Europäische
Wallfahrtsstudien
Band 10
Wallfahrer aus dem Osten
Mittelalterliche Pilgerzeichen
zwischen Ostsee, Donau
und Seine
Beiträge der Tagung
Perspektiven der europäischen Pilgerzeichenforschung
21. bis 24. April 2010 in Prag
Hartmut Kühne / Lothar Lambacher /
Jan Hrdina (Hrsg.)
Sonderdruck – Benutzung nur für
private Zwecke gestattet
Wallfahrer aus dem Osten
Mittelalterliche Pilgerzeichen zwischen Ostsee,
Donau und Seine
Sonderdruck – Benutzung nur für private Zwecke gestattet
Europäische
Wallfahrtsstudien
Herausgegeben von
Hartmut Kühne, Jan Hrdina
und Thomas T. Müller
Band 10
Sonderdruck – Benutzung nur für private Zwecke gestattet
Wallfahrer aus dem Osten
Mittelalterliche Pilgerzeichen
zwischen Ostsee, Donau
und Seine
Beiträge der Tagung
Perspektiven der europäischen Pilgerzeichenforschung
21. bis 24. April 2010 in Prag
veranstaltet vom
Kunstgewebemuseum in Prag
in Zusammenarbeit mit
Kunstgewerbemuseum der Staatlichen Museen zu Berlin
Faculteit der Letteren, Radboud Universiteit Nijmegen
Zentrum für Mediävistische Studien
der AW der Tschechischen Republik
und der Karlsuniversität
Hartmut Kühne / Lothar Lambacher /
Jan Hrdina (Hrsg.)
Sonderdruck – Benutzung nur für private Zwecke gestattet
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in
der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische
Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Umschlagabbildung:
Thronende Maria mit dem Jesusknaben
Aachen, um 1300-1350, gefunden in Opava (Troppau)
Nationales Denkmalschutzamt – Regionale Behörde in Ostrava
Inv. Nr. 45/10-18124/0001
Gefördert von:
Gerda Henkel Stiftung
Česko-německý fond budoucnosti.
Deutsch-Tschechischer Zukunftsfond
Filosoický ústav Akademie věd ČR, v.v.i. –
Centrum medievistických studií AV ČR a UK
Uměleckoprůmyslové museum v Praze
Gedruckt auf alterungsbeständigem,
säurefreiem Papier.
ISSN 1862-149X
ISBN 978-3-631-62147-9
© Peter Lang GmbH
Internationaler Verlag der Wissenschaften
Frankfurt am Main 2013
Alle Rechte vorbehalten.
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5
Inhaltsverzeichnis
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
Lothar Lambacher
Museale Grundlagen, Stand und Perspektiven des ‚Berliner Pilgerzeichenprojekts‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13
Sektion A: Pilgerzeichenfunde und Pilgerzeichenforschung im südlichen Baltikum . . . . . . . . . . . .
31
Marian Rębkowski
he Finds of the Pilgrim Badges from the Polish Baltic Coast
. . . . . .
33
Marcin Majewski
Pilgerzeichen auf Glocken in hinterpommerschen Kirchen . . . . . . .
51
Beata Możejko
Spätmittelalterliche Wallfahrten im Licht Danziger Quellen . . . . . . .
69
Jörg Ansorge
Pilgerzeichen und Pilgerzeichenforschung in Mecklenburg-Vorpommern . .
81
Renate Samariter
Neue Pilgerzeichen und religiöse Zeichen aus Stralsund
. . . . . . . . 145
Cornelia und Rainer Oefelein
Pilgerzeichenabgüsse auf den Glocken Brandenburgs. Ergebnisse einer
lächendeckenden Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . 179
Sektion B: Pilgerzeichenforschung und Wallfahrtsgeographie im Alpen-Donau-Raum . . . . . . . . . . . . 193
Hanneke van Asperen
he Habsburgs and their Pilgrimage Souvenirs. Pilgrim badges in the
devotional books of Charles V, Ferdinand of Austria and Joanna of Castile
. 195
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6
Inhaltsverzeichnis
Robert Baier – homas Kühtreiber – Christina Schmid
Pilgerzeichenfunde in Österreich – Pilgerzeichen aus österreichischen
Wallfahrtsstätten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219
Holger Grönwald
Am Einzelfund ins Detail: Das mittelalterliche Bild des Pantheon und seiner
Ikone im Spiegel von Pilgerzeichen . . . . . . . . . . . . . . . . 275
Jan Hrdina – František Kolář – Barbara Marethová – Aleš Mudra –
Pavla Skalická – Hana F. Teryngerová
Neue Pilgerzeichenfunde aus Opava (Troppau) und die Typologie der älteren
Aachener Pilgerzeichen im Kontext der Zeugnisse zur Aachenfahrt aus den
böhmischen Ländern im 14. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . 321
Christian Speer
Wallfahrt als Kulturkontakt: Görlitz und die Via Regia . . . . . . . . . 361
Sektion C: Die Prager Pilgerzeichenkollektionen und
andere Sammlungen französischer Pilgerzeichen . . . . 381
Hartmut Kühne
Rechnungsbücher als Quellen der Pilgerzeichenforschung. Zwei exemplarische Funde aus hüringen: Die Reiserechnung des Grafen Johann III.
von Henneberg zum Mont Saint Michel und das Rechnungsbuch der
Kapelle von Wersdorf bei Apolda . . . . . . . . . . . . . . . . . 383
Jos Koldeweij
Rather rude and quite royal. Some erotic badges and one French princely
badge in the collections of the Národní muzeum and the Umělecko průmyslové museum Prague . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413
Christopher Retsch
Obszön-erotische Tragezeichen als frivole ,Liebesgaben‘ . . . . . . . . 425
Carina Brumme
Fromme Devotionalien und volkstümliche Festrequisiten – zur Verwendung
der spätmittelalterlichen Miniaturkronen . . . . . . . . . . . . . . 461
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Inhaltsverzeichnis
7
Willy Piron
Pilgrim badges and GIS: a northern afair? . . . . . . . . . . . . . 475
Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487
Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 489
Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505
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219
Robert Baier – homas Kühtreiber – Christina Schmid
Pilgerzeichenfunde in Österreich –
Pilgerzeichen aus österreichischen Wallfahrtsstätten
Forschungsgeschichte in Österreich
Die erste Publikation über ein spätmittelalterliches Mariazeller-Pilgerzeichen erschien 1916 und wurde von Othmar Wonisch verfasst.1 Fast zwei Jahrzehnte später
veröfentlichte Berthold Cernik einen Artikel über die Geschichte des Leopoldipfennigs von dessen ersten Belegen um 1490 bis zu seinem Ende im ausgehenden
18. Jahrhundert.2 Nach lang anhaltender Unterbrechung in der österreichischen
Pilgerzeichen-Forschung wurden in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts drei Artikel publiziert. Günther Probszt bearbeitete eine silberne, beidseitig identisch geprägte spätmittelalterliche St. Wolfgang-Münze.3 Otto Friedrich Gandert beschrieb
beinahe 40 Jahre nach Othmar Wonisch ein weiteres Mariazeller Pilgerzeichen, das
ins 15. Jahrhundert datiert.4 1950 wurde bei Kanalisationsgrabungen der mittelalterliche Stadtgraben in Hall in Tirol angeschnitten. Dabei stieß man unter anderem auf etliche Pilgerzeichen, die von Passanten aufgelesen und anschließend dem
Stadtmuseum übergeben wurden.5 Hans Hochenegg rekonstruierte in einem 1959
erschienen Artikel deren Fundzusammenhang und zeitliche Einordnung.6 Karl
1
2
3
4
5
6
Othmar Wonisch, Die Gnadenbilder unserer lieben Frau in Mariazell, Graz 1916.
Berthold Cernik, Die Geschichte des Leopoldipfennigs, Unsere Heimat. Monatsblatt des
Vereines für Landeskunde und Heimatschutz von Niederösterreich und Wien, 1933,
S. 283–304.
Günther Probszt, Ein spätmittelalterliches Wallfahrtszeichen für St. Wolfgang am Abersee, Berliner Numismatische Zeitschrit 12, 1952, S. 346–350.
Otto Friedrich Gandert, Ein romanisches Pilgerzeichen aus dem mittelalterlichen Magdeburg, in: Frühe Burgen und Städte, Beiträge zur Burgen- u. Stadtkernforschungen
(Wilhelm Unverzagt zum 60. Geburtstag dargebracht am 21. Mai 1952), Berlin 1954,
S. 168–173.
Sie sind im Haller Stadtmuseum verschollen; vgl. Harald Stadler, Die Zeit sporadischer
Fundaufsammlungen und rüher archäologischer Untersuchungen, in: Forum Hall in Tirol.
Neues zur Geschichte der Stadt, Band 1, Hall 2006, S. 8–21, hier S. 9.
Hans Hochenegg, Die ältesten Pilgerzeichen Österreichs aus Haller Bodenfunden,
Schlern-Schriten 208, 1959, S. 71–78.
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220
Robert Baier – homas Kühtreiber – Christina Schmid
Ruhmann, ein begeisterter Kunstsammler gotischer Zinnarbeiten, veröfentlichte
1960 in einem Katalog ein inschritenloses Pilgerzeichen aus der ersten Hälte des
15. Jahrhunderts, dessen Herkuntsort bis dato nicht eruiert werden konnte.7 In den
1970er und 1980er Jahren setzte Georg Wacha vor allem mit der Erforschung der
Wallfahrtszeichen von St. Wolfgang am Abersee einen Meilenstein. Er war der einzige und bisher letzte Wissenschatler, der sich in Österreich mit der Erforschung
von Pilgerzeichen näher auseinandersetzte.8
7
8
Karl Ruhmann, Edelzinn aus der Sammlung Dr. Karl Ruhmann, Ausstellung im Tiroler
Landesmuseum Ferdinandeum, Innsbruck 1960.
Besonders empfehlenswert ist die im Jahre 1978 erschienene Gesamtübersicht aller Wolfgangzeichen in Österreich: Georg Wacha, Der Hl. Wolfgang auf Wallfahrerzeichen, Österreichische Zeitschrit für Volkskunde 81, 1978, S. 263–270.
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Pilgerzeichenfunde in Österreich
221
Katalog der Einzelobjekte
Nachfolgend soll nun erstmals eine Übersicht über alle bislang bekannt gewordenen
Pilgerzeichen gegeben werden, die von Emissions- und/oder Fundorten im Gebiet
des heutigen Österreich stammen. Der Katalog der Werke ist nach Emissionsorten
gegliedert.
A
Mariazell (Bez. Bruck an der Mur, Steiermark)
Kat. Nr. A 19
Art des Objektes: Original
Fundort: Kleinfeistritz bei Weißkirchen (Bez. Judenburg, Steiermark)
Fundkontext: ursprünglich angenagelt an der Sakristeitür der Kirche
Verbleib: Graz, Landesmuseum Joanneum, Abteilung für Kunstgewerbe
Typ: rechteckiger Gitterguss mit vier gut erhaltenen Ösen
Motiv: hronende Madonna mit stehenden und gekrönten Jesusknaben, beidseitig
gekrönte Adoranteniguren, über diesen schwebende Engel; spätgotisches Rahmenwerk mit Kielbogen/Eselsrücken und einem Schritband in der Sockelzone.
Inschrit: „+S MARIA IN CELLIS“
Maße: 65 × 60 mm
Material: Blei-Zinn
Datierung: 15. Jahrhundert
Kat. Nr. A 210
Art des Objektes: Original
Fundort: unbekannt
Verbleib: Graz, Landesmuseum Joanneum, Abteilung für Kunstgewerbe
Typ: fragmentarischer, rechteckiger, ösenloser Gitterguss
Motiv: hronende Madonna mit stehendem Jesuskind zur Linken (beide gekrönt
und nimbiert) und Zepter in ihrer rechten Hand. Rechts unten kniender Adorant.
Beidseitig auf Kophöhe Marias je ein schwebender Engel. Rahmenwerk wie Kat.
Nr. A 1.
Inschrit: „[ MARIA I]N CELLIS“
9
10
Gandert (wie Anm. 4), S. 174; PilgerzeichenDatenbank Berlin, www.pilgerzeichen.de,
ad voc. Mariazell, Nr. #580.
PilgerzeichenDatenbank Berlin, www.pilgerzeichen.de, ad voc. Mariazell, Nr. #582.
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Robert Baier – homas Kühtreiber – Christina Schmid
Material: Blei-Zinn
Datierung: 15. Jahrhundert
Kat. Nr. A 311
Art des Objektes: Glockenabguss
Fundort: Hirschegg (Bez. Voitsberg, Steiermark)
Verbleib: Graz, Landesmuseum Joanneum, Abteilung für Kunstgewerbe
Typ: rechteckiger Gitterguss ohne Ösen (ev. abgebrochen)
Motiv: wie Kat. Nr. A 1 und A 2, jedoch nicht modelidentisch.
Inschrit: „S . MARIA. yN. CEiLLIS“
Datierung: 1491 (Gussjahr der Glocke)
Bei allen drei Pilgerzeichen lässt sich dieselbe Szene und dieselbe Herstellungstechnik (Gitterguss) erkennen. A 1 wurde an der Sakristeitür der Filialkirche zu
St. Johann in Kleinfeistritz bei Weißkirchen ob Judenburg mit Nägeln befestigt
gefunden. Die genaueren Fundumstände von A 2 sind aus der Primärliteratur und
einzigen Publikation nicht zu eruieren.12 Bei A 3 handelt es sich um einen Glockenabguss. Das Gussjahr der Glocke ist 1491. A 1 wird nach Gandert ins 15. Jahrhundert datiert.13 Ebenfalls ins 15. Jahrhundert wird das fragmentarisch erhaltene Pilgerzeichen A 2 eingeordnet. Aus einer schritlichen Quelle geht hervor, dass 1390
bereits 23 Devotionalienbuden das Bild des Mariazeller Hauptplatzes prägten. Etwa
ein halbes Jahrhundert später, um 1442, wird ein 100-tägiger Ablass für den Erwerb eines Mariazeller Pilgerzeichens gewährt.14 Ein weiterer, jedoch sehr unsicherer Hinweis für den Beginn der Herstellung von Mariazeller Pilgerzeichen könnte
sich aus der dargestellten Szene am Pilgerzeichen ableiten lassen. Es wird angenommen, dass es sich bei den beiden Oranten um Markgraf Heinrich von Mähren (* um
1160–1222) und König Ludwig von Ungarn (* 1326, Reg. 1342–1382) handelt.
Diese Personenkonstellation wurde auch häuig in der bildenden Kunst dargestellt
(St. Lambrechter Votivtafel bzw. kleiner und großer Mariazeller Wunderaltar).
Markgraf Heinrich von Mähren erfuhr in Mariazell im Jahre 1184 nach einer Erkrankung eine wundersame Heilung und König Ludwig von Ungarn errang 1377
mit Hilfe der Gnadenmutter von Mariazell einen Sieg über türkische Hilfsvölker.
11
12
13
14
PilgerzeichenDatenbank Berlin, www.pilgerzeichen.de, ad voc. Mariazell, Nr. #583.
PilgerzeichenDatenbank Berlin, www.pilgerzeichen.de, ad voc. Mariazell, Nr. #582.
Gandert (wie Anm. 4), S. 171–172.
Helmut Eberhart, Magna Mater Austriae, Zur Wallfahrtsgeschichte von Mariazell von
der Gründung bis in das 19. Jh., in: Schatz und Schicksal, hg. von Helmut Eberhart, Steirische Landesausstellung 1996, Graz 1996, S. 27–29.
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Pilgerzeichenfunde in Österreich
223
Als Dank investierte er in den Ausbau der Kirche. Gandert vermutet daher in der
Pilgerzeichen-Darstellung einen „symbolischen Niederschlag“ dieser Kirchenstiftung. Sollte sich seine hese bestätigen, so hätte man einen terminus post quem für
den Herstellungsbeginn von Mariazeller Pilgerzeichen.15
Kat. Nr. A 416
Art des Objektes: Original
Fundort: Knittelfeld (Steiermark)
Fundkontext: Holzwerk des Flügelaltares (1524) von St. Martha bei Knittelfeld
Verbleib: Abtei St. Lambrecht (Bez. Knittelfeld), Archiv
Typ: dreiteiliger Gitterguss, in Form eines dreiteiligen gotischen Altares, mit drei
erhaltenen runden Ösen bzw. einer vierten abgebrochenen; Standleiste mit Inschrit
Motiv: Mitte thronende Madonna mit Jesuskind (Mariazeller Gnadenbild), links
hl. Lambrecht, rechts hl. Benedikt.
Inschrit: „S: LAMP. - S MARIA - S. BENE“
Maße: ca. 67 × 50 mm
Material: Blei-Zinn
Datierung: um 1520
Dieses Pilgerzeichen wurde im Holzwerk eines im Jahre 1524 errichteten Flügelaltars von St. Martha bei Knittelfeld entdeckt und wird ca. ins Jahr 1520 datiert.17 Diese zeitliche Einordnung markiert vermutlich auch das zeitliche Ende
der Produktion und Verbreitung Mariazeller Pilgerzeichen, da Mariazell mit dem
Beginn der Reformation bis in die 70er Jahre des 16. Jahrhunderts mit einer wirtschatlichen Krise und einer sehr geringen Anzahl an Wallfahrern kämpte; erst im
17. Jahrhundert verspürte der Wallfahrtsort wieder einen Aufschwung.18 Die zeitliche Einordnung nach kunsthistorischen Merkmalen kann die Datierung der Mariazeller Pilgerzeichen ebenfalls unterstützen, da sie ausschließlich gotische und keine
späteren Einlüsse besitzen.
