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Hannah Fitsch, Inka Greusing, Ina Kerner, Hanna Meißner, Aline Oloff (Hg.) Der Welt eine neue Wirklichkeit geben Gender Studies Hannah Fitsch (Dr. phil.) arbeitet am Zentrum für Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung der Technischen Universität Berlin. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Science and Technology Studies mit Schwerpunkt auf Neuroscience, Bildwissen/Bildpraktiken sowie Ästhetik und feministische Theorie. Inka Greusing ist Diplom-Ingenieur*in und Geschlechterforscher*in am Zentrum für Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung (ZIFG) der Technischen Universität Berlin. Dort ist sie mit der Konzeption und Leitung des Techno-Clubs betraut. Sie forscht und lehrt im Bereich der feministischen Fachkulturforschung in den Ingenieurwissenschaften und der Dekolonisierung der Lehre der Gender Studies. Ina Kerner ist ausgebildete Politologin und arbeitet als Professorin für Politische Wissenschaft am Institut für Kulturwissenschaft an der Universität Koblenz-Landau, Campus Koblenz. Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen im Bereich der politischen, feministischen und postkolonialen Theorie. Hanna Meißner ist Professorin für Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung am Zentrum für Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung der Technischen Universität Berlin. Ihre Forschungsschwerpunkte sind feministische Theorie, Gesellschaftstheorie, Wissenschaftsforschung sowie post- und dekoloniale Theorie. Aline Oloff ist wissenschaftliche*r Mitarbeiter*in am Zentrum für Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung an der Technischen Universität Berlin. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind feministische Theorie, die Geschichte von Feminismus und Frauenbewegungen, Gleichstellungs- und Antidiskriminierungspolitiken sowie Wissenschafts- und Hochschulforschung. Hannah Fitsch, Inka Greusing, Ina Kerner, Hanna Meißner, Aline Oloff (Hg.) Der Welt eine neue Wirklichkeit geben Feministische und queertheoretische Interventionen Diese Publikation wurde aus dem Open-Access-Publikationsfonds der Technischen Universität Berlin unterstützt. Sowie vom Seminar Politische Wissenschaft des Instituts für Kulturwissenschaft der Universität Koblenz-Landau, Campus Koblenz. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Dieses Werk ist lizenziert unter der Creative Commons Attribution 4.0 Lizenz (BY). Diese Lizenz erlaubt unter Voraussetzung der Namensnennung des Urhebers die Bearbeitung, Vervielfältigung und Verbreitung des Materials in jedem Format oder Medium für beliebige Zwecke, auch kommerziell. (Lizenztext: https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de) Die Bedingungen der Creative-Commons-Lizenz gelten nur für Originalmaterial. Die Wiederverwendung von Material aus anderen Quellen (gekennzeichnet mit Quellenangabe) wie z.B. Schaubilder, Abbildungen, Fotos und Textauszüge erfordert ggf. weitere Nutzungsgenehmigungen durch den jeweiligen Rechteinhaber. Erschienen 2022 im transcript Verlag, Bielefeld © Hannah Fitsch, Inka Greusing, Ina Kerner, Hanna Meißner, Aline Oloff (Hg.) Umschlaggestaltung: Maria Arndt, Bielefeld, nach dem Entwurf von Hannah Fitsch und Manuel Tiranno Umschlagabbildung: Jenny Sturm, Adobe Stock 304501465, Magie am Meer (bearbeitet) Korrektorat: Norbert Richter Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar Print-ISBN 978-3-8376-6168-2 PDF-ISBN 978-3-8394-6168-6 https://doi.org/10.14361/9783839461686 Buchreihen-ISSN: 2625-0128 Buchreihen-eISSN: 2703-0482 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: https://www.transcript-verlag.de Unsere aktuelle Vorschau finden Sie unter www.transcript-verlag.de/vorschaudownload Inhalt »Der Welt eine neue Wirklichkeit geben.« Zur Einleitung Hannah Fitsch, Inka Greusing, Ina Kerner, Hanna Meißner, Aline Oloff ................. 11 Blood Lust Priya Basil .......................................................................... 21 Kollaboration und Spekulation: Möglichkeitsräume solidarischen Forschens Beate Binder ....................................................................... 35 From the Critique of Identity to an Ethics of Plurality: Sabine Hark’s Collaborative Vision Judith Butler ....................................................................... 