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Abb. 1 Kartierung eisenzeitlicher Fundstellen im Bochumer Raum (Kartengrundlage: Land NRW [2018] dl-de/by-2-0 [www. govdata.de/dl-de/by-2-0]; Grafi k: Firma ABS/F. Kempken, I. Luther). Eisenzeit AUSGRABUNGEN UND FUNDE Ingmar Luther Zwei neue eisenzeitliche Siedlungsplätze im Bochumer Süden Kreisfreie Stadt Bochum, Regierungsbezirk Arnsberg Verstreute Oberflächenfunde, vereinzelte Bestattungen und ausschnittsweise dokumentierte Siedlungen definieren das eisenzeitliche Fundstellenbild für den Bochumer Raum. Damit scheint sich hier das bis in die jüngere Vergangenheit vorherrschende Bild der Lippe- und Hellwegzone als kulturelles Anhängsel des Niederrheins zu bestätigen. 2016/2017 bot sich bei zwei großen Flächenumgestaltungen im Bochumer Süden die Möglichkeit, die Erkenntnisse zur westfälischen Eisenzeit zu erweitern (Abb. 1). Bei Arbeiten für den Neubau eines Bürokomplexes an der Wasserstraße dokumentierten Oberfl ächenfunde Siedlung, Einzelbefunde/ Baustellenbeobachtung Siedlung, Flächengrabung Archäologie in Westfalen-Lippe 2017 Gräber, Einzelbefunde 0 56 2000 m Mitarbeiter der LWL-Archäologie für Westfalen, Außenstelle Olpe, vorgeschichtliche Siedlungsbefunde. In der daraus resultierenden Ausgrabung wurden auf einer Fläche von 3,3 ha 1205 Eingrabungen einer eisenzeitlichen Siedlungsstelle freigelegt. Die Streuung der Relikte zeigt, dass die gesamte Fläche in der Eisenzeit intensiv genutzt wurde. Lediglich im Südosten lässt das Ausdünnen der Befunde eine Siedlungsgrenze vermuten. Etwa 1,5 km in südöstlicher Richtung, an der Laerheidestraße, konnte auf dem Baugrundstück eines projektierten Studentenwohnheims eine zweite eisenzeitliche Siedlungsstelle dokumentiert werden. In dem etwa 1 ha großen, geöffneten Geländeausschnitt wurden 268 Pfosten- und Siedlungsgruben dokumentiert. Hier konzentrierten sich die Befunde im Bereich einer Geländekuppe. Mit dem nach Süden zunehmenden Gefälle ließ sich auch ein merkbarer Befundrückgang feststellen, der auf das Auslaufen der Siedlung hinweist. Neben zahlreichen tieferen Vorrats- und Materialentnahmegruben (Abb. 2) wurden bei beiden Siedlungsplätzen unzählige Pfostenstellungen freigelegt. Von diesen Pfostengruben wird der überwiegende Teil zu ehemaligen Gebäuden gehört haben, die erosionsbedingt bis zur Unkenntlichkeit zerstört worden sind. Eine Zusammenfassung von Einzelbefunden zu vollständigen Gebäudegrundrissen ist nur in wenigen Ausnahmen möglich (Abb. 3). Bei der Betrachtung des Gesamtplans der Siedlung an der Laerheidestraße (Abb. 4) lassen sich mehrere Bereiche mit Pfostengrubenkonzentrationen abgrenzen, die neben einem SechsPfosten-Speicher auf die Reste eines großen Wohnstallhauses sowie weiterer kleiner Bauten hinweisen. Dieses für eine eisenzeitliche Hofstelle charakteristische Bild liefert auch die Auswertung des Gesamtplans der Siedlung an der Wasserstraße (Abb. 5). Hier lassen sich mehrere Bereiche mit Konzentrationen aus Pfostengruben abgrenzen, die auf zwei bis drei separate Hofstellen in Form von großen Wohnstallhäusern mit angegliederten kleinen Speicherbauten hinweisen. Noch ist ungeklärt, ob es sich bei der vorliegenden Siedlungsstel- AUSGRABUNGEN UND FUNDE gen Siedlungsgruben zu differenzieren. Aus dem Befund konnte jedoch eine reduzierend gebrannte Schale mit geschweiftem Oberteil, polierter Oberfläche und ornamentaler Kammstrichzier geborgen werden. Die aufwendige Herstellung und die Tatsache, dass das Gefäß offensichtlich als vollständige Schale stehend niedergelegt wurde, sprechen für eine Interpretation als Grab bzw. Deponierung. Parallelen zu dem Fund finden sich in Grabkomplexen der gesamten älteren Eisenzeit. Mit Beginn der Frühlatènezeit liegen diese Gefäßtypen nur noch aus Siedlungskontexten vor. Auffällig ist, dass der Bereich der Siedlung und der des Bestattungsareals scheinbar flie- Abb. 2 Profilschnitt durch eine mehrschichtig verfüllte Siedlungsgrube der Siedlungsstelle BochumWasserstraße (Foto: Firma ABS/I. Luther). Abb. 3 Profilschnitte durch die Pfostengruben eines Sechs-Pfosten-Speichers. Siedlung Bochum-Laerheidestraße (Foto: Firma ABS/I. Luther). 