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Minsk Entstehungsgeschichte der Hauptstadt Belarus'

2020

Vor mehr als 900 Jahren wurde am rechten Ufer des Flusses Svisloč, da wo er auf den Fluss Njamiha trifft, die Stadt Minsk gegründet. Die erste schriftliche Erwähnung findet Minsk in Zusammenhang mit der kriegerischen Auseinandersetzung des Polocker Fürstentums mit den Söhnen des Fürsten Âroslav am Ufer der Nemiga am 3. März 1067. Minsk wurde an diesem Tag zerstört, die Männer getötet und die Frauen und Kinder in Gefangenschaft genommen. Der Polocker Fürst Vseslav rettete sich durch Flucht. Über den Tod „der russischen Söhne“ wird in der Schrift „Slova o polku Igoreve“ berichtet. Minsk wurde in seiner Geschichte immer wieder zerstört und anschließend wiederaufgebaut. Dadurch finden sich in der Architektur und dem Aufbau der Stadt viele Epochen und verschiedenste kulturelle Einflüsse wieder. Nachfolgend möchte ich darstellen, wie sich die Stadt seit dem Frühmittelalter bis 1917, dem Zeitpunkt der Oktoberrevolution entwickelt hat.

Universität Potsdam Institut für Slavistik Dr. Angela Huber Basismodul Russische Literatur und Kultur Ringvorlesung „Metropolen des Ostens“ Wortzahl: 3374 MINSK (Entstehungsgeschichte der Hauptstadt Belarus‘) Max van de Water Matrikelnummer: 795799 Interdisziplinäre Russlandstudien vandewater@uni-potsdam.de 12.03.2020 1 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung ................................................................................................................................... 2 2. Der Ursprung von Belarus und das Fürstentum Polack........................................................ 3 3. Die Entstehung und Entwicklung der Stadt Minsk ................................................................ 4 4. Historische Baudenkmäler im heutigen Minsk....................................................................... 7 5. Literaturverzeichnis ................................................................................................................ 10 1. Einleitung Vor mehr als 900 Jahren wurde am rechten Ufer des Flusses Svisloč, da wo er auf den Fluss Njamiha trifft, die Stadt Minsk gegründet. Die erste schriftliche Erwähnung findet Minsk in Zusammenhang mit der kriegerischen Auseinandersetzung des Polocker Fürstentums mit den Söhnen des Fürsten Âroslav am Ufer der Nemiga am 3. März 1067. Minsk wurde an diesem Tag zerstört, die Männer getötet und die Frauen und Kinder in Gefangenschaft genommen. Der Polocker Fürst Vseslav rettete sich durch Flucht. Über den Tod „der russischen Söhne“ wird in der Schrift „Slova o polku Igoreve“ berichtet.1 Minsk wurde in seiner Geschichte immer wieder zerstört und anschließend wiederaufgebaut. Dadurch finden sich in der Architektur und dem Aufbau der Stadt viele Epochen und verschiedenste kulturelle Einflüsse wieder. Darüber scheibt der belarussische Autor Artur Klinaŭ in seinem Buch Sonnenstadt der Träume: „Die Stadt, die ihre Geschichte als Friedhof begonnen hatte – mit den blutigen Ufern der Njamiha -, wurde zum Friedhof für tote Städte. Auf ihrem Gebiet wurden mehrere Minsks geboren und wieder zu Staub. Die Stadt war in der Geschichte mal katholisch, mal uniert, mal orthodox, mal jüdisch, mal barock, mal eine Gouvernementenstadt, mal eine sowjetische, mal eine imperiale Stadt. Nach jedem Tod stand die Stadt nicht in Fortsetzung der Tradition wieder auf, sondern als vollkommen andere Stadt, die nichts mehr mit der vorhergegangenen gemein hatte, weder in der Ästhetik noch in der Alltagswelt, der Mythologie und der Religion der Bewohner.