Sozialpolitik
Verwaltungsregister als Datenbasis der empirischen Sozialforschung
Gesundheit
Potenzial und Verbreitung von IKT zur Unterstützung pflegender Angehöriger
International
Soziale Sicherheit Schweiz–Kosovo
Soziale Sicherheit
CHSS
6/2013
inhalt
Inhalt
CHSS
6/2013 November / Dezember
Inhaltsverzeichnis Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
Editorial
301
Chronik Oktober / November 2013
302
Regionale Unterschiede bei der Belastung durch die obligatorischen Gesundheitsausgaben (Oliver Bieri und Helen Köchli,
Interface Politikstudien Forschung Beratung, Luzern)
331
Sozialpolitik
Sozialversicherungen: Neuerungen ab 2014 und laufende
Reformen (Brigitte Dumas, BSV)
307
Datenaustausch und Datenschutz in der Interinstitutionellen
Zusammenarbeit (Kurt Pärli, Zürcher Hochschule für
Angewandte Wissenschaften)
310
Verwaltungsregister als Datenbasis der empirischen
Sozialforschung (Philippe Wanner, Universität Genf)
Netzwerk Psychische Gesundheit Schweiz – eine Zwischenbilanz
(Alfred Künzler, Netzwerk Psychische Gesundheit Schweiz, und
Katrin Jentzsch, BSV)
329
312
Familie
Bundesrat verabschiedet Bericht zum Vaterschafts- und Elternurlaub (Lucie Martin und Barbara von Kessel-Regazzoni, BSV) 316
Invalidenversicherung
Sozialleistungsbezüge und Proile von neuen IV-Rentenbeziehenden (Robert Fluder, Renate Salzgeber und Tobias Fritschi;
Berner Fachhochschule Soziale Arbeit)
336
BECK – Beruliche Eingliederung von Menschen mit einer chronischen Krankheit (Margareta Schmid, Fachstelle Evaluation &
Gesundheitsforschung; Eliane Boss, Krebsliga Schweiz;
Erich Tschirky, Schweizerische Gesundheitsligen-Konferenz) 341
International
Gesundheit
Soziale Sicherheit Schweiz–Kosovo (Raphael Tschanz, BSV)
Langzeitplege in der Schweiz: eine europäische Perspektive
(Andrea E. Schmidt, Europäisches Zentrum für Wohlfahrtspolitik und Sozialforschung, Wien)
318
Parlament
Potenzial und Verbreitung von IKT zur Unterstützung plegender
Angehöriger (Francesco Barbabella und Giovanni Lamura, Istituto
Nazionale di Riposo e Cura per Anziani, Ancona, sowie Andrea
E. Schmidt, Europäisches Zentrum für Wohlfahrtspolitik und
Sozialforschung, Wien)
325
Besuch
en S
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w.bsv
346
Parlamentarische Vorstösse
350
Gesetzgebung (Vorlagen des Bundesrats)
351
Daten und Fakten
Sozialversicherungsstatistik
352
Wichtige Masszahlen der berulichen Vorsorge
354
Agenda (Tagungen, Seminare, Lehrgänge)
356
Literatur
358
Jahresinhaltsverzeichnis 2013
362
editorial
Editorial
Zwischenhalt
Suzanne Schär
Chefredaktorin
«Soziale Sicherheit CHSS»
Die letzte Ausgabe der CHSS dieses Jahres setzt keinen
thematischen Schwerpunkt. Nicht, dass es an gewichtigen
sozial- und gesundheitspolitischen Herausforderungen
fehlte, die in den nächsten Monaten und Jahren einer mehrheitsfähigen Lösung zugeführt werden müssen. Aber nach
der Auseinandersetzung mit grossen Baustellen des BSV,
von der Missbrauchsbekämpfung in den Sozialversicherungen, über die Jugendschutzprogramme bis hin zur
Reform Altersvorsorge 2020, jenem Geschäft, das unser
Amt – und nicht nur uns – in den nächsten Jahren auf Trab
halten wird, scheint der Zeitpunkt richtig, sich anderen,
weniger prominenten Themen zuzuwenden. Dabei handelt
es sich zum einen um quasi das sozialpolitische Grundgeräusch: Themen, die einer sozialpolitischen Auseinandersetzung bedürfen, obschon sie meist nur punktuell im
Zentrum des öffentlichen Interesses stehen. Zum anderen
sind es Fragestellungen, die derzeit entweder die Grundlagenforschung beschäftigen oder, die als gesellschaftlich
relevant erkannt, im Fokus der angewandten Forschung
stehen.
Eine erste Artikelgruppe beschäftigt sich demzufolge mit
gesellschaftlichen Herausforderungen, die vordergründig
zwar nur Einzelne oder eine Minderheit betreffen, im Interesse des sozialen Zusammenhalts und der Solidarität
aber trotzdem einer gesamtgesellschaftlich anerkannten
Lösung bedürfen. Entsprechend wird in dieser CHSS erörtert, wie es um die rechtlichen Grundlagen für den Datenschutz und den Datenaustausch in der Zusammenarbeit
zwischen den Institutionen der sozialen Sicherung, der
Bildung und der Arbeitsmarktintegration bestellt ist. Aber
auch die offenen Fragen zur Regelung der sozialen Sicherheit zwischen der Schweiz und Kosovo sind nach dem
Bundesgerichtsentscheid vom Juni 2013 diskussionswürdig.
Bei der zweiten Artikelgruppe handelt es sich um forschungsgeleitete Beiträge. Sie legen die wissenschaftliche
Grundlage für den zielgerichteten und wirkungsorientierten Umgang mit Fragestellungen wie der Weiterentwicklung
einer volks- und individualwirtschaftlich tragbaren Form
der Langzeitpflege oder dem Potenzial der Informationstechnologie für die Entlastung pflegender Angehöriger.
Die vorliegenden Artikel geben bereits erste Hinweise
auf die sozial- und gesundheitspolitische Themenlage im
kommenden Jahr. Neben Fragestellungen zur psychischen
Gesundheit werden uns sicher die Herausforderungen
einer alternden Gesellschaft weiterbeschäftigen. Und in
Anlehnung an seine Aufgabe als schützendes Dach und
ausgleichende Kraft wird weiterhin auch das Verhältnis
besonders verletzlicher Gruppen zum Sozialstaat zur
Sprache kommen.
An dieser Stelle sei allen Autorinnen und Autoren herzlich gedankt, die im vergangenen Jahr mit ihrem fundierten Fachwissen, aber auch mit kritischen Beiträgen den
über die CHSS geführten gesellschafts- und gesundheitspolitischen Diskurs bereichert haben. In einer zunehmend
fragmentierten, sprunghaften Kommunikationsumgebung
ermöglichen sie die kontinuierliche und sachliche Auseinandersetzung mit Fragestellungen, die oft auch emotional
geprägt sind. Sie öffnen den Blick auf die normativen
Vorgaben, auf deren Basis der Diskurs gedeihen kann und
benennen die zur Verfügung stehenden Handlungsoptionen. Insofern legen ihre Beiträge die Grundlage dafür, dass
die erforderliche Lösung sachgerecht entwickelt und die
Entscheide reifen können – der erzielte politische Kompromiss sich schliesslich zielgerichtet und bedarfsgerecht
umsetzen lässt.
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
301
chronik
Chronik
AHV
Volksinitiative
«Millionenerbschaften besteuern
für unsere AHV»
Der Bundesrat empiehlt die Volksinitiative «Millionenerbschaften besteuern für unsere AHV» zur Ablehnung. Nach dem Willen der Initianten
sollen zwei Drittel des Steuerertrags
auf Erbschaften von mehr als zwei
Millionen Franken an die AHV, ein
Drittel an die Kantone gehen.
Reform Altersvorsorge 2020
siehe Beitrag «Sozialversicherungen: Neuerungen ab 2014 und laufende Reformen»
Armut
In der Schweiz waren 2011 knapp
130 000 Personen von Erwerbsarmut
betroffen und rund 240 000 Erwerbstätige armutsgefährdet. Fast 90 000
Erwerbstätige wiesen in mindestens
drei von neun Lebensbereichen einen
inanziell bedingten Mangel auf. Nach
allen verwendeten Konzepten sind
Alleinerziehende, Erwerbstätige ohne nachobligatorische Ausbildung
und nicht ganzjährig Erwerbstätige
besonders betroffen (www.bfs ➞ Themen ➞ 20 – Wirtschaftliche und soziale Situation der Bevölkerung ➞
Lebensstandard, soziale Situation und
Armut ➞ Armut trotz Erwerbstätigkeit. Ergebnisse 2007 bis 2011).
Beruliche Vorsorge
BVG: Mindestzinssatz 2014
Der Bundesrat hat auf Empfehlung
der BVG-Kommission, in welche Sozialpartner, Experten und Interessenvertreter einsitzen, beschlossen, den
Mindestzinssatz in der Berulichen
Vorsorge bei 1,75 Prozent festzulegen.
Derzeit wird das Kapital zu 1,5 Prozent verzinst. Entscheidend für die
Höhe des Mindestzinssatzes sind die
302
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
Oktober/November 2013
Rendite der Bundesobligationen sowie die Entwicklung von Aktien, Anleihen und Liegenschaften. Die Anhebung des Satzes erfolgt aufgrund
der guten Entwicklung der Aktien
und Immobilien in diesem und im
letzten Jahr.
Hinterlassenen- und
Invalidenrenten in der
obligatorischen berulichen
Vorsorge
Die gesetzlich vorgeschriebene regelmässige Überprüfung der Preisentwicklung zwischen September
2010 und 2013 hat ergeben, dass die
Hinterlassenen- und Invalidenrenten
der obligatorischen berulichen Vorsorge auf den 1. Januar 2014 nicht der
Teuerung angepasst werden müssen.
Beschäftigung
ALV
Der Bundesrat setzt die Gesetzesänderung für die Deplafonierung des
Solidaritätsprozents der Arbeitslosenversicherung (ALV) per 1. Januar
2014 in Kraft. Um die ALV rascher zu
entschulden, wird künftig auch für
Lohnanteile von Jahreslöhnen über
315 000 Franken ein Beitrag im Umfang von 1 Prozent erhoben.
Fachkräfteinitiative
Der Bundesrat hat am 6. November
2013 im Rahmen seiner Klausur zum
Freizügigkeitsabkommen ein Massnahmenpaket zur Fachkräfteinitiative
verabschiedet. Dieses hat zum Ziel,
den Fachkräftemangel zu lindern, indem das inländische Potenzial an
Fachkräften verstärkt ausgeschöpft
wird. Der Bund koordiniert seine Anstrengungen mit jenen der Kantone
und der Sozialpartner und wirkt als
Katalysator. Als Arbeitgeber geht der
Bund mit gutem Beispiel voran und
ergreift in seinem Bereich weitere
Massnahmen. So will der Bund die
Erwerbstätigkeit von älteren Arbeitnehmenden und die Vereinbarkeit
von Beruf und Familie fördern sowie
die Aus- und Weiterbildung unterstützen.
Lohngleichheit
Die Bundesverwaltung hat in den
letzten drei Jahren die Löhne ihrer
rund 36 000 Mitarbeitenden auf die
Einhaltung der Lohngleichheit zwischen Frau und Mann überprüft. Das
Resultat liegt nun vor und stellt der
Bundesverwaltung ein gutes Zeugnis
aus. Die Löhne entsprechen dem
Grundsatz der Lohngleichheit.
Schweizerische
Arbeitskräfteerhebung 2012:
Unterbeschäftigung
Laut einer im Oktober veröffentlichten Untersuchung des BFS zu den
ergänzenden Indikatoren zur Erwerbslosigkeit beträgt die Unterbeschäftigungsquote gemäss ILO-Deinition in der Schweiz gut 6 Prozent.
464 000 der Erwerbstätigen in der
Schweiz gaben an, mehr als ihr derzeitiges Pensum arbeiten zu wollen
und galten demzufolge als unterbeschäftigt. Es waren v. a. Teilzeitbeschäftigte mit geringen Einkommen,
die ein höheres Arbeitspensum anstrebten. Basierend auf der hohen
Teilzeitbeschäftigungsquote der Frauen ist auch der hohe Frauenanteil von
knapp drei Viertel bei den Unterbeschäftigten zu verstehen. Gut die
Hälfte der unterbeschäftigten Erwerbstätigen erreichte allerdings innerhalb von zwölf Monaten die gewünschte Stundenzahl oder verlangte kein höheres Arbeitspensum mehr,
während sich acht Prozent der Befragten nicht mehr im Arbeitsmarkt befanden (www.bfs.ch ➞ Themen ➞ 03
– Arbeit und Erwerb ➞ Übersicht ➞
Schweizerische Arbeitskräfteerhebung 2012. Ergänzende Indikatoren
zur Erwerbslosigkeit: Unterbeschäftigung und potenzielle zusätzliche
Arbeitskräfte).
Chronik
Oktober/November 2013
Bundeshaushalt
Familie
Zweite Hochrechnung 2013
Familienzulagenregister: Bilanz
Für 2013 rechnet der Bund mit einem Überschuss von 0,3 Milliarden
Franken. Im Vergleich zur Hochrechnung im Juni bedeutet dies eine Verschlechterung um 0,3 Milliarden Franken, bedingt durch die nach unten
korrigierte Schätzung der Einnahmen. Das Budget ging von einem
Deizit von 0,4 Milliarden Franken
aus. Grundlage der Hochrechnung
sind die bis Ende September verbuchten Einnahmen und Ausgaben. Die
zusätzlichen Mindereinnahmen resultieren aus der ungünstigen Entwicklung bei der direkten Bundessteuer
(0,6 Mrd.). Gegenüber der Juni-Schätzung weisen neben der Bundessteuer
nur noch die Tabaksteuer und die
Spielbankenabgabe leichte Mindereinnahmen auf. Grössere Kreditreste
werden u. a. bei den Leistungen des
Bundes an die Sozialversicherungen
(IV, AHV und Prämienverbilligung)
erwartet.
Die Bilanz nach zwei Jahren fällt
sehr positiv aus. Mit dem seit dem
1. Januar 2011 betriebenen Register
wird verhindert, dass für das gleiche
Kind mehrfach Familienzulagen bezogen werden. In den ersten zwei Betriebsjahren konnten gegen 45 700
Fälle von mehrfach ausbezahlten Familienzulagen identiiziert werden.
Dies entspricht einer Summe von 20
Mio. Franken – gemessen am jährlichen
Gesamtvolumen von 5,1 Mia. eine Fehlerquote von lediglich 0,2 Prozent. Die
entsprechenden Beträge werden zurückgefordert. Zudem konnte die ungerechtfertigte Auszahlung von 24 200
Familienzulagen präventiv verhindert
werden. Man kann davon ausgehen,
dass die Anzahl von Fehlauszahlungen
dank des Registers noch weiter sinken
wird.
Erwerbsersatzordnung
Der Bundesrat hat Stellung genommen zum Bericht der Geschäftsprüfungskommission des Ständerats
(GPK-S) vom 28. Juni 2013. Im Bericht
ersucht die Kommission den Bundesrat, zu den Feststellungen und Erwartungen bei der Abrechnung von freiwilligen Militärdienstleistungen Stellung zu nehmen. Der Bundesrat hat
reagiert und bereits verschiedene
Massnahmen eingeleitet. Weitere Anpassungen werden folgen. Unter anderem soll die Förderung des Spitzensports in der Armee in wesentlichen
Punkten besser geregelt werden.
1 Vgl. Martin, Lucie und Barbara von KesselRegazzoni, «Bundesrat verabschiedet Bericht
zum Vaterschafts- und Elternurlaub» in der
vorligenden CHSS.
nung getragen, was zur Folge hat, dass
rund die Hälfte der Haushalte mit
Kindern keine direkte Bundessteuer
bezahlt. Eine steuerliche Freistellung
der Kinder- und Ausbildungszulagen
wäre nicht zielgerichtet und würde zu
Mindereinnahmen von rund 1 Milliarde Franken für Bund, Kantone und
Gemeinden führen.
Volksinitiative «Für Ehe und Familie
– gegen die Heiratsstrafe»
Der Bundesrat empiehlt die Volksinitiative gegen die «Heiratsstrafe» zur
Annahme. Ihre steuerpolitischen Forderungen decken sich mit der vom
Bundesrat verfolgten Politik, die Ungleichbehandlung von Ehe- und Konkubinatspaaren zu beseitigen. Im Bereich der Sozialversicherungen hingegen sind Ehepaare in der Gesamtsicht
nicht schlechter gestellt als unverheiratete Paare, weshalb aus Sicht des
Bundesrates kein Anlass gegeben ist,
die bestehende Plafonierung der Ehepaarrenten aufzuheben.
Vaterschafts-/Elternurlaub
In Beantwortung eines Postulats von
Ständerätin Anita Fetz (SP), das vom
Bundesrat die Prüfung einer privat inanzierten Elternzeitversicherung verlangt, hat der Bundesrat Ende Oktober
einen Bericht verabschiedet, der acht
verschiedene Modelle eines Elternurlaubs vorstellt, diese miteinander vergleicht und deren Vor- und Nachteile
aufzeigt (www.bsv.admin.ch ➞ Themen
➞ Familien/Familienzulagen ➞ Aktuell ➞ Bericht über Vaterschaftsurlaub
und Elternurlaub; 30.10.2013).1
Volksinitiative «Familien stärken!
Steuerfreie Kinder- und
Ausbildungszulagen»
Der Bundesrat hat die Botschaft zur
Volksinitiative «Familien stärken!
Steuerfreie Kinder- und Ausbildungszulagen» verabschiedet und empiehlt,
die Initiative abzulehnen und ihr keinen Gegenvorschlag gegenüberzustellen. Die Familien sollen weiterhin
vorwiegend mit Instrumenten ausserhalb des Steuerrechts gefördert werden. Im Steuerrecht wird den Kinderkosten bereits heute angemessen Rech-
Gesundheit
Krebsregister
Der Vorentwurf für eine bundesgesetzliche Grundlage zur lächendeckenden und einheitlichen Erfassung
der Daten zu Krebserkrankungen ist
in der Vernehmlassung auf breite Zustimmung gestossen. Der Bundesrat
hat deshalb das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) beauftragt, bis Ende 2014 einen Gesetzesentwurf zu erarbeiten. Das Bundesgesetz über die Registrierung von
Krebserkrankungen ist Teil der Gesamtschau Gesundheit2020 des Bundesrates.
Volksinitiative «Abtreibung ist
Privatsache»
Die Abtreibungsinanzierungsinitiative, gemäss welcher Frauen für die
Kosten eines Schwangerschaftsabbruchs künftig selbst aufkommen
müssten, gelangt am 9. Februar 2014
zur Abstimmung.
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
303
Chronik
Volksinitiative «Für eine öffentliche
Krankenkasse»
Der Bundesrat hat entschieden, die
Volksinitiative «Für eine öffentliche
Krankenkasse» ohne Gegenvorschlag
zur Ablehnung zu empfehlen. Gleichzeitig hat er unter Berücksichtigung
der Vernehmlassungsergebnisse einen
Entwurf für eine Teilrevision des Krankenversicherungsgesetzes (KVG)
verabschiedet, die der Risikoselektion
besser entgegenwirken soll und die
weiteren mehrheitsfähigen Verbesserungsvorschlägen Rechnung trägt.
Volksinitiative «Ja zur
Hausarztmedizin»
Am 19. September haben beide
Räte den Bundesbeschluss zur Hausarztinitiative angenommen. Darin
wird dem Volksbegehren «Ja zur
Hausarztmedizin» ein direkter Gegenentwurf gegenübergestellt, der die
Forderungen der Initiative in wesentlichen Punkten aufnimmt. Obschon
er die Hausarztmedizin als zentralen
Bestandteil einer allen zugänglichen
medizinische Grundversorgung von
hoher Qualität erwähnt, sieht der Gegenvorschlag davon ab, die Hausärzte innerhalb der Ärzteschaft explizit
zu privilegieren. Wichtige Anliegen
der Hausärzte waren bereits 2012 in
den «Masterplan Hausarztmedizin
und medizinische Grundversorgung»
aufgenommen worden. Nach Annahme des Bundesbeschlusses haben die
Verantwortlichen die Initiative am
2. Oktober zurückgezogen. Der Gegenentwurf gelangt 2014 zur Abstimmung.2
Umfassende Studie zur Qualität
und Arbeitszufriedenheit in Altersund Plegeheimen
Ende Oktober publizierte das Institut für Plegewissenschaft der Universität Basel die Resultate seiner
Studie «Swiss Nursing Homes Human
Resources Project» (SHURP). In einer landesweiten Erhebung wurden
zwischen 2011 und 2013 mittels einer
Befragung von über 5 000 Plegenden
in 163 durch das Zufallsprinzip bestimmten öffentlichen und privaten
304
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
Oktober/November 2013
Alters- und Plegeheimen die Betreuungsqualität und die Arbeitszufriedenheit erfasst. Zu beiden Bereichen
iel das Fazit der Befragten grundsätzlich positiv aus. Allerdings führt Zeitmangel häuig zu Abstrichen bei der
Erbringung von plegerischen Leistungen, aber auch von aktivierenden
oder emotionalen Zuwendungen. Als
besondere Herausforderungen für die
zukünftige Langzeit- und Altenplege
nennt die Studie die bedürfnisgerechte Betreuung Demenzkranker sowie
die Personalrekrutierung
(www.nursing.unibas.ch/shurp ➞
Schlussbericht).
International
Frauenmenschenrechte
Um Texte und Inhalte von internationalen Übereinkommen, UNOResolutionen und weiteren Dokumenten im Bereich Frauenmenschenrechte leichter zugänglich zu machen,
hat das Eidgenössische Departement
für auswärtige Angelegenheiten
(EDA) mit dem schweizerischen
Kompetenzzentrum für Menschenrechte (SKMR) eine neue App für
Smartphones und Tablets entwickelt.
Über die Suchfunktion der App lassen
sich Texte von internationalen Konventionen, UNO-Resolutionen, Erklärungen und weitere Dokumente
zu Aspekten der Frauenmenschenrechte und Genderfragen rasch ermitteln, vom Thema Frühverheiratungen
über sexuelle Gewalt bis zur wirtschaftlichen Stärkung von Frauen.
Aufgeführt sind in der Datenbank
nicht nur Dokumente, die in den letzten Jahrzehnten im Rahmen der UNO
verhandelt und verabschiedet worden
sind, sondern auch regionale Instrumente.
wurde im September ein Internetportal aufgeschaltet. Es enthält eine Zusammenstellung von Links, die Zugang zu den Internetseiten der betreffenden eidgenössischen Departemente, Ämter, Direktionen und
Staatssekretariate gewähren (www.
personenfreizuegigkeit.admin.ch).
Menschenhandel
Der Bund verstärkt sein Engagement gegen Menschenhandel. Er
kann künftig selber präventive Massnahmen ergreifen und Massnahmen
von Organisationen der Zivilgesellschaft unterstützen. Der Bundesrat
hat dazu eine Verordnung verabschiedet, welche die Einzelheiten festlegt.
Die Schaffung dieser Verordnung ist
eine der Massnahmen des ersten Nationalen Aktionsplans gegen Menschenhandel (NAP), den Bund, Kantone und Nichtregierungsorganisationen im Herbst 2012 verabschiedet
haben.
Volksinitiative «Gegen
Masseneinwanderung»
Am 9. Februar 2014 wird der
Schweizer Souverän über die Volksinitiative «Gegen Masseneinwanderung» beinden. Ziel der Initianten ist
es, das geltende Personenfreizügigkeitsabkommen mit der Europäischen Union zu kündigen und die
Einwanderung künftig mit Ausländerkontingenten und Höchstzahlen zu
steuern, die sich am «gesamtwirtschaftlichen Interesse» des Landes
orientieren.
Volksinitiative «Stopp der
Überbevölkerung – zur Sicherung
der natürlichen Lebensgrundlagen»
Internetportal zur
Personenfreizügigkeit
Der Bundesrat hat am 23. Oktober
die Botschaft zur Eidgenössischen
Volksinitiative «Stopp der Überbevölkerung – zur Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen» verabschiedet. Er beantragt dem Parlament,
die Initiative Volk und Ständen ohne
Die Suche nach Informationen zum
Thema Personenfreizügigkeit auf den
Webseiten der Bundesverwaltung soll
einfacher werden. Zu diesem Zweck
2 Vgl. Menzi, Brigitte und Nuria del Rey; «Hausarztmedizin: Ein Ziel, viele Wege – Volksinitiative, Gegenentwurf, Masterplan», in CHSS
3/2013, S. 131ff.
Chronik
Gegenentwurf zu unterbreiten, mit
der Empfehlung, sie abzulehnen. Die
Botschaft, die der Bundesrat vorlegt,
macht noch einmal deutlich, dass Ziele und Inhalt der Initiative weder mit
der heutigen Migrationspolitik der
Schweiz noch mit der schweizerischen
Praxis im Bereich der internationalen
Entwicklungszusammenarbeit vereinbar sind. Zudem wären auch negative Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum und die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz zu
erwarten.
Oktober/November 2013
liches Grundeinkommen erhält, das
ein «menschenwürdiges Dasein und
die Teilnahme am öffentlichen Leben
ermöglicht». Bei einem Ansatz von
2 500 Franken pro Kopf würden dem
Bund dadurch Kosten von jährlich
rund einem Drittel des BIP, rund 200
Mrd. Franken, anfallen. Diese wären
gemäss Initianten über die entsprechende Entlastung des Bundesbudgets bei der AHV um rund 70 Mrd.
Franken sowie eine Konsumsteuer
oder ähnliche Abgaben aufzubringen.
Verdingkinder
Kinder und Jugend
2. Nationale Konferenz Jugend und
Gewalt
Mitte November trafen sich in Genf
mehr als 400 politische Entscheidungsträger sowie Präventionsfachleute der Kantone und Gemeinden zu
der vom BSV sowie dem Kanton und
der Stadt Genf organisierten 2. Nationalen Konferenz Jugend und Gewalt.
Der Fokus der Konferenz lag auf den
Kriterien für eine wirksame Gewaltprävention in Familie, Schule und Sozialraum. Neben einer Einführung in
den Forschungsstand erhielten die
Teilnehmenden einen umfassenden
Einblick in die lokale und internationale Praxis und nutzten die Möglichkeit, sich in verschiedenen Workshops
zu den aktuellen Herausforderungen
in der Prävention von Jugendgewalt
auszutauschen und voneinander zu
lernen (www.jugendundgewalt.ch).
Anlässlich des zweiten runden
Tischs für die Opfer fürsorgerischer
Zwangsmassnahmen Ende Oktober
wurde beschlossen, Strukturen zu
schaffen, welche im Rahmen der bestehenden Gesetzesordnung die Bearbeitung von Gesuchen für Soforthilfe bereits in der ersten Hälfte 2014
erlauben. Zur grundsätzlichen Klärung der Entschädigungsfrage sollen
mit den beiden Varianten eines Härte- bzw. Solidaritätsfonds überdies
zwei verschiedene Ansätze geprüft
werden, die beide die Schaffung neuer gesetzlicher Grundlagen bedingen
würden. Über den Härtefonds würden
v. a. jene ehemaligen Verdingkinder
unterstützt, die noch heute unter
schwerwiegenden gesundheitlichen,
wirtschaftlichen und sozialen Beeinträchtigungen leiden. Mittel aus dem
Solidaritätsfonds hingegen, kämen
allen Betroffenen zugute, für die aus
heutiger Sicht zu Unrecht fürsorgerische Zwangsmassnahmen angeordnet
worden waren.
Wohnen
Sozialpolitik
Volksinitiative «Für ein
bedingungsloses
Grundeinkommen»
Am 4. Oktober ist die Volksinitiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen eingereicht worden. Sie
verlangt, dass jede erwachsene Person
in der Schweiz unabhängig von ihrem
Erwerbsstatus vom Staat ein monat-
Der Bundesrat hat eine Änderung
der Verordnung über die Förderung
von preisgünstigem Wohnraum gutgeheissen. Damit wird den gemeinnützigen Bauträgern ermöglicht, zinsgünstige Darlehen nicht nur für Bauinvestitionen, sondern auch für den
Erwerb von Bauland zu beanspruchen. Die Stärkung des gemeinnützigen Wohnungsbaus ist Teil des wohnungspolitischen Massnahmenpakets,
das der Bundesrat im Mai dieses
Jahres verabschiedet hat. Es zielt darauf ab, das Angebot an preisgünstigem Wohnraum auszuweiten, ohne
den Wohnungsmarkt und damit die
Neubautätigkeit negativ zu beeinlussen.
Zentrumslasten
Gemäss der Grundlagenstudie
«Zentrums- und Sonderlasten in Agglomerationen» des Bundesamts für
Raumentwicklung ARE haben die
urbanen Zentren der Schweiz im
Schnitt deutlich höhere inanzielle
Lasten zu tragen als die übrigen Gemeinden ihres Kantons. Ins Gewicht
fallen in den Zentren vor allem die
Aufwendungen für soziale Sicherheit,
öffentliche Ordnung, Sicherheit und
Verteidigung sowie Kultur, Sport,
Freizeit und Kirche. Häuig gleichen
die Zentren diese Lasten mit höheren
Steuern aus. Bei Gemeinden, die an
die Zentren angrenzen, ist das Bild
weniger klar (www.are.admin.ch ➞
Dokumentation ➞ Publikationen ➞
Städte und Agglomerationen;
31.10.2013).
Suva
Ausweitung der Sicherheitscharta
Die Sicherheitcharta, welche die
Baubranche mit Unterstützung der
Suva vor zwei Jahren erarbeitet hat,
soll nach Bestreben von Betrieben
und Verbänden, die nicht der Branche
Bauhaupt- und Ausbaugewerbe zugeordnet sind, erweitert werden. Die
Charta deiniert für die Beteiligten
aller Hierarchiestufen die wichtigsten
Regeln, die eingehalten werden müssen, um Berufsunfälle zu vermeiden.
Die Kernbotschaft lautet «Stopp bei
Gefahr / Gefahr beheben / weiterarbeiten».
Schmerzwahrnehmung
Die Universität Lugano hat im Auftrag der Suva die kulturellen Unterschiede in der Wahrnehmung von
psychosozialen Belastungen am Arbeitsplatz untersucht und die Grund-
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
305
Chronik
lagen zur Optimierung der Präventionsinstrumente für die psychosoziale
Belastung am Arbeitsplatz geliefert
(www.suva.ch ➞ Medien ➞ Medienmitteilungen ➞ Studie: Kulturelle
Unterschiede in der Wahrnehmung
von psychosozialen Belastungen am
Arbeitsplatz; 31.10.2013).
Verschiedenes
Bevölkerungsentwicklung 2012
Ende 2012 belief sich die ständige
Wohnbevölkerung der Schweiz auf
8 039 060 Einwohnerinnen und Einwohner, was einem Anstieg um 84 400
306
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
Oktober/November 2013
Personen (+1,1%) im Vergleich zu
2011 entspricht. Seit 1999 haben die
Wanderungen den grössten Einluss
auf das Wachstum der ständigen
Wohnbevölkerung. Das Bevölkerungswachstum aufgrund des Wanderungssaldos betrug 45 200 Personen
(149 100 Einwanderungen abzüglich
103 900 Auswanderungen). Der Geburtenüberschuss belief sich auf
18 000 Personen (82 200 Geburten
abzüglich 64 200 Todesfälle). Sowohl
der Wanderungssaldo als auch der
Geburtenüberschuss sind gegenüber
2011 zurückgegangen. Ersterer sank
aufgrund einer Zunahme der Auswanderungen gegenüber 2011 um 14
Prozent. Der Rückgang des Gebur-
tenüberschusses um 3,9 Prozent ist
mit einem Anstieg der Todesfälle infolge der Kältewellen und der Grippeepidemie zu erklären (www.bfs.
admin.ch ➞ Themen ➞ 01 – Bevölkerung ➞ Aktuell ➞ Bevölkerungsentwicklung in der Schweiz 2012;
31.10.2013).
sozialpolitik
Sozialpolitik
Neuerungen und Reformen in den Sozialversicherungen
Sozialversicherungen: Neuerungen ab 2014
und laufende Reformen
Brigitte Dumas
Bundesamt für Sozialversicherungen
nuar 2014. In mehreren Bereichen
wird den Aktiengesellschaften und
den Vorsorgeeinrichtungen eine
Übergangsfrist gewährt. Damit erhalten sie die notwendige Zeit, um ihre
Abläufe, Statuten, Reglemente und
Verträge an die Vorgaben der Verordnung anzupassen.
Detaillierte Informationen dazu
unter: http://www.ejpd.admin.ch/content/ejpd/de/home/dokumentation/
mi/2013/2013-11-20.html
Mindestzinssatz
Altersvorsorge
Datenabgleich zwischen AHV und
ALV wird beschleunigt
Um den ungerechtfertigten Bezug
von Arbeitslosengeld infolge einer
nicht gemeldeten Wiederaufnahme
einer Erwerbstätigkeit besser zu verhindern, wird der Abgleich von Einkommensdaten der AHV mit Daten
über Taggeldleistungen der ALV
beschleunigt. Der Bundesrat hat eine
entsprechende Änderung der AHVVerordnung verabschiedet, die auf
1.1.2014 in Kraft tritt. Der Datenabgleich an sich ist nicht neu, wurde er
doch bereits mit der Einführung des
Bundesgesetzes über die Schwarzarbeit 2008 gesetzlich verankert.
Beruliche Vorsorge
Verordnung zur Umsetzung der
Abzocker-Initiative
Der Bundesrat hat die Verordnung
gegen übermässige Vergütungen bei
börsenkotierten Gesellschaften
(VegüV) in Kraft gesetzt. Diese Verordnung schreibt unter anderem den
Vorsorgeeinrichtungen vor, wie sie
die Bestimmungen der Volksinitiative
gegen die Abzockerei, die am 3. März
2013 von Volk und Ständen angenommen wurde, umzusetzen haben.
Die Generalversammlung börsenkotierter Aktiengesellschaften muss
jährlich über die Vergütungen an die
Mitglieder des Verwaltungsrats, des
Beirats und der Geschäftsleitung abstimmen. Diese Abstimmungen haben bindende Wirkungen; blosse
Konsultativabstimmungen sind unzulässig. Verboten sind Abgangsentschädigungen, Provisionen für konzerninterne Umstrukturierungen und Vergütungen, die im Voraus entrichtet
werden.
Die Vorsorgeeinrichtungen müssen
über die in der Verordnung geregelten
Aspekte abstimmen und ihre Stimmrechte im Interesse der Versicherten
ausüben, wie es die Verfassungsbestimmung vorgibt. Auf die Stimmabgabe darf nicht zum Voraus verzichtet
werden, Stimmenthaltung bei einzelnen Traktanden ist jedoch zulässig.