15
16
17
18
Gandert (wie Anm. 4), S. 171–172.
Wonisch (wie Anm. 1), S. 30; PilgerzeichenDatenbank Berlin, www.pilgerzeichen.de, ad
voc. Mariazell, Nr. #581.
Wonisch (wie Anm. 1), S. 57.
Liselotte Blumauer-Montenave, Zur Geschichte des Wallfahrtsortes Mariazell, Fremdenverkehr und Wallfahrt, Wien 1987, S. 16–17.
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224
B
Robert Baier – homas Kühtreiber – Christina Schmid
St. Wolfgang am Abersee (heute: Wolfgangsee, Bez. Gmunden, Oberösterreich)
Kat. Nr. B 119
Art des Objektes: Original
Fundort: Wartberg (Bez. Mürzzuschlag, Steiermark)
Fundkontext: unstratiizierter Fund im Innenareal der Burgruine Lichtenegg im
Mauerversturz
Verbleib: Privatsammlung Dr. Karl Friedl (Graz-Umgebung)
Typ: Gitterguss mit noch ansatzweise vorhandenem Rahmenwerk.20 Die zwei von
vorne bearbeiteten, sekundären Durchlochungen könnten für eine Befestigung des
Pilgerzeichens auf Hutkrempe, Mantel, Tasche oder dergleichen gedient haben.
Motiv: Auf einem Schrein oder Bankthron sitzender Bischof mit Mitra und Scheibennimbus. In der rechten Hand Kirchenmodell, in der linken Bischofstab oder
Beil, jeweils fragmentarisch erhalten. Seitlicher Bündelpfeiler, Sockelzone mit vollständig erhaltener Standleiste mit Inschrit. Glatte und unverzierte Rückseite mit
gewölbten Graten im Bereich der beiden sekundären Bohrungen.
Inschrit: „S WOLFGANG PRUN“ in gotischen Majuskeln/Minuskeln. Das
nicht zuordenbare Zeichen steht in keinem Zusammenhang mit gebräuchlichen
Textura-Zeichen bzw. Kürzeln.
Maße: 56 × 40 × 1 mm (erhaltene Höhe, Breite und Stärke)
Gewicht: 4 g
Material: Blei-Zinn
Datierung: 15. bis erste Hälte 16. Jahrhundert
Der St. Wolfgang-Gitterguss wurde bei Aufräumarbeiten im Mauerversturz auf
der Burgruine Lichtenegg (Gemeinde Wartberg) von Karl Friedl gefunden. Da ein
archäologischer Kontext fehlt, ist eine genauere Datierung kaum möglich. Als Anhaltspunkt kann die Zeitspanne der ersten urkundlichen Erwähnung der Burg im
Jahre 1290 dienen, sowie deren Aulassung im Jahre 1792.21 Aufgrund des kunsthistorischen Gesamteindruckes, des weich fallenden üppigen Faltenwurfes der Pluviale, der Majuskel/Minuskelinschrit in der Standleiste und des, noch im Ansatz
vorhandenen, gotischen Bündelpfeilers, wird eine Datierung in den Zeitraum vom
15. bis zur ersten Hälte des 16. Jahrhunderts vorgeschlagen.
19
20
21
Karl Friedl, Burgenforschung im Mürztal, Das Reibeisen 21, 2004, S. 9.
Nach mündlicher Mitteilung von Dr. Karl Friedl war die Umrahmung zum Zeitpunkt der
Bergung sehr fragil, doch fast vollständig erhalten.
Friedl (wie Anm. 19), S. 9.
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Pilgerzeichenfunde in Österreich
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Kat. Nr. B 222
Art des Objektes: Original
Fundort: unbekannt
Verbleib: Göttweig, Stitssammlung
Typ: Silbermünze, Vorder- und Rückseite völlig identisch und mit einem Perlrand
geschmückt
Motiv: Sitzender Bischof in Pluviale und mit Mitra, in seiner Linken ein Beil, in
seiner Rechten ein Krummstab, auf seinem Schoß ein Kirchenmodell.
Inschrit: „SANKTUS WOLFGANG.“ Im Feld neben der rechten Hand des Bischofs ist der Buchstabe „R“ (?) zu lesen.
Maße: Durchmesser 28,5 mm
Material: Silber
Datierung: Spätmittelalter
Dieses silberne Pilgerzeichen wurde von Günther Probzst 1942 in der Medaillensammlung des Benediktinerstites Göttweig im Zuge einer Inventarisierung ohne
eine Notiz über dessen Fundumstand, wiederentdeckt. Probzst datiert das doppelseitig exakt gleich geprägte Zeichen ins Spätmittelalter.23 Aufallend ist die Anordnung der Attribute des Heiligen. In seiner Linken hält er ein Beil, in seiner Rechten
den Krummstab und ein Kirchenmodell, eine Komposition der Attribute, die bislang ikonographisch ohne Beispiel sein dürte. Zumeist hält der hl. Wolfgang das
Kirchenmodell in der rechten Hand und das Beil24 samt Krummstab in der linken
Hand. Besonders markant erscheint der reichhaltige Faltenwurf des Pluviales von
B 2, welcher vergleichbar üppig ausgeprägt ist wie bei B 1.
Kat. Nr. B 325
Art des Objektes: Original
Fundort: unbekannt
Verbleib: München, Bayrisches Nationalmuseum, Inv. Nr. A 2004
Typ: Hochrechteckiger Gitterguss mit vier Ösen, welcher mittels vier Säulen in drei
gleich breite Zonen unterteilt wird.
Motiv: Zwei Bischöfe und ein Engel, jeweils in einem Feld: Rechts ein nimbierter
Heiliger (hl. Benedikt) mit faltenreichem Ordenshabit und Krummstab in seiner
rechten Hand sowie Becher in seiner Linken. Im mittleren Feld Bischof mit Mitra
22
23
24
25
Probszt (wie Anm. 3), S. 346.
Ebd., S. 346–351.
Auch kommt es häuig vor, dass das Beil im Kirchendach steckt.
Wacha (wie Anm. 8), S. 270.
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Robert Baier – homas Kühtreiber – Christina Schmid
und Kruziix auf der Brust (hl. Wolfgang). In seiner Rechten Krummstab, auf seiner Linken Kirchenmodell. Im linken Feld gelügelter Engel in faltenreichem, langem Gewand, in der linken Hand eine Waage, in der Rechten ein leicht gezacktes
Schwert (hl. Michael). Alle drei Figuren stehen auf einem niedrigen Podest.
Inschrit: „S. BENEDICTUS S. WOLFGANG S. MICHAEL“
Maße: 70 × 53 mm (erhaltene Höhe und Breite)
Material: Blei-Zinn
Datierung: 16. Jahrhundert
Kat. Nr. B 426
Art des Objektes: Original (Gussmodel)
Fundort: unbekannt
Verbleib: Gmunden, Besitz F. H. K.
Typ und Motiv: wie B 5, jedoch nicht modelidentisch
Inschrit: „S. BEN. S. WOLF. S. MICH“.
Maße: Behälter: 100 × 75 × 17 mm; Gussform: 88 × 60 × 8 mm
Material: Holz
Datierung: Ende 16. Jahrhundert
Kat. Nr. B 527
Art des Objektes: Original
Fundort: unbekannt
Verbleib: Ljubljana (Laibach), Narodni muzej Slovenije, Inv. Nr. 485
Typ: Hochrechteckiger Gitterguss mit einer Öse, welche sich rechts unten durch die
Überschneidung des Stabes mit dem Rahmen ergibt.
Motiv: Stehender, nimbierter Bischof mit faltenreichem Pluviale, welches über der
niederen Standläche einknickt, und Mitra. In seiner Linken Beil und reich verzierter Krummstab, auf seiner Rechten Kirchenmodell. Zur Linken eine ihm zugewandte Adorantenigur in bodenlangem Gewand und mit nicht genau zuordenbarer Kopfbedeckung (Haarnetz?).
Inschrit: „S. WOLFGANG IM PIRG“
Maße: 63 × 36 mm
Material: Blei-Zinn (?)
Datierung: 1500–1520
26
27
Ebd., S. 270.
Georg Wacha, Ein neues Wallfahrtszeichen von St. Wolfgang, Österreichische Zeitschrit
für Volkskunde 85, 1982, S. 406–413, hier S. 407.
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227
Kat. Nr. B 628
Art des Objektes: Original
Fundort: unbekannt
Verbleib: Ried im Innkreis, Volkskundemuseum, Inv. Nr. V 3058
Typ: Hochrechteckiger Gitterguss mit ehemals vier Ösen, welcher mittels vier Säulen in drei gleich breite Zonen unterteilt wird.
Motiv: Wie bei B 3, die Figuren jedoch stärker stilisiert. Zwei Bischöfe und ein Engel, jeweils in einem Feld: rechts der hl. Benedikt, im mittleren Feld der hl. Wolfgang, im linken Feld der hl. Michael.
Inschrit: „S. BENEDICTUS S. WOLFGANG S. MICHAEL“ (zweizeilig)
Maße: 67 × 50 mm
Material: Blei-Zinn (?)
Datierung: 17. Jahrhundert
Kat. Nr. B 729
Art des Objektes: Original
Fundort: unbekannt
Verbleib: Wien, Kunsthistorisches Museum, Sammlung von Medaillen, Münzen
und Geldzeichen, Inv. Nr. III. 13. 764
Typ: Hochrechteckiger Gitterguss mit vier Ösen, welcher mittels vier Säulen in drei
gleich breite Zonen unterteilt wird.
Motiv: Aus demselben Model wie B 6.
Inschrit: „S. BENEDICTUS S. WOLFGANG S. MICHAEL“ (zweizeilig)
Maße: 67 × 51 mm
Material: Blei-Zinn
Datierung: 17. Jahrhundert
Kat. Nr. B 830
Art des Objektes: Original
Fundort: unbekannt
Verbleib: Ried im Innkreis, Volkskundemuseum, Inv. Nr. V 5938
Typ: Hochrechteckiger Gitterguss mit ehemals wohl vier Ösen, welcher mittels vier
Säulen in drei gleich breite Zonen unterteilt wird.
Motiv: Wie B 6, jedoch geringfügige Unterschiede bei den Attributen bzw. der
Dekoration.
28
29
30
Wacha (wie Anm. 8), S. 270/Kat. Nr. A. 7.
Ebd., S. 270/Kat. Nr. A. 8.
Ebd., S. 270/Kat. Nr. A. 9.
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228
Robert Baier – homas Kühtreiber – Christina Schmid
Inschrit: „S. BENEDICTUS S. WOLFGANG S. MICHAEL“ (zweizeilig)
Maße: 67 × 50 mm
Material: Blei-Zinn
Datierung: 17. Jahrhundert
Kat. Nr. B 931
Art des Objektes: Original
Fundort: unbekannt
Verbleib: Ried im Innkreis, Volkskundemuseum, Inv. Nr. V 3057
Typ: Hochrechteckiger Gitterguss mit vier Ösen, welcher mittels vier Säulen in drei
gleich breite Zonen unterteilt wird.
Motiv: Darstellung der drei Heiligen Benedikt, Wolfgang und Michael mit ihren
Attributen.
Inschrit: „S. BENE S. WOLFG S. MICH“
Maße: 65 × 44 mm
Material: Blei-Zinn
Datierung: 17. Jahrhundert
Kat. Nr. B 1032
Art des Objektes: Original
Fundort: unbekannt
Verbleib: München, Bayerisches Nationalmuseum, Inv. Nr. A 2002
Typ: Hochrechteckiger Gitterguss mit vier Ösen, welcher mittels vier Säulen in drei
gleich breite Zonen unterteilt wird.
Motiv: Wie B 9; Darstellung der drei Heiligen Benedikt, Wolfgang und Michael
mit ihren Attributen.
Inschrit: „S. BENE S. WOLFG S. MICH“
Maße: 60 × 44 mm
Material: Blei-Zinn
Datierung: 17. Jahrhundert
Kat. Nr. B 1133
Art des Objektes: Original
Fundort: unbekannt
Verbleib: Ried im Innkreis, Volkskundemuseum, Inv. Nr. 5938
31
32
33
Ebd., S. 270/Kat. Nr. A. 10.
Ebd., S. 270/Kat. Nr. A. 11.
Ebd., S. 270–271/Kat. Nr. B. 12.
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Pilgerzeichenfunde in Österreich
229
Typ: hochrechteckiger Gitterguss mit vier Ösen
Motiv: Stehender Bischof mit dem Kirchenmodell in der rechten, Stab und Beil in
der linken Hand, das Gewand unten breit.
Inschrit: „S WOLFGAGI“
Maße: 66 × 44 mm
Material: Blei-Zinn
Datierung: Ende 16. Jahrhundert
Kat. Nr. B 1234
Art des Objektes: Original
Fundort: unbekannt
Verbleib: Ried im Innkreis, Volkskundemuseum, Inv. Nr. 5938
Typ: hochrechteckiger Gitterguss
Motiv: Stehender Bischof mit dem Kirchenmodell in der rechten, Stab und Beil in
der linken Hand, das Gewand unten breit.
Inschrit: „S WOLFGANG“
Maße: 60 × 42 mm
Material: Blei-Zinn
Datierung: 17. Jahrhundert
Kat. Nr. B 1335
Art des Objektes: Original
Fundort: unbekannt
Verbleib: Köln, Kunstgewerbemuseum der Stadt Köln, Inv. Nr. J 416
Typ: hochrechteckiger Gitterguss
Motiv: Stehender Bischof mit dem Kirchenmodell in der rechten, Stab und Beil in
der linken Hand, das Gewand unten breit.
Inschrit: „S WOLFGANG“
Maße: Höhe 66 mm
Material: Blei-Zinn
Datierung: 16./17. Jahrhundert
Kat. Nr. B 1436
Art des Objektes: Original
Fundort: unbekannt
34
35
36
Ebd., S. 271/Kat. Nr. B. 13.
Ebd., S. 271/Kat. Nr. B. 14.
Ebd., S. 271/Kat. Nr. B. 15.
Sonderdruck – Benutzung nur für private Zwecke gestattet
230
Robert Baier – homas Kühtreiber – Christina Schmid
Verbleib: Ried im Innkreis, Volkskundemuseum, Inv. Nr. 5938
Typ: hochrechteckiger Gitterguss
Motiv: Aus demselben Model wie B 13. Stehender Bischof mit dem Kirchenmodell
in der rechten, Stab und Beil in der linken Hand, das Gewand unten breit.
Inschrit: „S WOLFGANG“
Maße: 70 × 42 mm
Material: Blei-Zinn
Datierung: 16./17. Jahrhundert
Kat. Nr. B 1537
Art des Objektes: Original
Fundort: unbekannt
Verbleib: München, Bayerisches Nationalmuseum, Inv. Nr. A 2003
Typ: hochrechteckiger Gitterguss mit vier Ösen
Motiv: Stehender Bischof mit dem Kirchenmodell in der rechten, Stab und Beil in
der linken Hand, das Gewand parallel zur Umrahmung. Am Gewand ist eine umlaufende Leiste mit Ringen erkennbar.
Inschrit: „S WOLFGANG“
Maße: 72 × 44 mm
Material: Blei-Zinn
Datierung: 17. Jahrhundert
Kat. Nr. B 1638
Art des Objektes: Original
Fundort: unbekannt
Verbleib: München, Bayerisches Nationalmuseum, Inv. Nr. A 1336
Typ: hochrechteckiger Gitterguss mit ehemals wohl vier Ösen
Motiv: Stehender Bischof mit dem Kirchenmodell in der rechten, Stab und Beil in
der linken Hand, das Gewand parallel zur Umrahmung. Am Gewand ist eine umlaufende Leiste mit Strichen erkennbar.
Inschrit: „S. WOLFGANG“
Maße: 73 × 47 mm
Material: Blei-Zinn
Datierung: 17. Jahrhundert
37
38
Ebd., S. 271/Kat. Nr. B. 16.
Ebd., S. 271/Kat. Nr. B. 17.
Sonderdruck – Benutzung nur für private Zwecke gestattet
Pilgerzeichenfunde in Österreich
231
Kat. Nr. B 1739
Art des Objektes: Original
Fundort: unbekannt
Verbleib: Wien, Kunsthistorisches Museum, Sammlung von Medaillen, Münzen
und Geldzeichen, Inv. Nr. III. 13. 763
Typ: hochrechteckiger Gitterguss mit ehemals wohl vier Ösen
Motiv: Stehender Bischof mit dem Kirchenmodell in der rechten, Stab und Beil in
der linken Hand, das Gewand parallel zur Umrahmung.
Inschrit: „S. WOLFFGANG“
Maße: 58 × 41 mm
Material: Blei-Zinn
Datierung: nach Wacha möglicherweise 19. Jahrhundert
Kat. Nr. B 1840
Art des Objektes: Original
Fundort: unbekannt
Verbleib: Linz, Oberösterreichisches Landesmuseum (ehemals Sammlung Pachinger)
Typ: hochrechteckiger Gitterguss mit vier Ösen
Motiv: Stehender Bischof mit dem Kirchenmodell in der linken, Stab und Beil in
der rechten Hand, das Gewand parallel zur Umrahmung.