“2 Nachfolgend möchte ich darstellen, wie sich die Stadt seit dem Frühmittelalter bis 1917, dem Zeitpunkt der Oktoberrevolution entwickelt hat. Begrenzen möchte ich diesen Zeitraum, da die sowjetische Architektur und Stadtentwicklung, sowie die Folgen des 2. Weltkriegs einer gesonderten, ausführlichen Erörterung bedürfen, was diese Arbeit nicht leisten kann. Beginnen möchte mit der Entwicklung des Fürstentums Polack, innerhalb dessen sich Minsk als Siedlungsort entwickelte. Im zweiten Teil des Aufsatzes werde ich mich gezielt mit der städtebaulichen Entwicklung der Stadt Minsk beschäftigen. Daran anschließend werde ich einige Baudenkmäler aufführen, die heute noch Zeichen für die vorsowjetische Entwicklung der Stadt Minsk sind. 1 2 Kalâda, V.I.(1988): Minsk. Učora i sёnnâ. Minsk. S.13 Klinaŭ, Artur (2019): Minsk. Sonnenstadt der Träume. Frankfurt a.M. 3. Aufl. S.95. 2 2. Der Ursprung von Belarus und das Fürstentum Polack Die ersten Anzeichen einer Besiedlung des Gebietes des heutigen Belarus lassen sich auf einen Zeitraum von vor 100.000 bis 35.000 Jahren zurückführen. Die bedeutendste Siedlung aus der Steinzeit findet sich in der Gegend von Gomel. Aus der paläolithischen Zeit Jahren finden sich Spuren eine Besiedlung im Dorf Ǔroviči im Kalinkovičer Gebiet (26.000 Jahre) und im Dorf Beredyš ( 23-24.000 Jahre). Weitere Ausgabungen aus dieser Steinzeit finden sich rund um Mogilev, Grodno und Minsk.3 Der Ursprung der belarussischen Nation lässt sich auf die finnougrischen Völker wie auch die Germanen zurückführen. Nachfolgend waren es vor allem die Balten und Slaven, die das belarussische Volk prägten. Bereits in der zweiten Hälfte des ersten Jahrtausends bevölkerte das baltische Volk der Jatwinger das heutige Belarus, ebenso wie die das eher im westlichen Teil des heutigen Belarus ansässige Volk der Litva. Während die Jatwinger mit der Zeit slawisiert und Teil des belarussischen Volkes wurden, beteiligten sich die Litva am Aufbau des mittelalterlichen Großfürstentums Litauen.4 Vor der Entstehung des ersten belarussischen Staates innerhalb des Großfürstentums Litauen lebten auf dem heutigen belarussischen Gebiet die Stämme der Kriwitschen, Dregowitschen und Radimitschen. Vor allem die Kriwitschen schufen mit ihren Handwerks- und Handelszentren die Grundlage für die späteren Städte. Die Kriwitschen waren der größte und bedeutendste ostslawische Stamm, der durch eine Vermischung der örtlichen baltischen mit den slawischen Stämmen entstanden ist. Der Name der Kriwitschen findet im 14. Jahrhundert auch bei den Deutschen Erwähnung und die Letten bezeichnen bis heute die Belarussen als „baltkrievs“.5 Die belarussischen Städte entstanden einige hundert Jahre vor denen in Litauen und Lettland. Die älteste aus einer Wallburg der Kriwitschen entstandene Stadt ist Polack, da wo der Fluss Palata in die westliche Dzvina mündet. Hier entlang führte der Handelsweg von der Ostsee, vom Volk der Waräger hin zum Schwarzen Meer, zum Volk der Griechen. Minsk hingegen entstand im Grenzgebiet der Dregowitschen, in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Kriwitschen. Die Dregowitschen betrieben in erster Linie Acker- und Viehzucht.6 Vor über 1100 Jahren wurde im Osten Europas die Kiewer Rus gegründet, die aus verschiedenen territorialen Einheiten, Fürstentümern bestand. Das Polacker Fürstentum, verortet im nördlichen Teil des heutigen Belarus, war eine der ersten unabhängigen staatlichen Einheiten innerhalb der Kiewer Rus.7 Erstmals findet Polack als „Urvater der belarussischen Städte“ 862 Erwähnung in den Chroniken.8 Im 11.