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Sonate F 2 Sprechstimmen

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Peter Ablinger

Sonate für 2 Sprechstimmen


2021

Version für das Festival "Vielstimmige Aufklärung"

Besetzung und Setup:


2 Sprechstimmen = 2 Personen aus 2 verschiedenen (akademischen)
Disziplinen, zB. Musikwissenschaft und Mikrobiologie (etc.)
1 Tisch, 2 Stühle, 2 Mikrophone, Verstärkung
Das Stück besteht daraus, dass sie miteinander diskutieren.

Dauer: (dieser Version) etwa 20 Minuten

"Partitur":

Im Grunde ist keine Partitur nötig wenn sich die beiden


Sprecherinnen in der Lage sehen, ohne weiteres 20 Minuten non-stop
miteinander zu reden. Alles was im Folgenden vorgeschlagen wird,
kann auch ignoriert werden - oder es werden daraus nur solche
Anregungen entnommen, die hilfreich erscheinen, um das Gespräch in
Gang zu bringen/halten.

Umgekehrt können auch andere als die hier skizzierten


Vereinbarungen getroffen werden.

Themen:

Das Thema oder die Themen könnten sich entweder an der fachlichen
Ausrichtung der beiden Sprecherinnen orientieren, und - im Sinne
der "Vielstimmigen Aufklärung" - durchaus gezielt gewisse
sprachliche Inkommensurabilitäten anvisieren. Themen könnten
versuchen, Brücken zu bauen zwischen den Disziplinen, oder im
Gegenteil, einander konfrontieren mit fachspezifischen
"Zumutungen". Ein Beispiel für ein disziplinen-übergreifendes
Thema könnte zB. sein: "Das Anthropozen" (Vorschlag von Asmus
Trautsch). Darüberhinaus kann das Thema/können Themen entweder
vor-verabredet sein, oder auch nicht, sodass beide
Gesprächspartner sich gegenseitig überraschen.

Attitüde:

Der Anspruch auf die "Passgenauigkeit" der Antworten sollte nicht


allzu hoch sein. Eher könnte ein freies Assoziieren, ein nicht-
lineares Aufeinandertreffen unterschiedlicher Fachjargons, gar ein
ungezügelt-kreatives Nebeneinanderherreden wünschenswert sein im
Sinne der intendierten Vielstimmigkeit und Interdisziplinarität.
Daher: Antworten/Reaktionen nicht zu vorsichtig, nicht
abgesichert, nicht zu kontrolliert; dagegen eher: freies
Assoziieren, durchaus "unpassende" Anschlüsse, gar Brüche, abrupte
Themenwechsel, aus-der-Luft-Gegriffenes, Überraschungen - alles
was den Dialog in Gang hält. TENET OPERA ROTAS.

Zur grundsätzlichen Gesprächs-Attitüde könnte auch gehören:


einerseits nicht zu höflich: durchaus auch ins Wort fallen, nicht
immer ausreden lassen, lieber für Tempo sorgen!
andererseits auch höflich: zB., indem einer Begriffe-Suchenden mit
Vorschlägen auf den Sprünge geholfen wird - ohne ihr gleich das
Wort abzunehmen.

Sonate:

Sowohl im Sinne der Vielstimmigkeit als allgemeiner der


Stimmigkeit, könnten weitere musikalische Apekte eine
metaphorische oder auch struktuierende Rolle spielen. Der Titel
"Sonate" etwa wurde gewählt, weil der klassische Sonatenhauptsatz
die Form einer Rede hat und seine 3 wichtigsten Teile die
Exposition, die Durchführung und die Reprise sind. Entsprechend
könnte es eine Anregung sein, die etwa 20 Minuten in 3 Teile zu
etwa 6-7 Minuten zu teilen, und dahingehend zu artikulieren:
Die 'Exposition' würde sich dann anbieten als die Einführung der
Themen/des Themas, aber auch zB. für die bewußte
Gegenüberstelleung fachspezifischer Problemfelder und des je
eigenen Vokabulars.
Die 'Durchführung' könnte etwa der Dramaturgie einer Steigerung
der Unvereinbarkeiten sprachlicher und inhaltlicher Art folgen.
(Es darf auch gestritten/widersprochen werden!). Auch ein
"rhythmischer" Aspekt könnte hier eine Rolle spielen, indem auf
eine rasche Folge und ein schnelles Abwechseln von Frage und
Antwort, Einwurf und Kommentar, Gedanke und Gegengedanke geachtet
wird (- während umgekehrt Exposition und Reprise evt. auch durch
einige geschlossenere Abschnitte charakterisiert sein können).
Die 'Reprise' könnte entsprechend (teilweise) den Charakter der
Rekapitulation tragen, also die eingangs vorgestellten Motive und
Themen einem vorläufigen Abschluss oder Resümee zuführen. Aber
auch das Gegenteil könnte der Fall sein: neue Themen könnten
aufgerufen werden - etwa im Sinne der inzwischen gewonnenen
Einsicht, dass die zuerst genannten Themen nicht genügen, um (in
Zukunft) weiter voran zu kommen.
(Postscrptum zum Formverständnis/Verlauf einer Sonate: die 3
Hauptteile der Sonate wurden gelegentlich auch mit der etwa
zeitgleichen Hegelschen Dialektik verglichen und als These,
Antithese und Synthese interpretiert.)