Die Vorsorgeeinrichtungen müssen
ihr Stimmverhalten offenlegen, detaillierte Informationen sind aber nur
dann vorgeschrieben, wenn sie den
Anträgen des Verwaltungsrats nicht
gefolgt sind oder sich der Stimme enthalten haben.
Grundsätzlich gelten die Bestimmungen der Verordnung ab dem 1. Ja-
Der Bundesrat hat sich der Empfehlung der Eidgenössischen Kommission für die beruliche Vorsorge
angeschlossen und den Mindestzinssatz in der berulichen Vorsorge von
1,5 auf 1,75 Prozent angehoben. Die
leichte Erhöhung des Mindestzinssatzes um 0,25 Prozentpunkte wurde
unter
Berücksichtigung der nach wie vor
schwierigen Situation an den Finanzmärkten sowie der positiven Entwicklung der Aktien- und Immobilienmärkte beschlossen. Die letztlich nur
moderate Erhöhung ist der Tatsache
geschuldet, dass die Kassen nicht die
ganze Rendite für die Verzinsung der
Altersguthaben verwenden können.
Sie haben die rechtliche Plicht, Wertschwankungsreserven zu bilden, die
notwendigen Rückstellungen vorzunehmen und die gesetzlichen Rentenanforderungen zu erfüllen.
Keine Anpassung der
Hinterlassenen- und
Invalidenrenten in der berulichen
Vorsorge
Die Hinterlassenen- und Invalidenrenten der obligatorischen berulichen Vorsorge werden nicht der Teuerung angepasst. Gemäss geltendem
Recht müssen sie bis zum Erreichen
des ordentlichen Rentenalters periodisch an die Erhöhung des Konsu-
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
307
Sozialpolitik
Neuerungen und Reformen in den Sozialversicherungen
mentenindexes angepasst werden.
Der Teuerungsausgleich wird erstmals
nach dreijähriger Laufzeit einer Rente gewährt. Die darauffolgenden Anpassungen sind mit dem Teuerungsausgleich bei der AHV gekoppelt,
inden in der Regel also alle zwei
Jahre statt. Nicht angepasst werden
die Renten, da der Landesindex der
Konsumentenpreise im September
2013 denselben Stand wie im September 2010 hatte.
ken ein Solidaritätsprozent erhoben.
Vormals wurden nur nicht versicherte Lohnanteile zwischen 126 000 und
315 000 Franken damit belastet. Die
Deplafonierung des Solidaritätsprozents hat zum Ziel, die ALV rascher
zu entschulden. Es entfällt, sobald die
ALV ihre Schulden abgebaut hat und
ihr Eigenkapital abzüglich des Betriebskapitals mindestens 0,5 Milliarden Franken erreicht hat.
Anforderungen an
Vermögensverwalter in der
berulichen Vorsorge
Krankenversicherung
Der Bundesrat hat die Bestimmungen präzisiert, die für Personen und
Institutionen gelten, die mit der Anlage und Verwaltung von Vermögen
aus der berulichen Vorsorge betraut
sind. Die Leistungen der berulichen
Vorsorge sind ein zentraler Pfeiler der
Altersvorsorge. Um die Stabilität dieses Pfeilers zu gewährleisten, müssen
Vermögensverwalter in der berulichen Vorsorge hohen Anforderungen
in Bezug auf Qualiikation und Professionalität genügen und einer Aufsicht unterstellt sein oder über eine
Zulassung verfügen.
Prämien steigen 2014 moderat
Neue Fachempfehlungen zur
Rechnungslegung von
Vorsorgeeinrichtungen
Der Bundesrat hat beschlossen, die
Verordnung BVV 2 anzupassen, um
der neuen Fassung der Fachempfehlungen zur Rechnungslegung von
Vorsorgeeinrichtungen Rechnung zu
tragen. Demnach sind die Vorsorgeeinrichtungen verplichtet, die Jahresrechnung nach den Fachempfehlungen zur Rechnungslegung Swiss
GAAP FER 26 aufzustellen und zu
gliedern.
Arbeitslosenversicherung
Deplafonierung des
Solidaritätsprozents
Ab 2014 wird auch für Lohnanteile
von Jahreslöhnen über 315 000 Fran-
308
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
Die Standardprämien der obligatorischen Krankenplegeversicherung
steigen 2014 um durchschnittlich 2,2
Prozent an. Monatlich entspricht dies
einem Betrag von 8 Franken 42 Rappen pro Person. Je nach Kanton erhöht sich die Standardprämie zwischen 1,0 und 3,8 Prozent. In den
meisten Kantonen steigt die Standardprämie um weniger als drei Prozent an.
Risikoausgleich einfacher
berechnet
Der Risikoausgleich zwischen den
Krankenversicherern wird ab 2014
einfacher berechnet. Neu gibt es nur
noch eine einzige Berechnung im Folgejahr. Mit dieser Methode können
die Zahlungen in den und aus dem
Risikoausgleich ausgeglichen werden.
Hängige Geschäfte
Altersvorsorge 2020
Im November 2013 hat der Bundesrat einen Vorentwurf zur Reform
der Altersvorsorge verabschiedet. Die
Reform sorgt dafür, dass das Leistungsniveau der Altersvorsorge erhalten bleibt, dass die 1. und 2. Säule
langfristig inanziert sind und dass die
Leistungen von AHV und berulicher
Vorsorge den geänderten Bedürfnissen entsprechen. Sie enthält die folgenden Kernelemente:
• Harmonisierung des Referenzalters
für den Rentenbezug in beiden Säulen bei 65 Jahren
• Flexible und individuelle Gestaltung der Pensionierung
• Anpassung des Mindestumwandlungssatzes in der obligatorischen
berulichen Vorsorge und Erhalt
des Leistungsniveaus
• Verbesserung der Überschussverteilung, Aufsicht und Transparenz
im Geschäft mit der 2. Säule
• Anpassung der Leistungen und
Beiträge an gesellschaftliche Entwicklungen
• Gleichbehandlung von Selbstständigerwerbenden und Arbeitnehmenden in der AHV
• Überbrückung der verbleibenden
Finanzierungslücke in der AHV mit
der Mehrwertsteuer statt mit Leistungsabbau
• Schutz der Liquidität der AHV in
schlechten Zeiten
• Erhaltung des inanziellen Handlungsspielraums des Bundes
Die Vernehmlassung endet am 31.
März 2014. Nach Auswertung der Eingaben will der Bundesrat die Botschaft dem Parlament bis Ende 2014
vorlegen. Die Vernehmlassungsunterlagen sind greifbar unter: www.bsv.
admin.ch ➞ Altersvorsorge 2020 ➞
Dokumentation ➞ Dokumente für
die Vernehmlassung
Fristverlängerung für die
Finanzierung von
Vorsorgeeinrichtungen öffentlichrechtlicher Körperschaften
Der Bundesrat hat beschlossen,
dass Kantone und Gemeinden die
bundesrechtlichen Bestimmungen zur
Finanzierung ihrer Vorsorgeeinrichtungen erst bis Ende 2014 umsetzen
müssen. Er verlängert die Frist somit
um ein Jahr. Das Parlament hatte 2010
Bestimmungen verabschiedet, wonach das Finanzierungsmodell des
differenzierten Zieldeckungsgrades
eingeführt und für teilkapitalisierte
Vorsorgeeinrichtungen der öffentlichen Hand eine Ausinanzierung von
80 Prozent innert 40 Jahren vorgeschrieben wurde. Zudem sind die
Sozialpolitik
Einrichtungen rechtlich, organisatorisch und inanziell aus der Verwaltungsstruktur herauszulösen und zu
verselbständigen.
Gesundheit2020 – eine umfassende
Strategie für das
Gesundheitswesen
Der Bundesrat hat 2013 die Gesamtschau «Gesundheit2020« verabschiedet. Insgesamt 36 Massnahmen
wurden zwölf Zielen und vier Handlungsfeldern zugeordnet. Folgende
Massnahmen stehen im Zentrum:
Neuerungen und Reformen in den Sozialversicherungen
Ausbildung, Förderung der Hausarztmedizin, Einführung eines Gesundheitsberufegesetzes, neue Versorgungsmodelle. Das Ziel der Gesamtschau ist es, das bewährte Schweizer
Gesundheitssystem optimal auf die
aktuellen und kommenden Herausforderungen auszurichten und die
inanzielle Tragbarkeit zu gewährleisten.
Als erstes soll die Hausarztmedizin
aufgewertet werden. Die Hausärztinnen und Hausärzte erhalten schnell
konkrete Verbesserungen, und die
medizinische Grundversorgung wird
gestärkt. Dafür sorgt der Masterplan
«Hausarztmedizin und medizinische
Grundversorgung». Entsprechende
Massnahmen laufen oder sind bereits
umgesetzt und sollen es erlauben, die
Probleme der Hausärzteschaft und in
der medizinischen Grundversorgung
rasch zu lösen.
Brigitte Dumas, Kommunikation, BSV
E-Mail: brigitte.dumas@bsv.admin.ch
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
309
sozialpolitik
Sozialpolitik
Datenschutz in der Interinstitutionellen Zusammenarbeit
Datenaustausch und Datenschutz in der
Interinstitutionellen Zusammenarbeit (IIZ)
Die IIZ erfordert einen Austausch datenschutzrechtlich heikler Informationen über die Klientinnen und Klienten. Während dieser Austausch
zwischen IV und ALV einfach möglich ist, bedarf es für die weiteren
Konstellationen einer gesetzlichen Grundlage. Auch eine Einwilligung
kann einen Datenaustausch rechtfertigen, vorausgesetzt, sie erfolgt
nach ausreichender Information, ausdrücklich und freiwillig.
Kurt Pärli
Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften
Die Interinstitutionelle Zusammenarbeit (IIZ) hat die Aufgabe, in
besonders komplexen Einzelfällen
die Zusammenarbeit der involvierten
Akteure – Invalidenversicherung
(IV), Arbeitslosenversicherung
(ALV), Sozialhilfe, Berufsberatung
und Asyl- oder Ausländerbehörden
– im Interesse der betroffenen Personen und der Efizienz des Gesamtsystems zu fördern. Um ihre Ziele zu
erreichen, benötigen die beteiligten
310
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
Institutionen möglichst umfassende
Informationen über ihre Klientinnen
und Klienten.
In einem umfassenden Rechtsgutachten hat der Autor dieses Beitrages
die Voraussetzungen für einen zulässigen Datenaustausch zwischen den
IIZ-Akteuren geklärt.1 Zahlreiche
Rechtsquellen auf Bundes- und kantonaler Ebene sind zu beachten. Im
allgemeinen Datenschutzrecht (Bundesgesetz über den Datenschutz,
DSG, und die 26 kantonalen Datenschutzerlasse) inden sich die bei
jeder Datenbearbeitung einzuhaltenden Grundsätze wie Verhältnismässigkeit, Transparenz, Zweckbindung
oder Datensicherheit. Relevant sind
jedoch auch sogenannte bereichsspezifische Datenschutznormen, wie sie
sich in allen Sozialversicherungsgesetzen, aber auch im Asyl- und Ausländerrecht inden. Der Datenaustausch zwischen den IIZ-Akteuren
erfordert, dass die anfragende Stelle
prüft, ob sie die in aller Regel datenschutzrechtlich besonders schützenswerten Personendaten mitteilen darf.
Die angefragte Stelle ihrerseits muss
prüfen, auf welche rechtliche Grundlage sich die Anfrage stützt und ob
ein Recht oder allenfalls sogar eine
Plicht zur Bekanntgabe der Daten
besteht.
Datenschutz basiert auf dem
grundrechtlichen Anspruch auf informationelle Selbstbestimmung. Es
geht dabei u.a. um das Anrecht einer
Person zu wissen, wer, wann und gestützt auf welche Grundlage welche
Daten über sie bearbeitet. Das verfassungsrechtliche Legalitätsprinzip
verlangt für die staatliche Datenbearbeitung eine entsprechende
Grundlage im Gesetz. Dabei vermag
eine Einwilligung das Erfordernis
einer gesetzlichen Grundlage zu ersetzen. Zwingend ist jedoch, dass die
Einwilligung ausdrücklich erfolgt
und den Geboten der Transparenz
und Freiwilligkeit entspricht. Keine
Freiwilligkeit liegt vor, wenn für den
Fall einer Nichterteilung oder des
Widerrufs einer Einwilligung Sanktionen angedroht werden. Eine rechtlich korrekt erteilte Einwilligung der
betroffenen Person ist ein Rechtfertigungsgrund für den Datenaustausch.
1 Lit. Pärli
Sozialpolitik
Gestützt auf entsprechende gesetzliche Grundlagen sind IV- und ALVBehörden gegenseitig von der beruflichen Schweigepflicht entbunden.
Gegenüber anderen Institutionen
(u.a. Sozialhilfe, beruliche Vorsorge,
Berufsberatung, Privatversicherung,
Migrationsbehörde) entfällt die
Schweigeplicht nur, wenn diese über
eine formellgesetzliche Grundlage
verfügen und den IV-Stellen bzw.
ALV-Behörden Gegenrecht gewähren. Angesichts der kantonalen Kompetenz für die Sozialhilfe ist dazu eine
entsprechende gesetzliche Grundlage
im kantonalen Sozialhilferecht zu
verankern, wie dies in einzelnen Kantonen, so z.B. Bern, Freiburg, Zürich
und Genf bereits erfolgt ist. Gleiches
gilt für die Berufsberatung.
Die Analyse der auf die IIZ anwendbaren allgemeinen und bereichsspeziischen Datenschutzbestimmungen zeigt, dass ausdrückliche
Datenschutz in der Interinstitutionellen Zusammenarbeit
IIZ-Normen für den Datenaustausch
in den kantonalen Sozialhilfe- und
Berufsbildungserlassen die Regelungslücke schliessen könnten. Damit, aber auch über Präzisierungen
im AVIG sowie im Asyl- und Ausländerrecht könnte möglicherweise
mehr Rechtssicherheit bewirkt werden. Die grundlegenden Unterschiede im gesetzlichen Auftrag und in der
Organisation der beteiligten Institutionen vermögen auch Datenaustauschnormen nicht zu beseitigen.
Für die Kernanliegen der IIZ – Verbesserung der Zusammenarbeit der
involvierten Akteure in komplexen
Einzelfällen im Interesse der Klientinnen und Klienten – vermag eine
den rechtlichen Anforderungen genügende Einwilligung der betroffenen Person die fehlende Rechtsgrundlage zu ersetzen, gesetzgeberisches Handeln ist deshalb nicht
zwingend erforderlich.
Gutachten
Pärli, Kurt, Gutachten Datenschutz und
Datenaustausch in der IIZ (im Auftrag der
nationalen IIZ-Gremien), [Bern] 2013:
www.iiz.ch ➞ Aktuell ➞ Datenschutz
➞ Gutachten bzw. Zusammenfassung
(31.10.2013).
Prof. Dr. Kurt Pärli, Leiter Zentrum für Sozialrecht an der ZHAW, Winterthur und Privatdozent an der Universität St. Gallen
E-Mail: kurt.paerli@zhaw.ch
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
311
sozialpolitik
Sozialpolitik
Verwaltungsregister als Datenbasis der empirischen Sozialforschung
Verwaltungsregister als Datenbasis der
empirischen Sozialforschung
In den letzten Jahren wurden Verwaltungsregister vermehrt zu Statistikzwecken herangezogen. Das BSV hat dabei eine Vorreiterrolle gespielt,
insbesondere durch die Verwendung von Steuerdaten aus mehreren Kantonen zur Beurteilung der wirtschaftlichen Situation verschiedener
Risikogruppen. Im Folgenden werden die Vor- und Nachteile der Nutzung
von Verwaltungsregistern aufgezeigt und einige Denkanstösse für die
Zukunftsperspektiven in der Forschung gegeben.
Philippe Wanner
Universität Genf
Das erste zu Statistikzwecken herangezogene umfassende eidgenössische Register war das Zivilstandsregister. Es wurde vom Eidgenössischen Statistischen Büro (dem
Vorgänger des Bundesamtes für
Statistik) ab 1876 zur Ermittlung der
Anzahl Geburten, Todesfälle, Ehen
und später auch Scheidungen ausgewertet. Anhand dieser Daten wurden
312
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
aggregierte Tabellen zu den Ereignissen und ihren Merkmalen (Geburtsort, Alter beim Tod, Todesursache usw.) erstellt. Knapp hundert
Jahre später wurden diese Informationen 1969 erstmals in Form von
Einzeleinträgen auf Computern
gespeichert.
In den letzten 40 Jahren ist die Zahl
der Verwaltungsregister stark ange-
stiegen. Sie werden seither nahezu
systematisch für Forschungszwecke
genutzt. Gleichzeitig werden traditionelle Erhebungsmethoden wie
Volkszählungen, die durch die Auswertung von Verwaltungsregistern
teilweise ersetzt wurden, aufgegeben.
Die zunehmende Nutzung von Verwaltungsregistern in der sozialpolitischen Forschung und Planung ist nicht
nur auf die Modernisierung der Datenbearbeitungssysteme (und die Abschaffung der Papierregister, die schrittweise durch Computerdatenbanken ersetzt
werden) zurückzuführen. Sie ist auch
eine Folge der rasanten Entwicklung
der Computertechnologie, mit der umfassende, meist grosse Datenbanken
bequem bearbeitet werden können.
Dadurch sind auch die Kosten für die
Datenerfassung stark gesunken. Das
Bundesstatistikgesetz empiehlt im
Übrigen in Artikel 11 implizit die Verwendung von Verwaltungsregistern zu
Statistikzwecken und regelt mit Artikel
14a die zwischen den Registern erlaubten Datenverknüpfungen.1
Der Einluss der neuen Datenträger
auf die Forschung wird im Folgenden
anhand von mehreren Studien (vgl.
Kasten), die im Auftrag des Bundesamtes für Sozialversicherungen
(BSV) durchgeführt wurden und die
mit den Verwaltungsregistern der
Sozialversicherungen verknüpfte Daten verwendet haben, aufgezeigt.
Die Funktion der
Verwaltungsdaten zur
Ermittlung der
sozioökonomischen Situation
von Rentnerinnen und
Rentnern
Aufgrund des Reformbedarfs der
1. Säule interessierte sich das BSV u.a.
1 SR 431.01
Sozialpolitik
Verwaltungsregister als Datenbasis der empirischen Sozialforschung
Wanner, Philippe und Sarah Fall, La situation économique des veuves et des veufs.
Beiträge zur Sozialen Sicherheit, Forschungsbericht Nr. 5/12.
mussten vereinheitlicht werden. Dabei galt es, Unterschiede bei der Datenbearbeitung sowie bei den Konzepten und Deinitionen zu berücksichtigen. Die Arbeit war aufwendig
und iterativ. Es kam vor, dass sich
während der Analysen die Deinition
neuer Indikatoren aufdrängte und die
Arbeit weiter hinten wiederaufgenommen werden musste. Die Harmonisierungsarbeiten sind in einem technischen Bericht2 beschrieben.
Wanner Philippe und Marco Pecoraro, La situation économique des rentiers AI.
Beiträge zur Sozialen Sicherheit, Forschungsbericht Nr. 3/12.
Vorteile und Grenzen
Studien auf der Grundlage von Steuerdaten, die mit den Verwaltungsregistern der Sozialversicherungen verknüpft wurden
(E-Berichte: www.bsv.admin.ch ➞ Praxis ➞ Forschung ➞ Forschungsberichte)
Wanner Philippe, La situation économique des ménages monoparentaux et des personnes
vivant seules dans le canton de Berne.
Beiträge zur Sozialen Sicherheit, Forschungsbericht Nr. 1/12.
Wanner Philippe und Alexis Gabadinho, Die wirtschaftliche Situation von Erwerbstätigen und
Personen im Ruhestand.
Beiträge zur Sozialen Sicherheit, Forschungsbericht Nr. 1/08.
Wanner Philippe und Marco Pecoraro, La situation économique des Valaisans âgés de 60 à 70
ans. Une étude pilote effectuée à l aide de données appariées provenant de diverses sources.
Beiträge zur Sozialen Sicherheit, Forschungsbericht Nr. 3/04.
für die inanzielle Situation von AHVund IV-Rentnerinnen und -Rentnern,
aber auch von Eineltern- oder Einpersonenhaushalten und von Erwerbstätigen. Ziel ist es, die 1. Säule,
unter Berücksichtigung des begrenzten inanziellen Rahmens der AHV
und IV, besser auf die Bedürfnisse der
Bevölkerung auszurichten.
Das BSV hat dazu verschiedene
speziische Erhebungen durchführen
lassen und dabei schwerpunktmässig
Informationen aus den Verwaltungsregistern der Sozialversicherungen
(individuelle Konten, Rentenregister,
Register der Ergänzungsleistungen)
mit Daten der Steuerregister aus neun
repräsentativ ausgewählten Schweizer Kantonen (Aargau, Basel-Landschaft, Basel-Stadt, Bern, Neuenburg,
2 Wanner, Philippe, Harmonisation de données
iscales de neuf cantons (nur in elektronischer
Form erhältlich). Beiträge zur Sozialen Sicherheit, Forschungsbericht Nr. 3/13: www.bsv.
admin.ch ➞ Praxis ➞ Forschung ➞ Forschungsberichte
Nidwalden, St. Gallen, Tessin und
Wallis) verknüpft. Dadurch liessen
sich für jede steuerplichtige Person
die Angaben aus den verschiedenen
Registern zusammenführen und eine
breite Auswahl an Variablen (vgl. Tabelle T1) ableiten.
Der gewählte Ansatz ermöglichte
den Vergleich der personenbezogenen Informationen über mehrere
Jahre hinweg. Im vorliegenden Fall
wurde auf das Jahr 2006 abgestellt,
weil dadurch sowohl in Bezug auf die
Steuerregister als auch auf die beitragspflichtigen Einkommen ein
gewisser zeitlicher Abstand gewährleistet war (untersucht wurde der
Zeitraum von 1998 bis 2006). Damit
konnte beispielsweise die Einkommensentwicklung vor einem Bruch in
der Lebenssituation (Erwerbsunfähigkeit, Verwitwung oder Scheidung)
überprüft werden.
Die verwendeten Daten wurden
von den Kantonen in voneinander
abweichenden Formaten geliefert. Sie
Der auf den Verwaltungsregistern
basierende Ansatz bringt zahlreiche,
nachfolgend beschriebene Vorteile.
Er stellt die Forschenden aber auch
vor viele Herausforderungen, die in
diesem Artikel ebenfalls näher erläutert werden.
Eine Ergänzung zur repräsentativen
Umfrage
Ist ein Bundesamt oder eine Universität der Meinung, ein gesellschaftliches Thema erfordere ein
Monitoring, wird gewöhnlich eine
Umfrage durchgeführt oder eine
bestehende Erhebung herangezogen
und der Fragebogen entsprechend
angepasst. Der Vorteil der Erhebung
besteht darin, dass die Fragestellung
zielgerichtet und fokussiert angegangen werden kann. Umfragen sind
allerdings teuer und erfordern
manchmal komplexe Techniken. Ausserdem sind sie anfällig auf Antwortausfälle und Stichprobenverzerrungen. Bei schwach ausgeprägten Phänomenen ist die Durchführung
gezielter Umfragen überdies mit
hohen Kosten verbunden.
In manchen Fällen ist die Nutzung
von Verwaltungsregistern eine interessante Alternative, da die für die
Beantwortung der Forschungsfragen
benötigten Informationen bereits
darin enthalten sind. Zudem ist ihre
Beschaffung günstiger, sie müssen
nicht speziell erfasst werden und sind
meistens vollständig.3 Die Verwaltungsdaten erlauben deshalb genaue
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
313
Sozialpolitik
Verwaltungsregister als Datenbasis der empirischen Sozialforschung
In den verwendeten Registern verfügbare Variablen
T1
Soziodemograische Gruppe
Einkommen
Vermögen
Geschlecht
Erwerbseinkommen
Wertschriften und Kapitalanlagen
Alter
Renteneinkommen
aus der 1., 2. und 3. Säule
Übriges Vermögen (bewegliches Vermögen,
liquide Mittel usw.)
Zivilstand
Vermögenserträge (Wertschriften usw.)
Unbewegliches Vermögen
Anzahl und Alter der Kinder
Übriges Einkommen
(Taggelder, Lotteriegewinne)
Wohnstatus (Eigentum oder Miete)
Unterhaltsbeiträge für Kinder
und/oder Ex-Frau
Wohngemeinde
Ergänzungsleistungen (1. Säule)
Hillosenentschädigung
Beitragsplichtiges Einkommen (gemäss
Zusammenruf der individuellen Konten, ZIK)
und umfassende Analysen sozialer
oder wirtschaftlicher Aspekte. Es
sind jedoch nicht alle gesellschaftlichen Phänomene administrativ erfasst
und der Informationsgehalt der Register ist häuig begrenzt, weil die Angaben ein speziisches Informationsbedürfnis der registrierenden Behörde
abbilden und ihre Zusammenstellung
in der Regel nicht forschungsspeziischen Überlegungen unterliegt.
In Anbetracht ihrer unterschiedlichen Perspektiven heben sich die traditionellen Instrumente und die Register nicht gegenseitig auf, sondern
sie ergänzen sich. Letztere haben die
Analysemöglichkeiten zwar erweitert,
einige gesellschaftliche Probleme müssen aber dennoch weiterhin mit traditionellen Ansätzen untersucht werden.
Ein Beispiel für die gegenseitige
Ergänzung der Register und der traditionellen Ansätze sind die unterschiedlichen Informationen, die diese
zum Status der Pensionierten erfassen.
So geben die Steuerregister zwar Auskunft über allfällige auch nach Erreichen des Rentenalters erzielte Erwerbseinkommen und messen somit
genau seine wirtschaftlichen Auswirkungen. Die begleitenden gesundheitlichen, sozioökonomischen und beruflichen Faktoren lassen sich jedoch erst
mit einer Ad-hoc-Umfrage erfassen.
Um die Informationen aus den Steu-
314
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
erregistern zu ergänzen, hat das BSV,
ergänzend zu den Informationen aus
den Steuerregistern, zwei Erhebungen
zur Stellung der Pensionierten durchführen lassen und publiziert.4
Verwaltungsdaten sind nur dann
nützlich, wenn klar ist, dass auch ihre
Aussagekraft begrenzt ist. Die Register
liefern zwar wesentliche Fakten, allerdings reichen diese nicht immer aus,
um ein bestimmtes Verhalten, wie den
Vorbezug der Altersrente oder die
Arbeitsmarktfähigkeit einer Witwe zu
erklären.
Ausrichtung der Fragestellungen
auf die vorhandenen Daten
Verwaltungsregister verlangen von
den Forschern eine andere Untersuchungsplanung als Ad-hoc-Erhebungen, da die Forschenden die Fragestellung und die Auswertungsmethode an die Daten anpassen müssen und
nicht umgekehrt. Wie sich bei der
Analyse der Steuerdaten gezeigt hat,
kann dieses Vorgehen aus verschiedenen Gründen frustrierend sein.
Referenzeinheit der Steuerregister
sind die Steuerplichtigen (Alleinstehende oder Ehepaare). Deshalb liess
sich nicht eruieren, ob mehrere
Steuerpflichtige in einem Haushalt
lebten. Folglich war es auch nicht
möglich, das Gesamteinkommen von
Haushalten mit mehreren Steuer-
plichtigen (z.B. unverheiratete Paare)
zu ermitteln, die ihre Einkommen
zum Bestreiten ihrer Ausgaben zusammenlegen.
Eine zweite Limitierung für die
Forschenden ergab sich aus den in den
Registern enthaltenen Informationslücken. Diese verunmöglichten die
exakte Messung gewisser Fragestellungen. In den für das BSV durchgeführten Studien wurden die Renten
der 1. Säule, die Ergänzungsleistungen
und die Hillosenentschädigungen (in
den Verwaltungsregistern der Sozialversicherungen verfügbar) sowie die
Erwerbseinkommen, die Renten aus
der berulichen Vorsorge und die Vermögenserträge berücksichtigt. Nicht
enthalten waren hingegen die steuerfreien kantonalen Sozialtransfers
(hauptsächlich die Sozialhilfe). Diese
Lücke führte dazu, dass die inanziel3 Quellen- und pauschalbesteuerte Personen
sind nicht in den Steuerregistern verzeichnet.
Vor kurzem in die Schweiz eingereiste ausländische Personen und im Ausland erwerbstätige Schweizerinnen und Schweizer sind somit
nicht erfasst, wodurch sich das Spektrum
verkleinert. Die Register der Sozialversicherungen sind hingegen vollständig.
4 Trageser, Judith et al., Altersrücktritt im Kontext
der demograischen Entwicklung. Beiträge zur
Sozialen Sicherheit, Forschungsbericht Nr. 1/12;
Wanner Philippe und Alexis Gabadinho, Die
wirtschaftliche Situation von Erwerbstätigen
und Personen im Ruhestand. Beiträge zur Sozialen Sicherheit, Forschungsbericht Nr. 1/08
Beide: www.bsv.admin.ch ➞ Praxis ➞ Forschung ➞ Forschungsberichte
Sozialpolitik
le Situation der Haushalte vor den
kantonalen Transfers beschrieben und
damit das Einkommen der ärmsten
Bevölkerung unterschätzt wurde.5
Aus dem gleichen Grund beeinlussen die verwendeten Registerdaten
auch die Auswahl der analysierten
Indikatoren. So liefern Steuerdaten
beispielsweise keine Angaben zu den
inanziellen Bedürfnissen der Personen, sondern nur Informationen zu
deren Einkommen. Die Analyse
musste sich daher auf die Einkommensdaten stützen und sich mit der
Berechnung prozentualer Schwellenwerte (z.B. 50% des Medianeinkommens) begnügen, um den Lebensstandard der einzelnen Steuerplichtigen
einzuschätzen.
Schliesslich bleibt darauf hinzuweisen, dass es sich bei einigen Registerdaten wie zum Beispiel den Steuerdaten um sensible Informationen handelt. Wenn die Regeln zum Schutz der
personenbezogenen Daten nicht verletzt werden sollen, müssen Anonymisierungsverfahren angewendet und
der Zugriff eingeschränkt werden.
Erwartete Weiterentwicklung
in den nächsten Jahren
Trotz dieser Einschränkungen wird
die Anzahl der auf Verwaltungsregis5 Um diesem Problem teilweise zu begegnen,
wurden Indikatoren der Einkommensaufteilung
(Median, 1. und 3. Quartil) verwendet. Dort,
wo Mittelwerte berechnet wurden, wurden
jeweils zehn Prozent am oberen und unteren
Ende der Verteilung ausgeklammert.
6 SR 431.02
Verwaltungsregister als Datenbasis der empirischen Sozialforschung
tern basierenden Studien höchstwahrscheinlich markant zunehmen,
dies aus zwei Gründen. Erstens werden Datenverknüpfungen durch die
Einführung der anonymen AHVNummer, die sich schrittweise als
gemeinsame Norm vieler Register
durchsetzt, erleichtert. Dadurch wird
die Datenqualität verbessert und die
Anzahl der verfügbaren Informationen erhöht. Am Beispiel der für das
BSV durchgeführten Studien bedeutet dies, dass es künftig möglich sein
wird, aus der Sozialhilfestatistik Informationen zur kantonalen Sozialhilfe sowie für Personenstichproben
Angaben zum berulichen Status und
zur Ausbildung (aus der jährlichen
Strukturerhebung) zu erhalten. Dadurch könnte nicht nur die wirtschaftliche Situation besser erfasst
werden, es wäre auch möglich, die
Einlussfaktoren im Detail zu analysieren.
Zweitens eröffnet das Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die
Harmonisierung der Einwohnerregister und anderer amtlicher Personenregister6 neue Perspektiven. Im
Register sind alle in der Schweiz
wohnhaften Personen verzeichnet
und bezüglich ihrer Wohnform
erfasst. Dadurch lassen sich anhand
der Registerdaten Haushalte nachbilden.
Allmählich werden auch Längsschnittstudien oder chronologische
Studien mit längerer Beobachtungszeit möglich sein. Dadurch kann ein
Phänomen oder ein Aspekt nicht
mehr nur für einen bestimmten Zeit-
punkt beschrieben, sondern auch
seine Entwicklung in kollektiver und
individueller Hinsicht gemessen werden.
Zusammenfassend ist festzuhalten,
dass die in den letzten Jahren vom
BSV in Auftrag gegebenen, auf Steuerregister gestützten Untersuchungen
ein wichtiger Meilenstein für das Verständnis der sozioökonomischen Situation der Bevölkerung sind. Durch
die Verwendung der Daten von über
1,5 Millionen Steuerplichtigen und
mehrerer Dutzend Variablen wurde
zudem der Nutzen der Verwaltungsregister zur Erklärung sozialer Phänomene erkannt. Die Untersuchungen öffnen den Weg für weitere, auf
Verwaltungsregistern basierende
Studien auf Kantons- oder Bundesebene.
Philippe Wanner, Professor am Institut für
Demograie- und Lebenslaufforschung der
Universität Genf
E-Mail: Philippe.Wanner@unige.ch
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
315
familie
Familie
Vaterschafts- und Elternurlaub
Bundesrat verabschiedet Bericht zum
Vaterschafts- und Elternurlaub
Am 30. Oktober 2013 hat der Bundesrat einen Bericht verabschiedet,
der verschiedene Modelle für einen Vaterschafts- oder Elternurlaub
beschreibt. Er leistet damit einem Postulat Folge, mit dem Ständerätin
Anita Fetz um die Prüfung möglicher Modelle für einen privat inanzierten und von steuerlichen Massnahmen lankierten Elternurlaub ersuchte.
Lucie Martin
Barbara von Kessel-Regazzoni
Bundesamt für Sozialversicherungen
Der Bundesrat hat den Bericht «Vaterschaftsurlaub und Elternurlaub,
Auslegeordnung und Präsentation
unterschiedlicher Modelle»1 in Erfüllung des Postulats der Ständerätin
Anita Fetz vom 6. Juni 2011 (11.3492
Freiwillige Elternzeit und Familienvorsorge) verabschiedet. Diese ersuchte den Bundesrat, einen privat
inanzierten und von steuerlichen
Massnahmen lankierten Elternurlaub zu prüfen. Unter anderem stell-
316
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
te sie neue, freiwillige Sparprozesse
im Rahmen der 2. und 3. Säulen zur
Diskussion, die wahlweise über den
Einbezug der betrieblichen Pensionskassen oder den Aufbau eines Elternschaftsguthabens zu implementieren
wären.
