s u b \ u r b a n ͘njĞŝƚƐĐŚƌŝŌĨƺƌŬƌŝƟƐĐŚĞƐƚĂĚƞŽƌƐĐŚƵŶŐ
Aufsatz
ϮϬϭϰ͕ĂŶĚϮ͕,ĞŌϯ
^ĞŝƚĞŶϭϭͲϯϰ
njĞŝƚƐĐŚƌŝŌͲƐƵďƵƌďĂŶ͘ĚĞ
WŽůŝƟŬĞŶĚĞƌƺƌŐĞƌƐĐŚĂŌ
Ƶƌ&ŽƌƐĐŚƵŶŐƐĚĞďĂƩĞƵŵDŝŐƌĂƟŽŶ͕^ƚĂĚƚƵŶĚĐŝƟnjĞŶƐŚŝƉ
Sabine Hess
Henrik Lebuhn
ĞƌƌƚŝŬĞůƐƚĞůůƚĚŝĞǀŽƌĂůůĞŵŝŶĚĞƌĂŶŐůŽĂŵĞƌŝŬĂŶŝƐĐŚĞŶ>ŝƚĞƌĂƚƵƌǀŝƌƵůĞŶƚĞUrbanŝƟnjĞŶƐŚŝƉͲĞďĂƩĞĂƵƐĨƺŚƌůŝĐŚǀŽƌƵŶĚĚŝƐŬƵƟĞƌƚĚĞƌĞŶWŽƚĞŶnjŝĂůĞĨƺƌĚŝĞŬƌŝƟƐĐŚĞ^ƚĂĚƚͲ
ƵŶĚDŝŐƌĂƚŝŽŶƐĨŽƌƐĐŚƵŶŐ͘ĞƌŶƐĂƚnjǁŝƌĚĂůƐďĞƐŽŶĚĞƌƐŝŶŶŽǀĂƚŝǀĞŝŶŐĞƐĐŚćƚnjƚ͕ĚĂĞƌ
ĞŝŶĞƌƐĞŝƚƐĚŝĞWĞƌƐƉĞŬƚŝǀĞĚĞƐƐƚćĚƚŝƐĐŚĞŶZĞŐŝĞƌĞŶƐĚĞƌDŝŐƌĂƚŝŽŶĂƵĨǁŝƌĨƚƵŶĚĚĂďĞŝ
ŐůĞŝĐŚnjĞŝƟŐŝŶĚĞƌ>ĂŐĞŝƐƚ͕ŵŝŐƌĂŶƟƐĐŚĞŬƚĞƵƌĞƵŶĚŵŝŐƌĂŶƟƐĐŚĞĂŐĞŶĐLJ jenseits ethniƐŝĞƌĞŶĚĞƌƵŶĚŬƵůƚƵƌĂůŝƐƚŝƐĐŚĞƌWĂƌĂĚŝŐŵĞŶnjƵƚŚĞŵĂƚŝƐŝĞƌĞŶ͘/ŵ<ŽŶƚĞdžƚŶĞŽůŝďĞƌĂůĞƌ
^ƵďũĞŬƟǀŝĞƌƵŶŐƐƉŽůŝƟŬĞŶŝŶĚĞƌ^ƚĂĚƚƐĞƚnjƚƐŝĐŚĚĞƌƌƟŬĞůĚĂƌƺďĞƌŚŝŶĂƵƐŵŝƚĚĞƌWƌŽnjĞƐƐͲ
ƵŶĚ<ŽŶŇŝŬƚŚĂŌŝŐŬĞŝƚǀŽŶŝƟnjĞŶƐŚŝƉͲLJŶĂŵŝŬĞŶĂƵƐĞŝŶĂŶĚĞƌƐŽǁŝĞŵŝƚnjƵŶĞŚŵĞŶĚĞŶ
&ƌĂŐŵĞŶƟĞƌƵŶŐƐƉƌŽnjĞƐƐĞŶ͕ĚŝĞnjƵŶĞƵĞŶƐƚćĚƟƐĐŚĞŶŬƚĞƵƌƐŬŽŶƐƚĞůůĂƟŽŶĞŶĨƺŚƌĞŶ͘
ƌƐƚĞŝŶƌĞŝĐŚƵŶŐ͗ϮϮ͘ƉƌŝůϮϬϭϰ͖sĞƌƂīĞŶƚůŝĐŚƵŶŐŽŶůŝŶĞ͗Ϯϯ͘ĞnjĞŵďĞƌϮϬϭϰ
ŶĞŶŐůŝƐŚĂďƐƚƌĂĐƚĐĂŶďĞĨŽƵŶĚĂƚƚŚĞĞŶĚŽĨƚŚĞĚŽĐƵŵĞŶƚ͘
Wohl kaum ein sozial- und kulturwissenschaftliches Forschungsfeld hat
sich in den vergangenen Jahren so dynamisch entwickelt wie das der
Migration. Nachdem in den 1990er Jahren globalisierungstheoretische
Ansätze und transnationale sowie transkulturelle Konzeptentwicklungen
im Vordergrund standen (u. a. Basch et al. 1994, Hess 2004, Pries 1997), werden nun zunehmend (wieder)[1] lokale Dimensionen von Migrationsdynamiken sowie ihre urbanen Aspekte und Effekte in den Blick genommen
(*OLFN6FKLOOHUdD÷ODU+LOOPDQQ, Lanz 2007, Smith 2001).