Inschrit: „S. WOLFFGANG“
Material: Blei-Zinn
Datierung: nach Wacha möglicherweise 19. Jahrhundert
Kat. Nr. B 1941
Art des Objektes: Original
Fundort: unbekannt
Verbleib: Ried im Innkreis, Volkskundemuseum, Inv. Nr. 2765
Typ: hochrechteckiger Gitterguss mit vier Ösen
Motiv: Stehender Bischof mit dem Kirchenmodell in der rechten, Stab und Beil
in der linken Hand, das Gewand nach unten enger werdend. Links und rechts am
Rahmen jeweils eine Säule. Die Figur steht auf einem Sockel, zwischen den Säulen
und dem Heiligen jeweils eine Vase.
Inschrit: „S. WOLFFGANG“
39
40
41
Ebd., S. 271/Kat. Nr. B. 18.
Ebd., S. 271/Kat. Nr. B. 19.
Ebd., S. 271/Kat. Nr. B. 20.
Sonderdruck – Benutzung nur für private Zwecke gestattet
232
Robert Baier – homas Kühtreiber – Christina Schmid
Maße: 65 × 50 mm
Material: Blei-Zinn
Datierung: 17. Jahrhundert
Kat. Nr. B 2042
Art des Objektes: Original
Fundort: unbekannt
Verbleib: Ried im Innkreis, Volkskundemuseum, Inv. Nr. 5938
Typ: hochrechteckiger Gitterguss mit ehemals wohl vier Ösen
Motiv: Stehender Bischof mit dem Kirchenmodell in der rechten, Stab und Beil
in der linken Hand, das Gewand nach unten enger werdend. Links und rechts am
Rahmen jeweils eine Säule.
Inschrit: „S. WOLFGANG“
Maße: 65 × 43 mm
Material: Blei-Zinn
Datierung: 17. Jahrhundert
Kat. Nr. B 2143
Art des Objektes: Original
Fundort: unbekannt
Verbleib: Ried im Innkreis, Volkskundemuseum, Inv. Nr. 5131
Typ: hochrechteckiger Gitterguss mit vier Ösen
Motiv: Stehender Bischof mit dem Kirchenmodell in der rechten, Stab und Beil
in der linken Hand, das Gewand nach unten enger werdend. Der Heilige steht auf
einem Dreiberg (?), an der Innenseite des Rahmens seitlich jeweils eine Säule.
Inschrit: „S. WOLFGANG“
Maße: 50 × 27 mm
Material: Blei-Zinn
Datierung: 18. Jahrhundert
Kat. Nr. B 2244
Art des Objektes: Original
Fundort: unbekannt
Verbleib: Wien, Kunsthistorisches Museum, Sammlung von Medaillen, Münzen
und Geldzeichen, Inv. Nr. III. 13. 762
42
43
44
Ebd., S. 272/Kat. Nr. B. 21.
Ebd., S. 272/Kat. Nr. B. 22.
Ebd., S. 272/Kat. Nr. B. 23.
Sonderdruck – Benutzung nur für private Zwecke gestattet
Pilgerzeichenfunde in Österreich
233
Typ: hochrechteckiger Gitterguss
Motiv: In einem rechteckigen Rahmen steht der Bischof – mit dem Kirchenmodell
in der rechten, Stab und Beil in der linken Hand – in einem ovalen Feld, umgeben
von gelappter und gezackter Einfassung.
Maße: 44 × 36 mm
Material: Blei-Zinn
Datierung: 17. Jahrhundert
Kat. Nr. B 2345
Art des Objektes: Original
Fundort: unbekannt
Verbleib: Ried im Innkreis, Volkskundemuseum, Inv. Nr. 1243
Typ: hochrechteckiger Gitterguss mit vier Ösen
Motiv: Stehender Bischof – mit dem Kirchenmodell in der rechten, Stab und Beil in
der linken Hand – in ovalem Rahmen, der zwischen zwei Säulen steht.
Inschrit: „S. WOLFGANG“
Maße: 60 × 36 mm
Material: Blei-Zinn
Datierung: 17. Jahrhundert
Kat. Nr. B 2446
Art des Objektes: Original
Fundort: unbekannt
Verbleib: Wien, Kunsthistorisches Museum, Sammlung von Medaillen, Münzen
und Geldzeichen, Inv. Nr. III. 13. 761
Typ: hochrechteckiger Gitterguss mit ehemals wohl vier Ösen
Motiv: Wie B 23, zusätzlich mit seitlichem Rahmen neben den Säulen.
Inschrit: „S. WOLFGANG“
Maße: 48 × 37 mm (unvollständig)
Material: Blei-Zinn
Datierung: 17. Jahrhundert
Kat. Nr. B 2547
Art des Objektes: Original
Fundort: unbekannt
45
46
47
Ebd., S. 272/Kat. Nr. B. 24.
Ebd., S. 272/Kat. Nr. B. 25.
Ebd., S. 272/Kat. Nr. B. 26.
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234
Robert Baier – homas Kühtreiber – Christina Schmid
Verbleib: Ried im Innkreis, Volkskundemuseum, Inv. Nr. 1737
Typ: hochrechteckiger Gitterguss mit vier Ösen
Motiv: Der stehende Bischof – mit dem Kirchenmodell in der rechten, Stab und
Beil in der linken Hand – in ovalem Rahmen. Wie B 24, die Säulen sind jedoch
gedreht.
Inschrit: Inschritenfeld leer
Maße: 50 × 27 mm
Material: Blei-Zinn
Datierung: 18. Jahrhundert
Kat. Nr. B 2648
Art des Objektes: Original (Gussform)
Fundort: unbekannt
Verbleib: Linz, Stadtmuseum, Inv. Nr. E 195
Typ: Gussform für Gitterguss
Motiv: Bischof (hl. Wolfgang) – mit dem Kirchenmodell in der linken, Stab und
Beil in der rechten Hand – in ovalem Rahmen, seitlich jeweils eine Säule. Am oberen Abschluss beindet sich ein Puttenkopf, am unteren eine Inschritenleiste.
Inschrit: „S. WOLFGANG. us“
Maße: 87 × 59 × 9 mm
Material: Metall (?)
Datierung: 17. Jahrhundert
Kat. Nr. B 2749
Art des Objektes: Original
Fundort: unbekannt
Verbleib: Ried im Innkreis, Volkskundemuseum, Inv. Nr. 3056
Typ: ovaler Gitterguss
Motiv: In einem ovalen Rahmen, der außen von einem Strahlenkranz umgeben und
oben von einer Krone abgeschlossen wird, steht der Bischof mit Kirchenmodell in
der rechten, Stab und Beil in der linken Hand. Das Oval ist auf einem rechteckigen
Rahmen aufgesetzt.
Maße: 64 × 40 mm
Material: Blei-Zinn
Datierung: nach Wacha 17., der Rahmen 18. Jahrhundert
48
49
Ebd., S. 272/Kat. Nr. B. 27.
Ebd., S. 272/Kat. Nr. B. 29.
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Pilgerzeichenfunde in Österreich
235
Kat. Nr. B 2850
Art des Objektes: Original
Fundort: unbekannt
Verbleib: Ried im Innkreis, Volkskundemuseum, Inv. Nr. 3055
Typ: hochrechteckiger Gitterguss
Motiv: In einem tropfenförmigen Rahmen, der wiederum in einen rechteckigen
Rahmen eingestellt ist, steht der Bischof mit Beil in der rechten und Stab in der
linken Hand. Zu seinen Füßen steht rechts ein Kirchenmodell.
Maße: 37 × 29 mm
Material: Blei-Zinn
Datierung: 18. Jahrhundert
Die von Georg Wacha publizierten Pilgerzeichen von St. Wolfgang stammen ausschließlich aus musealem Kontext, daher ist von keinem der Fundort bekannt. Die
zeitliche Einordnung der Objekte erfolgte wohl weitestgehend auf Basis kunsthistorischer Stilmerkmale. Wacha selbst gibt ausdrücklich zu verstehen, dass es sich dabei
um eine Datierungsmethode mit rein „hypothetischem Charakter“ handelt.51 Das
Pilgerzeichen B 5 wird von Wacha aufgrund des außergewöhnlichen Schritzugs auf
der Standleiste („S. Wolfgang im Pirg“) mit St. Wolfgang am Abersee in Verbindung
gebracht. Mit dem Wort ‚Pirg‘ könnte eine Geländeform (z. B. der Bürgl bei Strobl
oder der Bürglstein am Seeufer zwischen Strobl und St. Wolfgang) nahe der Ortschat St. Wolfgang gemeint sein. Wacha hält diese mittelalterliche Namensform für
die älteste für St. Wolfgang am Abersee, jedoch konnte er seine hese mit keiner
epigraphischen Quelle untermauern.52 Sowohl Wacha in Bezug auf St. Emmeram in
Regensburg als auch eine jüngst erschienene Publikation zu einem Glockengusszeichen aus der Wallfahrtskirche St. Wolfgang bei Hünenberg (Kanton Zug, Schweiz)
weisen auf formal weitgehend identische Pilgerzeichen aus möglichen Sekundärwallfahrten zu Wolfgangs-Patrozinien hin.53 Eine Zuordnung dieser Pilgerzeichen
zum jeweiligen Wallfahrtsort durch die Autoren erfolgt einerseits über charakteristische „Nebenheilige“ (wie St. Emmeram für Regensburg), andererseits über am
Rahmen angebrachte Wappen, die auf die lokalen Herrschatsträger verweisen.
50
51
52
53
Ebd., S. 272/Kat. Nr. B. 30.
Ebd., S. 267.
Wacha (wie Anm. 27), S. 407–408.
Wacha (wie Anm. 8), S. 266 und S. 269f.; Maria Wittmer-Butsch, Die Pilgerzeichen
auf der Angelusglocke von St. Wolfgang bei Hünenberg, Tugium. Jahrbuch des Staatsarchivs
des Kantons Zug, des Amtes für Denkmalplege und Archäologie, des Kantonalen Museums für Urgeschichte Zug und der Burg Zug 26, 2010, S. 137–149.
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236
C
Robert Baier – homas Kühtreiber – Christina Schmid
Annaberg (?) (Bez. Lilienfeld, Niederösterreich)
Kat. Nr. C 154
Art des Objektes: Original
Fundort: Wien I, Bäckerstraße 20
Fundkontext: stratiizierter Fund im Zuge archäologischer Ausgrabungen 1997–
2002 aus den Abriss, Bau- und Planierungsschichten der „Alten Aula“ der Wiener
Alten Universität anstelle der an dieser Stelle beindlichen Nova Structura/Neuen
Schul.
Verbleib: Wien, Archäologisches Depot der Österreichischen Akademie der Wissenschaten, derzeit Kegelgasse 3, 1030 Wien
Typ: annähernd runde Plakette mit einer Bohrung
Motiv: Zentralmotiv Anna Selbdritt: mittig Jesusknabe mit Segensgestus, rechts
Gottesmutter mit Hörnerhaube in Halbmondform, links hl. Anna mit Schleier, darüber Heiliger Geist in Gestalt einer Taube mit ausgebreiteten Flügeln.
Inschrit: Umschrit „+ S + ANNA ORA DEUM PRO NOBIS“ in rundem Rahmen in Kapitalis-Lettern
Maße: erhaltener Durchmesser 41 mm, Stärke 2–3 mm
Material: Blei-Zinn
Erhaltung: Randbereich beschädigt, korrodierte und abgenutzte Reliefoberläche
Datierung: stratigraphisch vor/um 1623/1654; epigraphisch um 1600
Kat. Nr. C 255
Art des Objektes: Original
Fundort: in einem Hohlwegbündel südlich von Wolfpassing im Wienerwald (Gemeinde Zeiselmauer-Wolfpassing, Bez. Tulln, Niederösterreich)
Fundkontext: unstratiizierter Sondengängerfund
Verbleib: Hamburg, Sammlung Werner Pick
Typ: wie C 1, drei kleine Ösen erhalten, zwei weitere vermutlich ausgerissen
Motiv: wie C1 (modelidentisch, Oberläche weniger korrodiert); komplett erhaltener Rahmen in Form einer lachen, fünfblättrigen Rose
Inschrit: wie C 1
Maße: Durchmesser 43 mm
54
55
homas Kühtreiber, Die Ausgrabungen in der Alten Universität in Wien (1997–2002),
Dissertation Univ. Wien, Band 2, Wien 2006, S. 294.
Unpubliziert. Für den Hinweis und weiterführende Informationen sei Hartmut Kühne
und Werner Pick herzlich gedankt.
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Pilgerzeichenfunde in Österreich
237
Material: Blei-Zinn
Datierung: siehe C 1
Die einseitig geprägte Wallfahrtsplakette C 1 wurde bei Ausgrabungen in der
Alten Universität Wien in den Bauschuttschichten gefunden und datiert stratigraphisch vor/um 1623/54. C 2 kam als Streufund aus einem Altweg am Nordabhang
des Wienerwaldes in das angrenzende Tullnerfeld zu Tage. Epigraphisch können
beide um 1600 datiert werden.56 Mangels Ortsangabe auf den Pilgerzeichen ist die
Identiizierung der Gnadenstätte mit Unsicherheit behatet: Nach Gustav Gugitz
wurde die hl. Anna allein in Österreich an 54 Orten verehrt, wobei von 25 Gnadenstätten Andachtsbilder bekannt sind.57 Das Motiv der Anna Selbdritt entstand
im 14. Jahrhundert aus den älteren Darstellungen der Heiligen Sippe und zeigte ursprünglich auch die Gottesmutter als Kind auf dem Schoß ihrer Mutter Anna. Daher gehört die auf den Pilgerzeichen C 1 und C 2 gezeigte Figurengruppe zu einer
ikonographisch jüngeren Entwicklungsstufe.58 Der wohl bedeutendste regionale
Wallfahrtsort im Umkreis von Wien war Annaberg bei Mariazell. Die ursprünglich
Tannberg genannte Ortschat erhielt 1217 eine erste Annenkapelle durch das Stit
Lilienfeld, dem der spätere Gnadenort auch inkorporiert blieb. 1327 wurde eine
neue Kapelle errichtet, 1444 erfolgte der Ausbau zur Kirche. Seine Bedeutung erhielt
der Ort durch die passartige Lage am Ende eines Steilanstieges zum bedeutenderen
Wallfahrtsort Mariazell, der erst 1738–1747 im Autrag Kaiser Karls VI. (1685,
Imp. 1711–1740) durch eine Kunststraße für den Fahrverkehr erschlossen wurde.59
Das dem Pilgerzeichen im Motiv entsprechende gotische Gnadenbild wird um 1440
datiert und Jakob Kaschauer (um 1400–vor 1463) zugeschrieben.60 Abgesehen vom
im Spätmittelalter aufblühenden Annenkult könnte das Patronat – die hl. Anna ist
56
57
58
59
60
Kühtreiber (wie Anm. 54), Bd. 1, S. 283–284.
Gustav Gugitz, Das kleine Andachtsbild in den österreichischen Gnadenstätten in Darstellung, Verbreitung und Brauchtum, nebst einer Ikonographie, Wien 1950, S. 73.
Virginia Nixon, Mary’s Mother, Saint Anne in Late Medieval Europe, Pennsylvania 2004;
Johannes Heinrich Emminghaus, Anna Selbdritt, in: Lexikon der christlichen Ikonographie, Allgemeine Ikonographie Bd. 4, Rom – Freiburg – Basel – Wien 1972, S. 186–
190; Antonie Weitzmann, Das Selbdritt in der deutschen Kunst des Mittelalters, Diss.
München 1923.
Dehio-Handbuch. Die Kunstdenkmäler Österreichs. Niederösterreich südlich der Donau, bearb. v. Peter Aichinger-Rosenberger et al., Horn – Wien 2003, S. 54; Leopold
Schmidt, Via sacra. Zur Geschichte der „Heiligen Straße“ zwischen Wien und Mariazell,
in: Via Sacra. Das Wallfahrtsmuseum in Kleinmariazell, hg. von Helene Grünn (Veröffentlichungen des Österreichischen Museums für Volkskunde 15), Wien 1977, S. 73–83,
hier S. 79; Gugitz (wie Anm. 57), S. 93.
Dehio-Handbuch (wie Anm. 59), S. 57.
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238
Robert Baier – homas Kühtreiber – Christina Schmid
unter anderem auch Schutzheilige der Bergleute – vom örtlichen Bergbau herrühren, welcher seit dem späten 15. Jahrhundert urkundlich nachweisbar ist.61
Für die Frage der Identiizierung von großer Bedeutung ist die 1514 datierte Erlaubnis durch die römische Kurie an das Kloster Lilienfeld, in Annaberg zur Erinnerung für die Pilger „signa seu insignia aliqua stangnea seu plumbea“ (Zeichen und
Abzeichen aus Zinn oder Blei) herzustellen.62 Leider ist bislang kein Pilgerzeichen
dieses Wallfahrtsortes aufgetaucht, so dass ein unmittelbarer Analogieschluss zu
den hier vorliegenden Fundstücken nicht möglich ist. Da die anderen überregional bedeutenden Wallfahrtsorte zur hl. Anna, wie St. Anna in Düren, Annaberg im
Erzgebirge, aber auch Góra Świętej Anny/Sankt Anna-Berg in Schlesien, andere
ikonographische Motive zeigen, spricht viel für eine Zuweisung zum niederösterreichischen Annaberg.
