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transversal.at Die Stadt als Stätte der Solidarität Die Stadt als Stätte der Solidarität Die StaDt alS Stätte Der SoliDarität Niki kubaczek uND MoNika Mokre (Hg.) transversal texts transversal.at ISBN der Printausgabe: 978-3-903046-26-9 transversal texts transversal texts ist Textmaschine und abstrakte Maschine zugleich, Territorium und Strom der Veröffentlichung, Produktionsort und Plattform - die Mitte eines Werdens, das niemals zum Verlag werden will. transversal texts unterstützt ausdrücklich Copyleft-Praxen. Alle Inhalte, sowohl Originaltexte als auch Übersetzungen, unterliegen dem Copyright ihrer AutorInnen und ÜbersetzerInnen, ihre Vervielfältigung und Reproduktion mit allen Mitteln steht aber jeder Art von nichtkommerzieller und nicht-institutioneller Verwendung und Verbreitung, ob privat oder öffentlich, offen. Dieses Buch ist gedruckt, als EPUB und als PDF erhältlich. Download: transversal.at Umschlaggestaltung und Basisdesign: Pascale Osterwalder transversal texts, 2021 eipcp Wien, Linz, Berlin, London, Zürich ZVR: 985567206 A-1060 Wien, Gumpendorferstraße 63b A-4040 Linz, Harruckerstraße 7 contact@eipcp.net eipcp.net ¦ transversal.at Diese Publikation wurde von der RD Foundation Vienna finanziert. Das eipcp wird gefördert von: Kulturabteilung der Stadt Wien, Wissenschafts- und Forschungsförderung; Foundation for Arts Initiatives. inhalt Die Stadt als Stätte der Solidarität Einleitung von Niki Kubaczek und Monika Mokre 11 raStStätteN, SaNctuarieS, zuflucHtSorte Von der Seenotrettung zur infrastrukturmaschine Maurice Stierl im Gespräch mit Niki Kubaczek 27 zuhause in city Plaza: Die grenze zwischen gastgeber_innen und gästen in frage stellen von Olga Lafazani 49 Moralische geographien der flucht in europa aus der Perspektive des islam von Tahir Zaman 67 Die kirche als raum der Solidarität: Die kirchenasylbewegung in Deutschland von Julia Mourão Permoser 97 iNfraStruktureN, oikoNoMieN, reProDuktioNSStätteN gleichheit muss in der Praxis hervorgebracht werden Serhat Karakayali im Gespräch mit Niki Kubaczek und Monika Mokre 123 Wohnen, finanzialisierung und Migration. ein ethnographisch informierter blick von Manuela Bojadžijev 141 Die solidarische Stadt braucht Vorstellungskraft von Ame Panzh und Katalin Erdödi 159 Stadt und ernährung – green capitalism oder urban commons? von Michael Kalivoda und Monika Mokre 181 käMPfe uM aNkuNft, StätteN Der zuSaMMeNkuNft Solidarische Stadt als antirassistische Politik? Ein Gespräch zwischen Berena Yogarajah, Dominic Kropp, Henrik Lebuhn und Niki Kubaczek Infrastrukturen der Solidarität gegen Racial Profiling von Sarah Schilliger 207 229 Die Stadt als Differenz Vassilis S. Tsianos im Gespräch mit Niki Kubaczek und Monika Mokre 255 Vor der Nationalisierung des zusammenhalts von Sheri Avraham und Niki Kubaczek 279 Biografien 305 SoliDariScHe StaDt alS aNtiraSSiStiScHe Politik? ein gespräch zwischen berena yogarajah, Dominic kropp, Henrik lebuhn und Niki kubaczek über solidarische Städte, das ambivalente Verhältnis zu den institutionen und die Suche nach einer beständigen antirassistischen Praxis Dominic: Solidarische Stadt ist zuerst einmal ein schillernder Begriff mit unscharfer Bedeutung, ein leerer Signifikant in gewissem Sinne. Er birgt somit das Potential in sich, ganz unterschiedliche Leute zusammenzubringen. Die Gefahr ist allerdings, und das haben wir bereits in der Praxis erlebt, dass es völlig beliebig wird und dadurch kein kollektives politisches Handeln entstehen kann, weil dann einfach Allgemeinplätze formuliert werden. Um Solidarity City als Konzept zu schärfen, haben wir als Interventionistische Linke Köln im Sommer 2018 eine Veranstaltungsreihe organisiert. Wir haben versucht, unseren Begriff der solidarischen Stadt zu präzisieren, indem wir uns unterschiedliche Aspekte davon angesehen haben: Wir hatten Menschen aus Polikliniken hier, Menschen, die versuchen einen anonymisierten Krankenschein für alle Stadtbewohner_innen zu entwickeln, wir haben mit Gewerkschaften über Ausschlüsse und Entrechtungen in Arbeit und Arbeitskämpfen gegenüber Migrant_innen und Geflüchteten gesprochen. Ein weiterer Eckpunkt war das Thema Abschiebungen: Wie können Abschiebungen verhindert werden, was könnte Bürger_innenasyl hier für eine Rolle spielen? Wenn wir also ein Verständnis davon bekommen wollen, was solidarische Stadt bedeutet, dann braucht es eine Auseinandersetzung mit den institutionellen und alltäglichen Ausschlüssen und Grenzziehungen, aus der die solidarische Stadt der Ausweg sein soll. Solidarische 207 Stadt bedeutet also, dass wirklich alle, sprich unabhängig vom Aufenthaltsstatus, Zugang zu sozialer Infrastruktur und zu Rechten haben. Was also solidarische Stadt nicht ist, ist in der Stadt einfach nett zueinander zu sein. Berena: Dieses Bedürfnis, eine aktualisierte antirassistische Perspektive formulieren zu können, hat natürlich auch viel mit dem Sommer der Migration 2015 zu tun. Viele Menschen, die in den sogenannten Willkommensinitiativen auch heute noch zusammenkommen und praktische Unterstützungsarbeit machen, haben durch diesen Sommer teilweise eine völlig andere Aufmerksamkeit für Migration und alltägliche Grenzziehungen bekommen. Wie die Grenze und Ausschluss in der Stadt funktionieren, ist seitdem für viele in der Bevölkerung – die das eben nicht selbst, am eigenen Leib mitbekommen – viel präsenter. Was also tun wir mit dieser gesteigerten Aufmerksamkeit, was lässt sich wie politisch daraus machen? Eine weitere und ungewohnte Frage, die sich uns als radikale Linke stellt, ist: Wie setzen wir uns mit der Verwaltung ins Verhältnis? Wo ist Kooperation sinnvoll, wo Konfrontation? Auf der einen Seite Druck aufbauen, gleichzeitig Konzepte und Wissen generieren, das dann aufgegriffen werden soll. Aber gerade an der Schnittstelle zu Verwaltung und den diversen etablierten oder gar staatlichen Institutionen tun sich Möglichkeiten auf, konkret Dinge zu verändern, Zugänge und Ressourcen umzuverteilen. In all diesen, ganz unterschiedlichen Bereichen stellte sich uns immer wieder die gleiche Frage: Wo macht es Sinn, sich zu verbinden und zu verbünden und wo nicht? Was könnte helfen, Abschiebungen zu verhindern 208 und wo geht es darum, Abschiebungen nur humaner zu machen? Es geht nicht darum, genauer hinzuschauen, wer abgeschoben wird und wer bleiben darf, sondern es geht um das Recht auf Rechte. Es kann natürlich ein netter Schritt sein, darauf hinzuweisen, wie willkürlich die Abschiebepraxis ist. Unsere Forderung nach einer solidarischen Stadt stellt jedoch noch viel grundsätzlicher Abschiebungen per se in Frage. Mit oder gegen die Verwaltung kämpfen? Henrik: Ihr habt jetzt beide betont, dass es eine schwierige Situation ist, aus den sozialen Bewegungen heraus mit Politik und Verwaltung