-13. Jhrd. gab es mehr als 30 Städte auf dem Gebiet von Belarus. Neben Polack wurden im 10. Jhrd. zunächst Smolensk, Turaŭ, Zalaŭje(985) und Viciebsk(974) gegründet. Erst im 11. Jhrd. kamen neben Minsk(1067) auch Vilnius(1070), Brest(1019) und andere Städte hinzu.9 1101, nach dem Tod von Vseslav von Polock (genannt Usiaslaǔ der Zauberer) zerfiel das Fürstentum Polack in einzelne Lehnfürstentümer, wobei das größte Teilfürstentum das Fürstentum Minsk war und vom Fürsten Hlieb, einem Sohn von Vseslav von Polock 1101-1119 regiert und zu einem mächtigen Fürstentum ausgebaut wurde. Wladimir Monomach, Fürst von 3 https://www.belarus.by/en/about-belarus/history Arloŭ, Uladzimir. Hierasimovic, Žmicier (2018): Faszinazion Belarus. Illustrierte Geschichte eines unbekannten Landes. Minsk. S.18ff. 5 Ebd. S.22f. 6 Ebd. S.24. 7 Babkov, U.A.(2006): Istoriâ Minska. Minsk. S.84. 8 Arloŭ, Uladzimir. Hierasimovic, Žmicier (2018): Faszinazion Belarus. Illustrierte Geschichte eines unbekannten Landes. Minsk. S.33. 9 Ebd. S.58. 4 3 Kyjiw fühlte sich durch das erstarkende Fürstentum Minsk bedroht, konnte aber auch nach einer zweimonatigen Belagerung Minsk nicht einnehmen. Erst nach einem zweiten Feldzug unterlag Hlieb dem Sohn von Wladimir Monomach 1127. Im Rahmen eines Friedensvertrags mit Barys, einem Sohn von Vseslav von Polock mit Kyjiw wurden alle belarussischen Städte bis auf auf die Stadt Minsk an das Fürstentum Polock zurückgegeben.10 Im Mittelalter bestand die belarussische Stadt in der Regel aus Holzhäusern und war zweigeteilt. Im befestigten Stadtzentrum, dem Dziadziniec lebten der Fürst, sein Gefolge und angesehene Stadtbewohner. Im Pasad, der sich vor den Toren des Dziaziniec befand, lebten die Händler und Handwerker. Im Fürstenpalast gab es neben zahlreichen Räumen einen Saal für nicht weniger als 100 Gäste. Die Straßen in den Städten waren ungefähr 3 Meter breit und mit Holz ausgelegt. In Brest haben Archäologen drei Stassen mit alten Holzhäusern freigelegt, die besichtigt werden können.11 Die Städte trieben sowohl untereinander wie auch mit entfernten Ländern Handel, insbesondere mit Byzanz und dem Nahen Osten. Mitte des 13. Jhrd. bedrohten Kreuzritter im Westen und Mongoltataren im Osten die belarussischen und litauischen Fürsten, die sich deshalb zusammenschlossen und 1253 Mindoŭh in Navahrudak zum König krönten. Das zusammengeschlossene Gebiet umfasste das Territorium von Minsk bis Maladziečna, Navahrudak und Liachvičy.12 3. Die Entstehung und Entwicklung der Stadt Minsk Archäologische Ausgrabungen deuten darauf hin, dass es Minsk, bestehend aus zwei Siedlungen bereits zu Beginn des 10. Jahrhunderts gab. Die ursprüngliche Siedlung, auf die Minsk zurückgeht, entstand 16km entfernt am heute ausgetrockneten Fluss Mena (Menka).13 In den historischen Chroniken „Povest vremennykh let“ findet Minsk jedoch erstmals am 3. März 1067 