D
Klosterneuburg (Bez. Wien-Umgebung, Niederösterreich)
Kat. Nr. D 163
Art des Objektes: Original
Fundort: unbekannt
Verbleib: Wien, Bundessammlung für Münzen, Medaillen und Geldzeichen
Typ: runder Brakteat mit drei zusätzlich angebrachten Befestigungslöchern
Motiv: Männliche, nimbierte und gekrönte Standigur in Frontalansicht mit Fahnenlanze in der rechten Hand und Kirchenmodell auf der linken (hl. Leopold).
Rechts der Figur Wappen des Stits Klosterneuburg und links Fünfadlerwappen, das
gemeinsame Wappen für die Besitzungen der Babenberger im Bereich des heutigen
Ober- und Niederösterreich.
Inschrit: in Kophöhe beiderseits der Figur jeweils in Majuskeln „S“ und „L“ für
Sanctus Leopoldus
Maße: Durchmesser 29 mm
Datierung: um 1490
Beim Leopoldipfennig handelt es sich um einen silbernen Brakteaten, dessen
Fundumstände nicht genauer bekannt sind. Er wird um 1490 datiert. Aufgrund von
schritlichen Quellen ist bekannt, dass kurz nach der Heiligsprechung von Markgraf
61
62
63
Ebd., S. 54.
Georg Wacha, Zinn und Zinngießer in Österreich, Alte und moderne Kunst 23/157,
1978, S. 20–29, hier S. 22; ediert in: Gerhard Winner, Die Urkunden des Zisterzienserstites Lilienfeld 1111–1892 (Fontes Rerum Austriacarum II/81), Wien 1974, Nr. 1271.
Cernik (wie Anm. 2), S. 299.
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Pilgerzeichenfunde in Österreich
239
Leopold III. (1073–1136) im Jahre 1485 die ersten Pilgerzeichen verkaut wurden.
Der Brakteat stellt eine Frühform jener Medaillen dar, die als gegossene „Leopoldspfennige“ seit der Amtszeit des Klosterneuburger Propstes Balthasar Polzmann
(Propst 1584–1596) gefertigt wurden. Hingegen wurden schon seit dem Spätmittelalter Jetons als Spendenpfennige hergestellt, die am Gedenktag des Stiters und
späteren Heiligen, dem 15. November, an Bedürtige verteilt wurden. Spätestens
mit dem Aukommen der Wallfahrt im späten 15. Jahrhundert ist die Abgrenzung
zwischen Spendenpfennig und Pilgerzeichen kaum mehr zu ziehen, so dass dieses Objekt in zweierlei Hinsicht eine Mischform darstellt: Es steht am Übergang
vom Pilgerzeichen zur Wallfahrtsmedaille und funktional zwischen Münze und
Medaille.64
E
Rom (Italien)
Kat. Nr. E 165
Art des Objektes: Original
Fundort: Eugendorf oder Seekirchen, Flachgau (Bez. Salzburg-Umgebung, Salzburg)
Verbleib: Privatbesitz
Typ: einseitig gegossene Scheibe, am Rand leicht gekantet und ohne Anhängevorrichtung
Motiv: Vera Ikon (lat. vera – wahr und griechisch εικόνα, ikóna – Bild, also wahres
Bild), das Schweißtuch der hl. Veronika mit dem Antlitz Christi, welches von einem
Engel gehalten wird
Maße: Durchmesser 28 mm; Stärke 0,2–0,3 mm
Material: Blei
Rückseite: glatt
Datierung: erste Hälte 16. Jahrhundert
Der aus der ersten Hälte des 16. Jahrhunderts stammende Brakteat wurde in
Eugendorf oder Seekirchen in Salzburg gefunden. Eine genaue Fundgeschichte ist
64
65
Cernik (wie Anm. 2), S. 284–298; Edith Specht, Die Leopoldspfennige, in: Der Heilige Leopold. Landesfürst und Staatssymbol, Katalog des Niederösterreichischen Landesmuseums N. F. 155, Wien 1985, S. 112–118 und S. 320–333.
Wilfried K. Kovacsovics, Schmuck und Magie. Archäologische Schätze, die schützen,
Salzburger Museumshete 3, hg. vom Salzburger Museum Carolino Augusteum, Begleithet zur Sonderausstellung im Salzburger Museum Carolino Augusteum vom 13. Juni bis
24. August 2003, Salzburg 2003, S. 35.
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240
Robert Baier – homas Kühtreiber – Christina Schmid
nicht bekannt. Auch wird auf das Zustandekommen der Datierung des Fundstückes
nicht näher eingegangen.66
Seit dem 12. Jahrhundert wurde das Vera Ikon in der päpstlichen Basilika von
St. Peter in Rom aufbewahrt und konnte dort auch seit Ende des 12. Jahrhunderts
von Rompilgern besichtigt werden.67
1527 plünderten kaiserliche Landsknechte Rom. Die Reliquie wurde verkaut
und erst im 17. Jahrhundert wieder zurück nach Rom gebracht, wo sie bis heute in
der Reliquienkammer von St. Peter verwahrt ist.68 Aufallend ist jedoch, dass bislang kein Pilgerzeichen mit dem Vera Ikon-Motiv aus dem 16. Jahrhundert gefunden wurde. Vielleicht hängt das mit dem Verlust der Reliquie im Jahre 1527 und
einem eventuellen Produktionsstopp von Vera Ikon-Pilgerzeichen zusammen. Falls
diese Annahme richtig sein sollte, dann wäre eine Einordnung des Pilgerzeichens
vor 1527 zumindest ein terminus ante quem.
Kat. Nr. E 269
Art des Objektes: Original
Fundort: Hall (Bez. Innsbruck-Land, Tirol)
Fundkontext: Das Pilgerzeichen wurde 1950 bei Kanalarbeiten im ehemaligen
Stadtgraben von Hall zu Tage gefördert.
Verbleib: Hall, Stadtmuseum
Typ: runder Flachguss, mit zwei Ösen
Motiv: Vera Ikon. Kreuznimbiertes Antlitz Christi, vertikal achsensymmetrisch
und sehr geometrisch, Haupt- und Barthaar aus langen, parallel laufenden Linien.
Im unteren Bereich überschneidet sich der Bart mit dem Rand und geht kontinuierlich in eine Öse über. Eine zweite Öse beindet sich direkt über dem Scheitel.
Material: Blei-Zinn
Datierung: vor 1509
Dieses Pilgerzeichen wird von Hans Hochenegg vor 1509 datiert. 1950 wurde im
Zuge von Kanalisationsarbeiten in Hall in ca. 2,5 Meter Tiefe der ehemalige Stadtgraben angeschnitten, aus dem Schlackereste, Münzen (sie datieren aus der Zeit um
1500 bzw. vor 1509), Guss-tiegelfragmente, Kohle, Scherben und Metallstücke (darunter befanden sich auch E 2 und G 2) zu Tage gefördert wurden. Da es sich für
66
67
68
69
Ebd., S. 35.
Gräin Leonie von Nesselrode, Die Chorfenster von Ehrenstein, Köln 2008, S. 136.
Frank Büttner – Andrea Gottdang, Einführung in die Ikonographie, München 2006,
S. 74.
Hochenegg (wie Anm. 6), S. 76.
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Pilgerzeichenfunde in Österreich
241
die Beteiligten um keine wertvollen Funde handelte, übergaben sie diese dem Haller
Stadtmuseum. Georg Mutschlechner untersuchte darauhin die Schlacke und kam
zum Schluss, es könnte sich um die Reste der Haller Münzstätte handeln, die 1509
möglicherweise einem Brand zum Opfer iel. Laut einer Chronik soll es, ausgehend
vom Wirtshaus, welches sich in der Nähe der Münzstätte befand, zu einem größeren
Brand gekommen sein, bei welchem acht Häuser abbrannten. Es wird jedoch in der
Chronik nicht erwähnt, ob die Münzstätte auch davon betrofen war. Nach einer
Vermutung von Mutschlechner sollten anschließend die Überreste des Brandes in
den Stadtgraben gelangt sein.70
Pilgerzeichen mit dem Vera Ikon-Motiv sind schon ab dem 13. Jahrhundert bekannt, daher gestaltet sich eine zeitliche Einordnung äußerst schwierig.71 Stilistisch
ist der Haller Fund einigen Vera Icon-Pilgerzeichen aus den Niederlanden sehr ähnlich. Sie datieren zwischen 1400 und 1475.72
Kat. Nr. E 373
Art des Objektes: Original
Fundort: Hall (Bez. Innsbruck-Land, Tirol)
Fundkontext: wie E 2
Verbleib: Hall, Stadtmuseum
Typ: Flachguss
Motiv: Nimbierter Geistlicher, in seiner Rechten ein Gitterrost, in seiner Linken
ein Buch mit Buchbeschlägen (hl. Laurentius).
Maße: ca. 45 × 26 mm
Material: Blei
Datierung: archäologisch-historisch vor/bis 1509, durch Analogieschluss 1150–
1350
Die Fundumstände sind dieselben wie bei Kat. Nr. E 2. Es handelt sich dabei um
einen Flachguss, der den nimbierten hl. Laurentius darstellt und von Hans Hochenegg vor 1509 datiert wird.74 Nach der Typologie von Jörg Poettgen könnte dieser
70
71
72
73
74
Hochenengg (wie Anm. 6), S. 71–72.
Lenz Kriss-Rettenbeck, Wallfahrt kennt keine Grenzen. hemen zu einer Ausstellung
des Bayerischen Nationalmuseums und des Adalbert-Stiter-Vereins, München 1984,
S. 42–43.
Hendrik Jan Engelbert van Beuningen – Adrianus Maria Koldeweij, Heilig en profaan. 1000 laatmiddeleeuwse insignes uit de collectie H.J.E. van Beuningen (Rotterdam
Papers 8), Cothen 1993, S. 133.
Stadler (wie Anm. 5), S. 9 und Abb. 2.
Hochenegg (wie Anm. 6), S. 71f.
Sonderdruck – Benutzung nur für private Zwecke gestattet
242
Robert Baier – homas Kühtreiber – Christina Schmid
Flachguss von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts
hergestellt worden sein.75
Kat. Nr. E 476
Art des Objektes: Original
Fundort: Drösing, Flur Mühlleck, Parzelle Nr. 5120 (Bez. Gänserndorf, Niederösterreich)
Verbleib: Straßhof, Sammlung Stefan Allerbauer, Inv. Nr. 7-1997-6
Typ: Flachguss, rechte Hälte erhalten, keine Ösen erhalten, sekundär zentral
durchlocht
Motiv: Hütigur in Frontalansicht eines nimbierten, bärtigen Heiligen mit Schlüssel zur Linken (hl. Petrus)
Inschrit: Umschrit in Rahmenleiste: „SIGNA APOSTOLO(…)“
Maße: 18 × 30 mm
Material: Blei-Zinn
Datierung: ca. 13. Jahrhundert
Von diesem Pilgerzeichen sind bislang 12 Vergleichsobjekte in der PilgerzeichenDatenbank Berlin erfasst. Die Umschrit an komplett erhaltenen Objekten erlaubt
eine eindeutige Zuweisung zu St. Peter in Rom, wobei im ikonographisch rechten
Bildteil der zweite Hauptheilige Roms, der hl. Paulus, dargestellt ist.77 Die Datierungsrahmen für die bislang aufgefundenen Stücke schwanken zwischen dem 12.
und dem 13./14. Jahrhundert, wobei die Mehrzahl dem 13. Jahrhundert zugerechnet wird.78 Da es sich beim Objekt E 4 um einen Streufund handelt, können zur
Verwendungszeit dieses Typs keine neuen Informationen gewonnen werden. Die
sekundäre Durchlochung spricht für eine ehemalige dauerhate Fixierung des Pilgerzeichens an einer Tür, einem Möbel oder einem Sakralgerät, vergleichbar den
Objekten A 1, A 4 und G 1.
75
76
77
78
Jörg Poettgen, Europäische Pilgerzeichenforschung, Die Zentrale Pilgerzeichenkartei
(PZK) Kurt Kösters († 1986) in Nürnberg und der Forschungsstand nach 1986, Jahrbuch
für Glockenkunde 7/8, 1995/96, S. 195–206, hier S. 198.
Unpubliziert. Für die Überlassung des Objekts sei Claudia heune-Vogt herzlich gedankt.
Vgl. PilgerzeichenDatenbank Berlin, www.pilgerzeichen.de, ad voc. Rom, St. Peter, Wallfahrtsort #1595.
Ebd.; Auswahlbelege: van Beuningen – Koldeweij (wie Anm. 72), S. 184 u. Abb.
299; Denis Bruna, Enseignes de Pèlerinage et Enseignes Profanes. Musée National du
Moyen Age – hermes de Cluny, Paris 1996, S. 198, Abb. 305.
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Pilgerzeichenfunde in Österreich
F
243
Santiago de Compostela (Galicien, Spanien)
Kat. Nr. F 179
Art des Objektes: Original
Fundort: Tulln (Niederösterreich)
Fundkontext: ehem. Dominikanerkloster
Verbleib: Mauerbach bei Wien, Zentraldepot des Bundesdenkmalamtes, Abteilung
für Bodendenkmalplege
Typ: Pilgermuschel
Material: Kammmuschel mit zwei Bohrungen im Wirbelbereich, nahe dem Schlossrand.
Maße: Durchmesser 99 mm
Datierung: 15. Jahrhundert
Kat. Nr. F 280
Art des Objektes: Original
Fundort: Engerwitzdorf, Ägidikirche/Burgstall Hohenstein (Bez. Urfahr-Umgebung, Oberösterreich)
Fundkontext: unstratiizierter Grabungsfund
Verbleib: Linz, Oberösterreichisches Landesmuseum, Sammlung Römerzeit, Mittelalter- und Neuzeitarchäologie („Sammlung Höllhuber“), Inv. Nr. B 60021/50
Typ: Pilgermuschel
Material: rechte Schalenklappe einer Pilgermuschel (Pecten maximus)81, im Wirbelbereich zweifach durchbohrt82
Maße: Höhe ca. 85 mm
Datierung: ungesichert
79
80
81
82
Marina Kaltenegger – Martin Krenn, Die Werkstatt des Archäologen, in: Fundort
Kloster, Archäologie im Klösterreich, Katalog zur Ausstellung im Stit Altenburg, Wien
2000, S. 189–190, Kat. Nr. 14.43.
Unpubliziert.
Für die archäozoologische Bestimmung sei Dr. Manfred Schmitzberger (Naturhistorisches Museum Wien) herzlich gedankt.
Diese Art der Durchlochung ist charakteristisch für mittelalterliche Pilgermuscheln, vgl.
Kurt Köster, Pilgerzeichen und Pilgermuscheln von mittelalterlichen Santiagostraßen
(Ausgrabungen in Schleswig. Berichte und Studien 2), Neumünster 1983, S. 150 und
Anm. 227.
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244
Robert Baier – homas Kühtreiber – Christina Schmid
Kat. Nr. F 383
Art des Objektes: Original
Fundort: Drösing, Ortswüstung Alt-Drösing (Bez. Gänserndorf, Niederösterreich)
Fundkontext: Grabungsfund ohne Bezug zu archäologischer Struktur
Verbleib: derzeit (2010) Wien, Universität, Institut für Ur- und Frühgeschichte
Typ: Pilgermuschel
Material: Kammmuschel (Fragment), mit einer intentionellen Durchbohrung
Maße: 35 × 20 mm
Datierung: vor 1293/94 (?)
Kat. Nr. F 484
Art des Objektes: Original
Fundort: Klosterneuburg, Pfarrkirche St. Martin (Bez. Wien-Umgebung, Niederösterreich)
Fundkontext: Grabungsfund im Kircheninnenraum (ohne Grabbezug)
Verbleib: Mauerbach, Depot des Bundesdenkmalamtes bzw. Archäologische Gedenkstätte St. Martin
Typ: Pilgermuschel
Material: Kammmuschel mit je einer intentionellen Durchbohrung an den Ohrfortsätzen, hier teilweise ausgebrochen
Maße: 53 × 52 mm
Datierung: „spätmittelalterlich-frühneuzeitlich“
Kat. Nr. F 585
Art des Objektes: Original
Fundort: unbekannt
83
84
85
Claudia Theune-Vogt – Kathrin Misterek, Ausgrabungen in der hochmittelalterlichen Kirche von Drösing (Drezzingen), unpublizierter Grabungsbericht Wien 2009 (mit
freundlicher Genehmigung durch Claudia heune-Vogt); Claudia Theune-Vogt –
Kathrin Misterek, KG Drösing, MG Drösing, VB Gänserndorf, in: Fundberichte aus
Österreich 49, Horn 2010 (2011), S. 266f.
Christine Neugebauer-Maresch – Johannes-Wolfgang Neugebauer, Von den Ausgrabungen 1977/78, 1980/82 zur archäologischen Gedenkstätte, in: Johannes-Wolfgang
Neugebauer – Christine Neugebauer-Maresch – Rudolf Koch, Die Pfarrkirche Klosterneuburg-St. Martin einst und heute. Topographie, Archäologie, Bauforschung, Kunstgeschichte und Bildende Kunst, Klosterneuburg – Wien 1999, S. 25–82, hier S. 62 und
Taf. 23/10.
Gregor M. Lechner, Die Sammlung von Kleinskulpturen, in: 900 Jahre Stit Göttweig
(1083–1983). Ein Donaustit als Repräsentant benediktinischer Kultur, Ausstellungskatalog der Jubiläumsausstellung, Göttweig 1983, S. 263–281, hier S. 264.