zusammenzuarbeiten. Genau in diesem Sinne muss man in der Solidarity City Debatte klar unterscheiden, um strategisch handeln zu können: Zum einen gibt es linke und linksliberale Stadtregierungen auf europäischer Ebene. Die haben sich seit 2016 unter dem Label Solidarity Cities vernetzt. Anders als bei aktivistischen Gruppen geht es diesen Stadtregierungen weniger um eine gesellschaftliche Transformation, sondern eher darum, die „Flüchtlingskrise zu managen“. Nichtsdestotrotz ist das eine wichtige Gegenposition gegen die Politik der „Festung Europa“, die von rechten Regierungen bestimmt wird. Das haben wir auch wieder im Fall von Moria auf Lesbos gesehen. In Deutschland haben im September 2020 174 Städte und Kommunen ihre Aufnahmebereitschaft für Geflüchtete erklärt und damit die konservativen Bundespolitiker_innen vor sich hergetrieben. Hätte es diesen Druck aus den Städten nicht gegeben, hätte die Bundesregierung noch viel weniger Geflüchtete aus Moria aufgenommen. Hinter diesen Aufnahmezusagen steht natürlich auch die unermüdliche Arbeit der lokalen Initiativen, wie zum 209 Beispiel die Sichere Häfen Kampagne. Aber: Das Netzwerk Solidarity Cities agiert eindeutig in einem Setting des städtischen Regierens. Ein wichtiger Adressat ist die EU, denn von der möchten die Stadtregierungen mehr Geld für soziale Infrastruktur. Für die Alltagspolitik ist es dennoch ausgesprochen wichtig, was für Maßnahmen in diesen Städten beschlossen werden und welche Ressourcen diese Städte auf lokaler Ebene bereitstellen. Wir sollten jedoch nicht vergessen, dass es dabei immer auch um Standortpolitik geht: Diversität und Interkulturalität erhöhen die Attraktivität einer Stadt im Wettbewerb um innovative Investitionen, um junge Leute und vor allem um die begehrten professionals. Mit konservativen Parolen kann man zum Beispiel in der Kreativwirtschaft kaum punkten. Es gilt also kritisch zu schauen, welche Beweggründe und Ideologien hinter bestimmten Labeln stecken. Davon zu unterscheiden ist das Solidarity City Netzwerk, das fast den gleichen Namen hat, wie das Solidarity Cities Netzwerk: Das Solidarity City Netzwerk ist ein Bündnis aus sehr unterschiedlichen GraswurzelBewegungen. Sie haben sich zwar unter diesem Namen erst in den letzten Jahren gegründet, die einzelnen Initiativen haben aber oft schon eine lange Geschichte. Das Netzwerk besteht aus Willkommensinitiativen, migrantischen und linksradikalen Gruppen wie auch aus Kirchen- und Bürgerrechtsgruppen. Dabei gibt es natürlich Überschneidungen mit linken Stadtregierungen, aber die Graswurzel-Bewegungen gehen mit ihren Forderungen viel weiter als ihre legalistische Namensschwester: Ihnen geht es um eine Demokratisierung von Stadtpolitik, die sich dann gar nicht mehr nur an den Begriffen Flucht und Migration festmacht, sondern viel 210 grundlegender die Frage stellt: Warum haben die Menschen, die am gleichen Ort zusammenleben, eigentlich nicht die gleichen Rechte? Was ich interessant finde, ist die Frage, ob und wie diese zwei unterschiedlichen Politik-Ansätze zueinander finden können, wie hier ein Dialog entstehen kann. In Zürich etwa wurde das durch die Shedhalle angestoßen: Das ist eine alternative Kunstinstitution in der Stadt, die hier eine Art Vermittlerinnenrolle eingenommen hat. Die haben dann zum Beispiel gemeinsame Veranstaltungen mit Aktivist_innen, Migrant_innen, Expert_innen und Stadtpolitik organisiert, um die Leute miteinander ins Gespräch zu bringen. Aus diesen Gesprächen heraus sind konkrete Vorschläge entstanden, wie man beispielsweise Sans Papiers in der Stadt unterstützen kann, etwa durch eine kommunale City ID für alle Menschen in der Stadt, wie sie auch New York hat. Ähnliches passiert auch in Berlin, wo es seit 2016 einen links-regierten Senat gibt, der auf vielen Politikfeldern im Gespräch mit den lokalen Initiativen ist. Dabei geht es immer auch um die Frage, wie viel Druck von aktivistischer Seite aufgebaut werden kann. Aber auch: Wie viel Expertise können Aktivist_innen einbringen? Schließlich wissen Politik und Verwaltung oft gar nicht so genau, wie man am besten vorgeht, wenn neue und innovative Lösungen gesucht werden. Auf dem Feld der Migrationspolitik geht es dann zum Beispiel darum, wie eine anonymisierte Gesundheitskarte funktionieren könnte, mit der auch Menschen ohne Krankenversicherung an eine Behandlung kommen, ohne dabei ihren Aufenthaltsstatus preisgeben zu müssen. Da haben Gruppen wie das Medibüro eine jahrelange Erfahrung 211 mit der Versorgung von Menschen ohne regulären Aufenthaltsstatus und genau diese Erfahrung fehlt in den formalen Institutionen und in der Verwaltung. Wie und unter welchen Bedingungen kommen die jetzt zusammen? bündelung, arbeitsteilung, beständigkeit Dominic: Der Zusammenhang, mit dem wir die Diskussion zur solidarischen Stadt hier in Köln gestartet haben, ist sehr heterogen: Da sind Sozialarbeiter_innen dabei, Menschen aus Willkommensinitiativen, Bauchlinke mit humanistischem Selbstverständnis und damit eben auch einige Leute, die mit politischer Organisierung noch nicht so viel Erfahrung haben. Dann gibt es aber auch Autonome, die die klassischen Abschiebeblockaden gerne wieder machen würden, obwohl sie aufgrund von Gesetzesänderungen nicht mehr in der Form funktionieren. Unter all diesen sehr unterschiedlichen politischen Zugängen und Vorstellungen stellt sich immer wieder die Frage, wie wir eine Konkretisierung und Schärfung hinkriegen. Und da verrennen wir uns immer wieder... Berena: Im Gegensatz zu anderen Städten hat der Stadtrat in Köln eine direkte Aufnahme von Menschen auf der Flucht bereits zugesagt. Aber mit einer Bürger_innenasylgruppe, die aus wenigen Leuten besteht, die auch noch damit beschäftigt sind, eine Öffentlichkeitskampagne zu stemmen, d.h. Unterschriften zu sammeln und Fotos zu schießen, ist das nur eine Frage der Zeit, bis alle vollkommen erschöpft sind. Es braucht also Zuwachs, wenn Dinge Bestand haben sollen. 