Location via proxy:   [ UP ]  
[Report a bug]   [Manage cookies]                
Zur Chronologie und Periodisierung des Gräberfeldes der Zarubincy Kultur von Pirogov (reg. Kiew, Ukraine) VASILE IARMULSCHI Zusammenfassung: Der vorliegende Artikel fokussiert sich auf die relative und absolute Chronologie einer Nekropole der ZarubincyKultur, dem Gräberfeld von Pirogov. Das Gräberfeld wurde während 10 Jahren untersucht. In Folge konnten 260 Brandgräber dokumentiert werden. Auf der Grundlage der Vergesellschaftung der archäologischen Funde wurden drei Phasen des Gräberfelds abgegrenzt. Es wurde festgestellt, dass die jeweiligen Phasen mit dem Ende der Stufen von LTC1b, LT C2, LT D1 und der LT D2 synchronisiert werden können, die in absoluten Daten dem Beginn des 2. und dem Ende des 1. Jahrhunderts v. Chr. entsprechen. Abstract: On chronology and periodization of the burial ground of the Zarubincy culture at Pirogov (reg. Kyiv, Ukraine) The present article focuses on the relative and absolute chronology of a necropolis of the Zarubincy culture, the cemetery of Pirogov. The necropolis was investigated for 10 years. As a result, 260 cremation graves were documented. Based on the association of the archaeological finds, three phases of the cemetery were delineated. It was established that the respective phases can be synchronized with the end of the stages of LTC1b, LT C2, LT D1 and LT D2, which in absolute dates correspond to the beginning of the 2nd and the end of the 1st century. Schlagwörter: Zarubincy-Kultur, Gräberfeld von Pirogov, Chronologie, jüngere vorrömische Eisenzeit Keywords: Zarubincy culture, Necropolis of Pirogov, chronology, Late Pre-Roman Iron Age Es ist bekannt, dass in der zweiten Hälfte des 3. Jhd. v. Chr. die Region am mittleren und oberen Dnjepr eine Reihe von wirtschaftlichen, politischen, sozialen und wahrscheinlich auch ethnisch-kulturellen Veränderungen erlebte. In Folge dieser Prozesse entstand in diesem Gebiet gegen Ende des 3./Anfang des 2. Jhd. v. Chr. die ZarubincyKultur1 (Abb. 1). Seit Beginn des 20. Jhds. wurden zahlreiche Aspekte der (Früh-)Geschichte, genauer der Jahrhunderte um Christi Geburt herum, des Gebiets am mittleren und oberen Djnepr archäologisch erforscht, die so zu einem Gesamtbild der Ereignisse in diesem Zeitraum beitragen. Nichtsdestotrotz stellen sich angesichts der Überreste der Zarubincy-Kultur noch viele Fragen, wie z.Bsp. die nach der Herkunft der Funde, der Chronologie und Periodisierung dieser Kultur, nach der sozialen Struktur ihrer menschlichen Gemeinschaften und einiges mehr, die noch einer umfassenden Klärung bedürfen2. Eines der wichtigsten archäologisch untersuchten Fundplätze der Zarubincy-Kultur im Gebiet des mittleren Dnjepr ist die Nekropole von Pirogov (Abb. 1). Das Gräberfeld wurde in den Jahren 1966-1968, 1970-1972 und 19881992 jeweils unter der Leitung von A. I. Kubišev, L. E. Skiba und E. V. Maksimov3 untersucht. Insgesamt wurde eine Fläche von 9608 qm freigelegt, auf der 260 Brandgräber der Zarubincy-Kultur dokumentiert werden konnten (Abb. 2). Von den 260 untersuchten Gräbern handelt es sich bei 217 um Brandgrubenbestattungen, bei 14 um Urnenbestattungen und in weiteren 29 Fällen konnte die Art der Bestattung nicht genau bestimmt werden4. 1 2 3 4 Šukin 1994; Eremenko 1997; Pačkova 2006; Drobuševski 2016. Eremenko 1997; Pačkova 2006; Drobuševski 2016; Iarmulschi 2021. Kubišev und Maksimov 1969; Skiba 2001. Skiba 2001, 16. Cercetări Arheologice 29.2, 2022, 479-484 Abb. 1. „Archäologische Kulturen” der jüngeren Vorrömischen Eisenzeit im nördlichen Mittel- und Osteuropa. Rote Punkt – die Nekropole von Pirogov (nach Hellström 2018 mit Ergänzungen). Abb. 2. Plan des Gräberfeldes von Pirogov (nach Skiba 2001). 