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In the initial reactions to Christian Kracht's Frankfurt Poetics Lectures, the view has repeatedly been expressed that, against the background of the revelations of abuse undertaken there, Kracht's texts must be read anew and, above all,... more
In the initial reactions to Christian Kracht's Frankfurt Poetics Lectures, the view has repeatedly been expressed that, against the background of the revelations of abuse undertaken there, Kracht's texts must be read anew and, above all, completely differently. In the Süddeutsche Zeitung, for example, Felix Stephan concluded: "The Christian Kracht who stood at the lectern there has never written an ironic sentence. It was always about everything, about man, humanism."
Die Figuren in Christian Krachts Romanen, Erzählungen und Reportagen sind Reisende. Sie reisen, um dem zu entkommen, was in Tristesse Royale als "Spirale" bezeichnet wird: dem Kreiseln der der in den 1960er und-70er Jahren Geborenen... more
Die Figuren in Christian Krachts Romanen, Erzählungen und Reportagen sind Reisende. Sie reisen, um dem zu entkommen, was in Tristesse Royale als "Spirale" bezeichnet wird: dem Kreiseln der der in den 1960er und-70er Jahren Geborenen zwischen dem Anything Goes popkultureller Ironie und einem peinlich-naiven Authentizitätsgequatsche.
Zur Reflexion ihrer eigenen Verfahren ist die philosophische Theorie auf ihre sinnliche Vermittlung angewiesen. Deshalb kann sich die Theorie niemals ganz vom Theater als Raum des Sinnlichen lösen. Der Beitrag untersucht, wie in René... more
Zur Reflexion ihrer eigenen Verfahren ist die philosophische Theorie auf ihre sinnliche Vermittlung angewiesen. Deshalb kann sich die Theorie niemals ganz vom Theater als Raum des Sinnlichen lösen. Der Beitrag untersucht, wie in René Polleschs Arbeit dieses Verhältnis von Theorie und Theater durch den Chor reflektiert wird, der den an-und zuschauenden Blick des Publikums auf der Bühne wiederholt. In "Schmeiß dein Ego weg!" (2011) erkundet der Chor den Raum des Theaters als einen theoretischen, indem er die Theorie des Theaters an dramatischen Gemeinplätzen wie der Mauerschau oder dem handelnden Subjekt überprüft. René Polleschs Theaterarbeiten werden gerne als "Diskurstheater" oder "Theorietheater" bezeichnet, was vor allem damit zusammenhängt, dass Pollesch theoretische Texte in seinen Stücken ausgiebig zitiert und diese Texte dann in seinen Programmheften oder den Textausgaben ausdrücklich zur Lektüre empfiehlt. Das verleitet, wie Annemarie Matzke festgestellt hat, schnell dazu, "mit Pollesch über Pollesch" zu schreiben und seine Texte selbst als Theorie zu lesen. 1 Wenn ich im Folgenden den Chor in Polleschs Stücken als eine Instanz der Theorie untersuche, dann verstehe ich ‚Theorie' in diesem Zusammenhang aber erst in zweiter Linie als eine bestimmte Art von akademischem oder paraakademischem Diskurs; zunächst soll Theorie als eine Art der Wahrnehmung, als ein Weltzugang in den Blick rücken. Die Theorie als Diskurs geht von einem solchen Weltzugang aus und ist also von ihm nicht vollständig zu trennen. Die von Pollesch zitierten Theorie-Versatzstücke dienen, so die These dieses Beitrags, dazu, Theorie als eine Art der Weltwahrnehmung vorzuführen und in sie einzuüben. Polleschs Stücke setzen mittels des Chors 1 Matzke 2012, S. 121.
Vorversion des publizierten Aufsatzes
Der Aufsatz geht der Frage nach, ob der Chor, der Schiller zufolge auf die Verkörperung auf der Bühne angewiesen ist, im Theatertext Funktionen erfüllen kann, die über die Implikation der Aufführung hinausgehen. Exemplarisch wird in... more
Der Aufsatz geht der Frage nach, ob der Chor, der Schiller zufolge auf die Verkörperung auf der Bühne angewiesen ist, im Theatertext Funktionen erfüllen kann, die über die Implikation der Aufführung hinausgehen. Exemplarisch wird in Stücken von Heiner Müller, Tankred Dorst und Elfriede Jelinek nach Momenten gesucht, in denen der Chor durch Sprechakte eine Ebene der Inszenierung in den Text integriert und so eine Unabhängigkeit von der Aufführung auf der Bühne erreicht.
Zwischen Ursprungslogik und Anfangslosigkeit, zwischen Handeln und Schauen, zwischen Figur und Grund singt und tanzt der Chor auf dem Standpunkt der Theorie. An ihm entzündet sich die Frage, wie Gemeinschaft zur Sprache kommt.
In ihren aktuellen Büchern »Chor-Denken« (Paderborn: Wilhelm Fink 2020) und »Chor und Theorie« (Konstanz: KUP 2021) nähern sich Sebastian Kirsch und Maria Kuberg dem Verhältnis von Chor und Denken bzw. Theorie einmal aus theater-, einmal... more
In ihren aktuellen Büchern »Chor-Denken« (Paderborn: Wilhelm Fink 2020) und »Chor und Theorie« (Konstanz: KUP 2021) nähern sich Sebastian Kirsch und Maria Kuberg dem Verhältnis von Chor und Denken bzw. Theorie einmal aus theater-, einmal aus literaturwissenschaftlicher Perspektive.

