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Parteiisches Design
Fezer, Jesko
Veröffentlichungsversion / Published Version
Zeitschriftenartikel / journal article
Empfohlene Zitierung / Suggested Citation:
Fezer, J. (2019). Parteiisches Design. Hamburger Journal für Kulturanthropologie, 9, 73-79. https://nbn-resolving.org/
urn:nbn:de:gbv:18-8-13989
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PARTEIISCHES DESIGN
Jesko Fezer1
Design ändert (einen selbst)
Bemerkenswert an der Lesart von Design als Werkzeug willentlicher gesellschaftlicher Veränderung ist in erster Linie die Unstrittigkeit dieser Annahme. Zu Recht unwidersprochen bleibt die Vorstellung, dass Design die Welt
verändern kann bzw. dass es zwangsläufig Folgen hat. Damit ist das Potenzial, aber auch das Problem von Design treffend beschrieben. Und man könnte
glauben, wenn der Schaden erst mal erkannt ist, würde er auch irgendwann
abgestellt. Victor Papanek2 – der auch nicht der Erste war – hatte ihn schon
1971 erkannt, als er verlauten ließ, dass es nur wenige Berufe gibt, die mehr
Schaden anrichten als der des Designers. Aber Design wurde nicht verboten.
Auch nicht als die Welt durch all die willentlich fehlgestalteten Produkte
und Systeme und Lebensweisen mehr oder weniger vollständig zugrunde
gerichtet worden war.
Im Gegenteil: Heute erfreut sich Design wachsender Beliebtheit und es sieht
aus, als ob Design mit noch weitergehendem Design in noch höherer Dosierung bekämpft werden solle. Das wäre positiv interpretiert auch die Perspektive jenes Transformationsdesigns, wenn es uns vor die Wahl »Design or
Desaster« stellt.3 Diese Tendenz zur weiter gehenden Gestaltung, die sich in
der Entgrenzung des Begriffs4 ebenso wie in den Überschreitungsfantasien
transdisziplinärer Art bis hin zum Selbstdesign5 äußert, prägt unsere Zeit.
Der kreative Imperativ mit Design als einer seiner Leitdisziplinen, macht
das Ästhetische, den innovationsbezogenen sinnlichen Affekt gar zum Motor kapitalistischer Wertschöpfung.6 Es ist nicht mehr das Produkt oder die
Ware, es ist die Gestaltung selbst, die Mehrwert produziert. Insbesondere
der Zwang zur Selbstgestaltung als praktische Form der Selbstausbeutung
beziehungsweise Selbstoptimierung macht jede Unterscheidung zwischen
Selbstbestimmung und Fremdbeherrschung unmöglich. Aber auch das klas1
2
3
4
5
6
Dieser Vortrag wurde am 2. 12. 2016 an der HBK Braunschweig zum Thema »Transformation Design/Uncertain Future« gehalten.
Victor Papanek: Design for the Real World. Human Ecology and Social Change. New York
1971.
Bernd Sommer/Harald Welzer: Transformationsdesign. Wege in eine zukunftsfähige Moderne. München 2014, S. 27 ff.
Vgl. Bruno Latour: Ein vorsichtiger Prometheus? Design im Zeitalter des Klimawandels.
Berlin 2010.
Vgl. Bazon Brock: Auszug aus der Projektbegründung für die Ausstellung »Mode – das
inszenierte Leben« des Internationalen Design Zentrums Berlin. In: Ästhetik als Vermittlung. Arbeitsbiographie eines Generalisten 1958–1977. Köln1977, S. 446–449. Boris Groys:
Die Kunst des Denkens. Hamburg 2008, S. 7–24.
Vgl. Andreas Reckwitz: Erfindung der Kreativität. Berlin 2012. Gernot Böhme: Ästhetischer Kapitalismus. Berlin 2016.
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sische Produktdesign, das Design technischer und medialer Innovation und
das Interieur-Design boomen. Ganz unberührt von kritischen Erwägungen
weiterhin dem globalen Markt und seiner Warenästhetik verpflichtet, dient
Design der gesellschaftlichen Selbstgestaltung. Auch hier wird in gewisser
Weise an die Transformationsfähigkeit durch Designs geglaubt. Ob Smartwatch oder dänische Hygge-Philosophie: Sie bieten Produktinnovationen
und Lebenstechnik, Glücksphilosophie und Einrichtungsstil in einem.