Am 7. September 2011 hat der Bundesrat die Annahme des Postulats
beantragt und sich bereit erklärt, eine
Auslegeordnung der verschiedenen
Modelle eines Elternurlaubs vorzu-
nehmen, diese miteinander zu vergleichen und in einem Bericht deren Vorund Nachteile aufzuzeigen. Das Postulat wurde am 14. September 2011
vom Ständerat angenommen.
Der erste Teil des Berichts bespricht den Vaterschafts- und Elternurlaub als Massnahmen zur besseren
Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Dabei wird auch eine Abgrenzung der
beiden Konzepte vorgenommen:
Während der Vaterschaftsurlaub dem
Vater vorbehalten ist, wird der Elternurlaub beiden Elternteilen angeboten
und ist meist von längerer Dauer als
der Vaterschaftsurlaub.
Weiter wurde anhand von Daten
zur Erwerbsbeteiligung und dem Beschäftigungsgrad von Müttern und
Vätern, zu ihrem jeweiligen Aufwand
für die Familien- und Haushaltsarbeit
und zur Aufgabenteilung innerhalb
der Partnerschaften jener Bevölkerungsanteil ermittelt, der von solchen
familienpolitischen Massnahmen betroffen wäre.
In den vergangenen Jahren haben
sich auf Bundes- und Kantonsebene
die Vorstösse für einen Vaterschaftsbzw. Elternurlaub gehäuft. Ihre Auflistung im Bericht vermittelt einen
Überblick über die politische Ausgangslage und den Stand der Beratungen. Bislang haben es der Bundesrat und die eidgenössischen Räte
abgelehnt, einen Vaterschafts- oder
Elternurlaub zu prüfen und alle bisherigen Vorschläge verworfen.
Der zweite Teil des Berichts beleuchtet zunächst das geltende, einschlägige Recht und einige Gesamtarbeitsverträge, zeigt auf, dass gesetzliche Regelungen für einen
Vaterschafts- oder Elternurlaub feh1 Der vollständige Bericht ist in deutscher und
französischer Sprache auf der Internetseite des
BSV einsehbar: www.bsv.admin.ch ➞ Themen
➞ Familie/Familienzulagen ➞ Familienpolitik:
weitere familienpolitische Themen
Familie
len und greift schliesslich den rechtlichen Rahmen der Mutterschaftsentschädigung und des Mutterschutzes
auf Bundesebene auf. Weiter geht er
auf Fragen der Arbeitszeitgestaltung
bei Familienplichten und die jeweiligen Urlaubsordnungen nach der
Geburt eines Kindes ein und hält fest,
dass der private und der öffentliche
Sektor ihre je eigenen Regelungen
entwickelt haben. Diese sind im Bericht tabellarisch zusammengestellt,
indem Dauer, Antragsformalitäten
und vorhandene Arbeitsplatzgarantien ausgewiesen werden. Schliesslich
werden die für den schweizerischen
Kontext relevanten internationalen
Normen, insbesondere die Instrumente der Internationalen Arbeitsorganisation, des Europarats und der Europäischen Union zusammengetragen
und die Erfahrungen verschiedener
Mitgliedsstaaten der Europäischen
Union vergleichend dargestellt.
Nach der Eingrenzung und Einordnung des Themas deiniert der Bericht
die Ziele und zu erwartenden Auswirkungen des geforderten Instruments.
Obschon auf die Zielgruppe der Familien eingegrenzt und damit auch als
Gleichstellungsinstrument zu verstehen, hätte die Einführung eines Vaterschafts- oder Elternurlaubs im
geforderten Rahmen Auswirkungen
auf die gesamte Volkswirtschaft. Zur
Wirkungsfolgeabschätzung werden
Erfahrungen mit vergleichbaren Instrumenten im Ausland herangezogen,
insbesondere die niederländische
Lebenslaufregelung, die Parallelen
zum Vorschlag Fetz aufweist.
Teil vier des Berichts befasst sich
eingehender mit dem bestehenden
Rechtsrahmen und weist darauf hin,
dass die Einführung eines Vaterschafts- oder Elternurlaubs eine Klärung der Zuständigkeiten zwischen
Vaterschafts- und Elternurlaub
Bund und Kantonen samt Finanzierungsregelung bedingt.
In einem fünften Teil werden acht
verschiedene Modelle für einen Vaterschafts- und Elternurlaub auf Faktenblättern beschrieben und beurteilt.
• Modell 1 verankert das Recht auf
einen Vaterschafts- oder Elternurlaub im Obligationenrecht, sieht
aber keine inanzielle Abgeltung
vor.
• Modell 2 basiert auf der Säule 3a
der beruflichen Vorsorge und
schlägt vor, ihren Auszahlungszweck zu erweitern.
• Modell 3 schlägt eine neue Form
des steuerbegünstigten individuellen Sparens zur Finanzierung eines
Elternurlaubs vor.
• Modell 4 führt das Recht auf eine
Woche Vaterschaftsurlaub mit
Lohnfortzahlung ein.
• Modell 5 gewährt Vätern das Recht
auf vier Wochen Vaterschaftsurlaub, der über die Erwerbsersatzordnung inanziert wird.
• Modell 6 hält einen 16-wöchigen,
über die Erwerbsersatzordnung
inanzierten Elternurlaub fest.
• Modell 7 greift den Vorschlag der
Eidgenössischen Koordinationskommission für Familienfragen auf,
der einen über die Erwerbsersatzordnung inanzierten Elternurlaub
von insgesamt 24 Wochen vorsieht.
• Modell 8 ist eine Kombination aus
drei Modellen (Modelle 1, 2 und
5). Ein 16-wöchiger Elternurlaub
für jeden Elternteil wird dem Vater
während vier Wochen über die Erwerbsersatzordnung vergütet. Die
Eltern können die Säule 3a zur
Finanzierung des Elternurlaubs
heranziehen.
Nach Ansicht des Bundesrats ist die
Vereinbarkeit von Familie und Er-
werbstätigkeit nicht nur unmittelbar
nach der Geburt eines Kindes zu fördern. Vielmehr sollten Familien auch
unterstützt werden, wenn die Kinder
das Vorschul- und insbesondere das
Schulalter erreichen. Entsprechend
misst der Bundesrat dem bedarfsgerechten Ausbau der familien- und
schulergänzenden Kinderbetreuung
eine prioritäre Bedeutung zu. Ebenso
wichtig ist ihm die Förderung familienfreundlicher Arbeitsbedingungen,
zu denen der Vaterschafts- bzw. der
Elternurlaub zählt. Dieser kann zu
einer partnerschaftlicheren Aufgaben- und Rollenteilung zwischen
Mann und Frau beitragen, indem er
beiden Elternteilen bereits unmittelbar nach der Geburt die Möglichkeit
eröffnet, sich intensiv an der Betreuung und Erziehung des Kindes sowie
der Hausarbeit zu beteiligen. Beide
können ihre familiären Aufgaben
wahrnehmen, ohne dass sie gezwungen sind, ihre Erwerbstätigkeit zugunsten der Familie aufzugeben.
Somit zählt der Vaterschafts- bzw.
Elternurlaub zu den Massnahmen,
welche die Vereinbarkeit von Familie
und Erwerbstätigkeit zu verbessern
vermögen.
Lucie Martin; lic. iur.; Anwaltspraktikantin;
Bereich Familienfragen; Geschäftsfeld Familie, Generationen und Gesellschaft; BSV
Barbara von Kessel-Regazzoni; Co-Stellvertreterin Leiter Bereich Familienfragen;
Geschäftsfeld Familie, Generationen und
Gesellschaft; BSV
E-Mail: barbara.vonkessel-regazzoni@bsv.
admin.ch
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
317
gesundheit
Gesundheit
Struktur und Finanzierung der Langzeitplege
Langzeitpflege in der Schweiz:
eine europäische Perspektive
Fast alle europäischen Länder sind im Vergleich mit anderen Regionen
der Welt mit einer rasch alternden Bevölkerung konfrontiert. Gründe
dafür sind niedrige Geburtenraten und die an sich erfreulich hohe
Lebenserwartung in vielen Mitgliedstaaten. Die Langzeitplegesysteme
geraten durch diese Veränderungen zunehmend unter Druck. Steigende
Gesundheits- und Langzeitplegekosten belasten das Steuersystem und
auch der soziale Druck, die Betreuung älterer Angehöriger durch
Familienmitglieder sicherzustellen, nimmt zu.1
Andrea E. Schmidt
Europäisches Zentrum für Wohlfahrtspolitik und Sozialforschung,
Wien
Im europäischen Vergleich verfügt die
Schweiz über ein sehr kostenefizientes, inanziell gut ausgestattetes und
zielgerichtetes Plegesystem für ältere Menschen. Mit einer Mischung aus
allgemeinen und bedarfsorientierten
Leistungen wird eine breite Abdeckung erzielt. 2009 wurden 12,8 Prozent der Gruppe der über 65-Jährigen
zu Hause und etwa 6,5 Prozent in
Heimen geplegt.2 Im europäischen
Vergleich haben nur die älteren Menschen in Israel, Island und den Niederlanden einen besseren Zugang zu
Plegeleistungen zu Hause und in
Heimen als in der Schweiz.3 Auch bezieht etwa die Hälfte der älteren Menschen, die bei der Verrichtung alltäglicher Tätigkeiten eingeschränkt sind,
professionelle Plegeleistungen. Die
Gesamtausgaben (öffentlich und privat) für die Langzeitplege sind mit
2,1 Prozent des BIP (2007) absolut
318
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
gesehen zwar hoch, der öffentliche
Anteil der Ausgaben ist im internationalen Vergleich jedoch niedrig.4
Während viele europäische Länder
mit knappen Budgets für den zunehmenden Bedarf an Langzeitplege für
ältere Menschen zu kämpfen haben,
scheint die Schweiz diesbezüglich eine interessante Ausnahme darzustellen.
Worin liegt das Geheimnis der
Schweiz mit ihrem breiten PlegeAngebot bei vergleichsweise tiefen
öffentlichen Ausgaben für Plegeleistungen? Und wie sieht die Kehrseite
aus, wenn es überhaupt eine gibt?
Diesen Fragen wird im Folgenden im
Rahmen eines Vergleichs der Langzeitplege in der Schweiz5 mit anderen
Ländern in Europa und im UNECE6Raum nachgegangen. Sie fokussiert
die ökonomischen Aspekte der Plegeversorgung, d.h. es wird untersucht,
wer Plegeleistungen anbietet, wer
diese bezieht und bezahlt. Ergänzend
werden, mit besonderem Augenmerk
auf die plegenden Angehörigen in
der Schweiz, einige kulturelle Aspekte der Plege diskutiert.
Langzeitplege in der Schweiz:
kostenefizient und
zielorientiert – auf den ersten
Blick
Das Schweizer Langzeitplegesystem ist insbesondere auf die Versorgung der Ältesten, d.h. der über
80-Jährigen, ausgerichtet. Diese
Gruppe bedarf normalerweise auch
der intensivsten Plege. Beispielsweise beanspruchen knapp 20 Prozent
dieser Altersgruppe stationäre Plegeleistungen und über 30 Prozent
werden zu Hause betreut. Im europäischen Vergleich sind diese Zahlen
relativ hoch. Nur in den Niederlanden
und in Belgien beanspruchen die über
80-Jährigen stationäre Plegeleistungen ähnlich häuig, und nur noch sechs
weitere Länder in Europa, nämlich
Dänemark, Tschechien, Israel, Island,
die Niederlande und Österreich verzeichnen einen noch höheren Ple1 Der Artikel basiert auf Forschungsarbeiten im
Rahmen des Projekts MA:IMI (Mainstreaming
Ageing: Indicators to Monitor Implementation),
eine institutionelle Zusammenarbeit zwischen
dem Europäischen Zentrum für Wohlfahrtspolitik und Sozialforschung (ECV) und der
United Nations Economic Commission for
Europe (UNECE). Die Autorin dankt Eszter
Zolyomi (ECV) für die wertvollen Beiträge zu
diesem Artikel.
2 Lit. OECD
3 Lit. Rodrigues et al., 84: Daten aus nationalen
Quellen und aus der Gesundheitsdatenbank
der OECD (siehe Statistical Annex in Rodrigues
et al.).
4 Lit. Colombo et al., 46
5 Der Vergleich bezieht sich auf Daten vor der
Neuordnung der Plegeinanzierung vom
1. Januar 2011.
6 UNECE: United Nations Economic Commission
for Europe
Gesundheit
Struktur und Finanzierung der Langzeitplege
Öffentliche Ausgaben für Langzeitplege nach Plegesetting (2009 bzw. zuletzt verfügbares Jahr)
G1
4,0
Öffentliche Ausgaben am BIP (in %)
3,5
3,0
2,5
2,0
1,5
Ungewichteter UNECE-Durchschnitt
1,0
0,5
Total (keine Disaggeration möglich)
Stationäre Pflege
Schweden
Dänemark
Niederlande
Norwegen
Island
Belgien
Finnland
Italien
Frankreich
Kanada
Österreich
UK
Polen
Tschechische Rep.
Luxemburg
Deutschland
Schweiz
USA
Slowenien
Spanien
Slowakei
Serbien
Litauen
Lettland
Ungarn
Portugal
Bulgarien
Rumänien
0,0
Pflege zu Hause
Quellen: Lit. Rodrigues et al., 98 (basierend auf den OECD-Gesundheitsdaten, Lit. Colombo et al. und nationalen Quellen); Schweiz: Lit. OECD
geanteil der Ältesten zu Hause als die
Schweiz.7
Mit lediglich 0,8 Prozent an öffentlichen Ausgaben des Bruttoinlandprodukts (BIP) sieht das Schweizer
Langzeitplegesystem höchst kostenefizient aus, wobei die Plege in stationären Einrichtungen den größten
Teil der Kosten ausmacht (vgl. Graik
G1). Verglichen mit anderen europäischen Ländern weist die Schweiz
relativ niedrige öffentliche Ausgaben
für Langzeitplege zu Hause und in
stationären Einrichtungen auf, wenn
man das praktisch lächendeckende
Angebot an Plegeleistungen bedenkt. Doch enthält diese Zahl nur
die gesundheitsbezogenen Langzeitplegekosten, was möglicherweise
erklärt, weshalb die Schweiz eine zwar
7 Lit. Rodrigues et al., 91
8 Lit. Rodrigues et al., 100
ähnliche Abdeckung wie die nordeuropäischen Länder aufweist, aber
erheblich niedrigere öffentliche Mittel für Langzeitplege aufwenden
muss. Die nordeuropäischen Länder
Dänemark, Norwegen, Island, Schweden und die Niederlande geben rund
drei- bis viermal mehr für die Plege
der älteren Menschen aus als die
Schweiz. Erstellt man eine Rangliste
der Länder nach der Höhe ihrer öffentlichen Ausgaben für Langzeitplege, rangiert die Schweiz in einem
mitteleuropäischen Cluster, indem sie
knapp hinter Luxemburg, Deutschland und Polen liegt und knapp vor
Slowenien (vgl. Graik G1). Im Übrigen weisen die USA ähnlich moderate Ausgaben der öffentlichen Hand
für Langzeitpflege aus wie die
Schweiz.
Langzeitplege ist ein relativ neues
soziales Risiko in vielen Ländern. Der
Stellenwert von Langzeitplege in der
Sozialpolitik lässt sich unter anderem
am Anteil der öffentlichen Ausgaben
für die Plege älterer Menschen an
der Summe der öffentlichen Sozialausgaben ablesen. Ein Länderquervergleich zeigt, dass der Langzeitplege in den Ländern mit den höchsten
öffentlichen Ausgaben (am BIP gemessen) tendenziell mehr Bedeutung
zukommt. In Schweden und den Niederlanden übersteigen die öffentlichen Ausgaben für Langzeitplege
zehn Prozent der gesamten Sozialausgaben. Ähnlich hohe Ausgabenanteile sind auch in Norwegen, Island und
Dänemark zu beobachten. In der
Schweiz und in anderen mitteleuropäischen Ländern (Slowenien, Luxemburg, Deutschland) hingegen,
beträgt der entsprechende Anteil nur
vier Prozent.8
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
319
Gesundheit
Plege durch
Familienangehörige –
Plichtgefühl oder persönliche
Überzeugung?
Wie im vorangegangenen Abschnitt
aufgezeigt, verfügt die Schweiz über
ein zielorientiertes Langzeitplegesystem bei vergleichsweise niedrigen
öffentlichen Ausgaben. In anderen
Ländern mit ähnlich geringer öffentlicher Beteiligung, wie Spanien oder
Deutschland, übernehmen Angehörige intensive Plegeleistungen und
füllen damit häuig eine Lücke des
staatlichen Plegeangebots. Obwohl
in der Schweiz eine von fünf Personen
der über 75-Jährigen angibt, wöchentlich Hilfe9 von Familienangehörigen,
Freunden oder Nachbarn zu erhalten,
bleibt der Zeitaufwand dieser Leistungen verglichen mit anderen Ländern relativ niedrig.10 Bei der Plege
älterer Familienmitglieder sind die
Verhältnisse in der Schweiz eher mit
nordischen Ländern wie Dänemark
und Schweden oder mit den Niederlanden vergleichbar. Das heisst, Plege- oder Hilfeleistungen innerhalb
der Familie werden häuig in Ergänzung zur Plege durch Fachkräfte von
professionellen Anbietern erbracht.11
Interessanterweise ist in der
Schweiz die Einstellung zur Plege
durch Angehörige sehr unterschiedlich. In der Studie SwissAgeCare gaben rund 90 von 100 Laienplegenden
an, dass sie die Plegeaufgabe aus
einer persönlichen Überzeugung heraus wahrnehmen. Etwa gleich viele
sagten aber auch, sich zur Plege ihrer
Angehörigen moralisch verplichtet
zu fühlen.12 Dies ist vergleichbar mit
den Resultaten der EUROFAMCARE-Studie, die in sechs europäischen Ländern13 durchgeführt wurde.
80 von 100 Plegenden gaben an, aus
Plichtgefühl zu handeln, und gut 70
von 100 betonten die persönliche
Überzeugung.14
Angesichts des breiten Angebots
von stationären und ambulanten Angeboten in der Langzeitplege ist es
erstaunlich, dass in der Schweiz eine
staatliche Beteiligung als überhaupt
320
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
Struktur und Finanzierung der Langzeitplege
nicht selbstverständlich angesehen
wird. In einer 2004 durchgeführten
Umfrage fanden nur rund 23 Prozent
der über 65-Jährigen, dass der Staat
für Plegeleistungen verantwortlich
sei. In Dänemark und Schweden waren 90 bzw. 67 Prozent dieser Meinung.15 Zusammenfassend lässt sich
feststellen, dass sich Familienangehörige zwar stark zur Betreuung verplichtet fühlen, dass sie aber auch
Zufriedenheit aus der Aufgabe schöpfen. Obwohl die familiäre Unterstützung mehrheitlich in Ergänzung professioneller Dienste erfolgt, wird dem
Staat keineswegs eine prioritäre Verantwortung für die Langzeitplege
zugewiesen.
Auf den zweiten Blick – Die
hohe Kostenbeteiligung der
privaten Haushalte erklären
das Schweizer «Geheimnis»
Eine Erklärung für den Schweizer
Mix aus gut ausgebauter öffentlicher
Versorgung und niedrigen Erwartungen an den Staat als Plegeleistungserbringer könnte in den vergleichsweise hohen direkten Gesundheitsausgaben der privaten Haushalte
liegen.16 Über 60 Prozent der Langzeitplegeausgaben werden in der
Schweiz privat inanziert, womit die
Schweiz zum Sonderfall im internationalen Vergleich wird, da kein anderes Land ähnlich hohe Eigenleistungen verzeichnet. Der Eigenleistungsanteil sinkt auf 36 Prozent,17 wenn die
Ergänzungsleistungen und die Hillosenentschädigungen berücksichtigt
werden. Dennoch gehört die Schweiz
zu den OECD-Ländern mit dem
höchsten Anteil an privaten Plegeausgaben. Ähnlich hoch ist der Anteil mit 40 Prozent nur in den Vereinigten Staaten, während beispielsweise Deutschland Anteile von 31,
Slowenien von 27 oder Spanien von
25 Prozent ausweisen (vgl. Graik G2).
Wirft man einen genaueren Blick
auf die Art der privaten Gesundheitsausgaben, muss zwischen Plegeleistungen zu Hause und Plegeleistungen
in Heimen unterschieden werden. Die
hohe private Kostenbeteiligung ist
möglicherweise teilweise dadurch zu
erklären, dass, verglichen mit anderen
Ländern, viele ältere Menschen in
Plegeheimen betreut werden.18 Es
kann jedoch davon ausgegangen werden, dass die Kostenbeteiligung bei
der stationären Plege nicht unbedingt
höher ist als bei der Plege zu Hause.19
Mit der Einführung der Neuordnung
der Langzeitplegeinanzierung 2011
wird von den Plegebedürftigen in
Heimen verlangt, Kost und Logis aus
der eigenen Tasche zu bezahlen. Diese kommen zu den maximal 20 Prozent der selbst zu tragenden Kosten
für persönliche Plege in den Heimen
hinzu.20 Bei der Plege zu Hause bezieht sich die Kostenbeteiligung vor
allem auf den Selbstbehalt bei persönlichen Plegeleistungen sowie auf
Dienstleistungen, die von der Krankenversicherung nicht übernommen
werden, zum Beispiel eine Haushalthilfe. Die Beteiligung der privaten
Haushalte wurde mit der Neuordnung
angehoben, womit sich die privaten
Gesundheitsausgaben 2011 auf zwei
Drittel der Gesamtkosten für die Plege zu Hause beliefen.21
Wichtig ist indessen zu erwähnen,
dass in der Schweiz mit den Ergänzungsleistungen ein bedarfsgeprüftes
Instrument zur Verfügung steht, um
private Haushalte zu unterstützen,
wenn die anerkannten Kosten des
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
Daten von 2006
Lit. Rodrigues et al., 62 f.
Lit. Höplinger
Lit. Perrig-Chiello, 139
Deutschland, Italien, Vereinigtes Königreich,
Schweden, Polen und Griechenland
Lit. Döhner et al.
Lit. Haberkern und Szydlik, 309
Die direkten Gesundheitsausgaben umfassen
einerseits die Kostenbeteiligung in der obligatorischen Krankenplegeversicherung, in den
Zusatzversicherungen sowie die sogenannten
«Out-of-Pocket»-Zahlungen für medizinischeund Plege-Leistungen, die nicht über eine
Versicherung gedeckt sind.
Lit. Colombo et al.
Lit. Colombo et al., 40
Lit. Höplinger
Lit. Curaviva
Lit. Höplinger, 99ff.; Spitex Verband Schweiz;
BFS
Gesundheit
Struktur und Finanzierung der Langzeitplege
Anteil öffentlicher und privater Ausgaben für Langzeitplege in Prozent des BIP
(2008 bzw. zuletzt verfügbares Jahr)
CH: private Ausgaben Langzeitpflege
private Ausgaben Langzeitpflege
% des BIP
4
G2
CH: öffentliche Ausgaben Langzeitpflege
öffentliche Ausgaben Langzeitpflege
3,5 3,6
3,5
3
2,5
2
1,5
0,8
1
0,5
1,0 1,0 1,1
1,7 1,7
1,5 1,5 1,6
1,3 1,3 1,4 1,4
2,1 2,2 2,2
2,0 2,0
0,3 0,3 0,4
0,1 0,2 0,2
Schweden
Niederlande
Norwegen
Finnland
Schweiz
Dänemark
Belgien
Island
Frankreich
Japan
Kanada
OECD
Neuseeland
Luxemburg
Deutschland
Österreich
Slowenien
USA
Australien
Spanien
Polen
Korea
Ungarn
Slowakei
Tschech. Rep
Portugal
0
Quellen: Lit. Colombo et al ., 46; basierend auf den OECD-Gesundheitsdaten. Die Angaben zur Schweiz beziehen sich auf die gesundheitsbezogenen
Langzeitplegeausgaben im Jahr 2007.
Haushalts die anrechenbaren Einnahmen übersteigen. Diese Bedarfsleistung wird insbesondere auch zur Deckung der Plegekosten von älteren
Menschen in stationären Einrichtungen eingesetzt.
Zusammenfassung
Die Langzeitplege in der Schweiz
stellt im europäischen Vergleich ein
interessantes Fallbeispiel dar. Es besteht ein gut ausgebautes Netz an
professionellen Plegediensten, die
teilweise staatlich inanziert sind.
Gleichzeitig unterstützen viele Familien ihre älteren Angehörigen, vor
allem mit Hilfeleistungen wie einkaufen, Haushaltarbeiten oder administrativen Aufgaben.22 Diesbezüglich
weist die Schweiz deshalb eher Ähnlichkeiten mit nordischen bzw. skandinavischen Ländern auf als mit mitteleuropäischen Ländern, in denen
22 Lit. Höplinger, 92
23 Lit. Höplinger and Perrig-Chiello
24 Lit. Perrig-Chiello, 139
familieninterne Plegeleistungen häuiger und professionelle Plegeangebote rarer sind. Gleichzeitig sind die
öffentlichen Plegeausgaben in der
Schweiz nicht höher als in Ländern,
in denen familieninterne Plege unabdingbar ist, um Lücken im staatlichen Angebot zu füllen, wie beispielsweise in Deutschland oder Polen.
Doch auch in der Schweiz spielt die
Unterstützung durch Angehörige eine
tragende Rolle und die betreuenden
Angehörigen nehmen die Aufgabe
sowohl aus persönlicher Überzeugung aber auch als familiäre Verplichtung wahr.
Den älteren Menschen in der
Schweiz steht insgesamt ein breit gefächertes und gut ausgebautes System
professioneller Plegedienste zur Verfügung, dessen Inanspruchnahme,
auch unter Berücksichtigung der Ergänzungsleistungen, zu hohen privaten Plegeausgaben führt. Ein Langzeitplege-System, das sich so breit auf
eine private Kostenbeteiligung stützt,
birgt auch gewisse Risiken: Die hohen
Kosten für Plegebedürftige können
zu einer verstärkten Inanspruchnah-
me der Ergänzungsleistungen führen,
aber auch Tendenzen zu einer «Doit-yourself»-Medizin verstärken und
die Entstehung von Graumärkten für
Medikamente oder privates Plegepersonal forcieren. Sozioökonomische Unterschiede der privaten Haushalte werden damit auch beim Zugang zur Plegeversorgung sichtbar.
Wie von Francois Höplinger und
Pasqualina Perrig-Chiello23 vorgebracht, besteht in der Schweiz bereits
heute eine Tendenz zu sozioökonomischen Ungleichheiten im Alter. So
berichten laut SwissAgeCare sechs
von zehn plegenden Angehörenden,
dass die Kosten für eine professionelle Plege zu hoch seien.24 Diese Situation könnte zu einem zweigeteilten
Langzeitplegesystem führen, mit
privat bezahlter Plege für wohlhabende Gruppen der älteren Bevölkerung und staatlich subventionierten
Leistungen für weniger wohlhabende
bzw. mittellose Gruppen. Zudem
könnten weniger wohlhabende ältere
Menschen, die sich keine Plege leisten können, zunehmend auf Hilfe aus
der Familie angewiesen sein. Dies
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
321
Gesundheit
könnte durchaus mit negativen Auswirkungen auf die Gesundheit und
die Beschäftigungssituation plegender Angehöriger, in der Regel Frauen,
verbunden sein. Angesichts der hohen
Kostenbeteiligung der privaten Haushalte an der Plegeinanzierung sind
Budgetkürzungen im Sozialwesen mit
Vorsicht zu beschliessen. Eine Neuordnung der Langzeitplegeinanzierung ist nur so lange hilfreich als sie
nicht zu einer weiteren Umwälzung
der Plegekosten auf die Plegebedürftigen führt. Nicht zu unterschätzen ist auch die Gefahr einer Verstärkung regionaler Ungleichheiten beim
Zugang zu Langzeitplegeleistungen
in der Schweiz.25
Heute verfügt die Schweiz über
eine gut funktionierende Infrastruk-
322
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
Struktur und Finanzierung der Langzeitplege
tur für die öffentlich und privat inanzierte Langzeitplege, die auf die ältesten Altersgruppen ausgerichtet
sind, d.h. auf jene Menschen mit dem
höchsten Plegebedarf. Verbesserungsbedarf besteht bei der Sicherstellung eines gleichen Zugangs für
alle Betroffenen, unabhängig von den
vorhandenen Eigenmitteln. Dabei
kann zunächst offenbleiben, ob die
Ergänzungsleistungen, im Sinne einer
subsidiären Plegeinanzierung, allen
älteren Personen den Zugang zu professionellen Plegeleistungen gewährleisten können. Die weiter zunehmende Lebenserwartung und die damit
verbundene Änderung der Alterspyramide, lässt es jedoch auch für die
Schweiz zu einer vordringlichen Aufgabe werden, allen Plegebedürftigen,
unabhängig vom sozioökonomischen
Status, den Zugang zu professionellen
Plegedienstleistungen zu verschaffen.
So kann aus dem Schweizer «Geheimnis» eine europäische Erfolgsstory
werden.
Andrea E. Schmidt, M.Sc., Researcher, Europäisches Zentrum für Wohlfahrtspolitik
und Sozialforschung, Wien
E-Mail: schmidt@euro.centre.org
25 Lit. Höplinger, 101
gesundheit
Gesundheit
Literatur und Quellen zur Langzeitplege
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Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
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Gesundheit
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324
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
Literatur und Quellen zur Langzeitplege
gesundheit
Gesundheit
Einsatz von IKT zur Unterstützung plegender Angehöriger
Potenzial und Verbreitung von IKT zur
Unterstützung pflegender Angehöriger
In der Schweiz gibt es ein gut strukturiertes Netzwerk an Plegeangeboten, doch fehlt es an Unterstützungsangeboten für plegende Angehörige. Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) könnten
diese Lücke füllen. Sie lassen sich lexibel und zeitlich ungebunden
einsetzen. Eine kürzlich durchgeführte europäische Studie ist zum
Schluss gekommen, dass IKT zwar neue Wege in der Betreuung von
bestimmten Gruppen eröffnen, aber noch mehr Forschung nötig ist, um
das ganze Potenzial zu erfassen.
Francesco Barbabella
Giovanni Lamura
Istituto Nazionale di Riposo e Cura per Anziani (INRCA), Ancona
Das Potenzial von IKT zur
Unterstützung von plegenden
Angehörigen
Elektronische Geräte, Telekommunikations- und andere Informationssysteme sind die Taktgeber des modernen Lebens. Das Informationszeitalter
verfügt über eine breite Palette an
Maschinen und Geräten, die es den
Einzelnen ermöglichen, Informationen abzurufen sowie miteinander in
Echtzeit und auf einfache Weise zu
kommunizieren (z.B. E-Mail, Websuche, Audio- und Videostreaming usw.).
Sie alle werden den IKT zugeordnet.
1 www.aal-europe.eu
Andrea E. Schmidt
Europäisches Zentrum für Wohlfahrtspolitik und Sozialforschung,
Wien
Beispiele von IKT sind zwar schnell
genannt, aber es ist nicht so einfach sie
umfassend zu deinieren, decken sie
doch ein breites Spektrum ab und erfahren laufend Verbesserungen und
Ergänzungen. Grundsätzlich haben
wir es bei IKT immer auch mit Dienstleistungen zu tun, die über konventionelle Geräte (Telefone, Computer),
neue Medien (Smartphones, Tabletcomputer), integrierte Systeme
(Smarthomes) und zukunftsgerichtete Lösungen (Roboter) laufen.
In den letzten Jahrzehnten sind IKT
als innovative Hilfsmittel für betreuungsbedürftige ältere Menschen getestet worden, die zu Hause von Angehörigen in der Bewältigung ihres
Alltags unentgeltlich unterstützt wer-
den. Erste Versionen von IKT-basierten Hilfsangeboten wurden Anfang
der 1990er-Jahre eingehend untersucht. Am häuigsten waren damals
Callcenters, die Beratung und psychologische Unterstützung anboten. Auch
zum Einsatz kamen die sogenannten
Videopausen, speziell für demenzkranke Senioren entwickelte Filme, die
deren Aufmerksamkeit fesselten und
den betreuenden Angehörigen eine
Erholungspause verschafften.
Weitere technische Entwicklungen
und Investitionen haben in letzter Zeit
grosse Fortschritte gebracht. Doch hat
sich die Wissenschaft mit der Entwicklung neuer Systeme bisher vor allem
auf die direkte Unterstützung der Plegebedürftigen, sogenannte AAL-Lösungen (altersgerechte Assistenzsysteme für ein selbstbestimmtes Leben)
konzentriert und weniger auf die Entlastung der plegenden Angehörigen.
So sind in Europa in den vergangenen
fünf Jahren im Rahmen des von der
der EU1 inanzierten einschlägigen
Programms zahlreiche AAL-Anwendungen getestet worden und auch
weitere eigen- und fremdinanzierte
Systeme zur Untersuchung gelangt.
AAL umfassen im Wesentlichen alle
Technologien, die zu Hause eingerichtet und eingesetzt, den Nutzern Autonomie und Sicherheit im täglichen
Leben bieten. Dabei handelt es sich
beispielsweise um Sturzsensoren, die
direkt mit einer Notfallzentrale oder
der Betreuungsperson verbunden sind.
Weiter gibt es GPS-Lösungen, mit denen sich verirrte Personen orten lassen.
Auch Umgebungssensoren (z.B. für
austretendes Gas) und Hausinstallationskontrollgeräte (z.B. vereinfachte
Fernbedienungen zum Öffnen und
Schliessen von Fenstern) fallen unter
den AAL-Bereich.
Trotz ihrer vorwiegenden Verwendung im AAL-Bereich werden IKT
aber auch zur direkten Entlastung von
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
325
Gesundheit
plegenden Angehörigen älterer Menschen eingesetzt. So erhalten Betreuende beispielsweise über das Internet
Unterstützung durch Gesundheitsfachleute, die Informations- und Schulungsmaterial bereitstellen, aber auch
psychologische Unterstützung, therapeutische Sitzungen oder Hilfe zur
Selbsthilfe anbieten. Allerdings war
bis anhin nur wenig Konkretes zum
vorhandenen Angebot bekannt. Die
IKT sind in den entsprechenden Projekten in der Regel so knapp inanziert,
dass ihre Verbreitung und Wirkung
kaum je evaluiert werden kann.
