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Funde des 8. Jahrhunderts aus Xanten

2019

CLIVE BRIDGER und FRANK SIEGMUND Funde des 8. Jahrhunderts aus Xanten Ende 1986 wurden den Verfassern zwei karolingerzeitliche Keramikkomplexe aus dem Stadtgebiet von Xanten bekannt, die aus weitgehend befundlosen Aufsammlun­ gen stammen. Sie sollen hier vorgelegt werden, da Funde dieser Zeitstellung im fragli­ chen Raum bislang selten sind und nur aus den Grabungen im Bereich der Stiftsim­ munität beigebracht wurden1. Zudem geben diese wenigen und unscheinbaren Frag­ mente erneut Anlaß, die bisherigen Thesen zur Siedlungstopographie Xantens im frü­ hen Mittelalter zu überprüfen. BEFUNDE Die vorgestellten Keramikbruchstücke stammen von zwei verschiedenen, etwa 3 km voneinander entfernten Fundstellen im Stadtgebiet von Xanten. Qanten-Mühlenberg BrZZN ä .AN äd Die Fundnummern 1-12 sind im August 1986 bei einer Bauausschachtung am Müh­ lenberg im Südteil des mittelalterlichen Stadtkerns von Xanten zutage gekommen2. Mit Ausnahme der Katalognummer 3 wurden alle Fragmente aus dem Bauaushub aufgelesen, der später auf ein nahegelegenes orivatgrundstück im Niederbruch t0 verbracht wurde3. Die orofilaufnahme in der Baugrube ergab, daß dort in etwa 1,3 m 1 Zu diesen Grabungen zusammenfassend: C. Bridger u. F. SIEGMUND, Die Xantener Stiftsimmunität. Grabungsgesch. u. sberlegungen z. Siedlungstopographie, in: Rhein. Ausgr. 27 (im Druck); dort eine ausführliche Bibliographie mit älterer Literatur. 2 Lage r 253174, h 572516. Wir danken nerrn Geenen, Xanten, Orkstraße, herzlich für die Erlaubnis, den Abraum durchsuchen zu dürfen. - Für die Erlaubnis, die Funde zu publizieren, und sein großes persönli­ ches Engagement bei deren Sicherstellung danken wir D. v. Detten, Rhein. Amt f. Bodendenkmalpflege (RAB), Außenstelle Xanten. - Akten: RAB Außenstelle Xanten, Aktivitätsnr. 1986/135. 3 Lage r 253057, h 572506. Wir warnen nachdrücklich davor, später etwaige Funde von diesem Grundstück als ninweise auf eine frühere Besiedlung zu interpretieren. 544 Clive Bridger und Frank Siegmund Tiefe leicht verlehmter Sandboden ansteht. Oben zeichnete sich bis zur heutigen Oberfläche ein humosifizierter norizont von scheinbar neuzeitlichen Aufschüttungen ab; unterhalb dieser Aufschüttung war lediglich ein hellerer Mischboden erkennbar, so daß zwischen einem unteren, humos-sandigen Bereich und einem oberen, humos- schuttigen Bereich geschieden werden konnte4. Das Gefäßfragment Nr. 3 wurde im orofil aus diesem unteren, humos-sandigen norizont geborgen, aus dem auch die meisten der übrigen Funde stammen dürften. Außer den hier vorgelegten Funden wurden eine nicht weiter bestimmbare, winzige handgemachte Scherbe sowie zahlreiche römische und hochmittelalterliche bis neu­ zeitliche Keramikfragmente, Glasreste und Ziegelbruchstücke aufgelesen. Diese älte­ ren und deutlich jüngeren Fragmente konnten von dem in sich sehr einheitlichen, hier publizierten Material klar geschieden werden; da derartige Funde im fraglichen Bereich häufig vorkommen und wenig aussagekräftig sind, werden sie hier nicht vor­ gelegt5. V144Mngen BrZZN ä .AN 6d Die Fundnummern 13-16 wurden Anfang der 1960er Jahre zusammen mit mehreren römischen und neuzeitlichen Keramik- und Glasfragmenten von einem orivatmann aus dem Aushub der Kiesbaggerei in der unmittelbaren Nähe des nauses Lüttingen aufgelesen6; seitdem wurden sie unbeachtet im nause des Finders aufbewahrt. Erst bei einem Besuch dort seitens eines der Verfasser im Dezember 1986 wurden die Scherben 'entdeckt' und ausgesondert7. FUNDE8 Qanten-Mühlenberg 1 (Abb. 2,1). Gefäßfragment. Irdenware, Drehscheibe. Es ist eine 2 cm2 große Randscherbe mit allseits frischen Brüchen erhalten; Orientierung unsicher. Auf der Oberfläche haften kleine teerige oartikel an. - Oberfläche rötlich-gelb (5 YR 7/6), Scherben im Bruch kräftiger rötlich- 4 Es dürfte sich bei der oberen Schicht um den in diesem Bereich allenthalben zu findenden Schutt des 2. Weltkriegs handeln. 5 Daß bisher aus der direkten Umgebung der Fundstelle nur relativ wenige römische Grabfunde bekannt geworden sind, dürfte eher mit den geringen archäologischen Aktivitäten im Bereich Mühlenberg als mit historischen Gegebenheiten Zusammenhängen. Brandbestattung von 1909 (r 2531675, h 572517): o. STEI­ NER, Bonner Jahrb. 119, 1910, 128; DERS., Xanten. Kat. west- u. süddeutscher Altertumssammlungen 1 (1911) 23; 31 Grab 28. — Zerstörtes Grab von 1959 (RAB OA Fundstelle Nr. 2899/121; r 2531685, h 572519): n. nlNZ, Bonner Jahrb. 160, 1960, 505 Nr. 9; L. Bakker, Untersuchungen zur spätröm. Gefäßkeramik aus militärischen und zivilen Befestigungen der mittleren und unteren Rheinzone. Ungedr. Diss. Bonn (1983) Ms. S. 429. 6 Die Fundstelle lag wenig westlich der nauptstromrinne, ihre präzise Lage läßt sich heute nicht mehr ermitteln. Auch über die dortigen Bodenverhältnisse sowie die Bagger- oder Fundtiefe ließ sich nichts mehr in Erfahrung bringen. 7 Wir danken der Familie n. nußmann, Xanten, nolzweg, herzlich für die Erlaubnis, die Funde aufneh­ men und publizieren zu dürfen. 8 Für das Anfertigen der Fundzeichnungen danken wir Frau I. Steuer (Köln), für das Umzeichnen der Gra- Funde des 8. Jahrhunderts aus Xanten 545 S n1AaeisAiÜJPWC A48sI4oW MarhMG, heC ;fTTRMÜIMGJer OHÜel 1‘hu.tzgebßd nPIIsHaÜ o eÜUeNIÜJüPW BirteoscKe Heide CpH4er bMAVen oMH48eÜJPW IsG,enhPW 1 Fundstellenverzeichnis des 8. Jahrhunderts in Xanten. 1 Xanten-Mühlenberg; 2 Lüttingen; 3 Stiftsimmunität mit Dom. — Maßstab 1 : 50 000. 546 Clive Bridger und Frank Siegmund gelb (5 YR 7/8). - Die Magerung liegt leicht pockig blank und tonüberzogen in und leicht über der Oberfläche; Korngröße 0,2-3 mm, meist bis 0,6 mm, Dichte 40/cm2, viel Feinfraktion; Quarzmagerung mit Schamotten und dunklen Mineralen, verrundet. Ritzhärte 2. Noch 1,3 cm hoch, 9,4 cm Randdurchmesser. 2 (Abb. 2,2). Gefäßfragment. Irdenware, Drehscheibe. Es sind zwei anpassende Randscherben von zusammen 15 cm2 Fläche erhalten, die Brüche sind weitgehend frisch; Scherbe zuverlässig orientierbar. Die Oberfläche weist innen und außen in der Halskehle einen feinen Tonüberzug auf, der sonst auf der Außenseite fehlt und dort vermutlich abgewittert ist. - Oberfläche röt­ lich-gelb (5 YR 7/8), Scherben zum Kern hin dunkler rötlich-gelb (5 YR 6/8). — Die Magerung liegt leicht pockig blank (innen tonüberzogen) in und leicht über der Oberfläche, einzelne Par­ tikel ausbrechend; Korngröße bis 1,3 mm, Dichte 20/cm2, viel Feinfraktion; Quarzmagerung mit Schamotten und dunklen Mineralen, verrundet. Ritzhärte 2. Noch 3,5 cm hoch, 12,2 cm Randdurchmesser. 