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Kuckucksei-Syndrom
Kuckucksei-Syndrom
Kuckucksei-Syndrom
eBook149 Seiten1 Stunde

Kuckucksei-Syndrom

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Über dieses E-Book

Klappentext: Disziplin und Charakterstärke haben sein Leben bestimmt, und wenngleich ihm diese Zweckdienlichkeit nicht gerade eine Quelle der Freude erschlossen hat, so schuf er sich damit seine eigene kleine Welt, die in geregelten und überschaubaren Bahnen ablief. Mit einem harmlosen Maulwurfshügel beginnt es: Seine heile Welt bekommt die ersten Risse, der sus-pekte Nachbar mischt sich laufend ein, und die profunde Angst vor Mutter Bürstensteif, die ihn weiterhin gnadenlos bevormundet, entzieht seiner Hoffnung auf Liebe jede Grundlage. Als Mutter plötzlich ent-führt wird, fängt der Oberfeldwebel a.D. an, sein Dasein in Frage zu stellen und deckt ein Geheimnis auf, das sein Leben für immer verändern wird. Über das Buch: Ein dichtender Hippie, satanischer Regisseur, voyeuristischer Psychologe und eine dominante Mutter – sie alle machen ihm das Leben schwer, nichts bleibt dem Oberfeldwebel a.D. erspart auf seinem Marsch Richtung Abgrund.
SpracheDeutsch
HerausgeberBrighton
Erscheinungsdatum15. Okt. 2013
ISBN9783942200462
Kuckucksei-Syndrom

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    Buchvorschau

    Kuckucksei-Syndrom - Peter Pitsch

    Pitsch

    Prolog: Die Warnung

    Der Protagonist dieses Romans namens Bürstensteif ist in eigentlichem Sinne keine Fiktion, vielmehr ist er aus der karikaturhaften Darstellung eines real existierenden Individuums und seines sozialen Umfelds hervorgegangen. Wer diese fehlgeleitete, irrlichternde Gestalt de facto sein mag, beziehungsweise wie ihr richtiger Name lautet oder an welchem Ort sie sich derzeit aufhält und ihr Unwesen treibt, muss unter dem Aspekt der Vorsorge im Verborgenen bleiben. Das Rätsel um ihre konkrete Identität (wie auch jene ihrer wichtigsten Mit- und Gegenspieler) wird als einziges Geheimnis im Laufe dieser Geschichte nicht gelüftet werden. Nur durch eine solche Vorgehensweise lässt sich für den Autor das Risiko verringern, dass die Veröffentlichung der Bürstensteif-Chronik und somit ihres prekären Inhalts ein gerichtliches Nachspiel heraufbeschwört. Ebenso wie ein leibhaftiges Pendant des Hauptdarstellers seinen obligatorischen Platz in der Welt einnimmt, sind alle weiteren, hinsichtlich ihrer Verhaltensweisen übersteigert dargestellten Figuren der Personengalerie dem realen alltäglichen Leben entsprungen. An dieser ebenso simplen wie aufrichtigen Feststellung ist die Gefahr absehbar, die das Thema des vorliegenden Werkes – nämlich eine zwischenmenschliche Verlogenheit bestmöglich aufzuzeigen – zwangsläufig in sich birgt: Von Seiten des Verfassers wird keineswegs die Behauptung proklamiert, Ähnlichkeiten mit authentischen Personen oder vielmehr Übereinstimmungen charakterlicher Art seien rein zufälliger Natur. Insofern verweist der Verfasser auf seine Bereitschaft, den Wahrheitsgehalt der darin beschriebenen Ereignisse jederzeit sowohl bei vertraulicher als auch offizieller Begebenheit zu beteuern.

    Gleichwohl: den Regeln der Wahrscheinlichkeit nach wird eine gegen den Autor gerichtete Anklage wegen Verleumdung aus den Reihen der Betroffenen nicht erhoben werden, denn ein gerichtlicher Prozess würde notwendigerweise die jeweilige Identität sämtlicher Beteiligten offenbaren. Dem Leser allerdings sei an dieser Stelle ausdrücklich empfohlen, das biografische Werk so entschlossen wie endgültig aus der Hand zu legen, sofern sie oder er nicht bereitwillig in die Intimsphäre eines anderen, respektive wildfremden Menschen einzudringen beabsichtigt. Anderenfalls wird der eigenwillige Leser, der dieser Mahnung kein Gehör schenken mag und seine Wissbegierde wider den guten Ton zu stillen wünscht, wie ein neugierig grabender Maulwurf mitten im Leben des Protagonisten zutage treten. Metaphorisch gesprochen.

    P. Pitsch, Nykøbing am 16.9.2008

    Die Ordnung

    Er war ein Mann von großer Gründlichkeit und Charakterstärke, wie er selbst zu sagen pflegte, auch heuer fehlte es dem Oberfeldwebel a.D. weder an strenger Disziplin noch an eiserner Willenskraft.