480 Vasile Iarmulschi Zu den ungeklärten Fragen, die diese Nekropole aufwirft, gehört auch die der Chronologie. In diesem Artikel wird daher versucht, eine Chronologie und Periodisierung des Gräberfelds zu erstellen5. Im überwiegenden Teil der Gräber der Nekropole von Pirogov finden sich Beigaben. Insgesamt sind dies mehr als 500 Tongefäße, 94 Fibeln und anderer Trachtelemente6. Die Menge der hieraus gewonnen Daten reicht aus, um eine chronologische Einordnung des Gräberfeldes vorzunehmen. Für die Festlegung der internen Chronologie der Nekropole wurde eine Korrespondenzanalyse mit Hilfe des Programms PAleotological Statistics (PAST), das von das von Ø. Hammer, D. Harper und P. Ryan entwickelt wurde7, zur Häufigkeit der typologischen Reihen der Grabbeigaben durchgeführt. Bei der Bestimmung der in einer Korrespondenzanalyse untersuchten Objekttypen müssen zwei Bedingungen erfüllt sein8: 1. der vermutete Typ muss in mindestens zwei archäologischen Strukturen vorhanden sein; 2. der vermutete Typ muss mit mindestens einem anderen der in der Korrespondenzanalyse verwendeten Objekttypen assoziiert sein. Um einige Objekttypen für die kombinatorische Analyse zu „retten“, wurde in einigen Fällen, insbesondere bei den Tongefäßen, Varianten der gleichen Form zusammengelegt. Schließlich wurden 35 Gräber in das Kombinationsdiagramm aufgenommen, was 13,46 % der insgesamt entdeckten Gräber entspricht. Das sind Gr. 15, Gr. 19, Gr. 26, Gr. 29, Gr. 57, Gr. 61, Gr. 66, Gr. 81, Gr. 89, Gr. 98, Gr. 100, Gr. 101, Gr. 125, Gr. 127, Gr. 129, Gr. 131, Gr. 137, Gr. 150, Gr. 153, Gr. 165, Gr. 193, Gr. 195, Gr. 205, Gr. 213, Gr. 214, Gr. 215, Gr. 225, Gr. 242, Gr. 249. Gr. 253, Gr. 258, Gr. 260, Gr. 288, 298 und Gr. 304 (Abb. 3) sowie die folgenden Gegenstände: Töpfe (Typ I, II und VI), Schalen (Typ I, II, III, V und VII) und Becher (Typ I und II) aus feinem Ton, Fibeln der Varianten Kostrzewski A, B, M und N und Fibeln der Varianten Zarubincy II, III und IV9 (Abb. 4). Anhand dieser Auswahl wurden, unter Berücksichtigung der Assoziation der Gegenstände des Grabinventars, welche in das Kombinationsdiagramm eingetragen wurden, drei Hauptgruppen von Gräbern hervorgehoben, die meiner Meinung nach drei Bestattungsphasen entsprechen (Abb. 3). Die erste Gruppe umfasst 5 Strukturen, die zweite Gruppe 8 Gräber und dritte Gruppe, die am zahlreichsten ist, umfasst 18 Gräber. Für die erste Gruppe (I), welche Gräber aus einer früheren Phase umfasst, sind folgende Objekte charakteristisch: Fibeln Var. Kostrzewski A und Schüsseln vom Typ I. In dieser Phase werden auch Fibeln Var. Kostrzewski B und Töpfe Typ I verwendet (Abb. 3-4). Die zweite Gruppe von Gräbern ist durch Zarubincy-Fibeln Var. II und III sowie Schüsseln vom Typ II gekennzeichnet (Abb. 3-4). Gleichzeitig werden in dieser Phase des Gräberfeldes Zarubincy-Fibeln vom Typ IV verwendet. Für die letzte Gruppe (III) sind die sogenannten geschweiften Fibeln (Kostrzewski Var. M und N) sowie die Töpfe vom Typ V und VI charakteristisch (Abb. 3-4). Was die Anordnung der drei Grabgruppen auf dem Plan der Nekropole betrifft, so ist festzustellen, dass sie sich nicht auf bestimmte Bereiche konzentrieren. So finden sich die Gräber der Phase I in fast allen Sektoren des Fundplatzes, außer im westlichen Teil. Die Gräber der Gruppen II und III sind über die gesamte Fläche der Nekropole verteilt (Abb. 5). Dies lässt vermuten, dass die Nekropole auf ihrer gesamten