Wissenschaftliche Bedeutung
des CARICT-Projekts
Ziel des 2011 durchgeführten
CARICT-Projekts2 war es, dem Erkenntnisnotstand Abhilfe zu schaffen,
indem die Rolle der IKT in der Betreuung zu Hause umfassend untersucht werden würde. Das Joint Research Centre (JRC), Institute for
Prospective Technological Studies
(IPTS) in Sevilla sowie die Unit H3
(e-Inclu-sion) des Directorate General
Information Society and Media (DG
INFSO) stellten gemeinsam die Finanzierung sicher. Im Rahmen des Projekts wurden in zwölf europäischen
Ländern3 54 Good-Practice-Beispiele
ausgewählt. Dazu wurden Case studies4 mit detaillierten Informationen
zum weiteren Projektumfeld sowie
zum betriebswirtschaftlichen Hintergrund und den Wirkungsgrössen erstellt. Wo vorhanden, wurden auch
Zukunftsprognosen ermittelt. Auch
Ende 2013 ist diese Bestandsaufnahme
europaweit immer noch die umfangreichste und fundierteste Datensammlung zum Einsatz von IKT für plegende Angehörige.
Von Plegenden am häuigsten
genutzte Technologien
Eine Querschnittsanalyse der ausgewählten Projekte bestätigt das vielfältige Potenzial IKT-basierter Hilfe
326
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
Einsatz von IKT zur Unterstützung plegender Angehöriger
für plegende Angehörige. Mit deren
26 nimmt sich knapp die Hälfte der
untersuchten Projekte sowohl der
Unterstützungsbedürftigen als auch
der plegenden Angehörigen an. Dabei tragen sie zum einen zur Erhöhung der Sicherheit und Autonomie
der älteren Personen in ihrem Zuhause bei, zum anderen senken sie dadurch die von den Angehörigen verlangte Betreuungsintensität. Dabei
fallen neben den erwähnten Notrufoder Gesundheitsüberwachungssystemen auch die eigentlichen TelecareAngebote darunter. Einen interessanten Ansatz hat die aus einer
Selbsthilfeorganisation entstandene
HFT5 im Vereinigten Königreich gewählt, die sich dem selbstbestimmten
Leben von Menschen mit Behinderungen verschrieben hat. Ausgehend
von einem nutzerzentrierten Ansatz,
entwickelt HTF zusammen mit den
Betroffenen ein auf deren Bedürfnisse zugeschnittenes Angebot. Neben
Basistechnologien wie Notsignalknöpfen und -signalen oder fernbedientem Licht-, Telefon- und Haustürsteuerungen, werden auch Instrumente entwickelt, welche die
Kreativität der Betroffenen etwa über
sprechende Fotoalben und vergleichbare multimediale Anwendungen
ansprechen und fördern. Auch erwähnenswert ist das von Just Checking6
entwickelte Instrument. Es dient der
Überwachung der Alltagsaktivitäten
von unterstützungsbedürftigen Personen, die zu Hause leben. Das System
besteht aus Sensoren, die bei ungewöhnlichen Vorkommnissen eine
Mitteilung an die betreuenden Angehörigen oder den Plegedienst senden.
Dabei kann die betreute Person und
deren Verhalten auch online in Echtzeit überwacht werden.
Weitere IKT-basierte Dienste sind
direkt an plegende Angehörige gerichtet. 14 der untersuchten Projekte
sind als multimediale Online-Portale
gestaltet. CAMPUS7 in Italien beispielsweise bietet betreuungs- und
plegespeziische Schulungen an und
zeigt Strategien zum Umgang mit belastenden Plegesituationen auf.
IKT lässt sich mittels Audio- und
Videokanal auch zur Verbreitung von
Fachwissen unter beiden Zielgruppen
nutzen. Das schwedische Projekt
ACTION8 beispielsweise führt therapeutische Sitzungsreihen durch, die
von einer Fachperson geleitet werden
und sowohl Betreuten als auch Betreuenden offenstehen. Inhalt und
Zielsetzungen der online über Videokanal geführten Sitzungen sind jeweils vorgegeben.
Auch das Format der Selbsthilfegruppe hat sich mithilfe der IKT weiterentwickelt, indem sich die User in
Online-Foren und virtuellen Gruppen
gegenseitig mit Tat und Rat zur Seite
stehen. Seit 2005 etwa besteht das
Forum der Nonproit-Organisation
Carers UK.9 Mittlerweile 14 000 registrierte Plegende und Betreuende
holen sich darüber speziischen Rat
zu bestimmten Beeinträchtigungen,
aber auch Informationen zu aktuellen
Entwicklungen auf dem Gebiet.
Weitere Entlastung plegender Angehöriger bieten Erinnerungshilfen
(z.B. zur Medikamenteneinnahme),
Callcenters und Hotlines oder Reservationsplattformen für Entlastungsdienste. Nicht zu vergessen sind Multimediaanwendungen zur kognitiven
Stimulation, um eine beginnende
2 CARICT: ICT-based solutions for caregivers;
Studientitel: ICT-based solutions for caregivers:
assessing their impact on the sustainability of
long-term care in an ageing Europe. Abstract
unter: http://is.jrc.ec.europa.eu/pages/EAP/
documents/ICTcarers4pagelealet.pdf
(12.11.2013).
3 Die Länderauswahl erfolgte nach dem Kriterium, möglichst alle europäischen Sozialhilfemodelle zu erfassen: Österreich, Frankreich und
Deutschland (Kontinentalmodell), Italien und
Spanien (Mediterranmodell), Vereinigtes Königreich und Irland (Angelsächsisches Modell),
Finnland und Schweden (Skandinavisches
Modell), Ungarn, Tschechien und Slowenien
(Osteuropamodell).
4 Alle Informationen über die in diesem Beitrag
erwähnten Hilfsmittel sind zusammengetragen
aus Lit. Schmidt et al., Chiatti et al. und Carretero et al.
5 www.hft.org.uk/sotries/Personalised-technology/
6 www.justchecking.co.uk
7 www.campus.anzianienonsolo.it
8 www.actioncaring.se
9 www.forum.carersuk.org
Gesundheit
Demenz der Unterstützungsbedürftigen zu verlangsamen.
Wirkungsnachweis
Trotz der vielen positiven Erfahrungen, von denen plegende Angehörige
in Zusammenhang mit dem Einsatz
von IKT berichten, zeigen die Ergebnisse aus dem CARICT-Projekt,10 dass
die Wirkungsprüfung in diesem Bereich noch in den Kinderschuhen
steckt. So gab es auf Projektstufe nur
wenige objektive Belege für eine tatsächliche Verbesserung des gesundheitlichen Wohlbeindens oder der
gesellschaftlichen Teilhabe (so-cial
inclusion) der Betreuenden. Die meisten der untersuchten IKT-basierten
Ansätze werden keiner Wirkungsüberprüfung unterzogen. Daher lassen sich
lediglich Aussagen zur Akzeptanz der
Technologie bzw. zur Zufriedenheit
der Zielgruppe machen. Aus Sicht der
Anbieter zeigt sich der zentrale Vorteil
einer Integration von IKT in Langzeitbetreuungssysteme darin, dass viele
der angesprochenen Instrumente relativ preisgünstig, terminierbar und
lexibel einsetzbar sind.
In Fällen, wo eine Wirkungsmessung vorgenommen wurde, zeigte sich,
dass beispielsweise Telecare-Systeme
Hospitalisierungen und Überweisungen in stationäre Einrichtungen von
älteren Betreuten bis zu einem gewissen Grad verringern konnten. So liessen sich im Fall von Just Checking
Heimeinweisungen in Herefordshire
County in einem Jahr um 43 Prozent
senken. Ähnliche Ergebnisse weisen
Emergency Alarm in Ungarn und
E-Care in Italien auf. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die eingesetzten Instrumente die Zielgruppe
10 Lit. Barbabella and Lamura
11 www.jitscotland.org.uk/action-areas/telecarein-scotland/
12 Lit. Kubitschke and Cullen
13 Die Bandbreite hängt von der Deinition des
Begriffs «plegende Angehörige» ab, und besonders von der Häuigkeit/Qualität der Plegeaktivitäten sowie der Anzahl Plegender mit
einer positiven Haltung gegenüber IKT (Lit.
Lamura et al.).
Einsatz von IKT zur Unterstützung plegender Angehöriger
der freiwillig Plegenden und Betreuenden so stark entlasten, dass sie die
Betreuung auch über einen längeren
Zeitraum übernehmen können und
sich Übertritte in eine kostenintensivere institutionelle Plege hinauszögern lassen.
Auch eine Programmevaluation des
National Telecare Development Programme11 in Schottland weist in diese
Richtung. Zwischen 2006 und 2011
sparten lokale und landesweit operierende Leistungserbringer im Gesundheitswesen über das Programm mehr
als 78 Mio. Pfund ein. Dabei hatte die
verbesserte Lebensqualität der Telecarenutzer weniger Heimeinweisungen oder ungeplante Hospitalisierungen zur Folge.
Geschäftsmodelle für die IKTbasierte Angehörigenplege
Die mögliche Grösse und typischen
Merkmale eines Marktes für die IKTbasierte Unterstützung von Laienplegenden sind noch nicht klar umrissen, auch deshalb nicht, weil die
Zahl der bekannten erfolgreichen
Geschäftsmodelle12 noch klein ist.
Insofern bedeutet das Fehlen geeigneter Daten eine noch ungenutzte
Chance, einem riesigen Zielpublikum
europaweit innovative und wirksame
Dienstleistungen näherzubringen.
Schätzungen zur Anzahl plegender
Angehöriger, die in Europa potenziell
an technologiebasierten Hilfsmitteln
interessiert sind, bewegen zwischen 4
und 19 Millionen Menschen,13 was
eine ungefähre Vorstellung der gesellschaftlichen Bedeutung dieses Themas vermittelt.
Die Finanzierbarkeit ist zweifelsohne eines der Haupthindernisse für
die Zukunftsfähigkeit von IKT-basierten Diensten. Viele der Instrumente sind in der Entwicklung und
Umsetzung relativ kostengünstig: 19
der 54 untersuchten Projekte – grösstenteils Online-Dienste – geben an,
mit jährlichen Budgets von unter
10 000 Euro auszukommen. Nur einige Telecaresysteme und Smarthome-
Technologien benötigen über 500 000
Euro im Jahr (die hauptsächlich an
die Hersteller und die lokalen Anbieter gehen). Zur nachhaltigen Verankerung und für weiteres Wachstum
müsste den kleineren Anbietern zuerst eine Konsolidierung ihrer Projekte im lokalen Rahmen gelingen.
Nur in wenigen Fällen, vorab OnlineDiensten und -Netzwerken, konnten
lokal operierende IKT-Dienste zur
Unterstützung plegender Angehöriger regional oder gar landesweit verankert werden.
Als erfolgskritisch erweist sich das
Zusammenspiel von gewinnorientierten, Non-proit- und öffentlichen Akteuren. Handelt es sich bei den Anbietern um gewinnorientierte Unternehmen, müssen zuerst lokale
Projekte entwickelt, aufgebaut und
konsolidiert werden, bevor weitere
Investitionen getätigt und Wachstum
generiert werden kann. Insbesondere
zur zielgerichteten Unterstützung
kleinerer und mittlerer Unternehmungen wäre hier ein staatliches Eingreifen mit Steuererleichterungen
oder anderen Anreizen wünschenswert. Aber auch zur nachhaltigen
Sicherung von Non-proit-Dienstleistungen ist es unabdingbar, dass das
Unternehmen eine kritische Grösse
erreicht und dabei von einer möglichst grossen Anzahl Freiwilligen
unterstützt wird. So kann der von den
Maltesern geführte Emergency Alarm
in Ungarn derzeit auf über 1 000 freiwillige Helfer zurückgreifen.
Die in der CARICT-Studie untersuchten Angebote weisen abhängig
von der jeweiligen Struktur der betrachteten Wohlfahrtsstaaten unterschiedliche Finanzierungsmodelle auf.
In skandinavischen, kontinental- und
osteuropäischen Ländern scheinen
die Non-Proit- und Wohlfahrtsorganisationen eine dominante Rolle als
Anbieter einschlägiger Projekte zu
spielen. Allerdings sind die jeweils
unterliegenden Ursachen unterschiedlich. Im kontinentalen und
skandinavischen Kontext sind der
Non-Proit-Sektor und das Gesundheits- sowie das Sozialhilfewesen re-
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
327
Sozialpolitik
lativ hoch entwickelt, was die Zusammenarbeit auf lokaler Ebene erleichtert. In osteuropäischen Ländern
weisen die öffentlichen Gesundheitsund Langzeitplegesysteme etwas
mehr Mängel auf. Diese werden durch
die Präsenz von Non-Proit-Organisationen aufgefangen, deren innovatives Angebot die Mitteloptimierung
ermöglicht. In Mittelmeerländern
wiederum ist es üblich, dass IKTAnsätze für plegende Angehörige im
Rahmen von EU-inanzierten Projekten zum Tragen kommen, während im
Vereinigten Königreich und Irland auf
allen Staatsebenen staatliche Gesundheits- und Langzeitplegesysteme
vorherrschend sind und dementsprechend als Anbieter von IKT-basierten
Lösungen auftreten. Bleibt darauf
hinzuweisen, dass die skandinavischen Länder über einen äusserst
initiativen Privatsektor verfügen, war
er doch in sämtlichen der acht untersuchten Angebote in die Projektentwicklung und -umsetzung involviert.
Ausblick
Mit der zunehmenden Verbreitung
der Informationstechnologie über die
ansteigende Nutzung von Smart-phones und Sozialen Medien werden die
digitalen Kenntnisse aller Altersgruppen zunehmen, so dass sich die Anwendung von IKT zur Unterstützung
der Plege zu Hause rasch entwickeln
wird. Allerdings lässt sich deren Kostenefizienz und Wirksamkeit derzeit
schlecht beurteilen. Obschon einige
Ergebnisse darauf hindeuten, dass
unabhängige Märkte für die beschriebenen IKT-basierten Dienstleistungen
bestehen, bleiben dennoch Hindernisse zu überwinden. Neben der Akzeptanz unter den Zielgruppen und möglichen Anbietern sowie der Bereitschaft zur Entwicklung innovativer
Lösungen müssen auch klare inanzielle Ertrags- und soziale Erfolgsaussichten gegeben sein. Gesellschaftlich
relevant ist dabei insbesondere auch
die Tatsache, dass sich der Beziehungsaspekt der Plege nicht durch Tech-
328
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
Einsatz von IKT zur Unterstützung plegender Angehöriger
nologie ersetzen lässt. Die Bedeutung
der persönlichen Beziehung bei der
Betreuung ist nicht zu vernachlässigen. Allerdings kann es gut sein, dass
technologievertrautere Generationen
die technischen Möglichkeiten zur
interaktiven Betreuung von älteren
Menschen viel ungezwungener einsetzen werden, um dem sich abzeichnenden Betreuungsnotstand entgegenzuhalten, der sich mit der Überalterung
der europäischen Gesellschaft abzeichnet.
Obschon der Blick in die Zukunft
durch viele Unbekannte getrübt ist,
scheint es gleichwohl möglich, für jedes Land das Unterstützungspotenzial auszuloten, das sich plegende Angehörige voraussichtlich zu erschliessen vermögen. So weist auch die
Schweiz einen gewissen Bedarf an
IKT-Unterstützung in der Angehörigenplege aus. Dies gilt, obschon die
Abdeckung durch Plege zu Hause
und in Einrichtungen im internationalen Vergleich14 gross ist. Da die plegenden Angehörigen die starke emotionale Bindung mit den betreuten
Menschen und die innere Zufriedenheit, die sie aus der Betreuungsaufgabe schöpfen, betonen,15 kann eine
gewisse Zurückhaltung in der Nutzung der IKT-Angebote angenommen
werden. Entsprechend wird die Plegeunterstützung durch die Angehörigen erheblich bleiben, auch wenn mit
neun Stunden pro Woche für die meisten der Aufwand niedriger ist als in
anderen europäischen Ländern.16
Angesichts der zunehmenden Bevölkerungsmobilität könnten IKTLösungen mit Videokommunikation
weiter entfernt wohnende Betreuende in ihrer Aufgabe unterstützen. Zudem zeigt das SwissAgeCare-Projekt,
dass es mit Partnern und Töchtern
älterer Personen eine kleine Gruppe
von intensiv plegenden Angehörigen
gibt, die keinen Zugang zu Entlastungsangeboten haben.17 Hier liessen
sich IKT-Instrumente zur OnlineSchulung und -Beratung einsetzen.
Zudem könnte die Einrichtung von
Reservationsplattformen für Entlastungsangebote die Vereinbarung von
Erwerbs- und Plegetätigkeit erleichtern.
Insgesamt bergen IKT viel Potenzial zur Entwicklung innovativer Angebote, welche die Schulung plegender Angehöriger zum einen und deren
soziale Partizipation zum anderen
fördern. Allerdings fehlt zu ihrer systematischen Erschliessung das nötige
Wissen auf der Makroebene. Die
mangelnde Wirkungsanalyse auf Projektebene verunmöglicht die kontinuierliche Evaluation der Ansätze, die
sich dadurch auch einem breiteren
Vergleich und der Verallgemeinerung
entziehen. Es ist die Aufgabe der
beteiligten Fachleute, politischen Entscheidungsträger und der Forschung,
die nötigen Schritte zu unternehmen
und Untersuchungen durchzuführen,
damit fundierte und funktionierende
Innovationen den Betroffenen in ganz
Europa zugänglich gemacht werden
können.
Francesco Barbabella, Ph.D., Research Fellow am Centro Studi e Ricerca EconomicoSociali per l invecchiamento, Istituto Nazionale di Riposo e Cura per Anziani (INRCA),
Ancona
E-Mail: f.barbabella@inrca.it
Andrea E. Schmidt, M.Sc., Researcher, Europäisches Zentrum für Wohlfahrtspolitik
und Sozialforschung, Wien
E-Mail: schmidt@euro.centre.org
Giovanni Lamura, Ph.D., Leiter des Centro
Studi e Ricerca Economico-Sociali per l invecchiamento, Istituto Nazionale di Riposo
e Cura per Anziani (INRCA), Ancona
E-Mail: g.lamura@inrca.it
14 Lit. Höplinger; Lit.Rodrigues et al., Lit. Huber
and Lamura, 88
15 Lit. Perrig-Chiello, 139
16 Lit. Colombo et al., 90
17 Lit. Perrig-Chiello, 209
gesundheit
Gesundheit
Netzwerk Psychische Gesundheit Schweiz
Netzwerk Psychische Gesundheit Schweiz –
eine Zwischenbilanz
Beim Netzwerk Psychische Gesundheit (NPG) handelt es sich um einen
Zusammenschluss von Akteuren, die sich für die Verbesserung der
psychischen Gesundheit und die Prävention psychischer Erkrankungen
einsetzen. Als Austausch- und Vernetzungsplattform soll es Synergiemöglichkeiten sicht- und nutzbar machen und die Efizienz sowie
Wirksamkeit der ergriffenen Massnahmen erhöhen. Eine externe
formative Evaluation zog nach zwei Jahren eine positive Bilanz der
bisher geleisteten Arbeit.
Alfred Künzler
Netzwerk Psychische
Gesundheit Schweiz
Katrin Jentzsch
Bundesamt für Sozialversicherungen
Psychische Störungen sind persönlich,
gesellschaftlich und volkswirtschaftlich relevant. Die jährlichen Kosten
(Behandlungs- und Folgekosten)
affektiver Erkrankungen bei Personen im erwerbsfähigen Alter in der
Schweiz werden auf über 11 Milliarden Schweizer Franken geschätzt).1
Depressionen sind deshalb ein prioritäres gesundheits- und sozialpoliti1 Lit. Tomonaga et al. und Lit. Obsan
2 Gesundheit2020: Die gesundheitspolitischen
Prioritäten des Bundesrates, 23. Januar 2013:
www.gesundheit2020.ch
3 Lit., Widmer et al.
sches Thema, das auch in der bundesrätlichen Strategie Gesundheit20202
die gebührende Beachtung indet,
indem die Förderung der psychischen
Gesundheit sowie die Verbesserung
der Vorbeugung und der Früherkennung psychischer Erkrankungen als
Zielsetzung genannt werden.
Das Netzwerk Psychische Gesundheit Schweiz begegnet den multifaktoriellen Bedingungen psychischer
Gesundheit mit einem multisektoralen Ansatz. Im Zentrum stehen die
Förderung der psychischen Gesundheit und Verminderung psychischer
Erkrankungen sowie die Suizidprävention. Träger sind das Bundesamt
für Gesundheit, das Staatssekretariat
für Wirtschaft, das Bundesamt für
Sozialversicherungen, die Schweizerische Konferenz der kantonalen
Gesundheitsdirektorinnen und
-direktoren sowie die Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz. Eine
Mitgliedschaft im Netzwerk steht allen öffentlichen und privaten Akteuren offen, die sich für die psychische
Gesundheit engagieren. Bislang haben sich 83 Organisationen angeschlossen.
Der Zusammenschluss im Netzwerk soll möglichst vielen Akteuren
einen wirkungsvollen Informationsund Wissenstransfer erlauben, innovative Ansätze zugänglich machen
und Synergien fördern. Netzwerkeigene Präventionsmassnahmen sind
nicht vorgesehen. Seit 2012 läuft der
gegenseitige Austausch über eine Internetplattform, die fortlaufend um
Fachinformationen und News rund
um die psychische Gesundheit ergänzt wird. Ein Newsletter informiert
regelmässig über anstehende Aktivitäten. Jedes Jahr indet eine öffentliche Netzwerktagung statt. In diesem
Jahr haben knapp 170 Fachleute die
Gelegenheit genutzt, sich zum Thema
«Psychische Gesundheit: Wie kommen wir zu Verständnis und Finanzen?» auszutauschen und weiterzubilden. Referenten aus internationalen, nationalen und regionalen,
öffentlichen sowie privaten Institutionen zeigten auf, wie Organisationen
Programme zu psychischer Gesundheit erfolgreich umsetzen und welche
menschlichen und monetären Gewinne sie aus dieser Investition erzielen.
Ein Jahr nach Programmbeginn hat
die Trägerschaft des NPG eine externe formative Evaluation in Auftrag
gegeben,3 deren Ergebnisse grundsätzlich sehr positiv sind: Die strate-
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
329
Gesundheit
gischen Zielsetzungen des Netzwerkes sind unbestritten und die breit
abgestützte multisektorale Trägerschaft ist wertvoll. Die Leistungen des
NPG treffen den Bedarf, das Angebot
ist unter den relevanten Akteuren
bekannt und wird rege genutzt. Die
Etablierung des Netzwerkes scheint
somit eine Lücke geschlossen zu haben.
Aufgrund der Evaluation haben die
Träger entschieden, die Stossrichtung
des NPG beizubehalten. Verschiedene Empfehlungen des Evaluationsberichts werden dabei umgesetzt. Dazu
gehören die Aufstockung der Ressourcen und Schwerpunktsetzungen
in den Bereichen «Psychische Gesundheit und Arbeit» und «Psychische
Gesundheit von Kindern und Jugendlichen». Der Zusammenarbeitsvertrag
der Trägerorganisationen ist bis ins
Ende 2016 verlängert worden.
330
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
Netzwerk Psychische Gesundheit Schweiz
Weiterführende Lektüre
Tomonaga Yuki et al. «The Economic Burden of Depression in Switzerland»,
in PharmacoEconomics 31, 2013, 237–250
Schuler, Daniela und Laila Burla, Psychische Gesundheit in der Schweiz. Monitoring 2012. Obsan Bericht 52, Neuenburg 2012: www.obsan.ch ➞ Aktuelles
➞ Publikationen (31.10.2013)
Widmer Thomas et al., Evaluation Netzwerk Psychische Gesundheit Schweiz,
[Bundesamt für Gesundheit, Bern]: www.npg-rsp.ch ➞ News ➞ Evaluation
(31.10.2013)
Dr. Alfred Künzler, Leiter Koordinationsstelle, Netzwerk Psychische Gesundheit
Schweiz
E-Mail: alfred.kuenzler@npg-rsp.ch
Katrin Jentzsch, wissenschaftliche Mitarbeiterin, Bereich Beruliche Integration,
Geschäftsfeld Invalidenversicherung, BSV
E-Mail: katrin.jentzsch@bsv.admin.ch
gesundheit
Gesundheit
Belastung durch obligatorische Gesundheitsausgaben
Regionale Unterschiede bei der Belastung durch
die obligatorischen Gesundheitsausgaben
Die Belastung der Haushalte durch die Gesundheitsausgaben ist in
den Schweizer Kantonshauptorten sehr unterschiedlich. Dabei spielt
neben der Höhe der Prämien für die obligatorische Krankenplegeversicherung (OKP) die unterschiedliche Ausgestaltung der Prämienverbilligung der Kantone eine wesentliche Rolle. Aber auch der Anteil der
Steuern, welchen die Versicherten für die Finanzierung des Gesundheitssystems bezahlen, ist insbesondere bei höheren Einkommen nicht
zu vernachlässigen.
Oliver Bieri
Helen Köchli
Interface Politikstudien Forschung Beratung, Luzern
Im Jahr 2012 hat eine vierköpige Familie mit zwei minderjährigen Kindern in Appenzell Innerrhoden 7 752
Franken für die Prämien der obligatorischen Krankenplegeversicherung
(OKP) bezahlt. Würde die Familie in
Basel-Stadt wohnen, hätte sie dafür
14 236 Franken beglichen. Das entspricht einer Differenz von 6 484 Franken pro Jahr beziehungsweise 540
Franken im Monat. Neben den Prämien spielen für die privaten Haushalte auch über Steuern erhobene
Beiträge zuhanden des Bundes, der
Kantone und der Gemeinden, welche
zur Finanzierung des schweizerischen
Gesundheitssystems beitragen, eine
Rolle. Demzufolge wurden sie für den
in diesem Beitrag vorgestellten Ver1 Lit. Bieri/Köchli
gleich der Haushaltsbelastung durch
die obligatorischen Gesundheitsausgaben miteinbezogen.1 Schliesslich
wurde auch die Subventionierung der
OKP-Prämien durch die individuelle
Prämienverbilligung berücksichtigt.
Da sowohl die Höhe des Steueranteils
für das Gesundheitswesen als auch
die Prämienverbilligung einkommens- und vermögensabhängig sind,
müssen für einen aussagekräftigen
Vergleich zudem die unterschiedlichen Einkommensverhältnisse der
Versicherten berücksichtigt werden.
Um die Komplexität der Berechnungen zu beschränken, wurden einige
Annahmen getroffen und weitere
mögliche Einlussfaktoren ausgeklammert (vgl. Kasten). Im Zentrum
der Untersuchung standen die kantonalen und kommunalen Unterschiede
bei der Belastung durch die obligatorischen Gesundheitsausgaben in Abhängigkeit vom Bruttoeinkommen.
Zusätzlich wurden die aktuellen Berechnungen mit denjenigen aus dem
Jahr 2007 verglichen.
Methodisches Vorgehen
und Berechnungen
Wie eingangs erwähnt, bildet die
OKP-Prämie die tatsächlichen Gesundheitskosten, die die Versicherten
im Bereich der obligatorischen Krankenplegeversicherung tragen, nur
ungenau ab. An ihrer Stelle wurden
die obligatorischen Gesundheitsausgaben als Vergleichsgrösse gewählt.
Dazu wurde erstens die (Netto-)Prämienbelastung eruiert, die der Differenz zwischen der OKP-Prämie und
der von den Kantonen gewährten,
individuellen Prämienverbilligung
entspricht. Zweitens wurde der Steueranteil ausgewiesen, den die Haushalte an die Gesundheitskosten der
öffentlichen Hand beitragen. Dabei
handelt es sich um den Bundesanteil
an der Prämienverbilligung sowie den
Netto-Finanzierungsbedarf der Kantone und Gemeinden für das Gesundheitswesen, das heisst für Spitäler,
Heime, Spitex, Verwaltung und Prävention. Die obligatorischen Gesundheitsausgaben entsprechen alsodann
der Summe aus der (Netto-)Prämie
und jenem Steueranteil, der in die
Finanzierung des Gesundheitswesens
liesst.
Da die für die obligatorischen Gesundheitsausgaben aufgewendete
Summe pro Haushalt massgeblich von
dessen Grösse abhängt, unterscheidet
die Studie zwei Haushaltstypen. Die
Ausführungen des vorliegenden Beitrags beschränken sich allerdings auf
den Typ der Familie mit verheirateten
Eltern und zwei Kindern unter 16
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
331
Gesundheit
Jahren. Verzichtet wurde bereits in
der Studie auch auf die Darstellung
der Berechnungen zu den Gesundheitsausgaben für tiefe Einkommen,
welche im Anspruchsbereich der Sozialhilfe liegen. Die für die OKPPrämien aufgewendeten Ausgaben
unterliegen hier besonderen Bestimmungen.
Annahmen für die Berechnungen der obligatorischen
Gesundheitsausgaben
• Situationsbedingte Gesundheitsausgaben wie etwa Kostenbeteiligungen
oder Kosten für Medikamente, Behandlungen und Therapien, die nicht von
den Kran-kenversicherern übernommen werden («Out-of-Pocket»-Ausgaben), wurden nicht berücksichtigt.
• Es wurden ausschliesslich die OKP-Prämien angerechnet. Allfällige Zusatzversicherungen gemäss VVG wurden nicht miteinbezogen.
• Alle Berechnungen beziehen sich auf den Kantonshauptort unter Berücksichtigung der jeweiligen Prämienregion.
• Bei der Berechnung der Steuern wurden steuerrelevante Vermögenswerte
und Liegenschaften ausgeklammert. Auch Beiträge für die 3. Säule und allfällige Prämienverbilligungsbeiträge der Vorjahre wurden nicht in die Berechnungen einbezogen.
• Die berücksichtigten Haushalte haben ihre Ansprüche auf eine Prämienverbilligung gemäss den kantonalen Richtlinien geltend gemacht.
• Die berücksichtigten Haushalte beziehen weder Sozialhilfe noch Ergänzungsleistungen zur AHV oder IV.
Kantonale Unterschiede
Der interkantonale Vergleich der
obligatorischen Gesundheitsausgaben
einer Familie mit zwei Kindern und
einem Bruttojahreseinkommen von
72 000 Franken – im weiteren als Modellfamilie bezeichnet – offenbart
neben den zu erwartenden Prämienunterschieden grosse Divergenzen bei
der Höhe der ausgerichteten Prämienverbilligungen (vgl. Graik G1).
Erstere reichen von 7 752 Franken im
Kanton Appenzell Innerrhoden bis
14 236 Franken im Kanton Basel-Stadt,
was einer Spannweite von 6 484 Franken entspricht. Die Höhe der Prämienverbilligung kann als Differenz
zwischen den schwarzen Punkten (Höhe der OKP-Prämie) und dem oberen
Ende der grauen Balken (verbleibende Prämienbelastung) abgelesen werden. Sie reicht von 1 260 Franken im
Belastung durch obligatorische Gesundheitsausgaben
Kanton Thurgau bis zu 7 608 Franken
im Kanton Neuenburg. Die Wirkung
der Subventionen lässt sich exemplarisch am Vergleich der Kantone BaselLandschaft und Tessin zeigen, die beide nahezu gleich hohe OKP-Prämien
aufweisen. Aufgrund der unterschiedlich hohen Prämienverbilligung weichen die Kantone in Bezug auf die
verbleibende Prämienbelastung jedoch beträchtlich voneinander ab.
Im Quervergleich am höchsten sind
die obligatorischen Gesundheitsausgaben für die Modellfamilie im Kanton Waadt. Abzüglich der Prämienverbilligung bezahlt diese dort 9 855
Franken für die Krankenkassenprämie sowie einen Steueranteil von 832
Jährliche obligatorische Gesundheitsausgaben der Modellfamilie im Jahr 2012
G1
Franken
20 000
18 000
16 000
14 000
12 000
10 000
8 000
6 000
4 000
2 000
0
VD GE BL BS BE ZH JU SH TG FR SO LU SG AG GL UR VS NW SZ GR TI
Prämienbelastung
Steueranteil Gesundheitswesen
AI AR NE OW ZG
OKP-Prämie
Quellen: Durchschnittsprämien Datenpool santésuisse; Merkblätter 2012 zur Prämienverbilligung der Kantone der GDK; eigene Berechnungen
332
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
Gesundheit
Belastung durch obligatorische Gesundheitsausgaben
Obligatorische Gesundheitsausgaben der Modellfamilie 2007 und 2012
G2
Franken
20000
18000
16000
14000
12000
10000
8000
6000
4000
2000
0
VD GE
BL
BS
BE
ZH
JU
SH
TG
FR
SO
LU
SG AG GL
2007
2012
UR
VS NW SZ
GR
TI
AI
AR
NE OW ZG
Quellen: Durchschnittsprämien Datenpool santésuisse; Merkblätter 2012 zur Prämienverbilligung der Kantone der GDK; eigene Berechnungen
Franken, wendet damit insgesamt
10 687 Franken für die obligatorischen
Gesundheitsausgaben auf. Zusammen mit dem Kanton Waadt gehören
auch die Kantone Genf, Basel-Landschaft, Basel-Stadt, Bern und Zürich
zu den Kantonen mit hoher Belastung. Demgegenüber ist sie für die
Modellfamilie in den beiden Appenzell, in Neuenburg, Obwalden und
Zug dank der Prämienverbilligung am
geringsten. Die Differenz zwischen
dem teuersten Kanton (VD) und dem
günstigsten Kanton (ZG) beträgt
beim betrachteten Einkommensniveau 7 819 Franken.
Die Wirkung des über die Steuern
entrichteten Finanzierungsanteils am
Gesundheitswesen lässt sich am Beispiel der Kantone Obwalden und Zug
zeigen. Obschon die Prämienbelastung in Obwalden tiefer ist als in Zug,
fallen die Gesundheitsausgaben aufgrund des höheren Steueranteils im
Kanton Obwalden insgesamt höher
aus als im steuergünstigeren Kanton
Zug.
Die Studie vermag auch aufzuzeigen, dass der Steueranteil für die Gesundheitsausgaben der Haushalte in
den höheren Einkommensklassen im
Vergleich zu den Prämien an Gewicht
gewinnt. In der mittleren Einkommensklasse (100 000 Franken Bruttojahreseinkommen) gewähren zudem
nicht mehr alle Kantone eine Prämienverbilligung, womit die Differenzen
zwischen den Kantonen ansteigen. So
beträgt die Diskrepanz zwischen dem
teuersten und dem günstigsten Kanton bei der Gesamtbelastung in dieser
Einkommensklasse 11 207 Franken.
In der höchsten in der Studie betrachteten Einkommensklasse (140 000
Franken Bruttojahreseinkommen)
nimmt die Spannweite mit 9 002 Franken wieder leicht ab, da lediglich noch
drei Kantone eine Prämienverbilligung gewähren. Hier sind die interkantonalen Differenzen vor allem auf
die unterschiedlichen OKP-Prämien
und den Steueranteil für das Gesundheitswesen zurückzuführen.