Erwähnung, als die Truppen südrussischer Fürsten Minsk stürmten und dann die blutige Schlacht an der Njamiha stattfand.14 15Es wird darüber berichtet, dass im Jahr 6575 (1067) Vseslav (Polocky), der Sohn von Bryachislav, seine Armee in Polock aufstellte und Nowgorod besetzte. Die drei Jaroslaviči, Izyaslav, Svyatoslav, Vsevolod versammelten daraufhin Soldaten, brachen im starken Frost gegen Vseslav auf. Sie drangen in Mensk ein und töteten alle Männer und nahmen die Frauen und Kinder gefangen und zogen zur Njamiha; und Vseslav ging gegen sie. Die Gegner trafen sich an der Njamiha im März am 3. Tag, es gab großen Schnee, und sie fielen übereinander her. Izyaslav, Svyatoslav, Vsevolod wurden besiegt.16 Bis zum 16. Jhrd. hieß die Stadt Menesk und wandelte sich dann in Mensk, was der Name bis 1939 blieb.17 Es gibt eine Legende, die besagt, dass der glorreiche Held Menesk sich in der Antike an der Brücke am Fluss Svisloč niederließ und dort eine Eindruck erweckende siebenrädrige Steinmühle erbaute, in der Mehl aus riesigen Steinblöcken und nicht aus Getreide gemahlen wurde. Das Dröhnen der Mühle war weit zu hören, womit Menesk die bösen Menschen erschreckte und die Aufmerksamkeit der Starken und Neugierigen auf sich zog. Um Mitternacht zog Menesk mit seiner Mühle durch die Dörfer und rekrutierte eine Gruppe mutiger 10 Ebd. S.46. Ebd. S.58ff. 12 Ebd. S.80. 13 Mašenko, S.N.(2008): Minsk i okrestnocti. Minsk. S.14. 14 https://sputnik.by/radio/20170303/1027726522/pervoe-upominanie-minska-i-950-let-s-momenta-bitvy-na-nemige.html 15 Mašenko, S.N.(2008): Minsk i okrestnocti. Minsk. S.14. 16 https://minsk950.belta.by/history 17 https://govorim.by/minskaya-oblast/minsk/stati-o-minske/7824-proishozhdenie-nazvaniya-minska.html 11 4 und starker Leute, eine ganze Nation, die sich neben der Mühle niederließ. Und so entstand die Stadt, benannt nach dem Helden Menesk.18 Sehr viel wahrscheinlicher ist jedoch, dass der Name der ursprünglichen Siedlung am Ufer des Flusses Mena (Menka) der Namensgeber der Stadt war.19 Nach einer Blütezeit im 10./11. Jhrd. am Ufer der Mena und der Zerstörung der Siedlung begann der Wiederaufbau an anderer Stelle.20 Als wahrscheinlichster Gründer dieses Mensk gilt Vseslav Polock (genannt Usiaslaǔ der Zauberer), auf dessen Anweisungen im 11. Jahrhundert eine Festung, da wo der Fluss Svisloč auf den Fluss Negmiga trifft, errichtet wurde.21 Mensk, wie Minsk im Mittelalter hieß, war eine wichtige Stadt im Fürstentum Polock. Die Burg Minsk wurde im 11. Jhrd. als mächtige Festung an den südlichen Grenzen des Fürstentums Polock gegründet. Sie hatte die Form eines unregelmäßigen Ovals (300 x 120 m). Die Burg war von einem Wassergraben und von einem 8 bis 10 m hohen Erdwall mit Holzwänden und Türmen umgeben. Ins mittelalterliche Minsk gelangte man, indem man durch das 12 Meter hohe Burgtor fuhr - Festungstore mit mehreren Eichentürenpaaren und Hebegittern. Ein weiteres Hindernis für den Feind waren die auf den Dächern von Türmen und Mauern befestigten Baumstämme, die während des Angriffs die Verteidiger der Burg auf die Köpfe der Angreifer fallenließen. Betrachtet man die Architektur der Festung, dann ist es nicht verwunderlich, dass die im 11. Jhrd. erbaute Festung ihre militärische Bedeutung bis zum 16. Jhrd. beibehielt.22 Am Eingang zur Festung gab es einen Markt und unweit davon entfernt