Das Nicht-Verstehen:

Ein gewisses 'Nicht-Verstehen' ist gewissermaßen konstitiv für


eine echte Vielstimmigkeit, die nicht nur in inhaltlicher sondern
auch sprachlicher Hinsicht Unvereinbarkeiten aufweisen kann/darf.
Das Nicht-Verstehen wird aber auch im Rahmen der Gesamtperformance
"konkret", dann nämlich, wenn musikalisch-performative Beiträge
anderer Komponistinnen momentweise das Gespräch der "Sonate"
übermalen und unverständlich machen. In diesen Momenten sollten
die Sprecherinnen eher nicht versuchen, dagegenzusteuern und
lauter sprechen (nicht das Mikrofon näher rücken), sondern - ohne
einen Moment im Dialogisieren innezuhalten - es erlauben, dass ihr
Gespräch für einen solchen Moment gewissermaßen zur "Musik" wird,
und wenn auch noch hörbar, so doch inhaltlich nicht mehr
verstehbar ist. (Technisches hierzu: es muss dafür gesorgt sein,
dass die Lautsprecher so positioniert sind, dass die Sprecherinnen
sich in jedem Moment verstehen können, auch wenn das von Außen/in
einiger Entfernung bereits nicht mehr der Fall ist.)

Ad libitum:

Eine zusätzliche, frei und spontan wählbare Option ist es, sich
auf die gerade jetzt gleichzeitig sich ereignenden Dinge im Raum
zu beziehen, oder das zu reflektieren, was früher (oder später?)
passiert ist (passieren wird). Aber auch ein selbstreferenzielles
Sich-Beziehen auf die eigene Rolle innnerhalb der
Gesamtperformance könnte thematisiert werden. Ob solche
Beobachtungen unvermittelte Einschübe bleiben oder sich (später?)
wieder einholen lassen in die sonstigen Themen und Motive ist
(ebenfalls) ad libitum.

Das Ununterschiedene:

Die kurzen Momente wo Sprache zu Musik wird und ihre begriffliche


Unterschiedenheit hinter sich lassen muss, könnte auch als
'Ununterschiedenheit' beschrieben werden. Für den Fall dass die
Sprecherinnen eine detailiertere thematische Vorgabe vorziehen,
und sie aber nicht selbst wählen möchten, lege ich einen (noch
unfertigen) Text bei, worin ich versuche, das Motiv der
Ununterschiedenheit in verschiedener Hinsicht zu entfalten. Der
Text muss dazu nicht sorgfältig studiert werden, er kann etwa auch
nur flüchtig überflogen werden, um ihm einige Bruchstücke zu
entnehmen, um sie dann vielleicht auf die jeweils eigene Disziplin
zu übertragen bzw. aus deren Sicht zu hinterfragen.
(Hintergedanke: Gerade der Unterschied zwischen den Sprachen und
Disziplinen welcher in der 'Sonate' "vielstimmig" zum Vorschein
kommen soll, könnte sich als etwas erweisen, das, obwohl als
Unterschied deutlich spürbar, sich diskursiv nicht
vereinheitlichen/abgleichen/fassen lässt - also in gewisser Weise
ununterschieden (im Sinne von 'sprachlich nur unzureichend
artikulierbar') bleiben muss.)

P.A.
8/2021

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