3 (Abb. 2,3). Gefäßfragment. Irdenware, Drehscheibe. Es ist eine ca. 32 cm2 große Rand­ scherbe erhalten, Brüche allseits verrundet; sicher orientierbar. Am Übergang von der Hals­ kehle zur Wandung eine sehr flache, umlaufende Rille von einem ca. 1,5 mm breiten Gerät mit V-förmigem Arbeitsende. - Oberfläche rötlich-gelb (5 YR 7/8), außen am Rand einige hell­ graue Flecken (5 YR 6/1). - Die Magerung liegt pockig blank leicht über der Oberfläche, ein­ zelne Partikel ausbrechend; Korngröße 0,2-1 mm, Dichte 50/ cm2, viel Feinfraktion; Quarzma­ gerung mit Schamotten und dunklen Mineralen, verrundet. Ritzhärte 1. Noch 5,7 cm hoch, 14,2 cm Randdurchmesser. 4 (Abb. 2,4). Gefäßfragment. Irdenware, Drehscheibe. Es ist eine ca. 34 cm2 große Rand­ scherbe erhalten, Brüche allseits leicht verrundet; sicher orientierbar. Auf der Wandung eine sehr flache, 5 mm breite (Dreh?)-Rille. - Oberfläche und Kern rötlich-gelb (5 YR 6/6). - Die Magerung liegt leicht pockig blank in und leicht über der Oberfläche, einzelne Partikel ausbre­ chend; Korngröße 0,3-1 mm, Ausreißer bis 5 mm, Dichte 70/cm2, normale Feinfraktion; Quarzmagerung mit dunklen und rötlichen Mineralen und wenigen Schamotten, verrundet. Ritzhärte 2. Noch 5,8 cm hoch, 18 cm Randdurchmesser. 5 (Abb. 2,5). Gefäßfragment. Irdenware, Drehscheibe. Es ist eine ca. 30 cm2 große Rand­ scherbe erhalten, Brüche allseits leicht verrundet; sicher orientierbar. Am Übergang von der Halskehle zur Wandung umlaufend eine flache Rille von einem ca. 2 mm breiten Gerät mit D-förmigem Arbeitsende. - Oberfläche und Kern rötlich-gelb (5 YR 7/8). - Die Magerung liegt leicht pockig blank in und leicht über der Oberfläche, einzelne Partikel ausbrechend; Korngröße bis 1,3 mm, Dichte 50/ cm2, viel Feinfraktion; Quarzmagerung mit Schamotten und rötlichen Sandstein(?)-bröckchen, verrundet. Ritzhärte 1. Noch 3,8 cm hoch, 23 cm Rand­ durchmesser. 6 (Abb. 2,6). Gefäßfragment. Irdenware, Drehscheibe. Es ist eine ca. 25 cm2 große Rand­ scherbe erhalten, Brüche allseits leicht verrundet; sicher orientierbar. Am Übergang von der Halskehle zur Wandung ein leichter Absatz. - Oberfläche und Kern rötlich-gelb (5 YR 7/8); in der Halskehle ist auf der Oberfläche ein feiner, rötlicher Tonüberzug (2,5 YR 7/6) erhalten, phiken nach den Entwürfen der Verf. Frau E. Feuser (Bonn). - Die Beschreibung der Keramik erfolgt in Anlehnung an: Vorschläge zur systematischen Beschreibung von Keramik. Kunst u. Altertum am Rhein 124 (1986). Abweichend von den ebd. 15 f. entwickelten Regeln wird aufgrund einer Untersuchung der Scherben unter dem Binokular die Korngröße der Magerungspartikel genauer bestimmt und ihre an der Oberfläche erkennbare 'Dichte pro Quadratzentimeter' angegeben. Unter 'Feinfraktion' verstehen wir die Magerungspartikel unter 0,1 mm Größe. Funde des 8. Jahrhunderts aus Xanten 2 Karolingerzeitliche Keramik von Xanten-Mühlenberg. - Maßstab 1 : 3. 547 548 Clive Bridger und Frank Siegmund der sonst abgerieben zu sein scheint. - Die Magerung liegt leicht pockig blank in und leicht über der Oberfläche, einzelne Partikel ausbrechend; Korngröße 0,2-1 mm, Dichte 30/ cm2, viel Feinfraktion; Quarzmagerung mit dunklen Mineralen und rötlichen Sandstein(?)-bröckchen, verrundet. Ritzhärte 1. Noch 4,7 cm hoch, 21,8 cm Randdurchmesser. 7 (Abb. 3,7). Gefäßfragment. Irdenware, Drehscheibe. Es ist nur eine ca. 18 cm2 große Wan­ dungsscherbe erhalten, deren Orientierung und Durchmesser noch einigermaßen genau bestimmbar sind. Zwei flache, ca. 3 mm breite Rillen von einem Gerät mit D-förmigem Arbeits­ ende. - Oberfläche außen rötlich-gelb (5 YR 7/8), Scherben im Bruch und Oberfläche innen dunkler rötlich-gelb (5 YR 6/8). - Die Magerung liegt leicht pockig blank in und leicht über der Oberfläche, einzelne Partikel ausbrechend; Korngröße bis 1 mm, Ausreißer bis 4 mm, Dichte 50/cm2, viel Feinfraktion; Quarzmagerung mit Schamotten und dunklen Mineralen, verrundet. Ritzhärte 2. Noch 4,7 cm hoch, 24 cm Durchmesser an der weitesten Stelle. 8 Gefäßfragment. Irdenware, Drehscheibe. Es ist nur eine ca. 10 cm2 große Wandungsscherbe erhalten, vermutlich von der Unterwand des Gefäßes; Durchmesser und Orientierung kaum mehr bestimmbar, deswegen nicht abgebildet; Scherbe 0,6 cm dick. Brüche allseits leicht ver­ rundet. - Oberfläche außen rötlich-gelb (5 YR 7/8), weitgehend abgerieben, Oberfläche innen und Scherben im Bruch sehr blasses Braun (10 YR 7-8/4). - Die Magerung liegt schwach pokkig blank in der Oberfläche, einzelne Partikel ausbrechend; Korngröße bis 0,3 mm, Ausreißer bis 2 mm, Dichte 10/cm2, sehr viel Feinfraktion; Quarzmagerung mit Schamotten, dunklen Mineralen und rötlichen Gesteinsbröckchen, verrundet. Ritzhärte 3. Etwa 20 cm Durchmesser. 9 (Abb. 3,9). Gefäßfragment, Irdenware, Drehscheibe. Es ist ein ca. 12 cm2 großes Fragment vom Unterteil mit dem Ansatz des Bodens erhalten, wahrscheinlich Flachboden; zuverlässig orientierbar. Brüche allseits leicht verrundet. - Oberfläche und Scherben im Bruch rötlich-gelb (5 YR 6/6). - Die Magerung liegt leicht pockig blank und tonüberzogen in und leicht über der Oberfläche; Korngröße bis 1 mm, Ausreißer (meist Schamotte) bis 2 mm, Dichte 30/ cm2, viel Feinfraktion; Quarzmagerung mit einzelnen, größeren Schamotten, verrundet. Ritzhärte 2. Noch 4,4 cm hoch, 7 cm Bodendurchmesser. 10 (Abb. 3,10). Gefäßfragment. Irdenware, Drehscheibe. Es ist eine ca. 90 cm2 große Scherbe von der Unterwand mit dem Ansatz eines dünnen Flachbodens erhalten; zuverlässig orientier­ bar. Brüche allseits leicht verrundet. - Oberfläche und Scherben im Bruch rötlich-gelb (5 YR 6/8). - Die Magerung liegt leicht pockig blank in und leicht über der Oberfläche, einzelne Par­ tikel ausbrechend; Korngröße 0,2-0,3 mm, wenige Ausreißer bis 2,5 mm, Dichte 30/ cm2, nor­ male Feinfraktion; Quarzmagerung mit Schamotten, dunklen Mineralen und rötlichen Sand- stein(?)-bröckchen, verrundet. Ritzhärte 2. Noch 8,2 cm hoch, 7,6 cm Bodendurchmesser. 11 (Abb. 3,11). Gefäßfragment. Irdenware, linkslaufende Drehscheibe. Es ist etwa ein Drittel des Gefäßbodens erhalten. — Oberfläche außen gräulich-braun (10 YR 5/2), innen rosa (7,5 YR 7/4); der Scherben weist im Bruch einen sehr dunkel grauen Kern (10 YR 3/1) auf. Boden von der Scheibe geschnitten, Kanten mit den Händen verstrichen, nicht nachgearbeitet. - Die Magerung liegt leicht pockig blank in und leicht über der Oberfläche, einzelne Partikel ausbre­ chend; Korngröße bis 0,5 mm, seltene Ausreißer (nur Schamotte) bis 3 mm, Dichte 50/cm2, normale Feinfraktion; Quarzmagerung mit dunklen Mineralen und großen Schamottpartikeln, verrundet. Ritzhärte 3. 