Kommunale Unterschiede
Exemplarisch für Kantone, die
mehrere Prämienregionen mit abgestufter OKP-Prämie kennen (ZH, BE,
LU, SG, GR), wurde die Belastung
durch die obligatorischen Gesundheitsausgaben im Jahr 2012 in den
unterschiedlichen Prämienregionen
der Kantone Bern und Luzern analysiert. Dabei erwies sich die unterschiedliche Steuerbelastung zwischen
den einzelnen Gemeinden derselben
Prämienregion als wichtige Einlussgrösse für die Gesamtbelastung des
Modellhaushalts durch die obligatorischen Gesundheitsausgaben. Neben
der kommunal unterschiedlichen
Steuerlast gewichten die Prämienunterschiede und die Prämienverbilligungsbeiträge aber nach wie vor. Im
Kanton Bern beträgt der Unterschied
in den obligatorischen Gesundheitsausgaben für die Modellfamilie zwischen der teuersten Gemeinde (Oberbalm, Prämienregion 1) und der günstigsten Gemeinde (Niederönz,
Prämienregion 3) jährlich 1 204 Franken beziehungsweise rund 14,5 Prozent. Im Kanton Luzern dagegen liegt
die entsprechende Differenz zwischen
der günstigsten (Horw, Prämienregion
1) und der teuersten Gemeinde (Hasle, Prämienregion 3) bei 620 Franken
respektive 8,6 Prozent. Während im
Kanton Bern eine Gemeinde aus der
höchstbelasteten Prämienregion 1 die
Spitzenposition einnahm, war es in
Luzern eine Gemeinde aus der günstigsten Prämienregion 3. Zur detaillierten Betrachtung der obligatori-
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
333
Gesundheit
Belastung durch obligatorische Gesundheitsausgaben
Obligatorische Gesundheitsausgaben der Modellfamilie im Kanton Neuenburg 2007 und 2012
G3
Franken
18000
16000
14000
12000
10000
8000
6000
4000
2000
0
0
20000
40000
Bruttojahreseinkommen in Franken
60000
80000
2012
100000
2007
120000
Modellfamilie
Quellen: Durchschnittsprämien Datenpool santésuisse; Merkblätter 2012 zur Prämienverbilligung der Kantone der GDK; eigene Berechnungen.
schen Gesundheitsausgaben lohnt
sich daher eine Differenzierung sowohl nach Prämienregionen als auch
nach kommunalem Steuerfuss.
Entwicklung zwischen 2007
und 2012
Die Analysen zur Entwicklung der
obligatorischen Gesundheitsausgaben
zwischen den Jahren 2007 und 2012
haben ergeben, dass die Gesundheitsausgaben in den meisten Kantonen
zugenommen haben (vgl. Graik G2)
und das Wachstum dabei meist über
der generellen Teuerung gemäss Landesindex der Konsumentenpreise lagen. Gleichzeitig sind sie jedoch etwas
weniger stark angestiegen als die
OKP-Prämien. Gemäss Studie ist diese Entwicklung mit Veränderungen im
Bereich der Prämiensubventionierung und der Steuergesetzgebung zu
erklären.
Die Zusammenstellung der jährlichen obligatorischen Gesundheitsausgaben des Modellhaushalts in den
Jahren 2007 und 2012 zeigt, dass diese
in den meisten Kantonen ausser in
Zürich, Luzern, Obwalden, Zug, Graubünden, Tessin, Neuenburg und Jura
angestiegen sind. Vergleichsweise ge-
334
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
ring ist der Anstieg in den Kantonen
Appenzell Ausserrhoden und Wallis.
Die grösste Zunahme verzeichnen
Basel-Landschaft, Basel-Stadt, Bern
und Uri.
Im beobachteten Zeitraum ist der
mittlere jährliche Anstieg der obligatorischen Gesundheitsausgaben für
die Modellfamilie mit 0,2 Prozent relativ gering. Gleichzeitig sind die OKPPrämien aber jährlich um 3,6 Prozent,
die Konsumentenpreise um 2,2 Prozent (Jahresteuerung 0,4%) gestiegen.
Als mögliche Einlussfaktoren für das
vergleichsweise tiefe Wachstum der
Gesundheitsausgaben kamen aufgrund der vorangehenden Analysen
Prämienverbilligungen oder Veränderungen beim Steueranteil in Frage.
Folglich wurden in einem weiteren
Schritt die Veränderungen im Einkommensbereich zwischen 40 000 und
120 000 Franken differenziert nach den
OKP-Prämien, der Prämienverbilligung und dem Steueranteil für das
Gesundheitswesen untersucht.
Am Beispiel des Kantons Neuenburg und anhand einer Familie mit
zwei Kindern sollen die wichtigsten
Erkenntnisse nachgezeichnet werden.
Für beide untersuchten Jahre kommt
in der Graik G3 die Anwendung eines
Stufensystems bei der Prämienverbil-
ligung zum Ausdruck. Die Anhebung
der für die Subvention massgebenden
Richtprämien und Einkommensgrenzen im Rahmen einer Systemanpassung führten für die Neuenburger
Modellfamilie dazu, dass die Prämienverbilligung 2012 im Vergleich zu
2007 wesentlich grösser war und die
Prämienbelastung trotz des Anstiegs
der OKP-Prämie sank. Dadurch wurde für Familien mit zwei Kindern aller
Einkommensklassen bis zu einem jährlichen Bruttoeinkommen von 116 000
Franken die Gesamtbelastung durch
die obligatorischen Gesundheitsausgaben gesenkt. Gleichzeitig wurde
erreicht, dass der einkommensrelevante Anstieg der Belastung erst bei
einem jährlichen Bruttoeinkommen
von rund 82 000 Franken erfolgt.
Fazit
Die Analysen weisen bei den obligatorischen Gesundheitsausgaben
grössere kantonale Differenzen aus
als bei den OKP-Prämien alleine.
Insbesondere in den unteren Einkommensklassen werden die kantonalen Disparitäten bei den obligatorischen Gesundheitsausgaben massgeblich durch die Prämienverbilligung
Gesundheit
beeinlusst. In den mittleren und
hohen Einkommensbereichen spielt
zunehmend der Steueranteil für das
Gesundheitswesen eine wesentliche
Rolle.
Am Beispiel der Modellfamilie hat
sich gezeigt, dass die obligatorischen
Gesundheitsausgaben in den Kan-
Studie:
Bieri, Oliver und Helen Köchli; Regionale
Unterschiede bei der Belastung durch die
obligatorischen Gesundheitsausgaben.
OKP-Prämien, Prämienverbilligungen und
Steueranteile für das Gesundheitswesen im
kantonalen und kommunalen Vergleich.
Obsan Dossier 25; Neuenburg 2013:
www.obsan.ch ➞ Publikationen
(nur als PDF )
Belastung durch obligatorische Gesundheitsausgaben
tonen Bern, Basel-Stadt, Waadt,
Genf und Jura am höchsten, in Nidwalden, Obwalden, Schwyz, Zug und
Appenzell-Innerrhoden am tiefsten
ausfallen. In diesen Kantonen werden die im schweizerischen Vergleich
tiefen OKP-Prämien im unteren
Einkommensbereich zusätzlich
durch die Prämienverbilligung massgeblich reduziert. Berücksichtigt
man auch noch den Steueranteil für
das Gesundheitswesen, dann sind es
wiederum jene Kantone mit einer
vergleichsweise geringen Steuerbelas-tung, die die tiefsten obligatorischen Gesundheitsausgaben aufweisen.
Die Differenzierung nach Prämienregionen am Beispiel der Kantone
Bern und Luzern belegt wesentliche
Unterschiede bei der Gesamtbelastung der obligatorischen Gesundheitsausgaben innerhalb und zwischen den Prämienregionen. Diese
lassen sich zum einen zurückführen
auf kommunal unterschiedliche
Steuersysteme zum anderen auf divergierende OKP-Prämien und Prä-
mienverbilligungsbeiträge in den
verschiedenen Prämienregionen.
Die Betrachtung der Entwicklung
der obligatorischen Gesundheitsausgaben zwischen den Jahren 2007 und
2012 hat ergeben, dass diese etwas
weniger stark angestiegen sind als
die OKP-Prämien. Dies liegt einerseits an der prozentual höheren Reduktion der OKP-Prämien durch die
Prämienverbilligung und andererseits – bedingt durch Veränderungen
bei den kantonalen Steuergesetzgebungen – am geringeren Steueranteil
für das Gesundheitswesen.
Oliver Bieri, Dr. phil. I, Leiter des Bereichs
Soziale Sicherheit und Integration,
Interface Politikstudien Forschung Beratung, Luzern
E-Mail: bieri@interface-politikstudien.ch
Helen Köchli, MA Economics, wissenschaftliche Mitarbeiterin, Interface Politikstudien
Forschung Beratung, Luzern
E-Mail: koechli@interface-politikstudien.ch
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
335
invalidenversicherung
Invalidenversicherung
Sozialleistungsbezüge und Proile von neuen IV-Rentenbeziehenden
Sozialleistungsbezüge und Profile von neuen IVRentenbeziehenden
Vom Eintreten einer gesundheitlichen Beeinträchtigung bis zur IV-Anmeldung und einer IV-Rente dauert es meistens mehrere Jahre. Es
kommt lange vor dem IV-Prozess zu Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit, zu schleichender berulicher Desintegration und in der Folge zur
Abhängigkeit von Sozialleistungen. Die Kenntnis der Erwerbsverläufe
und der vorgängigen Leistungsbezüge liefert Grundlagen für eine
wirksame Frühintervention. Im Folgenden werden Ergebnisse einer
Studie zu den Verläufen vor Rentenbeginn vorgestellt.
Robert Fluder
Renate Salzgeber
Berner Fachhochschule Soziale Arbeit
Mithilfe der Studie, die diesem Artikel
zugrunde liegt, wurden vertiefte Informationen über die IV-Neurentner
und Neurentnerinnen gewonnen und
Risikofaktoren für einen Sozialleistungsbezug vor einem IV-Rentenbezug identiiziert. Im Fokus standen die
vorgelagerten Leistungsbezüge aus
den Systemen der Sozialen Sicherheit,
insbesondere aus der Arbeitslosenversicherung (ALV) und der Sozialhilfe und ihre zeitliche Abfolge in den
fünf Jahren vor dem Rentenentscheid.
Die Untersuchung stützte sich auf
die Administrativdaten der IV und
ALV, die Sozialhilfestatistik der Jahre
2005 bis 2010 und – für Auswertungen
zur Erwerbstätigkeit – die individuellen Konten der AHV ab dem Jahr
2000. Berücksichtigt wurden die
336
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
Tobias Fritschi
13 313 IV-Neurentner und Neurentnerinnen des Jahres 2010, die älter als
23 Jahre waren, die nicht aufgrund
eines Geburtsbrechens eine IV-Rente bezogen und die nicht im Ausland
wohnten. Für die neuen IV-Rentenbeziehenden wurden typische zeitliche Abfolgen von vorgängigen Bezügen von Arbeitslosenentschädigung
(ALE) bzw. Sozialhilfe (SH) identiiziert und zu sechs Verlaufstypen zusammengefasst. Die sechs Verlaufstypen sowie die Erwerbsverläufe vor
dem IV-Rentenbezug wurden anhand
von Indikatoren charakterisiert und
soziodemograische sowie arbeitsmarktliche Proile der einzelnen Verlaufstypen erstellt. Anschliessend
wurde anhand der Merkmale der IVNeubeziehenden mithilfe eines mul-
tivariaten Erklärungsmodells die
Wahrscheinlichkeit bestimmt, zu
einem der sechs Verlaufstypen zu gehören (Risikofaktoren).
Verlaufstypen
Zur Rekonstruktion der Verlaufstypen wurden in den Jahren 2005 bis
2010 monatsweise Informationen
über den Bezug von ALE und Sozialhilfe identiiziert. Anhand der chronologischen Abfolge dieser Leistungsbezüge wurde die Typologie
entwickelt. Dabei wurde unterschieden, ob der letzte Sozialleistungsbezug innerhalb der dem Rentenentscheid vorangehenden zwölf Monate
erfolgte oder ob er länger zurücklag.
Wenn der Leistungsbezug bis mindestens zwölf Monate vor dem IV-Rentenentscheid andauerte, wurde der
Übergang als unmittelbar oder direkt
deiniert. Insgesamt wurden sechs
Verlaufstypen gebildet (vgl. Tabelle
T1).
Rund 54 Prozent der Bezügerinnen
und Bezüger einer IV-Neurente bezogen fünf Jahre vor der ersten Rente weder ALE noch Sozialhilfe (Verlaufstyp 6), während bei knapp der
Hälfte (46%) vorgängige Leistungsbezüge vorlagen (Verlaufstypen 1 bis
5). Dabei kamen die Leistungsbezüge
vor der IV-Rente in unterschiedlichen
Abfolgen vor. Mehr als ein Drittel
(34,1%) erhielt in den zwölf Monaten
unmittelbar vor Rentenbeginn entweder ALE oder Sozialhilfe, wobei
mehr als ein Fünftel (22%) direkt
über die Sozialhilfe (teilweise ergänzend zum ALE-Bezug) zur IV-Rente
kam. Die gut 10 Prozent Verläufe mit
Phasen von ALE- und nachfolgendem
Sozialhilfebezug vor der Zusprechung
einer IV-Rente (Verlaufstypen 2a und
2b) weisen auf länger andauernde
gesundheitliche Beeinträchtigungen
Invalidenversicherung
Sozialleistungsbezüge und Proile von neuen IV-Rentenbeziehenden
Verlaufstypen vor dem Rentenbezug
Verlaufstyp
1a: ALE ➞ IV
1b: ALE ➞ … ➞ IV
2a: ALE ➞ SH ➞ IV
2b: ALE ➞ SH ➞ … ➞ IV
3a: SH ➞ ALE ➞ IV
3b: SH ➞ ALE ➞… ➞ IV
4a: SH ➞ IV
T1
Kurzbeschreibung
vor dem Rentenentscheid nur ALE bezogen, wobei zwischen dem letzten Leistungsbezug und dem
Rentenbeginn weniger als 12 Monate liegen (unmittelbarer Übergang, gekennzeichnet durch ➞)
vor dem Rentenentscheid nur ALE bezogen, wobei zwischen dem letzten Leistungsbezug und dem
Rentenbeginn mehr als 12 Monate liegen (Übergang mit Unterbruch, gekennzeichnet durch ➞… ➞)
zwischen dem ALE-Bezug und dem Rentenentscheid liegt ein Sozialhilfebezug
(unmittelbarer Übergang Sozialhilfe–IV-Rente)
zwischen dem ALE-Bezug und dem Rentenentscheid liegt ein Sozialhilfebezug
(Übergang mit Unterbruch Sozialhilfe–IV-Rente)
zwischen dem Sozialhilfebezug und dem Rentenentscheid liegt ein ALE-Bezug
(unmittelbarer Übergang Sozialhilfe–IV-Rente)
zwischen dem Sozialhilfebezug und dem Rentenentscheid liegt ein ALE-Bezug
(Übergang mit Unterbruch Sozialhilfe–IV-Rente)
vor dem Rentenentscheid nur Sozialhilfe bezogen (unmittelbarer Übergang)
4b: SH ➞… ➞ IV
vor dem Rentenentscheid nur Sozialhilfe bezogen (Übergang mit Unterbruch)
5: Vorleistungen (SH, ALE)
ALE und Sozialhilfe wurde nur als Vorleistungen bezogen*
6: direkt in die IV
kein Leistungsbezug ALE oder Sozialhilfe vor dem Rentenentscheid
Quelle: BFH, Soziale Arbeit, Betrachtungszeitraum 2005–2010
* Der Anspruch auf eine IV-Rente beginnt frühestens sechs Monate nach dem Zeitpunkt der Anmeldung bei der IV. Wenn ALE- und
Sozialhilfebezüge nur in die Periode zwischen dem Zeitpunkt der rückwirkenden Rentenzusprache und dem Rentenentscheid fallen, werden sie als
Vorleistungen bezeichnet.
hin, die oftmals mit einer fortschreitenden berulichen Desintegration
einhergehen.
Bezug von
Arbeitslosenentschädigung
oder Sozialhilfe vor
Rentenbeginn
Insgesamt haben 28 Prozent der neuen IV-Rentenbeziehenden 2010 in den
rund fünf Jahren vor der IV-Rente
ALE bezogen. Ab 2000 – also in den
zehn Jahren vor Rentenbeginn – waren
es sogar 40 Prozent. Je nach Verlaufstyp
wurden zwischen 25 und 45 Prozent
der IV-Neurentnerinnen und -rentner
aus der Arbeitslosenversicherung aus1 Abhängig von der Deinition von Working Poor
(alle Erwerbstätigen unter einer bestimmten
Armutsgrenze oder nur Personen bzw. Haushalte mit einem Vollzeitpensum) liegt die Quote gesamtschweizerisch bei 3,5 bis 7,5 Prozent.
gesteuert; besonders häuig diejenigen,
die nach ALE noch Sozialhilfe bezogen. Oft lag die Arbeitslosigkeit länger
zurück und ein Teil der Betroffenen
wies mehrere Phasen mit ALE-Bezug
aus. Insgesamt liessen sich häuig Langzeitarbeitslosigkeit oder Verläufe mit
mehreren Phasen mit ALE-Bezug,
teilweise mit Aussteuerung, vor dem
Bezug einer IV-Rente, beobachten.
Ein Drittel der Bezügerinnen und
Bezüger neuer IV-Renten erhielt vor
Rentenbeginn Sozialhilfe, drei Viertel
davon länger als zwölf Monate. Im
Durchschnitt dauerte der Sozialhilfebezug rund zweieinhalb Jahre. Knapp
jede siebte betroffene Person, die vor
Rentenbeginn erwerbstätig war, musste ergänzend Sozialhilfe beanspruchen.
Mit 13 Prozent war der Anteil der Working Poor wesentlich höher als bei der
Gesamtbevölkerung.1 Bei einem Teil
der IV-Neurentnerinnen und Rentner
konnte zudem ein gleichzeitiger ALE-
und Sozialhilfebezug beobachtet werden. Bei psychischen Einschränkungen
waren Verläufe mit Sozialhilfebezug
deutlich häuiger als im Durchschnitt,
was darauf hinweist, dass Personen mit
psychischen Problemen häuiger und
länger einen Prozess der berulichen
Desintegration durchlaufen und dass
die Abklärungszeiten für diese Personen wesentlich länger dauern.
Leistungen der IV vor
Rentenbeginn
2010 war bei 12 Prozent der IVNeurentnerinnen und -rentner vor
Rentenbeginn eine Massnahme der
Frühintervention ergriffen worden –
besonders häuig bei vorangehendem
ALE-Bezug. Hier ist anzumerken, dass
die 5. IV-Revision als Gesetzesbasis
der Frühintervention erst 2008 in Kraft
gesetzt worden und noch nicht voll
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
337
Invalidenversicherung
Sozialleistungsbezüge und Proile von neuen IV-Rentenbeziehenden
1a
IV-Neurentner und Neurentnerinnen nach Verlaufstyp
4,9%
ALE
….
IV
ALE
SH
IV
…
IV
0,9%
IV
1,3%
ALE
SH
SH
SH
ALE
ALE
IV
SH
IV
…
IV
SH
Vorleistungen (SH, ALE)
6
4b
…
5
4a
3b
3a
2b
1b
IV
2a
ALE
G1
8,5%
9,5%
0,5%
12,8%
2,0%
5,6%
direkt in die IV
53,9%
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
Quellen: SHIVALV 2005–2010, Berechnung BFH Soziale Arbeit, N=13 313
umgesetzt war. Noch weniger IV-Neurentner und Neurentnerinnen hatten
vorgängig eine Integrationsmassnahme
erhalten (1,1%); auch diese Massnahme wurde erst 2008 eingeführt und soll
vor allem bei psychischen Beeinträchtigungen in Betracht gezogen werden.
Knapp ein Viertel der Betroffenen hat
eine Massnahme berulicher Art durchlaufen, die bei allen Verläufen mit
ALE- oder Sozialhilfebezug wesentlich
häuiger veranlasst wurden als beim
Verlaufstyp ohne vorgängigen Leistungsbezug. Sie wurden zudem häuiger bei unfallbedingten oder psychischen Einschränkungen ergriffen.
Erwerbsverläufe und
Einkommensentwicklung vor
Rentenbeginn
Erwerbsverläufe wurden im Rahmen dieser Untersuchung für das dem
Rentenbeginn vorangehende Jahrzehnt rekonstruiert.2 Dabei zeigte sich,
dass die Erwerbstätigkeit der IV-Neurentnerinnen und Neurentner in den
Jahren vor Rentenbeginn oft sehr eingeschränkt war. Im Durchschnitt be-
338
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
trug der Erwerbsunterbruch direkt vor
Rentenbeginn zwei Jahre. Am kürzesten waren die Erwerbsunterbrüche bei
Verläufen ohne früheren Leistungsbezug und bei Verläufen mit ALE-Bezug
unmittelbar vor Rentenbeginn. Insgesamt waren die neuen IV-Rentenbeziehenden ab 2000 im Durchschnitt
während 46 Monaten ohne Erwerbsarbeit. Besonders lang war die Erwerbslosigkeit bei Verläufen mit Sozialhilfebezug. Die IV-Neurentnerinnen
und -rentner von 2010 durchliefen also
häuig längere Phasen der Nichterwerbstätigkeit, die oftmals weit zurücklagen. Dies traf besonders auf Personen
mit psychischen Einschränkungen zu.
Relativ viele Betroffene wiesen mehrere Erwerbsunterbrüche (durchschnittlich 1,5) auf, die länger als drei
Monate dauerten.
Die Entwicklung des Erwerbseinkommens von neuen IV-Rentenbeziehenden weist auf einen negativen Verlauf der Erwerbsbiograie vor dem
IV-Rentenbezug hin (Dequaliizierung,
schlecht bezahlte Stellen mit prekären
Arbeitsbedingungen, unfreiwillige
Teilzeitarbeit). Bei mehr als einem
Drittel (39%) kann ein deutlich sin-
kendes Einkommen beobachtet werden und 28 Prozent hatten ein stark
schwankendes Einkommen. Vergleicht
man das erste und das letzte Erwerbseinkommen während der Beobachtungsperiode von 2000 bis 2010, kann
im Durchschnitt eine Abnahme von 2,8
Prozent pro Jahr festgestellt werden.
Bei Frauen war die Einbusse geringer
als bei Männern – vermutlich, weil bei
einem tiefen Einkommen das Potenzial für eine Erwerbsminderung weniger
gross ist. Wohl auch deshalb iel bei
Verläufen mit Sozialhilfebezug der
Rückgang des Erwerbseinkommens
weniger hoch aus. Es ist anzunehmen,
dass bei einem Teil der Betroffenen der
Erwerbsrückgang schon vor der Beobachtungsperiode eingesetzt hat. Die
beobachteten Einkommensverläufe
wiesen zudem zum Teil sehr hohe
Schwankungen auf, wobei diese bei
Verläufen mit Bezug von Sozialhilfe
am grössten waren, was auf besonders
prekäre Erwerbsbiograien hindeutet.
2 Aufgrund der Datenlage konnte der Leistungsbezug von ALE und Sozialhilfe dagegen nur
bis fünf Jahre vor Rentenbeginn untersucht
werden.
Invalidenversicherung
Sozialleistungsbezüge und Proile von neuen IV-Rentenbeziehenden
Relevante Einlussfaktoren für einen Verlauf mit Sozialleistungsbezug
Referenzverlaufstyp: 6: direkt in die IV
G2
Einflussfaktoren für
Stärke des Einflusses
–
–
–
+ + +
Alter: Referenz 26 bis 45 Jahre
Alter 23 bis 25 Jahre
Alter über 45 Jahre
«Haushaltstyp»: Referenz nicht verheiratet ohne Kinder
verheiratet ohne Kinder
nicht verheiratet mit Kindern
verheiratet mit 1 bis 2 Kindern
verheiratet mit 3 und mehr Kindern
Nationalität: Referenz Schweiz
EU17/EFTA angrenzend/Nord
EU27 Rest
Rest Europa und Welt
Bildungsstand: Referenz Berufsausbildung
keine Berufsausbildung
Abschluss auf Tertiärstufe
keine Angaben
Branche: Referenz verarbeitendes Gewerbe/Herstellung von Waren, Bergbau,
Gewinnung von Steinen/Erden
Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei
Baugewerbe/Bau
Gastgewerbe, Handel und Lagerei
Verkehr
Information und Kommunikation, Finanz- und Versicherungsdienstleistungen, Grundstücksund Wohnungswesen
Erbringung von freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen
öffentliche Verwaltung, Verteidigung, Sozialversicherung, Erziehung und Unterricht,
Gesundheits- und Sozialwesen
sonstige Dienstleistungen
keine Angaben
berufliche Stellung: Referenz Fachfunktion
nicht erwerbstätig
selbstständig
Kaderfunktion
Hilfsfunktion
in Ausbildung
Heimarbeiter/in
Einkommensverlauf: Referenz sinkendes Erwerbseinkommen
ohne Erwerbseinkommen
tiefes Erwerbseinkommen (stabil/steigend/fluktuierend)
fluktuierendes nicht tiefes Einkommen
nicht tiefes Erwerbseinkommen (stabil/steigend)
Gebrechen: Referenz physisch erkrankt
Unfall
psychisch erkrankt
Kantone in Gruppen: Referenz mittelgrosse Kantone mit städtischem Zentrum
Zürich
Bern
mittelgrosse Kantone ohne städtisches Zentrum
kleine Kantone
Stadtkantone
strukturschwache Kantone und Bergkantone
Aargau
Tessin
Waadt
Quellen: SHIVALV 2005–2010, AHV-IK-Daten 2000–2010, Berechnung BFH Soziale Arbeit
Stärke des Einlusses (keine metrische Angaben): – schwach negativ, -- mittelstark negativ, --- stark negativ; leer: kein Einluss; + schwach positiv, ++
mittelstark positiv, +++ stark positiv. Lesebeispiel: Bei IV-Neurentner/innen über 45 Jahren ist die Wahrscheinlichkeit eines Verlaufs mit vorgängigem
Leistungsbezug markant tiefer (Einlussstärke ---) im Vergleich zu Personen im Alter zwischen 26 und 45 Jahre (Referenzgruppe).
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
339
Invalidenversicherung
Risikoproile von
IV-Neurentnerinnen und
Neurentnern
Mit einem multivariaten Modell
wurde geschätzt, welche Faktoren wie
stark die Wahrscheinlichkeit für einen
Verlauf mit vorgängigen Leistungen
beeinlussen. Im Gegensatz zu den deskriptiven Auswertungen (vgl. ausführlicher Bericht), bei denen jeder einzelne Einlussfaktor in eine bivariate
Beziehung zum Verlaufstyp gesetzt
wurde, wurden im multivariaten
Schätzmodell alle Einlussfaktoren
gleichzeitig einbezogen. Damit liess
sich der Effekt der einzelnen Einlussfaktoren bei Kontrolle der übrigen
ermitteln. Graik G2 weist aus, für welche Faktoren (erklärende Variablen)
ein Einluss auf einen Verlauf mit Sozialleistungsbezug vor dem IV-Rentenentscheid festgestellt wurde. Dabei
wird nur die Stärke des Einlusses (-,
--, ---, kein Einluss = leer, +, ++, +++)
angegeben – die Angaben sind nicht
metrisch zu interpretieren. Pro Einlussfaktor ist angegeben, ob eine bestimmte Ausprägung der Variablen die
Wahrscheinlichkeit für einen Sozialleistungsbezug vor der Rente signiikant erhöht (+ bis +++) oder verringert
(- bis ---) im Vergleich zu einem Verlauf
ohne vorgängigem Leistungsbezug
(Verlaufstyp 6 ist Referenz).
Zum einen erwiesen sich soziodemografische Merkmale der IV-Neu-
Studie:
Fluder, Robert, Renate Salzgeber und Tobias
Fritschi, Verläufe und Proile von neuen IVRentenbeziehenden. Analyse anhand der
SHIVALV-Daten 2005–2010. Beiträge zur
Sozialen Sicherheit, Forschungsbericht
Nr. 10/13: www.bsv.admin.ch ➞ Praxis
➞ Forschung ➞ Forschungspublikationen
340
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
Sozialleistungsbezüge und Proile von neuen IV-Rentenbeziehenden
rentnerinnen und Neurentner als bedeutsam. Bei älteren und bei verheirateten neuen IV-Rentenbeziehenden
(mit und ohne Kinder) waren Verläufe
mit einem Bezug von ALE oder Sozialhilfe weniger wahrscheinlich. Demgegenüber hatten nicht verheiratete
IV-Neurentnerinnen und Rentner mit
Kindern (Alleinerziehende) eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für Verläufe
mit Leistungsbezug. Bei der Nationalität können die Unterschiede, die bei
der deskriptiven Auswertung zwischen
Schweizer und ausländischen Staatsangehörigen in Bezug auf einen vorgängigen Leistungsbezug gefunden
wurden, teilweise durch die Ausprägungen beim Ausbildungsniveau und
bei der Branchenzugehörigkeit sowie
der berulichen Stellung erklärt werden: Es sind Ausbildung und (frühere)
Branchenzugehörigkeit, welche das
Resultat bestimmen. Nur neue Rentenbeziehende aus Staaten ausserhalb
der EU/EFTA wiesen auch nach Kontrolle von weiteren Faktoren eine deutlich höhere Wahrscheinlichkeit für
Verläufe mit Leistungsbezug auf.
Wie erwähnt, konnten auch bei den
sozioprofessionellen Merkmalen deutliche Effekte nachgewiesen werden.
Erstaunlich ist, dass insgesamt kein
signiikanter Unterschied zwischen
Personen ohne und solchen mit einer
Berufsausbildung festgestellt wurde.
Neue IV-Rentenbeziehende mit einer
Tertiärausbildung jedoch zeigten eine
deutlich geringere Wahrscheinlichkeit
für einen Verlauf mit vorgängigem
Leistungsbezug. Bei der Branchenzugehörigkeit war diese für IV-Neurentnerinnen und Neurentnern aus dem
Bau- und Gastgewerbe erhöht, bei
solchen aus dem Finanzwesen und der
öffentlichen Verwaltung hingegen geringer. Ein klares Muster zeigte sich
zudem bei der berulichen Stellung:
Nichterwerbstätige und Personen mit
Hilfsfunktionen wiesen im Vergleich
zu den Fachfunktionen ein erhöhtes
Risiko für vorgängige Leistungsbezüge; Personen aus dem Kader und selbstständig Erwerbende ein verringertes
Risiko aus. Auch für den Erwerbseinkommensverlauf liess sich ein Zusam-
menhang mit dem Verlauf in die IV
herstellen. IV-Neurentner und Rentnerinnen mit einem tiefen Einkommen
wiesen im Vergleich zur Gruppe mit
einem sinkenden Einkommen eine
erhöhte Wahrscheinlichkeit für einen
Leistungsbezug vor Rentenbeginn auf,
während diese bei Betroffenen mit
mindestens mittleren Einkommen geringer war.
Bei der Gebrechensart haben neue
IV-Rentenbeziehende mit psychischen
Beeinträchtigungen eine deutlich höhere Wahrscheinlichkeit auf vorgängige Leistungsbezüge. Zudem konnten
regionale Einflussfaktoren nachgewiesen werden: Im Vergleich zu den mittelgrossen Kantonen mit städtischen
Zentren ist bei den Stadtkantonen
(inkl. Kanton Zürich) die Wahrscheinlichkeit für vorgängige Leistungen
deutlich erhöht und im Kanton Tessin
signiikant geringer.
Insgesamt zeigt sich ein deutlicher
Einluss sowohl der soziodemograischen wie auch der arbeitsmarktbezogenen Merkmale auf einen allfälligen
Leistungsbezug vor dem Rentenentscheid. Neue Bezügerinnen und Bezüger von IV-Renten mit schwach ausgestatteten Ressourcen und mit generell
erhöhten sozialen Risiken waren häuiger in Verläufen mit vorgängigem
Leistungsbezug zu inden. Zusätzlich
spielt die Art der gesundheitlichen Beeinträchtigung und die regionale Zugehörigkeit eine Rolle.
Dr. Robert Fluder, Leiter Schwerpunkt Soziale Sicherheit, BFH Soziale Arbeit
E-Mail: robert.luder@bfh.ch
Renate Salzgeber, lic. oec. publ., Dozentin
und Projektleiterin BFH Soziale Arbeit
E-Mail: renate.salzgeber@bfh.ch
Tobias Fritschi, lic. rer. pol., Dozent und
Projektleiter, BFH Soziale Arbeit
E-Mail: tobias.fritschi@bfh.ch
invalidenversicherung
Invalidenversicherung
Projekt BECK der GELIKO
BECK – Berufliche Eingliederung von Menschen
mit einer chronischen Krankheit
Mit dem Projekt BECK «Beruliche Eingliederung von Menschen mit
einer chronischen Krankheit» unterstützt die Schweizerische Gesundheitsligenkonferenz (GELIKO) Betroffene bei Problemen am Arbeitsplatz
zu einem möglichst frühen Zeitpunkt. Dies mit dem Ziel, einen drohenden Arbeitsplatzverlust abzuwenden. Neben der Beratung übernehmen
die Gesundheitsligen auch die anwaltschaftliche Vertretung ihrer
Klienten im Dreieck Arbeitgeber, Sozialversicherungen und Arzt.
Margareta Schmid
Fachstelle Evaluation &
Gesundheitsforschung
Eliane Boss
Krebsliga Schweiz
Aufgrund der Zunahme chronischer
Erkrankungen sowie im Zuge der 5.
und 6. IV-Revision wird der Situation
chronisch kranker Menschen am Arbeitsplatz vermehrt Beachtung geschenkt. Mit den Gesetzesänderungen wurde der IV die Aufgabe übertragen mitzuhelfen, dass drohende
Arbeitsplatzverluste von Menschen
1 Gesundheit2020: Die gesundheitspolitischen
Prioritäten des Bundesrates, 23. Januar 2013:
www.gesundheit2020.ch
2 www.geliko.ch
3 Lit. Soltermann, 654; Lit. Pärli et al.
Erich Tschirky
Schweizerische
Gesundheitsligen-Konferenz
mit gesundheitlichen Einschränkungen möglichst verhindert werden können. Zentrales Element ist – im Zusammenspiel aller Akteure – die
Förderung der berulichen Integration durch rechtzeitiges Handeln. Gesundheitsbezogene Probleme am
Arbeitsplatz sind für chronisch Kranke mit vielen Belastungen und Unsicherheiten verbunden und stellen
alle Beteiligten vor grosse Herausforderungen.