    Pünktlich um sechs, wenn der Wecker schrillte, sprang Hannes Bürstensteif aus dem Feldbett und absolvierte zehnfach gestaffelte Kombinationen aus Gliederstrecken, Kniebeugen und Liegestütze. Nach dem Drill erstürmte er das Badezimmer, stellte sich wacker und geübt im Ertragen von Widrigkeit unter den eiskalten Strahl der Brause.

    Sein solides Frühstück – Spiegeleier und Schinkenröllchen und mordsstarker Kaffee – nahm er an einem runden Tischchen nahe dem Küchenfenster ein. Auf einem unbequemen Stahlstuhl hockend, den er liebevoll sein Auachen nannte, spähte er hinaus in den Garten und inspizierte das penibel gepflegte Rechteck seines Rasens. Nie hatte es das Geringste auszusetzen gegeben an dieser grünen Fläche der Ordnung und der Tugend, bis eines schicksalhaften Tages ein enormer Maulwurfshügel auftauchte, der das Sinnbild bürgerlichen Schaffens verunstaltete.

    Ganz der Eiferer, hechtete Bürstensteif durch die Terrassentür und blies gegen den aufrührerischen Schandfleck zum Angriff, und im Handumdrehen war die Erde geplättet und die geziemende Disposition wiederhergestellt. Hernach fiel das unerquickliche Zwischenspiel der Vergessenheit anheim, dank einer straffen Routine, die Bürstensteifs Dasein als Rentner bestimmte.

    Der weitere Tagesablauf sah vor, dass er seine Wanderstiefel schnürte und sich einen mit Proviant gefüllten Rucksack auf den Rücken lud – solcherart ausgerüstet, verließ er seinen Bungalow, der am Rande eines schläfrigen Vororts erbaut war, und stapfte auf einen angrenzenden Tannenwald zu. Den umhertrabenden Hundebesitzern, die seinen Weg kreuzten, schenkte er wenig Beachtung. Sofern ihm danach war, salutierte er zackig oder verlor eine Bemerkung über das Wetter, doch für gewöhnlich beließ er es bei einem ebenso knappen wie unwirschen Gruß.

    Die Äste der Bäume erzitterten wie von einem Schauer durchlaufen, als Bürstensteif vorbeikam, und streuten einen feinen Nadelregen über jenen Trampelpfad, auf dem er seit jeher seinen Zehn-Kilometer-Marsch bewältigte. An einer schattigen Stelle, wo ein Rinnsal sich plätschernd über eine Lichtung wand und ein von Moos umrankter Baumstumpf zum Verschnaufen einlud, löffelte er unprätentiös eine kalte Gulaschsuppe aus der Dose. Er krönte die schlichte Mahlzeit mit einem Stückchen von Mama Bürstensteifs hausgemachtem Apfelstrudel, entfaltete eine Boulevardzeitung und widmete seine Aufmerksamkeit einer kritischen Analyse der Nachrichten.

    Eben noch im kulinarischen Himmel, schlugen ihm die blutrünstigen Glossen heftig auf den Magen. Die haarsträubenden Artikel, die den Ernst der Lage verdeutlichten, bestärkten ihn in der Annahme, dass allerorts nichts als Verrat, Unheil und Intrige regierten. Nach der Lektüre faltete er die Gazette sorgfältig und versenkte sie gemeinsam mit der geleerten Konservendose im Rucksack. Dann folgte er dem mittelalterlichen Pfad, bis er auf eine verkehrsarme Landstraße stieß, welche am Ortsschild „Hinterwengen" vorbeiführend den Weg ins Zentrum seines Universums wies. Am Straßenrand lagen zuhauf die Indizien einer fortschreitenden Vernachlässigung der Sitten, jede weggeworfene Bierdose, jeder schrill farbige Joghurtbecher und jede zerknüllte Zigarettenschachtel peinigte das geschulte Auge, bedeutete einen Schlag gegen seinen Ordnungssinn und schürte die Alarmbereitschaft.

    Die Stunden des Nachmittags opferte Bürstensteif zugunsten der Haus- und Gartenpflege, er verrichtete alle anfallenden Arbeiten im Zeichen einer tadellosen Akribie, machte Unkraut und Staubflusen gleichermaßen den Garaus. Nachdem das umfangreiche Pensum erfüllt war, frönte er einer, wie er meinte, gediegenen Passion: Das Basteln von Modellflugzeugen, genauer gesagt, den Kopien von formvollendeten Propellermaschinen aus der Epoche des Zweiten Weltkriegs, die er nach ihrer Fertigstellung minutiös bemalte und an dünnen Bindfäden unter die Zimmerdecke hängte.