9 cm Bodendurchmesser. 12 (Abb. 3,12). Gefäßfragment. Irdenware, linkslaufende Drehscheibe. Es ist ein ca. 40 cm2 großes Fragment von der Gefäßunterwand mit dem Ansatz des Bodens erhalten, zuverlässig orientierbar; Flachboden oder schwach gewölbter Linsenboden. Auf der Oberfläche haften außen kleine, teerige Partikel an. - Oberflächenfarbe außen unregelmäßig, rosa bis rötlich-gelb (7,5 YR 8/4-5 YR 7/6), Oberfläche innen und Scherben im Bruch rosa (5 YR 8/4). - Die Funde des 8. Jahrhunderts aus Xanten 3 549 Karolingerzeitliche Keramik von Xanten-Mühlenberg. - Maßstab 1:3. Magerung liegt leicht pockig blank in und leicht über der Oberfläche, einzelne Partikel ausbre­ chend; Korngröße bis 0,5 mm, Ausreißer bis 2 mm, Dichte 35/ cm2, viel Feinfraktion; Quarz­ magerung mit Schamotten, verrundet. Ritzhärte 1. Noch 6,4 cm hoch, 10 cm Bodendurchmes­ ser. V144MH8en 13 (Abb. 4,13). Gefäßfragment. Irdenware, Drehscheibe. Es ist eine ca. 40 cm2 große Rand­ scherbe erhalten, Brüche allseits leicht verrundet; zuverlässig orientierbar. Am Übergang von der Halskehle zur Wandung umlaufend zwei sehr flache, 2 mm breite Rillen von einem Gerät mit D-förmigem Arbeitsende (in der Zeichnung überpointiert wiedergegeben). — Oberfläche und Scherben im Bruch rötlich-gelb (5 YR 6/6). - Die Magerung liegt blank in der Oberfläche, einzelne Partikel ausbrechend; Korngröße bis 2 mm, Ausreißer bis 5 mm, Dichte 45 / cm2, viel Feinfraktion; Quarzmagerung mit rötlichen Gesteinsbröckchen und Schamotten, verrundet. Ritzhärte 2. Noch 5 cm hoch, 10,6 cm Randdurchmesser. 14 (Abb. 4,14). Gefäßfragment. Irdenware, Drehscheibe. Es ist eine ca. 32 cm2 große Rand­ scherbe erhalten, zuverlässig orientierbar; Brüche allseits leicht verrundet. Die Magerung liegt deutlich pockig über der jetzt rauhen Oberfläche, es scheint, daß die ursprüngliche Oberfläche abgewittert ist. Am unteren Ende sind noch zwei sehr flache, breite Rillen erkennbar. - Ober­ fläche außen sehr dunkel grau (10 YR 3/1), Scherben im Bruch und Oberfläche innen grau (10 550 Clive Bridger und Frank Siegmund 4 Karolingerzeitliche Keramik aus Lüttingen. - Maßstab 1:3. YR 4-5/1). - Die Magerung liegt pockig blank in und über der Oberfläche, viele Partikel aus­ brechend; Korngröße 0,2-3 mm, Dichte 40 / cm2, wenig Feinfraktion; Quarzmagerung, meist verrundet. Ritzhärte 2. Noch 4,7 cm hoch, 17 cm Randdurchmesser. 15 (Abb. 4,15). Gefäßfragment. Irdenware, Drehscheibe. Es ist eine ca. 30 cm2 große Rand­ scherbe erhalten, zuverlässig orientierbar; Brüche allseits leicht verrundet. Unterhalb des Ran­ des zwei parallel umlaufende, 1 mm breite Rillen von einem Gerät mit D-förmigem Arbeits­ ende. - Oberfläche außen grau (10 YR 5/1), innen und im Bruch hellgrau (10 YR 6/1). - Die Magerung liegt leicht pockig blank in und über der Oberfläche, viele Partikel ausbrechend; Korngröße 0,2-2 mm, Dichte 45/cm2, normale Feinfraktion; Quarzmagerung, verrundet. Ritzhärte 2. Noch 4,5 cm hoch, 18 cm Randdurchmesser. 16 (Abb. 4,16). Gefäßfragment. Irdenware, Drehscheibe. Es ist eine ca. 30 cm2 große Rand­ scherbe erhalten, zuverlässig orientierbar; Bruchkanten leicht verrundet. In der Halskehle sind die Magerungspartikel meist tonüberzogen, sonst eher blank: die ursprüngliche Oberfläche scheint teilweise abgewittert zu sein. - Oberflächen und Scherben im Bruch rötlich-gelb (5 YR 7/8). - Die Magerung liegt leicht pockig meist blank in und leicht über der Oberfläche, ein­ zelne Partikel ausbrechend; Korngröße 0,2-1,5 mm, Dichte 50/cm2, normale Feinfraktion; Quarzmagerung nut rötlichen Sandstein(?)-bröckchen und Schamotten, verrundet. Ritzhärte 2. Noch 4 cm hoch, 21,8 cm Randdurchmesser. Funde des 8. Jahrhunderts aus Xanten 551 DATIERUNG Wie im folgenden gezeigt werden wird, läßt sich für die hier vorgestellte Keramik eine Datierung in das 8. Jahrhundert wahrscheinlich machen. Es muß jedoch vorweg darauf hingewiesen werden, daß man sich damit in einer im Rheinland nur wenig erforschten Zeit bewegt, in der die Grundlagen für eine chronologische Ansprache nur mäßig zuverlässig sind. Für die fragliche Zeit sind im Rheinland bislang weder fest datierte noch größere stratifizierte Komplexe, aus denen sich wenigstens eine zuverlässige relative Chronologie ableiten ließe, publiziert; eine Festlegung auf das 8. Jahrhundert ergibt sich somit vorwiegend aus dem Vergleich mit dem besser bekannten und datierbaren Fundstoff der vorausgehenden späten Merowingerzeit und den ersten Ergebnissen aus den Hafengrabungen in Dorestad9. Dabei werden wir zunächst den sehr kleinen Komplex aus Lüttingen unberücksichtigt lassen. Einem Vorschlag K. Böhners folgend, möchten wir als erstes die Materialeigenschaf­ ten der hier vorgestellten Keramik genauer untersuchen10. Charakteristisch für die Xantener Keramikbruchstücke sind der relativ weiche Brand, die eher feine Mage­ rung und Oberflächen, bei denen die einzelnen Magerungspartikel leicht erhöht und blank etwas über die Tonoberfläche hinausragen; an vielen kleinen Vertiefungen ist erkennbar, daß häufiger Magerungspartikel aus der weichen Tonmatrix ausgebro­ chen sind. Diese Eigenschaften stellen die Fragmente in den Umkreis der Keramik Badorfer Machart, wie K. Böhner und F. Tischler sie beschrieben haben11. Nun soll versucht werden, diese etwas vagen Aussagen anhand einiger objektiver Kriterien zu überprüfen, was nicht einfach ist, da hinreichend präzise Beschreibungen in der archäologischen Literatur bislang selten sind12. Die mit Ritzhärten von 1-3 relative Weichheit der hier vorgestellten Scherben wird deutlich, wenn man diese Werte mit den leider spärlichen Angaben für ältere und jün­ gere Perioden vergleicht (Abb. 5)13. Eine wenn auch kleine merowingerzeithche Serie 9 Wenig hilfreich ist dabei, daß für die späte Merowingerzeit offensichtlich Uneinigkeit hinsichtlich der absoluten Chronologie herrscht; man vergleiche beispielsweise H. Ament, Ber. RGK 57, 1976, 285—336, der 323 ff. für das Material der Stufe Böhner V einen Ansatz in die Zeit zwischen 670/80 und 720 n. Chr. entwickelt, mit J. GlESLER, Bonner Jahrb. 183, 1983, 475-579, der 527 f. diesen Fundstoff allenfalls mit dem ausgehenden 7. Jahrh. einsetzen lassen möchte. — Zur mittelalterlichen Keramik eine neuere Zusam­ menstellung mit aller wesentlichen Literatur bei J. GlESLER, Die frühgeschichtlichen Siedlungen von Ven­ nikel und Stratum. Beitr. z. Mittelalter-Arch. im Stadtgebiet von Krefeld (Vorher.). Die Heimat (Kre­ feld) 50,1979,13-34. 10 Böhner plädiert dafür, angesichts der formalen Gleichförmigkeit der mittelalterlichen Keramik diese vorwiegend anhand der Tonbeschaffenheit zu gliedern; s. K. BÖHNER, Bonner Jahrb. 