45 Ethisches Begehren. Ein Versuch Gabriele Dietze ..................................................................... 55 Zu einigen Erkenntnismitteln für eine ›verstehende‹ empirische Frauen- und Geschlechterforschung Irene Dölling ....................................................................... 67 Le Corps Lesbien wird 50. Radikales Wieder-Lesen und eine Hommage an Monique Wittig Hanna Hacker ...................................................................... 75 Dem Denken Raum geben. Voraussetzungen für gesellschaftlich verantwortliche Wissenschaftsarbeit an Universitäten Johanna Hofbauer und Katharina Kreissl ........................................... 85 Solidarität als zärtliche Bürgerlichkeit. Verstreute Überlegungen mit und zur Gemeinschaft der Ungewählten Rahel Jaeggi ....................................................................... 97 Feministische und Kritische Theorie – Leitfäden ohne Leitbild Gudrun-Axeli Knapp und Cornelia Klinger .......................................... 109 Solidarische Arbeitsbündnisse und Räume feministischer Praxis und Kritik. Verhandlungen alter und neuer Herausforderungen in feministischen (Gegen-)Öffentlichkeiten Katharina Liebsch und Tanja Thomas ...............................................127 Was tun mit der Familie? Für einen queeren Gegenrealismus Mike Laufenberg .................................................................. 139 Von der prozesshaften Identität zu neuen demokratischen Lebensweisen Isabell Lorey ...................................................................... 149 Wie Wissenschaft Wissen schafft. Zur Diskursgeschichte des akademisch gewordenen Feminismus und den Feminist Science & Technology Studies Petra Lucht ........................................................................ 161 Ent-decken von Wirklichkeit(en): Hochqualifizierte als Bündnispartner:innen einer solidarischen Sorgepolitik? Hildegard Maria Nickel ............................................................. 171 »Menschlichkeit erweist sich in der Freundschaft, nicht in der Brüderlichkeit«. In einer Virengemeinschaft mit Sabine Hark Sasha Marianna Salzmann ......................................................... 187 Nachdenken über Intersektionalität. Die Bedeutung von Klasse und Geschlecht im Kontext von anti-feministischen Kämpfen um Hegemonie Birgit Sauer ....................................................................... 193 Die Kluge Jüdin – oder: wie wurde aus Hannah Arendt Hannah Arendt? Ein Beitrag zur jüdischen Sozialgeschichte Stefanie Schüler-Springorum ...................................................... 205 Fear of a Gender-Fluid Planet? Rightwing Populism in the Contemporary US Arlene Stein....................................................................... 215 Es war einmal … anders geworden Ulrike Teubner .................................................................... 225 Abscheu vor dem Paradies Christina Thürmer-Rohr ........................................................... 233 Auf den Spuren planetarischer Feminismen: Sorge- und Regenerationsarbeit im Angesicht ökologischer Katastrophen Margarita Tsomou ................................................................. 241 »Frauen« Paula-Irene Villa .................................................................. 251 Leben in mehr als menschlichen Relationen: Die Fähigkeit zu antworten erweitern Susanne Völker ................................................................... 265 Autor*innen ................................................................... 277 Solidarität als zärtliche Bürgerlichkeit. Verstreute Überlegungen mit und zur Gemeinschaft der Ungewählten Rahel Jaeggi In einer der dichtesten Passagen ihres an dichten Passagen reichen Buchs Gemeinschaft der Ungewählten diskutiert Sabine Hark die Frage, ob »Gemeinschaft die Antwort auf jene Herausforderungen des 21. Jahrhunderts sein kann, von der Stuart Hall sprach: Wie mit Differenz leben« (Hark 2021: 161). Es ist ein innerer Dialog voll Pro und Kontra, ein Zwiegespräch, in dem Sabine Hark ihr spannungsvolles Verhältnis zur Idee und Praxis der Gemeinschaft beschreibt und trotz ihrer Ambivalenz an der Notwendigkeit festhält, eine neue Form der Gemeinschaftlichkeit zu entwerfen