Treue

Die wichtigste Gelingensvoraussetzung für einen Eid ist die Treue. Wenngleich dies umgekehrt nicht gilt, so liegt doch jedem Eid ein (tatsächliches oder erwünschtes) Treueverhältnis zugrunde, welchem folglich in dem Augenblick, wo es sprachlich oder durch eine Handlung bezeugt wird, die Qualität eines Eides zukommt. Die Literatur ist Schauplatz zahlloser Treueeide, -gelöbnisse, -bezeugungen und -versprechen, aus denen in der Regel in dem Augenblick, wo sie entweder unter Mühen eingehalten oder aber unfreiwillig oder böswillig gebrochen werden, erzählerische Spannung erwächst und ein stabiles Schema von Komposition und Handlungsmotivierung entsteht. Dennoch ist die Treue – nicht nur in der Literaturwissenschaft – ein schwieriger Begriff. Vom Mythos der ‚Germanentreue‘ bis hin zur ideologisch verbrämten ‚Nibelungentreue‘ ist ‚Treue‘ ein Wertbegriff, der – auch mittels literarischer Umsetzungen – missbraucht worden ist. Der vorliegende Beitrag geht an eine der Wurzeln der politischen und emotionalen Neubewertung des Treuebegriffs in der Literatur zurück, nämlich in die Zeit der deutschen Romantik. Mittels exemplarischer Analysen von Treuebezeugungen in unterschiedlichen Bereichen und – ebenso wichtig – ihrer Umkehrung, dem Verrat, in Texten der Früh- bis Hochromantik werden unterschiedliche Charakteristika und Funktionen erfolgreicher und scheiternder Treueverhältnisse identifiziert, die, so die Hypothese, in Wechselwirkung mit der historischen Realität unterschiedliche Funktionen erfüllen.