humanistische Porträts ; 3). - ISBN 978-3-8260-6982-6 : EUR 9.80. - S. 26 - 27. - Ausführlich: Der Fall Servet und die Kontroverse um die Freiheit des Glaubens und Gewissens : Castellio, Calvin und Basel 1552 - 1556 / Uwe Plath. Hrsg. von Wolfgang F. Stammler. - Essen : Alcorde-Verlag, 2014. - 455 S. :Ill. ; 22 cm. - (Begleitband zur Bibliothek historischer Denkwürdigkeiten). - Zugl. leicht bearb. Fassung von: Basel, Univ., Diss., 1972 u.d.T.: Plath, Uwe: Calvin und Basel in den Jahren 1552 - 1556. - ISBN 978-3-939973-63-8 : EUR 32.00 [#3663]. - Rez.: IFB 14-3 http://ifb.bszbw.de/bsz414117603rez-1.pdf - Ferner Die Freiheit des Denkens : Sebastian Castellio, Wegbereiter der Toleranz 1515 - 1563 ; eine Biographie / Mirjam van Veen. Aus dem Niederländischen übers. von Andreas Ecke. Hrsg. von Wolfgang F. Stammler. - Essen : Alcorde-Verlag, 2015. - 351 S. : Ill. ; 22 cm. - (Bibliothek historischer Denkwürdigkeiten : Begleitband). - Einheitssacht.: De kunst van het twijfelen <dt.>. - ISBN 978-3-939973-71-3 : EUR 32.00 [#4485]. - Rez.: IFB 16-1 http://ifb.bsz-bw.de/bsz446252905rez-1.pdf?id=7673 - Die wichtigste neuere Publikation zu Castellio ist Sebastian Castellio (1515 - 1563) - Dissidenz und Toleranz : Beiträge zu einer internationalen Tagung auf dem Monte Verità in Ascona 2015 / Barbara Mahlmann-Bauer (Hg.). Unter Mitarb. von Sonja Klimek und Daniela Kohler. - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht, 2018. - 613 S. : Ill. ; 24 cm. (Refo500 academic studies ; 46). - ISBN 978-3-525-57089-0 : EUR 140.00 [#6354]. - Rez.: IFB 19-3 http://www.informationsmittel-fuer-bibliotheken.de/showfile.php?id=9836 - Vgl. schließlich als romanhafte Annäherung an Castellio auch Sebastian Castellio : eine Biografie aus den Wirren der Reformationszeit / Ueli Greminger. - 2. Aufl. Zürich : Orell Füssli, 2016. - 128 S. ; 19 cm. - ISBN 978-3-280-05597-7 : SFr. 24.90, EUR 24.90 [#4586]. - Rez.: IFB 16-1 http://ifb.bsz-bw.de/bsz452797144rez1.pdf 4 Das Manifest der Toleranz : über Ketzer und ob man sie verfolgen soll / Sebastian Castellio. Aus dem Lateinischen von Werner Stingl. Mit einer historischen Darstellung von Hans R. Guggisberg. Hrsg. und eingeführt von Wolfgang F. Stammler. - Essen : Alcorde-Verlag, 2013. - 439 S. : Ill. ; 22 cm. - (Bibliothek historischer Denkwürdigkeiten). - Einheitssacht.: De haereticis an sint persequendi <dt.>. - ISBN 978-3-939973-61-4 : EUR 36.00 [#3427]. - Rez.: IFB 14-1 http://ifb.bsz-bw.de/bsz398348200rez-1.pdf?id=6340 - Die Kunst des Zweifelns und Glaubens, des Nichtwissens und Wissens = De arte dubitandi et confidendi, ignorandi et sciendi / Sebastian Castellio. Aus dem Lateinischen übersetzt von Werner Stingl. Eingeführt und kommentiert von Hans-Joachim Pagel. Hrsg. von Wolfgang F. Stammler. - Essen : Alcorde-Verlag, 2015. - 403 S. : Ill. ; 22 cm. - (Bibliothek historischer Denkwürdigkeiten). - ISBN 978-3-939973-65-2 : EUR 38.00 [#4484]. - Rez. :IFB 16-1 http://ifb.bsz-bw.de/bsz44652347Xrez-1.pdf 5 Die deutsche Übersetzung Gegen Calvin = Contra libellum Calvini / Sebastian Castellio. Eingeführt, aus dem Lateinischen übersetzt und kommentiert von Uwe führung zu seiner deutschen Übersetzung (S. 42) berichtet, bereits 1974 in seine Kopie des Buches hineingeschrieben: „Eine lohnende Aufgabe: Neuedition dieses Werkes mit Kommentar und Einleitung.“ Diese Edition liegt nun, mehrere Jahrzehnte später, tatsächlich vor und bietet so eine hervorragende Gelegenheit, sich mit Castellios Text nicht nur in der Übersetzung, sondern auch im Original zu beschäftigen. Da die Übersetzung auch zahlreiche erläuternde Anmerkungen enthält, kann man sie sinnvoll ergänzend hinzuziehen. Der Text erscheint nun das erste Mal nach mehr als 400 Jahren in einer revidierten Ausgabe, die auch das Basler Manuskript-Fragment Castellios integriert. Calvin6 hatte einen Text publiziert, der die Lehre von der Dreieinigkeit verteidigen sollte und zugleich auch rechtfertigte, daß durch christliche Behörden Häretiker bestraft werden könnten. Calvin unternahm aber auch