und zu leben. »An nichtnostalgischen, dem Ressentiment und der Feindschaft aktiv entsagenden Entwürfen von Gemeinschaftlichkeit arbeiten, ein Ethos des Zusammenlebens stiften, in dem Freiheit und Sorge nicht als Antipoden auftreten, sondern zusammen wirklich werden, und lernen, die Welt zu teilen. Das ist, was jetzt zu tun ist« (ebd.: 108). Worin nun besteht der Disput? Worin das Spannungsverhältnis und die Ambivalenz – und lässt sich diese auflösen? Mehr noch: Lässt sich ein neues, gemeinschaftliches Ethos des Zusammenlebens so stiften, dass der eindringliche Appell nicht im Appellativen, in einer Beschwörung dessen, was Hegel das »leere Sollen« genannt hat, stehen bleibt? Ich möchte mich in dieses Zwiegespräch mit einer dritten (und ein paar weiteren) Stimme einmischen, in ihm mitsprechen und mitfragen, auch wenn ich das Problem nicht werde lösen können. 98 Rahel Jaeggi 1. Das bedingungslos Gemeinsame Wir können nur zusammen mit anderen, nur in Gemeinschaft frei sein, sagt Sabine Hark. Aber Gemeinschaft macht uns unfrei, sagt ihr alter ego. Die Gemeinschaft der Ungewählten ist aber keine Gemeinschaft im hergebrachten Sinn, sagt Sabine Hark, sie ist keine Gemeinschaft des Herkommens, der Enge, der Tradition. Sie ist nicht eine des Ausschlusses der Nichtzugehörigen, der Anderen, sondern eine Gemeinschaft der Anerkennung von Differenz und der Inklusion. Eine Gemeinschaft, die die »toxischen Verstrickungen von Gemeinschaft in Politiken der Exklusion, Marginalisierung und Vernichtung« (ebd.: 172) überwindet, in der das »Zuhausesein« nicht den Preis der Konformität, der Eliminierung von Differenzen hat. Ganz klar: »Zurück ins Dorf will ich ja nicht« (ebd: 176). Und dennoch: »Wir sind, gewollt oder nicht, aufeinander angewiesen, ihnen immer schon überantwortet« (ebd.: 178), »Überleben werden wir nur gemeinsam« (ebd.: 177). »Zwischen der Skylla solipsistischer Singularitäten und der Charybdis homogenisierender Vergemeinschaftung gilt es also, einen Weg ins heterogene Offene zu finden«, so Sabine Hark (ebd.: 83). Man könnte die Gemeinschaft der Ungewählten also so verstehen, dass es um eine bedingungslose Gemeinschaft geht, eine Gemeinschaft, um deren Aufnahmebereitschaft man nicht betteln muss, die keine Zugangsbedingungen formuliert. Man müsste dann nicht ähnlich sein, um dazuzugehören; man müsste sich nicht anpassen an eine Mehrheits- und Dominanzkultur, um aufgenommen zu werden. Aber, so will ich dazwischenfragen, muss man auch nichts tun? Wie bedingungslos kann eine bedingungslose Gemeinschaft sein, ohne dass sie ihre praktische, materiale Grundlage verliert und ins vage Allzumenschliche diffundiert? Wie kann man radikale Bedingungslosigkeit denken, ohne dass sie zur Unbestimmtheit wird? Von Durkheim stammt die Unterscheidung von mechanischer und organischer Solidarität (Durkheim 1996). Während mechanische Solidarität auf Ähnlichkeit, auf Identität beruht, entsteht organische Solidarität – die Solidarität, wie sie in modernen, posttraditionalen Gesellschaften möglich und nötig ist – aus arbeitsteiliger Kooperation. Wir gehören zusammen, weil unsere Tätigkeiten ineinandergreifen. Eine solche Solidarität beruht auf Verschiedenheiten, auf der Ausbildung von Individualität. Das ist ganz praktisch als die Ausbildung individueller Kompetenzen gedacht. Darüber hinaus sind es aber natürlich auch je unterschiedliche Welt- und Selbstverhältnisse und die Solidarität als zärtliche Bürgerlichkeit daraus resultierenden Verschiedenheiten, die damit zur Grundlage der sozialen Verbindung werden. Solidarität ist in diesem Sinne ›künstlich‹, nicht gewachsen. Man kann dem arbeitsteiligen Zusammenhang beitreten, sofern man zu ihm beiträgt, in ihm eine Rolle findet. Dass wir ›einander brauchen‹ und ›durcheinander frei‹ werden, beruht dann sehr unmittelbar darauf, dass die Kooperation mit anderen Bedingung unserer eigenen Handlungsfähigkeit ist. Hannah Arendt fasst die Grundlagen eines ›Ethos des Zusammenlebens‹ anders, aber gleichermaßen praktisch. Geht es bei Durkheim um die soziale und die auch ökonomisch praktische Basis der Sozialität, so ist diese Basis bei Arendt als politische gefasst. Die (von Sabine Hark und mir gleichermaßen geliebte) Metapher des »Tischs, der gleichzeitig verbindet und trennt« (vgl. Arendt 1981: 52) bezieht sich hier auf die politisch