Die Versorgungsstrukturen des
schweizerischen Gesundheitswesens
sind nicht optimal auf die Bedürfnisse
chronisch kranker Menschen ausgerichtet. Die oft mangelhafte Koordination der beteiligten Leistungserbringer führt zudem zu unerwünschten und teuren Doppelspurigkeiten.
Dieser Missstand wurde auch vom
Bundesrat erkannt, der im Rahmen
der Strategie Gesundheit20201 die
Bewältigung der durch chronische
Krankheiten versursachten Problemstellungen als zentrale gesundheitspolitische Herausforderung identiiziert
hat.
Um die besonderen Bedürfnisse
chronisch kranker Menschen kümmern sich seit langem die gemeinnützig organisierten Gesundheitsligen.
Neben der Präventionsarbeit unterstützen sie insbesondere Betroffene,
Angehörige sowie Betreuende mit
Beratungsleistungen und engagieren
sich in gesundheits- und sozialpolitischen Fragen. In enger Vernetzung
mit einem erweiterten Kreis von
Fachleuten begegnen sie negativen
gesundheitlichen, inanziellen und
sozialen Folgen von chronischen
Krankheiten. Um den Erfahrungsschatz und das Fachwissen der Gesundheitsligen zu bündeln und ein auf
die beruliche Eingliederung zugeschnittenes Angebot umzusetzen, hat
die Schweizerische GesundheitsligenKonferenz (GELIKO),2 das Projekt
«BECK – Beruliche Eingliederung
von Menschen mit einer chronischen
Krankheit» initiiert. Es gründet auf
der unter allen Akteuren breit abgestützten Erkenntnis, dass die beruliche (Re-)Integration kranker oder
verunfallter Menschen nur dann
Erfolg versprechend sein kann, wenn
sie früh beginnt, aber auch kompetent
und koordiniert erfolgt.3 Mit BECK
soll das Beratungsangebot für chronisch Kranke verbessert und Arbeitgeber hinsichtlich der Auswirkungen
von chronischen Erkrankungen auf
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
341
Invalidenversicherung
die Erwerbsarbeit sensibilisiert werden.
Konkret werden die Betroffenen in
einer sehr frühen Phase ihrer gesundheitlichen Einschränkungen unterstützt, um möglichst noch vor einer
Früherfassung durch die IV, einen
drohenden Arbeitsplatzverlust abwenden zu können. Wie auch durch
das Forschungsprogramm der Invalidenversicherung (FoP-IV)4 aufgezeigt
wurde, erweisen sich die Neutralität
der Organisation und die anwaltschaftliche Vertretung als konstruktive Elemente in den Bemühungen
um den Arbeitsplatzerhalt oder im
Verfahren mit der IV.
Trägerschaft von BECK
Projekt BECK der GELIKO
Unternehmungen (2008) hat gezeigt,
dass ein Bedarf nach krankheitsspeziischen Informationen, aber auch
nach Hinweisen zum Umgang mit
erkrankten Mitarbeitenden und zu
weiteren Hilfeangeboten besteht. Für
das 2009 geschaffene Informationsportal für Arbeitgeber zu Fragestellungen der berulichen Eingliederung,
COMPASSO,5 stellte die GELIKO
Informationen bereit und sie ist in
deren Vorstand vertreten. Um eine
einheitliche Qualität im Beratungsangebot und eine optimale Vernetzung der Ligen zu gewährleisten,
wurde für die Ligenmitarbeitenden
eine Weiterbildung im Arbeits- und
Versicherungsrecht sowie zu Massnahmen zur Verhinderung eines Arbeitsplatzverlustes durchgeführt. Das
Problemen am Arbeitsplatz, Unterstützung in der Krankheitsbewältigung und in inanziellen Notlagen,
Organisation von Hilfen im Alltag
und Coaching für die Kommunikation
mit Vorgesetzten und Versicherern.
Bei Bedarf wird zur Standortbestimmung der berulichen Situation das
psychologische Diagnostik-Instrument zum arbeitsbezogenen Verhaltens- und Erlebnismuster (AVEM)6
eingesetzt. Die Unterstützung des
Wiedereingliederungsprozesses orientiert sich stark an den vorhandenen
Ressourcen und der Befähigung der
Klienten. Dazu gehört auch, sie zu
motivieren, ihre Plichten wahrzunehmen und gegenüber Arbeitgeber und
Versicherungen transparent zu kommunizieren. Die enge Zusammenarbeit mit ähnlich gelagerten Unterstützungsangeboten ermöglicht bei Bedarf auch die Weitervermittlung und
Begleitung Betroffener an geeignetere Beratungsstellen.
Einrichtung regionaler
Fachstellen
Übergeordnete Aktivitäten
Im Rahmen des Projektes BECK
nahm die GELIKO in den letzten
Jahren eine breite Palette von Abklärungen vor und initiierte zahlreiche
Kontakte und Kooperationen. So fand
in Zusammenarbeit mit dem BSV und
der IV-Stellenkonferenz ein Workshop statt. Um mögliche Synergien
und Formen der Zusammenarbeit
auszuloten, tauschten sich die Verantwortlichen auch mit regionalen IVStellen und Krankenkassen aus. Eine
Befragung von grossen und mittleren
342
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
Interesse der Ligen war gross, 2009
und 2010 liessen sich insgesamt mehr
als hundert Mitarbeitende schulen.
Kerngeschäft
Die Leitenden der Fachstellen
BECK sind erfahrene Sozialarbeitende, die ein breites Spektrum an Beratungs- und Unterstützungsleistungen
anbieten. Dazu gehören Hilfestellungen in arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Fragen, Informationen zu Rechten und Plichten bei
In zwei Pilotregionen – Bern-Solothurn und Ostschweiz – wurde Ende
2010 mit dem Aufbau je einer Fachstelle BECK begonnen. In den vergangenen zwei Jahren machten die
beiden Fachstellenleitenden die
Dienstleistungen bei einer grossen
Anzahl regionaler Akteure bekannt
und loteten den Bedarf der Zusammenarbeit aus (Ärzte, IV-Stellen,
Kranken- und Krankentaggeld-Versicherungen, Sozialhilfestellen, Sozialforen, RAV, Arbeitgeber sowie andere regionale Akteure der berulichen Eingliederung). Das Angebot
wurde generell positiv aufgenommen.
Geschätzt wurde insbesondere, mit
BECK eine einzige professionelle
Anlaufstelle in Bezug auf alle chronischen Krankheiten zur Verfügung
zu haben. Ebenso anerkannt wurden
4 Lit. Bundesamt für Sozialversicherungen
5 www.compasso.ch
6 Lit. Schaarschmidt, 59–82
Invalidenversicherung
Projekt BECK der GELIKO
BECK in der Praxis
Fallbeispiel 1
Hintergrund: Frau mittleren Alters; 100%-Anstellung; langer
Arbeitsweg.
Problemlage: Aufgrund einer rheumatologischen Erkrankung
kommt es zu Arbeitsabwesenheiten, die manchmal mehrere Wochen, sogar Monate dauern. Die Klientin wird gegenüber ihrem
Arbeitgeber zunehmend unsicher, weil sie selbst ihre Leistungsfähigkeit nicht gut einzuschätzen vermag. Im Gespräch mit dem
Hausarzt wird klar, dass sie die angestammten Aufgaben nicht
mehr weiterführen kann. Der Hausarzt vermittelt die Klientin an
BECK.
Intervention: Die Verantwortlichen der Fachstelle besprechen
die gesundheitliche Situation gemeinsam mit der Klientin und
dem behandelnden Spezialarzt, später – zusammen mit der Klientin – mit dem Arbeitgeber. Damit ist sichergestellt, dass die
medizinische Einschätzung der verbleibenden Belastbarkeit der
Klientin transparent kommuniziert wird. Die Klientin erhält ein
Coaching für die Kommunikation mit ihren Vorgesetzten. Der
Arbeitgeber sieht sich in der Lage, der Klientin einen neuen,
den gesundheitlichen Möglichkeiten der Klientin angepassten
Aufgabenbereich zu einem reduzierten Pensum anzubieten, so
dass sie ihre Anstellung behalten kann. Die Situation stabilisiert
sich.
Fallbeispiel 2
Hintergrund: Sozialarbeiter; 50%-Pensum in einer Alterseinrichtung. Wegen einer HIV-Erkrankung Bezug einer halben IVRente. Der Arbeitgeber ist über die Erkrankung und den IV-Rentenanspruch nicht informiert.
Problemlage: Im Zusammenhang mit dem HIV-Virus wird der
Klient über eine längere Zeitdauer krank. Die etwas ungünstig
formulierte Frage der Krankentaggeldversicherung, ob er sich
bei der IV angemeldet habe, beantwortet er mit «Nein», weil er
die Rente bereits seit langem bezieht. Sowohl Krankentaggeldversicherung als auch die IV-Stelle erfahren erst später als drei
Monate nach Stellenantritt von der Verschlechterung des Gesundheitszustandes. Im Zusammenhang mit der Rückforderung
der ausbezahlten Krankentaggelder beim Arbeitgeber und der
Vermutung, der Angestellte habe falsch informiert, steht die
Kündigung bevor, sobald der Versicherte wieder arbeitsfähig ist.
Intervention: Die Fachstelle deckt das Missverständnis auf,
spricht beim Arbeitgeber vor und übernimmt die anwaltschaftliche Vertretung des Klienten. In Zusammenarbeit mit dem Taggeldversicherer, einem Rechtsexperten und der IV wird abgeklärt, wer die Finanzierung des Erwerbsausfalls zu tragen hat
und wie die Informationsplicht geregelt ist. Die Krankentaggeldversicherung formuliert die missverständliche Frage neu und
BECK versorgt Arbeitgeber und Klienten mit den rechtlich korrekten Informationen. Der Klient wird darin bestärkt, sich gegenüber Arbeitgeber und Vorgesetzten korrekt zu verhalten, den
Aufgeboten der IV in Bezug auf weitere beruliche Abklärungen
nachzukommen und transparent zu informieren. Die Stelle kann
erhalten werden.
Fallbeispiel 3
Hintergrund: Frau Mitte Fünfzig, seit 25 Jahren geschätzte
und zuverlässige Plegefachfrau bei einer spitalexternen Plegeorganisation, Vollzeitstelle. Lungenkarzinom, danach ein halbes
Jahr Arbeitsunfähigkeit, dann wieder zu 50 Prozent arbeitsfähig.
Antrag auf IV-Rente.
Problemlage: Wegen Beschwerden fällt die Frau auch nach
dem Wiedereinstieg im Anschluss an die lange krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit immer wieder einzelne Tage aus. Die
Arztzeugnisse liefert sie nicht immer fristgerecht ab.
Intervention: BECK hat ab Beginn der Erkrankung die Begleitung der Klientin übernommen. Nach der Wiederaufnahme der
Arbeit im reduzierten Pensum treten zunehmend Unsicherheit
und Druck am Arbeitsplatz auf. BECK begleitet die Klientin zu einem Gespräch beim Arbeitgeber und vermag, mit Hinweis auf
die erhöhte soziale und gesundheitliche Belastung der Klientin,
die drohende Kündigung abzuwenden. In Absprache mit der
Krankentaggeldversicherung und dem Arbeitgeber übernimmt
BECK das Case-Management. Da der Arbeitgeber ein Pensum
von 60 Prozent erwartet und die Klientin unter keinen Umständen ihre Anstellung gefährden will, versucht sie dieses – entgegen der ärztlichen Empfehlung – zu leisten. Die IV spricht ihr eine Viertelsrente zu, obschon aus medizinischer Sicht
eine halbe Rente angezeigt war. Das 60%-Pensum erweist sich
für die Klientin in der Folge tatsächlich als zu hoch. Die Stelle
wird zwar vorläuig erhalten, aber die Frage betreffend Arbeitspensum und Höhe der Berentung bedarf weiterer Abklärung.
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
343
Invalidenversicherung
Flyer der Fachstelle Bern/
Solothurn
die Neutralität der GELIKO und die
Tatsache, dass die Fachstellen ihre
Dienstleistungen bisher kostenlos
oder wenigstens kostengünstig erbrachten. Obschon die regionalen
IV-Stellen das gemeinsame Angebot
der Ligen begrüssten, haben sie daran
– bis auf wenige Ausnahmen – noch
wenig konkretes Interesse gezeigt.
Möglicherweise erkennen sie darin
keinen Mehrwert zum IV-System der
Früherfassung und -intervention.
Im Rahmen ihrer Bedürfnisabklärung befragten die beiden Fachstellen
auch über hundert regional tätige
Ärzte7 zu ihrem Bedarf nach Unterstützung bei der berulichen Eingliederung von chronisch kranken Patienten. Die hohe Beteiligung an der
Umfrage weist auf ein grosses Interesse am Thema hin. Die Mehrzahl der
Ärzte meldete einen klaren Bedarf
an Beratungsleistungen an. Sie sehen
sich im Praxisalltag oft nicht in der
Lage, Patienten frühzeitig die notwendigen Informationen und Unterstützung bei Problemen am Arbeitsplatz
zukommen zu lassen. Ausserdem
brachte ein grosser Teil der befragten
Ärzte zum Ausdruck, mit den Leistungen bestehender Fach- und der
IV-Stellen bis dato nicht zufrieden zu
sein. Auch schätzen es die Ärzte, in
BECK eine einzige Ansprechpartnerin zu haben, die rasch handelt, koordiniert und konkrete Lösungen vorschlägt. Die Stärkung der Patienteninteressen im Dreieck Arbeitgeber,
Arzt und Versicherungen durch zielgerichtete Beratung und Vermittlung
wird von den befragten Ärzten
begrüsst.
344
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
Projekt BECK der GELIKO
Bis anhin ist es den regionalen
Fachstellen nicht gelungen, das Interesse der Arbeitgeber an BECK
im gewünschten Ausmass zu wecken
und sie für die Bedürfnisse chronisch
kranker Menschen am Arbeitsplatz
zu sensibilisieren. Oft interessieren
sich Arbeitgeber für entsprechende
Angebote erst, wenn sie in ihrem
Betrieb einen konkreten Fall haben.
Tritt dieser dann tatsächlich ein,
kann der 2012 vom BSV und der IVStellen-Konferenz gemeinsam mit
dem Schweizerischen Arbeitgeberverband sowie dem Schweizerischen
Gewerbeverband herausgegebene
Leitfaden für die beruliche Eingliederung,8 einen wertvollen Beitrag
zur Umsetzung von Massnahmen für
Arbeitsplatzerhalt und Wiedereingliederung leisten. Konkret konnten
die Fachstellen bisher bei verschiedenen fallbezogenen Kontakten mit
Arbeitgebern in einem ersten Schritt
Verständnis und Bereitschaft erwirken, gemeinsam nach Lösungen zu
suchen und die erkrankten Mitarbeitenden weiterhin zu beschäftigen. Im
Juni 2013 nahm im Kanton Zürich
eine dritte Fachstelle ihre Arbeit auf.
Ausblick
Die Gesundheitsligen sind motiviert, die Beratung in der Frühphase
chronischer Erkrankungen für Betroffene, Ärzte und Unternehmen
weiter auszubauen. Allerdings muss
demnächst eine nachhaltige Finanzierung der Beratungsleistungen
gefunden werden. Die Gesundheitsligen werden nicht in der Lage sein,
dieses Angebot längerfristig allein
aus Spendengeldern zu inanzieren.
Die Kosten lassen sich aber auch
nicht einfach auf die Betroffenen
überwälzen. Denn sonst wäre die
niederschwellige Zugänglichkeit des
Angebots gefährdet. Beiträge der IV
an die Gesundheitsligen und Dachorganisationen der privaten Invalidenfachhilfe liessen bisher nur für
Leistungen, welche diese zugunsten
Behinderter erbracht haben. Dabei
handelt es sich ausschliesslich um
Personen, die bereits einmal eine
Leistungsverfügung der IV erhalten
haben. Die Angebote der Gesundheitsligen zur berulichen Eingliederung sollen nach Möglichkeit jedoch
bereits vorher greifen und dazu führen, dass eine Berentung vermieden
werden kann. Naheliegend scheint
es daher, die Taggeldversicherer und
die IV namhaft in die Finanzierung
des Angebots einzubinden. Sollte
dies nicht gelingen, wird eine Lösung
der Finanzierungsproblematik wohl
auf der politischen Ebene gesucht
werden. Das entsprechende Lobbying und die Aufklärung auf politischer Ebene wird umso erfolgreicher
sein, je mehr Organisationen in der
Frage miteinander kooperieren.
Die Adressen der
BECK-Fachstellen
Fachstelle BECK Bern/Solothurn
Markus Rindlisbacher
Kreuzplatz 4, 3510 Konolingen
Telefon 031 791 05 55
E-Mail: beck.beso@geliko.ch
Fachstelle BECK Ostschweiz
Sandra Buntschu-Mullis
Medizinisches Zentrum, 7310 Bad Ragaz
Telefon 081 303 38 33
E-Mail: beck.ost-ch@geliko.ch
Fachstelle BECK Zürich
Jessica Wendland
Badenerstr. 585, 8048 Zürich
Telefon 044 405 45 35
E-Mail beck.zuerich@geliko.ch
7 2011 Schriftliche Befragung von 112 Ärzten
nach telefonischem Erst-Kontakt (Pilotregion
BE/SO) bzw. im Rahmen eines regionalen Qualitätszirkels nach der mündlichen Vorstellung
von BECK (Pilotregion Ostschweiz). Der Rücklauf betrug 55 Prozent.
8 Lit. Leifaden
Invalidenversicherung
Projekt BECK der GELIKO
Weiterführende Informationen
Gesundheit 2020: Die gesundheitspolitischen Prioritäten des Bundesrates,
[Bern] 2013: www.gesundheit2020.ch
Soltermann, Bruno, «Stolpersteine in der berulichen Wiedereingliederung», in
Schweizerische Ärztezeitung 18/2011, 654
Pärli Kurt, Guggisberg Jürg, Hug Julia, Oesch Thomas, Petrik Andreas, Rudin Melania; «Arbeit und Krankheit. Beruliche Wiedereingliederung von Personen mit
länger andauernder Arbeitsunfähigkeit – Eine Untersuchung zur Rolle des
Rechts und des sozialen Umfelds.», in Sozialrecht 2/2013
Margareta Schmid, Dr. med., Projektevaluation BECK, Fachstelle Evaluation & Gesundheitsforschung, Glarus
E-Mail: evaluation@bluewin.ch
Eliane Boss, lic. phil., Fachspezialistin
Sozialversicherungen/Gesundheitspolitik,
Krebsliga Schweiz
E-Mail: eliane.boss@krebsliga.ch
Erich Tschirky; Fürsprecher, MBA;
Geschäftsführer GELIKO
E-Mail: tschirky@geliko.ch
Bundesamt für Sozialversicherungen, Synthesebericht des Forschungsprogramms
zur Invalidenversicherung FoP-IV 2006–2009. Beiträge zur Sozialen Sicherheit
Nr. 10/10: www.bsv.admin.ch > Praxis > Forschung > Forschungspublikationen
Schaarschmidt, Uwe, «AVEM – ein persönlichkeitsdiagnostisches Instrument für
die berufsbezogene Rehabilitation», in Psychologische Diagnostik – Weichenstellung für den Reha-Verlauf, Bonn 2006, 59–82
Leitfaden für die beruliche Eingliederung, [Zug] 2012: www.ahv-iv.info/arbeitgeber
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
345
international
Internationale Angelegenheiten
Soziale Sicherheit Schweiz–Kososvo
Soziale Sicherheit Schweiz–Kosovo
Der Bundesrat hat im Dezember 2009 entschieden, das mit dem früheren Jugoslawien abgeschlossene Sozialversicherungsabkommen ab
1. April 2010 im Verhältnis zu Kosovo nicht weiterzuführen. Mit Urteil
vom 19. Juni 2013 hat das Bundesgericht nun in letzter Instanz diesen
Bundesratsentscheid bestätigt und die gegenteilige Rechtsprechung
des Bundesverwaltungsgerichts verworfen. Kosovarische Staatsangehörige erhalten daher die AHV- und IV-Renten nur, solange sie Wohnsitz in
der Schweiz haben.
Sozialversicherungsabkommen. Unter diesen Umständen konnte und
wollte die Schweiz einer Weiterführung dieser Abkommen nicht zustimmen und es kam letztlich keine Einigung zwischen der Schweiz und dem
Kosovo zustande. Der Bundesrat
entschloss daher mit seinem Entscheid vom 16. Dezember 2009 die
mit Serbien in Kraft stehenden Abkommen vollumfänglich im Verhältnis zum Kosovo nicht weiterzuführen.
Rechtslage
Raphael Tschanz
Bundesamt für Sozialversicherungen
Die Republik Kosovo hat am 17. Februar 2008 seine Unabhängigkeitserklärung erlassen, worauf die Schweiz
am 27. Februar 2008 als einer der ersten Staaten den Kosovo als unabhängigen Staat anerkannt hat. Die
Schweiz hat dem Kosovo angeboten,
346
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
sämtliche Abkommen, die im Verhältnis zu Serbien Gültigkeit haben, weiterzuführen. Die Republik Kosovo
hat sich dann entschieden, lediglich
zwei Abkommen weiterführen zu
wollen, welche ihnen besondere Vorteile gewähren, unter anderem das
Aufgrund des erwähnten Bundesratsbeschlusses wurden auch das mit
dem früheren Jugoslawien abgeschlossene Sozialversicherungsabkommen sowie die dazugehörende
Verwaltungsvereinbarung im Verhältnis zu Kosovo nicht mehr weitergeführt. Die Gründe dafür lagen zum
einen in der mangelhaft funktionierenden Verwaltung Kosovos und der
daraus resultierenden schwierigen
Zusammenarbeit bei der Umsetzung
des Abkommens. Zum anderen verfügte der neue Staat (noch) nicht über
ein Sozialversicherungssystem, das
mittels eines Abkommens mit dem
schweizerischen hätte koordiniert
werden können. Ebenso fehlen bisher
zuverlässige Register (Einwohner,
Zivilstand, Geburten), deren Daten
für eine verlässliche Koordination
elementar wären.
Die Nichtweiterführung des Abkommens hatte zur Folge, dass kosovarische Staatsangehörige seit dem
1. April 2010 gleich behandelt werden
wie andere Angehörige von Nichtvertragsstaaten. Dieser Statuswechsel
bewirkte, dass AHV- und IV-Renten,
die nach dem 31. März 2010 entstanden sind, den kosovarischen Staatsangehörigen nicht mehr ins Ausland
bezahlt, sondern nur noch bei Wohn-
Internationale Angelegenheiten
sitz in der Schweiz gewährt wurden.
Die Nichtweiterführung des Abkommens ist in zahlreichen Einzelfällen
betreffend den Export von AHV- und
IV-Leistungen gerichtlich angefochten worden. Das Bundesverwaltungsgericht als untere Gerichtsinstanz hat
im von ihm selbst zum Grundsatzurteil erhobenen Entscheid vom 7. März
2011 festgehalten, dass das frühere
Abkommen (das im Verhältnis zu
Serbien heute noch anwendbar ist)
auch auf kosovarische Staatsangehörige anwendbar sei, und dass diese
immer gleichzeitig auch noch die serbische Nationalität hätten. Das Bundesgericht hat nun mit BGE 139 V
263 vom 19. Juni 2013 Klarheit geschaffen, den Bundesratsentscheid
bestätigt und die Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts verworfen.
Wichtigste Elemente des BGE
139 V 263 und weiterer
Gerichtsentscheide
In diesem Entscheid handelt das
Bundesgericht die Thematik des Fortsetzer- und Nachfolgerstaates bei
Staatennachfolgen ausführlich ab. Es
hält fest, dass die ehemals serbische
Provinz und heutige Republik Kosovo mit ihrer Abspaltung eine – sowohl
in territorialer als auch (vertrags-)
rechtlicher Hinsicht – völkerrechtlich
wirksame Änderung herbei geführt
habe und die Nichtweiteranwendung
des Sozialversicherungsabkommens
durch die Schweiz auf die neue Gebietskörperschaft ab dem 1. April
2010 rechtmässig sei.
Viele Kosovaren gaben von Beginn
oder im Verlaufe des Rentenantragsverfahrens bzw. Rechtsmittelverfahrens an, nicht nur die kosovarische
sondern auch die serbische Staatsangehörigkeit zu besitzen. Da das Sozialversicherungsabkommen mit der
Serbischen Republik weiterhin Geltung hat, beriefen sich kosovarische
Staatsangehörige zwecks Rentenbezug auf ihre (zusätzliche) serbische
Nationalität. Wohl lässt die Republik
Soziale Sicherheit Schweiz–Kososvo
Kosovo eine Doppelstaatsangehörigkeit zu (Artikel 3 des kosovarischen
Staatsangehörigkeitsgesetzes), aus
dieser Tatsache könne jedoch gemäss
Bundesgericht nicht abgeleitet werden, dass kosovarische Staatsangehörige ohne weiteres kosovarisch-serbische Doppelbürger seien. Ist das
Bundesverwaltungsgericht in seiner
Rechtsprechung noch davon ausgegangen, dass Personen aus Kosovo
neben der kosovarischen automatisch
auch die serbische Staatsangehörigkeit besitzen, verneint das Bundesgericht in seinem Entscheid einen solchen Automatismus bzw. Grundsatz.
Dessen ungeachtet sei das Vorliegen
einer kosovarisch-serbischen Doppelbürgerschaft nicht ausgeschlossen,
zumal auch das serbische Staatsangehörigkeitsgesetz das Innehaben einer
doppelten Staatsbürgerschaft erlaube
(Artikel 23 des serbischen Staatsangehörigkeitsgesetzes in der geänderten Fassung aus dem Jahre 2007).
Eine solche sei aber nicht nur überzeugend zu behaupten, sondern müsse vor allem rechtsgenüglich belegt
werden.
Dieser Entscheid hat zur Folge,
dass den kosovarischen Staatsangehörigen mit Wohnsitz ausserhalb der
Schweiz die AHV- und IV-Renten,
die nach dem 31. März 2010 entstanden sind, unter dem Vorbehalt des
Nachweises der kosovarisch-serbischen Doppelbürgerschaft, nicht
mehr exportiert werden. Gleich wird
mit den Familienzulagen verfahren.
Der Status als Nichtvertragsstaatsangehörige hat jedoch nicht den Verlust
sämtlicher Rechte gegenüber den
schweizerischen Sozialversicherungen zur Folge. In der AHV werden
auf entsprechenden Antrag hin die
Beiträge rückvergütet. Auch Hinterlassene mit Wohnsitz im Ausland
haben anstelle einer Rente den Rückvergütungsanspruch. Der Anspruch
umfasst sowohl die einbezahlten Arbeitnehmer- als auch die Arbeitgeberbeiträge, die im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen unverzinst
vergütet werden. Leistungen der 2.
Säule (beruliche Vorsorge) und der
Unfallversicherung können weltweit
auch ohne Abkommen bei Wohnsitz
im Ausland bezogen werden. Im Rahmen der im früheren Abkommen
vorgesehenen Besitzstandsgarantie
werden laufende Leistungen (Stichtag 31. März 2010) ebenfalls weiterhin
ins Ausland bezahlt.
Das Bundesgericht hat sich auch
zur massgebenden Staatsangehörigkeit bei sich ablösenden Staatsangehörigkeiten geäussert, dies für Fälle
zwischen dem 1. April 2010 und dem
1. Januar 2012. Im Urteil 9C_53/2013
vom 6. August 2013 führte es aus, dass
für die AHV-Rentenberechtigung
nicht ausschlaggebend sei, dass die
Versicherungszeiten unter Geltung
des Sozialversicherungsabkommens
zurückgelegt worden sind. Die Regelung von Art. 18 Abs. 2bis AHVG (in
Kraft seit dem 1. Januar 2012), wonach bei Personen mit sich ablösenden Staatsangehörigkeiten diejenige
während des Rentenbezugs massgebend ist, könne im Rahmen der Auslegung der bis Ende 2011 geltenden
Fassung der Gesetzesbestimmung
bereits berücksichtigt werden. Massgebend für die AHV-Rentenberechtigung kosovarischer Staatsangehöriger ohne Schweizer Wohnsitz ist
damit seit dem 1. April 2010 die
Staatsangehörigkeit während des
Rentenbezugs.
Des Weiteren hat das Bundesgericht am 8. Juli 2013 (Rechtssache
8C_109/2013) zur Anspruchsberechtigung von IV-Renten letztinstanzlich
entschieden. Massgebend für die Anspruchsberechtigung ist die Rechtslage zum Zeitpunkt der rechtsbegründenden Tatsachen (z. B. Unfall)
und nicht der Verfügungszeitpunkt
der IV. Haben sich die rechtsbegründenden Tatsachen somit vor dem 1.
April 2010 zugetragen, hat die betroffene Person Anspruch auf eine (exportierbare) IV-Rente, sofern die
übrigen Voraussetzungen erfüllt sind.
Sind diese Tatsachen aber erst nach
dem 31. März 2010 eingetreten, besteht aufgrund der Nichtweiterführung des Sozialversicherungsabkommens kein Anspruch.
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
347
Internationale Angelegenheiten
Voraussetzungen für ein
allfälliges neues Abkommen
mit Kosovo
Schweizerische Gewerkschaften
haben sich sofort nach dem Bundesratsentscheid für ein neues Sozialversicherungsabkommen eingesetzt,
und die Unia hat am 4. Mai 2010
eine Petition mit mehreren zehntausend Unterschriften bei der Bundeskanzlei eingereicht. Die Regierung
Kosovos zeigt ebenfalls Interesse am
Abschluss eines neuen Abkommens.
Bereits im September 2010 fand ein
Informationsaustausch des BSV mit
den kosovarischen Behörden statt,
an dem die Schweiz die Voraussetzungen dargelegt hat, die erfüllt sein
müssen, damit die Aufnahme von
Verhandlungen über ein allfälliges
neues Abkommen geprüft werden
kann. Unerlässlich ist, dass auf beiden Seiten nationale Sozialversicherungssysteme bestehen, welche mittels eines Abkommens koordiniert
werden können. Zudem sind verlässliche und vollständige Register (z.B.
Zivilstand, Einwohner, Geburten)
unabdingbar. In Kosovo sind sodann
Soziale Sicherheit Schweiz–Kososvo
massgebliche Verbesserungen auf
administrativer Ebene erforderlich,
damit die für die Durchführung eines
allfälligen Abkommens erforderliche Zusammenarbeit gewährleistet
werden könnte. Es braucht beispielsweise eine oder mehrere Verbindungsstellen beziehungsweise zuständige Behörden für die von einem
Abkommen erfassten Sozial-versicherungszweige, die für die internationale Koordination zuständig sind
und als Ansprechpartner für die
ausländischen Sozialversicherungsträger dienen. Sodann muss eine
medizinische Infrastruktur vorhanden sein, die es erlaubt, verlässliche
medizinischen Diagnosen und Gutachten zu erstellen. Aus schweizerischer Sicht muss zudem auch die
Durchführung von Betrugsbekämpfungsmassnahmen im anderen Vertragsstaat, die in neuen Abkommen
regelmässig vorgesehen ist, gewährleistet sein.
Kosovo hat der Schweiz Informationen zur Gesetzgebung übermittelt, die geprüft worden sind, aber
weiterhin verschiedene Fragen offen
lassen. Unabdingbare Voraussetzung
für ein Sozialversicherungsabkommen ist, dass der jeweilige Staat Gegenrecht hinsichtlich des Rentenexports gewährt. Die in Kraft stehende
kosovarische Gesetzgebung steht
einem Export der Renten ins Ausland jedoch entgegen. Der Export
wäre selbst mit einer entsprechenden
Abkommensregelung nicht möglich,
weil das nationale Recht aus kosovarischer Sicht vorrangig ist. Die
erforderliche Gegenseitigkeit in dieser für ein Abkommen grundlegenden Frage fehlt somit. Der Abschluss
eines neuen Abkommens ist ausgeschlossen, solange die Gesetzgebung
in dieser Hinsicht nicht geändert
wird und im Rahmen eines Abkommens lediglich die schweizerischen
Renten exportiert würden. Weiter ist
nicht klar, inwieweit die in den Gesetzen vorgesehenen Prüfungsmechanismen hinsichtlich des Gesundheitszustandes, des Wohnsitzes, des
Zivilstandes etc. bereits in die Tat
umgesetzt wurden, und inwieweit die
schweizerischen Versicherungsträger bei der Umsetzung eines allfälligen Abkommens darauf zurückgreifen könnten. Die Gesetze sehen
zwar auch die Errichtung verschiedener Register vor. Es ist allerdings
noch offen, ob diese Register bereits
bestehen und vollständig sowie zuverlässig sind.
Weiteres Vorgehen
Informationen zur sozialversicherungsrechtlichen
Situation von Staatsangehörigen Kosovos:
• Informationsblatt «Information für Staatsangehörige des Kosovo: Die
wichtigsten Auswirkungen der Nichtweiteranwendung des Sozialversicherungsabkommens»: www.bsv.admin.ch ➞ Themen ➞ Internationales ➞ Aktuell
• Mitteilungen an die AHV-Ausgleichskassen und EL-Durchführungsstellen, Nr. 265 vom 28. Januar 2010: www.bsv.admin.ch ➞ Praxis ➞ AHV
➞ Mitteilungen ➞ Nr. 265
• IV-Rundschreiben Nr. 322 vom 24. September 2013: http://www.bsv.
admin.ch ➞ Praxis ➞ IV ➞ Grundlagen ➞ Individuelle Leistungen ➞
Rundschreiben ➞ Nr. 322
348
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
Um beurteilen zu können, ob die
Voraussetzungen für die Aufnahme
von Verhandlungen zwecks Abschluss eines allfälligen neuen Abkommens erfüllt sind, sind zusätzliche Abklärungen zur Gesetzgebung
und zum tatsächlichen Funktionieren der Einrichtungen im Kosovo
erforderlich. Das Bundesamt für
Sozialversicherungen (BSV) wird
diese Abklärungen vornehmen und
laufend prüfen, wie sich die Verhältnisse im Kosovo entwickeln. Mitberücksichtigt werden auch die Erfahrungen anderer europäischer Staaten,die im Sozialversicherungsbereich
Internationale Angelegenheiten
Beziehungen zu Kosovo unterhalten.
Es hat sich gezeigt, dass gewisse Staaten ihre früheren Sozialversicherungsabkommen im Verhältnis zu
Kosovo ebenfalls nicht mehr anwenden (Österreich, Luxemburg und
Tschechien). Andere treffen bei der
Umsetzung auf die gleichen Schwierigkeiten wie die Schweiz. Liegen die
Auswertungen und Ergebnisse vor,
wird eine neue Standortbestimmung
Soziale Sicherheit Schweiz–Kososvo
vorgenommen. Sollten die Voraussetzungen für die Aufnahme von
Verhandlungen als erfüllt erachtet
werden, könnte der Bundesrat gegebenenfalls ein entsprechendes Verhandlungsmandat verabschieden.