150, 1950, 207-219. 11 K. BÖHNER, Keramik, in: K. BÖHNER, P. J. Tholen u. R. V. USLAR, Ausgrabungen in den Kirchen von Breberen und Doveren. Bonner Jahrb. 150, 1950, 207-219. - F. TISCHLER, Zur Datierung der frühmittel­ alterlichen Tonware von Badorf, Ldkr. Köln. Germania 30, 1952, 194-200. 12 Zu Problem und Lösungsansätzen beispielsweise: Vorschläge zur systematischen Beschreibung von Keramik a. a. O. (Anm. 8) 2 ff. - W. ERDMANN, H. J. Kühn, H. LÜDTKE, E. Ring u. W. Wessel, Rah­ menterminologie zur mittelalterlichen Keramik in Norddeutschland. Arch. Korrbl. 14, 1984, 417-436. W. JANSSEN, Methodische Probleme bei der Bestimmung mittelalterlicher Siedlungskeramik, in: G. BlNDING, W. JANSSEN u. F. K. Jungklaass, Burg und Stift Elten am Niederrhein. Arch. Untersuchungen der Jahre 1964/65. Rhein. Ausgr. 8 (1970) 235-241. 13 Die Möglichkeit einer sekundären Veränderung der Ritzhärte durch Einflüsse des Einlagerungssedi­ ments möchten wir hier außer acht lassen. Wir gehen davon aus, daß derartige Veränderungen, wenn 552 Clive Bridger und Frank Siegmund hat J. Giesler aus dem Bonner Raum vorgelegt14; zwar finden sich auch dort weich gebrannte Gefäße, doch weisen 56% der Scherben höhere Härtegrade (Mohs 4-6) auf. Es scheint sinnvoll, hier zwischen geglätteten Gefäßen, meist Knickwandtöpfen, und rauhwandigen Keramiken zu differenzieren, denn nur letztere sind hier im enge­ ren Sinne vergleichbar; dabei zeigt sich, daß bei diesen merowingerzeitlichen Gefäßen die rauhwandigen Waren eher hart gebrannt sind (22% Härte 2; 78% Härte 4 und mehr). Im Bereich dieser höheren Härtegrade liegt auch eine Serie von Kugeltöpfen Badorfer Machart aus dem Xantener Dom, die W. Bader publiziert und in das späte 9. Jahrhundert datiert hat15. Vergleichbar in dieser Hinsicht ist auch ein wiederum wesentlich jüngerer Komplex, den M. Untermann vorgelegt hat16; es handelt sich dabei überwiegend um blaugraue Kugeltopfware, die in die Zeit zwischen 1060 und 1133 datiert werden kann. Für seine rauhwandigen Waren II bis IV gibt Untermann Härten von 4 bis 6 an, wobei die meisten Scherben wohl den Härtegrad 5 aufweisen. Dem sei eine Tabellierung der Werte für die spätmerowingerzeitliche Tonware aus Duisburg gegenübergestellt, die zeigt, daß dort neben härter gebrannten Gefäßen (Mohs 5-9) die Hälfte der untersuchten Proben in den Bereich der Härte 1-3 fällt17. Dort liegt also neben dem wohl üblichen Substrat härter gebrannter Keramik ein deutlicher Anteil einer weichen Ware vor, zu der auch die hier vorgestellten Scherben aus Xanten gehören18. Der höhere Härtegrad der von Bader publizierten Kugeltöpfe aus dem Xantener Dom legt nahe, daß die jüngere Keramikproduktion Badorfer Machart generell wieder härter gebrannt ist. Darauf deuten auch das als aus ’scharf gebranntem Ton von gelblicher Farbe‘ beschriebene Gefäß aus dem Grabfund von Leer und das Gefäß aus dem Schatzfund vom Krinkberg hin, das ’aus hellem, milchig weißem, hartgebranntem Ton‘ besteht. Beide sind wegen der beigefundenen Münzen in das späte 8. Jahrhundert zu datieren19. Dies deutet darauf hin, daß der generell 14 15 16 17 18 19 überhaupt, wegen der vergleichbaren geologischen Situation die Scherben zumindest aus dem Bonner, Duisburger und Xantener Raum in vergleichbarer Weise betroffen hätten. J. GlESLER, Frühmittelalterliche Funde aus Niederkassel, Rhein-Sieg-Kreis. Bonner Jahrb. 183, 1983, 475-579. W. Bader, Datierte Gefäße aus St. Viktor in Xanten. Bonner Jahrb. 162, 1962, 188—212. Die oben auf­ getragenen Werte wurden von uns anhand der im RLM Bonn und im RM Xanten aufbewahrten Origi­ nale ermittelt. Dabei wurden alle bei BADER 193 Abb. 1 und 197 Abb. 2 abgebildeten Gefäße berücksich­ tigt sowie vier weitere, hier zuverlässig anschließbare Fragmente: Fundnr. X 31, X 174, X 176 und PX 108. M. UNTERMANN, Die Grabungen auf der Burg Berge (Mons)-Altenberg (Gern. Odenthal, RheinischBergischer Kreis), in: Beitr. zur Arch. des Mittelalters 3. Rhein. Ausgr. 25 (1984) 1-151, hier: 131 ff. Die hier und im folgenden gegebenen Werte für Duisburger Keramik beruhen auf unveröffentlichten Aufnahmen durch F. S. Ich danke dem NRM Duisburg und insbesondere Herrn G. Krause herzlich für die Gelegenheit und Erlaubnis zu diesen Erhebungen. Abb. 5,4 gibt die Werte für das Gräberfeld von Walsum wieder; in das Histogramm Abb. 5,5 sind zusätzlich auch alle die spätmerowingerzeitlichen Gefäße aus dem übrigen Stadtgebiet von Duisburg eingegangen, die Stampfuß in seiner Publikation beschrieben und abgebildet hat, s. R. STAMPFUSS, Der spätfränkische Sippenfriedhof von Walsum. Quellenschr. z. westdt. Vor- u. Frühgesch. 1 (1939). Übriges Stadtgebiet ebd. 64 f. mit Taf. 18—21; vgl. auch Tischler a. a. O. (Anm. 11). Insofern erscheint es wenig gerechtfertigt, wenn Ament die Walsumer Gefäße der ’ÄIteren Badorfer Ware' unterschiedslos als 'hart gebrannte Keramik' bezeichnet, s. AMENT a. a. O. (Anm. 9) 312 f. Zu Leer (t. p. 781): W. MEYER, Leer i. W. Gräberfelder karolingischer Zeit. Röm.-Germ. Korrbl. 8, 1915, 88—92; K. HUCKE, Zum münzdatierten Drehscheibengefäß von Leer, Kr. Steinfurt in Westfalen. Nachrichtenbl. f. Deutsche Vorzeit 14, 1938, 306 f. — Zum Krinkberg (t. p. 781): E. NöBBE, Der karolin- Funde des 8. Jahrhunderts aus Xanten % Xanten-Mühlenberg (n = 12) 60 -i 50 - 40 - 30 - 20 - 10 - Niederkassel b. Bonn (n = 18) (rauhwandige Keramik schraffiert) Xanten-St. Viktor (n = 20) Kugeltöpfe Per. VI o/ /o % 30 q 20 - 10 - Walsum (n = 44) 5 Spätfränk. Duisburg (n = 60) (nach Stampfuß u. Tischler) Ritzhärtenspektrum verschiedener Keramikkomplexe. 553 554 Clive Bridger und Frank Siegmund weiche Brand in der karolingischen Keramik ein wohl nur relativ kurzfristiges Phäno­ men ist, das auch regional nur begrenzt in Erscheinung tritt, wie eine ebenfalls spätmerowingerzeitliche Tonware aus den Mayener Töpfereien zeigt, die als ausgespro­ chen hart gebrannt beschrieben wird20. Weitere Aufschlüsse erbringt eine Betrachtung der Korngrößen sowie der Anzahl der pro Quadratzentimeter auf der Oberfläche erkennbaren Magerungspartikel. Solche mit Hilfe einer einfachen Lupe oder besser eines Binokulars durchführbaren Untersu­ chungen vermögen keinesfalls mineralogische Analysen zu ersetzen, doch bieten sie die Möglichkeit, auch ohne großen Aufwand umfangreichere Serien etwas genauer und intersubjektiv überprüfbarer zu beschreiben, als dies bislang üblich war. In dem Diagramm Abb. 6 sind außer den Werten für die Scherben aus Xanten-Mühlenberg diejenigen für die spätmerowingerzeitliche Keramik aus Duisburg aufgetragen, soweit sie durch J. Frechen