212 Gleichzeitig arbeiten die wenigen Aktivist_innen in den unterschiedlichsten Gruppen parallel, anstatt die Arbeit besser zu koordinieren. Viele Diskussionen werden so an unterschiedlichen Orten immer wieder geführt. Diese doppelte Arbeit und die sich wiederholenden Debatten fressen Ressourcen und führen zu einer Erschöpfung, die vermieden werden könnte, wenn wir uns zusammenschließen und die Arbeit aufteilen. Wenn wir Erschöpfung und Auf-der-Stelle-Treten vermeiden wollen, braucht es Bündelung. Die unterschiedlichen Arbeitsgruppen, Initiativen und Organisationen müssen voneinander Bescheid wissen, um zu verstehen, woran die anderen gerade arbeiten. Anderenfalls ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Menschen verzagen und die unterschiedlichen Initiativen und Kämpfe versanden. Niki: Ich finde du sprichst hier einen sehr wichtigen Punkt an, und zwar die Erschöpfung. Meiner Meinung ist sie eine nach wie vor unterschätzte Bedrohung für den politischen Aktivismus. Die Frage ist also, wie der Erschöpfung entkommen werden kann, oder anders formuliert: Wie Beständigkeit und Ausdauer herstellen? Diese Frage nach der Dauer, wie wir das Andauern und Fortdauern der Kämpfe – auch nach ihrem euphorischen Höhepunkt – ermöglichen können, beschäftigt mich immer wieder: So etwa bei den unibrennt-Protesten von 2009, als sich das vor kurzem noch gesteckt volle Audimax sukzessive leerte und der Elan auströpfelte und viele nach der Phase der Euphorie frustriert waren, dass sich scheinbar plötzlich niemand mehr interessierte für den Kampf gegen die Neoliberalisierung der Uni. Oder bei den Refugee Protesten im Winter 2012 / 2013, als es immer weniger und weniger Leute wurden, die bereit 213 waren, in den Sigmund-Freud-Park, dann in die Votivkirche und schließlich ins Servitenkloster zu kommen, um mitzudenken, mitzureden, mitzuhelfen und mitzukämpfen. Als dann die Akademie der bildenden Künste im Herbst 2013 besetzt werden sollte, waren es nur mehr ein Handvoll Menschen, die kamen und bereit waren, mit zu tun. Damit war der Besetzungsversuch natürlich auch zum Scheitern verurteilt. Die Suche nach einer beständigen, fortdauernden und andauernden politischen Praxis bedeutet vielleicht auch, nicht nur auf den Moment des Umsturzes zu fokussieren, sondern auf den Weg dahin und den Weg danach: Es würde bedeuten, die vorherrschenden gesellschaftlichen Verhältnisse dadurch umzustürzen, indem sie untergraben, ausgehöhlt, umzingelt und durch viel bessere, befriedigendere, freiere, glückversprechendere, gerechtere und solidarische Verhältnisse ersetzt werden. So verstehe ich auch Bini Adamczaks Revolutionstheorie. 1 Die rassistische und nationalistische Normalität könnte so umgestürzt werden, in dem wir sie aushöhlen, anknabbern, ansägen. Die Stadt als ein Ort des Zusammenlebens von sehr unterschiedlichen Biographien und Lebensrealitäten verweist darauf, dass das Gemeinsame, in dem wir uns zuhause fühlen, nicht durch die Homogenität charakterisiert ist – wie es der Nationalismus uns immer wieder gerne einredet – sondern vielmehr durch die Heterogenität und die Nicht-Identität. Die Non-Konformität ist viel weiter verbreitet, als wir glauben, hat es Rubia Salgado einmal sehr schön Adamczak, Bini (2017): Beziehungsweise Revolution. 1917, 1968 und kommende. Berlin: Suhrkamp. 1 214 auf einer Donnerstagsdemo auf den Punkt gebracht. 2 Das städtische heterogene Gemeinsame kann also in Anschlag gebracht werden gegen die Idee der Nation, weil die Stadt immer schon offensichtlich macht, dass das Gemeinsame nie homogen gewesen ist. Dominic: Ich glaube, dass Solidarity City oder Seebrücke auch den Raum des Politischen verändert haben: Ich denke hier an eine Person, die sich durch die Begegnungen und Erfahrungen in Willkommensinitiativen auf einmal für das Aktivist_innentreffen in Palermo interessiert und so mitverfolgt, was dort rebellische Stadtaktivist_innen, Bügermeister_innen und Seenotretter_innen diskutieren. Das geht dann nochmal etwas weg von stadtpolitischen Fragestellungen vor Ort, weil es ja auf eine Transnationalisierung der Räume des Politischen verweist: Unterschiedliche Kämpfe, Initiativen, Orte bzw. Räume, die über translokale Verbindungen jetzt in einem Zusammenhang stehen, der vorher nicht existierte. Diese Verbindungen zu sehen, kann ja durchaus auch Mut machen, um durchzuhalten, auch wenn die politische Lage wieder mal zermürbend ist. Niki: Um deinen Begriff von vorher aufzugreifen: Ich glaube ja, dass das Ziel sein muss, dass es mehr Bauch-Linke gibt. Und genau das ist es, was politische Ereignisse schaffen, wie etwa der Sommer 2015: Genau über diesen Sommer haben viele Menschen einen anderen Begriff von Migration und Nation bekommen, weil sie Leute kennen gelernt haben, die ihnen von Salgado, Rubia (2018): Willst du Samba, https://transversal.at/ blog/willst-du-samba, 2020-12-27. 2 215 Realitäten erzählt haben, von denen sie davor keine Ahnung hatten. Denn es ist ja nicht so, dass heute die Zugänge zu Informationen fehlen – wie es vielleicht vor ein paar Jahren oder Jahrzehnten noch der Fall war. Warum Leute keine Lust mehr haben, in Afghanistan zu leben, kann man erfahren, wenn man Interesse hat, diese Informationen herauszubekommen. Nur: Die wenigsten in Europa interessiert das. Das Entscheidende am Sommer 2015 waren, glaube ich, die Erzählungen und die Begegnungen, und damit die Perspektivierungen, die in diesem Sommer nach Europa gekommen sind. Ich versuche hier nicht zu argumentieren, dass alle, die im Sommer 2015 die Leute willkommen geheissen haben, zu vollkommen selbstreflektierten, kritischen und historisch-bewussten Antirassist_innen geworden sind – schön wär‘s. Und wer ist das schon? Aber es war ein Anfang, bzw. hätte es ein Anfang sein können. Als Linke und als in der Kritik geübte Forschende vergessen wir, glaube ich, oft, aufmerksam und sorgsam mit der Möglichkeit umzugehen. Fehler aufzeigen, ist, was wir als Linke und als kritische Wissenschaftler_innen am allerbesten können und damit haben wir vielleicht schon mehr verunmöglicht und kaputt gemacht, als uns lieb wäre. Denken wir nur daran, wie schnell dieses oder jenes „problematisch“ ist, ohne genau ausformulieren zu müssen, was jetzt genau problematisch ist ...und klar, auch das Gegenteil wäre Schwachsinn: Kritik runterzuschlucken und sich nur mehr mit Samthandschuhen anzufassen. Kritik bleibt natürlich eine zentrale emanzipatorische Praxis – sei es gegenüber dem sogenannten Großen und Ganzen, den Genoss_innen oder gegenüber uns selbst. Was ich nichtsdestotrotz bemerkenswert finde, ist, 216 wie stark der Problematisierungsreflex in der Linken ist, wie locker der erhobene Zeigefinger sitzt. Dieser Problematisierungsreflex hat schon viele Chancen vertan, und ich fürchte, das Vertun von Chancen können wir uns nicht leisten. Natürlich gibt es ein Problem, den Sommer 2015 als Willkommenskultur zu verstehen. Das Problem waren aber nicht die Begegnungen, die 2015 stattfanden, sondern das Intelligibel-Machen dieser Begegnungen und Ereignisse als Willkommenskultur, weil der Begriff ja so tut, als gäbe es da eine österreichische oder deutsche gönnerhafte Nation die ‚die hilflosen Anderen‘ willkommen geheißen hat. Das ist eine Verkehrung der Tatsachen, weil es genau die grenzüberschreitende Bewegung der Migration war, die diese Begegnungen und Politisierungsprozesse ermöglichte. Österreich wie Deutschland haben ganz im Gegenteil versucht, die Bewegungen und damit die Begegnungen zu verhindern – was ihnen zumindest in diesem Sommer eindeutig misslungen ist. 2015 war damit also zu allererst einmal ein Sommer der Migration und kein Sommer der Willkommenskultur. ambivalenzen des Postmigrantischen Henrik: Neben dem Begriff der solidarischen Stadt bzw. Solidarity City rekurriert die Linke in den vergangenen Jahren auch stark auf den Begriff der Postmigration. Was mich in der Debatte um Postmigration aber immer wieder irritiert, ist die fehlende Kritik an der Nation. Fast im Gegenteil schon, scheint es hier einen ganz selbstbewussten Diskurs darum zu geben, neue_r Deutsche_r zu sein. Ich kann das einerseits verstehen. Ich selbst wurde als Deut217 scher von deutschen Eltern geboren und musste mir meine Anerkennung in dieser Hinsicht nie erkämpfen. Andere wurden auch als Deutsche geboren, sind aber nie als solche anerkannt worden – das ist natürlich eine andere Situation und da kann ich auch nachvollziehen, wenn aus eben jener Position eingefordert wird: „Ich gehöre auch dazu!