57 Archäologie in Westfalen-Lippe 2017 le um eine aus mehreren Einzelgehöften bestehende Siedlungsgemeinschaft gehandelt hat oder ob hier eine zeitliche Abfolge mehrerer Siedlungsphasen eines Gehöftes fassbar wird. Im Nordwesten dieser Siedlung wurden vier Gruben unterschiedlicher Größe angetroffen, bei denen es sich vermutlich um Brandgruben mit wenigen Gramm Leichenbrand handelt, wobei das geborgene Knochenmaterial noch nicht wissenschaftlich als Leichenbrand klassifiziert ist. Bei zwei Befunden handelt es sich um die Reste von zwei Brandgrubengräbern mit Steinpackung. Zahlreiche Quarzit- und Granitbruchstücke lagen in lockerer Streuung über und um das Grabinventar verteilt. Auffällig sind zwei anpassende Fragmente eines Unterlegers, die aus den beiden Gräbern stammen und damit einen Bezug zwischen den Bestatteten herstellen. Aus den Grabinventaren stammen eine Silexklinge, eine Silexpfeilspitze sowie eine kleine, flache Bernsteinperle. Kleine Töpfe und Gefäße mit ausbiegendem oder steilem Rand, die häufig mit Randtupfen verziert sind, ein dreigliedriger Topf mit kurzem Steilrand sowie eine kalottenförmige Ösenschüssel mit abgesetztem Fuß und ornamentaler Kammstrichzier ermöglichen eine Datierung in die späte Hallstattzeit. Bei dem vierten Befund fehlt der Hinweis auf eine Bestattung. Zudem ist diese Eingrabung aufgrund der homogenen Verfüllung und ihrer diffusen Grenzen nicht von den übri- Archäologie in Westfalen-Lippe 2017 Abb. 4 Übersichtsplan der Ausgrabung BochumWasserstraße. Farbig hervorgehoben sind mögliche Gebäudestandorte (Grafi k: Firma ABS/ F. Kempken, I. Luther). ßend ineinander übergehen. Bereits in Bönen (Kreis Unna) konnte vor wenigen Jahren Vergleichbares beobachtet werden. Die zahlreichen Befunde der Fundstellen beinhalteten verhältnismäßig wenige Funde. Das Material besteht neben einigen Spinnwirteln, einem Webgewicht sowie Gesteins- und Silexartefakten fast ausschließlich aus Gefäßscherben. Unter den meist stark abgerollten Gefäßresten dominiert oxidierend und uneinheitlich gebrannte Ware gegenüber der unter einer reduzierenden Brennatmosphäre hergestellten Gefäßkeramik. Bei der handaufgebauten Keramik handelt es sich um siedlungstypische grobe Gebrauchsware, deren Außenseiten verstrichen, geglättet oder mit einer Schlickerung versehen sind. Selten sind feinkeramische Erzeugnisse mit polierten Oberflächen. 58 Im keramischen Inventar sind neben unverzierten Wandungsscherben auch einige Randund Bodenscherben enthalten, wobei eine präzise zeitliche Eingrenzung schwierig bleibt, da es sich bei der Mehrheit der rekonstruierbaren Gefäßtypen um einfache und langlebige Gebrauchsformen handelt. Dennoch erlauben z. B. die Fragmente von Steilrandtöpfen, von Töpfen mit kurzem, steilem, schwach aufbiegendem Rand oder von Töpfen mit s-förmigem Profil die Siedlung an der Wasserstraße in einen Horizont der Späthallstattzeit zu datieren. Im Vergleich zu diesem Keramikspektrum weist das keramische Fundmaterial von der Siedlungsstelle an der Laerheidestraße wenig chronologisch sensible Gefäßformen auf. Auffällig ist zudem die Armut an Ziermustern und das häufigere Vorkommen von Feinkera- AUSGRABUNGEN UND FUNDE de der Ruhr-Universität Bochum (Abb. 1) zeigt sich die Region als eine dicht aufgesiedelte eisenzeitliche Siedlungskammer. Summary A large-scale investigation was carried out at two settlement sites, 1.5 km apart, with associated graves dating from the Early and Middle pre-Roman Iron Age at Bochum in 2016/2017. Complete ground-plans of houses were reconstructed in only a very small number of cases. However, several clusters of post pits which in- 59 Abb. 5 Übersichtsplan der Ausgrabung Bochum-Laerheidestraße. Farbig hervorgehoben sind mögliche Gebäudestandorte (Grafi k: Firma ABS/F. Kempken, I. Luther). Archäologie in Westfalen-Lippe 2017 mik. Anhand des vorliegenden Materials lässt sich dieser Fundplatz nur in die frühe Eisenzeit – eventuell auch an den Übergang von der Bronze- zur