… und ist deshalb politisch
Dieses Ändern, Umformen, Verwandeln, Umgestalten des Selbst, seines Umfeldes und gegebenenfalls sogar der gesamten gesellschaftlichen Ordnung
ist das Versprechen und Drama von Design. Und das macht es auch ganz
prinzipiell politisch. Die Veränderung des Zustands der Welt und das aktive
Umgehen mit der Unschärfe des Zukünftigen, das weder ein offenes und
unbeschriebenes Feld darstellt noch einen präzise beschaffenen Korridor,
den wir nur zu durchschreiten hätten, kann überhaupt nicht anders als politisch beschrieben werden. Es impliziert nämlich, dass es Vorstellungen über
anstrebenswerte Zukünfte und damit über die Richtungen sinnvoller Veränderungen gebe. Jede Idee davon, was zu ändern sei – egal in welchem Maßstab –, ist an eine Vorstellung vom individuellen und gesellschaftlichen Leben
gebunden. Das ganze Gefüge subjektiver und kollektiver Wertvorstellungen,
eingeübter sozialer Praxen, gesellschaftlicher Verabredungen, Institutionen und Regularien, Sanktions- und Belohnungssysteme und moralischer
Vorstellungen bestimmt das vorstellbare und wünschenswerte Zukünftige
(auch Lösung genannt) und damit auch die Mängel des Gegenwärtigen und
dessen Hochrechnungen (auch Problem genannt). Es ist davon auszugehen, dass die Vorstellungen von den Mängeln des Gegenwärtigen und von
Perspektiven des Zukünftigen individuell oder auch zwischen bestimmten
sozialen Gruppierungen extrem unterschiedlich sind. Nicht nur die Werte,
nach denen diese Zukünfte beurteilt werden, sondern auch die Techniken
und Verfahren sowie die in Kauf zu nehmenden gesellschaftlichen Kosten
einer Transformation sind höchst umstritten und betreffen wiederum die
Lebensformen.7 Es entsteht also im Zuge jeglicher Transformationsprozesse – insbesondere der intentional angestoßenen – eine Auseinandersetzung
mit den damit verbundenen Zielvorstellungen. Diese Auseinandersetzung
ist zwangsläufig politisch, da dieser Prozess des Abgleichs vom Ringen um
Hegemonie geprägt ist.
Man könnte die Notwendigkeit des Politisch-Seins von Design auch aus dem
Problem-Lösungs-Dilemma der Gestaltung herleiten, wie es Horst Rittel tat,
als er dafür den Begriff bösartig/vertrackt (wicked) vorschlug.8 Er erkannte, dass das Behandeln von Problemen – das Gestalten – nicht ohne Politik
7
8
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Vgl. Rahel Jaeggi: Kritik von Lebensformen. Berlin 2013.
Horst Rittel/Melvin Webber: Dilemmas in a General Theory of Planning. In: Policy Sciences 4 (1973), S. 155–169.
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zu haben ist. Aber so recht wollte er es nicht benennen. Es ist ebenso so
nachvollziehbar wie bezeichnend, dass es für ihn als Mathematiker, Physiker und als jemand, der sich in die »Denkweise von Designern«9 versetzte,
als bösartig im Sinn von andersartig und sehr kompliziert wahrgenommen
wurde, dass das Gesellschaftliche in die Gestaltung dringt. Es war ihm etwas
unwohl dabei. Wobei die Kausalität natürlich genau andersherum verläuft:
Die Gestaltung und ihr Anlass, ihre Legitimation und ihre Notwendigkeit
gerinnt aus der Gesellschaftlichkeit unseres Tuns.
Trennung des Politischen von der Politik
Als Designer_in folglich politisch zu sein beziehungsweise sein zu wollen
oder überhaupt eine engere Verbindung zwischen Politik und Gestaltung zu
ziehen, war bis vor einiger Zeit eher unüblich und wurde sehr skeptisch
beäugt. Auch das scheint sich geändert zu haben. Ermöglicht wurde diese
neue
Popularität
des
Positionsbezugs
durch
eine
wichtige
Unterscheidung: nämlich der zwischen der Politik und dem Politischen:10
Eine Unterscheidung, die sehr hilfreich war, um das Politische wieder
denken zu können; um es nicht auf etwas in gesonderte Institutionen
Abgewandertes zu reduzieren, das dort von gesonderten Personengruppen stellvertretend bearbeitet und verhandelt wird – nämlich in der
Sphäre der Politik.