den Versuch, sein eigenes Verhalten im Fall Servet als rechtlich und moralisch geboten darzustellen, da Servet sich seiner Meinung nach gegen jede Beratung im Guten verschloß. Calvin schreibt aber keine bloße theologische Apologie der Trinität, sondern eben auch eine persönliche Verteidigung gegen die Angriffe auf ihn selbst. Castellio unternimmt es nun seinerseits, die Argumente Calvins zu überprüfen und zu widerlegen, um dessen These, Häretiker sollten verfolgt werden, als falsch zurückzuweisen. Er tut dies, indem er dieses in einer Art dialogischen Form gestaltet. Auf kurze Zitate aus Calvins Buch folgen seine Kommentare, die er mittels einer Maske namens Vaticanus zum Ausdruck bringt. Die Zitate Calvins geben nur einen kleinen Teil von dessen Werk wieder; Castellio deutet Servets Auffassungen anders als Calvin. Während dieser ihm vorgeworfen hatte, die Trinität zu leugnen und damit die Grundlagen des christlichen Glaubens zu zerstören, hielt ihm jener einen Irrtum zugute und meinte, Servet habe durchaus an die Trinität geglaubt, sie jedoch anders interpretiert (S. 14 - 15). Am Beispiel des Konfliktes zwischen Servet und Calvin geht es Castellio um die grundsätzliche Frage Quid sit haereticus et quo modo tractandus? Dabei ist zu berücksichtigen, daß trotz der großen Bedeutung Castellios für die Geschichte des Toleranzgedankens sich auch bei ihm zeitbedingte Einschränkungen finden, die man heute irritierend finden wird. So findet sich in einer bis vor kurzem unpublizierten Manuskriptstelle aus dem Basler Fragment die Aussage, er hätte sich über den Tod Servets gefreut, wenn er Gott Plath. Hrsg. von Wolfgang F. Stammler. - Essen : Alcorde-Verlag, 2015. - 427 S. : Ill. ; 22 cm. - (Bibliothek historischer Denkwürdigkeiten). - ISBN 978-3-939973-621 : EUR 36.00 [#4443]. - Rez.: IFB 15-4 http://ifb.bsz-bw.de/bsz433735244rez1.pdf?id=7479 6 Zu Calvin siehe u.a. Die Tyrannei der Tugend : Calvin und die Reformation in Genf / Volker Reinhardt. - München : Beck, 2009. - 271 S. : Ill., Kt. ; 23 cm. - ISBN 978-3-406-57556-3 : EUR 24.90 [#0654]. - Rez.: IFB 10-2 http://ifb.bszbw.de/bsz302265090rez-1.pdf - Calvin-Handbuch / hrsg. von Herman J. Selderhuis. - Tübingen : Mohr Siebeck, 2008. - IX, 569 S. ; 24 cm. - ISBN 978-3-16149791-9 (geb.) : EUR 79.00 - ISBN 978-3-16-149229-7 (br.) : EUR 39.00 [#0653]. - Rez.: IFB 09-1/2 http://ifb.bszbw.de/bsz286085240rez-1.pdf einen Dämon genannt und damit eine wirkliche Blasphemie begangen hätte (S. 20), im lateinischen Original, das auch faksimiliert abgedruckt wird: „Si dixisset Servetus deum esse daemonem, esset vera blaphemia et ego eum interfectum esse gauderem“ (S. 21; 202).7 Denn auch Castellio differenziert zwischen dem, was er Irrtum nennt, und einer Gotteslästerung. Wenn Servetus nur wegen eines Irrtums angeklagt wurde, dürfe man ihn aber nicht zum Tode verurteilen. Es handelt sich demnach bei dem Vorwurf der Gotteslästerung für Castellio um eine Übertreibung, wie sie für Verleumder typisch sei: „calumniatores eadem exaggerant errorem apellantes blasphemiam et aliorum verba sinistre et in malam partem interpretantes“ (S. 202). Es sind nicht zuletzt solche Passagen, die dem Text über seine Zeit hinaus Bedeutung verleihen. Plath erläutert dann noch philologisch plausibel das von Castellio gebrauchte Pseudonym Vaticanus (S. 20 - 24), bevor er kurz die Geschichte des Buches mit dem Druck in Amsterdam skizziert. Denn während Castellio den Text zwar im Sommer 1554 abgeschlossen hatte, wurde er doch von ihm nicht publiziert. Zwar behauptet die ältere Literatur, dies sei wegen eines Verbots der Basler Zensur so gewesen, doch entbehrt dies jeglicher Quellengrundlage (S. 25). Castellio hat, so vermutet Plath, aufgrund der bestehenden Repression wohl gar nicht erst versucht, den Text in Basel publizieren zu lassen. So blieb dem Text vorerst nur die klandestine Verbreitung, über die dann wohl auch eine Abschrift in die Niederlande gelangt, wo das Buch gegen Calvin dann gut 50 Jahre nach dem Tod des Autors und ohne diesen zu