Samenvatting
Het galerijgraf van Büren-Brenken hoort met
zijn lengte van 31,50 m tot de buitengewoon
lange, gemeenschappelijke graven. Het is voor
het grootste deel behouden en de meeste
draagstenen zijn nog aanwezig. De prospectie
bracht zelfs een deksteen aan het licht, die
binnenin het graf was gevallen. Verrassenderwijs was het galerijgraf niet zichtbaar op het
geomagnetisch en met grondradar uitgevoerde onderzoek.
Abb. 4 Schnitt 1 mit der in
die Grabkammer abgerutschten Deckplatte (Foto: LWLArchäologie für Westfalen/
T. Meglin).
Literatur
Kerstin Schierhold, Studien zur hessisch-westfälischen
Megalithik. Forschungsstand und -perspektiven im europäischen Kontext. Münstersche Beiträge zur Ur- und Frühgeschichtlichen Archäologie 6 (Rahden/Westfalen 2012).
Auf den Hund gekommen – Tierzahnschmuck
aus den Gräbern von Erwitte-Schmerlecke
Christian Meyer,
Kerstin Schierhold
Kreis Soest, Regierungsbezirk Arnsberg
Schon immer war es dem Menschen ein
Bedürfnis, sich zu schmücken. So lässt sich
beispielsweise die Sitte, Tierzähne an Ketten
aufzufädeln oder auf Kleidung oder Kopfbedeckungen anzubringen, durch alle Zeiten und
weltweit belegen. So kommen Tierzahnanhänger in vielen hessisch-westfälischen Kollektivgräbern vor. Auch im südlichen Westfalen
wurden zwischen 3500 und 2800 v. Chr. offenbar mit großer Vorliebe Tierzähne als
Schmuck verwendet. Bereits während der laufenden Ausgrabungen in Erwitte-Schmerlecke
war jedoch abzusehen, dass die beiden hier
dokumentierten Galeriegräber viele neue Erkenntnisse zu dieser Trachtsitte beitragen würden.
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Archäologie in Westfalen-Lippe 2012
Neolithikum
Summary
Measuring 31.5 m in length, the gallery grave
of Büren-Brenken was an extraordinarily long
collective burial. It was largely preserved and
most of the stones that made up its walls still
survive. The survey work even identiied a
capstone that had collapsed into the site. Surprisingly, the gallery grave was not visible in
the images created by geomagnetics and
ground-penetrating radar.
AUSGRABUNGEN UND FUNDE
ten, benachbarten Galeriegrab geklärt werden.
Nach den Angaben des Eigentümers steht ein
Abschnitt der Außenmauer der Scheune auf
großen Kalksteinblöcken, die bei der Fundamentlegung in den späten 1970er-Jahren nicht
entfernt werden konnten. Obwohl hier einige
Steine das Fundament bilden, konnte nach entsprechenden Baggerschnitten ein weiteres Galeriegrab ausgeschlossen werden.
Das 31,50 m lange Galeriegrab von BürenBrenken ist der Beweis dafür, dass immer
noch Überraschungen im Boden verborgen
liegen, zumal kaum ein anderes bekanntes Galeriegrab so gut erhalten sein dürfte. Dieses
Beispiel zeigt aber auch, dass bewährte und
ausgereifte naturwissenschaftliche Prospektionsmethoden wie Geomagnetik und Erdradar unter bestimmten Bodenverhältnissen zu
keinem positiven Ergebnis führen. Gleichzeitig macht diese Prospektion deutlich, dass
dringend Maßnahmen zu einem langfristigen
Schutz dieses Denkmales vor einer Zerstörung durch Beackerung getroffen werden
müssen.
AUSGRABUNGEN UND FUNDE
Archäologie in Westfalen-Lippe 2012
Abb. 1 Übersichtsplan
des Grabes II mit Fundlage
der durchlochten Tierzahnanhänger in allen Plana; Stand Dezember 2012
(Graik: WWU Münster/
S. Bußmann).
Schmuckobjekte wie Tierzahnanhänger können als persönlicher Besitz des Verstorbenen
betrachtet werden. Die chaotischen, durch die
jahrhundertelange Nutzung der Kollektivgräber hervorgerufenen Fundumstände machen
eine Zuweisung zu einzelnen Verstorbenen
allerdings meist schwer bis unmöglich. Nur in
wenigen Fällen lassen die Fundlagen in einigen Gräbern darauf schließen, dass Ketten mit
durchschnittlich drei bis acht Anhängern getragen wurden. Es gibt auch Hinweise darauf,
dass die Anhänger als Kleiderbesatz gedient
haben können. Vergleichsweise häuig wurden
sie auch in Schädelnähe gefunden, sodass eine
Nutzung als Haarschmuck oder eine mit Tierzähnen bestückte Kopfbedeckung zu vermuten ist. Sowohl Männer, Frauen als auch Kinder waren mit diesem Schmuck ausgestattet.