    Bei Anbruch des Abends war sein Tagewerk vollbracht, als Nutznießer einer geregelten Welt trat er auf die Terrasse und ließ seinen Blick über das abgegrenzte Terrain schweifen. Da sträubte sich angesichts eines frisch aufgeworfenen Erdhügels sein Schnauzbart, lief das kantige Gesicht puterrot an, quollen Zornesäderchen an den Schläfen hervor. Mit seiner bloßen Anwesenheit höhnte der Dreckhaufen seiner mustergültigen Lebensweise, und Bürstensteif schwante, dass er das Monstrum von einem Maulwurf unterschätzt hatte, dass es sofortiger Gegenmaßnahmen bedurfte, um den hinterhältigem Feind das Fürchten zu lehren. Von neuem nahm der Rentner seinen Spaten zur Hand, schlug wutentbrannt drauflos, klopfte und plättete, bis ihm der Schädel dröhnte und der Rücken krachte. Am Ende der Strapazen schob er grimmig das Kinn nach vorn und patrouillierte an einer Reihe fiktiver Rekruten entlang, die zu seinem Ergötzen plötzlich allesamt weiblichen Geschlechts waren und auf sein Geheiß bereitwillig die Uniformen fallen ließen.

    Die makabren Albträume, die Bürstensteif in der folgenden Nacht heimsuchten, kündeten von weiterem Unheil. Er träumte, überall wären Maulwürfe zugange, sie untergruben Moral und Anstand, planten Aufstände und Meuterei. Der alte Soldat konnte sich der Dreck aufwirbelnden Plagegeister nicht erwehren, immer neue Haufen schossen rings um ihn her aus der wogenden Matte. Das fiebrige Grauen aber, das sein Unterbewusstsein hervorrief, fand in einem perfiden Dämonenstreich seine Auflösung: der Erdboden unter seinen Füßen öffnete sich, ein schwarzes Loch sperrte seinen Schlund auf und verschlang sein zappelndes Opfer mit Haut und Haaren. Das Abhandenkommen seiner selbst schien von unendlicher Dauer. Das Nichts regierte, nichts wollte geschehen, nichts war vorhanden und nichts füllte das nichtige Nichts. Jählings aber, ohne einen mildernden Übergang, riss ihn der Waggon einer U-Bahn durch eine waagerechte Röhre mit enormer Akzeleration. Hinter den Zugfenstern herrschte diese komplette, alles vertilgende Dunkelheit; im hell erleuchteten Innenraum hingegen (wo Bürstensteif als einziger Fahrgast seitlich zur Fahrrichtung kauerte) waren die Wände mit den erstarrten Farbexplosionen hundertfach aufgesprühter Graffiti-Motive übersät. Ein wirres, surreales, comic-ähnliches Bilderchaos ohnegleichen, eine Phantasmagorie wahnsinniger Untergrund-Geister. Ein verworrenes, unübersichtliches Geflecht, aus dessen erschreckend exzessiver Fülle alle monströsen Formen der Fantasie hervorströmten. Seine Augen verschließend vor dieser grellbunten Vielfalt, glitt Bürstensteif rücklings aus dem rasenden Vorwärtsschub des Unbekannten in seine vorherbestimmte, beruhigende Existenz zurück, zurück an die Oberfläche der alltäglichen Dinge.

    Schweißgebadet schnellte er früh morgens aus dem Bett, sputete sich in Pantoffeln und Schlafrock gekleidet über die Wiese, um im diffusen Schein der Morgendämmerung nach dem Rechten zu schauen. Die Katastrophe, die dort seiner harrte, überstieg seine schlimmsten Befürchtungen: er zählte elf, o nein, ganze zwölf Maulwurfshügel, die das Schlachtfeld an strategisch wichtigen Positionen besetzten, und darunter verschanzte sich der Adversarius. Hier waren die Eigenschaften eines gestandenen Soldaten gefragt, Oberfeldwebel a.D., Ausbund an Geradlinigkeit und Tugend, Mannsperson aus Schrot und Korn.

    Mordlust loderte in seiner Brust, als er den Garten schlauch entrollte, am Wasserhahn anschloss und mit der Plastikspritze im Anschlag zu den feindlichen Stellungen schritt.

    „Ich komme, du Biest, hörst du, um dich ist es geschehen!, tönte er. „Ich werde dich überschwemmen, bis dir Hören und Sehen vergeht. Dir werde ich das Fell über die Ohren ziehen und dich anschließend den Geiern zum Fraß vorwerfen!

    Zwei geschlagene Stunden leitete er Liter um Liter in das Erdloch, ohne dass die geringste Spur eines Erfolges sich anbahnte, und nicht nur das Wasser, auch Hannes Bürstensteif schäumte inzwischen. Wo aber blieb der kleine Madenfresser, müsste er nicht jeden Moment mit aufgeweichtem Fell und feuchter Nase aus seinem Versteck krabbeln und den Oberfeldwebel winselnd um Gnade anflehen?

    „Ich weiß, dass du da unten steckst, mein Freundchen, doch glaube mir: früher oder später kriege ich dich am Schopf zu fassen, grummelte er. „Und wenn ich alles Wasser dieser Welt in dein Versteck leiten müsste!

    „Auch mal was von Wassersparen gehört?", vernahm

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