“ Andererseits fällt es mir dann doch schwer, über meinen Schatten zu springen, und dem Begriff der „Nation“ irgendetwas positives abzugewinnen. Die Anerkennung von Migrationsgeschichten, Vielfalt und faktischem Zusammenleben, das es ohnehin schon gibt, mit einem erneuerten Begriff der Nation zusammenzubringen, finde ich politisch gefährlich. Das fällt auch weit hinter den Stand der Ideologie- und Herrschaftskritik zurück, den wir uns in der kritischen Wissenschaft und in den sozialen Bewegungen erarbeitet haben. Innerhalb der Solidarity City Bewegung gibt es wiederum die Hoffnung, dass der Bezug auf die Stadt und auf Stadtbürgerschaft alle Vorstellungen von „Nation“ zersetzen wird. Auch hier bin ich skeptisch, ob der Begriff der Solidarity City wirklich so eine Sprengkraft hat, dass er eine nationale Identität vollkommen aushöhlen kann. Aber Politiken der Stadtbürgerschaft unterstreichen eben sehr richtig die Haltung: „Es ist mir egal, wo die Leute herkommen, wir leben hier zusammen und wir haben gemeinsame Interessen, und aufgrund dieser gemeinsamen Interessen machen wir gemeinsam Politik und verhalten uns solidarisch.“ Dafür brauche ich dann gar keine Nation. Das gefällt mir an dem Begriff, und das gefällt mir auch in den USA an den US-amerikanischen Sanctuary City Bewegungen; auch wenn der Bezug auf die Heiligkeit 218 der Sanctuaries, der Zuflucht, natürlich wieder andere Probleme mit sich bringt. Berena: Stimme dir in der Kritik zu. Was ich jedoch an der Debatte um das Postmigrantische sehr wichtig finde, ist die Problematisierung der Alltagsrassismen: die Frage wie ich angeschaut werde oder mit einem bestimmten Nachnamen nur schwer eine Wohnung finde. Auch die Frage danach, wo ich herkomme, ist Unsinn, denn mein Körper hat keine reale Migration erfahren. Hier schätze ich den Begriff des Postmigrantischen, weil er die Augenhöhe stark macht: Ich darf genauso hier sein wie ihr anderen auch – und fertig, Punkt. Meine Eltern sind migriert und sie fühlen sich ihr ganzes Leben hier als Gäste, auch wenn sie schon ewig hier sind. Für sie ging es darum, nicht aufzufallen. Das sind andere Fragen als jene, mit denen ich mich als zweite Generation herumschlagen muss, denn ich bin hier sozialisiert, zur Schule gegangen, und mir wird trotzdem das Deutschsein abgesprochen. Trotzdem stell ich mich jetzt nicht hin und fordere ‚Deutschsein für alle‘ [lacht]. Anerkennungskämpfe sind wichtig, aber häufig verbleiben sie dabei, auch „ein Stück vom Kuchen“ der Nation, des Kapitals zu wollen, statt der ganzen Bäckerei. Aber ich denke, wir sollten nicht vergessen, dass Deutsche_r sein zu wollen, zwei unterschiedliche Aspekte hat: Einerseits die deutschen Papiere zu haben. Die sind extrem entscheidend dafür, wie entspannt oder unentspannt der Alltag abläuft. Andererseits sagt der Wunsch nach Papieren noch nichts darüber aus, wie ich mich auf diesen Nationalstaat beziehe. Diese Thematisierung der Differenz zwischen papier-deutsch 219 und sich mit Deutschland identifizieren, bleibt in der postmigrantischen Debatte oft leider aus. Da haben Leute dann schon lange Papiere und der positive Bezug auf Deutschland hält an. Gegen das unkritische Deutschsein-Wollen von Zusammenhängen fände ich eben die solidarische Stadt, Solidarity City als Begrifflichkeit und Imaginationsraum spannend: Wir sind jetzt gemeinsam hier, also lasst uns was gemeinsam machen. Henrik: Das ist aus meiner Sicht auch innerhalb der Linken eine große Herausforderung, mit der sich viele schwer tun: Die Unterschiedlichkeit an Erfahrungen anerkennen, nicht immer alle in ein vermeintliches „Wir“ eingemeinden wollen – aber trotzdem ein gemeinsames politisches Projekt formulieren und verfolgen. Dominic: Ein weiterer Grund, warum der Begriff der solidarischen Stadt für uns als IL Köln so interessant ist, hat natürlich auch mit dem No Border Camp 2012 zu tun, das in Köln stattfand und der antirassistischen Bewegung ziemlich um die Ohren flog: Die Frage – die sich damals wie auch heute noch stellt – ist ja, wie die immer noch sehr weiße deutsche Linke weniger weiß sein kann und wer über was für wen sprechen darf. Das No Border Camp eskalierte damals ziemlich, als eine Gruppe in Berufung auf critical whiteness Aktivist_innen ohne eigene Rassismuserfahrung auf dem Camp Sprachverbot erteilt haben. Diese radikale Feindseligkeit unter Genoss_innen und die Zuspitzung identitätspolitischer Trennlinien hat durchaus ihre Spuren in der antirassistischen Linken in Köln aber auch weit über Köln hinaus hinterlassen. Seit dieser Eskalation gibt es in der deutschen antirassistischen Linken ein deutlich stärkeres Bedürfnis, weniger am 220 eigenen Süppchen zu köcheln. Die Frage danach, aus welcher Perspektive eine Person spricht, ist besonders in der antirassistischen Arbeit vordergründiger geworden, mit sinnigen, aber meines Erachtens auch unsinnigen Konsequenzen. Solidarity City bietet hier eine Möglichkeit, dass sehr unterschiedliche Ansätze und sehr unterschiedliche Leute zusammenkommen können. Damit ist der Ansatz viel „universalistischer“ als viele der antirassistischen Konzepte, wie zum Beispiel dogmatische Praxen von critical whiteness, die die letzten Jahre und Jahrzehnte im deutschen rassismuskritischen Raum starke Prominenz genießen. Köln zeigt aber noch aus mindestens einem weiteren Grund, warum es wichtig ist, über die solidarische Stadt nachzudenken: Die sexuellen Übergriffe in der Kölner Silvesternacht von 2015/16 führten zu einer massenmedialen Rassifizierung des Sexismus, sprich, Sexismus wurde zum importierten Problem gemacht. Migration ist die Mutter aller Probleme, sind seitdem viele, viel zu viele überzeugt. Es gibt also einerseits die hegemoniale rassistische Identitätspolitik, und dann gibt es die antirassistische Identitätspolitik; und auch wenn es nicht darum geht, das alles auf eine Stufe zu stellen, so glaube ich, müssen wir doch beidem entkommen. Berena: Anders als das Postmigrantische orientiert sich die solidarische Stadt viel stärker an der Herkunft bzw. dem Angewiesensein auf Schutz: Die Aufnahme von Menschen, die auf der Flucht sind, ist ja das zentrale Anliegen. Die Aufmerksamkeit dafür, wer auf Schutz angewiesen ist und wer nicht, die Aufmerksamkeit für unterschiedliche „Herkünfte“, legalen Status oder das unterschiedliche Auf-andere-Angewiesen-Sein, aber 221 auch die unterschiedlichen finanziellen Situationen, Religionen – diese „Differenzen“ spielen im Begriff des Postmigrantischen ja keine Rolle bzw. kommt ihnen keine Rolle zu. Niki: Mir scheint, in vielen antirassistischen Kämpfen wird selten explizit für das Ankommen gekämpft, sondern in erster Linie um die Bewegungsfreiheit. Solange wir nicht auch um die Freiheit anzukommen kämpfen, wird Ankommen bedeuten, in der Nation anzukommen und aufzugehen – Integration also. Dagegen braucht es einen antirassistischen Kampf ums Ankommen, der ja sehr wohl von migrantischen Antira-Gruppen wie Kanak-Attack, 1. März Migrant_innenstreik oder maiz immer wieder mit der Forderung „Desintegriert euch!