Vorerst bleibt Kosovo ein Nichtvertragsstaat und seine Staatsangehörigen werden gleich behandelt wie
Angehörige anderer Nichtvertragsstaaten. Eine provisorische Anwen-
dung des alten Abkommens während
der Übergangszeit, wie sie auch
schon vorgeschlagen wurde, erscheint aus den oben angeführten
Gründen als nicht angezeigt.
Raphael Tschanz, Jurist, Geschäftsfeld
Internationale Angelegenheiten, BSV
E-Mail: Raphael.tschanz@bsv.admin.ch
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
349
parlament
Parlament
AHV
13.3664 – Motion SGK-N
(Sprecherin Heim Bea) vom
16.8.2013: AHV-Beitragsplicht für
Personalfürsorgestiftungen
Die SGK-N hat auf Grundlage der
parlamentarischen Initiative 11.457,
Fulvio Pelli (FDP, TI), folgende Motion eingereicht:
«Der Bundesrat wird beauftragt,
die AHV-Beitragsplicht für Leistungen von Personalfürsorgestiftungen
(patronale Wohlfahrtsfonds mit Ermessensleistungen und Finanzierungsstiftungen, die nicht dem Freizügigkeitsgesetz unterstellt sind) –
und damit im gleichen Zug für alle
Arbeitgeber – gegenüber heute zu
lockern, und dazu folgende zwei
Massnahmen vorzunehmen:
1. Artikel 8ter der Verordnung vom
31. Oktober 1947 über die Altersund Hinterlassenenversicherung
(AHVV) soll insofern revidiert
werden, als Leistungen bei Entlassungen aus betrieblichen Gründen
neu bis zum viereinhalbfachen Be-
350
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
Parlamentarische Vorstösse
trag der maximalen jährlichen Altersrente vom massgebenden Lohn
ausgenommen werden und damit
beitragsbefreit wären.
2. Von der Beitragsplicht befreit werden sollen neu auch Leistungen für
sogenannte Härtefälle, die nicht im
engeren Sinn als Sozialleistungen
nach Artikel 8bis und 8ter AHVV
betrachtet werden können.»
Antrag des Bundesrates vom
9.10.2013
Der Bundesrat beantragt die Annahme der Motion.
Menschen mit einer
Mobilitätsbehinderung
13.3790 – Motion Gysi Barbara
vom 25.9.2013: Vereinfachung der
Parkierungsmöglichkeiten für
Menschen mit einer
Mobilitätsbehinderung
Nationalrätin Barbara Gysi (SP,
SG) hat folgende Motion eingereicht:
«Der Bundesrat wird beauftragt,
Artikel 20a Absatz 1 Buchstabe b der
Verkehrsregelverordnung (VRV) dahingehend zu ändern, dass das Parkieren für Menschen mit einer «Parkkarte für behinderte Personen» ohne
Gebührenerhebung erfolgt. Allenfalls
unterbreite er dem Parlament einen
Entwurf für einen Erlass, mit dem das
Anliegen der Motion umgesetzt werden kann.»
Antrag des Bundesrates vom
6.11.2013
Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
Parlament
Gesetzgebung: Vorlagen des Bundesrats
Gesetzgebung: Vorlagen des Bundesrats (Stand 30. November 2013)
Vorlage: Geschäftsnr.
Curia Vista
Datum
Publ. im
Erstrat
der Botschaft Bundesblatt
Kommission
Bundesgesetz betreffend 15.2.12
die Aufsicht über die
soziale Krankenversicherung: 12.027
BBl 2012,
1941
SGK-S
Bundesgesetz über die
15.2.12
Krankenversicherung (Korrektur der zwischen 1996
und 2011 bezahlten Prämien): 12.026
BBl 2012,
1923
SGK-S
17.4., 21.5.,
18.6., 22./23.8.,
21./22.10.,
15.11.12; 21.1.,
2.5., 2.7.13
Bundesgesetz über die
20.9.13
Krankenversicherung (Risikoausgleich; Trennung von
Grund- und Zusatzversicherung): 13.080
BBl 2013,
7953
SGK-N
6./7.8.11.13
Bundesgesetz über die
Unfallversicherung.
Änderung: 08.047
30.5.08
BBl 2008,
5395
SGK-N
20.6., 9.9.,
16.10., 6./7.11.
08; 15./16.1.,
12./13.2.,
26./27.3., 27.8.,
9.10., 29.10.09;
28.1., 24.6.10
Volksinitiative «Für eine
öffentliche Krankenkasse»: 13.079
20.9.13
BBl 2013,
7929
SGK-S
Soziale Sicherheit. Abkom- 15.5.13
men mit den USA: 13.037
BBl 2013,
3377
SGK-N
15./16.8.13
ZGB. Vorsorgeausgleich
bei Scheidung: 13.049
29.5.13
BBl 2013,
4887
RK-N 1./2.7.13
Internationale Arbeitsorganisation. Übereinkommen Nr. 189: 13.067
28.8.13
BBl 2013,
6927
Volksinitiative «Familien 23.10.13
stärken! Steuerfreie Kinder- und Ausbildungszulagen. Volksinitiative»:
13.084
BBl 2013
Volksinitiative «Für Ehe
und Familie – gegen die
Heiratsstrafe»: 13.085
BBl 2013
23.10.13
17.4., 21.5.,
18.6., 22./23.8.,
21./22.10.,
15.11.12; 21.1.13
Zweitrat
Plenum
Kommission
SR
18.3.13
SGK-N
23.5.,
24./25.10.13
SR
17.9.13
SGK-N
24./25.10.13
NR
SGK-S
11.6.09
31.1.11
(Rückweisung
der Entwurf 1 an
SGK-N, Sistierung
der Entwurf 2),
22.9.10
(Rückweisung der
Vorlage 1 an den
Bundesrat)
Plenum
Schlussabstimmung
(Publ. im BBl)
Inkrafttreten/
Volksentscheid
SR
1.3.11
(Rückweisung
der Entwurf 1 an
den Bundesrat,
Zustimmung zur
Sistierung der
Entwurf 2)
NR
12.9.13
NR = Nationalrat / NRK = Vorberatende Kommission des Nationalrates / SR = Ständerat / SRK = Vorberatende Kommission des Ständerates / WAK = Kommission für Wirtschaft und Abgaben /
SGK = Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit / RK = Kommission für Rechtsfragen / SIK = Sicherheitskommission / VI = Volksinitiative / SPK = Staatspolitische Kommission
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
351
statistik
Sozialversicherungsstatistik
BSV, Bereich Statistik
Veränderung der Ausgaben in % seit 1980
AHV
AHV
1990
2000
2010
2011
2012 Veränderung in %
VR1
Einnahmen
Mio. Fr.
20 355
28 792
38 495
39 041
40 824
davon Beiträge Vers./AG
16 029
20 482
27 461
28 306
28 875
davon Beiträge öff. Hand
3 666
7 417
9 776
10 064
10 177
Ausgaben
18 328
27 722
36 604
38 053
38 798
davon Sozialleistungen
18 269
27 627
36 442
37 847
38 612
Total Betriebsergebnis
2 027
1 070
1 891
988
2 026
Kapital2
18 157
22 720
44 158
40 146
42 173
BezügerInnen AV-Renten
Personen 1 225 388 1 515 954 1 981 207 2 031 279 2 088 396
BezügerInnen Witwen/r-Renten
74 651
79 715 120 623 124 682 128 744
AHV-Beitragszahlende
4 289 839 4 548 926 5 188 208 5 303 008
…
EL zur AHV
35%
30%
20%
10%
0%
–10%
EL zur AHV
–15,8%
IV
21,0%
–31,3%
EL zur IV
1990
2000
2010
2011
2012
Ausgaben (= Einnahmen)
Mio. Fr.
1 124
davon Beiträge Bund
260
davon Beiträge Kantone
864
BezügerInnen
(Personen, bis 1997 Fälle) 120 684
1 441
318
1 123
140 842
2 324
599
1 725
171 552
2 439
613
1 826
179 118
2 525
644
1 880
184 989
1990
2000
2010
2011
2012
Einnahmen
Mio. Fr.
4 412
davon Beiträge Vers./AG
2 307
Ausgaben
4 133
davon Renten
2 376
Total Betriebsergebnis
278
Schulden gegenüber der AHV
–6
IV Fonds2
–
BezügerInnen IV-Renten
Personen 164 329
7 897
3 437
8 718
5 126
– 820
2 306
–
235 529
8 176
4 605
9 220
6 080
–1 045
14 944
–
279 527
9 454
4 745
9 457
6 073
–3
14 944
4 997
275 765
9 889
4 840
9 295
5 941
595
14 352
5 000
271 010
1990
2000
2010
2011
2012
309
69
241
30 695
847
182
665
61 817
1 751
638
1 113
105 596
1 837
657
1 180
108 536
1 911
686
1 225
110 179
1990
2000
2010
2011
2012
32 882
7 704
13 156
10 977
46 051
10 294
15 548
16 552
62 107
15 782
25 432
15 603
61 554
16 423
25 337
14 704
…
…
…
…
– 0,9%
4,1%
–0,4%
–5,8%
15 727
31 605
43 721
43 350
…
– 0,8%
Bezüger
8 737
207 200
508 000
20 236
475 000
748 124
30 912
31 628
617 500 620 600
980 163 1 002 931
…
…
…
2,3%
0,5%
2,3%
KV Obligatorische Krankenpflegeversicherung OKPV
1990
2000
2010
2011
2012
Einnahmen
Mio. Fr.
davon Prämien (Soll)
Ausgaben
davon Leistungen
davon Kostenbeteiligung d. Vers.
Rechnungssaldo
Kapital
Prämienverbilligung
8 869
6 954
8 417
8 204
–801
451
5 758
332
13 930
13 442
14 056
15 478
–2 288
–126
6 935
2 545
22 528
22 051
22 123
24 292
–3 409
405
8 651
3 980
23 794
23 631
22 705
24 932
–3 575
1 089
9 649
4 070
…
…
…
…
IV
EL zur IV
Ausgaben (= Einnahmen)
Mio. Fr.
davon Beiträge Bund
davon Beiträge Kantone
BezügerInnen
(Personen, bis 1997 Fälle)
BV (Sozialleistungen)
BV/2.Säule Quelle: BFS/BSV
Einnahmen
davon Beiträge AN
davon Beiträge AG
davon Kapitalertrag
Mio. Fr.
Ausgaben
davon Sozialleistungen
Kapital
RentenbezügerInnen
KV
1980 – 85 keine Daten vorhanden
352
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
4,6%
2,0%
1,1%
2,0%
2,0%
105,1%
5,0%
2,8%
3,3%
4,1%
…
…
…
…
VR1
3,5%
5,2%
3,0%
3,3%
VR1
4,6%
2,0%
–1,7%
–2,2%
–
– 4,0%
0,1%
–1,7%
VR1
4,1%
4,4%
3,9%
1,5%
VR1
VR1
5,6%
7,2%
2,6%
2,6%
4,9%
169,1%
11,5%
2,3%
Sozialversicherungsstatistik
BSV, Bereich Statistik
Veränderung der Ausgaben in % seit 1980
UV alle UV-Träger
UV
neues
UVG in
Kraft
seit
1.1.84
Mio. Fr.
Einnahmen
davon Beiträge AN/AG
Ausgaben
davon direkte Leistungen inkl. TZL
Rechnungssaldo
Kapital
ALV
ALV Quelle: seco
194,7%
Einnahmen
davon Beiträge AN/AG
davon Subventionen
Ausgaben
Rechnungssaldo
Kapital
BezügerInnen3
EO
18,6%
52,9%
56,9%
–21,7%
Total
EO
Einnahmen
davon Beiträge
Ausgaben
Total Betriebsergebnis
Kapital
–23,3%
Mio. Fr.
Mio. Fr.
FZ
Einnahmen
davon FZ Landwirtschaft
Mio. Fr.
1990
2000
2010
2011
2012
4 181
3 341
3 259
2 743
923
12 553
5 992
4 671
4 546
3 886
1 446
27 322
7 863
6 303
5 993
5 170
1 870
42 724
7 880
6 343
6 064
5 239
1 816
44 802
…
…
…
…
…
…
1990
2000
2010
2011
2012
736
609
–
452
284
2 924
58 503
6 230
5 967
225
3 295
2 935
–3 157
207 074
5 752
5 210
536
7 457
–1 705
– 6 259
322 684
7 222
6 142
1 073
5 595
1 627
– 4 632
288 518
6 958
6 350
599
5 800
1 158
– 3 474
…
1990
2000
2010
2011
2012
VR1
1 060
958
885
175
2 657
872
734
680
192
3 455
1 006
985
1 603
–597
412
1 708
1 703
1 611
97
509
1 753
1 727
1 606
148
657
2,7%
1,4%
– 0,3%
51,9%
29,0%
1990
2000
2010
2011
2012
VR1
2 689
112
3 974
139
5 074
149
5 133
142
…
…
Gesamtrechnung der Sozialversicherungen GRSV* 2011
Sozialversicherungszweig
Einnahmen
Mio. Fr.
AHV (GRSV)
EL zur AHV (GRSV)
IV (GRSV)
EL zur IV (GRSV)
BV (GRSV) (Schätzung)
KV (GRSV)
UV (GRSV)
EO (GRSV)
ALV (GRSV)
FZ (GRSV)
Konsolidiertes Total (GRSV)
39 171
2 439
9 500
1 837
61 554
23 794
7 880
1 710
7 222
5 133
159 624
Veränderung
2010/2011
Ausgaben
Mio. Fr.
Veränderung
2010/2011
Rechnungssaldo
Mio. Fr.
1 118
–
12
–
18 204
1 089
1 816
100
1 627
– 63
23 903
Kapital
Mio. Fr.
Soziallastquote4 (Indikator gemäss GRSV)
Sozialleistungsquote5 (Indikator gemäss GRSV)
Arbeitslose
Ganz- und Teilarbeitslose
VR1
– 3,7%
3,4%
– 44,2%
3,7%
– 28,9
–25,0%
–10,6%
1,2%
– 4,8%
GRSV: Einnahmen (schwarz)
und Ausgaben (grau) 2011
2,9%
38 053
4,0%
40 146
5,0%
2 439
5,0%
–
16,2%
9 488
2,1%
– 9 947
4,9%
1 837
4,9%
–
– 0,9%
43 350
– 0,8%
620 600
5,6%
22 705
2,6%
9 649
0,2%
6 064
1,2%
44 802
71,2%
1 611
0,5%
509
25,6%
5 595
– 25,0%
– 4 632
1,2%
5 196
1,4%
1 173
3,7%
135 721
0,4%
702 301
*GRSV heisst: Gemäss den Definitionen der Gesamtrechnung der Sozialversicherungen. Die Angaben können deshalb von
den Betriebsrechnungen der einzelnen Sozialversicherungen abweichen. Die Einnahmen sind ohne Kapitalwertänderungen
berechnet, die Ausgaben ohne Rückstellungs- und Reservenbildung.
Volkswirtschaftliche Kennzahlen
VR1
0,2%
0,6%
1,2%
1,3%
– 2,9%
4,9%
vgl. CHSS 6/2000, S.313ff.
2000
25,3%
19,1%
2007
25,7%
20,1%
2008
25,1%
19,5%
2009
25,9%
21,0%
2010
25,8%
20,7%
2011
26,4%
20,5%
ø 2010
151 986
ø 2011
122 892
ø 2012
125 594
Aug 13
129 956
Sep 13
131 072
Okt 13
133 443
2020
33,2%
33,7%
2030
35,0%
42,6%
2040
34,3%
48,0%
2050
34,0%
50,4%
in Tausend
Registrierte
Arbeitslose
seit 1980
(ab 1984 inkl.
Teilarbeitslose)
Demografie Basis: Szenario A-17-2010, «Wanderungssaldo 40 000»
Jugendquotient6
Altersquotient6
1
2
3
4
5
2011
33,5%
28,8%
2015
32,9%
31,1%
Veränderungsrate des letzten verfügbaren Jahres.
Überweisung von 5 Mrd. Franken per 1.1.2011 vom AHV- zum IV-Kapitalkonto.
Daten zur Arbeitslosigkeit finden Sie weiter unten.
Verhältnis Sozialversicherungseinnahmen zum Bruttoinlandprodukt in%.
Verhältnis Sozialversicherungsleistungen zum Bruttoinlandprodukt in%.
6
Jugendquotient: Jugendliche (0–19-Jährige) im Verhältnis zu den Aktiven.
Altersquotient: RentnerInnen (M > 65-jährig / F > 64-jährig) im Verhältnis
zu den Aktiven. Aktive: 20-Jährige bis Erreichen Rentenalter (M 65 / F 64).
Quelle: Schweiz. Sozialversicherungsstatistik 2012 des BSV; seco, BFS.
Auskunft: solange.horvath@bsv.admin.ch
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
353
daten und fakten
Daten und Fakten
Wichtige Masszahlen
Wichtige Masszahlen der beruflichen Vorsorge
Marie-Claude Sommer, Bereich Mathematik, Geschäftsfeld Mathematik, Analysen, Statistik, Bundesamt für Sozialversicherungen
Merkmale in Franken oder in Prozent
BVG-Rücktrittsalter:
2013
65 (Männer
64 (Frauen
1948 geboren) 1949 geboren)
1. Jährliche AHV-Altersrente
Minimale
14 040
Maximale
28 080
2. Lohndaten der Aktiven
Eintrittsschwelle; minimaler Jahreslohn
21 060
Koordinationsabzug
24 570
Max. versicherter Jahreslohn in der obligatorischen BV
84 240
Min. koordinierter Jahreslohn
3 510
Max. koordinierter Jahreslohn
59 670
Max. in der beruflichen Vorsorge versicherbarer Jahreslohn
842 400
3. BVG-Altersguthaben (AGH)
BVG-Mindestzinssatz
1,50 %
Min. AGH im BVG-Rücktrittsalter
18 061
18 794
in % des koordinierten Lohnes
514,6%
535,4%
Max. AGH im BVG-Rücktrittsalter
294 876
306 598
in % des koordinierten Lohnes
494,2%
513,8%
4. BVG-Altersrente und anwartschaftliche (anw.) BVG-Hinterlassenenrenten
Renten-Umwandlungssatz in % des AGH im BVG-Rentenalter
6,85 %
6,8 %
Min. jährliche Altersrente im BVG-Rücktrittsalter
1 237
1 278
in % des koordinierten Lohnes
35,2%
36,4%
Min. anw. jährliche Witwenrente, Witwerrente
742
767
Min. anw. jährliche Waisenrente
247
256
Max. jährliche Altersrente im BVG-Rücktrittsalter
20 199
20 849
in % des koordinierten Lohnes
33,9%
34,9%
Max. anw. jährliche Witwenrente, Witwerrente
12 119
12 509
Max. anw. jährliche Waisenrente
4 040
4 170
5. Barauszahlung der Leistungen
Grenzbetrag des AGH für Barauszahlung
20 500
20 600
6. Teuerungsanpassung BVG-Risikorenten vor dem Rücktrittsalter
erstmals nach einer Laufzeit von 3 Jahren
0,4 %
nach einer weiteren Laufzeit von 2 Jahren
–
nach einer weiteren Laufzeit von 1 Jahr
–
7. Beitrag Sicherheitsfonds BVG
für Zuschüsse wegen ungünstiger Altersstruktur
0,08 %
für Leistungen bei Insolvenz und für andere Leistungen
0,01 %
Max. Grenzlohn für die Sicherstellung der Leistungen
126 360
8. Versicherung arbeitsloser Personen im BVG
Eintrittsschwelle; minimaler Tageslohn
80,90
Koordinationsabzug vom Tageslohn
94,35
Max. Tageslohn
323,50
Min. koordinierter Tageslohn
13,50
Max. koordinierter Tageslohn
229,15
9. Steuerfreier Grenzbetrag Säule 3a
Oberer Grenzbetrag bei Unterstellung unter 2. Säule
6 739
Oberer Grenzbetrag ohne Unterstellung unter 2. Säule
33 696
354
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
2014
65 (Männer
64 (Frauen
1949 geboren) 1950 geboren)
14 040
28 080
21 060
24 570
84 240
3 510
59 670
842 400
1,75 %
18 629
19 389
530,7%
552,4%
304 692
316 859
510,6%
531,0%
6,8 %
1 267
36,1%
760
253
20 719
34,7%
12 431
4 144
6,8 %
1 318
37,6%
791
264
21 546
36,1%
12 928
4 309
20 600
20 600
–
–
–
0,08%
0,005%
126 360
80,90
94,35
323,50
13,50
229,15
6 739
33 696
Daten und Fakten
Wichtige Masszahlen
Wichtige Masszahlen der beruflichen Vorsorge
Die jährlichen Angaben seit 1985 sind auf der BSV-Homepage verfügbar:
www.bsv.admin.ch/dokumentation/zahlen/00093/00460/index.html?lang=de
Erläuterungen zu den Masszahlen
Art.
1. Die minimale AHV-Altersrente entspricht der Hälfte der maximalen AHV-Altersrente.
34 AHVG
34 Abs. 3 AHVG
2. ArbeitnehmerInnen, die bei einem Arbeitgeber einen Jahreslohn beziehen, der den minimalen Lohn übersteigt, unterstehen ab 1. Januar nach
2 BVG
Vollendung des 17. Altersjahres für die Risiken Tod und Invalidität, ab 1. Januar nach Vollendung des 24. Altersjahres auch für das Alter der 7 Abs. 1 und 2 BVG
obligatorischen Versicherung. Seit dem 1.1.2005 entspricht die Eintrittsschwelle 3/4 der max. AHV-Rente, der Koordinationsabzug 7/8, der minimale
8 Abs. 1 BVG
Koordinierte Lohn 1/8 und der maximale Koordinierte Lohn 17/8 der max. AHV-Rente. Der in der beruflichen Vorsorge versicherbare Lohn ist auf
8 Abs. 2 BVG
den zehnfachen maximalen versicherten Jahreslohn in der obligatorischen BV begrenzt.
46 BVG
79c BVG
3. Das Altersguthaben besteht aus den Altersgutschriften, die während der Zeit der Zugehörigkeit zu einer Pensionskasse angespart worden sind,
und denjenigen, die von vorhergehenden Einrichtungen überwiesen wurden, sowie aus den Zinsen (Mindestzinssatz 4% von 1985 bis 2002,
3,25% im Jahr 2003, 2,25% im Jahr 2004, 2,5% von 2005 bis 2007, 2,75% im Jahr 2008, 2% von 2009 bis 2011, 1,5% von 2012 bis 2013,
1,75% ab 2014).
15 BVG
16 BVG
12 BVV2
13 Abs. 1 BVG
62a BVV2
14 BVG
4. Die Altersrente wird in Prozent (Umwandlungssatz) des Altersguthabens berechnet, das der Versicherte bei Erreichen des Rentenalters erworben
hat. Minimale bzw. maximale Altersrente BVG: Leistungsanspruch einer versicherten Person, die seit 1985 ununterbrochen immer mit dem
62c BVV2 und
minimalen bzw. immer mit dem maximalen koordinierten Lohn versichert war. Die Witwenrente bzw. Witwerrente entspricht 60 % der Altersrente Übergangsbestimund die Kinderrente 20 % der Altersrente. Die anwartschaftlichen Risikoleistungen berechnen sich auf der Summe des erworbenen und des bis
mungen Bst. a
zum Rücktrittsalter projizierten Altersguthabens.
18, 19, 21, 22 BVG
18, 20, 21, 22 BVG
5. Die VE kann anstelle der Rente eine Kapitalabfindung ausrichten, wenn die Alters- oder Invalidenrente bzw. die Witwen-, Witwer- oder Waisenrente
weniger als 10 bzw. 6 oder 2 Prozent der Mindestaltersrente der AHV beträgt. Seit 2005 kann der Versicherte einen Viertel seines Altersguthabens
als Kapital verlangen.
37 Abs. 3 BVG
37 Abs. 2 BVG
6. Die obligatorischen Risikorenten müssen bei Männern bis zum Alter 65 und bei Frauen bis zum Alter 62 (ab 2005 bis Alter 64) der Preisentwicklung
angepasst werden. Dies geschieht erstmals nach einer Laufzeit von drei Jahren zu Beginn des folgenden Kalenderjahres. Die Zeitpunkte der
nachfolgenden Anpassungen entsprechen denjenigen der AHV-Renten.
36 Abs. 1 BVG
7. Der Sicherheitsfonds stellt die über die gesetzlichen Leistungen hinausgehenden reglementarischen Leistungen von zahlungsunfähig gewordenen
VE sicher, soweit diese Leistungen auf Vorsorgeverhältnissen beruhen, aber nur bis zu dem maximalen Grenzlohn (www.sfbvg.ch).
14, 18 SFV
15 SFV
16 SFV
56 Abs. 1c, 2 BVG
8. Seit dem 1.1.1997 unterstehen Bezüger von Taggeldern der Arbeitslosenversicherung für die Risiken Tod und Invalidität der obligatorischen
Versicherung. Die in den Artikeln 2, 7 und 8 BVG festgehaltenen Grenzbeträge müssen in Tagesgrenzbeträge umgerechnet werden. Die
Tagesgrenzbeträge erhält man, indem die Jahresgrenzbeträge durch den Faktor 260,4 geteilt werden.
2 Abs. 3 BVG
9. Maximalbeträge gemäss der Verordnung über die steuerliche Abzugsberechtigung für Beiträge an anerkannte Vorsorgeformen: Gebundene
Vorsorgeversicherungen bei Versicherungseinrichtungen und gebundene Vorsorgevereinbarungen mit Bankstiftungen.
7 Abs. 1 BVV3
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
40a AVIV
355
Daten und Fakten
Agenda
Agenda
Tagungen, Seminare, Lehrgänge
Datum
Veranstaltung
Ort
Auskünfte
21.1.2014
Plattform Fremdplatzierung
Kulturcasino Bern
Integras
Fachverband Sozial- und
Sonderpädagogik
Bürglistrasse 11
8002 Zürich
Tel. 044 201 15 00, Fax 044 201
23 25
integras@integras.ch; www.
integras.ch
21./22.1.2014
Intensivseminar zum
Parkhotel Schloss
internationalen Sozialversiche- Hünigen, Konolingen
rungsrecht
Sekretariat
Institut für Rechtswissenschaft
und Rechtspraxis
Universität St. Gallen
Bodanstrasse 4, 9000 St. Gallen
Tel. 071 224 24 24, Fax 071 224
28 83
irp@unisg.ch; www.irp.unisg.ch
24.1.2014
Caritas-Forum 2014: Wohnen
(Anmeldeschluss 17.1.)
Caritas Schweiz, Bereich
Kommunikation
Löwenstrasse 3, Postfach
6002 Luzern
Tel. 041 419 22 22, Fax 041 419
24 24
www.caritas.ch/forum/d
(Online-Anmeldung) info@
caritas.ch
Kulturcasino Bern
30./31.1.2014
SGG SSG Kongress 2014:
Universität
Übergänge erleben – gestalten Miséricorde,
– begleiten
Freiburg i.Ü.
Schweizerische Gesellschaft für
Gerontologie SGG SSG
Schwarztorstrasse 48, 3007 Bern
Tel. 031 311 89 06
info@sgg-ssg.ch
15.5.2014
Zukunft hohes Alter: Nationale Kongresshaus Biel
Fachtagung
Pro Senectute Schweiz,
Lavaterstrasse 60, Postfach,
8027 Zürich
fachtagung@pro-senectute.ch
www.prosenectute.ch
Plattform Fremdplatzierung
Zuweisende Stellen und aufnehmende Einrichtungen beeinlussen
gemeinsam den Halt und die Verlässlichkeit, welche fremdplatzierte Kinder und Jugendliche erfahren können.
Verschiedene Bedingungen beeinlussen die Stabilität der Interventionen.
Am Anfang steht immer eine Entscheidung. Wie Entscheidungen klug
getroffen werden können und was die
weiteren Faktoren für eine gute
Fremdplatzierung sind, wird an der
Tagung aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet.
356
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
Internationales
Sozialversicherungsrecht
Sozialversicherungsrechtliche Fragestellungen sind oft nicht einfach zu
beantworten. Dies gilt noch viel mehr
für das internationale Sozialversicherungsrecht. Das europäische Sozialrecht hat hier eine eminente Bedeutung; daneben hat die Schweiz mit
verschiedenen Staaten ausserhalb der
EU/EFTA Abkommen über die Soziale Sicherheit abgeschlossen; mit
manchen Staaten bestehen demgegenüber keine vertraglichen Beziehungen. Das Intensivseminar erläu-
tert die Grundzüge des internationalen Sozialversicherungsrechts und
konkretisiert diese mit den praxisrelevanten Tatbeständen. Wie gestaltet
sich die Unterstellung unter die Soziale Sicherheit bei Tätigkeiten in mehreren Staaten? Was heisst «Beschäftigungsland»? Wie ist ein Arbeitnehmer versichert, welcher in einem
ostasiatischen Staat für vier Monate
tätig ist? Welche Fragen stellen sich
bei ausländischen Staatsangehörigen,
welche im Alter in den Heimatstaat
zurückkehren? Und welchen Schutz
bietet das schweizerische Sozialversicherungsrecht für Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit?
Caritas-Forum 2014 – Wohnen
Wohnen ist existenziell. Der Wohnort bestimmt wesentlich die Lebenswelt einer Person, einer Familie. Sichere und angemessene Wohnverhältnisse sind Voraussetzung für
Gesundheit, für eine gelingende Integration im Alltag, für soziale Kontakte, für die Arbeitsleistung, für gesellschaftliche Teilhabe. Der Wohnraum wird aber in der Schweiz knapp.
Die Belastung durch die Wohnkosten
ist gestiegen, gerade bei den unteren
Einkommensschichten. Preisgünstige
Wohnungen sind rar, Verdrängungsprozesse machen sich bemerkbar.
Caritas Schweiz widmet das nächste
Forum dem Thema «Wohnen». Expertinnen und Experten aus Politik, Wissenschaft und der Wirtschaft setzen
sich mit den Mechanismen des Immobilienmarktes auseinander. Zudem
diskutieren sie Ansätze für eine
Raum- und Wohnpolitik, die im Sinne
der sozialen Gerechtigkeit und des
sozialen Zusammenhalts wirken.
Übergänge erleben –
gestalten – begleiten
Alternsprozesse verlaufen individuell, beinhalten markante Übergänge sowie allmähliche Veränderungen
und sind aktuell in grosse gesellschaft-
liche Umwälzungen eingebettet. Was
müssen Fachleute im Altersbereich
darüber wissen? Was braucht es an
unterstützenden und begleitenden
Massnahmen?
Es erwarten Sie Beiträge von namhaften Fachleuten aus Praxis, Wissenschaft und Politik. Im Weiteren ist ein
Podium zur Nationalen Demenzstrategie im Programm eingeplant. Die
Schwestergesellschaften SFGG/
SPSG und SGAP/SPPA sind wiederum mit eigenen, allen offen stehenden
Wahlangeboten dabei. Zum reichhaltigen Angebot gehört auch eine Aus-
stellung mit Fotos von Marcel Imsand
aus der Sammlung der Fondation
Gianadda.
Zukunft hohes Alter
Die demograische Alterung führt
dazu, dass immer mehr hochaltrige,
über achtzigjährige Menschen unter
uns leben. Was dies für die Gesellschaft bedeutet, lässt sich kaum voraussagen. Auf jeden Fall wird bereits
heute rege über steigende Kosten im
Gesundheitswesen und drohenden
Plegenotstand diskutiert. Diese und
weitere Fragen zur Hochaltrigkeit
greift Pro Senectute an ihrer zweiten
nationalen Fachtagung am 15. Mai
2014 in Biel auf. Die Veranstaltung
öffnet den Blick für das hohe Alter
und thematisiert die Übergänge zwischen dem «dritten», sogenannt aktiven, und dem «vierten» oder fragilen
Alter. Das Ziel der Fachtagung ist es,
unterschiedliche Dimensionen der
Hochaltrigkeit zu zeigen, die sich
nicht auf die körperliche, möglicherweise auch geistige Fragilität reduzieren lassen.
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
357
Daten und Fakten
Literatur
Alter
Gronemeyer, Reimer, Das 4. Lebensalter. Demenz ist keine Krankheit, München, Droemer Knaur, Fr.
22.–, ISBN 2244004400727 (eBook)
Reimer Gronemeyer liefert den
Hintergrund zu einer längst überfälligen Debatte: Sein Buch "Das vierte
Lebensalter" beschreibt den schwierigen Alltag dementer Menschen und
ihrer Angehörigen und prophezeit
eine soziale Kernschmelze: In unserer
alternden Gesellschaft werden immer
mehr Menschen dement, ihre Familien sind immer weniger in der Lage,
diese Menschen aufzufangen, und die
Kosten für ihre Betreuung explodieren. Reimer Gronemeyer fordert einen Perspektivwechsel. Seine These:
Mit medizinischer Forschung werden
wir das Problem nicht lösen! Was wir
brauchen, ist eine Strategie gegen die
sozialen Folgen von Demenz. Denn
wir wissen nicht, wodurch Demenz
ausgelöst wird - aber wir wissen, dass
es jeden treffen kann.
Gross, Peter; Wir werden älter. Vielen Dank. Aber Wozu?, Freiburg i.Br.
2013, Herder, 21.90,
ISBN 978-3-451-30699-0
Wir werden immer älter. In zwei
Jahrhunderten hat sich unsere Lebenserwartung verdoppelt. Wozu eigentlich? Was hat das lange Leben für
einen Sinn in einer Gesellschaft, die
das Starke, Schnelle und den permanenten Stress prämiert? Peter Gross
stellt das herrschende Altersbild auf
den Kopf. Alter beruhigt. Alter macht
das Leben zum ersten Mal in der
Menschheitsgeschichte ganz. Und es
mässigt eine heiss laufende Gesellschaft, die sich selber überfordert und
ihre Lebensgrundlagen verzehrt.