Der Begriff der Politik meint in erster Linie so etwas wie die
institutionelle Ordnung des Gemeinwesens. ›Politik‹ ist ein recht eng
gefasster Begriff, der ein soziales Funktionssystem bezeichnet, das
verbunden ist mit den Institu-tionen der Macht, Durchsetzung, Regulation,
Steuerung, Kontrolle sowie mit den berufsmäßig politisch Engagierten –
den Politiker_innen und ihren Par-teien und ihren Strategien. Der Begriff
des Politischen hingegen, wie er bei-spielsweise bei Hannah Arendt, Carl
Schmitt sowie Chantal Mouffe genutzt wird,11 ist mit dem der Politik nicht
identisch. Er ist ihr übergeordnet und ihr vorrangig und zielt weniger
darauf, einen Verwaltungsraum für die Politik zu bestimmen als einen
Möglichkeitsraum für das Politische zu eröffnen. Es geht um die politische
Dimension des Sozialen. Politisch wären der gesell-schaftliche Raum und
die soziale Praxis selbst, in denen Gesellschaftlichkeit ausgehandelt und
etabliert wird. Das Politische meint die Auseinanderset-zung um
gesellschaftliche Hegemonie – die Auseinandersetzung damit, wie wir
leben wollen, und mit denen, die die Auseinandersetzung zwingend mit9
Horst Rittel: Die Denkweise von Designern. Studienhefte Problemorientiertes Design.
Hamburg 2012 [1987].
10 Vgl. Oliver Marchart: Die politische Differenz – Zum Denken des Politischen bei Nancy,
Lefort, Badiou, Laclau und Agamben. Frankfurt am Main 2010.
11 Hannah Arendt: Freiheit und Politik. In: Freiheit und Politik. Zwischen Vergangenheit
und Zukunft. Übungen im politischen Denken I. München 1994, S. 201–226. Carl Schmitt:
Der Begriff des Politischen. Berlin 1932. Chantal Mouffe: Über das Politische. Frankfurt
am Main 2007.
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einschließt, wer zu dem ›wir‹ dazugehört, was überhaupt ›leben‹ bedeutet
und was Wege dahin sein könnten.
Konfliktbezogener Politikbegriff
Für diese unhintergehbaren Momente des Dissenses und Widerstreits entwickelt Chantal Mouffe den Begriff des Agonismus.12 Damit bezeichnet sie
eine Form der Gegnerschaft, die die Legitimität der Opponenten anerkennt
und dennoch um unvereinbare hegemoniale Projekte und deren Durchsetzung kämpft. Der Rahmen ihrer Überlegungen ist das Projekt einer radikalen Demokratie. Sie fordert: »Daher kommen wir, wenn wir das demokratische Projekt verteidigen und radikalisieren wollen, nicht darum herum,
das Politische in seiner antagonistischen Dimension anzuerkennen und den
Traum von einer versöhnten Welt, die Macht, Souveränität und Hegemonie
überwunden hätte, aufzugeben.«13
Mouffe analysiert, wie zeitgenössische westliche Politikmodelle die Möglichkeit des Konflikts und der Opposition negieren, indem sie auf einen moralisch konstruierten Konsens zielen. Sie blenden damit die Existenz sozialer
Machstrukturen und Konflikte aus und verschließen das Feld des Politischen.
Jeder Widerspruch wird in ein Außerhalb dieses Feldes verwiesen und damit
kategorisch ausgesondert. Insbesondere im Selbstverständnis des Neoliberalismus – es gebe zur bestehenden Ordnung keine Alternative – liegt das
Haupthindernis demokratischer und damit auf Konflikt und Widerspruch
basierender Politik.14 Die Konstruktion und Behauptung von Sachzwängen
und die Delegation von umstrittenen Fragen an Expertenkommissionen
sind zwei weitere Spielarten post-politischer Politik, die nicht die Debatte
um die Richtung möglicher Veränderungen eröffnen, sondern sie beenden.