gemeinsame Sorge um die Welt. Auch hier wird Gemeinsamkeit ohne identitäre Gemeinschaft gedacht, als eine soziale Verbindung, die Gemeinsamkeit erzeugt, ohne Gemeinschaft zu sein; und auch hier ist Pluralität, nicht Ähnlichkeit, die Grundlage dieser Verbindung. Die ›gemeinsame Welt‹ ist gemeinsam (und sie ist überhaupt erst ›Welt‹), sofern wir uns handelnd auf sie beziehen. Teil dieser Welt sind diejenigen, die das tun. Allerdings sind das beileibe nicht alle. Das hat nichts mit Arendts vielkritisiertem Elitismus zu tun – ein Vorwurf, gegen den ich sie gerne verteidigen würde –, sondern mit der Bestimmtheit des Bezugs und dem Umstand, dass dieser sich praktisch aktualisieren muss. Die gemeinsame Welt schaffen wir im gemeinsamen Handeln, sie ist nicht einfach schon da. Beide Positionen, so unterschiedlich sie sind, konzipieren Versionen eines sozialen Zusammenhangs, der nicht auf Homogenität beruht; beide verstehen das Verbindende weder als natürlich noch als fraglos gegeben. Und dennoch ergibt sich für die Gemeinschaft der Ungewählten aus beiden Ansätzen ein Problem: Eine solche Form der Sozialität ist zwar prinzipiell offen, bedingungslos aber ist sie nicht. Wir sind, in beiden Konzeptionen, nicht etwa schon deshalb verbunden, weil wir alle Menschen sind, weil wir als solche verletzliche Wesen sind oder weil wir einander – generell – brauchen. Wir sind, beiden Verständnissen nach, nicht vor allem deshalb miteinander verbunden (und füreinander Voraussetzung des guten Lebens), weil wir kreatürliche Wesen sind, sondern weil wir soziale Wesen im Sinne einer bestimmten, historisch und kulturell bestimmten Form der Gesellschaftlichkeit sind. Bei Arendt markiert das den Unterschied zwischen ›Welt‹ und ›Leben‹, zwischen Natur und Freiheit, zwischen unserer praktisch-politischen Gestaltungsmacht und 99 100 Rahel Jaeggi dem Lebensprozess, dem wir unterworfen sind. Sicher, wir brauchen einander. Aber dieses Verhältnis, »einander nöthig« zu sein (wie Nietzsche es nennt),1 hat immer schon eine bestimmte historische und soziale Form, so wie auch die Bedürfnisse, die hier erfüllt werden müssen, immer schon gesellschaftlich geprägt und durchdrungen sind. (Arendts Dichotomien sind in dieser Hinsicht irreführend, ihr Insistieren aber auf der immer schon qualitativen Dimension des Lebens – »man überlebt nie nackt« – ist richtig.) Und sicher, wir sind verletzliche und verletzbare Wesen. Aber ich zweifle daran, dass sich die gesuchte Gemeinschaft aus der wechselseitigen Anerkennung von Verletzlichkeit gewinnen lässt. Nicht nur ist noch die Frage, wie und durch was wir verletzbar sind, wiederum nicht allein mit Verweis auf unsere kreatürliche Existenz zu beantworten; noch der body in pain (Scarry 1985) ist ein normativ-sozial gezeichneter Körper; verletzende Entwürdigung, Missachtung und Leid sind soziale Kategorien. Mehr noch: Man wird auf die Vermeidung von Leid und Verletzung kein neues »Ethos des Zusammenlebens« gründen können, so wenig selbstverständlich dieses ist und so sehr hier manchmal, wie Adorno in der Minima Moralia sagt, »zart nur das Gröbste« wäre: »dass keiner mehr hungern soll«.2 Die Ambivalenz der Gemeinschaft und die Schwierigkeit, Gemeinschaftlichkeit neu zu denken, bildet sich in dem hier aufscheinenden Dilemma ab: Je bestimmter das soziale Verhältnis ist, um das es geht, je dichter der sozial oder politisch gestiftete Zusammenhang, desto mehr stellt sich die Frage, wie inklusiv dieser sein kann und welche Differenzen er aushält. Im Modus der Arbeitsteilung brauchen wir klar definierte, bestimmte Fähigkeiten und Eigenschaften – aber dann vielleicht auch nur genau diese und andere nicht? Arbeitsteilige Kooperation reicht so weit sie eben reicht – aber sie hat eine Grenze. Und auch Arendts nicht-essentialistisches Verständnis der geteilten Welt und der damit aufscheinende nicht-gemeinschaftliche Begriff der Gemeinschaft geben dieser Verbindung Kontur, indem sie sie beschränken. Die unbedingte, durch nichts bestimmte Gemeinschaft dagegen ist zwar offen, aber zu vage. Sie hat, unwirklich scheinend, keinen ›Sitz im Leben‹, das immer ein schon bestimmtes Leben ist, keinen Ort im Geflecht sozialer Praktiken und Institutionen, aus denen heraus ein (neues) Ethos des Zusammenlebens doch erst greifbar würde. 