und F. Tischler mineralogisch analysiert und gruppiert wurden21. Die Werte für die Xantener Scherben streuen in dem Bereich, in dem auch die der Gruppe I nach Tischler, der ’Niederrheinischen Nachahmung der Keramik aus Vorgebirgston£, hegen. Davon lassen sich die ’Keramik aus Badorfer Tonc (Tisch­ ler Gruppe 2) und deren Niederrheinische Nachahmungen (Tischler Gruppe II) absetzen, die mit feineren Partikeln dichter gemagert sind. Eine u. E. sinnvolle Grenzziehung zwischen beiden Gruppen ist in Abb. 6 eingetragen. Der zunächst etwas merkwürdige Verlauf dieser Linie ergibt sich aus der Überlegung, möglichst viele Gefäße der Gruppen Tischler 2 und II gegen die der Gruppe I abzusetzen; zudem sollte berücksichtigt werden, daß Waren Badorfer Machart wohl durchweg mit feineren Partikeln gemagert sind, für die wir eine Obergrenze von 0,65 mm anset­ zen möchten22. Nur ein Gefäß der Gruppe Tischler I läge bei dieser Abgrenzung ’falsch‘ im Bereich der feineren und dichteren Magerung, während umgekehrt nur 25% der Gefäße der Gruppen 2 und II nach Tischler eher gröber und weniger dicht gemagert sind. Zumindest in der Tendenz scheint also die hier vorgeschlagene Grenz­ ziehung im Hinblick auf die Gruppierung von Tischler und Frechen sinnvoll zu sein. Eine weitere Klärung des Bildes ergibt sich, wenn man die jeweiligen Ritzhärten in die Betrachtung einbezieht (Abb. 6: schwarze Zahlen). Die Gefäße der Gruppen Tischler 2 und II im Bereich der feiner und dichter gemagerten Keramik sind meist weich gebrannt (Härte 1-3, 60% der Gefäße), weisen aber auch einen deutlichen Anteil härter gebrannter Gefäße auf (Härten 5—7, 38%). Demgegenüber sind im Be­ reich der groben und weniger dichten Magerung die Gefäße der Gruppe Tischler I über­ wiegend hart gebrannt (Härte 5-7, 71%), während weich gebrannte Vertreter (Härte gische Münzschatz vom Krinkberg, in: G. SCHWANTES (Hrsg.), Beiträge zur Vor- und Frühgeschichte anläßlich der Hundertjahrfeier des Museums vorgeschichtlicher Altertümer in Kiel (1936) 136-160, hier zitiert nach S. 137; H. JANKUHN, Die Wehranlagen der Wikingerzeit zwischen Schlei und Treene. Die Ausgr. in Haithabu 1 (1937) 269 ff. mit Abb. 218 u. 220. 20 z. B. K. BÖHNER, Die fränkischen Altertümer des Trierer Landes. Germ. Denkmäler d. Völkerwande­ rungszeit Ser. B, Bd. 1 (1958) 59 ff. ('Ware E‘); H. AMENT, Germania 52, 1974, 466. Vgl. BÖHNER a. a. O. (Anm. 11) 212 f. (’Niederrheinischer Ton V‘). 21 Tischler a. a. O. (Anm. 11) mit den dort 198 ff. Abb. 1-3 und Anm. 14 genannten Gefäßen. 22 Man vgl. die Angaben von FRECHEN, Bonner Jahrb. 150, 1950, 219 f. und bei BÖHNER a. a. O. (Anm. 20) 63 ff. sowie F. SCHMITT nach STAMPFUSS a. a. O. (Anm. 17) 53 f. 555 Funde des 8. Jahrhunderts aus Xanten Korngröße in mm 1,5- 3 1 1.41.3- 2 2 4 1 3 5 1.2- 1 1,1- 3 1.0- 3 12 3 12 5 2 4 6 0,9- 9 0,7- 7 6 2 0,8- 5 / 2 0,66 0,5- 3 6 0.4- 0,3- 3 4 1 3 2 2 5/ 5 5 S 1 3 I2> 3 3 5/3 / 3 3 565 5 1 2 2 3 2 2 3 2 2 3 1 5 7 5 0,2- 6 / 4 0.1- —1-- 1--- 1--- 1--- 1--- 1-- 1— 10 20 30 40 50 60 70 1 80 1 90 1 100 1 110 1 120 1 130 Illi 140 150 160 170 1 180 Magerungspartikel / cm2 6 Magerungskorngröße und -dichte für die Keramik von Xanten-Mühlenberg und Duisburg. — Raute: Xanten-Mühlenberg; Kreis: Tischler Gruppe II; Dreieck: Tischler Gruppe 2; Viereck: Tischler Gruppe I; Zahlen: Ritzhärte. 1-3, 29%) deutlich seltener sind. Im Gegensatz dazu erweisen sich hier alle Gefäße der Gruppe Tischler II, die ebenfalls im Bereich dieser gröber und weniger dicht gemagerten Ware liegen, als weich gebrannt (Härte 1-4, 100%). Damit scheint sich anhand dieser Kriterien zunächst einmal die von Tischler vorgeschlagene Gruppie­ rung näherungsweise nachvollziehen zu lassen; andererseits deuten sich im Bereich der Gruppe II zwei Varianten an, deren eine durch geringere Brandhärte sowie grö­ bere und weniger dichte Magerung gekennzeichnet ist. Ein Vergleich mit den Werten für die hier vorgestellte Keramik von Xanten-Mühlenberg zeigt, daß diese Scherben hier einzuordnen wären. Natürlich sollte dieses Ergebnis nicht überinterpretiert werden, denn eine unbedingt notwendige Kontrolle anhand weiterer Komplexe ist derzeit mangels hinreichender Publikationen nicht möglich. Andererseits haben sich Argumente finden lassen, die überprüfbar einen Anschluß dieser Xantener Keramik an die spätmerowingerzeitli- 556 Clive Bridger und Frank Siegmund chen Tonwaren nahelegen. Da Keramik vergleichbarer Machart nach dem derzeiti­ gen Forschungsstand jedoch auch im 8. und 9. Jahrhundert hergestellt wurde23, kann eine präzisere Datierung des fraglichen Komplexes nur durch die Analyse ihrer for­ malen Merkmale vorgenommen werden. Zunächst läßt sich dabei der oben erfolgte Anschluß an die spätmerowingerzeitliche Keramik aus Duisburg auch nach formalen Kriterien bestätigen. Der kurze, einge­ kehlte Rand Nr. 1 findet Parallelen in Profilen von Kannen und Flaschen aus Wal­ sum24. Die nach außen rund umgelegten und leicht verdickten Ränder wie bei den Katalognummern 2-3 und 5-6 scheinen so in Walsum zu fehlen, doch findet sich auch dort vor allem bei den Amphoren die vom Gefäßkörper leicht abgesetzte Hals­ kehle25. Auch zu dem leicht kantig abgestrichenen, unterschnittenen Randstück Nr. 4 finden sich Vergleichsstücke unter den Wölbwandtöpfen aus Walsum26. Es fällt auf, daß alle Xantener Bodenstücke zu flachbödigen Gefäßen gehören. In Walsum erlaubt die Dokumentation leider keine genaue Beurteilung der Bodenformen, doch scheinen dort meist Linsenböden vorzuliegen27. Auch sonst scheinen Gefäße mit Linsenboden bereits in den späten Grabkontexten aufzutreten und erweisen den Flachboden als ein in dieser Zeit altertümliches typologisches Element28. Demnach lassen sich einzelne Merkmale der Xantener Keramikfragmente bereits mit dem jüngsten Gräberfeldma­ terial am Niederrhein vergleichen; bevor daraus jedoch chronologische Schlüsse gezogen werden können, ist die Laufzeit dieser Merkmale zu überprüfen. Wichtige Anhaltspunkte ergeben sich aus den Verhältnissen in Dorestad, wo bei der Auswertung eines ersten Teils der Hafengrabung die Befunde teils stratigraphisch, eher jedoch chorologisch in die Perioden 1 A-B und 2 A-C gegliedert werden konn­ ten29. Eine entsprechende Kartierung der Keramik ließ eine ähnlich feingliedrige Unterteilung nicht zu, doch konnte sich recht zuverlässig eine ältere Phase (= Per. 1) von einer jüngeren Phase ( = Per. 2) mit einer entsprechenden Ubergangszone (Ende Per. 1/Anf. Per. 2) absetzen lassen. Nach archäologischen und gut dazu passenden naturwissenschaftlichen Datierungskriterien dürfte die ältere Phase noch im ausge­ henden 7. Jahrhundert einsetzen und in der Mitte des 8. Jahrhunderts von der jünge­ ren Phase abgelöst werden, die dann in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts endet. Die Xantener Randscherben Nr. 2-3 und 5-6 weisen ohne Innenkehle rund nach außen gelegte, leicht verdickte Ränder auf; charakteristisch ist weiterhin der zwar kurze, aber selbständig ausgeprägte und nicht gleichmäßig rund verlaufende, sondern 23 Zusammenfassend mit älterer Literatur: W. JANSSEN, Badorf, in: RGA2 (1973) 593-597. Man vergleiche auch die Zusammenstellung von H. HlNZ, Die karolingische Keramik in Mitteleuropa, in: W. BRAUN­ FELS (Hrsg.), Karl der Große 3 (1965) 262-287. 