In den meisten Fällen handelt es sich bei
den archäozoologisch bestimmten Tierzähnen
um Eckzähne von Hunden, also domestizierten (Haus-)Tieren. Einige Exemplare sind aber
auch so groß, dass Wölfe infrage kommen. Weitere Wild- bzw. Raubtierzähne stammen von
Fuchs, Marder, Dachs und selten auch vom
Bären. Letztere galten wahrscheinlich als besondere Jagdtrophäe, wohingegen kleinere Tiere vermutlich häuiger und wohl auch wegen
ihrer Felle gejagt worden sein dürften. Immer
wieder gelangten auch Unterkieferhälften vom
Fuchs offensichtlich als intentionelle Beigaben
in die Gräber; diese werden oft als Amulette
o. Ä. interpretiert.
Die bislang größte Anzahl an Tierzahnanhängern konnte mit fast 400 Exemplaren im
Grab Wewelsburg I, Kreis Paderborn, dokumentiert werden. In den vier Gräbern von Warburg, Kreis Höxter, die eigentlich gute Erhaltungsbedingungen boten, fehlte diese Fundgattung hingegen fast gänzlich; hier wurden
insgesamt nur 15 Anhänger gefunden. Der damalige Ausgräber Klaus Günther versuchte
dies mit unterschiedlichen Wirtschaftsstrukturen zu erklären: Das Grab Wewelsburg lag
auf der Paderborner Hochläche in vom Kalksteinkarst geprägter Umgebung, wo nach seiner Auffassung eher eine viehzüchterische
Lebensweise mit Bedarf an Hütehunden praktiziert worden sein dürfte, wohingegen die
Gräber von Warburg in der lössreichen Börde
errichtet waren, die für den Ackerbau besser
geeignet war.
Dass diese Annahme nicht immer zutrifft,
zeigen die neuen Funde von Schmerlecke. Der
Fundplatz liegt mitten in der von Lössböden
geprägten Soester Börde, einer fruchtbaren Alt-
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noch eingekerbt sind. An weiteren Tierarten
konnten bisher u. a. Luchs, Wildkatze, Dachs
und weitere Marderarten erkannt werden, deren Zähne als Anhänger Verwendung fanden
(Abb. 2). Somit liegen primär die Eckzähne
von Raubtieren vor, aber auch Planzenfresser
Abb. 2 Eine Auswahl von
Anhängern aus Eckzähnen
verschiedener Raubtiere.
Von links nach rechts:
Marder (Martes sp.),
Wildkatze (Felis silvestris),
Rotfuchs (Vulpes vulpes),
Dachs (Meles meles), Hund
(Canis lupus fam.), Luchs
(Lynx lynx). Der Hundezahn
wurde erneut durchbohrt
nachdem die erste Öse
zu nah an der Wurzelspitze angesetzt worden und
nicht mehr funktional war
(Foto: C. Meyer).
Abb. 3 Eine Auswahl von
Anhängern aus Zähnen
von Planzenfressern. Von
links nach rechts: Eckzahn/
Grandel vom Rothirsch
(Cervus elaphus), Schneidezahn ebenfalls vom Rothirsch, Schneidezahn von
einem Rind (Bos sp.). Die
Hirschgrandel besitzt zusätzlich zur Durchbohrung
zwei deutliche Einkerbungen, die wohl ebenfalls der
Befestigung dienten (Foto:
C. Meyer).
Abb. 4 Eine Auswahl von
Unterkieferhälften. 1: Igel
(Erinaceus europaeus);
2: Schwein (Sus scrofa);
3: Rotfuchs (Vulpes vulpes).
Der Fuchskiefer ist aufgrund von Parallelfunden
als intentionelle Beigabe
anzusehen. Der Kiefer des
neonaten Schweins weist
deutliche Bissspuren von
einem Raubtier auf und ist
somit eher als ein natürlicher Eintrag zu werten.
Der Igelkiefer könnte von
einem im Grab verendeten Tier stammen (Foto:
C. Meyer).
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AUSGRABUNGEN UND FUNDE
mit ihrer durchbohrten Wurzelspitze erhalten
sind. Im Gegensatz zu den Hundezähnen scheinen die Fuchszähne häuiger als Bestandteile
der bereits erwähnten Unterkieferhälften in
die Gräber gelangt zu sein. Hier treten auch
viele Zähne auf, die keine Spuren einer Bearbeitung aufweisen, also weder durchbohrt
Archäologie in Westfalen-Lippe 2012
siedellandschaft, sodass nach obiger Deutung
eher wenig Tierzahnschmuck zu erwarten gewesen wäre. Dennoch übertreffen die bislang
dokumentierten Funde zahlenmäßig bei Weitem jeden anderen bekannten Fundplatz. Noch
sind die Ausgrabungen nicht abgeschlossen, alle Aussagen also noch vorläuig, doch liegen
allein aus Grab II bislang weit über 1200 untersuchte Faunenreste vor, von denen etwa