Nieder mit den Parteien!
Es ist die soeben dargestellte Unterscheidung zwischen der Politik und dem
Politischen, die überhaupt erst ermöglicht, einen interessanteren Politikbegriff zu denken, der mit dem angestaubten kleingeistig-langweiligen Tagesschau-Politikbegriff wenig zu tun hat. Mit dem Politischen sind ja gerade
nicht (nur) die Tagespolitik, die Ämter, die Parlamente und die Parteien gemeint. Das macht einen Teil der Attraktivität des Politischen aus. Problematisch wird es, wenn damit auch die von der Politik vertretenen gesellschaftlichen Positionen nicht mehr gemeint sind. Und obwohl das Politische auf
Auseinandersetzung und Widerspruch baut, scheint gerade das an der Politik als abstoßend empfunden zu werden: das zähe Gezerre um Gestaltungsmacht. So entsteht mit der Rückkehr des Politischen in den Diskurs ein ästhetisch aufregender, vom schmuddeligen Tagesgeschäft des Politikbetriebs
12 Vgl. Mouffe, wie Anm. 11.
13 Ebd., S. 170.
14 Ebd., S. 44.
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bereinigter Begriff des Politischen, der sich durch eine wachsende Distanz
zu den Konfliktfeldern und Problemlagen und den Akteuren der Politik auszeichnet. Ein zwar theoretisch fruchtbares und vielseitig anschlussfähiges,
aber gleichzeitig von seiner Virulenz entkleidetes harmloses Prinzip des Politischen. Diese Abstrahierung war wohl auch die Bedingung dafür, im akademischen Feld gegen bestehende Vorbehalte Anziehungskraft zu erlangen.
So scheint nun ein Denken und Sprechen über das Politische vorstellbar, das
völlig unpolitisch ist.
Wenn wir aber auf die von Chantal Mouffe vertretene Auffassung zurückgehen, dass der Konflikt Triebkraft des (demokratischen) Politischen ist, dann
stellt sich schon die Frage nach Akteuren und Objekten dieser Konflikte –
danach welche Haltungen und Unterschiede Ausgangspunkt und Verhandlungsgegenstand dieser Konflikte darstellen. Wie werden diese Differenzen
in den Auseinandersetzungen organisiert und wie repräsentieren sie sich?
Das ist keine banale Frage. Die historische Antwort darauf waren mit gewisser Berechtigung die Parteien.
Ich möchte das Parteiische als Option des Politischen hervorheben und für
ein parteiisches Design plädieren. Parteiisches Design wird nicht verstanden
als Gestaltung der Arena möglicher Auseinandersetzung (was auch wichtig
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wäre und beispielweise Chantal Mouffe direkt als Aufgabe benennt),15 nicht
als Gestaltung von vermittelnden Strukturen und partizipativen Prozessen
des Austauschs, des Kompromisses und des Einvernehmens (was ebenso
wichtig wäre dennoch zu tun). Parteiisches Design versteht Design nicht als
Tätigkeitsfeld distanzierter oder einfühlsamer Beobachter_innen oder mutiger wie auch sensibler Interventionist_innen. Sondern es verortet Design in
den Konflikten, in den dort verhandelten Dingen und Themen und bei den
Akteur_innen dieser Auseinandersetzungen und ihren Haltungen. Oder anders gesagt, wenn Design politisch ist, dann gibt es – so wie es konservative
und fortschrittliche, soziale und neoliberale Politik gibt – auch rechtes und
linkes Design. Demokratische Politik ist nicht ohne gesellschaftliche Positionierung und ohne die Auseinandersetzung darum zu haben. Design auch
nicht.