358
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
Literatur
Beruliche Vorsorge
Die berufliche Vorsorge, hg. von
Hans-Ulrich Stauffer, Zürich3 2013,
Schulthess, 188.–,
ISBN 978-3-7255-6841-3
Zu zahlreichen Fragen der technischen Durchführung und des Leistungsrechts in der berulichen Vorsorge reicht der «Blick ins Gesetz» nicht,
um zu einer schlüssigen Antwort zu
kommen. Erst durch die Rechtsprechung sind zahlreiche und wesentliche
Fragen geklärt worden. Doch wer sich
rasch einen Überblick über die Rechtsprechung verschaffen will, sieht sich
einer Schwierigkeit gegenüber: Die
zahlreichen höchstrichterlichen Entscheide betreffen das öffentliche Recht
sowie das Privat- und Sozialversicherungsrecht und werden demzufolge an
verschiedenen Stellen publiziert. Der
vorliegende Band stellt in geraffter
Form die Rechtsprechung des Bundesgerichts zum gesamten Bereich der
berulichen Vorsorge dar. Darin sind
weit mehr als 1200 Schlüsselentscheide des Bundesgerichts ausgewertet
worden. Dabei wurden die in Printmedien publizierte Entscheide und Entscheide von der Homepage des
Schweizerischen Bundesgerichts bearbeitet. Neben der Rechtsprechung
zum BVG und zum Freizügigkeitsgesetz (FZG) ist die Rechtsprechung zu
den einschlägigen Artikeln des Arbeitsvertragsrechts (OR), des Stiftungs- und Scheidungsrechts (ZGB)
und zu den anwendbaren Bestimmungen des FusG und der neuen ZPO
erfasst.
Seiler Zimmermann, Yvonne, Nutzung von Vorsorgegeldern zur Finanzierung von selbstgenutztem Wohneigentum, Luzern 2013, Verlag IFZ –
Hochschule Luzern,
ISBN 978-3-906488-29-5
Die vorliegende Studie beinhaltet
die deskriptiven Ergebnisse aus dem
im Rahmen des Projekts «Nutzung von
Vorsorgegeldern zur Finanzierung von
selbstgenutztem Wohneigentum» zusammengetragenen Datensatzes. Erstmals sind damit im Rahmen einer
Studie sämtliche Informationen bezüglich der Finanzierung (Verwendung von Mitteln aus der 2. Säule, aus
Säule 3a sowie weiteren Finanzierungsmitteln) von Wohneigentum und
des soziodemograischen Proils der
Eigentümer erhoben worden. Da sowohl Personen erfasst sind, welche
Vorsorgegelder beanspruchen als auch
solche, die keine derartigen Mittel einsetzen, kann erstmals ein Vergleich
zwischen diesen Personengruppen
gezogen werden. Dieser erlaubt, Rückschlüsse bezüglich der Effektivität der
Wohneigentumsförderung mit Vorsorgegeldern zu ziehen.
Familie
Familien in Zeiten grenzüberschreitender Beziehungen, hg. von Alexandra Rumo-Jungo und Christiana Fountoulakis, Zürich 2013, Schulthess,
78.–, ISBN 978-3-7255-6915-1
Seit in der Schweiz gut jede dritte
Ehe und Partnerschaft gemischt-national ist und gleichzeitig die Scheidungsrate bei rund 50 Prozent liegt,
stellen sich in der Praxis zahlreiche
internationalrechtliche Fragen, einerseits jene betreffend die Durchsetzung
von Unterhaltsansprüchen, die Teilung
von Vorsorgeguthaben und die güterrechtliche Auseinandersetzung und
andererseits jene betreffend die Kinderbelange (elterliche Sorge und Obhut). Im Rahmen einer Scheidung mit
internationalem Kontext stehen auch
Strategien für das sogenannte forum
shopping zur Diskussion. Ferner stellen sich migrationsrechtliche Fragen.
Diesen und weiteren Themen widmet
sich der Tagungsband zum Symposium
Familienrecht vom September 2013.
Er enthält ferner eine umfassende
Übersicht über die ehe- und kindesrechtliche Literatur und Rechtsprechung der letzten zwei Jahre.
Generationen
Fricke, Almuth et al., The mix@ges
Experience. How to promote Interge-
Daten und Fakten
nerational Bonding through Creative
Digital Media: Online-Publikation des
Handbuchs: http://issuu.com/ibk-kubia/docs/manual_mixages_web; Zum
Projekt: www.mixages.eu
In ive European countries mix@ges
explored, how the artistic use of digital media can bring together both
young and old. The European project
invited young and older people to
jointly discover the broad range of
creative and artistic possibilities our
contemporary digital world has to offer. In Scotland, Germany, Austria,
Slovenia and Belgium the project partners implemented creative new media
workshops in collaboration with national organisations such as museums,
schools, youth or seniors associations.
The workshops were guided by professional artists, media trainers and art
educators and involved the creation
of artistic media products including
iPod movies; audio guides for a museum; art blogs; Tagtool performances;
digital music and photography. All the
workshops were evaluated by both
participants and facilitator.
The mix@ges project delivered a
plethora of experiences and explored
innovative approaches to intergenerational activities in cultural and community settings. The reader will ind
in this manual both detailed descriptions of how the mix@ges workshops
proceeded and the project s indings
and les-sons learned, around eight
inspirational themes. Useful information about partners, links and references complete the manual.
Gesellschaft
Trattnigg, Rita und Thomas Haderlapp, Zukunftsfähigkeit ist eine Frage
der Kultur. Hemmnisse, Widersprüche
und Gelingensfaktoren des kulturellen Wandels, München 2013, Oekom
by Hanser, Fr. 59.90,
ISBN 978-3-86581-413-5
Wie wir mit uns, der Zukunft und
der Welt umgehen, ist eine Frage der
Kultur. In diesem Buch werden die
grundlegenden Paradigmen ebenso
Literatur
hinterfragt wie die Denk- und Handlungsmuster unserer kulturellen Verfasstheit. Um über vermeintliche
Sachzwänge hinauszublicken und
Alternativen möglich werden zu lassen, bedarf es einer radikalen, also bis
an die Wurzeln gehenden Auseinandersetzung mit unserer Politik- und
Alltagsgestaltung: Was hemmt eine
zukunftsfähige Politikgestaltung? Wie
gelingt die Zusammenarbeit von Politik, Zivilgesellschaft und BürgerInnen? Wie wird Zukunftsfähigkeit gelebte Praxis? Der kulturelle Wandel
erfordert Dialogfähigkeit, Prozesskompetenz, Experimentierfreude und
Pioniergeist, ein relektiertes Selbstund Weltbewusstsein, einen anderen
Umgang mit Grenzen und Widersprüchen sowie Sinn für Beziehungen und
Zusammenhänge. Dieser Transformationsprozess könnte von einer aufgeklärten, lebenskünstlerisch-genussvollen Haltung und einer umfassenden
Lebensqualitätsorientierung getragen
sein. Die Untersuchung zeigt Wege
und Hürden in eine Kultur der Zukunftsfähigkeit auf. Bei aller wissenschaftlichen Genauigkeit entsteht
kein reines Fachbuch, sondern ein
erweiterter Blick auf die nachhaltige
Entwicklung, wie er bisher noch selten
von den Akteuren in diesem Bereich
vorgenommen wurde.
Welzer, Harald, Selbst denken. Eine
Anleitung zum Widerstand, Frankfurt
am Main 2013, S. Fischer, Fr. 29.20,
ISBN 978-3-100-89435-9
Wie ist uns eigentlich die Zukunft
abhandengekommen? Was war noch
mal die Frage, auf die Fortschritt und
Wachstum eine Antwort sein sollten?
Und: Wie kann aus der Zukunft wieder ein Versprechen werden statt einer
Bedrohung? Harald Welzers Buch gibt
Antworten auf diese Fragen. Es lotet
die Abgründe des erdrückenden Konsumwahns und politischen Illusionstheaters aus und zeigt, wie viele konkrete und attraktive Möglichkeiten
zum widerständigen und guten Leben
es gibt. Die ersten Schritte sind ganz
einfach: sich endlich wieder ernst nehmen, selbst denken, selbst handeln.
Gesundheit
Gächter, Thomas und Bernhard
Rütsche; Gesundheitsrecht. Ein
Grundriss für Studium und Praxis,
Helbing Lichtenhahn, Basel 32013,
Helbing Lichtenhahn, 58.–,
ISBN 978-3-7190-3275-3 (auch als
eBook erhältlich)
Das vorliegende Kurzlehrbuch hat
sich dank seiner prägnanten und gut
verständlichen Darstellung des Gesundheitsrechts der Schweiz als hilfreiches Überblickswerk zu diesem
vielschichtigen und weitverzweigten
Rechtsgebiet etabliert. Dargestellt
werden die zentralen Gebiete des
Gesundheitsrechts in ihren juristischen Grundstrukturen und mit ihren
Interdependenzen. Im Vordergrund
steht dabei das problembezogene Zusammenspiel der Rechtsgebiete. Die
3. Aulage wurde vollständig überarbeitet und erweitert. Insbesondere die
Bereiche Krankenversicherung und
Humanforschung wurden vertieft.
Gutes Leben – Gutes Sterben, hg.
von Denise Battaglia und Ruth Hölzle-Baumann, Zürich 2013, Schulthess
Verlag, Fr. 34.–,
ISBN 978-3-7255-6779-9
Nichts ist so sicher wie der Tod, sagt
der Volksmund. Wir wissen, dass wir
sterben müssen. Wir wissen nur nicht
wann. Vor ein paar Jahrzehnten noch
war der Tod im Leben eingebettet:
Verstorbene wurden in der Wohnung
aufgebahrt und von den Trauernden
beweint, berührt und geküsst. Heute
geht man zum Sterben ins Alters- und
Plegeheim, ins Hospiz oder ins Spital.
Der Tod ist in unserer Gesellschaft
ein Tabu. Dabei wäre die Vorbereitung auf das Sterben die beste Vorbereitung für das Leben. Der Gedanke
an den Tod kann existenzielle Fragen
provozieren, zum Beispiel die Frage,
wie wir leben sollen. Wer sich nicht
mit dem eigenen Tod befasst, gibt womöglich nicht nur sein Ende aus der
Hand, sondern auch sein eigenes Leben. Wie sehr das gute Leben und das
gute Sterben miteinander verknüpft
sind, zeigt dieses Buch auf.
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
359
Daten und Fakten
Kinder und Jugend
Kinder- und Jugendhilfe in der
Schweiz, hg. von Edith Maud Piller
und Stefan Schnurr, Wiesbaden 2013,
Springer VS, Fr. 56.–,
ISBN 978-3-531-18459-3 (auch als
eBook erhältlich)
In der Schweiz hat sich ein ausdifferenziertes System der Kinder- und
Jugendhilfe entwickelt. Dieser Sammelband bietet nun erstmals einen
empirisch fundierten und thematisch
breiten Einblick in Handlungsfelder
und fachliche Diskurse der schweizerischen Kinder- und Jugendhilfe. Ergebnisse ausgewählter Forschungsprojekte werden in kompakter und
verständlicher Form vorgestellt und
mit Blick auf Ansätze zur Weiterentwicklung guter Praxis diskutiert.
Schulden
Ciao CASH; Kartenspiel zu Geld
und Glück (ab zehn Jahren, für zwei
bis sechs Personen), Basel 2011: ciaocash@plusminus.ch
Ciao CASH sensibilisiert die Mitspielenden auf viele Fragen rund
ums Geld. Denn auf der Suche nach
dem Glück gibts inanzielle Überraschungen aller Art. Die Geniesserin
hat ein Smartphone geschenkt bekommen? Mega! Nur kostet das jede
Runde Geld. Der Glückspilz indet
auf der Strasse Bargeld? Super! Er
darf nochmals eine Geldkarte ziehen. Der Multimedia-Freak wird
arbeitslos? Pech! Jetzt gibts zwei
Runden kein Geld. Da nützt ihm
auch nichts, dass er vorher in Bildung
investiert hat. Auf der etwa 30 Minuten dauernden Jagd nach Glückspunkten treffen die Spielenden auf
Schuldenfallen und Schicksalsschläge, Schnäppchen und Schätze. Das
Spiel besteht aus 141 Spielkarten und
es liegen zwei unterschiedliche Spielanleitungen bei.
Schulden – was tun? Der Weg aus
der Schuldenfalle, hg. von der Berner
Schuldenberatung, 4. vollständig
360
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
Literatur
überarbeitete Aulage, Bern 2013,
Edition Soziothek, Fr. 46.–,
ISBN 978-3-03796-500-9
Das Standardwerk zu Schuldenberatung und Schuldensanierung ist
vom Beratungsteam der Berner
Schuldenberatung für die vierte Auflage vollständig überarbeitet worden. Das Buch beschreibt, wie man
in eine Schuldenberatung einsteigt
und was es braucht, damit daraus
eine Schuldensanierung oder eine
Konkursbegleitung wird. Zum Nutzwert des Handbuchs tragen 37 Diagramme, Tabellen, Formulare und
Beispiele für Briefe und Eingaben
bei. Ein detailliertes Stichwortverzeichnis macht das Handbuch zum
alltagstauglichen Nachschlagewerk.
Der überarbeitete Band gesellt
sich zu den beiden 2011 erschienenen Werken: «Konsum auf Pump.
Das Recht», ein Kommentar des
Bundesgesetzes über den Konsumkredit, und «Der Betreibungsalltag.
Vom Zahlungsbefehl zum Verlustschein», eine praxisorientierte Darstellung des Systems und der Alltagsprobleme des schweizerischen Betreibungsrechts.
ethnic societies, welfare nationalism
as well as the welfare state in the
context of a dictatorship. The volume
assembles contributions of renowned
academics from several countries such
as Austria, Belgium, Germany, Poland,
Romania, Switzerland and the US.
They offer two major perspectives on
the subject at hand, comprising the
national framework of analysis of citizenship, nationalism, conlict and
welfare as well as the comparative
perspective.
Sozialpolitik
Migration, Familie und Gesellschaft; hg. von Thomas Geisen et al.;
Berlin, Heidelberg, Wiesbaden 2013;
Springer VS; 44.–,
ISBN 978-3-531-18010-6 (auch als
eBook erhältlich)
Moderne Gesellschaften sind durch
eine Pluralisierung familiärer Formen
und Muster gekennzeichnet. Dies gilt
auch für Familien im Kontext von
Migration, die aber in den öffentlichen Diskursen meist immer noch als
«traditionelle Familien» wahrgenommen werden. Ein Teil der Veränderungen von Familien im Kontext von
Migration steht in engem Zusammenhang mit Veränderungen in den Migrationsprozessen selbst. Diese haben
einen Einluss auf die innere Strukturierung und die Entwicklung der Familien. Vor dem Hintergrund aktueller
Debatten um Transnationalisierung
und Transkulturalität untersuchen die
European Welfare States − Citizenship, Nationalism and Conlict, hg. von
Ireneusz Pawel Karolewski und Andrzej Marcin Suszycki, Osnabrück
2013, Fibre Verlag, Fr. 52.90,
ISBN 978-3-938400-63-0
The volume offers contributions
from social sciences dealing with new
challenges to the European welfare
state. It includes new theoretical insights as well as empirical studies with
a focus on one country or cross-country comparisons. The case studies include Austria, Belgium, Ireland, European Turks and the Belarus. The
authors are particularly interested in
questions regarding the relationships
between welfare state and citizenship,
the conlict potential of different welfare regimes, immigration and welfare, conditions of solidarity in multi-
Sozialalmanach 2014: «Unter einem
Dach», Luzern 2013, Caritas, 34.–
Der Wohnraum wird in der Schweiz
zunehmend knapp. Gerade für benachteiligte Menschen wird es immer
schwieriger, geeigneten und bezahlbaren Wohnraum zu inden. Der
Schwerpunktteil «Unter einem Dach»
widmet sich deswegen der schweizerischen Raum- und Wohnpolitik. Die
Beiträge in diesem Teil beleuchten die
Mechanismen des Immobilienmarktes und analysieren sie daraufhin,
inwiefern sie die soziale Gerechtigkeit
untergraben. Reportagen aus dem
Alltag von Menschen auf Wohnungssuche vervollständigen diesen Band.
Beiträge im vorliegenden Band die
Komplexität von Familie im Kontext
von Migration. Dabei wird nach der
Bedeutung von Migrationspolitiken
und dem Umgang mit sozialen und
kulturellen Differenzen im Zusammenhang von Familie und Migration
gefragt.
Sozialer Frieden – transnational
(Traverse 2/2013), hg. von Gisela Hürlimann et al., Zürich 2013, Chronos
Verlag, Fr. 28.–,
ISBN 978-3-905315-59-2
Der thematische Heftschwerpunkt
analysiert die Rolle der Zirkulation
von Normen, Akteuren und Dispositiven für die Genese staatlichen Handelns und insbesondere der Sozial-
politik in Europa nach dem Ersten
Weltkrieg. Im Kontext der Nachkriegszeit sowie der Wirtschaftskrise
der 1930er-Jahre und nunmehr unter
der Leitung intergouvernementaler
Organisationen wie etwa des Völkerbundes zeugen diese verschiedenen
Erfahrungen von einer kollektiven
Suche nach neuen Methoden des social engineering.
Salvi, Marco und Luc Zobrist; Zwischen Last und Leistung. Ein Steuerkompass für die Schweiz; Zürich 2013,
Verlag NZZ, 38.–,
ISBN 978-3-03823-877-5
Die Schweiz ist kein Tiefsteuerland. Trotz einer vergleichsweise
schwachen Progression ist die Belas-
tung hoch. Im Durchschnitt muss
eine erwachsene Person rund 55%
ihres Einkommens in Form von Steuern und Abgaben abliefern. Fast die
Hälfte davon erhält sie als Renten
und Geldleistungen zurückerstattet.
Das Schweizer Steuer- und Transfersystem leidet an drei zentralen
Schwachstellen: Es fehlt an Neutralität und Transparenz und die Umverteilung ist zu wenig zielgerichtet.
Dieses Buch plädiert für eine Besteuerung mit Prinzip. Ziel ist ein Steuersystem, das den Konlikt zwischen
Last und Leistung minimiert und den
künftigen Herausforderungen gerecht wird. Dazu werden im Wesentlichen 13 grössere Reformen vorgeschlagen.
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
361
Daten und Fakten
Inhaltsverzeichnis 2013
Jahresinhaltsverzeichnis 2013
AHV
Unsicheres Alter, gesichertes Alter?
(Matthieu Leimgruber, Universität Genf) . . . . . . . 1/21
AHV: wichtigste statistische Ergebnisse 2012
(Jacques Méry, BSV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3/160
Alter
Das vierte Lebensalter ist weiblich
(Marie-Louise Barben, Monika Stocker und
Heidi Witzig; GrossmütterRevolution) . . . . . . . . . 5/280
Arbeit
Missbrauchsbekämpfung über das Bundesgesetz
gegen die Schwarzarbeit (Peter Jakob und
Jonas Möhrle, SECO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2/77
Beruliche Vorsorge
Botschaft zur Neuregelung des Vorsorgeausgleichs
bei Scheidung (Franziska Grob, BSV) . . . . . . . . . 4/222
Ergänzungsleistungen
Wirkungsvolle Existenzsicherung durch
Ergänzungsleistungen (Urs Portmann, BSV) . . . . 4/226
Erwerbsersatz/Mutterschaftsentschädigung
Missbräuche in der EO
(Jörg Reinmann und Nadine Schüpbach, BSV) . . . 2/75
Familie
Einbezug der Selbstständigerwerbenden ins
Familienzulagengesetz (Maia Jaggi, BSV) . . . . . . . 1/27
Impulsprogramme für familienergänzende
Kinderbetreuung – Prioritätenordnung
(Cornelia Louis, BSV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1/31
Das Familienzulagenregister
(Giovanna Battagliero, BSV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2/76
Bundesrat verabschiedet Bericht zum Vaterschaftsund Elternurlaub (Lucie Martin und
Barbara von Kessel-Regazzoni, BSV) . . . . . . . . . . 6/316
Gesundheitswesen
Handlungsbedarf und Handlungsfelder in der sozialen
362
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
Krankenversicherung
(Marie-Thérèse Furrer, BAG) . . . . . . . . . . . . . . . . . 1/12
Krankenversicherung: der lange Schatten des
Föderalismus
(Prof. Martin Lengwiler, Universität Basel) . . . . . . 1/24
Neue Versorgungsmodelle für die medizinische
Grundversorgung (Daniela Schibli, GDK) . . . . . . 3/117
Gesundheitsberufe / berufsübergreifende
Zusammenarbeit (Olivier-Jean Glardon, BAG) . 3/121
Strategie gegen den Ärztemangel und zur Förderung
der Hausarztmedizin (Maria Hodel, BAG) . . . . . 3/125
Hausarztmedizin: Ein Ziel, viele Wege –
Volksinitiative, Gegenentwurf, Masterplan
(Brigitte Menzi und Nuria del Rey, BAG) . . . . . . 3/131
Ärzteschaft in der Schweiz: aktuelle Fragen zur
künftigen Entwicklung (Laila Burla, Obsan) . . . . 3/135
Transparenz und Qualität in der Psychologie
und psychologischen Psychotherapie
(Marianne Gertsch, BAG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3/137
Kosteneinsparungen und Risikoselektion bei
Modellen der Krankenversicherung
(Jürg Burri, BAG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3/154
Prämienverbilligung nach NFA – Monitoring 2010
(Reinhold Preuck, BAG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5/285
Langzeitplege in der Schweiz: eine europäische
Perspektive (Andrea E. Schmidt, Europäisches
Zentrum für Wohlfahrtspolitik und Sozialforschung, Wien) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6/318
Potenzial und Verbreitung von IKT zur
Unterstützung plegender Angehöriger
(Francesco Barbabella und Giovanni Lamura,
Istituto Nazionale di Riposo e Cura per Anziani,
Ancona sowie Andrea E. Schmidt, Europäisches
Zentrum für Wohlfahrtspolitik und Sozialforschung,
Wien) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6/325
Netzwerk Psychische Gesundheit Schweiz – eine
Zwischenbilanz (Alfred Künzler, Netzwerk
Psychische Gesundheit Schweiz und
Katrin Jentzsch, BSV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6/329
Regionale Unterschiede bei der Belastung durch
die obligatorischen Gesundheitsausgaben
Daten und Fakten
Inhaltsverzeichnis 2013
(Oliver Bieri und Helen Köchli, Interface
Politikstudien Forschung Beratung, Luzern . . . . . 6/331
Kinder und Jugend
Programm Jugend und Gewalt
(Liliane Galley, BSV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1/34
Gleichstellung
Rückblick auf die Arbeit der IFEG-Kommission
(Ralf Kocher und Nikos Stamoulis, BSV) . . . . . . . 3/151
Entwicklung des Gewaltverhaltens unter jungen
Menschen in den letzten 20 Jahren (Denis Ribeaud,
ETH Zürich) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1/35
Beruliche Gleichstellung von Menschen mit
Behinderungen (Samuel Mathys, EBGB) . . . . . . . 4/209
Jugendschutzprogramme: Zwischenstand und Ausblick
(Thomas Vollmer, BSV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4/178
International
Soziale Sicherheit Schweiz–Kosovo
(Raphael Tschanz, BSV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6/346
Invalidenversicherung
ConCerto – Pilotprojekt zur Eingliederung
(Eva Lang, BSV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1/46
Votum der Initiantin des Projekts ConCerto
(Susanne Buri, Swisscom AG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1/50
Missbrauchsbekämpfung als zentrale Aufgabe der IV
(Ralph Leuenberger, BSV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2/65
Juristische Aspekte der Missbrauchsbekämpfung
in der IV (Ralph Leuenberger, BSV) . . . . . . . . . . . 2/68
Eingliederung vor Rente: Die 5. IV-Revision wirkt
und hat noch Potenzial (Christian Bolliger, Büro Vatter
und Tobias Fritschi, BFH Soziale Arbeit; Bern) . . . 2/88
Wohn- und Betreuungssituation von Personen mit
Hillosenentschädigung nach der 4. IV-Revision
Strategien zur Gewaltprävention: Lehren aus dem
Kanton Solothurn (Marius Féraud und Christian
Rüeli, Büro Vatter) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4/181
Evaluation des Gewaltpräventionsprogramms
«Peacemaker» (Peter Neuenschwander und
Katharina Haab Zehrê, Berner Fachhochschule
Soziale Arbeit) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4/185
Gewaltprävention: Erfahrungen aus dem Programm
Jugend und Gewalt
(Yvonne Haldimann und Liliane Galley, BSV) . . 4/190
Herausforderungen für den Jugendmedienschutz durch
digitale Medienumgebungen (Stephan Dreyer, Uwe
Hasebrink, Claudia Lampert und Hermann-Dieter
Schröder, Universität Hamburg) . . . . . . . . . . . . . . 4/195
Internetrisiken für Kinder: Neuste Daten aus der
Schweiz (Martin Hermida und Sara Signer,
Universität Zürich) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4/200
Förderung von Medienkompetenzen bei Kindern
durch Eltern und Gleichaltrige (Claudia Paiano
und Colette Marti, BSV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4/204
(Jürg Guggisberg, BASS, Bern) . . . . . . . . . . . . . . . . . 2/93
Nicht objektivierbare Gesundheitsschäden und ihre
Folgen für die IV (Ralf Kocher, BSV) . . . . . . . . . . 2/97
Startkapital – Pilotprojekt nach Art. 68quater IVG
(Adelaide Bigovic, BSV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3/148
FER – Pilotprojekt nach Art. 68quater IVG
(Eliane Kraft und Marcel Buffat, Ecoplan) . . . . . 4/213
IV-Statistik 2012: Rückgang des Rentenbestands
dauert an (Markus Buri und Beat Schmid, BSV) 4/218
Sozialleistungsbezüge und Proile von neuen IVRentenbeziehenden (Robert Fluder, Renate Salzgeber
und Tobias Fritschi; Berner Fachhochschule Soziale
Arbeit) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6/336
BECK – Beruliche Eingliederung von Menschen mit
einer chronischen Krankheit (Margareta Schmid,
Fachstelle Evaluation & Gesundheitsforschung; Eliane
Boss, Krebsliga Schweiz; Erich Tschirky,
Schweizerische Gesundheitsligen-Konferenz) . . . 6/341
Reform Altersvorsorge 2020
Reform der Altersvorsorge 2020
(Sibel Oezen und Bernadette Deplazes, BSV) . . . . . 1/5
Reform Altersvorsorge 2020: umfassend,
ausgewogen, transparent (Sibel Oezen, BSV) . . . 5/246
Das Referenzalter als Schlüsselkonzept der Reform
Altersvorsorge 2020 (Brigitte Gautschi, BSV) . . . 5/249
Weiterbeschäftigung im Rentenalter: ein Blick in
die Praxis (Suzanne Schär, BSV) . . . . . . . . . . . . . . 5/252
Umwandlungssatz und weitere BVG-Bestimmungen
(Jean-Marc Maran, BSV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5/254
Massnahmen für die Verbesserung der Transparenz
in der berulichen Vorsorge
(Philipp Rohrbach, BSV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5/257
AHV-Finanzen: Stabilisierung über
sozialverträgliche Massnahmen
(Suzanne Schär, BSV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5/259
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
363
Daten und Fakten
Interventionsmechanismus und Neuordnung des
Bundesbeitrags an die AHV (Simon Luck, BSV) 5/263
Diskussion der Altersvorsorge auf internationaler
Ebene (Claudina Mascetta und
Cyril Malherbe, BSV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5/267
Chance und Risiko zugleich (Martin Kaiser,
Schweizerischer Arbeitgeberverband) . . . . . . . . . . 5/270
Gute Verpackung – schlechter Inhalt (Doris Bianchi,
Schweizerischer Gewerkschaftsbund) . . . . . . . . . . 5/271
Soziale Sicherheit / Sozialversicherungen
Bundesamt für Sozialversicherung
(Urs Germann, Historiker, Universität Basel) . . . . 1/20
Inhaltsverzeichnis 2013
Salute: Begleitung von Menschen mit sozialen
Problemstellungen durch Freiwillige
(Silvia Gavez und René Schaffert, Zürcher Hochschule
für Angewandte Wissenschaften, sowie Christian Rupp,
Schweizerisches Rotes Kreuz Kanton Zürich) . . . 5/272
Datenaustausch und Datenschutz in der
Interinstitutionellen Zusammenarbeit
(Kurt Pärli, Zürcher Hochschule für Angewandte
Wissenschaften) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6/310
Verwaltungsregister als Datenbasis der empirischen
Sozialforschung
(Philippe Wanner, Universität Genf) . . . . . . . . . . . 6/312
Versicherungen allgemein
Missbrauchsbekämpfung in der obligatorischen
Unfallversicherung (Cristoforo Motta, BAG). . . . . 2/74
Die neukonzipierte Sozialversicherungsstatistik –
ein Schritt Richtung Gesamtsicht
(Stefan Müller, Salome Schüpbach und
Solange Horvath, BSV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2/86
Professionelles Vorgehen ist oberstes Gebot
(Rico Zwahlen, XpertCenter AG, Bern) . . . . . . . . . 2/78
Dezentral und fragmentiert: die Geschichte der
sozialen Sicherheit seit Mitte des 19. Jahrhunderts
(Martin Lengwiler, Universität Basel) . . . . . . . . . . . 1/16
Spezialisierter Staatsanwalt für Versicherungsbetrug –
Luxus oder Notwendigkeit? (Christophe Bodmer,
Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich, Zürich) 2/79
Fortwährende Erholung der
Sozialversicherungsinanzen 2011/2012 (Stefan Müller,
Salome Schüpbach und Solange Horvath, BSV) . 3/143
Öffentliche Hand ist zweitwichtigste
Finanzierungsquelle der Sozialversicherungen
(Solange Horvath, Stefan Müller und
Salome Schüpbach, BSV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5/275
Rubriken
Parlamentarische Vorstösse
. . . . . . . . . . . . . . . . . 1/51, 2/103, 3/164, 4/230, 5/292, 6/350
Gesetzgebung: Vorlagen des Bundesrats
. . . . . . . . . . . . . . . . . 1/55, 2107/, 3/168, 4/233, 5/296, 6/351
Agenda . . . . . . . . . . .1/58, 2/110, 3/169, 4/235, 5/297, 6/356
Sozialversicherungen: Neuerungen ab 2014 und
laufende Reformen (Brigitte Dumas, BSV) . . . . . 6/307
Sozialversicherungsstatistik
. . . . . . . . . . . . . . . . . 1/56, 2/108, 3/170, 4/236, 5/298, 6/352
Sozialpolitik
Der Kontrollmechanismus der Genfer Sozialhilfe
Literatur
– AHV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1/59
– Alter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .3/172, 4/240, 6/358
– Beruliche Vorsorge . . . . . . . . . . . . . . 1/59, 5/300, 6/358
– Familie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6/358
– Generationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6/358
– Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4/238, 6/359
– Gesundheit . . . . . . . . . . . . . . . . 1/59, 3/172, 5/300, 6/359
– Invalidenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5/300
– Kinder und Jugend . . . . . . . . . . . . . .2/111, 3/172, 6/360
– Schulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6/360
– Soziale Sicherheit/Sozialversicherungen. . 2/111, 3/172
– Sozialpolitik . . . . . . . . . 1/59, 2/111, 4/239, 5/300, 6/360
(Marc Piguet, Hospice général, Genf) . . . . . . . . . . . 2/82
Missbrauchsbekämpfung ohne Tabus
(Martin Waser, Vorsteher des Sozialdepartements
der Stadt Zürich) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2/81
Sozialmissbrauch in den Medien: Realität oder
Medienhype?
(Heinz Bonfadelli, Universität Zürich) . . . . . . . . . . 2/84
Nationales Programm zur Prävention und Bekämpfung
von Armut (Joana Guldimann, BSV) . . . . . . . . . . . 3/139
364
Soziale Sicherheit CHSS 6/2013
Neue Publikationen zu den Sozialversicherungen
Bezugsquelle
Bestellnummer
Sprachen, Preis
AHV-Statistik 2012
318.123.13D
gratis*
Evaluation de la conciliation extrajudiciaire et des réseaux en matière de
délinquance juvénile (VD) et prospectives pour la justice réparatrice (französisch, deutsche
Zusammenfassung). Beiträge zur Sozialen Sicherheit, Forschungsbericht Nr. 7/13
318.010.7/13F
gratis*
Evaluation des Gewaltpräventionsprogramms «Peacemaker». Beiträge zur Sozialen Sicherheit,
Forschungsbericht Nr. 5/13
318.010.5/13D
gratis*
IV-Statistik 2012
318.124.13D
gratis*
Sozialversicherungen der Schweiz (Taschenstatistik 2013)
318.001.13D
gratis*
Übersicht über Strategien, Strukturen und Massnahmen der Gewaltprävention
in der Schweiz. Beiträge zur Sozialen Sicherheit, Forschungsbericht Nr. 6/13
318.010.6/13D
gratis*
*
Bundesamt für Bauten und Logistik (BBL), Vertrieb Publikationen, 3003 Bern
verkauf.zivil@bbl.admin.ch
www.bundespublikationen.ch
«Soziale Sicherheit» (CHSS)
erscheint seit 1993 sechsmal jährlich. Jede Ausgabe ist einem Schwerpunktthema gewidmet.
Die Themen seit dem Jahr 2011:
Nr. 1/11
Nr. 2/11
Nr. 3/11
Nr. 4/11
Nr. 5/11
Nr. 6/11
Strukturreform in der berulichen Vorsorge
Synthesebericht FoP-IV
Sozialirmen
Alimentenhilfe
IV-Revision 6a und 6b
Glücksforschung
Nr. 1/12
Nr. 2/12
Nr. 3/12
Nr. 4/12
Nr. 5/12
Nr. 6/12
Beruf und Angehörigenplege
Schweizerisches Gesundheitssystem
10 Jahre Regressprozess AHV/IV – eine Bilanz
Aktives Altern und Solidarität zwischen den Generationen
Ressortforschung Soziale Sicherheit
Grundlagen der Reform der Altersvorsorge
Nr. 1/13
Nr. 2/13
Nr. 3/13
Nr. 4/13
Nr. 5/13
Nr. 6/13
Soziale Sicherheit – gestern und morgen
Bekämpfung des Versicherungsmissbrauchs
Gesundheit2020 – mehr und richtig qualiiziertes Gesundheitspersonal
Jugendschutzprogramme des Bundes
Reform Altersvorsorge 2020
Kein Schwerpunkt
Die «Soziale Sicherheit» CHSS ist ab Heft 3/1999 im Internet unter www.bsv.admin.ch/dokumentation/
publikationen zugänglich. Sämtliche Hefte sind heute noch erhältlich (die vergriffene Nummer 1/93 als Fotokopie).
Normalpreis des Einzelhefts Fr. 9.–. Sonderpreis für Hefte 1993–2002 Fr. 5.–. Preis des Jahresabonnements Fr. 53.–
(inkl. MWST).
Bestellung von Einzelnummern:
Bundesamt für Sozialversicherungen, CHSS, 3003 Bern, Telefax 031 322 78 41, E-Mail: info@bsv.admin.ch
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Redaktion
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E-Mail: suzanne.schaer@bsv.admin.ch
Telefon 031 322 91 43
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übereinstimmen.
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Wilerstrasse 73, 9201 Gossau SG
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