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Pilgerzeichenfunde in Österreich
245
Verbleib: Göttweig, Stitssammlung, Inv. Nr. Sk 6
Typ: Halbplastik mit beidseitiger Durchlochung
Motiv: Pilger mit Pilgerhut und -stab samt Reisebeutel in der Rechten und einem
Buch in der Linken (hl. Jakobus d. Ältere)
Maße: 138 × 54 mm
Material: Gagat
Datierung: 15. Jahrhundert
Kat. Nr. F 686
Art des Objektes: Original
Fundort: Salzburg, Getreidegasse 3, „Schatzdurchhaus“ (Salzburg)
Fundkontext: Latrinenfund
Verbleib: Salzburg Museum
Typ: Pilgerstäbchen
Maße: Länge 90 mm, Durchmesser 2–8 mm
Material: Bein, gedrechselt
Datierung: archäologisch spätes 16.–17. Jahrhundert (Verfüllung Latrine), über
Analogiefunde zweite Hälte 15. Jahrhundert
F 1–F 4: Als „Jakobsmuschel“ wird die atlantische Kammmuschel (Pecten maximus), bei welcher stets die rechte Schalenhälte des Tieres als Zeichen des Santiagopilgers verwendet wurde, bezeichnet. Das Pilgerzeichen wurde mit zwei oder mehr
Bohrungen versehen, um es mit einem Bindfaden als Amulett zu tragen oder es auf
Hutkrempe, Tasche oder Mantel aufzunähen. Vier Muscheln als Pilgerzeichen in
Österreich sind archäologisch belegt, von diesen sind bislang zwei publiziert: Die
Kammmuschel F 1 wurde bei Ausgrabungen in Tulln im Bereich des ehemaligen
Dominikanerinnenklosters gefunden. Anhand der Begleitfunde wird das Pilgerzeichen ins 15. Jahrhundert datiert. F 4 wurde ebenfalls ohne Grabbezug in spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Schichten im Innenraum der Pfarrkirche St. Martin in
Klosterneuburg gefunden. 87 Objekt F 2 stammt aus einer nicht sachgemäß durchgeführten Grabung bei der Filialkirche St. Ägidius, einem kleinen romanisch-frühgotischen Sakralbau auf dem Areal einer hochmittelalterlichen Burgstelle, es sind
86
87
Ines Ruttner, Die nichtkeramischen Funde aus der rühneuzeitlichen Senkgrube der
Liegenschat Getreidegasse 3, 3a/Universitätsplatz 16, in: Das Schatz-Haus in Salzburg.
Archäologie und Geschichte eines Salzburger Bürgerhauses Teil I, Archäologie in Salzburg, Salzburg 2008, S. 53–206, hier S. 90 und Tafel 21. 6.
Kaltenegger – Krenn (wie Anm. 79), S. 189–190. Neugebauer-Maresch –
Neugebauer (wie Anm. 84).
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246
Robert Baier – homas Kühtreiber – Christina Schmid
daher keine Informationen zur genauen Fundlage bekannt.88 Das Muschelfragment
F 3 stammt ebenfalls aus der archäologischen Untersuchung eines Sakralbaus, und
zwar der nach historischen Überlieferungen 1293/94 aufgelassenen bzw. zur heutigen Siedlung verlagerten Pfarrkirche von (Alt-)Drösing. Eine zeitlich-quantitative
Auswertung von 145 sicher datierten Muscheln, die hauptsächlich in Nordeuropa ausgegraben wurden, zeigt einen deutlichen Höhepunkt im 12. und 13. Jahrhundert. Die ersten Muscheln wurden bereits im 11. Jahrhundert als Souvenir mit
nach Hause genommen.89 Leider können nach derzeitigem Bearbeitungsstand die
Muschelfunde aus Österreich zur Laufzeit des Phänomens wenig beitragen. Darüber hinaus stammt auch kein Exemplar gesichert aus einem Grab, wenngleich die
Fundumstände aus dem Areal von Sakralbauten dies nahelegen würden. Inwieweit
Kleidungsaccessoires im Form stilisierter Kammmuscheln auch zu den Pilgerzeichen zu zählen sind, ist nach derzeitigem Forschungsstand ungeklärt.90
Die Fundgeschichte des St. Jakobus-Pilgerzeichen aus Gagat F 5 ist nicht bekannt.
Die starken Knitterfalten in Flachlagen und das maskenhate Gesicht sind eindeutige Merkmale der spanischen Spätgotik.91 In Spanien werden solche Jakobsiguren
Azabaches genannt. Seit 1410 wurde in Santiago eine Bruderschat namens Azabacheros gegründet, die solche Pilgerzeichen als genormte Massenartikel herstellten.92
Auch Pilgerstäbchen, wie Objekt F 6, zählen zur weiteren Gruppe an Pilgerzeichenähnlichen Objekten, die in der Literatur gemeinhin mit Santiago de Compostela
in Verbindung gebracht werden, möglicherweise aber auch, ähnlich den Muscheln,
ebenso an anderen Wallfahrtsorten vertrieben wurden. Ein Vergleichsobjekt aus den
Niederlanden wird in den Zeitraum 1450 bis 1500 datiert.93
88
89
90
91
92
93
Dehio-Handbuch. Die Kunstdenkmäler Österreichs. Oberösterreich, Mühlviertel, bearb.
von Peter Adam et al., Horn – Wien 2003, S. 110f.
Andreas Haasis-Berner, Die Jakobsmuschel in Grabfunden, Hinweise zu Ursprung und
Bedeutung eines Pilgerzeichens, Sternenweg 16, 1995, S. 3–11.
Vgl. dazu ein Fundobjekt aus der Wiener Alten Universität aus Abfallschichten vor/
um 1623/54, Kühtreiber (wie Anm. 54), S. 279–280 und Anm. 944 (mit Vergleichsbeispielen). Ein unpubliziertes Objekt stammt von der um die Mitte des 16. Jahrhunderts
öd gefallenen Burg Schrattenstein (Gemeinde Schrattenbach, Bez. Neunkirchen, Niederösterreich); freundliche Mitteilung von Katarzyna Igl.
Lechner (wie Anm. 85), S. 264.
Erich Egg, Tiroler Pilgerreisen, Innsbrucker Beiträge zur Kulturwissenschaten 11, Innsbruck 1965, S. 43–61, hier S. 50.
Van Beuningen – Koldeweij (wie Anm. 72), S. 167, Abb. 231. Ein fragmentiertes,
stabförmiges Objekt aus Buntmetall aus der Wiener Alten Universität könnte ebenfalls
ein Pilgerstäbchen sein; vgl. Kühtreiber (wie Anm. 54), Bd. 1, S. 283, Kat. Nr. C5.
Gleiches ist für ein fragmentiertes Beinstäbchen aus der Kartause Mauerbach bei Wien
aus Schichten des 16./17. Jahrhunderts denkbar, vgl. Fundort Kloster. Archäologie im
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Pilgerzeichenfunde in Österreich
G
247
Einsiedeln (Kanton Schwyz, Schweiz)
Kat. Nr. G 194
Art des Objektes: Original
Fundort: Tragail (Bez. Villach-Land, Kärnten)
Fundkontext: Das Pilgerzeichen wurde auf Kunststein ixiert und als Operculum
(lat. für Deckelchen) auf dem Altarsepulcrum in der Filialkirche Tragail gefunden.
Verbleib: Klagenfurt, Kärntner Diözesanmuseum
Typ: Gitterguss, querfünfeckig, oben mit Vorhangbogen und Kreuz giebelförmig
abschließend und vier abgebrochenen Ösen
Motiv: Engelweihe in fünfeckiger, von einem Vorhangbogen giebelförmig abgeschlossener Umrahmung. In der rechten Bildhälte umrisshate Andeutung eines Sakralbaus mit säulengetragenem Giebeldach mit Maßwerk (Rosette) im Giebel und
Kreuzbekrönung (Gnadenkapelle). Im Inneren der Kapelle die sitzende, nimbierte
Gottesmutter mit nacktem Jesusknaben (freie Nachbildung des Einsiedler Gnadenbildes), zu ihren Füßen und links je ein kerzentragender Engel. Links außerhalb der
Kapelle stehende Bischofsigur mit Mitra, bischölichem Ornat, mit Krummstab in
der Linken und Weihwedel in der Rechten (Bischof Konrad von Konstanz). Ihm
folgt ein Engel mit Weihwasser und Rauchgefäß. Alle Figuren sind nimbiert.
Inschrit: Umschrit auf iligraner, 4,5 mm breiter Umrandung in ungelenken gotischen Minuskeln: „dis · ist · vnser frawen · zaichen · von · in dem · vinstren wald“
Maße: 50 × 40 mm (erhaltene Höhe und Breite)
Material: Blei-Zinn
Datierung: 15. Jahrhundert
Kat. Nr. G 295
Art des Objektes: Original
Fundort: Hall (Bez. Innsbruck-Land, Tirol)
Fundkontext: Das Pilgerzeichen wurde 1950 bei Kanalarbeiten im ehemaligen
Stadtgraben von Hall zu Tage gefördert (wie Kat. Nr. E 2).
Verbleib: Hall, Stadtmuseum
94
95
Klösterreich (Fundberichte aus Österreich, Materialhete, Reihe A, Het 8), Wien 2000,
S. 189, Kat. Nr. 14. 37.
Gerhard Jaritz, Frömmigkeits-Mittel und Ausformungen, in: Die Kuenringer, Das
Werden des Landes Niederösterreich, Katalog des Niederösterreichischen Landesmuseums, Wien 1981, S. 624–630, hier S. 627–628, Kat. Nr. 862.
Hochenegg (wie Anm. 6), S. 76.
Sonderdruck – Benutzung nur für private Zwecke gestattet
248
Robert Baier – homas Kühtreiber – Christina Schmid
Typ: Gittergussfragment mit einer erhaltenen Öse; erhalten ist etwa das linke Drittel des ursprünglichen Stückes.
Motiv: wie G 1, vermutlich aber nicht modelidentisch
Inschrit: unleserliche Reste gotischer Minuskel
Material: Blei
Datierung: vor/bis 1509
G 1 datiert ins 15. Jahrhundert und wurde in der Filialkirche Tragail in Kärnten
auf einem Kunststeindeckel eines Altarsepulcrums entdeckt.96 Das PilgerzeichenFragment G 2 aus Hall wird vor 1509 eingeordnet.97 Stilistisch sehr ähnliche Pilgerzeichen und Glockenabgüsse datieren hauptsächlich ins 15. Jahrhundert.98 Bereits
1341 war Einsiedeln ein Ziel für Wallfahrer, jedoch erlebte die Stätte im Kanton
Schwyz ihren Höhepunkt im 15. Jahrhundert. Dies belegen auch schritliche Quellen. Im Jahr 1466 wurden innerhalb von zwei Wochen 130.000 Zeichen verkaut.99
H
Düren (Nordrhein-Westfalen, Deutschland)
Kat. Nr. H 1100
Art des Objektes: Glockenabguss
Fundort: Wien
Verbleib: unbekannt
Typ: runder Brakteat
Motiv: Düren Typus R II nach Kurt Köster: Brustbild einer mit einem beidseitig
abfallenden faltigen Kopfschleier bedeckten, nimbierten Kopf einer Frau (hl. Anna)
in einem mit einer glatten Proilleiste umrandeten Feld. Oberhalb des Kopfes dringt
eine Taube vertikal in den Kreisnimbus ein; rechts und links je eine Engelsigur mit
einer Kerze.
Inschrit: Unter der Büste, nur teilweise lesbar „[ANN]A“
Jaritz (wie Anm. 94), S. 627–628.
Mit gleicher Fundgeschichte wie E 2.
98 PilgerzeichenDatenbank Berlin, www.pilgerzeichen.de, ad voc. Einsiedeln, Wallfahrtsort
#1589.
99 Andreas Haasis-Berner – Jörg Poettgen, Die mittelalterlichen Pilgerzeichen der
Heiligen Drei Könige, Ein Beitrag von Archäologie und Campanologie zur Erforschung der
Wallfahrt nach Köln, Zeitschrit für Archäologie des Mittelalters 30, 2002, S. 173–202,
hier S. 174.
100 Kurt Köster, Wallfahrtszeichen und Pilgerdevotionalien aus der Frühzeit der Dürener
Sankt Anna-Wallfahrt, in: St. Anna in Düren, hg. von Erwin Gatz, Mönchengladbach
1972, S. 191–209, hier S. 195.
96
97
Sonderdruck – Benutzung nur für private Zwecke gestattet
Pilgerzeichenfunde in Österreich
249
Maße: Durchmesser 24 mm
Datierung: 1510 (Gussjahr der Glocke)
Die Glocke wurde von Peter Laiminger (1468–1530), einem Glockengießer aus
Tirol, 1510 gegossen.101 Bald nach der Überführung der Anna-Schädelpartikel im
Januar 1501 setze in Düren ein reger Zustrom an Wallfahrern ein. Von den massenhat erzeugten Anna- Pilgerzeichen ist bis dato nur ein Original gefunden worden,
alle anderen haben auf Glocken die Zeit überdauert.102 Sämtliche bislang gefundenen Pilgerzeichen dieses Typs datieren in die erste Hälte des 16. Jahrhunderts. 103
I
Köln (Nordrhein-Westfalen, Deutschland)
Kat. Nr. I 1104
Art des Objektes: Original
Fundort: Enns (Bez. Linz-Land, Oberösterreich)
Verbleib: Privatbesitz
Typ: querrechteckiges Flachgussfragment, ursprünglich in Form des alten Kölner
Domes
Motiv: Im querrechteckigen Feld rechts die Heiligen Drei Könige im Huldigungsritus, in ihren abgewinkelten rechten Armen ihre Gaben tragend. Im linken Teil auf
einer Bank sitzend die bekrönte Gottesmutter, rechts von ihr auf der Bank stehend
der Jesusknabe. Die Köpfe aller Personen sind in der gleichen Ebene und blicken
frontal aus dem Bildfeld.
Material: Blei-Zinn
Datierung: Ende 13. – Mitte 14. Jahrhundert
Bei dem Kölner Pilgerzeichen handelt es sich um einen Streufund aus Enns
(Oberösterreich). Der Flachguss entspricht Typ A II nach Haasis-Berner – Poettgen und kann nach Analogiefunden in den Zeitraum zwischen Ende des 13. Jahrhunderts und Mitte des 14. Jahrhunderts datiert werden. Vergleichsfunde desselben
Typus wurden vorwiegend in Deutschland, Niederlanden, Belgien, Großbritannien
und in Skandinavien gefunden.105
101
102
103
104
105
Köster (wie Anm. 100), S. 195 und S. 205.
Ebd., S. 191.
Ebd., S. 192–198; PilgerzeichenDatenbank Berlin, www.pilgerzeichen.de, ad voc. Düren,
Wallfahrtsort #1965.
Unpubliziert, für die Meldung des Objekts möchten wir uns bei Hartmut Kühne bedanken.
Haasis-Berner – Poettgen (wie Anm. 99), S. 182–184.
Sonderdruck – Benutzung nur für private Zwecke gestattet
250
J
Robert Baier – homas Kühtreiber – Christina Schmid
Altötting (Bayern, Deutschland)
Kat. Nr. J 1106
Art des Objekts: Original
Fundort: Burg Prandegg (Bez. Freistadt, Oberösterreich)
Fundkontext: unstratiizierter Grabungsfund
Verbleib: Linz, Oberösterreichisches Landesmuseum, Sammlung Römerzeit, Mittelalter- und Neuzeitarchäologie („Sammlung Höllhuber“), Inv. Nr. B 60002/7546
Typ: Gitterguss
Material: Blei-Zinn
Maße: nur fragmentarisch erhalten, Größe eines vollständig erhaltenen Exemplars
68 × 41 mm107
Motiv: Bestimmung des Zeichentyps anhand eines vollständig erhaltenen Exemplars möglich.108 Darstellung der bekrönten Muttergottes, die das ebenfalls bekrönte
Jesuskind auf ihrem rechten Arm trägt, in der linken Hand hält sie ein Zepter. Maria
steht auf einer Mondsichel, Mutter und Kind sind von einem Strahlenkranz mit
zehn Strahlen umgeben. Standleiste mit Inschrit, die mittig von einem Schild, der
das bayerische Wappen (drei mal drei Rauten) zeigt, geteilt wird. Über dem Haupt
der Muttergottes im von Fialen lankierten Rahmen ein rechteckiger Teil mit gotischem Schnitzwerk (darin die Jahreszahl 1490), der von einem kreuzbekrönten
Dreiecksgiebel mit Dreipassmaßwerk abgeschlossen wird.
Inschrit: nicht erhalten, bei vollständig erhaltenem Vergleich in Minuskeln
„ALTNOTING“ und Jahreszahl 1490
Datierung: um 1490 ( Jahreszahl auf dem Zeichen)
Das Pilgerzeichen wurde von einem Heimatforscher ohne Dokumentation seines archäologischen Kontextes auf der Burg Prandegg geborgen. Bislang wurde nur
ein direkter Vergleichsfund bekannt.109 Die auf diesem vollständig erhaltenen Exemplar angegebene Jahreszahl 1490 legt – in Verbindung mit stilistischen Über-
106
107
108
109
Unpubliziert.
PilgerzeichenDatenbank Berlin, www.pilgerzeichen.de, ad voc. Altötting, Nr. #416.
Beschreibung weitestgehend folgend dem Eintrag bei PilgerzeichenDatenbank Berlin,
www.pilgerzeichen.de, ad voc. Altötting, Nr. #416.
PilgerzeichenDatenbank Berlin, www.pilgerzeichen.de, ad voc. Altötting, Nr. #416.