einen Kai.23 Alle Bauten waren aus Holz, typisch für ostslawische Städte dieser Zeit. Auch die ca. 3 Meter breiten Straßen waren mit Holz ausgelegt. Die Festung bestand aus Bauten mit einer Fläche von ca. 220-250m2, bestehend aus einem oder zwei Haupthäusern und 4 oder 5 Nebengebäuden. Die Wohnfläche betrug in der Regel 16-25m2.24 Gehandelt wurde hauptsächlich mit Eisen-, Töpfer- Holz-, Knochen-, und Lederwaren sowie Schmuck. Die Frauen sponnen und webten, wobei die Produkte in der Regel innerhalb der Stadt gehandelt wurden. Die Männer waren in der Landwirtschaft aktiv, fischten und jagten. Im 12. und 13. Jhrd. war der Handel zwischen den Städten und Siedlungen kaum ausgeprägt. Aber es gab den Handel mit Metall mit weit entfernten Fürstentümern, was zur Einführung der Zahlung mit Münzen für große Werte (Gold- und Silberhryvnas) führte. Im Fürstentum selbst herrschte im 12. und 13. noch der Tauschhandel vor. Die kulturelle Entwicklung im Minsk jener Zeit stand unter dem Einfluss der byzantinischen christlichen Zivilisation und war vergleichbar der in Polock, Kiev und Novgorod.25 Zu Beginn des 12. Jhrd. war Mensk die Hauptstadt des Fürstentums. Der erste Prinz von Minsk war der Sohn von Vseslav von Polock, Hleb (1104-1119), dem Vorfahren der fürstlichen Dynastie der Hlebovich, die zwei Jahrhunderte lang das Fürstentum Minsk regierte. Der Versuch von Hleb, das Fürstentum auf Nachbargebiete auszuweiten, führt zu kriegerischen Auseinandersetzungen mit den südrussischen, Kiever Fürsten. Minsk wurde 1119 durch den Kiever Fürsten Vladimir Monomah in das Kiever Reich einverleibt, aber bereits 1140 wurde 18 https://minsk950.belta.by/history Babkov, U.A.(2006): Istoriâ Minska. Minsk. S.84. 20 Ebd. S.85 21 https://minsk950.belta.by/history 22 https://minsk950.belta.by/history 23 Mašenko, S.N.(2008): Minsk i okrestnocti. Minsk. S.15f. 24 Babkov, U.A.(2006): Istoriâ Minska. Minsk. S.85 25 Ebd. S.85f. 19 5 die Herrschaft der Hlebovich wiederhergestellt.26 Im 13. Jhrd. gab es immer wieder wechselnde Prinzen in Minsk. Mit Beginn des 14. Jhrd. nahm der Einfluss des Großfürstentums Litauen, das Mitte des 13. Jhrd. entstanden war, zu. Das Ende der lokalen Fürstenherrschaft war bereits seit Ende 1340 besiegelt und 1413 wurde Minsk in die Provinz Vilna integriert. In der zweiten Hälfte des 15. Jhrd. wurden Minsk, Zaslavl´, Logoisk sowie umliegende Dörfer und Festungen im Minsker Povet zusammengefasst und den Gouverneuren des Großfürsten, den Starostas mit eigener Wirtschafts-, Rechts- Militär- und Finanzverwaltung unterstellt.27 Mit der Vereinigung der Povets von Minsk und Rechitsa im Jahr 1566 bekam Minsk den Status eines Zentrums der Provinz und gewann als ein administratives Zentrum des Fürstentums erheblich an nationaler Bedeutung. 3 Jahre später wurde auch der Mozyr Povet angegliedert.28 Das Magdeburger Stadtrecht erhielt Minsk am 14. März 1499 verbunden mit erheblichen Selbstbestimmungsrechten und Verwaltungsinstitutionen. Ein Stadtrat (Rada), mit zwei Bürgermeistern an der Spitze und die Lava als rechtliche Instanz wurden gewählt und bildeten die Regierung. Das Stadtoberhaupt, der Voit, stand diesen vor. Minsk entwickelte sich als Zentrum des Handwerks und Handels kontinuierlich weiter. Ende des 17. Jhrd. gab es bereits ungefähr 750 Handwerker in 60 Fachrichtungen. Die Gründung von Gilden und Zünften wird erstmals 1569 erwähnt.29 Das Territorium der Stadt Minsk breitete sich im 14.