1 2 Nietzsche, Friedrich: Menschliches, Allzumenschliches I 261 (Nietzsche 1980: 218). Aus dem Aphorismus »Sur l’Eau« (Adorno 1988: 206-208). Solidarität als zärtliche Bürgerlichkeit 2. Individualität als Effekt des Gemeinsamen Vielleicht deutet sich mit den so verschiedenen Positionen Arendts und Durkheims dennoch ein Ausweg an, oder jedenfalls das Terrain, auf dem man einen Ausweg suchen könnte: Für beide ist Individualität und Differenz selbst nicht etwas essentialistisch Gegebenes. Individualität ist, im Gegenteil, bereits Effekt des Gemeinsamen. Bei Durkheim ist dieser Grundzug offensichtlich: Individualität entsteht durch Arbeitsteilung genauso wie umgekehrt Arbeitsteilung auf dieser beruht. Auch Arendts Position ist so konstruktivistisch wie relational. Die gemeinsame Welt entsteht im »Zwischen« – und sie entsteht eben auch erst dort; auch wenn man Arendt manchmal gerne einen existenzialistischen Authentizitätskult unterstellt oder ihre Idee von Pluralität als anthropologische Grundkonstante missversteht. Die gemeinsame Welt lebt von Differenzen, von Individualität und Pluralität, sie spannt sich gewissermaßen wie ein Zelt erst zwischen den Individuen auf, die dafür ja eine je distinkte Position einnehmen müssen.3 Diese distinkten Positionen, die Differenzen und die Pluralität brauchen aber umgekehrt, um wirklich zu werden, den sozialen Artikulationsraum. Wir werden Individuen, einander je Andere nur in einem mit Anderen geteilten Raum, der Pluralität erst ermöglicht. Wir werden in diesem Sinne wir selbst, indem wir uns aufeinander in dieser Differenz beziehen, also aus dem Verhältnis heraus. Diese Differenz ist in diesem Sinn kein Erstes, sondern selbst Resultat eines Verhältnisses. Dieser Gedanke verhilft uns nicht nur zu einem nicht-identitären Verständnis der Gemeinschaft oder des Gemeinsamen, sondern auch zu einem nicht-identitären Verständnis von Identität. Das ist jetzt vielleicht ein allzu hegelianisches Verständnis von Arendt, geprägt vom Versuch, zwei meiner inneren philosophischen Stimmen in Einklang zu bringen. Aber tatsächlich kann Hegel – von dem die heute häufig und in verschiedenen Versionen angeführte Idee, dass wir nur mit- und durcheinander frei sein können, ja stammt – hier weiterhelfen. Hegels Fokus auf der Relation wechselseitiger Anerkennung, sein Beharren darauf, dass ohne Du kein Ich existiert (eine Einsicht, die von Fichte und Hegel bis zu Mead und Levinas reicht, um nur eine sehr kleine Auswahl zu nennen), deutet in seiner Lesart ja genau die Struktur an, die auch für Sabine Harks Suche nach Gemeinsamkeit ohne Tilgung der Differenz entscheidend 3 Vgl. zu Arendts Weltbegriff auch meine Untersuchung Welt und Person (Jaeggi 1997), Teil III. 101 102 Rahel Jaeggi ist. Dass ich nur in Beziehung zu den Anderen zu einem Verständnis meiner selbst gelange, bedeutet hier ja auch kein unterschiedsloses Aufgehen ineinander, sondern eben eine Beziehung. »Ich bin Du wenn ich ich bin« (Paul Celan4 ), das Man-selbst-im-Anderen-Sein. Auch hier geht es nicht nur um die Anerkennung bestehender Differenzen und Individualitäten, sondern bereits um die Konstitution dieser Differenzen aus dieser Beziehung heraus. 3. Gemeinschaft, Gesellschaft, Solidarität Aber noch einmal zurück zum Anfang – zu den Stimmen für und wider die Gemeinschaft. Vielleicht müssen wir, um das zu denken und das zu leben, was Sabine Hark vorschwebt, eine Alternative zwischen Gemeinschaft und Gesellschaft bedenken (die Alternative, von der ihr alter ego geplagt ist). Wir müssen uns dann von dem Gedanken lösen, dass wir entweder im Modus der Gesellschaft – strukturiert von Markt und Vertrag – oder im Modus der Gemeinschaft miteinander leben. Das Soziale wäre dann ein potentiell solidarischer Kooperationszusammenhang, dem gegenüber die Gesellschaften, mit denen wir tatsächlich konfrontiert sind, ein defizitärer Kooperationszusammenhang sind. Denken wir in der immer noch von Tönnies geprägten herkömmlichen Alternative, so steht Gesellschaft deshalb für Freiheit und Offenheit, weil sie ein freiwilliger Zusammenschluss selbständiger Individuen ist, basierend nicht auf geteilter Herkunft, geteilten Werten oder gemeinsamen Projekten, und damit prinzipiell offen für alle, die den Vertrag als Freie und Gleiche eingehen wollen und können und am Tauschverhältnis partizipieren. Markt und Geld stellen sich