840 Tierzahnanhänger darstellen (Abb. 1), aus
dem stärker zerstörten Grab III sind es bereits
370 Anhänger.
Im Folgenden soll ein kurzer Einblick in
die archäozoologischen Analysen des Knochenund Zahnmaterials gegeben werden. Nach Abschluss aller Untersuchungen und der gründlichen Sichtung des gesamten Fundbestandes
lassen sich zum einen die beiden Gräber aus
Schmerlecke hinsichtlich ihrer tierischen Reste inklusive der Tierzahnanhänger direkt miteinander vergleichen, zum anderen verspricht
die große Menge der Schmuckstücke neue
Erkenntnisse über diese spannende Fundgattung und ihre Deutungsmöglichkeiten. Erwartungsgemäß dominieren auch in Schmerlecke
die Zähne vom Hund. Diese inden sich etwa
zehnmal häuiger als solche vom Fuchs, alle anderen identiizierten Tierarten kommen noch
deutlich seltener vor. Bei den Hundezähnen
bilden wiederum die Eckzähne mit jeweils
über 80% pro Grab den weitaus größten Anteil, allerdings kommen auch Schneidezähne
in beachtlicher Menge vor. Die anderen Zahntypen sind wiederum viel seltener vorhanden.
Wahrscheinlich wurden alle Hundezähne von
Menschenhand durchbohrt und so als Anhänger brauchbar gemacht, auch wenn nicht alle
AUSGRABUNGEN UND FUNDE
sind mit wenigen Stücken repräsentiert. Hier
belegt die Durchbohrung der Zähne erneut
deren Charakter als Schmuck oder Kleidungsbestandteile (Abb. 3).
Anders verhält es sich mit verschiedenen
Tierknochen und -zähnen, die als natürliche
bzw. spätere Einträge in den Bereich der Grabkammern anzusehen sind. Insbesondere in
den oberen Schichten fanden sich bei der Ausgrabung Knochenteile, die als Niederschlag
moderner Landwirtschaft gewertet werden
können. Nicht vergessen werden dürfen auch
die Überreste von über die Jahrtausende in
den Gräbern verendeten Kleintieren und solche Knochen, die Beutereste von jenen Raubtieren darstellen, die ihre Baue in solchen Großgräbern anlegen (Abb. 4).
Archäologie in Westfalen-Lippe 2012
Abb. 5 Durchlochter Eckzahnanhänger vom Hund
mit grüner Verfärbung
an der Durchlochung. Sie
stammt von einem Kupfergegenstand, der offenbar
zusammen mit dem Anhänger an einer Kette getragen wurde (Foto: LWLArchäologie für Westfalen/H. Menne).
Summary
Pendants made of perforated animal teeth
were popular items of jewellery in the Late
Neolithic period between 3500 and 2800 BC.
This is attested to by inds from two collective
burials near Erwitte-Schmerlecke. They contained an extraordinary amount and variety
of pendants, which provide new insight into
the way they were worn and the funerary
rites of the period.
Samenvatting
Doorboorde hangers, gemaakt van tanden van
dieren, waren in het midden- tot laatneolithicum tussen 3500 en 2800 v. Chr. een geliefd
sieraad. Dit bevestigen de overeenkomstige
vondsten uit twee gemeenschappelijke galerijgraven bij Erwitte-Schmerlecke: hier kon
een uitzonderlijke hoeveelheid van deze hangers, in een grote verscheidenheid, gedocumenteerd worden, wat nieuwe kennis over de
wijze van dragen en over de manier van bijzetten mogelijk maakt.
Literatur
Schließlich sei noch ein Blick auf eine ganz
spezielle Trageweise der Tierzahnanhänger erlaubt, die in Schmerlecke erstmalig nachgewiesen ist: An der Durchlochung eines Eckzahnanhängers vom Hund zeigt sich deutlich eine
grüne Verfärbung, die nur von einem korrodierten Kupfergegenstand stammen kann (Abb. 5).
Kupfer wurde in Schmerlecke in Form von Spiralen und Röllchen gefunden, sodass möglicherweise eine Person eine Kette aus Tierzahnanhängern und Kupferröllchen- oder Spiralschmuck bei ihrer Bestattung getragen hat.
Zuweilen lassen sich auch an der Wurzel zugeschliffene Zahnanhänger inden, die das direkte Nebeneinander mehrerer Objekte an
einer Kette belegen. Mittels einer AMS-Datierung des verfärbten Tierzahns wurde es erstmals möglich, diese Schmuckvariante auch
zeitlich einzugrenzen: Die Messung ergab ein
kalibriertes Datum um 3240–3100 BC, gehört
also in einen älteren Abschnitt der Belegungszeit der Gräber. Wer allerdings diesen wertvollen, bislang einzigartigen Schmuck getragen
haben könnte, muss aufgrund der fehlenden
Fundzusammenhänge im Dunkel der Geschichte bleiben.
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Klaus Günther/Martina Viets, Die Megalithgräber Henglarn I und Wewelsburg I im Paderborner Land. Bodenaltertümer Westfalens 28 (Münster 1992). – Klaus Günther,
Die Kollektivgräber-Nekropole Warburg I-V. Bodenaltertümer Westfalens 34 (Mainz 1997). – Kerstin Schierhold,
Studien zur hessisch-westfälischen Megalithik. Forschungsstand und -perspektiven im europäischen Kontext. Münstersche Beiträge zur Ur- und Frühgeschichtlichen Archäologie 6 (Rahden/Westfalen 2012).