-18. Jhrd. erheblich aus, vornehmlich Richtung Süden und Osten. Im 14.- und 15. Jhrd. entstanden das Schloss und der untere Markt. Im 15. Jhrd entwickelte sich der zentrale Teil der Stadt genannt Pyatnitsky konets. Anfang des 16. Jhrd. ging die Entwicklung vom Schloss aus gesehen in nordöstlicher Richtung weiter. Es entstanden die Stadtviertel Tatarskaya sloboda, Troitskoe und Rakovskoe predmestiya.30 1505 wurden die Holzbauten in Minsk durch ein von Tataren gelegtes Feuer und weitere Feuer in den Jahren 1547, 1552 und 1559 zerstört. Beim Wiederaufbau der Stadt wurde das Zentrum der Stadt bewusst verlegt und in südliche Richtung des unteren Marktes verschoben. Es wurde der obere Markt mit anhängenden Straßen mit den wichtigsten Gebäuden der Stadt, wie dem Magistrat, der Markthalle (Gostiny Dvor) als Oberstadt aufgebaut. Die Bauten waren noch immer in der Regel aus Holz, auch wenn im 16. und 17. Jhrd. durch wohlhabende Bürger erste Steinhäuser entstanden. Die Lebensqualität in der Stadt wurde durch eine Kanalisation und feste Straßen erheblich verbessert. Diese Struktur blieb im wesentlichen bis Ende des 18. Jhrd erhalten. 31 Die Bevölkerung unterteilte sich in verschiedene Stände und Nationalitäten. Den wichtigsten Teil bildeten die freien Bürger christlichen Glaubens, in der Regel Händler und Handwerken waren und zur städtischen Gemeinde zählten. Damit unterlagen sie der Verwaltung und der Rechtssprechung durch den Magistrat. Im Gegensatz dazu unterstanden die kirchlichen und feudalen Würdenträgen letzterem nicht. Die niedrigeren Klassen, die einen großen Anteil der Bevölkerung ausmachten, hatten in der Regel weder dauerhaften Wohnsitz noch eine feste 26 Kalâda, V.I.(1988): Minsk. Učora i sёnnâ. S.284. Babkov, U.A.(2006): Istoriâ Minska. Minsk. S. 176. Ebd. 29 Babkov, U.A.(2006): Istoriâ Minska. Minsk. S. 176f. 30 Ebd. S. 177. 31 Ebd. S. 177f. 27 28 6 Arbeit, weshalb sie nicht als vollwertige Bürger betrachtet wurden. Auch die ethnischen Gruppen der Tataren und Juden unterlagen nicht der Verwaltung durch den Magistrat. Bis Ende des 18. Jhrd. waren die Tempel unterschiedlicher Konfessionen Orte der Bildung. Eine besondere Stellung hatten die Schulen der Bruderschaften der orthodoxen Kirche, die als Gegengewicht zu den protestantischen und katholischen Einrichtungen geschaffen wurden. Die erste weiterführende Schule wurde 1773 eröffnet.32 1569 vereinigte sich das Großfürstentum Litauen mit dem Polnischen Königreich zum gemeinsamen Staat Rzeczpospolita. Minsk hatte die wichtige Bedeutung eines mächtigen Vorpostens des Fürstentums von Polock.33 Der Krieg mit Russland 1654-1667 führte zur Aufteilung des Gebietes der Rzeczpospolita zwischen Österreich, Preußen und Russland. Minsk wurde im Ergebnis Russland zugeschlagen. In der Zeit der Herrschaft des Russischen Reichs (1793-1917) entwickelte sich Minsk aufgrund seiner geografischen Lage vom provinziellen Zentrum allmählich zur größten Stadt in Belarus. Der Bau der Eisenbahnlinie (ab 1870) macht aus dem abgelegenen Minsk einen Knotenpunkt für den nationalen Handel. Erstmals in der Stadtgeschichte wurde Minsk entsprechend architektonischen Vorbildern wie St. Petersburg städteplanerisch im Stil des Klassizismus weiterentwickelt. Die Zaharievskaya Strasse, heute Porspekt