“ artikuliert wurde. Der Slogan fordert ein Ankommen jenseits der Homogenisierung und Unterordnung. Wäre das Ankommen in der Stadt statt in der Nation bzw. dem Nationalstaat hier eine Möglichkeit? Oder führt das statt zu einem verkappten Stolz auf die Nation dann zu einem verkappten Lokalpatriotismus? Henrik: Ich glaub nicht, dass ein übersteigerter Lokalpatriotismus derzeit für die Linke ein besonderes Problem darstellt. Eher sehe ich die Gefahr, dass „die Stadt“ und die lokale Ebene als Gegennarrativ zur Nation normativ überfrachtet werden. Die Städte sind ein Teil unserer Gesellschaft und somit auch durchzogen von Rassismus, Sexismus und anderen Ausschlussmechanismen. Das gilt auch für die eher kosmopolitischen Städte. Selbst in links-regierten Städten mit starken Solidarity City Netwerken sind große Teile der 222 Bewohner_innen eher konservativ – da brauchen wir uns überhaupt nichts vormachen. Vielleicht sollten wir in diesem Zusammenhang noch einmal auf die Rolle von Institutionen zu sprechen kommen. Hier gibt es gerade in der deutschsprachigen Integrationsdebatte weiterhin die Vorstellung, die Menschen müssten sich an die Institutionen anpassen. Mark Terkessidis hat sich damit in seinem Buch Interkultur 3 auseinandergesetzt und argumentiert genau anders herum: Die Institutionen müssen so verändert werden, dass sie an den Bedürfnissen der Menschen und an der gesellschaftlichen Realität ausgerichtet sind. Das würde zwar nicht gleich Rassismus und Nationalismus beseitigen, aber hier könnte man realpolitisch viel verändern. Um das mal an einem Beispiel konkret zu machen: In Deutschland gibt es eine ganz starke Fokussierung auf die deutsche Sprache. Das geht soweit, dass die Kinder mit einem Migrationshintergrund auf dem Schulhof nicht die Sprache ihrer Eltern sprechen dürfen. Ich habe das in Berlin selbst erlebt. Wo liegt aber eigentlich das Problem, in einer postmigrantischen Gesellschaft auch ein mehrsprachiges Bildungssystem anzugehen und Mehrsprachigkeit als Ressource zu fördern? Das würde allein schon für die Alltagserfahrung der Schüler_innen und ihrer Eltern einen Riesenunterschied machen. Da hinkt Deutschland – ebenso wie die links-regierten Städte in Deutschland – anderen Einwanderungsgesellschaften im Selbstverständnis weit hinterher. Ein interessantes Beispiel ist New York City. Im New Yorker Stadtteil Queens haben mittlerweile 48 Prozent der Bewohner_innen selbst eine Migrationsbiographie 3 Terkessidis, Mark (2010): Interkultur. Berlin: Suhrkamp. 223 – also nicht in der zweiten oder dritten Generation, sondern 48 Prozent der Menschen in Queens sind selbst außerhalb der USA geboren und erst dann eingewandert. Und in den dortigen Ämtern und Behörden wissen die Mitarbeiter_innen ganz genau: Wir müssen uns auf diese Situation einstellen, sonst haben wir niemanden mehr, für den wir hier Dienstleistungen erbringen können. Für die ist das klar, dass sie sich an die Realität anpassen müssen. So machen die dann selbst Lösungsvorschläge, die der Politik vorausgehen. Da gibt es also eine implizite Integrationspolitik durch Praxen in der Verwaltung. Das wäre für mich auch wesentlicher Teil solidarischer Stadtpolitik. Da geht es darum, die politischen Kräfteverhältnisse so zu verschieben und Bündnisse so zu schließen, dass Veränderungen in den Institutionen möglich werden. Dominic: Wenn wir mit dem Blick auf eine solidarische Stadt auf das Gesundheitssystem blicken, dann kann das, wie in Berlin vor einiger Zeit, etwa dazu führen, eine Kampagne gegen Rassismus im Krankenhaus mit der Forderung nach einer anonymisierten Gesundheitskarte zu verknüpfen. Es gibt einerseits diese Kämpfe um Repräsentation und Anerkennung, darum, auch endlich ein Teil von Deutschland sein, auch endlich in den Massenmedien mal vorzukommen etc. Diese Kämpfe bergen das Risiko in sich, die Institutionen, wie sie sind, zu affirmieren, indem man einfach nur darin vorkommen mag. Die grundlegende Veränderung der Institutionen gerät so leicht in Vergessenheit. Dieser Konflikt zwischen Repräsentiert- und Ein-Teil-SeinWollen einerseits und sich mit nichts Geringerem zufrieden zu geben, als grundsätzliche institutionelle, 224 gesellschaftliche bzw. politische Veränderung herbeizuführen andererseits, ist wohl eines der großen Dilemmata anti-rassistischer Politik. Diese beiden Aspekte werden oft gegeneinander diskutiert, oder noch schlimmer, sie existieren vollkommen parallel und ohne jeden Kontakt zueinander. Wie also diese zwei getrennten Kosmen ins Verhältnis zueinander bringen? Wie revolutionär ist gewalterfahrung? Niki: Ich würde gern nochmals zu dem Punkt von Berena zurückkommen, der Unterscheidung zwischen den zwei unterschiedlichen Kämpfen ums Deutschsein-Wollen bzw. Österreicher_in-Sein-Wollen: Einerseits dem wichtigen Kampf um gleiche Rechte, andererseits dem Kampf darum, auch Teil dieser Nation und ihres Nationalismus sein zu wollen. Denn das verweist darauf, dass Menschen, die selbst Migrationserfahrung haben, nicht automatisch antirassistisch sind, sondern gut auch selbst nationalistisch sein können. Und wenn ich ehrlich bin – auch wenn ich weiß, dass es dumm ist – bin ich dann doch manchmal enttäuscht: Wenn Wiener_innen mit ex-jugoslawischem oder türkischem Hintergrund die FPÖ wählen, bin ich schon immer wieder baff. Die, die euch das Leben schwer gemacht haben und es euch weiter schwer machen, wählt ihr jetzt? Aber klar, nur weil wer selber Marginalisierung, Entrechtung oder Gewalt erfahren hat, heißt das noch nicht, dass die Person ihr Leben dem Kampf gegen Marginalisierung, Entrechtung und Gewalt verschreibt.... Auch wenn ich es mir teilweise erklären kann, überrascht bin ich trotzdem immer wieder aufs Neue, wenn ich mitbekomme, dass Menschen jene Parteien wählen, die dafür sorgen, dass sie selbst unter beschissenen Verhältnissen arbeiten und leben müssen. 