Fläche gleichzeitig funktionierte, d.h. die „Entwicklung“ der Nekropole auf verwandtschaftlichen Beziehungen beruhte. *** Unter Berücksichtigung aller oben genannten Elemente kann man sagen, dass die Nekropole von Pirogov drei Belegungsphasen durchlaufen hat. Um eine absolute Chronologie des Fundplatzes vorzuschlagen, kann ich sowohl die chronologischen Anhaltspunkte nutzen, die von einigen der in der kombinatorischen Analyse enthaltenen Typen geliefert werden, als auch die chronologisch relevanten Stücke aus dem Inventar der Pirogov-Gräber, die nicht in die Auswahl einbezogen werden konnten. 5 Wir betonen, dass dieses Thema in gewissem Umfang bereits von anderen Forschern behandelt wurde. So hat L. E. Skiba, ohne ein Diagramm des Auftretens den typologischen Objekten zu erstellen, aber mit besonderem Bezug auf die Datierung der Fibeln, drei Phasen der Entwicklung der Stätte hervorgehoben. Diese Phasen wurden mit LT C2, LT D1, LT D2 und dem Beginn der B1-Phase der römischen Kaiserzeit synchronisiert, was in absoluten Daten einem Zeitraum zwischen ca. 180 v. Chr. und den 40er Jahren des 1. Jhd. n. Chr. entspricht. - Skiba 2001, 42-49. Andererseits hat S. P. Pačkova vier Phasen des Funktionierens von Nekropolen beschrieben. Die chronologischen Grenzen des Gräberfeldes liegen zwischen dem Ende des. 3. Jhd v. Chr. bis in die 70er Jahre des 1. n. Chr. – Pačkova 2006, 122-126. 6 Skiba 2001, 24-41. 7 https://palaeo-electronica.org/2001_1/past/issue1_01.htm 8 Meyer 2008; Măndescu 2010; Babeș, Iarmulschi 2020. 9 Es sei darauf hingewiesen, dass ich mich bei den Fibeln vom Typ Zarubincy an die von S. P. Pačkova entwickelte Klassifizierung gehalten haben – Pačkova 2006, 74-75. 481 Cercetări Arheologice 29.2, 2022, 479-484 So sind für die älteste Phase der Nekropole die Fibeln Var. Kostrzewski A (Abb. 4/10) der bestimmende Typ. Es ist anzumerken, dass in der Zarubincy-Kultur diese normalerweise auf LT C1b und C2 datiert werden10. Es sei darauf hingewiesen, dass in der gleichen Belegungsphase des Gräberfeldes auch Fibeln Var. Kostrzewski B, die für LT C2 charakteristisch sind, verwendet werden11. Angesichts der chronologischen Einordnung dieser Objekte glaube ich, mit Sicherheit diese Phase auf das Ende von LT C1b Mitte LT C2 nach Polenz12 datieren zu können, was in absoluter Chronologie etwa den Zeitraum von 200-150 v. Chr. bedeutet. Abb. 3. Seriationsmaxtrix des Gräberfeldes von Pirogov. Der Leittyp für die zweite Phase der Nekropole sind die Fibeln Zarubincy Var. II und III (Abb. 4/14-15). Diese wurden bereits auf das Ende von LT C2 und LT D1 datiert13, was in absoluten Daten dem Zeitraum zwischen der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts und dem ersten Quartal des 1. Jhd. v. Chr. entspricht. Nach diesen Daten zu urteilen, lässt sich diese Phase der Nekropole von Pirogov chronologisch im gleichen Zeitraum einordnen. Für die jüngste Phase des Fundplatzes sind als zeitliche Marker vor allem die so genannten geschweiften Fibeln (Kostrzewski M und N) zu nennen (Abb. 4/12-13), die in den gleichzeitlichen Kulturen aus Mittel- und Südosteuropas in der Regel auf LT D2 datiert werden14. Manchmal werden sie auch zusammen mit Artefakten gefunden, die für den Anfang der römischen Kaiserzeit typisch sind. Da es in Pirogov an kaiserzeitlichen Funden fehlt, reicht die Nutzung der Nekropole wohl nicht bis in die frühe Kaiserzeit15. Daher wird diese Phase mit LT D2 synchronisiert, was in der absoluten Chronologie einem Zeitraum zwischen dem Anfang der zweiten Hälfte bis kurz vor dem Ende des 1. Jhd. v. Chr. entspricht. All diese Daten geben Anlass, davon ausgehen zu können, dass Nutzungsdauer der Nekropole von Pirogov in den Zeitraum vom Beginn des 2. Jhd. und dem letzten Viertel des 1. Jhd. v. Chr. datiert. 