Nezavisimosti wurde zur Hauptverbindungsstraße in Minsk. Gleichzeitig blieben der kreisförmige gefächerte Aufbau der Innenstadt erhalten, so dass die russische Architektur die jahrhundertelang gewachsene Diversität der polyzentrischen Stadtentwicklung, mit Holz- und Steinhäusern verschiedenster Epochen in verschiedenen Stadtteilen, ergänzte. Ende des 19., Anfang des 20. Jhrd. kamen neue Stadtteile hinzu und Minsk breitete sich aus. Lebten um 1800 nur 5000 Menschen in der Stadt, so waren es 1913 bereits 106.700.34 In der ersten Hälfte des 19. Jhrd. orientierte sich die Minsker Oberschicht in Richtung Polen, was die soziokulturelle Entwicklung der Stadt in dieser Zeit prägte. Minsk entwickelte sich zum intellektuellen, politischen und kulturellen Zentrum. Ab der zweiten Hälfte des 19. Jhrd., gefördert durch das Aufblühen von Malerei, Kinematographie, Theater, Literatur wurde Minsk zum Zentrum der russischen Kultur und wurde neben Vilnius zum kulturellen Zentrum Belarus.35 Politisch entwickelte sich Minsk zum Zentrum der revolutionären Auseinandersetzung. Der Aufstand gegen den Zaren, 1863/64 wurde niedergeschlagen, was die im Untergrund agierende Volksfront ab 1870 noch aktiver werden ließ. Streiks, die Gründung marxistischer Gruppen, der Belarussischen Sozialistischen Hromada (1902) folgten. 1898 traf sich die Russische sozialdemokratische Arbeiterpartei zu ihrem ersten Kongress in Minsk. Mit dem Beginn des 1. Weltkriegs wurde die Stadt im Oktober 1915 zur Kriegsstadt. 4. Historische Baudenkmäler im heutigen Minsk Das historische Zentrum von Minsk befindet sich heute am Anfang des Prospekts Pobeditelej und der Ulica Nemiga, wo ursprünglich in der 2. Hälfte des 11. Jhrd. die Festung erbaut wurde. Außerdem gehören dazu die Obere Stadt (das Zentrum von Minsk vom 16. Bis Anfang des 20. 32 Ebd. S. 178. Kalâda, V.I.(1988): Minsk. Učora i sёnnâ. S.284. 34 Babkov, U.A.(2006): Istoriâ Minska. Minsk. S. 274f. 35 Ebd. S. 275f. 33 7 Jhrd), wo sich heute Plošad‘ Svobody befindet, sowie die Vororte Troickoe (Dreifaltigkeit) und Rakovskoe, wo sich früher Handel und Handwerk angesiedelt waren.36 Auf den ursprünglichen Standort weist ein Gedenkstein auf einem Sportzentrum auf dem Prospekt Pobeditelej hin, da wo Archäologen die Reste des Fundaments des einzigen aus Stein gebauten Bauwerks, einer nie fertiggestellten Kirche aus dem 12. Jhrd. entdeckt haben. Spuren der Festung waren bis 1953 erhalten, als eine neue Hauptstraße, die Parkovaâ Magestral, heute Prospekt Pobeditelej über den alten Festungshügel gebaut wurde.37 Die Obere Stadt, die sich seit dem 16. Jhrd. auf dem Hügel über dem Fluss Svisloč, heute Plošad‘ Svobody, entwickelt hat, verfügt über die am besten erhaltene historische Bausubstanz. Dazu gehören die ersten Steinhäuser, verschiedene Kirchen und öffentliche Gebäude. Hier befand sich für mehr als 500 Jahre das politische und Handelszentrum von Minsk. Der Platz hat mehrfach seinen Namen gewechselt, hiess vor der Revolution Soboroj, vom 16.- Mitte des 19 Jhrd. Verhij oder Vysokij rynok. Ganz ursprünglich hieß der Platz Kos’modem’âskaâ, genannt nach dem dort befindlichen Kloster der Heiligen Kos’mo und Damian. Zu dem Ensemble gehören unter andrem das Rathaus (2004 renoviert), die Erzkathedrale der Heiligen Jungfrau, die Markthalle aus dem 18.