225 Henrik: Naja, vielleicht sollte man die Frage genau anders herum stellen: Warum denken wir immer, dass alle, die hier diskriminiert werden, deswegen automatisch eine linke und herrschaftskritische Position entwickeln? Wir haben ja oben schon einmal kurz über Ideologien gesprochen – politische Subjektivierung leitet sich eben nicht einfach aus der empirischen Realität ab. Oder noch einmal anders gesprochen: Wenn Menschen unterdrückt werden und Diskriminierungserfahrungen machen und sich dann trotzdem dem politischen Mainstream zuwenden oder gar religiös oder rechts radikalisieren, zeugt das auch von einer Schwäche der Linken. Das Problem in diesem Fall ist aus meiner Sicht zudem, dass Migration für die Linke zu einer Art Projektionsfläche wird. Überspitzt gesagt: Die Arbeiter_innenbewegung ist geschwächt und jetzt werden alle Hoffnungen in die Widerständigkeit der Migrationsbewegungen gesetzt. Wichtig scheint mir, die verschiedenen Felder zusammenzudenken. Für die USA gibt es zum Beispiel Studien, die zeigen, dass Migrant_innen, die aus Ländern mit starken sozialen Bewegungen kommen, wie El Salvador und Nicaragua, sich in den USA schnell politisch organisieren, zum Beispiel in den Gewerkschaften. Das hat dann mit den widerständigen Praxen der Migration zu tun, aber auch mit den politischen Biographien am Arbeitsplatz, im Stadtviertel, im Studium oder in der Kirchengemeinde. Niki: Ich stimme dir total zu, dass die Erwartung natürlich kindisch ist und dass schlechte Erfahrungen niemanden automatisch zu Linksradikalen macht – dann würden wir wohl schon längst in der befreiten Gesellschaft leben. Gleichzeitig glaub ich nicht, dass die 226 Hoffnung in marginalisierte Subjektivität eine nur psychologisch-individuelle Frage ist, sondern eine Frage nach dem Stellenwert der Erfahrung bzw. dem gesellschaftlichen Positioniert-Sein, welche die Linke spätestens seit Marx‘ Hoffnung in das Proletariat beschäftigt: Auch hier ist die Position und Erfahrung als Arbeiter _in, sprich als Person, die ihre Arbeitskraft verkaufen muss, um über die Runden zu kommen, der Ausgangspunkt für die revolutionäre Subjektivität. Es macht halt einen grundsätzlichen Unterschied, ob du hackeln gehen musst, um zu überleben, oder ob du genug Kapital und finanziellen Rückhalt, meist durch die Familie, hast, um dir diese Sorgen nicht machen zu müssen. Wie dein Alltag aussieht, wie du gesellschaftlich positioniert bist, ist halt nicht einfach nur ein Nebenwiderspruch. Und gleichzeitig kommen mit der Hervorhebung der Marginalisierungs- und Ausbeutungserfahrungen auch immer die Gefahr der Romantisierung und früher oder später dann die enttäuschte Hoffnung, wie die Enttäuschung der Marxist_innen über die Beteiligung der Arbeiter_innen im Nationalsozialismus ... Berena: ... oder dass Frauen* nicht beim Frauen*streik mitmachen. Diese Idee vom guten, revolutionären Subjekt ist ein Problem. Überall dort, wo Erfahrung und politische Perspektive gleichgesetzt werden, muss es zu Enttäuschungen kommen. Aber ja, gerade bzgl. der Migration finde ich es besonders schwierig nachzuvollziehen, wie du selbst Jahre, wenn nicht Jahrzehnte lang den rassistischen Mist schlucken musstest und dann selbst bei der rassistischen Kacke mitmachst. Apropos Romantisierung der Migration: Klar ist Migration für die Linke eine Projektionsfläche, aber warum 227 stecken wir da soviel rein? Weil Migration in der gesellschaftlichen Debatte häufig eine Chiffre ist für alle Probleme: Die Migration ist schuld am Sexismus, bis hin zu Vergewaltigungen, sie ist schuld an sozialen Problem, an schlechten Löhnen oder immer geringeren sozialstaatlichen Leistungen, sie ist Schuld an religiösem Fanatismus, am Antisemitismus. Die Externalisierung aller internen Probleme, die Konstruktion des bedrohlichen Fremden, das ist, was den Diskurs um Migration schließlich nach wie vor bestimmt. Und deswegen hängen wir uns auch so stark daran auf, dieser Erzählung etwas entgegenzusetzen. Gegen die rassistischen Diskurse, gegen Abschiebungen, Einsperrung und Hyperausbeutung der illegalisierten und entrechteten Arbeitskraft in der Sexarbeit, der Pflege- und Erntearbeit wollen wir die solidarische Stadt entwerfen – nicht als Romantik, sondern als ganz realer und beständiger Kampf um ein schönes Leben für alle, die hier sind und noch kommen werden. 228 Biografien Ame Panzh (Wir zu fünft) ist eine informelle Gruppe von Roma-Intellektuellen und Aktivist_innen aus Ungarn. Ame Panzh wurde im Sommer 2020 gegründet und diskutiert seither in einer Gesprächsreihe Fragen wie den Kampf gegen Rassismus, die Repräsentation von Roma in den Medien und der Popkultur, Polizeigewalt und Allyship. Ame Panzh meldet sich zu Themen zu Wort, die ihrer Meinung nach in der ungarischen Öffentlichkeit zu wenig Aufmerksamkeit bekommen, um diese aus der Perspektive von Roma mit einem intersektionalen Ansatz zu reflektieren. Sheri Avraham wurde 1979 in Beit Dagan geboren. Sie ist Künstlerin, Kuratorin und Theatermacherin. Derzeit arbeitet sie als Co-Kuratorin bei D/arts, Projektbüro für Diversität und urbanen Dialog. Sie versteht sich als Übersetzerin zwischen Theorie und Praxis, zwischen Klassen, Religionen, Geografien und Generationen. Manuela Bojadžijev ist Professorin für Globalisierte Kulturen an der Leuphana Universität Lüneburg, Vize-Direktorin des Berliner Instituts für Integrations- und Migrationsforschung der Humboldt-Universität zu Berlin und Co-Leiterin der Abteilung „Integration, soziale Netzwerke und kulturelle Lebensstile an diesem Institut. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Migrations- und Rassismusforschung, Digitalisierung und Arbeit, Stadtforschung, Kulturtheorie, Politische und Ökonomische Anthropologie, qualitative und innovative Methoden. Katalin Erdödi ist freie Kuratorin, Dramaturgin und Autorin mit Schwerpunkten in sozial engagierter Kunst, experimenteller Performance und Interventionen im öffentlichen Raum. Aktuell forscht sie in Anwendung kollaborativer künstlerischer und kuratorischer Ansätze zu Transformationsprozessen im postsozialistischen ländlichen Raum in Ungarn. Sie ist als Aktivistin in Initiativen (u.a. Precarity Office Vienna, SezonieriKampagne für die Rechte der Erntearbeiter_innen) tätig, die sich mit prekären Arbeitsverhältnissen und Migrationspolitiken auseinandersetzen. Michael Kalivoda ist Mitgründer des Vereins Boem, der sich seit 2010 künstlerisch und wissenschaftlich mit Gastarbeit, 305 Rassismus und Diskriminierung sowie Überschneidungen von Ausbeutung, Ausschluss und ungleich verteilten Privilegien beschäftigt. Von 2015 bis 2018 war er Geschäftsführer von Migrating Kitchen, einem Cateringprojekt von und mit Geflüchteten. Er studierte Transmediale Kunst an der Universität für angewandte Kunst in Wien. Seine kritische Auseinandersetzung mit