24 STAMPFUSS a. a. O. (Anm. 17) 50 f. Abb. 23 u. 24. 25 ebd. 47 Abb. 20. 26 ebd. 52 Abb. 25. 27 ebd. 42 f. 28 Weitere Beispiele: Spätfränkischer Grabfund von Weeze mit Langsax und überlanger Riemenzunge: Bonner Jahrb. 140-141, 1936, 457; 480 mit Taf. 18. - Grabfund von Langst mit hohem Schildbuckel vom Typ Walsum: G. I.OEWE, Kreis Kempen-Krefeld. Arch. Funde u. Denkmäler des Rheinlands 3 (1971) 213 mit Taf. 57,1-3. 29 W. A. VAN Es u. W. J. H. VERWERS, Excavations at Dorestad 1. The Harbour: Hoogstraat I. Nederlandse Oudheden 9 (1980); zur Gliederung der Befunde 22—53, zur Keramik 134—160, naturwiss. Datie­ rung 300-303. Funde des 8. Jahrhunderts aus Xanten 557 eher gerade Hals, der jeweils mit einem leichten Absatz in die bauchige Oberwand übergeht. Parallelen zu derartigen Randprofilen finden sich in Dorestad am ehesten bei den Gefäßformen W HD, W IIIA und W VIA, die dort der älteren Phase zugeord­ net werden30. Die sicher jüngeren Dorestader Formen W I und W IIA—B weisen bei den Rändern durchweg andere Merkmale auf, die im Xantener Material fehlen: die kurzen Ränder gehen ohne eigenständige Halskehle in die Wandung über, die Rän­ der weisen häufig leichte Innenkehlen auf und sind teilweise außen schräg abgestri­ chen31. Das Randstück Nr. 1 gehört wohl zu einem flaschen- oder krugartigen Gefäß mit stark eingekehltem Rand, wie es schon in Walsum häufiger belegt ist; in Dorestad treten diese Ränder vor allem bei den Formen W IIIB und W IIIC auf, die sowohl in der älteren als auch in der jüngeren Phase belegt sind; demnach scheint diese Rand­ form langlebiger zu sein32. Vergleiche zu dem unverdickten, kantig profilierten Rand des Fragments Nr. 4 finden sich in Dorestad vor allem bei der Form W IXA aus der ältesten Phase wieder33. Flache Böden werden in Dorestad der älteren Phase zugewie­ sen, während Linsenböden in der jüngeren Phase dominieren. Die Xantener Kera­ mikfragmente sind weitgehend unverziert und weisen teilweise lediglich flache Rillen auf. In Dorestad scheint Stempelverzierung bei den späten Formen regelhaft aufzu­ treten und sehr häufig auch auf den Rändern angebracht worden zu sein34. Demge­ genüber werden alle frühen Formen als generell selten verziert bezeichnet; Ränder sind nur in Ausnahmefällen stempelverziert, Rillendekor auf den Gefäßen tritt häufi­ ger auf35. Allgemein scheint die Verzierung des Gefäßkörpers mit Rillen typisch zu sein für die Gefäße Badorfer Machart, die noch auf den spätmerowingerzeitlichen Gräberfeldern vorkommen; daneben tritt zwar im Gräberfeldmaterial auch Rollstem­ pelverzierung auf, doch ist sie selten und immer nur auf dem Gefäßkörper ange­ bracht. Häufigere Rollstempelverzierung, die dann auch oft auf dem Gefäßrand auf­ gebracht ist, scheint ein jüngeres typologisches Element zu sein, das beispielsweise auch im Schatzfund vom Krinkberg belegt ist. So legen die Vergleiche mit den Fun­ den aus Dorestad eine Datierung des Xantener Komplexes in die erste Hälfte des 8. Jahrhunderts nahe. In diese Richtung weist auch ein Keramikkomplex vom Petersberg bei Königswinter, den H.-E. Joachim publizierte36. Dort konnte ein in sich sehr einheitlicher, früh­ mittelalterlicher Keramikkomplex geborgen werden, der in vielen Merkmalen Paral­ lelen zu den Xantener Scherben aufweist. So beschreibt Joachim den Ton als ’mäßig hart gebrannt' und als recht stark mit feinem Quarzsand gemagert37. Im Formengut scheinen die wohl bauchigen Gefäße wie Xanten-Mühlenberg Nr. 2-3 und 5-6 zu 30 W HD: ebd. 76 Abb. 33,3.13; W IIIA: z. B. 82 Abb. 36,3; W VIA: 91 Abb. 48. 31 Vgl. ebd. 65 ff. Abb. 25 u. 28-30. 32 Auch an merowingerzeithchen Flaschen des 7.Jahrh. sind derartige Randformen nachweisbar; z. B. GlESLERa. a. O. (Anm. 14) 486 Abb. 6,1; 495 Abb. 11,5. 33 VAN Es u. Verwers a. a. O. (Anm. 29) 100 Abb. 55. 34 Die Formen W I u. II werden als fast durchweg stempelverziert bezeichnet, bei der Form W IIA sind alle Ränder stempelverziert; lediglich bei der älteren Form W HD ist Stempelverzierung selten (ebd. 60 ff. mit Tab. 6 ff.). 35 Man vgl. die Angaben ebd. 81 ff. mit Tab. 12 ff. für die Formen W IIIC—D, W V-VI und W IX—X. 36 H.-E. Joachim, Die Ausgrabungen auf dem Petersberg bei Königswinter, Rhein-Sieg-Kreis. Bonner Jahrb. 182, 1982, 393-439. 37 Zusammenfassend ebd. 435. 558 Clive Bridger und Frank Siegmund fehlen, doch finden sich Entsprechungen zu dem Randstück Nr. 4 mit seinem nach außen umgelegten und kantig abgestrichenen, leicht unterschnittenen Rand38. Vor allem jedoch sind unter den dort abgebildeten Bodenfragmenten ausschließlich Flach­ böden vertreten. Ebenso wie die Xantener Scherben sind die Gefäße vom Petersberg kaum dekoriert und weisen nur flache Rillenverzierung auf. Die Funde vom Peters­ berg stammen aus einem klaren stratigraphischen Kontext, in dem auch eine Riemen­ zunge und ein Preßmodel gefunden wurden, die in die Zeit um 700 n. Chr. datiert werden können39. Auch die entsprechenden Waren aus der Altstadtgrabung in Frank­ furt weisen ähnliche Merkmalskombinationen auf, wenn auch dort in Anlehnung an die ältere rheinländische Forschung andersartige absolutchronologische Ansätze ver­ treten werden; so dominieren in der Schicht 5c die geraden Böden, Linsenböden sind selten und Stempelverzierung tritt nie am Gefäßrand auf40. Damit zeichnen sich als typologisch jüngere Merkmale ab das Fehlen von Rillenver­ zierung, häufige Rollstempelverzierung auf dem Rand, Linsenböden sowie einerseits nach außen umgelegte, verdickte Ränder, die nach kurzer, rund verlaufender Hals­ kehle ohne Absatz in die bauchige Gefäßwandung übergehen, und andererseits unverdickte, steilere Ränder mit leichter Innenkehle. Diese Charakteristika häufen sich in Dorestad in der jüngeren Phase und sind in den münzdatierten Funden von Leer und Krinkberg vom Ende des 8. Jahrhunderts belegt41. Im Material von XantenMühlenberg fehlen diese jüngeren Merkmale. So scheint es trotz des keinesfalls befriedigenden Forschungsstandes derzeit gerechtfertigt, die Keramik aus XantenMühlenberg in die erste Hälfte des 8. Jahrhunderts zu datieren. Die Gefäßfragmente Nr. 13-14 aus Lüttingen lassen sich unschwer an Entsprechun­ gen aus dem Komplex vom Mühlenberg anschließen. Das Randstück Nr. 15 findet reiche Parallelen in der jüngeren Phase des Materials aus Dorestad und ließe sich somit in die zweite Hälfte des 8. oder erste Hälfte des 9. Jahrhunderts datieren42. Das Randfragment Nr. 16 ist von der Machart her mit dem Stück Nr. 13 vergleichbar; formal scheinen sich zu dem ziemlich dicken, nach oben gerade abgestrichenen Rand ebenfalls, wenn auch selten, Parallelen im jüngeren Fundgut aus Dorestad zu fin­ den43, obwohl auch wesentlich jüngere Parallelen zu nennen sind44. 