-19. Jhrd., das Jesuitenkloster aus dem 17. Jhrd., das ehemalige basilianische Kloster, wo in der ersten Hälfte des 17. Jhrd Latein, Griechisch, Altslawisch, Belarussisch und Polnisch unterrichtet wurde. Da wo heute die ursprünglich als katholische Kirche erbaute Heilige Geist Kathedrale (erbaut 1633-1642) steht befand sich von Anfang des 15.- Anfang 17. Jhrd. das Kloster der Heiligen Kos’mo und Damian. Heute ist die Kathedrale als Sitz des Patriarchen von Belarus, dem Metropoliten von Minsk und Slutsk Filaret und damit wichtigster Ort der orthodoxen Kirche. 38 Seit 1979 steht die Obere Stadt unter Denkmalschutz. Troickoe gehört heute zur Innenstadt von Minsk und ist Teil des historischen Zentrums von Minsk. Bis 1935, dem Bau des Opernhauses befand sich hier der Markt der Dreifaltigkeit. Nach den ersten Ansiedlungen an dieser Stelle im 12. Jhrd. wurde im 14. Jhrd. durch den litauischen Prinzen Âgajlo die katholische Dreifaltigkeitskirche errichtet. Im 14. Jhrd. befanden sich in der Nachbarschaft auch die Orthodoxe Dreifaltigkeitskirche und das Voznesenskij Kloster. Erhebliche Veränderungen unterfand der Ort im 19. Jhrd., nachdem nach 1800 anhand konkreter Stadtentwicklungspläne eine rechteckige Straßenanordnung und Steinbauten die ursprünglichen Häuser und Straßen ersetzen. Daher finden sich an dieser Stelle Baudenkmäler aus dem 19. Und Anfang des 20. Jhrd.39 Der Rakovskoe Vorort wurde zwischen dem 10-12. Jhrd besiedelt, entlang der Straße von Minsk Richtung Westen, wo sich die Ortschaft Rakov befand, eines der wichtigsten Handwerks- und Handelszentren in jener Zeit. In Rakovskoe gab es Kirchen der unterschiedlichsten Glaubensrichtungen, orthodoxe Kirchen, eine Mohammedanische Moschee, eine katholische Kirche, jüdische Synagogen. Im 16. Jhrd. wurde dieser Ort als Tatarskaâ sloboda bekannt, da hier die moslemischen Einwohner lebten. Das waren Nachfahren der Krimtataren, die vom Minsker Fürsten Michail Glinsky 1506 im Kampf bei Kletsk geschlagen und gefangen genommen wurden. In der Zeit der faschistischen Besetzung 19411944 erlangte Rakovskoe als Minsker Getto traurige Berühmtheit. Zu den wichtigsten historischen Baudenkmälern dieses Gebiets zählt sicher die 1611/12 errichtete St. Peter und Paul Kathedrale. Sie brannte in der 2. Hälfte des 18. Jhrd ab, wurde aber zu Ehren der Zarin 36 Mašenko, S.N.(2008): Minsk i okrestnocti. Minsk. S.12f. Ebd. S.17 38 Ebd. S.18-47. 39 Ebd. S.48-61. 37 8 Katharina II. Ende der 18. Jhrd., als Minsk Provinzzentrum des Russischen Reichs wurde, wiederaufgebaut.40 40 Ebd. S.62-71. 9 5. Literaturverzeichnis Arlou, U., & Hierasimovic, Z. (2018). Faszination Belarus. Illustrierte Geschichte eines unbekannten Landes. Minsk: Konrad-Adenauer-Stiftung. Babkov, U. (2006). Istoriâ Minska. Minsk. belarus.by. Abgerufen am 11. 3 2020 von https://www.belarus.by/en/about-belarus/history govorim.by. Abgerufen am 10. 3. 2020 von https://govorim.by/minskaya-oblast/minsk/stati-ominske/7824-proishozhdenie-nazvaniya-minska.html Kalâda, V. (1988). Minsk. Učora i sёnnâ. . Minsk. Klinaŭ, A. (2019). Minsk. Sonnenstadt der Träume. Frankfurt a.M. (3. Ausg.). Frankfurt a.M. Mašenko, S. (2008). Minsk i okrestnocti. Minsk. minsk950. Abgerufen am 10. 3. 2020 von https://minsk950.belta.by/history sputnik.by. Abgerufen am 10. 3. 2020 von https://sputnik.by/radio/20170303/1027726522/pervoe-upominanie-minska-i-950-lets-momenta-bitvy-na-nemige.html 10 11