Esskultur und mit Ernährungssouveränität ist eines seiner wichtigsten Forschungsgebiete, das er regelmäßig in die Praxis übersetzt. Serhat Karakayali ist Soziologe und leitet die Abteilung Migration am Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM). Am Berliner Institut für Integrations- und Migrationsforschung (BIM) hat er unter anderem eine Studie zum ehrenamtlichen Engagement für Geflüchtete und zu kosmopolitischen Konzepten der Solidarität durchgeführt. An der HU Berlin leitet Karakayali derzeit zwei Projekte zu Migration und Gewerkschaften und darüber hinaus eine am BIM angesiedelte Einstein-Forscher_innengruppe zu Migration und Diaspora. Außerdem ist er in den Aufbau einer Plattform (MERGE) involviert, die Forscher_innen aus dem „Mittleren Osten“ vernetzen soll, die zu Migration, Diaspora und Flucht arbeiten. Dominic Kropp ist Aktivist der Interventionistischen Linken Köln und aktiv im Solidarity City Cologne Netzwerk. Niki Kubaczek ist Soziologe, Aktivist und Verleger und wohnt in Wien. Er ist Mitglied der Redaktion von transversal texts, des eipcp, von kritnet - Netzwerk für kritische Grenzregimeund Migrationsforschung sowie des Sektionsrat für Rassismusund Migrationsforschung der Österreichischen Gesellschaft für Soziologie. Seine Forschungsschwerpunkte sind Antirassismus, kritische Migrationsforschung, queer-feministische und postkoloniale Theorien, Soziale Bewegungen, sowie Freundschaft, Solidarität, Differenz, Affekt und Commons. Olga Lafazanis Forschungsinteresse betrifft die Intersektionen von Migration, Geschlecht, urbanen Räumen und Grenzen. Zur Zeit koordiniert sie die Forschungtätigkeiten im Rahmen des Projekts 100 memories (National Hellenic Research Foundation). Das Projekt beschäftigt sich mit den verflochtenen Geschichten multipler Ankünfte und Abreisen, die verschiedene griechische Städte von der Ankunft von Geflüchteten aus Kleinasien im Jahr 1922 bis heute geprägt haben. Olga verknüpft 306 seit mehr als 20 Jahren ihre wissenschaftliche Tätigkeit mit ihrem Engagement in antirassistischen Kämpfen in Athen und darüber hinaus. Sie war Teil des Kollektivs, das das City Plaza in Athen besetzte und leitete. Henrik Lebuhn ist Politikwissenschaftler, Mitarbeiter im Bereich Stadt- und Regionalsoziologie des Instituts für Sozialwissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin, Redaktionsmitglied von prokla und angegliedert am Center for Research on Social Change (crsc) der University of California Berkeley. Seine Forschungsschwerpunkte sind Stadtpolitik im internationalen Vergleich, Migration, Grenzen, Citizenship und Urbane Soziale Bewegungen. Monika Mokre ist Politikwissenschaftlerin, Senior Researcher am Institut für Kulturwissenschaften und Theatergeschichte der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und Obfrau des eipcp, european institute for progressive cultural policies. Ihre Schwerpunkte als Politikwissenschaftlerin und politische Aktivistin sind Migration, Asyl und Strafvollzug. Weitere Forschungsschwerpunkte sind Demokratie und politische Öffentlichkeit, Kulturpolitik und Gender Studies. Julia Mourão Permoser ist Elise-Richter Senior Research Fellow am Institut für Politikwissenschaft der Universität Innsbruck und Leiterin des FWF Projekts Migration als Moralpolitik. Sie analysiert die Wechselwirkungen zwischen politischen Werten, Ideen und Interessen und ihren Einfluss auf Politikfelder. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Migration, Religion, die EU, Liberalismus und die Herausforderungen von kulturellem, religiösem und moralischem Pluralismus für die liberale Demokratie. Sarah Schilliger ist Soziologin und forscht aus einer intersektionalen Perspektive zu Migration, Care, (Urban) CitizenshipPolitiken und sozialen Bewegungen. Sarah Schilliger weilt als Gastwissenschaftlerin am Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien an der Universität Osnabrück sowie am Centre for Refugee Studies an der York University/Toronto. Sarah Schilliger ist Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der Rosa-Luxemburg-Stiftung, engagiert sich in kritnet - Netzwerk kritische Migrations- und Grenzregimeforschung, ist Mitbegründerin der Kollaborativen Forschungsgruppe Racial Profiling und Aktivistin im Netzwerk Wir alle sind Bern. 307 Maurice Stierl ist Migrationsforscher, Leverhulme Early Career Fellow an der Universität Warwick und Mitglied von WatchTheMed Alarm Phone sowie dem Forschungskollektiv kritnet - Netzwerk kritische Migrations- und Grenzregimeforschung. Seine Schwerpunkte in Forschung und Aktivismus sind Migration und Grenzkämpfe in Europa. Sein Buch ‚Migrant Resistance in Contemporary Europe‘ ist 2019 im Routledge Verlag in London erschienen. Vassilis S. Tsianos ist Professor für Soziologie im Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit an der Fachhochschule Kiel. Er ist Mitglied des Rates für Migration und Mitbegründer von Kanak-Attak. Seine Arbeitsbereiche sind Soziologie der postmigrantischen Gesellschaft, Rassismuskritik und Critical Race Studies, Stadt- und Migrationssoziologie und Digitale Grenzen Europas. Berena Yogarajah ist Aktivistin bei der Interventionistischen Linken Köln mit der meisten Erfahrung im Bereich Antirassismus. Tahir Zaman ist Dozent für Humangeographie an der School of Global Studies der Universität Sussex und stellvertretender Direktor des Sussex Centre for Migration Research (SCMR). Seine Forschungsschwerpunkte sind die Agency von Geflüchteten und alternative sozio-kulturelle Perspektiven auf Flucht. Er analysiert die Möglichkeiten und Grenzen von religiös motiviertem Humanismus. Gemeinsam mit Akteur_innen der syrischen Diaspora hat er sich mit Reaktionen auf Massenflucht und Möglichkeiten zum Friedensaufbau beschäftigt. Derzeit forscht er zu Möglichkeiten sozialer Sicherung von Vertriebenen jenseits humanitärer Aktivitäten. 