Ein ähnliches Zeichen, das heute im Benediktinerkolleg Sarnen (Kanton Obwalden,
Schweiz) aufbewahrt wird, indet sich dort unter Eintrag Nr. #413.
Sonderdruck – Benutzung nur für private Zwecke gestattet
Pilgerzeichenfunde in Österreich
251
legungen – eine Datierung dieses Typs in das ausgehende 15. oder das beginnende
16. Jahrhundert nahe.110
K
Saint-Josse-sur-Mer (Dép. Pas-de-Calais, Frankreich)
Kat. Nr. K 1111
Art des Objektes: Glockenabguss
Fundort: Wartberg ob der Aist (Bez. Freistadt, Oberösterreich), Pfarrkirche Mariä
Himmelfahrt, an der Sterbeglocke (jetzt Wandlungsglocke)
Typ: Gitterguss (?)
Motiv: Männliche Standigur in Frontalansicht mit Kappe (?) und umgehängter
(Pilger-) Tasche, in der Linken (Pilger-)Stab, die Rechte zum Segensgestus erhoben
(hl. Jodokus).
Inschrit: Standleiste mit Versalien „SHOSSRU“ (Doppel-S spiegelverkehrt)
Maße: Höhe ca. 75 mm
Datierung: Glockenguss nach Florian Oberchristl um 1320
Die Zuweisung zum hl. Jodokus ist über die Inschrit sowie über den ikonographischen Vergleich möglich. Als Wallfahrtsorte kommen Saint-Josse-sur-Mer (Dép.
Pas-de-Calais, Frankreich), welches nach schritlicher Überlieferung spätestens seit
1286 Ziel von Wallfahrern war, und St. Joost im Lande Hadeln (Niedersachsen,
Deutschland) in Frage, welche sich aber durch die Schreibweise des Heiligennamens
– S:IOSSE in der französischen Variante und IO DOK bzw. S’IOK bzw. DOCU
in den deutschen Varianten – unterscheiden lassen.112 Deshalb kann dieser Glockenabguss mit hoher Wahrscheinlichkeit Saint-Josse-sur-Mer zugewiesen werden.
Nach Andreas Haasis-Berner können die erhaltenen Pilgerzeichen aus St. Josse formenkundlich in die zweite Hälte des 14. bis in das späte 15. Jahrhundert datiert
werden. Das beste Vergleichsstück, welches aber auch nicht modelidentisch ist,
stammt aus Ieper (Ypern, Prov. Westlandern, Belgien) und wird in die erste Hälte
110
111
112
Manfred Mittermeier, Ein Altöttinger Pilgerzeichen aus Deggendorf, in: Deggendorf
– Altötting. Archäologie einer Wallfahrt, hg. von der Stadt Deggendorf (Deggendorf.
Archäologie und Stadtgeschichte, Bd. 1 = Kataloge des Stadtmuseums Deggendorf,
Nr. 7), Deggendorf 1990, S. 7–40, hier S. 22.
Florian Oberchristl, Glockenkunde der Diözese Linz, Linz 1941, S. 580–581, S. 726
und Taf. 3/2. Für den Hinweis möchten sich die Verf. bei Hartmut Kühne herzlich bedanken.
Andreas Haasis-Berner, St. Jodokus in Konstanz. Zu einem neugefundenen Pilgerzeichen, Online: www2.ufg.uni-freiburg.de/d/publ/ahb/jodokus.html, Zugrif vom 28.05.
2012.
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252
Robert Baier – homas Kühtreiber – Christina Schmid
des 14. Jahrhunderts gestellt, was mit der zeitlichen Zuordnung der Glocke durch
Oberchristl „um 1320“ gut übereinstimmt.113
L
Bari (Apulien, Italien)
Kat. Nr. L 1114
Art des Objektes: Original
Fundort: Drösing, Flur Schafbruck (Bez. Gänserndorf, Niederösterreich)
Verbleib: Straßhof, Sammlung Stefan Allerbauer, Inv. Nr. 7-1999-1
Typ: Flachguss, keine Ösen
Motiv: In hochrechteckigem Feld mit eingerücktem Halbkreis und Perlrand Büste
eines männlichen nimbierten Heiligen mit kahler Stirn (hl. Nikolaus). Die Attribute sind aufgrund der schwach relieierten Prägung nur schwach zu erkennen.
Maße: 45 × 28 mm
Material: Blei-Zinn
Datierung: ca. 12.–13. Jahrhundert
Die Zuordnung zum apulischen Pilgerort Bari, dem Hauptverehrungsort des
hl. Nikolaus, ist aufgrund von zehn Vergleichsobjekten in der PilgerzeichenDatenbank Berlin sowie aufgrund ikonographischer Analogien gesichert.115 Unter
den bisherigen Fundorten von Nikolaus-Pilgerzeichen ist besonders eine gewisse
geographische Nähe zu Olmütz (Olomouc, Tschechien) gegeben. Da es sich beim
Olmützer Beispiel um einen stratiizierten Fund aus Schichten des 13./14. Jahrhunderts handelt, wird die typologische Datierung ins 12./13. Jahrhundert unterstützt,
da dem Objekt vor seinem Verlust bzw. seiner Deponierung eine gewisse Verwendungsdauer zuzurechnen ist.116 Objekt L 1 ist als Streufund archäologisch nicht datierbar und kann daher nur auf dem Vergleichsweg in den bisher vorgeschlagenen
Zeitrahmen eingeordnet werden.
113
114
115
116
Hendrik Jan Engelbert van Beuningen – Adrianus Maria Koldeweij – Dory Kicken, Heilig en profaan 2, 1200 laatmiddeleeuwse insignes uit openbare en particuliere
collecties (Rotterdam Papers 12), Cothen 2001, S. 274, Abb. 1172.
Unpubliziert. Für die Überlassung des Fundobjekts sei Claudia heune-Vogt herzlich
gedankt.
Vgl. PilgerzeichenDatenbank Berlin, www.pilgerzeichen.de, ad voc. Bari, Wallfahrtsort
#1609.
Josef Bláha, Archeologický příspěvek k poznání poutnického života ve středověké Olomouci, in: Acta Universitatis Palackianae Olomucensis. Facultas Philosophica. PhilosophicaAestetica 16 (= Historia Artium II), Olomouc 1998, S. 47–65.
Sonderdruck – Benutzung nur für private Zwecke gestattet
Pilgerzeichenfunde in Österreich
M–R
253
Keiner Wallfahrtstätte zuordenbare Pilgerzeichen bzw. ragliche Pilgerzeichen
Kat. Nr. M 1117
Art des Objektes: Original
Fundort: unbekannt
Verbleib: Sammlung Dr. Karl Ruhmann
Typ: spitzbogenförmiger Gitterguss mit drei Ösen
Motiv: Gekrönte und nimbierte hl. Barbara, ihre Attribute Palmzweig und Turm
in Händen haltend, umgeben von einem spitzbogigen und krappenbesetzten Maßwerkrahmen mit beidseitig lankierenden Strebepfeilern im unteren Drittel.
Maße: 60 × 42 mm
Material: Blei-Zinn
Datierung: ca. 1400–1450
Dieses Pilgerzeichen unbekannter Provenienz mit der hl. Barbara wurde von
Karl Ruhmann anhand der Stilistik um 1420 datiert.118 Diese zeitliche Einordnung
ist wohl zu eng begrenzt: Die körperbetonten Tracht der Heiligen mit hängendem
Gürtel und rundem Halsausschnitt spricht für eine stilistische Datierung um 1400
bis 1450.119
Kat. Nr. N 1120
Art des Objektes: Original
Fundort: Embach, Kirche (Gemeinde Lend, Bez. Zell am See, Salzburg)
Fundkontext: 1992 im Zuge von archäologischen Grabungen unter dem Estrich
von Bau III (geweiht 1508) gefunden.
Verbleib: Salzburg-Museum
Typ: igürliches, halbplastisches Zeichen mit zwei seitlichen Ösen (eine beschädigt)
Motiv: Auf der Vorderseite bärtiger Kopf eines Bischofs mit seitlichen Haarbüscheln und Mitra. Die Brustpartie fehlt, Rückseite glatt.
Maße: 30 × 17 mm (erhaltene Höhe und Breite)
Material: Blei-Zinn
Datierung: vor/bis 1508
117
118
119
120
Ruhmann (wie Anm. 7), S. 19.
Ebd.
Freundliche Auskunt von Elisabeth Vavra.
Kovacsovics (wie Anm. 65), S. 34.
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254
Robert Baier – homas Kühtreiber – Christina Schmid
Dieses Pilgerzeichen-Fragment, welches den Kopf eines Bischofs zeigt, wurde
1992 in der Kirche von Embach, Gemeinde Lend in Salzburg, unter dem Estrich
von Bau III, der 1508 geweiht wurde, gefunden.121 Ob es sich bei diesen Fragment
um einen Flach- oder Gitterguss handelt, kann nicht mehr nachvollzogen werden.
Möglicherweise handelt es sich hierbei um ein Pilgerzeichen von der St. ServatiusWallfahrt nach Maastricht (Prov. Limburg, Niederlande).122
Kat. Nr. O 1123
Art des Objektes: Original
Fundort: Herrenhauswand bei Schwendt/Kössen (Bez. Kitzbühel, Tirol)
Fundkontext: Lesefund
Verbleib: Innsbruck, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, Inv. Nr. 18765
Typ: rhombischer Flachguss mit je einer runden Öse an den Ecken, wovon zwei
komplett erhalten sind
Motiv: Die kahlköpige Standigur eines Geistlichen mit prägnantem, im Kinnbereich spitz zulaufendem Bart. Der Dargestellte ist barfuß und trägt als Untergewand
eine Art Talar, darüber eine Kasel, in seiner Rechten hält ein Schwert, in seiner Linken und möglicherweise einen Rost.
Maße: 40 × 28 mm (erhaltene Höhe und Breite)
Material: Blei
Datierung: 13./14. Jahrhundert
Kat. Nr. O 2124
Art des Objektes: Original
Fundort: Herrenhauswand bei Schwendt/Kössen (Bez. Kitzbühel, Tirol)
Fundkontext: Lesefund
Verbleib: Innsbruck, Universität, Institut für Archäologien
Typ: rhombischer Flachguss mit je einer runden Öse an den Ecken, wovon zwei
komplett erhalten sind
Motiv: wie O 1
Maße: 40 × 28 mm (erhaltene Höhe und Breite)
121
122
123
124
Ebd.
Vgl. PilgerzeichenDatenbank Berlin, www.pilgerzeichen.de, ad voc. Maastricht, Wallfahrtsort #1593; siehe zuletzt: Jörg Ansorge, Mittelalterliche Pilgerzeichen aus der
Hansestadt Wismar, Jahrbuch der Bodendenkmalplege in Mecklenburg-Vorpommern
56, 2008, S. 213–256, hier S. 227 und Abb. 7/3.
Harald Stadler, Der Erpfenstein bei Erpfendorf, Gem. Kirchdorf in Tirol. Eine mittelalterliche Burganlage im Leukental, Nearchos 2, Innsbruck 1994, S. 11–209, hier S. 89.
Unpubliziert. Freundliche Mitteilung von Harald Stadler.
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Pilgerzeichenfunde in Österreich
255
Material: Blei
Datierung: 13./14. Jahrhundert
Die beiden rhombischen Flachgüsse mit der Abbildung eines kahlköpigen
Mannes wurden unterhalb der Burgruine Herrenhauswand bei Schwendt, Gemeinde Kössen in Tirol, gefunden. Für die Deutung des dargestellten Geistlichen als
hl. Laurentius sprechen trotz des Fehlens von Attributen, wie Geldmünzen, Brotlaib
oder Palmzweig der Rost und das Schwert. Produktion und Vertrieb rhombenförmiger Flachgüsse sind nach neuem Erkenntnisstand von Hartmut Kühne spätestens
ab dem ausgehenden 14. Jahrhundert für die Kirche San Giovanni in Laterano im
Rom mit der Darstellung Johannes des Täufers belegt, so dass mit Vorsicht eine italienische Provenienz postuliert werden kann.125 Gegen eine Gleichsetzung mit dem
hl. Johannes dem Täufer als Patron von San Giovanni in Laterano können die besser
zum hl. Laurentius passenden Attribute ins Trefen geführt werden. Denkbar wäre
daher eine Zuordnung zu San Lorenzo fuori le mura mit dem Grab des hl. Laurentius. Die auf der Höhlenburg gefundene Keramik und das Pilgerzeichen datieren ins
13./14. Jahrhundert.126 Nach der Typologie von Jörg Poettgen waren Flachgüsse ab
1150 bis etwa 1350 üblich.127
Kat. Nr. P 1128
Art des Objektes: Original
Fundort: Burgleiten, Marktgemeinde Rappottenstein, (Bez. Zwettl, Niederösterreich)
Fundkontext: Lesefund
Verbleib: Privatbesitz
125
126
127
128
Hartmut Kühne, Italienische Pilgerzeichen des Mittelalters – eine Problemanzeige, Römische Quartalschrit für christliche Altertumskunde und Kirchengeschichte (2012 im
Druck). Für die Möglichkeit der Einsichtnahme in das Manuskript möchten sich die
Verf. herzlich bedanken. Vgl. auch Hartmut Kühne – Carina Brumme – Stefan Krabath – Lothar Lambacher, Europäische Pilgerzeichen und verwandte Weißmetallgüsse
des hohen und späten Mittelalters in den Sammlungen der Staatlichen Museen zu Berlin. Katalog, in: Das Zeichen am Hut im Mittelalter, hg. von Hartmut Kühne – Lothar
Lambacher – Konrad Vanja (Europäische Wallfahrtsstudien 4), Frankfurt am Main u.a.
2008, S. 251–384, hier S. 379f., Nr. 264, 265.
Stadler (wie Anm. 123), S. 84f.
Poettgen (wie Anm. 75), S. 198.
Unpubliziert. Für die Überlassung des Objekts möchten sich die Verf. bei Gerhard Müllauer herzlich bedanken.
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256
Robert Baier – homas Kühtreiber – Christina Schmid
Typ: Ampulle, ischförmig. Die Schwanzlosse ist nicht mehr vorhanden, Kopf,
Rücken-, Ater- und Brustlosse sind fragmentarisch erhalten, die Oberläche ist
korrodiert.
Motiv: Der Kopf des Fisches ist auf der Vorder- und Rückseite durch einen Viertelkreisring, der die Kiemendeckel andeuten soll, dargestellt. Fischkörper auf der
Vorderseite mit Rautenmuster mit abwechselnd glatten und wiederum mit kleineren Rauten gefüllten Flächen dekoriert, auf der Rückseite horizontal verlaufende
Bänder, abwechselnd glatt oder mit Fischgrätenmuster verziert.
Maße: 47 × 22 mm (erhaltene Höhe und Breite)
Material: Blei-Zinn (?)
Datierung: 12./13. Jahrhundert
Bei der Ampulle in Form eines Fisches handelt es sich um einen Lesefund, der
beim Anlegen eines Holzbringungsweges in der Nähe einer namenlosen Burgruine auf der „Burgleiten“ bei Lembach in Niederösterreich gefunden wurde.129 Einer
Analyse der Mauerreste zufolge dürte die Burg zwischen dem vierten Viertel des
12. Jahrhunderts und der ersten Hälte des 13. Jahrhunderts entstanden sein. Im
Laufe des 13. Jahrhunderts wurde sie bereits nicht mehr genutzt.130 Eine formal sehr
ähnliche Ampulle wurde in Dordrecht (Prov. Südholland, Niederlande) gefunden
und datiert um 1250.131 Auf Basis des Entstehungszeitraumes der Burg und der Ansetzung des Vergleichsfundes könnte eine Datierung ins 12./13. Jahrhundert angenommen werden.
Kat. Nr. Q 1132
Art des Objekts: Original
Fundort: Pierbach, Burgstall Neuhaus (Bez. Freistadt, Oberösterreich)
Fundkontext: unstratiizierter Grabungsfund
Verbleib: Linz, Oberösterreichisches Landesmuseum, Sammlung Römerzeit, Mittelalter- und Neuzeitarchäologie („Sammlung Höllhuber“), Inv. Nr. B 60007/1283
Typ: Ampulle (?)
129
130
131
132
Nach freundlicher Auskunt von Gerhard Müllauer.
Gerhard Reichhalter – homas Kühtreiber, Burgleiten, in: Burgen – Waldviertel
– Wachau – Mährisches hayatal, hg. von Falko Daim, Karin und homas Kühtreiber,
Wien 2009, S. 413f.
Marnix Pieters – Etienne Cools – Jos Koldeweij – Agnes Mortier, Medieval and
post-medieval Pilgrim Souvenirs, Devotionalia and Secular Badges rom Raversijde, Archaeology in Flanders IV, Zellik 2002, S. 264.
Unpubliziert.
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Pilgerzeichenfunde in Österreich
257
Motiv: Miniaturgefäß in Form eines Kruges. Aus zwei gegossenen Hälten zusammengesetztes Objekt in Form eines bauchigen Kruges, auf dessen Schulter zwei
kleine ösenförmige Henkel sitzen. Die Wand ist lächig mit einem Netzmuster
aus schuppenförmigen Erhebungen überzogen. Auf der nur fragmentiert erhaltenen Standläche ein Dekor von fünf (ursprünglich sechs?) Blättern, die entlang der
Gussnaht angeordnet sind.