10 11 12 13 14 15 Pačkova 2006, 108. Döhlert-Albani 2014, 239. Polenz 1982. Pačkova 2006, 129. Brandt 2001, 91; Bockius und Łuczkiewicz 2004, 50-67. Bockius und Łuczkiewicz 2004, 71-72. 482 Vasile Iarmulschi Abb. 4. Ausgewählte Funden des Seriationsmatrixes (nach Skiba 2001). Abb. 5. Kartierung datierbaren Gräber (nach Skiba 2001 mit Ergänzungen). 483 Cercetări Arheologice 29.2, 2022, 479-484 Bibliographie: Babeș, M. und Iarmulschi V. 2020. Așezarea și necropola de tip Poienești-Lucașeuca de la Borosești. Chișinău: Bons Offices. Bockius, R. und Łuczkiewicz, P. 2004. Kelten und Germanen im 2.-1. Jahrhundert vor Christus. Mainz: Verlag des Römisch-Germanischen Zentralmuseums. Brandt, J. 2001. Jastorf und Latène. Kultureller Austausch und seine Auswirkungen auf soziopolitische Entwicklungen in der vorrömischen Eisenzeit. Rahden/Westf: Marie Leidorf. Döhlert-Albani, N. 2014. Zum Ende der Jastorfkultur: der späte Abschnitt der jüngeren vorrömischen Eisenzeit und Übergang zur frühen Römischen Kaiserzeit. In: J. Brandt und B. Rauchfuß (Hrsg.) Das Jastorf-Konzept und die Vorrömischen Eisenzeit im nördlichen Mitteleuropa: 233-244. Hamburg: BELTZ. Drobušeski, Al. I. 2016. Belorusskoe podneprovie i polessia v pervoi polovine I. tis. nashoi eri, in: A.A. Kovalenja (Red.) Slavjane na teritorii Belorussi v dogosudarstvenii period: 38-136. Minsk: Belorusskaja Nauka. Eremenko, V.E. 1997. ”Kelt’skaia vual” i zarubinetskaia kul’tura. Sankt-Petersburg: Izdatelstvo SanktPeterburskogo Universiteta. Iarmulschi, V. 2021. Mirgation von West nach Ost: Archäologie der Mobilität in der jüngeren Vorrömischen Eisenzeit: Beispiel die Zarubintsy-Kultur. Tyragetia 15 [30], 1: 313-325. Kubišev, A.I und Maksimov E.V. 1969. Pirogvskii mogilnik, in: Tretjakov P.N. (Red.) Novie dannie o zarubinetskoi kulture v Podneprovie: 25-38. Sankt-Peterburg: Nauka. Măndescu D. 2010. Cronologia perioadei timpurii a celei de-a doua epoci a fierului (sec. V-III a. Chr.) între Carpaţi, Nistru şi Balcani. Brăila: Editura Istros. Meyer, M. 2008. Mardorf 23, Lkr. Marburg-Biedenkopf. Archäologische Studien zur Besiedlung des deutschen Mittegebirgsraumes in den Jahrhunderten um Christi Geburt. Rahden/West.: Marie Leidorf. Pačkova, S.P. 2006. Zarubinetskaia kul’tura i latenizirovannye kul’tury Evrop’. Kiew: KORVS Press. Polenz, H. 1982. Münzen und Gräbern Mitteleuropas aus der Zeit zwischen 300 und 50 v. Chr. Geburt. Bayerische Vorgeschichteblätter 47: 27-222. Sčukin, M.B. 1994., Na rubeje er. Opit istoriko-arheologičeskih rekonstruktzii politicheskih sob’tii 3. v. do n.e.-1. v. n. e. Sankt-Petersburg: FARN. Skiba , L.E. 2001. Pirogovskii mogilnik zarubinetskoi kultur’. Kiew: Institut Arheologii NANU. Vornic, V. 2016. Chronology of the Sântana de Mureș-Černajchov type Necropols from Brăviceni, Orhei district. Tyragetia 10 [25], 1: 285-301. List of figures: Fig. 1. “Archaeological cultures” of the Late Pre-Roman Iron Age in northern Central and Eastern Europe. Red dot - the necropolis of Pirogov (after Hellström 2018 with additions). Fig. 2. Plan of the cemetery of Pirogov (after Skiba 2001). Fig. 3. Seriation maxtrix of the cemetery of Pirogov. Fig. 4. Selected finds of for the seriation matrix (after Skiba 2001). Fig. 5. Mapping of datable graves (after Skiba 2001 with additions). VASILE IARMULSCHI Instititut für Prähistorische Archäologie der Freien Universität Berlin vasile.iarmulschi@gmail.com 484