38 z. B. ebd. 431 Abb. 31,9—11. 39 ebd. 411 Abb. 16,2.5 sowie 434 f. mit älterer Literatur. 40 O. Stamm, Spätröm. und frühmittelalterliche Keramik aus der Altstadt Frankfurt am Main (1962) 140 ff. (Gruppe 13). Man vergleiche ebd. 132 ff. auch die ebenfalls in Schicht 5c überwiegenden Waren Gruppe 10-12. 41 vgl. oben Anm. 19. Auch K. BÖHNER, Karolingische Keramik aus dem Bonner Münster. Bonner Jahrb. 151, 1951, 118-121. 42 Häufig bei den Gefäßen Will A; vgl. VAN Es u. VERWERS a. a. O. (Anm. 29) 81 ff. mit Abb. 36. 43 z. B. ebd. 70 f.; 76 Abb. 28,3; 29,14; 33,8. 44 z. B. JANSSEN a. a. O. (Anm. 12) 253 Abb. 6,6 (12. Jahrh.). Funde des 8. Jahrhunderts aus Xanten 559 DISKUSSION Die beiden vorgestellten Komplexe bilden zusammen mit den entsprechenden Funden und Befunden aus dem Bereich der Stiftsimmunität die drei einzigen bislang bekann­ ten archäologischen Fundpunkte des 8. Jahrhunderts im Raum Xanten45. Dies ist sicherlich zum Teil bedingt durch den mangelnden Forschungsstand; andererseits hatten die Verfasser Gelegenheit, große Teile der bislang unpublizierten mittelalterli­ chen Funde aus dem Stadtgebiet von Xanten durchzusehen und konnten dabei außer­ halb der Stiftsimmunität kein ähnlich frühes Material erkennen46. V144MH8en Der Befund zu den vier vorgestellten Fragmenten aus dem 8./9. Jahrhundert ist unklar. Immerhin kann trotz der leichten Verrundungen an den Brüchen aufgrund der letztlich guten Erhaltung dieser in unmittelbarer Rheinnähe geborgenen Stücke ein Flußtransport über eine weitere Distanz ausgeschlossen werden. Da aus derselben Kiesgrube auch drei zeitgleiche Flügellanzenspitzen stammen, scheint sich damit ein karohngerzeithcher Fundplatz anzudeuten47, der weiterer Beobachtung bedarf. Immerhin ist es denkbar, daß hier jener Altrheinarm in die Hauptstromrinne mün­ dete, über den noch Ende des 9. Jahrhunderts die Wikinger das ’ad sanctos‘ gelegene Stift erreichten48. Mühlenberg Wie oben geschildert, konnten sichere primäre Siedlungsbefunde in der Baugrube nicht mehr beobachtet werden. Die Scherben weisen zwar neben wenigen frischen Brüchen allseits Verrundungen auf, doch läßt die geringe Intensität dieser sekundären Abnutzung nicht per se auf eine größere Verlagerung schließen. Zudem kann durch die stratigraphische Überdeckung durch neuzeitliche Schuttschichten eine Verlage­ rung dieser Scherben zumindest für die Neuzeit ausgeschlossen werden. Dies weist 45 Im März 1985 konnten bei einer Begehung durch das RAB östlich des mittelalterlichen Stadtkerns am Möhlweg 40 bei der heutigen Gärtnerei Hebben einige Keramikfragmente aufgelesen werden. Die Scherben sind teilweise schwer bestimmbar, doch scheinen die ansprechbaren Stücke u.E. durchweg jün­ ger zu sein; sie bleiben deswegen für die ältere Karolingerzeit unberücksichtigt. - RAB Außenstelle Xan­ ten Eingangs-Nr. 174/86 u. 176/86. Wir danken Herrn D. v. Detten für diesen Hinweis. 46 Der 1985 bei einem Autounfall ums Leben gekommene Kollege M. Sawiuk bereitete eine Examensarbeit über die mittelalterliche Keramik aus Xanten vor. Wir hatten die Gelegenheit, gemeinsam mit ihm gut die Hälfte seines Materials im Original durchzusehen, wobei er uns versicherte, daß es sich bei dem Rest im wesentlichen um hochmittelalterliche bis neuzeitliche Relikte handele. Insofern meinen wir einen repräsentativen Überblick über das bislang Geborgene zu haben, was natürlich nicht ausschließt, daß uns kleinere Komplexe entgangen sind. 47 Flügellanzenspitzen unpubliziert, Aufbewahrungsort Heimatmuseum Marienbaum. Für freundl. Aus­ künfte danken wir Herrn Pfarrer Alsters. 48 J. Klostermann, Rheinstromverlagerungen bei Xanten während der letzten 10 000 Jahre. Natur am Niederrhein 1, 1986, 5-16 mit Abb. 7. - Zu Lüttingen zusammenfassend: R. ENGELSKIRCHEN, Lüttingen. Seine Siedlungs- und Wirtschaftsgeschichte, in: Studien zur Geschichte der Stadt Xanten 1228—1978. Festschr. zum 750jährigen Stadtjubiläum (1978) 279-289. 560 Clive Bridger und Frank Siegmund darauf hin, daß die Objekte an der Stelle oder in unmittelbarer Nähe ihrer primären Einlagerung aufgefunden wurden. Sie dürfen somit als zuverlässiger Anzeiger für die Lage einer Siedlungsstelle des 8. Jahrhunderts gelten. In einem unlängst erschienenen Aufsatz über die Grabungen in der Xantener Stiftsim­ munität haben die Verfasser auch Fragen der frühmittelalterlichen Topographie erör­ tert49. Angelpunkt unserer damaligen Überlegungen war die Identifizierung des älte­ sten nachantiken Baus unter dem heutigen Dom als die bei Gregor v. Tours beschrie­ bene Basilika zu Ehren des hl. Mallosus. Vor diesem Hintergrund erschienen uns die bisherigen Lokalisierungen des in diesem Zusammenhang erwähnten oppidum ’Bertuna‘ zweifelhaft; aufgrund weniger archäologischer Indizien schlugen wir vor, diese Siedlung eher in unmittelbarer Nähe der späteren Stadt Xanten zu suchen, und zwar im Süden oder Südosten. Eine solche Annahme würde gut zur schriftlichen Überliefe­ rung und einigen archäologischen Fakten passen sowie manche scheinbaren Wider­ sprüche ausräumen. Einen Hinweis auf die mögliche Lage einer frühmittelalterlichen Siedlung sahen wir in drei merowingerzeitlichen Einzelfunden, die an verschiedenen Stellen im Süden des mittelalterlichen Stadtkerns von Xanten zutage kamen. Die Fundstelle der hier vorgelegten Keramikbruchstücke von Xanten-Mühlenberg liegt nun genau in der Mitte des durch diese drei älteren Fundpunkte abgesteckten Areals; damit scheint ein weiteres gewichtiges Indiz für die Richtigkeit unserer damaligen Hypothesen gegeben. Wenn die Identifizierung des merowingerzeitlichen Baues IIIA unter dem heutigen Dom als die um 590 n. Chr. ’apud bertunensim oppidum4 errich­ tete Mallosus-Basilika der historischen Wahrheit entspricht, dann darf in dem hier vorgestellten Fundkomplex vom Mühlenberg ein Relikt jener frühmittelalterlichen Siedlung gesehen werden, die wir mit dem Namen ’Bertuna4 verbinden möchten50. Wir möchten deswegen den derzeitigen Kenntnisstand zur frühen Topographie in einer Karte zusammenfassen (Abb. 7). Für die Merowingerzeit sind bislang neben dem Gräberfeld unter dem heutigen Dom nur drei Einzelfunde belegt; zudem konnte wahrscheinlich gemacht werden, daß die Gereonskapelle benutzt wurde51. Im 8. Jahr­ hundert ist nunmehr für den Bereich Mühlenberg eine Siedlungsstelle nachgewiesen. In die Mitte des 8. Jahrhunderts fällt der Bau der Kirche IV unter dem heutigen Dom und wahrscheinlich auch die Stiftsgründung; weiterhin lassen sich im Bereich der Immunität westlich und östlich eines vermuteten Weges zwei räumlich getrennte Grä­ berfelder nachweisen. Diesem archäologisch faßbaren Bild seien Vorstellungen von D. Kastner gegenüber­ gestellt, die dieser aufgrund der sich aus den Schriftquellen ergebenden Informatio- 49 Bridger u. Siegmund a. a. O. (Anm. 1). 