dann (wie Simmel es beschreibt) als große versachlichende Macht dar, indifferent gegen Herkunft und Tradition, gegen individuelle wie kulturelle Besonderheiten. Gemeinschaft dagegen steht in diesem Bild für Enge und Unfreiheit, eben weil sie auf nichtinstrumenteller und als unverbrüchlich aufgefasster Bindung (an Menschen, an Werte, an Tradition oder Geschichte) beruht. Selbst die künstlich geschaffenen Gemeinschaften, die Tönnies im Gegensatz zur »Gemeinschaft des Blutes« und des Ortes (also der Herkunft) die »Gemeinschaft des Geistes« (also des Zusammenwirkens) nennt, selbst diejenigen Gemeinschaften also, in denen Bindung nicht von vornherein naturwüchsig verstan4 So heißt es in Paul Celans Gedicht »Lob der Ferne« (zit.n. Celan 2020). Solidarität als zärtliche Bürgerlichkeit den wird, teilen dieses Moment der Unfreiheit. Und selbst wenn umgekehrt die Grenzen des Ausschlusses in solchen Gemeinschaften nicht von vornherein gesetzt sind oder jedenfalls nicht sein müssen, so ist der Ausschluss derer, die sich dem Ziel der Gemeinschaft nicht verschreiben, dennoch konstitutiv. Die Gemeinschaft, so scheint es, definiert sich von ihrer Grenze her. Und während die Gesellschaft des Vertrags von den Individuen nur verlangt, sich an die Regeln zu halten, will die Gemeinschaft das Individuum mit Haut und Haar und duldet keinen Schutzraum. Es ist der Unterschied zwischen einem Mietvertrag und einer Wohngemeinschaft: Während es der Vermieter_in rein rechtlich nicht zusteht, die Lebensweise oder die Überzeugungen ihrer Mieter_in zu beanstanden, solange sich daraus keine Verletzungen des Mietvertrags ergeben, kann es in einer Wohngemeinschaft legitim sein, jemandem den Auszug nahezulegen, der den einmal angenommenen Grundkonsens nicht teilt oder dessen Umgangsformen man befremdlich findet. Gesellschaft bietet den Individuen einen Schutzraum und macht – so das klassisch liberale Verständnis – damit Individualität möglich. Gemeinschaft tut das, so der Verdacht, nicht. Wo sie nicht bereits homogen ist, stellt sie Homogenität her. Mit Plessner (den auch Sabine Harks alter ego einführt) betrachtet, eliminiert Gemeinschaft auf gefährliche Weise den Abstand zwischen den Individuen und zwingt sie zu authentischen Identitätsbekundungen, die den Spielraum, in dem sich Individualität – tatsächlich und im Wortsinn spielerisch – entfaltet, zerstört. Aber ist die hier gezeichnete Alternative zwischen liberaler Gesellschaft und kommunitärer Gemeinschaft, die Alternative, die sich auch in Harks Zwiegespräch niederschlägt, stichhaltig? Gibt es Weisen, diese Alternative auszusetzen, ohne dabei im Modus des Wünschens oder der Aufrufung von inklusiven Tugenden zu verbleiben? Oder anders: Gibt es eine materiale Basis für dieses Wünschen? Hier kommt der Begriff der Solidarität und der immer leicht altmodisch wirkende Hegel’sche Begriff der Sittlichkeit ins Spiel – und damit eine Art des Denkens über Sozialität, die zur Erhellung der inneren Struktur des menschlichen Aufeinanderangewiesenseins, das zurzeit von so vielen unterschiedlichen Strömungen bedacht wird, etwas beizutragen hat. Was sich bei Hegel im Medium der Anerkennung vollzieht und sich in seiner Formel vom »Ich das Wir und Wir, das Ich ist« ausdrückt (Hegel 1979: 145), ist nicht einfach der Bezug auf geteilte Merkmale. Und es ist nicht einfach ein Ethos, der Appell, ein solches ›Wir‹ zu schaffen. Es ist letztendlich das Faktum menschlicher 103 104 Rahel Jaeggi Kooperation, einer Beziehung, die noch in ihrer defizitären Form wirksam ist. Hegel beleuchtet auf instruktive Weise den Status dieses fundamentalen Aufeinanderangewiesenseins. Dass ich ›Ich‹ nur werde in und durch Beziehung auf die Anderen, dass wir nicht autark sind und nicht wie Monaden leben, ist bei Hegel mehr als ein empirisches Faktum; es ist aber auch nicht nur ein Ethos, etwas, zu dem wir uns bekennen. Die Behauptung der Autarkie ist eine Illusion, ein Selbstmissverständnis. Wenn nur das gemeinsam mit anderen geführte Leben ein gutes Leben ist, wie Sabine Hark sagt, dann kann man das mit Hegel ›tieferlegen‹. Die Beziehung zu anderen ist kein rein empirisches Brauchen; wenn das In-Beziehung-Treten nicht zu dem hinzukommt, was wir schon sind, sondern für dieses konstitutiv ist, dreht sich das Fundierungsverhältnis und in gewissem Sinn die ›Beweislast‹ um. Schon vor aller explizit positiven Bezugnahme aufeinander situieren wir uns in Bezug zueinander. Weltranglistenerste im Tennis kann ich nur sein, wenn es auch Platz 2 bis Platz 70 gibt. Älteste Schwester kann ich nur sein, wenn es jüngere Geschwister gibt; Tochter (mit den dazugehörigen Rollenidentitäten) nur, wenn Menschen mir gegenüber die Elternrolle einnehmen. Was ich bin, bin ich bereits in dieser Hinsicht in einer Konstellation mit anderen und in Beziehung auf andere. Das gilt selbst für Sozialität im Modus der Rivalität – tatsächlich sollte man den Hinweis auf eine Konfliktdynamik in Hegels »Kampf um Anerkennung« ernst nehmen – und hat mit der Vorstellung einer harmonischen Kuschelgemeinschaft (dem Ringelpietz mit Anfassen, wie Sabine Harks zweite Stimme bezüglich der Gemeinschaft befürchtet) noch gar nichts zu tun. Schön und gut, sagt meine eigene innere Sabine da: Aber Du sagst doch selbst, dass aus dem Fakt der Interdependenz noch nicht viel folgt. So wie Du sprichst, sind auch Kriege Instanzen der Sozialität. Was wir für die Sozialität, um die es hier geht, brauchen, ist also doch ein Ethos der Gemeinschaft. Also ein Bekenntnis zu dieser, die das bloße Aufeinanderangewiesensein zu einem positiven Annehmen dieser Angewiesenheit wendet. Aber wir sind dies nicht schon automatisch, sondern wir müssen etwas dazu tun, es als soziale Praxis leben können. Aber aus der Umkehrung des Fundierungsverhältnisses folgt dafür dennoch einiges: Ich bin nicht zuerst ein Individuum, das seine eigenen Interessen verfolgt und sich dann – zum Beispiel qua Vertrag – zur Sicherung dieser Interessen mit anderen zusammenschließt. Schon die Formierung dieser Interessen, das, was ich wollen kann, ist von Sozialität, von einer Grammatik des Sozialen geprägt. Die Sittlichkeit geht, um auf die oben illustrierte Solidarität als zärtliche Bürgerlichkeit Unterscheidung zurückzukommen, dem Vertrag voraus und macht ihn erst möglich. Damit aber wären wir bei einer Haltung, die man mit guten Gründen als ›Solidarität‹ bezeichnen kann. Solidarität realisiert, um mit Leon Bourgeois, einem der Paten der historischen Bewegung des ›Solidarisme‹, zu sprechen, »das Faktum des Assoziiertseins« (Bourgeois 2020). »Autonom sind wir immer nur gemeinsam mit jenen, mit denen wir immer schon interdependent verstrickt sind, und nicht als Ansammlung solipsistisch gedachter, ökonomisch kalkulierender Einzelner« (Hark 2021: 195). Sabine Harks sehr treffende Einsicht bekommt auf diese Weise Rückendeckung. Es ist nicht nur so, dass wir uns umeinander sorgen und füreinander einstehen sollten, um das Gute zu tun oder das gute Leben zu realisieren. Wir verstehen in entscheidender Hinsicht die Bedingungen unserer eigenen Handlungsfähigkeit falsch, wenn wir diese Verstrickungen leugnen. Solidarität, so schlage ich also vor, transzendiert die Unterscheidung von Gemeinschaft und Gesellschaft. Solidarität ist ein soziales Verhältnis, eine soziale Praxis, die weder auf der gewachsenen Unbedingtheit von Gemeinschaft noch auf dem interessenbasierten Kalkül des Vertrags beruht. Solidarität ist als Praxis ebenso gegeben wie gemacht. Wenn Solidarität »das Faktum des Assoziiertseins« realisiert, ist sie prinzipiell offen, weil sie immer so weit reichen muss, wie dieses Assoziiertsein reicht. Das ist nicht die kategorische Unbedingtheit des moralischen Universalismus und auch nicht die unbestimmt zu werden drohende der Verletzlichkeit – es ist der Bottom-upUniversalismus einer Solidarität, die sich praktisch versteht und auf faktischen wenn auch manchmal verdeckten Kooperationsverhältnissen beruht. Und wo Sabine Hark mit der Idee einer »zärtlichen Bürgerlichkeit« an ein neues Ethos appelliert, ist die Kooperation, die sich in Solidarität verwirklicht, wie auch immer verdeckt, bereits da. Solidarität stellt sich dann als eine streitbare Form des Zusammenhalts dar, die von der Einsicht geprägt ist, dass die Gemeinschaft der Ähnlichkeiten allein gerade keine Solidarität erzeugt. Wenn das Gemeinsame, so die Quintessenz dieser vorhin mit Arendt bereits aufgerufenen Idee, nicht die Voraussetzung, sondern das Resultat gemeinsamer solidarischer Praxis ist, aber umgekehrt als Praxis nicht einfach vom Himmel fällt, sondern die Aktualisierung bereits bestehender Abhängigkeiten ist, die als solche erst