Probleme anderer
An dieser Stelle muss ein wohlbekannter und unauflösbarer Widerspruch
des Designs benannt werden: Der Designer und die Designerin und ihr Interesse an den Problemen anderer. In der Geschichte des Designs als Bestandteil westlich, aufklärerischer, universalistischer Ideale, war Design
immer ein wohlwollend paternalistisches Design, das für Andere und ihre
vermeintlichen Probleme handelte. Diese Anderen und ihre Probleme wurden fachmännisch identifiziert. Sie wurden mit Hilfe neuster Instrumentarien wie der Statistik, Hygiene, Ergonomie und Marktforschung bemessen und
beschrieben. Der Wertehorizont, vor dem diese Probleme und damit auch die
Strategien zu ihrer Lösung sichtbar wurden, war die ›Normalität‹ der bürgerlich-männlich-westlichen Gesellschaft. An den Diskussionen zur Lösung
der Wohnungsfragen Ende des 19. Jahrhunderts16 ebenso wie an der Kritik
am Ornament17 oder der Werkbund-Initiative zur Guten Form18 lässt sich das
direkt ablesen. Das Selbstverständnis von Designer_innen, Architekt_innen
und Planer_innen kultivierte den Blick auf andere, denen Gutes an-getan
wird (wenn überhaupt soziale und moralische Fragen ins Blickfeld des Designs gelangten). Das ist eine gleichzeitig leichte, weil für Designer_innen
selbst unverbindliche Übung, wie auch eine praktisch gesehen sehr schwere,
weil der oder die Andere eben schwer zu verstehen ist. Dieser Fremdbezug
des Designs bleibt immer auch ein Selbstbezug der Designer_innen.
Die Pflicht zum Selbstdesign der Gegenwart löst diesen Widerspruch
scheinbar auf, ebenso wie die dem voraus gegangene Popularisierung des
DIYs. Beide verlagern das Für-andere-Handeln in die Akteure, die sich nun
15 Ebd.
16 Vgl. Friedrich Engels: Zur Wohnungsfrage. In: Der Volksstaat, Nr. 51–53. Leipzig 1872.
17 Vgl. Adolf Loos: Ornament und Verbrechen. In: Sämtliche Schriften 1897–1930. Wien/
München 1908.
18 Vgl. Max Bill: Die Gute Form. In: Das Werk. Architektur und Kunst = l’oeuvre: architecture et art 44 (1957), S. 138–140.
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selbst paternalistisch wohlwollend gegenübertreten. Engagierte Gestaltung
kann diesen Widerspruch des Designs nicht auflösen, denn es geht immer
auch um andere. Möglich wäre eine Strategie der Zurückhaltung, das Entwickeln offener Systeme oder Partizipation oder Co-Design – alle mit ihren
je spezifischen Problemen, dabei Hierarchien im Verhältnis zu anderen zu
vermeiden beziehungsweise zu reduzieren und ihre Wirkung zu mindern.
Ein anderes, etwas forscheres Modell wäre Parteinahme. Parteiisch sein?
Das wäre für einen Schiedsrichter nicht gut, für einen Reporter unhöflich,
für eine Trainerin hingegen sehr wichtig und für die Fans ist es der Spaß an
der Sache. Für einen Anwalt ist Parteinahme Berufspflicht, für die Angehörigen der Täter_in selbstverständlich, für Zeugen allerdings unratsam und
bei einer Richterin ein Grund, das Verfahren neu aufzurollen. Es geht also
um gesellschaftliche Rollenverteilung: Will Design den Rahmen wahren und
beobachten, will es tendenziell davon ausgehen, dass die anderen das Spiel
machen oder Verbrechen begehen, also die Auseinandersetzung um Hegemonie aushandeln?
Was fies klingt – parteiisch sein – und was auch wirklich gemein sein kann,
weil es den gerechten Wettkampf verzerrt und keine objektive und neutrale Position darstellt, ist in der Praxis der Gestaltung erstens immer der
Fall – wenn auch oft uneingestanden – und zweitens nötig. Nötig für das, was
Mouffe als den demokratischen Konflikt beschreibt. Sollte Design, nun da
es seine Politizität endlich (an-)erkannt zu haben scheint, in diese Konflikte
eintreten, indem es parteiisch wird?
So wenig wie Design ohne den Anspruch an Transformation zu denken
ist und so wenig wie Transformation außerhalb des Politischen vorstellbar
wäre, so wenig ist Politik ohne Parteinahme zu haben.
Prof. Jesko Fezer
Lerchenfeld 2
22081 Hamburg
https://www.jeskofezer.de
jesko.fezer@hfk-hamburg.de
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