Material: Blei-Zinn
Maße: Höhe 31 mm; Durchmesser der Mündung ca. 21 mm
Datierung: unbestimmt; die Datierung der Begleitfunde legt eine Laufzeit der Anlage vom 12. bis in das 14. Jahrhundert nahe.
Direkte Vergleiche sowohl für diese Gefäßform als auch für das Blattmuster auf
der Unterseite konnten nicht gefunden werden. Schuppenartige Muster (meist
auf der Vorderseite des Gefäßkörpers) sind an Ampullen und Miniaturgefäßen zu
beobachten, die – teilweise mit Vorbehalt – als Pilgerampullen angesprochen werden: als Beispiele seien in Korinth133, Braunschweig134, Dordrecht135, Köln136 und
Frankreich137 gefundene Exemplare genannt, die größtenteils in das 14. Jahrhundert
datiert werden. Die überwiegende Mehrzahl dieser Ampullen weist jedoch einen
wesentlich lacheren Gefäßkörper auf, verfügt über einen gerundeten Boden ohne
ausgeprägte Standläche und einen längeren, ot zur Mündung hin leicht konisch erweiterten Hals.138 Für Miniaturgefäße aus Zinn bzw. Blei mit proilierter Oberläche
und ausgeprägter Standläche wurde auch eine Deutung als Spielzeug in Betracht
133
134
135
136
137
138
Lieselotte Kötzsche, Zwei Jerusalemer Pilgerampullen aus der Kreuzfahrerzeit, Zeitschrit für Kunstgeschichte 51/1, 1988, S. 13–32, hier S. 31 und Anm. 96.
Kurt Köster, Pilgerzeichen und Ampullen. Zu neuen Braunschweiger Bodenfunden, in:
Stadtarchäologie in Braunschweig, hg. von Hartmut Rötting (Forschungen der Denkmalplege in Niedersachsen 3), Hannover 1985, S. 277–286, hier S. 283 und Abb. 9
(Schuppen auf der Vorderseite, achtblättrige Rosette auf der Rückseite, Datierung über
Begleitfunde: 2. H. 14. Jahrhundert).
Van Beuningen – Koldeweij – Kicken (wie Anm. 113), hier S. 375, Abb. 1578
(Datierung: 14. Jahrhundert).
Hanns Ulrich Haedeke, Zinn. Ein Handbuch für Sammler und Liebhaber, Braunschweig 1963, S. 59, Nr. Abb. 21 (Herkunt: Frankreich, Vêndome?, Datierung: 14. Jahrhundert).
Kühne – Brumme – Krabath – Lambacher (wie Anm. 125), S. 272, Nr. 21 (Datierung: 14. Jahrhundert).
Kötzsche (wie Anm. 133), hier S. 31; vgl. auch die Ampullen bei van Beuningen –
Koldeweij – Kicken (wie Anm. 113), besonders S. 373–385.
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258
Robert Baier – homas Kühtreiber – Christina Schmid
gezogen.139 Eine Interpretation des oberösterreichischen Objekts Q 1 als Pilgerampulle kann daher nicht als gesichert angesehen werden.
Kat. Nr. R 1140
Art des Objekts: Original
Fundort: Wien I, Bäckerstraße 20
Fundkontext: stratiizierter Fund im Zuge archäologischer Ausgrabungen 1997–
2002 aus den Abriss, Bau- und Planierungsschichten der „Alten Aula“ der Wiener
Alten Universität anstelle der an dieser Stelle beindlichen Nova Structura/Neuen
Schul
Verbleib: Wien, Archäologisches Depot der Österreichischen Akademie der Wissenschaten, derzeit Kegelgasse 3, 1030 Wien
Typ: Pilgerstab, gegossen
Motiv: Stabförmige Nadel, welche im Gribereich in einer stark stilisierten anthropomorphen Figur (Gottesmutter mit Jesuskind im Liebfrauenkleid?) endet. Knapp
unterhalb der durch zwei Nodi strukturierten Grifzone ein hakenförmiger Fortsatz, darunter eine Applikation in Form eines (Pilger-)Hutes mit breiter Krempe.
Material: Buntmetall (Messing?)
Maße: Länge 76 mm, max. Breite 12 mm (Hut), Durchmesser Stab 2 mm
Datierung: vor/um 1623/54
Zu diesem ungewöhnlichen Objekt existieren Analogien im Prager Kunstgewerbemuseum, die zu einem Pariser Ankauf aus dem 19. Jahrhundert gehören und überwiegend Seinefunde des 15. Jahrhunderts enthalten.141 Beide Objekte zeigen Miniaturpilgerstäbe mit Haken unterhalb des Griknaufs, an dem in einem Fall eine große
Kammmuschel mit Darstellung des hl. Jakobus des Älteren142, im anderen Fall eine
139
140
141
142
Geof Egan, Toys, in: Geof Egan, he Medieval Household. Daily Living c. 1150–
c. 1450 (Medieval Finds from Excavations in London 6), London 1998, S. 281–283,
hier S. 283 und Annemarieke Willemsen, Poppengoed Precies Bekeken. Verzameling,
herkomst en functie van loodtinnen miniatuurtjes, in: Gevonden Voorwerpen. Lost and
Found. Essays on medieval archaeology for H. J. E. van Beuningen, hg. von D. Kicken –
A. M. Koldeweij – J. R. ter Molen (Rotterdam Papers 11), Rotterdam 2000, S. 347–355,
hier S. 351, Abb. 4.
Erstpublikation in Kühtreiber (wie Anm. 54), S. 285f.
Vgl. dazu Helena Koenigsmarková, Die Pilgerzeichensammlung im Prager Kunstgewerbemuseum, in: Das Zeichen am Hut im Mittelalter, hg. von Hartmut Kühne – Lothar Lambacher – Konrad Vanja (Europäische Wallfahrtsstudien 4), Frankfurt am Main
u.a. 2008, S. 185–190.
Prag, Uměleckoprůmyslové museum, Inv. Nr. 3-5670.
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Pilgerzeichenfunde in Österreich
259
Tasche mit verschlungenem Umhängeriemen und darunter eine Pilgermuschel143
dargestellt sind.144 Die Form des Stabes mit Haken als Auhängevorrichtung für
Hut und etwaigen Beutel sowie der breitkrempige Hut indizieren allerdings eine
Nähe zu Pilgerzeichen in Form von Miniatur-Pilgerstäben, wie sie auch aus Santiago de Compostela bekannt sind und aus Österreich aus einem frühneuzeitlichen
Latrinenfund aus der Stadt Salzburg in einem Exemplar (vgl. F 5) überliefert sind.
Auch ikonographische Quellen belegen eine Verwendung derartiger Stäbe mit Haken als Pilgerutensilien: So zeigt die Darstellung eines Jerusalem-Pilgers aus Hans
Jacob Breunings von und zu Buchenbach „Orientalische Reyß“ von 1612 diesen mit
breitkrempigem Hut und Pilgerstab mit Haken.145 Bereits im Stundenbuch der Johanna von Kastilien, datiert 1496–1506, indet sich eine weitere Darstellung eines
Pilgerstabs mit Haken und Pilgermuschel als Randillustration.146
143
144
145
146
Prag, Uměleckoprůmyslové museum, Inv. Nr. 3-5671.
Für den Hinweis und weiterführende Informationen seien Hartmut Kühne und Helena
Koenigsmarková herzlich gedankt.
Abgebildet in: Mordechay Lewy, Jerusalem unter der Haut. Zur Geschichte der Jerusalemer Pilgertätowierung, Zeitschrit für Religions- und Geistesgeschichte 55/1, 2003, S. 6,
Abb. 2.
Meister der David-Szenen im Breviarium Grimani (Brügge oder Gent, 1496–1506):
Stundenbuch der Johanna von Kastilien, London, British Library, Add. MS 18852,
fol. 183v, abgebildet in: Koert van der Horst – Johann Christian Klamt, In Masters
and Miniatures, Proceedings of the Congress on Medieval Manuscript Illumination in
the Northern Netherlands, Ghent 1991, S. 218, Abb. 11. Für die ikonographischen Hinweise sei Isabella Nicka herzlich gedankt.
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260
Robert Baier – homas Kühtreiber – Christina Schmid
Kat. Nr. A 1. Foto: Landesmuseum Joanneum, Graz
Kat. Nr. A 2. Foto:
www.pilgerzeichen.de
Kat. Nr. A 4. Foto: Landesmuseum Joanneum, Graz
Kat. Nr. B 1.
Foto: Karl Friedl
Kat. Nr. B 3. Foto: Bayerisches Nationalmuseum
München
Kat. Nr. B 4.
Foto: Stadtmuseum Linz
Kat. Nr. A 3. Foto:
www.pilgerzeichen.de
Kat. Nr. B 2.
Foto: Stitssammlung
Göttweig
Kat. Nr. B 5. Foto: Narodni muzej Slovenije,
Ljubljana (Laibach)
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Pilgerzeichenfunde in Österreich
261
Kat. Nr. B 6. Foto: Josef
Mader, Ried i. Innkreis
Kat. Nr. B 7. Foto: Kunsthistorisches Museum Wien,
Aufnahme U. F. Sitzenfry
Kat. Nr. B 8. Foto: Josef
Mader, Ried i. Innkreis
Kat. Nr. B 9. Foto: Josef
Mader, Ried i. Innkreis
Kat. Nr. B 10. Foto: Bayerisches Nationalmuseum
München
Kat. Nr. B 11. Foto: Josef
Mader, Ried i. Innkreis
Kat. Nr. B 12. Foto: Josef
Mader, Ried i. Innkreis
Kat. Nr. B 13. Foto: Rheinisches Bildarchiv Köln
Kat. Nr. B 14. Foto: Josef
Mader, Ried i. Innkreis
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262
Robert Baier – homas Kühtreiber – Christina Schmid
Kat. Nr. B 15. Foto: Bayerisches Nationalmuseum
München
Kat. Nr. B 16. Foto: Bayerisches Nationalmuseum
München
Kat. Nr. B 17. Foto: Kunsthistorisches Museum Wien,
Aufnahme U. F. Sitzenfry
Kat. Nr. B 18. Foto: Oberösterreichisches Landesmuseum Linz
Kat. Nr. B 19. Foto: Josef
Mader, Ried i. Innkreis
Kat. Nr. B 20. Foto: Josef
Mader, Ried i. Innkreis
Kat. Nr. B 21. Foto: Josef
Mader, Ried i. Innkreis
Kat. Nr. B 22. Foto: Kunsthistorisches Museum Wien,
Aufnahme U. F. Sitzenfry
Kat. Nr. B 23. Foto: Josef
Mader, Ried i. Innkreis
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Pilgerzeichenfunde in Österreich
Kat. Nr. B 24. Foto: Kunsthistorisches Museum Wien,
Aufnahme U. F. Sitzenfry
Kat. Nr. B 27. Foto: Josef
Mader, Ried i. Innkreis
Kat. Nr. C 2.
Foto: Werner Pick
Kat. Nr. B 25. Foto:
Josef Mader, Ried
i. Innkreis
Kat. Nr. B 28. Foto: Josef
Mader, Ried i. Innkreis
Kat. Nr. D 1. Foto: nach
Cernik (wie Anm. 2)
263
Kat. Nr. B 26.
Foto: Stadtmuseum Linz
Kat. Nr. C 1.
Foto: Peter Böttcher
Kat. Nr. E 1. Foto: nach
Kovacsovics (wie
Anm. 65)
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264
Robert Baier – homas Kühtreiber – Christina Schmid
Kat. Nr. E 2. Foto: nach
Hochenegg (wie Anm. 6)
Kat. Nr. F 1. Foto: nach Kaltenegger – Krenn (wie
Anm. 79)
Kat. Nr. E 3. Foto: nach
Stadler (wie Anm. 5)
Kat. Nr. E 4.
Foto: Gabriele Gattringer
Kat. Nr. F 2. Foto: Manfred
Schmitzberger
Kat. Nr. F 5. Foto:
nach Lechner
(wie Anm. 85)
Kat. Nr. F 3. Foto:
Claudia heune-Vogt
Kat. Nr. F 6.
Zeichnung:
Ines Ruttner
Kat. Nr. F 4. Foto: nach Neugebauer (wie Anm. 84)
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Kat. Nr. G 1.
Foto: IMAREAL
Kat. Nr. G 2. Foto: nach
Hochenegg (wie Anm. 6)
265
Kat. Nr. H 1. Foto: nach
Köster (wie Anm. 100)
Kat. Nr. I 1. Foto: privat
Kat. Nr. J 1.
Zeichnung: Heinz
Walcher
Kat. Nr. K 1. Abriebzeichnung: nach Oberchristl (wie Anm. 111)
Kat. Nr. L 1. Foto: Claudia
heune-Vogt
Kat. Nr. M 1. Foto: nach
Ruhmann (wie Anm. 7)
Kat. Nr. N 1. Foto: nach Kovacsovics (wie Anm. 65)
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266
Robert Baier – homas Kühtreiber – Christina Schmid
Kat. Nr. P 1, Seite a. Foto: Robert Baier
Kat. Nr. O 1.
Zeichnung: nach Stadler
(wie Anm. 123)
Kat. Nr. P 1, Seite b. Foto: Robert Baier
Kat. Nr. Q 1.
Foto: Christina Schmid
Kat. Nr. Q 1, Unteransicht.
Foto: Christina Schmid
Kat. Nr. R 1. Foto: Peter Böttcher
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267
Auswertung
Material und Herstellung
Der Katalog umfasst inklusive einem Gussmodel 59 Pilgerzeichen, davon wurden 53 aus Metall hergestellt. Mit Ausnahme eines beidseitig geprägten, silbernen
Sankt-Wolfgang-Pilgerzeichens (B 2), einem silbernen Leopoldi-Brakteaten (D 1)
und drei Glockenabgüssen (A 3, H 1, K 1), deren Herstellungsmaterial nicht mehr
nachvollziehbar ist, sind alle übrigen metallischen Pilgerzeichen aus kostengünstigen Blei-Zinn-Legierungen hergestellt worden. Damit fügt sich die Verteilung,
freilich bei niedriger Gesamtmenge, in das allgemeine Bild der europäischen Pilgerzeichenevidenz. Zu ihrem Guss benutzte man häuig aus Schiefer, Speckstein oder
seltener aus Metall oder Holz bestehende Gussmodel, welche hauptsächlich von
Goldschmieden oder Siegelschneidern hergestellt wurden.147 Ein Model aus Holz,
mit denen Gittergüsse hergestellt werden konnten, welche die Heiligen Benedikt,
Wolfgang und Michael darstellt, hat sich glücklicherweise vorzüglich erhalten (B 4).
Dabei wurde in das Holz das dargestellte Relief spiegelverkehrt eingeschnitten. Die
Gussform besteht aus einem großen Einlusstrichter sowie vier Einlussöfnungen,
um eine gleichmäßige Verteilung der Schmelze zu gewährleisten. Damit die überschüssige Lut beim Gussvorgang entweichen kann, wurde auf der Unterseite des
Models eine weitere Öfnung angebracht. Um die Form schonend zu lagern, wurde
das St. Wolfgang-Gussmodel in einen Holzkorpus eingelassen und mit zwei Nägeln
und einem Zapfen, welcher sich auf der Rückseite des Models beindet und sich
passgenau in die Ausnehmung im Holzkorpus fügt, ixiert.148
Eine Sonderform der metallenen Pilgerzeichen sind Glockenabgüsse. Für einen Glockenabguss muss immer ein originales Pilgerzeichen verwendet werden.
Der Guss einer Glocke geschieht durch die Methode der verlorenen Form – das
bedeutet, dass der Teil, der für die Formgebung der Glockenmantelaußenläche verantwortlich ist, nur einmal verwendet werden kann. Während des Gießvorganges
schmilzt das Pilgerzeichen in der über 1000º C heißen Glockenspeise und bildet mit
der Glockenoberläche eine untrennbare Einheit.149
Eine weitere seltene Form von Pilgerzeichen aus Metall sind Pilgerläschchen
oder Ampullen aus Weißmetall. Vermutlich handelt es sich bei dem Fisch von
147
148
149
Köster (wie Anm. 82), S. 17–18.
Wacha (wie Anm. 8), S. 270.
Jörg Poettgen, Pilgerzeichen auf Glocken, Studien zu Geschichte, Verbreitung und Motivation ihrer Verwendung, in: van Beuningen – Koldeweij – Kicken (wie Anm. 113),
S. 128–136, hier S. 128–131.
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268
Robert Baier – homas Kühtreiber – Christina Schmid
Burgleiten (P 1) sowie bei dem Miniaturgefäß von einem namenlosen Burgstall bei
Pierbach in Oberösterreich (Q 1) um Ampullen. Möglicherweise wurden zuerst die
Vorder- und Rückseite wie ein Flachguss hergestellt und anschließend beide Teile
miteinander zu einem Fläschchen verlötet.150
Im Gegensatz zur großen Gruppe der metallischen Pilgerzeichen beinden sich
im Katalog nur sechs nichtmetallische Pilgerzeichen. Darunter beinden sich vier
Kammmuscheln (F 1–F 4), eine 138 Millimeter hohe Jakobusigur (F 5) aus Gagat
oder Bergpech sowie ein gedrechseltes Pilgerstäbchen aus Bein (F 6). Alle diese Objekte konnten im Spätmittelalter bzw. in der frühen Neuzeit in Santiago de Compostela als Devotionalien erworben werden, zumindest für die Herkunt der Muscheln
sind aber auch andere Wallfahrtsorte in der Diskussion.