308 transversal texts transversal.at Aus dem Programm 2018 Boris Buden, Lina Dokuzovic (eds.) They‘ll Never Walk Alone Emerging from the problematic interstices and inequalities of the “developed” North and chronically “underdeveloped” South, between “center” and “periphery,” the Gastarbeiter can be seen today as a sort of avant-garde figure that stood at the crossroads of the ideologically hybrid and shifting frontiers between capitalism and socialism. This early messenger of global transformation highlights not only the collapse of socialism and the development of a global neoliberal capitalism. It also points to the inner contradictions of the latter that have developed into a full-fledged crisis in recent years, which have, not by chance, found their dramatic political expression in the current so-called „crisis“ of refugees and migrants. M. Bojadžijev, B. Buden, K. Chukrov, J. Dolečki, L. Dokuzović, A. Hodžić, A. Hoffner, M. Kern, S. Karakayali, K. Kobolt, D. Konjikušić / S. Mezzadra, M. Mokre, S. Nowotny, J. Solomon; featuring K. Abood, N. Bahrami, M. Bush, M. Ćosić, P. Costa, Y. Daher, P. Dimitrova & I. Marjanović ISBN: 978-3-903046-20-7 August 2018 287 Seiten, broschiert, 15,- € transversal texts transversal.at Aus dem Programm 2017 ie Menschen in Gemeinschaft leben, die gemeinsamen betreffen. Erst dann, wenn alle Bewohner_innen eines kommunizieren, diskutieren und gemeinsam önnen, die sie betreffen, kann die Politik aufhören, das Geschäft Christoph Brunner, Niki Kubaczek, Die neuen Munizipalismen Kelly Mulvaney und Gerald Raunig (Hg.) Die neuen Munizipalismen Während in vielen Ländern Europas rassistische und neue faschistische Kräfte Zuspruch gewinnen, zogen bei den letzten Gemeinderatswahlen in Spanien Plattformen aus sozialen Bewegungen flächendeckend in die Stadtparlamente ein. Aus den mikropolitischen Erfahrungen des letzten Jahrzehnts, aus der Bewegung gegen Zwangsräumungen, aus den Besetzungen, Versammlungen und Arbeitsgruppen um den 15M war die munizipalistische Bewegung entstanden. Das Buch versucht die Praxen und Prozesse, Strategien und Verfahren zu diskutieren, die sich in der vielfachen Erfahrung des Munizipalismus ansammeln, ihr Scheitern und ihre Erfolge, ihre mögliche Übersetzung über die Grenzen Spaniens hinaus. Mit Beiträgen von: Montserrat Galcerán Huguet, Niki Kubaczek, mac1, Kelly Mulvaney, Pablo Carmona Pascual, Gerald Raunig, Raúl Sánchez Cedillo, Manuela Zechner ISBN: 978-3-903046-12-2 September 2017 145 Seiten, broschiert, 10,- € transversal texts transversal.at Aus dem Programm 2015 beherrschte Welt, die von Paris durch eine kaum überwindbare nd selbst wenn die Brutalität dieser Gangs in den erwähnten r politischen Eliten auf der anderen Seite der Mauer letztlich andelt es sich doch um eine zunächst verwahrloste Welt: “ ist, sondern sich in einem gewissermaßen tribal nderer“ Farben und tätowierter „weißer“ Körper ausdifferen- hre Fratze der Gewalt allein im gerechten Kampf gegen ihre n, um, durch diesen Kampf geläutert, endlich ein olidarisches Antlitz anzunehmen. Die Sprachen der Banlieues Birgit Mennel Stefan Nowotny (Hg.) Aus dem Französischen von Birgit Mennel und Stefan Nowotny Die Sprachen der Banlieues Aus dem Französischen von Birgit Mennel und Stefan Nowotny In den französischen Banlieues verdichten sich heute unterschiedlichste Erfahrungen der Migration, häufig vor dem Hintergrund geschichtlicher Kolonialverhältnisse, ihrer Hinterlassenschaften und Fortschreibungen. Allzu oft aber verfährt sich der Blick auf die Artikulationen dieser Erfahrungen – die Sprachen der Banlieues – in unterschiedlichen Phantasmen des Mangels oder aber eines sich selbst undurchsichtig bleibenden Überschusses: Wo man einerseits die erhabene Sprache der Nation verkümmern sieht, wird andererseits auf eine gleichsam babylonische Sprachenvielfalt verwiesen, die aber eben auch bloße Sprachverwirrung sein könnte; und wo die einen, angesichts brennender Autos beispielsweise, nur stumme Gewalt erblicken, erklingt den anderen der Hahnenschrei künftiger Revolutionen. Was aber, wenn das Scheitern oder Ausbleiben von Übersetzung und Artikulation, das all diese Figuren in der einen oder anderen Weise unterstellen, zuallererst die soziale und politische Sprache jener kennzeichnete, die die Banlieues in ihre eigenen Projektionen zu bannen versuchen (und damit erneut zu „Orten des Banns“ machen)? ISBN: 978-3-9501762-7-8 November 2014 152 Seiten, broschiert, 10,- € transversal texts transversal.at/books Precarias a la deriva Stefan Nowotny, Gerald Raunig Was ist dein Streik? Instituierende Praxen 10,- € / ISBN: 978-3-9501762-6-1 15,- € / ISBN: 978-3-903046-04-7 Birgit Mennel, Stefan Nowotny (Hg.) Lina Dokuzović Die Sprachen der Banlieues Struggles for Living Learning 10,- € / ISBN: 978-3-9501762-7-8 15,- € / ISBN: 978-3-903046-09-2 Gerald Raunig Brigitta Kuster DIVIDUUM Choix d‘un passé 15,- € / ISBN: 978-3-9501762-8-5 12,- € / ISBN: 978-3-903046-05-4 Gin Müller Isabell Lorey, Gundula Ludwig, Possen des Performativen Ruth Sonderegger 15,- € / ISBN: 978-3-9501762-5-4 Foucaults Gegenwart 10,- € / ISBN: 978-3-903046-08-5 Félix Guattari, Antonio Negri Neue Räume der Freiheit Maurizio Lazzarato 10,- € / ISBN: 978-3-9501762-9-2 Marcel Duchamp und die Verweigerung der Arbeit Antonio Negri, Raúl Sánchez Cedillo 10,- € / ISBN: 978-3-903046-11-5 Für einen konstituierenden Prozess in Europa Isabell Lorey 10,- € / ISBN: 978-3-903046-06-1 Immer Ärger mit dem Subjekt 15,- € / ISBN: 978-3-903046-10-8 Birgit Mennel, Monika Mokre (Hg.) Das große Gefängnis Gerald Raunig 15,- € / ISBN: 978-3-903046-00-9 Kunst und Revolution 20,- € / ISBN: 978-3-903046-15-3 Rubia Salgado / maiz Aus der Praxis im Dissens Christoph Brunner, Niki Kubaczek, 15,- € / ISBN: 978-3-903046-02-3 Kelly Mulvaney, Gerald Raunig (Hg.) Die neuen Munizipalismen Monika Mokre 10,- € / ISBN: 978-3-903046-12-2 Solidarität als Übersetzung vergriffen Tobias Bärtsch, Daniel Drognitz, Sarah Eschenmoser, Michael Grieder, Gerald Raunig, Ulf Wuggenig (Hg.) Adrian Hanselmann, Alexander Kritik der Kreativität Kamber, Anna-Pia Rauch, Gerald 20,- € / ISBN: 978-3-903046-01-6 Raunig, Pascale Schreibmüller, Nadine Schrick, Marilyn Umurungi, Stefano Harney, Fred Moten Jana Vanecek (Hg.) Die Undercommons Ökologien der Sorge 10,- € / ISBN: 978-3-903046-07-8 15,- € / ISBN: 978-3-903046-13-9 Lucie Kolb edu-factory Studium, nicht Kritik Alle Macht der selbstorganisierten Wissensproduktion 15,- € / ISBN: 978-3-903046-14-6 10,- € / ISBN: 978-3-903046-25-2 Lucie Kolb Study, not critique Sofia Bempeza, Christoph Brunner, 15,- € / ISBN: 978-3-903046-19-1 Katharina Hausladen, Ines Kleesattel, Ruth Sonderegger Raimund Minichbauer Polyphone Ästhetik Facebook entkommen 12,- € / ISBN: 978-3-903046-24-5 12,- € / 978-3-903046-17-7 Gerald Raunig Cornelia Sollfrank (Hg.) Ungefüge Die schönen Kriegerinnen 15,- € / ISBN: 978-3-903046-27-6 15,- € / 978-3-903046-16-0 Gerald Raunig Christoph Brunner, Raimund Minichbauer, Kelly Mulvaney und Gerald Raunig (Hg.) Technökologien 12,- € / ISBN: 978-3-903046-21-4 Maschinischer Kapitalismus und molekulare Revolution (Doppelband) Band 1: DIVIDUUM Band 2: Ungefüge 25,- € / ISBN: 978-3-903046-28-3 Boris Buden, Lina Dokuzović (eds.) They‘ll never walk alone Niki Kubaczek, Monika Mokre (Hg.) 15,- € / ISBN: 978-3-903046-20-7 Die Stadt als Stätte der Solidarität 15,- € / ISBN: 978-3-903046-26-9 Verónica Gago, Raquel Gutiérrez Aguilar, Susana Draper, Mariana Menéndez Díaz, Marina Montanelli, Marie Bardet / Suely Rolnik 8M - Der große feministische Streik 10,- € / ISBN 978-3-903046-18-4 Gerald Raunig Maschinen Fabriken Industrien 20,- € / ISBN: 978-3-903046-23-8 Sofia Bempeza Geschichte(n) des Kunststreiks 12,- € / ISBN: 978-3-903046-22-1 Auslieferung: GVA Barsortimente: KNV, Libri, Umbreit