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stand und Geschick gemeistert zu haben. Dennoch verflog das öffentliche Bild eines zusammenschweißenden Aufbauwerks beziehungsweise einer multiethnischen Gemeinschaft von Seeanrainern spätestens, als es darum ging, sich über die Nutzung der gewonnenen Energie und über die Ausbeutung des Kariba-Sees zu verständigen. Der politische und gesellschaftliche Aufbruch blieb aus. Schon 1963 zerbrach die Zentralafrikanische Union wieder; die Region blieb nach dem Ende der Apartheid sogar ein letztes Reservat rassischer Grundsatzkonflikte im südlichen Afrika. Was die Lektüre der Arbeit zu einem Vergnügen macht, ist die intellektuelle Verdichtung dieser Mehrebenen-Analyse auf 235 Seiten sowie ihre plastische Prägnanz. Sie wird durch Karten und Fotos weiter unterstrichen. Das Buch bietet zugleich die musterhafte Beschreibung einer Infrastrukturplanung, die über den Einzelfall hinausweist. Denn auch bei anderen Projekten, das zeigen vergleichbare Studien zu Staudammprojekten in aller Welt, wurden und werden top-down-Planung von den Realitäten rasch verschliffen und fortgesetzt zu Anpassungen genötigt. Selten jedoch wurde dies einmal so dicht und in ihren „glokalen“ Bezügen dargestellt, wie in diesem Buch. Gerade deshalb wird man bei der Lektüre aber auch auf eine generelle Problematik der neuen Kolonial- und Globalgeschichte verwiesen. In dem Bestreben, nach Möglichkeit allen Akteuren Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, scheint sie zu keinen eindeutigen Wertungen mehr durchzustoßen. Stattdessen prallen fortgesetzt unterschiedliche Rationalitäten aufeinander und es entsteht bei der Interaktion von Kulturen schließlich etwas Neues und in der Regel Hybrides. Auch rückblickende Trendaussagen, eines der Markenzeichen des modernen Historikers, werden auf diese Weise schwierig oder, wie auch im Falle Tischlers, durch das Konstatieren einer „oszillierenden und reziproken Dynamik“ (S. 10) ersetzt. Kommt noch eine postkoloniale Vorsicht vor jeder Art von „essentialisierender“ Zuschreibung hinzu, bleiben letztlich nur individualisierende Betrachtungsweisen übrig. Ganz unabhängig von der hier vorliegenden, rundum überzeugenden Arbeit sollte die Globalgeschichte über die Frage einer Verallgemeinerbarkeit ihrer Befunde meines Erachtens weiter nachdenken. Gießen 334 Dirk van Laak Europäische Kulturen des Kalten Krieges Vowinckel, Annette/Payk, Marcus M./Lindenberger, Thomas (Hrsg.): Cold War Cultures. Perspectives on Eastern and Western European Societies, 396 S., Berghahn, Oxford/New York 2012. Der cultural turn wurde in der Historiographie des Kalten Krieges vor langer Zeit ausgerufen. Im Gefolge von Stephen Whitfields wegweisendem Buch „The Culture of the Cold War“ (1991) haben zahlreiche Studien eine spezifisch amerikanische Kultur des Kalten Krieges propagiert, die sich in Musik, Film und Fernsehen, im Konsum ebenso wie in alltäglichen Lebenswelten und Wissens- und Unternehmenskulturen manifestierte. Immer häufiger rückt nun auch Europa als Untersuchungsobjekt im Rahmen der kulturhistorischen Wende in den Blick. Annette Vowinckel, Marcus M. Payk und Thomas Lindenberger fügen sich mit ihrer Publikation in eine Reihe von mehreren aktuellen Sammelbänden ein, zu denen der Sammelband von Sari Autio-Sarasmo und Katalin Miklossy „Reassessing Cold War Europe“ (2011) oder Peter Romijn, Giles Scott-Smith und Joes Segals „Divided Dreamworlds. The Cultural Cold Wars in East and West” (2012) gehören. Diese widmen sich der Frage, wie die politisch-ideologische Auseinandersetzung zwischen den Supermächten Kultur und Medien, Mentalitäten und Alltagsleben beidseits des Eisernen Vorhangs in Europa verändert hat. Macht es Sinn, so die Leitfrage von Vowinckel, Payk und Lindenberger, von einer genuin europäischen Kultur des Kalten Krieges zu sprechen? Der erste Teil befasst sich mit den Massenmedien; Radioprogramme in West- und Ostdeutschland, Spionageserien in bundesdeutschen und amerikanischen Fernsehserien sowie Fernsehübertragungen der Münchener Olympiade werden thematisiert. Speziell hervorzuheben ist der Beitrag Marsha Sieferts, der einen faszinierenden Überblick über die Filmindustrie im Ostblock bietet. Aufgrund der starken Kontrolle der Produktion und Distributionskanäle durch die Sowjetunion diagnostiziert sie einen Willen zur Formation eines „sozialistischen audiovisuellen Raumes“, dessen Homogenität und Persistenz jedoch durch lokale Praktiken, wie subtile Transformationen und Adaptionen von Filmen, unterminiert wurde. l Neue Politische Literatur, Jg. 58 (2013) Einzelrezensionen Der zweite Teil („Constructing