Eisenzeit – datieren. Die Ergebnisse der 14C-Datierungen lagen bei Redaktionsschluss für beide Siedlungsstellen noch nicht vor. Die zwei großflächigen Ausgrabungen in Bochum zeigen ein agrarisch geprägtes Siedlungsbild der älteren und mittleren vorrömischen Eisenzeit mit kleinen Gehöften und zugehörigen Gräbern. Gemeinsam mit der früheisenzeitlichen Siedlung auf dem Gelän- AUSGRABUNGEN UND FUNDE dicate the locations of buildings were identified. The range of finds predominantly consisted of fragments of vessels. A small number of flint artefacts, grinding and whetstones, fragments of spindle whorls as well as two beads, one of amber, the other of glass, were also recovered. Archäologie in Westfalen-Lippe 2017 Mirko Geisendorf, Björn Linnemann Eisenzeit Samenvatting In 2016/2017 zijn in Bochum twee 1,5 km van elkaar gelegen terreinen met nederzettingssporen en graven uit de vroege en midden-ijzertijd grootschalig onderzocht. Huisplattegronden zijn slechts sporadisch te reconstrueren. Concentraties van paalsporen duiden echter op diverse plaatsen de locaties van gebouwen aan. Aardewerkscherven domineren het vondstspectrum. Tot de vondsten behoren ook inci- Literatur Klemens Wilhelmi, Beiträge zur einheimischen Kultur der jüngeren vorrömischen Eisenzeit und der älteren römischen Kaiserzeit zwischen Niederrhein und Mittelweser. Bodenaltertümer Westfalens 11 (Münster 1967). – Frank Verse, Die Keramik der älteren Eisenzeit im Mittelgebirgsraum zwischen Rhein und Werra. Münstersche Beiträge zur ur- und frühgeschichtlichen Archäologie 2 (Rahden/ Westf. 2006). Ein eisenzeitlicher Siedlungsplatz in Schwerte-Wandhofen Kreis Unna, Regierungsbezirk Arnsberg Von April bis Anfang Juni 2017 untersuchte die Firma Archbau eine 1,5 ha große Fläche in Schwerte-Wandhofen. Dies wurde notwendig, da eine landwirtschaftliche Nutzfläche zum Gewerbegebiet umgewandelt werden sollte. In direkter Nachbarschaft zum Untersuchungsgebiet befanden sich einst das Haus Wandhofen sowie eine Hofanlage, welche noch auf der Preußischen Uraufnahme verzeichnet ist. Zunächst wurde 2016 eine Sachverhaltsermittlung durchgeführt, wobei vor allem im Nordosten des Feldes eine größere Befunddichte auftrat. Im Verlauf der 2017 durchgeführten Grabung wurde dieser Bereich vollständig untersucht, wobei insgesamt 192 Befunde dokumentiert werden konnten (Abb. 1). Der Großteil wurde als Pfostengruben erkannt, wobei lediglich zwei Gebäudegrundrisse sicher rekonstruiert werden konnten, darunter ein in der Region bisher einmaliger Achtzehn-Pfosten-Bau sowie ein Sechs-Pfosten-Bau. Weiterhin wurden zwei parallel verlaufende lange Pfostenreihen erfasst, die ungefähr 100 m auseinanderlagen und zugleich die Grenzen des Grabungsareals bildeten. Eine der zahlreichen Gruben wies eine mit Keramik, Sandstein und Holzkohlen ausgekleidete Sohle auf 60 dentele vuurstenen artefacten, slijp- en wetstenen, fragmenten van spinklossen en een barnstenen en een glazen kraal. (Abb. 2). Eine Funktion dieser Grube konnte nicht bestimmt werden. Im Ostteil der Fläche lag ein 4 m langer und 0,8 m breiter Erdofen (Abb. 3), der sich durch seine ungewöhnlich großen Ausmaße sowie seine Seltenheit in der Region auszeichnet. Bei einem Erdofen wurde in einer Grube ein Feuer entfacht, auf welchem eine dichte Steinpackung aufgebracht wurde, die so die Hitze speicherte und über längere Zeit abgab. Das in Wandhofen ergrabene langgestreckte, wannenförmige Exemplar zeigte eine Verziegelung der Grubenwände und eine fast vollständige Steinpackung mit einer darunterliegenden, mächtigen Holzkohlenschicht. Datierendes Fundmaterial konnte nicht festgestellt werden. Vergleichbare Erdöfen wurden vor allem in Norddeutschland sowie im südlichen Mitteleuropa entdeckt, so z. B. insgesamt 22 hallstattzeitliche Bratgruben in Heidenheim an der Brenz-Großkuchen (Baden-Württemberg), wobei alle Öfen von deutlich kleineren Ausmaßen waren. In den vergangenen Jahren kamen einige wenige Exemplare auch in Nordrhein-Westfalen, wie etwa im rheinländischen Erftstadt-Blessem, zutage. Der einzige westfä-