50 Wir möchten erneut schon auf den von Rütten und Steeger aufgezeigten Sachverhalt aufmerksam machen, daß das frühmittelalterliche Bertuna und das mittelalterliche Birten außer dem scheinbar identi­ schen Namen wenig gemein haben (F. RÜTTEN u. A. STEEGER, Das fränkische Xanten. Rhein. Vierteljahrsbl. 3, 1933, 281-320, hier 285 ff.). Bertuna mit einer Basilika (!) des hl. Mallosus wird als oppidum und Friesensiedlung bezeichnet, ist im 7. Jahrh. als Münzprägestätte belegt und lag auf erzbischöflichem Besitz (Nachweise bei BRIDGER u. SIEGMUND a. a. O. [Anm. 1]). Das mittelalterliche Birten, um 1021 erstmals erwähnt, ist eine unbedeutende Landgemeinde nut einer St. Peter-Kirche, die wohl als Eigenkirche eines Hofes entstand, und scheint erst durch eine Schenkung seitens des Grafen Balderich in den Besitz der Kölner Erzbischöfe gekommen zu sein (Nachweise zusammengestellt bei F. W. OEDIGER, Die Kirchen des Archidiakonats Xanten [1969] 126 f.; vgl. auch RÜTTEN u. STEEGER a. a. O. 293 ff.). 51 Nachweise bei BRIDGER u. Siegmund a. a. O. (Anm. 1); zur Gereonskapelle ebd. mit älterer Literatur. 561 Funde des 8. Jahrhunderts aus Xanten 200 m ji Burghaus s angen Ende SVittshof Klever Tor Burgbann O Erz bischöflicher / + Bereich i\ | Meertor \i .‘•+S3 52 L L____ je ---=-ZT Mitteltor Stlif tsbereich ( Ad Sanctos) g ^^Bischofsburgl Markt Blinde "Steg« : Burg bann ■ Binnenwalt . [♦ Siedlung ( Bertuna ) ? \<J (Stakenwall) Binnengraben Außenwah ,0 p de Ork -Außengraben alte; \ . B X Gereonskapelle \ ferüt haus/ Topographie der frühen Stadt nach D. Kastner aufgrund der Schriftquellen Archäologische Fundstellen des 6. bis 8. Jahrhunderts Scha rn tor Ma rstor Burgfrieden von 1392 400 Fuß vermutete Begrenzung vor 1389 + merowingerzeitliche Funde besiedelt bis 1389 abgerissen 1389-92 D3 karolingische Kirch« besiedelt vor und nach 1389 neubesiedelt nach 1389 Burgfriedensbezirk von 1392 7 karolingische Gräber • Fundstelle Mühlenberg vermutete Begrenzung im Frühmittelalter Früh- und hochmittelalterliche Topographie von Xanten. - Maßstab ca. 1:6000. 562 C. Bridger u. F. Siegmund, Funde des 8. Jahrhunderts aus Xanten nen über die mittelalterliche Topographie entwickelt hat52. Demnach weicht das vorund frühstädtische Besiedlungsbild Xantens von dem 1389 durch Erzbischof Fried­ rich von Saarwerden befestigten Terrain ab; erst diese jüngere Stadtbefestigung legt die künftigen Linien fest, denen dann auch die bis heute erhaltenen steinernen Stadt­ mauern folgen. Kastner kann wahrscheinlich machen, daß in der frühstädtischen Zeit die Besiedlung wesentlich weiter nach Norden ausgriff und daß umgekehrt im Süden der durch die heutige Hochstraße, Orkstraße und Mühlenberg umrissene Bereich vorher unbesiedelt war53; deswegen nahm er an, daß auch der Verlauf der (schwa­ chen) Stadtbefestigung von 1228 ein anderer war. Während Kastner im Norden einen abweichenden Verlauf der Befestigung von 1228 skizziert, folgt er im Süden dem spä­ teren Verlauf von 1389. Unseres Erachtens ist zu erwägen, ob nicht auch die Süd­ grenze der Befestigung von 1228 wesentlich weiter nördlich verlief und die erst nach 1389 aufgesiedelten Bereiche ausschloß54. Das Stift und die sich ’ad sanctos4 entwikkelnde Ansiedlung schlossen also zunächst genau jenen Bereich aus, für den im 8. Jahrhundert eine Siedlungsstelle belegt ist55. So zeichnet sich im Süden des späteren Stadtareals von Xanten, getrennt durch den immer freigebliebenen Marktplatz, das Terrain einer frühmittelalterlichen Siedlung ab, die zumindest noch im 8. Jahrhundert von dem sich im Norden entwickelnden Komplex ’ad sanctos‘ separiert war. Auch diese siedlungstopographischen Überlegun­ gen stützen die oben entwickelte These, dort das ’Bertuna’ des 7.-8. Jahrhunderts zu lokalisieren. 52 D. KASTNER, Stadterhebung, Stadtwerdung und das Privileg für Xanten vom 15. Juli 1228, in: Studien zur Geschichte der Stadt Xanten (1228-1978). Festschr. zum 750jährigen Stadtjubiläum (1978) 7-46, hier: 28 ff. Stadtplan n. Kastner bei A. KOSTER, Die Verleihung der Stadtrechte. Führungsblätter Regio­ nalmuseum Xanten 6 (1985). 53 Zum Namen Mühlenberg schreibt Engelskirchen: ’Mit Sicherheit führte in der Mitte der Hochstraße ein >steg< auf den Dom zu, während dessen rückwärtige Verlängerung wegen steigender Tendenz und meh­ rerer dortiger Mühlen die Bezeichnung Mühlenberg erhielt. . . Die heutige Bezeichnung >Mühlenberg< war nicht die ursprüngliche. Wie schon die obige Urkunde von 1444 dartut, wurde um jene Zeit hier eine >Neue Straße« angelegt, indes der Name Mühlenberg eine Stelle, die höher gelegen war, genauer andeu­ tete . . . Der Name der Neuen Straße hat alsbald dem des Mühlenbergs weichen müssen.' H. ENGELSKIR­ CHEN, Xantener Straßen- und Flurbezeichnungen im Stadtbereich und in der näheren Umgebung, in: Ze Santen. Beitr. zur Geschichte des Xantener Raumes (1936) 10-26, hier 24. 54 So heißt es noch 1463 im Latenbuch des Bischofshofes ’. . . diese Stadt erbaut und mit großen Gräben, die man binnen und buiten Xanten noch an alten Gebäuden und Fundamenten sehen kann' (zitiert nach: K. Flink, Zur Stadtentwicklung von Xanten [12.-14. Jahrh.J. Ann. Hist. Verein Niederrhein 182, 1979, 63-88, hier 66). Es ist zu fragen, woher ’alte Gräben' innerhalb (!) der Stadt stammen sollen, wenn nicht von dieser älteren Stadtbefestigung. 55 Es fällt auf, daß das Stift im ganzen sich eher nach Norden entwickelt und sich zum Süden hin offenbar nur begrenzt ausdehnen konnte. Die Kirche liegt exzentrisch im Süden der Immunität, deren Grenze dort recht dicht an den Bau anschließt. Der Kreuzgang der Kirche wird im durch diese verschatteten Norden errichtet. Der Stiftshof liegt im Norden.