Identities“) behandelt Formen der Selbstreflexion und Identitätsbildung in unterschiedlichen Feldern. Besonders anregend sind die Beiträge von Monique Scheer und Marie Cronqvist, reichen sie doch thematisch über die bekannten Medienund Konsumgeschichten hinaus. Cronqvist beleuchtet die schwedischen Vorkehrungen zum Schutz der Zivilbevölkerung vor einem Atomkrieg. Überzeugend zeigt sie auf, dass die Schutzvorkehrungen des neutralen Landes durch den politischen Willen motiviert waren, moralische Werte, Familienideale, Arbeitsethos und Wohlfahrt zu propagieren. Darüber hinaus belegt sie, dass die Werte und Deutungsmuster, die in die Zivilverteidigung eingeschrieben waren, klare Kontinuitäten zum Zweiten Weltkrieg aufwiesen, der in den Köpfen der Bevölkerung in Form einer Kultur der permanenten Verteidigungsbereitschaft seine Fortführung fand. Auch Monique Scheer verweist in ihrem Beitrag zum Marienkult in der katholischen Kirche auf Traditionslinien. In den 1950er Jahren erlebten Marienerscheinungen einen Aufschwung, wobei durch den Kalten Krieg geprägte Kriegsvisionen Eingang in die Offenbarungen der Jungfrau Maria fanden. Diese Adaption funktionierte allerdings nur dank der gleichzeitigen Reaktivierung symbolischer Bedeutungsschichten aus früheren Religionskriegen. „Crossing Borders“, der dritte Teil des Bandes, will Grenzüberschreitungen und Interaktionen mit dem ‚Anderen‘ adressieren. Die Beiträge entsprechen inhaltlich jedoch weitgehend einer Weiterführung der zuvor thematisierten Identitätspolitiken und Selbstrepräsentationen, die Exklusionsmechanismen und Bilder des Anderen konstitutiv mit einschließen. Die redaktionelle Gliederung ist daher nicht schlüssig, zumal gewisse Beiträge aus dem zweiten Teil die Interaktionen über nationale, physische oder intellektuelle Grenzen in den Vordergrund stellen (etwa Luminata Gatejels Beitrag zur sowjetischen Autoindustrie). Ungeachtet dessen finden sich auch in Teil drei spannende Texte. Joe Segal ermittelt für die Versuche einer Kanonisierung „liberal-moderner“ Kunst in West- beziehungsweise „sozial-realistischer“ in Ostdeutschland Widersprüche und Grautöne, die gegen die These einer einförmigen Prägung kultureller Produktionen durch den Systemkonflikt sprechen. „Moderne“ Kunst wurde sowohl von ostdeutschen Kunstkritikern als auch von Konservativen in der Bundesrepublik Deutsch- land als „dekadent“ verworfen; gleichzeitig zeichnete die Sowjetunion Pablo Picassos Malstil aus. Roman Krakovsky behandelt die tschechoslowakischen Darstellungen westlicher Führer, die in den 1950er Jahren als „Kriegstreiber“ und „Imperialisten“ gebrandmarkt wurden. In den 1960er Jahren wich diese Wahrnehmung in der liberaler werdenden Tschechoslowakei einem differenzierteren Bild. Der letzte Teil ist der Historisierung und Erinnerung an den Kalten Krieg gewidmet. Anregend ist Petra Henzlers Darstellung des Luftbrückendenkmals in Berlin und der „Rahmung“, die die Luftbrücke vor und nach 1989 erfuhr. Das transatlantische Metanarrativ vor 1989, das die Verwestlichung, Demokratisierung und den Widerstand gegen den Kommunismus stark machte, schwand nach 1989 zunehmend einer ambivalenten Deutung, in der die USA als Imperialmacht entworfen wurde. Existiert eine genuin europäische Kultur des Kalten Krieges? Die Antwort überzeugt, überrascht angesichts eines zahlreiche Partikularbeiträge aus Ost-, Nord-, Mittel- und Westeuropa umspannenden Bandes aber auch nicht: Es wäre verfehlt von einer homogenen europäischen Kultur des Kalten Krieges zu sprechen. Die Prägung durch die dichotomischen Strukturen und Sichtweisen des Kalten Krieges führte zu Pluralität und Vielfalt, die nur die Lesart von europäischen Kulturen des Kalten Krieges zulässt. Um das auf Europa gerichtete Objektiv noch etwas schärfer zu stellen, könnten künftige Untersuchungen mehr Gewicht auf die diachrone Perspektive und die Dynamiken der kulturellen Formationen, Wertesysteme und Denkmuster legen. Das Augenmerk wäre damit auf die spezifischen kulturellen Prägungen europäischer Länder in den 1950er Jahren, in der Phase der Détente und während des zweiten Kalten Krieges zu richten. Für die europäische Frage scheint überdies der Verweis auf die Bedeutung älterer Traditionen, Ideale und Konzepte zentral. Genauer zu fragen ist dabei zweifellos noch nach der Rolle des Zweiten Weltkrieges: Wie haben sich die unterschiedliche Involvierung einzelner Länder und die daraus abgeleiteten Wahrnehmungsmuster auf die spezifischen Kulturen im Nachkriegseuropa ausgewirkt? Der Kalte Krieg bleibt ein heißes Thema. Zürich Silvia Berger Ziauddin Neue Politische Literatur, Jg. 58 (2013) l 335