Bei Gagat handelt es sich um eine bitumenreiche Braunkohleart aus fossilen
Treibhölzern. Das Besondere an diesem schwarz bis dunkelbraun glänzenden Material ist seine gute Polierfähigkeit. Abgebaut wurde es vor allem in Frankreich, England und Spanien. Auch in Österreich (z. B. Gams bei Hielau, Steiermark) wurde
dieser Werkstof im Spätmittelalter bis ins 18. Jahrhundert zum Teil bergmännisch
gewonnen.151
Herkunt, geographischer und sozialer Kontext
Von den 59 Pilgerzeichen können unter Ausschluss der Glockengusszeichen 25 Objekte einem Fundort zugewiesen werden. Davon stammen 22 aus zumindest im weitesten Sinne archäologischem Kontext, drei Pilgerzeichen wurden als Applikationen an Kircheninventar, so A 4 am Flügelaltar von St. Martha bei Knittelfeld, G 1
auf dem Altarsepulcrum in der Filialkirche Tragail und A 1 an der Sakristeitür der
Kirche in Kleinfeistritz bei Weißkirchen gefunden. Ähnlich wie bei den Glockenzeichen dürte hier die Vorstellung einer Übertragung der Heilskrat des bzw. der
Heiligen im Sinne einer Sekundärreliquie auf das Trägerobjekt – hier die Kirche
oder Teile derselben – eine Rolle gespielt haben.152 Diese eingerechnet, stammen
insgesamt acht Pilgerzeichen aus Sakralbauten bzw. aus deren unmittelbarem Umfeld, wobei ländliche Pfarrkirchen bislang überwiegen. Nur die Kammmuschel F 1
stammt aus dem ehemaligen Dominikanerkloster in Tulln, die Muschel F 4 stammt
150
151
152
Eine Rekonstruktion der Herstellungstechnik ohne metallographische Analyse erscheint
sehr schwierig.
Susanne Klemm, Gagatbergbau aus dem späten Mittelalter und der rühen Neuzeit in
Gams bei Hielau, VB Liezen, Steiermark, Fundberichte aus Österreich 40, Wien 2001,
S. 137–144.
Haasis-Berner – Poettgen (wie Anm. 99), S. 174–175.
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Pilgerzeichenfunde in Österreich
269
aus der in einem Vorort der Stadt Klosterneuburg gelegenen Pfarrkirche St. Martin. Bislang konnte kein Objekt zweifelsfrei einer Bestattung zugewiesen werden.
Einschließlich des Stücks F 1 wurden acht Objekte in städtischem Kontext gefunden, davon allein drei im Stadtgraben von Hall in Tirol (E 2, E 3, G 2), zwei in der
Wiener Alten Universität (C 1, R 1) und das Pilgerstäbchen aus Bein (F 5) in einer
Latrine in Salzburg. Mindestens sechs Pilgerzeichen stammen aus Burgen, so die
ischförmige Ampulle (P 1) von der namenlosen Burg auf der „Burgleiten“ in Niederösterreich, das Altöttinger Pilgerzeichen ( J 1) von der oberösterreichischen Burg
Prandegg, das ampullenartige Miniaturgefäß (Q 1) von einer namenlosen Burgstelle bei Pierbach in Oberösterreich, zwei Flachgüsse mit vermutlicher Herkunt aus
Rom (P 1 und P 2) von der namenlosen Höhlenburg „Herrenhauswand“ in Tirol
und das Wolfgangs-Pilgerzeichen (B 1) von der steirischen Burg Lichtenegg. Die
Pilgermuschel (F 2) aus dem Umfeld der St. Ägidius-Kirche in Hohenstein (Oberösterreich) könnte auch von der auf demselben Platz errichteten hochmittelalterlichen Burg stammen. Bezeichnend ist auch der Fund des Pilgerzeichens (C 2) aus
einem Altweg, der die mit dem Pilgern verbundene Mobilität sowohl im Fundort
als auch im Herkuntsort – vermutlich Annaberg bei Mariazell – als Information
enthält. Mit jeweils 36 zu 16 Nachweisen überwiegen Belege von – aus österreichischer Perspektive – Wallfahrten zu regionalen Zielen (Wegstrecken unter einer
Woche: Mariazell, St. Wolfgang am Abersee, Annaberg, Klosterneuburg, Altötting)
bei weitem gegenüber überregionalen Zielen (Einsiedeln153, Düren, Köln, Rom,
Santiago de Compostela, Saint-Josse-sur-Mer, Bari). Dabei dominieren Nachweise
von St. Wolfgang (28), gefolgt von Santiago de Compostela (6), Mariazell (4) und
Rom (4), wobei im Falle von Santiago bereits auf die Problematik der Zuweisung
der Kammmuschel-Funde hingewiesen wurde. Bis in das 14. Jahrhundert wurden
nach Ausweis der bislang bekannten Pilgerzeichen nur überregionale Wallfahrtsorte
aufgesucht. Erst ab dem 15. Jahrhundert sind mit Mariazell, St. Wolfgang, Altötting
und Klosterneuburg, sowie ab dem 16. Jahrhundert mit Annaberg regionale Wallfahrtsorte fassbar. Dieses Bild fügt sich gut in die Regionalisierung des Wallfahrtswesens, wie sie auch von Stefan Fassbinder und Andreas Haasis-Berner konstatiert
wurde.154
153
154
Im Falle des Fundortes Hall (E 2) wäre auch Einsiedeln in der Schweiz unter die „regionalen Wallfahrtsorte“ einzuordnen.
Stefan Fassbinder, Abschied von der Dichotomie? Von mittelalterlichen Nah- und
barocken Fernwallfahrten, in: Archäologie als Sozialgeschichte: Studien zu Siedlung,
Wirtschat und Gesellschat im frühgeschichtlichen Mitteleuropa (Festschrit Heiko
Steuer zum 60. Geburtstag), hg. von Sebastian Brather et al., Rahden/Westfalen 1999,
S. 135–138, hier S. 137; Andreas Haasis-Berner, Pilgerzeichen zwischen Main und
Alpen, in: Wallfahrten in der europäischen Kultur. Pilgrimage in European Culture, hg.
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Robert Baier – homas Kühtreiber – Christina Schmid
Nach derzeitigem Forschungsstand fehlen bislang gesicherte Nachweise von Pilgerzeichenfunden „österreichischer“ Wallfahrtsorte im heutigen Ausland. Im Falle
der St. Wolfgangs-Wallfahrtsorte bestehen allerdings Unsicherheiten bezüglich der
Zuordnung einzelner Pilgerzeichen-Typen.155
Möglichkeiten und Grenzen der zeitlichen Einordnung
Von den 59 angeführten Pilgerzeichen im Katalogteil stammen nur sieben Exemplare (C 1, F 1, F 3, F 4, F 5, N 1, R 1) von einer regulären archäologischen Ausgrabung und konnten daher zeitlich auch genauer eingeordnet werden. Ein Pilgerzeichen (D 1) wurde über schritliche Quellen (Rechnungsbücher und Chroniken) in
eine exakte Zeitspanne eingeordnet. Bei einem Pilgerzeichen aus Altötting ergibt
sich aus der Jahreszahl an einem erhaltenen Vergleichsstück ein terminus post quem
von 1490 ( J 1). Bei der überwiegenden Mehrheit gibt es in der Literatur keinerlei
Hinweise auf die Fundgeschichte oder es handelt sich um Lesefunde. Dies betrit
insgesamt 52 Pilgerzeichen. Um solche Pilgerzeichen zeitlich einzuordnen, bedient
man sich vor allem kunsthistorischer Vergleiche, selbst wenn die Analogien wiederum aus stratiizierten und somit datierbaren archäologischen Komplexen stammen.
Eine solche Art der Datierung kann deshalb mehr als problematisch sein, da sich
manchmal auf jüngeren Pilgerzeichen des 17. Jahrhunderts auch Einlüsse der Gotik
wiederinden. Auch wurden die Gussmodel über einen längeren Zeitraum benutzt
und unbrauchbare durch neue ersetzt, bei welchen das Aussehen häuig beibehalten
wurde.156 Ebenso verhält es sich mit der epigraphischen Datierung. Gerade durch
diesen zögernden Wechsel von Stil und Zeitgeschmack gestaltet sich eine eindeutige zeitliche Einordnung äußerst schwierig. Diese beiden Datierungsmöglichkeiten können sicherlich als ein grober Anhaltspunkt betrachtet werden, sollten aber
stets kritisch hinterfragt werden. Dennoch fällt insbesondere bei den St. WolfgangPilgerzeichen gegenüber anderen Wallfahrtsorten, an welchen längst Wallfahrtsmedaillen ausgegeben wurden, die lange Verwendungszeit von Gittergüssen auf. In
diesem Zusammenhang sei auch auf die bis weit in die Neuzeit produzierten „Wolfgangihackln“ aufmerksam gemacht.157 Darauf, dass in Österreich möglicherweise
155
156
157
von Daniel Doležal – Hartmut Kühne (Europäische Wallfahrtsstudien 1), Frankfurt am
Main u.a. 2006, S. 237–252, hier S. 239 und S. 243–244.
Vgl. Anm. 52.
Wacha (wie Anm. 8), S. 267.
Der heilige Wolfgang in Geschichte, Kunst und Kult, Katalog der oberösterreichischen
Landesausstellung St. Wolfgang im Salzkammergut 1976, Linz 1976, S. 140, Kat.
Nr. 149–152; St. Wolfgang. 1000 Jahre Bischof von Regensburg. Darstellung und Verehrung, Katalog zur Ausstellung, Regensburg 1972, S. 88–89, Kat. Nr. 108–111.
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Pilgerzeichenfunde in Österreich
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Stk.
600
Gießer bekannt
Gießer unbekannt
500
400
300
200
100
0
t
13.Jh.
14.Jh.
15.Jh
16.Jh.
17.Jh.
Abb. 1: Glockenbestand in Österreich nach Weissenbäck – Pfunder
(wie Anm. 158).
eine längere Tradition angenommen werden kann, verweisen auch die späten Belege
einer Pilgerzeichenproduktion in Annaberg bei Mariazell.
Eine bessere zeitliche Einordnung der Streufunde kann über Glockenabgüsse
vorgenommen werden, da Glockengießer weitgehend auf zeitgenössische Verzierungselemente angewiesen waren und sie im Normalfall keine Pilgerzeichen zur
Verfügung hatten, die längst nicht mehr produziert oder vertrieben wurden. Dadurch kann zumindest ein chronologisches Gerüst für typengleiche Bodenfunde
geschafen werden. Abgesehen von den noch unpublizierten, verborgenen Pilgerzeichen in diversen Depots, sollte daher die zuküntige Forschung vor allem den
noch unentdeckten Pilgerzeichen auf Kirchenglocken gelten. Einen guten Beitrag
in dieser Hinsicht könnte die Publikation „Tönendes Erz“ von Andreas Weissenbäck und Josef Pfunder aus dem Jahr 1961 leisten. 158 Darin wurden vor allem durch
Aufzeichnungen im Kontext der Rohstobeschafung für die Kriegsmaschinerie
des Zweiten Weltkrieges, weitergeführt aber auch in der Nachkriegszeit, sämtliche
158
Andreas Weissenbäck – Josef Pfunder, Tönendes Erz, Graz – Köln 1961, S. 247–
604.
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Robert Baier – homas Kühtreiber – Christina Schmid
Glocken Österreichs archiviert. Neben einer klanganalytischen Beschreibung wurden teilweise auch die Verzierungen am Glockenmantel ausführlich beschrieben.
Zwar wurden von den beiden Autoren die sekundären Pilgerzeichen als solche nur
in einigen wenigen Fällen erkannt, jedoch lässt sich aus der formalen Beschreibung
der Glockenzier das Vorhandensein von Glockenabgüssen zumindest erahnen. Aus
dem Zeitraum des 14. bis 16. Jahrhunderts159 existieren heute noch vermutlich etwa
800 Glocken auf Österreichs Kirchtürmen.
Die Graik wurde anhand der Daten aus dem Glockenkatalog „Tönendes Erz“ angefertigt.160 Sie zeigt eine quantitativ-zeitliche Einordnung aller vermutlich noch erhaltenen Glocken in Österreich. Das 11. und 12. Jahrhundert konnten in der Graik
mit je einem Stück vernachlässigt werden, da zum einen die Pilgerzeichenforschung
zu dem Schluss kam, dass Glockenabgüsse erst zu Beginn des 14. Jahrhunderts in
Mode kamen161 und zum anderen Weissenbäck und Pfunder in ihrer Darstellung
keine Glockenzier auf der Mantelläche jener beiden Glocken162 angaben.
In Deutschland wurden auf Glocken aus dem 14. bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts die meisten Pilgerzeichen entdeckt163 – im Schnitt beindet sich im Rheinland auf jeder fünten Glocke ein Abguss (1024 untersuchte Glocken ergaben 203
Pilgerzeichen-Funde).164 Ob sich dieser Schnitt auch auf österreichische Glocken
übertragen lässt, sei dahingestellt, sicher ist nur, dass den damaligen Glockengießern
auf dem heutigen österreichischen Gebiet diese Art der Glockenzier nicht gänzlich
unbekannt war.165
Es ist jedoch bemerkenswert, dass Glockenabgüsse um die Mitte des 16. Jahrhunderts als Verzierungselement auf deutschen Glocken fast völlig verschwinden. Kurt
Köster, der die St. Anna-Wallfahrtszeichen auf Glocken untersuchte, kam zu dem
Ergebnis, dass diese Art der Glockenzier um 1560 abreißt. Somit zeichnet die Reformation – zumindest in Düren – nicht oder nur mittelbar für das Ende dieses Phäno-
159
160
161
162
163
164
165
Glockengießer verewigten sich meist mit ihren Namen bzw. mit ihren Initial, dem
Gießerzeichen. Somit kann eine Glocke zumindest einer Zeitspanne zugeordnet werden,
in welcher der Gießer tätig war, auch wenn keine Jahreszahl auf der Glocke angebracht ist.
Weissenbäck – Pfunder (wie Anm. 158), S. 247–604.
Haasis-Berner – Poettgen (wie Anm. 99), S. 177.
Weissenbäck – Pfunder (wie Anm. 158), S. 296 und S. 301.
Das älteste Pilgerzeichen wurde auf einer Glocke in Lüneburg entdeckt, die im Jahre
1325 gegossen wurde. In Europa war der Höhepunkt von sekundären Pilgerzeichen auf
Glocken im 15. und im 16. Jahrhundert erreicht. Mehr als 90% der beinahe 1.800 bekannten Glockenabgüsse stammen aus diesem Zeitraum; vgl. Poettgen (wie Anm. 149),
S. 131.
Poettgen (wie Anm. 149), S. 131–132.
Vgl. die Glockenabgüsse A 3, H 1, K 1.
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Pilgerzeichenfunde in Österreich
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mens verantwortlich.166 Ähnlich verhält sich das Ergebnis der Untersuchungen von
Haasis-Berner und Poettgen in Bezug auf die Kölner Pilgerzeichen auf Glocken, die
bis 1541 als Verzierungselement festgestellt werden konnten.167 Ob auf österreichischem Gebiet eine ähnliche Entwicklung stattfand, ist eine noch ofene Forschungsfrage. Vermutlich wird sich aber auf den Glocken, die sich in die erste Hälte des
16. Jahrhunderts datieren lassen, der größere Anteil an Pilgerzeichen des 16. Jahrhunderts vorinden. Ihnen sollte, mitsamt den Glocken des 14. bis 15. Jahrhunderts,
im ersten Schritt einer zuküntigen Feldforschung das Hauptaugenmerk gelten.
166
167
Köster (wie Anm. 100), S. 195.
Haasis-Berner – Poettgen (wie Anm. 99), S. 199 und S. 202.
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Der Band dokumentiert die Beiträge der vom 21. bis zum 24. April 2010 in der
Prager Villa Lanna veranstalteten Tagung, welche auf die Weiterentwicklung
der europäischen Zusammenarbeit bei der Erforschung der mittelalterlichen
Pilgerzeichen abzielte. Die Tagung besaß drei inhaltliche Schwerpunkte:
Zum ersten wurden die zahlreichen Pilgerzeichenfunde der letzten Jahre
im südlichen Ostseeraum von Danzig bis zur Küste von Schleswig und ihr
historischer Kontext thematisiert. Zum zweiten wurde der Alpen-Donau-Raum
in den Blick genommen, aus dem bisher nur wenige Arbeiten vorlagen und
zusammenfassende Untersuchungen zur Pilgerzeichenüberlieferung ganz
fehlten. Den dritten Fokus bildete die Sammlung von etwa 500 französischen
Pilgerzeichen, die im Jahre 1894 vom Prager Kunstgewerbemuseum erworben
wurde und die seit 2010 erstmals eine umfassende wissenschaftliche Bearbeitung erfuhr.
Hartmut Kühne studierte Evangelische Theologie an der Kirchlichen Hochschule Berlin und an der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität
zu Berlin, arbeitete dort als wissenschaftlicher Assistent und ist gegenwärtig
als Ausstellungskurator tätig.
Lothar Lambacher studierte Kunstwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin. Er ist Stellvertretender Direktor des Kunstgewerbemuseums
der Staatlichen Museen zu Berlin.
Jan Hrdina studierte Geschichte und Historische Hilfswissenschaften an der
Karlsuniversität in Prag. Er arbeitet in der Handschriftenabteilung im Archiv
der Hauptstadt Prag.
www.peterlang.de
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ISBN 978-3-631-62147-9