erfahrbar und wirklich werden müssen, dann setzt das von Stuart Hall konzipierte Leben »mit Differenzen« die Existenz von Räumen voraus, in denen sich das Gemeinsame entfalten kann. 105 106 Rahel Jaeggi 4. Zärtliche Bürgerlichkeit und Solidarität? (Eine letzte Nachfrage) An einer gut sichtbaren Brandmauer in Kreuzberg fand sich über Jahrzehnte hinweg die Parole: »Solidarität ist die Zärtlichkeit der Völker«. Ich fand das immer etwas kitschig, ähnlich wie die im selben Kontext verbreiteten Illustrierungen internationalistischer Kampagnen mit durch Maschendraht greifenden Kinderhänden. Ist Solidarität nicht ein Kampfbegriff? Ist man solidarisch nicht da, wo man sein eigenes Schicksal im Schicksal der Anderen erblickt und mit diesen zusammen daran arbeitet, es zu wenden? Aber was hat das mit Zärtlichkeit zu tun? Vielleicht kann man sich öffentlich zärtlich verhalten, aber ist Zärtlichkeit ein öffentliches, ein politisches Gefühl, eine öffentliche, eine politische Haltung? Und was gewinnt man, wenn man politisch-öffentliche Begriffe mit Vokabeln des Persönlichen und der Nähe paart? Ich hatte hier einen gewissermaßen arendtianischen Vorbehalt. Seit ein paar Wochen ist sie verschwunden, die Parole. Ersetzt durch Trivialitäten. Und das gerade in dem Moment, wo mir angesichts von Sabine Harks von Olga Tocarczuk inspirierter Idee einer »zärtlichen Bürgerlichkeit« die öffentliche Verwendung, die öffentliche Bedeutung der Zärtlichkeit einzuleuchten beginnt. Zärtlichkeit steht ja hier für Behutsamkeit, Aufmerksamkeit, Reaktivität, das Eingehen aufeinander und die Einfühlung. Sie ist das Gegenteil nicht nur von Rohheit, sondern auch von dem, was Adorno »bürgerliche Kälte« genannt hat, der strukturellen Gleichgültigkeit, die zur Brutalität werden kann. Und was an der »Zärtlichkeit der Völker« irritierend bleibt, der Bezug auf Völker als Großsubjekte, ist in der zärtlichen Bürgerlichkeit ja getilgt. Aber, eine letzte Nachfrage: Warum (ausgerechnet) Bürgerlichkeit? Hat man als Linke – auch als feministische Linke – nicht früh gelernt, die ›bürgerliche Weltanschauung‹ zu entlarven, und ist nicht auch subkulturell die ›bürgerliche Lebensweise‹ (zugegebenermaßen oft von denen, die aus dieser stammen) stets eher Schimpfwort als eine Chiffre für Emanzipation gewesen? Ebenfalls von Sabine Hark stammt die schöne Idee, nach der es sich bei den zeitgenössischen Auseinandersetzungen um Diversität und dem Kampf gegen Diskriminierungen aller Art um eine bürgerliche Revolution 2.0 handelt. Aber was bedeutet bürgerliche Revolution/Emanzipation 2.0? Was genau wird in der zweiten Version verbessert? Handelt es sich um eine nachholende Solidarität als zärtliche Bürgerlichkeit Revolution, in der die mit der bürgerlichen Revolution gesetzten Standards der Inklusion, der Freiheit und Gleichheit endlich eingelöst und verwirklicht werden sollen, in denen der Kreis (so eine in der Moralphilosophie beliebte Vorstellung) derer, die überhaupt moralische Berücksichtigung finden, in immer wieder neuen Runden erweitert wird? Ich glaube, wir tun gut daran, das nicht so zu verstehen und die hier gemeinte Veränderung nicht (nur) so zu betreiben. Es sollen nicht nur (nun endlich) alle zur Bürgerin werden, beitreten dürfen in den Club. Das BürgerinSein muss etwas anderes bedeuten. Der Kreis muss nicht nur erweitert, er muss anders werden, um die erforderliche solidarische Kooperation zu ermöglichen. Aber das ist es ja auch vielleicht, worauf die »zärtliche Bürgerlichkeit« hinausläuft: auf die Veränderung der Welt im Ganzen. Literatur Adorno, Theodor W. (1988): Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben, Frankfurt a.M. Arendt, Hannah (1981): Vita Activa, München. Bourgeois, Léon (2020): Solidarität, Berlin. Celan, Paul (2020): Gedichte, Berlin. Durkheim, Émile (1996): Über soziale Arbeitsteilung, Frankfurt a.M. Hark, Sabine (2021): Gemeinschaft der Ungewählten, Berlin. Hegel, Georg Wilhelm Friedrich (1979): Phänomenologie des Geistes, in: ders., Werke, hg. von Eva Moldenhauer und Karl Markus Michel, Bd. 3, Frankfurt a.M. Jaeggi, Rahel (1997): Welt und Person, Berlin. Nietzsche, Friedrich: Menschliches, Allzumenschliches, in: ders., Kritische Studienausgabe, hg. von Giorgio Colli und Mazzino Montinari, München 1980, Bd. 2. Scarry, Elaine (1985): The Body in Pain, Oxford. 107