nennen, erscheinen konnte (S. 25). Die Grundlage für den hier präsentierten Text bietet nicht nur der (sehr seltene) Druck von 1612, sondern auch das Basler Fragment des oder eines Manuskripts, die aber nicht einfach getreu wiedergegeben werden, sondern in Form eines lesbaren Textes ohne Fehler. Dies ist deswegen erforderlich, weil der Druck von 1612 viele grammatische und orthographische Fehler sowie Transkriptions- und Druckfehler enthalte (S. 27), z. T. wohl aufgrund der schlecht lesbaren Handschrift Castellios. So bietet der Text eine solide Edition in klarem und angenehm lesbarem Druck, der sich auch als Quelle z. B. für die Übersetzungsarbeit in einem Lateinkurs anbietet. Denn man könnte so nicht nur an der Sprache arbeiten, sondern zugleich auch inhaltlich wertvolle Überlegungen studieren. Die Korrekturen werden im Text vorgenommen, während in Fußnoten die Variante des Drucks von 1612 wiedergegeben werden. Da Castellio sich intensiv auf Texte Calvins, aber auch Luthers, Bullingers, Johannes Gasts und Wolfgang Musculus' bezieht, konnte für die Korrektur des ersten Drucks auch anhand der Erstausgaben von deren Werken in der Basler Universitätsbibliothek oder von Reprints etc. die Korrektheit der Zitate Castellios überprüft werden. Dasselbe gilt auch für Bibelzitate, die mit Castellios lateinischer Bibel und der Vulgata verglichen wurden. Die Quellen für die Zitate aus Calvin und anderen Zeitgenossen werden jeweils in den Fußnoten zu 7 Die Druckfassung hat statt interfectum den schwächeren Ausdruck puni[en]dum, der vermutlich vom Editor der Ausgabe von 1612 gegen Castellios harschere Interpretation ausgetauscht wurde (S. 202 Anm. 781). den entsprechend der Erstausgabe durchnumerierten Abschnitten mitgeteilt. Von den Eigenheiten des Drucks von 1612 wurden zwei nicht in der hier vorliegenden kritischen Ausgabe übernommen: Erstens die erklärenden Marginalien, da diese ebenso wie der kursive Fettdruck nicht auf Castellio selbst, sondern den Drucker/Verleger zurückgehen dürften (S. 27 - 28). Eine gewisse editorische Vereinheitlichung ergab sich daraus, daß die Orthographie der Ausgangstexte nicht einheitlich ist. Weder entspricht die Orthographie des Drucks von 1612 immer der in Castellios Handschrift noch ist Calvins und Castellios Orthographie gleich, was etwa Fragen der Groß- und Kleinschreibung betrifft. Auch biblische Namen werden von beiden Autoren unterschiedlich geschrieben, was hier nach Möglichkeit in Richtung der Schreibweise Castellios vereinheitlicht wurde. Dasselbe gilt für einzelne Wörter, die ortographische Besonderheiten zeigen (charitas statt caritas etc.), sowie für die Verwendung von v statt u da, wo der Laut auch nicht als u gesprochen wird (Zvinglius statt Zuinglius). Während ursprünglich geplant war, die Edition des lateinischen Textes mit deutscher Einleitung und Anmerkungen zu versehen, wurde im Zuge des Projekts entschieden, statt dessen eine englische Einleitung und entsprechende Anmerkungen zu präsentierten, wohl im Hinblick auf eine größere Verbreitung des Bandes in der heute englischsprachig dominierten akademischen Welt. So oder so liegt aber nun mit dieser Ausgabe ein sorgfältig erstellter und solider Text einer wichtigen Quellenschrift für das Denken der Frühen Neuzeit vor. Im Appendix findet sich noch der fünf Seiten umfassende Bericht über den Tod Servets, den man Castellio zuschreibt. Eine Select bibliography mit Quellenwerken vor allem von Castellio und Calvin sowie der Sekundärliteratur schließen des Band ab, der religions- und toleranzgeschichtlich von großer Bedeutung ist und daher für Bibliotheken angeschafft werden sollte, die Sammlungen zur Reformationsgeschichte bzw. Kirchen- und Theologiegeschichte beherbergen. Till Kinzel QUELLE Informationsmittel (IFB) : digitales Rezensionsorgan für Bibliothek und Wissenschaft http://www.informationsmittel-fuer-bibliotheken.de/ http://informationsmittel-fuer-bibliotheken.de/showfile.php?id=10212 http://www.informationsmittel-fuer-bibliotheken.de/showfile.php?id=10212