Fluchtpunkt aller europäischen Verhandlungen des Chorischen ist die antike Tragödie mit ihrer Gegenüberstellung von skene und orchestra, von Protagonist und Chor. Während Sebastian Kirsch die antiken Texte durch die Brille des späten Foucault liest, wählt Maria Kuberg einen historisierenden Ansatz und betrachtet den antiken Chor „through our German eyes“ (Simon Goldhill). Deutlich wird dabei, dass Aneignungen des Chors nie geradlinig, sondern stets historisch gebrochen verlaufen.

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Gemeinsam ist beiden Ansätzen das Anliegen, den Irrtum auszuräumen, dass der Chor in einer dualistischen Ordnung dem Protagonisten gegenübersteht. Er muss vielmehr als Kippfigur zwischen Figuration und Defiguration begriffen werden, in antiken Begriffen als Vertreter des Kosmos, der vor der Reduktion auf die Sphären von Oikos und Polis selbstverständlicher Teil der griechischen Welt war.
In verschiedenen Formen des Chorischen können somit unterschiedliche Formen der Gemeinschaft mit ihren Ein- und Ausschlüssen sowie Totalisierungsgefahren durchexerziert werden. Ebenso erlauben sie es, weltumspannende Phänomene wie Klimakrise, Flüchtlingszüge und Pandemie zu verhandeln, die sich nicht in den binären Oppositionen von Lokalem und Globalem oder Eigenem und Fremdem verstehen lassen.

In den von Maria Kuberg untersuchten Theatertexten zeigt sich, dass der Chor aufs Engste mit der Theorie verbunden ist, deren nichtanschaulichen Inhalten er Sichtbarkeit verleihen kann. Nicht zufällig gehen die Krise der Anschauungslogiken und die emphatische Wiederentdeckung des Chors an der Wende zum 20. Jahrhundert miteinander einher. Chor und Anschauung hängen aber noch auf andere Weise miteinander zusammen. Durch Rückgriff auf somatische Konzepte des Denkens zeigt Sebastian Kirsch, was sie mit den Sorgeschulen der Kyniker, Epikureer und Stoiker gemein haben und warum wir uns diese eher als chorische Philosophiebanden vorstellen sollten denn als strenge Akademien.

Diese Neuverortung des Chors mag nicht zuletzt dazu beitragen, dessen Prominenz im postdramatischen Theater besser zu verstehen, das insbesondere nach dem Verblassen bestimmter Utopien von Gemeinschaft nach 1989 das Verhältnis von Privatem und Öffentlichem, Individuum und Gesellschaft verhandelt.

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Der Theaterwissenschaftler Sebastian Kirsch ist mit dem Projekt »Umgebungswissen der Theatermoderne. Milieu – Umwelt – Environment / Hauptmann – Appia – Kiesler Feodor« Lynen-Forschungsstipendiat der Alexander von Humboldt-Stiftung am ZfL. Er wurde 2018 in Bochum für das Fach Theaterwissenschaft habilitiert. Die Literaturwissenschaftlerin Maria Kuberg ist akademische Mitarbeiterin für Neuere Deutsche Literatur an der Universität Konstanz. Am ZfL arbeitete sie zuletzt von 2018–2019 an dem Projekt »Einheit und Vielfalt. Epospoetiken des Späthumanismus und der Frühaufklärung«. Zuvor war sie mit dem Projekt »Der Chor. Theorie-Theater-Texte von Heiner Müller bis René Pollesch« Doktorandin am ZfL.