Speziell die Stadtsoziologie, die bereits zu ihren Anfängen in der Chicago
School stark von der Auseinandersetzung mit der europäischen Migration
in US-ameri ka nische Groß städte geprägt war (vgl. etwa Znaniecki/
Thomas 1984), beschäftigte sich in den 1990er und 2000er Jahren erQHXWPLW0LJUDWLRQVSKlQRPHQHQLQGHU6WDGWDOOHUGLQJVPLWGHPVSH]L¿schen Schwerpunkt auf Segregationsprozesse und Fragen sozialer In- und
Exklusion (Häußermann et al. 2004, Kronauer 2002).
Ein historisch informierter Blick auf die ‚Wiederentdeckung‘ der Stadt
durch unterschiedliche Forschungsdisziplinen und -ansätze macht deutlich,
dass lokale Prozesse stets eine wichtige Rolle für Migrationsdynamiken gespielt haben.[2] Denn während Einreisebestimmungen, die Vergabe eines
Aufenthaltsstatus und der Erwerb der Staatsbürgerschaft zentralstaatliche
Angelegenheiten sind, werden die Rahmenbedingungen für das alltägliche
Leben stark auf der lokalen Ebene mitgeprägt. So waren es in Deutschland
12
ƐƵďͰ u r b a n
vor allem die Städte, die angesichts der ‚Gastarbeiterproblematik‘ – und
lange vor der Bundesregierung – bereits Mitte der 1970er Jahre erste integrationspolitische Schritte unternahmen bzw. sich aufgrund des Drucks
migrantischer Proteste und Selbstorganisationen on the ground dazu gezwungen sahen, auf migrantische Forderungen nach Wohnraum, Arbeit,
Bildung usw. zu reagieren (vgl. Bayer et al. 2009, Hess 2013a). Seit den
1980er Jahren hat die Bedeutung der städtischen Ebene für Migrations- und
Verortungsprozesse sowie für Dynamiken der Inklusion und Exklusion im
Zuge globaler Rescaling-Prozesse (für einen deutschsprachigen Überblick
vgl. Wissen 2008) noch weiter zugenommen, wie unter anderem Nina Glick
6FKLOOHUXQG$\úHdD÷ODUMQJVWJH]HLJWKDEHQ *OLFN6FKLOOHUdD÷ODU
Auch in der öffentlich-politischen Diskussion und in den Medien werden Migrationsprozesse stark als ein städtisches Phänomen konzeptualisiert, wie derzeit in der Debatte um die ‚Armutsmigration‘ bulgarischer und
rumänischer EU-Bürger_innen deutlich zu Tage tritt (vgl. dazu auch das
Positionspapier des Deutschen Städtetages zu den Fragen der Zuwanderung
aus Rumänien und Bulgarien, 22.1.2013). In zum Teil kulturpessimistischen
Szenarien werden die Effekte der Einwanderungsgesellschaft als ‚Krise der
Städte‘ und als urbane ‚Parallelgesellschaften‘ verhandelt (und das durchaus
auch wissenschftlich, etwa bei Heitmeyer et al. 1998; kritisch dazu Pott 2001,
Ronneberger/Tsianos 2009). Hierbei wird Migration ausschließlich unter dem Gesichtspunkt ‚kultureller Differenz‘ bzw. ‚ethnischer Andersheit‘
problematisiert, was Kultur- und Sozialwissenschaftler_innen weithin als
Ethnisierung des Sozialen und kulturalistische Engführung der Thematik
kritisieren (vgl. Kaschuba 1995, Tezcan 2011). Fragen sozialer Ungleichheit
(Ha 2009) und politische Aspekte der Herstellung sowie der Kontrolle von
Mobilitätsbewegungen als ‚Migration‘ werden hierbei weitestgehend ausgeblendet (Hess 2013b). Diese wissenschaftliche Operationalisierung basiert zudem auf einem essentialistischen Kulturbegriff. Wie Levent Tezcan
(2011: 358) treffend herausarbeitet, unterstellt dieser eine kausale Beziehung
„zwischen der Herkunft einer als kohärent gedachten sozialen Gruppe und
dem sozialen Handeln ihrer Mitglieder. Mit dem Verweis auf Kultur wird dabei eine Andersartigkeit als Geschäftsgrundlage vorausgesetzt, die folgerichtig eine Sonderbehandlung der besagten Gruppe auf den Plan ruft.“ Jedoch
dominiert auch in vielen stadtforscherischen Untersuchungen weiterhin ein
‚ethnic group research design‘ bzw. eine ‚ethnische Brille‘, wie Glick Schiller
LQLKUHQ5HÀH[LRQHQEHUGLH6WDGWXQG0LJUDWLRQVIRUVFKXQJVODQGVFKDIW
immer wieder kritisch hervorhebt: „Despite the contributions of the constructionist perspectives and the manifold descriptions of diversity within
what is being characterized as a culturally uniform group, most migration
VFKRODUVFRQWLQXHWRXVHµHWKQLFFRPPXQLW\¶DVERWKWKHREMHFWRIVWXG\DQG
the unit of analysis in migration research“ (2008: 3).
Die Dominantstellung des Ethnizitätsparadigmas und die damit einhergehende reduktionistische Kulturalisierung des Migrationsphänomens wurden
in den letzten Jahren vor allem im Kontext der kritischen Migrationsforschung differenziert kritisiert (vgl. auch Sökefeld 2004, Mecheril et al. 2013).
Dabei wird deutlich, dass diese Paradigmen nur wenig Erklärungskraft im
Hinblick auf die neuen komplexen sozialen, politischen und ökonomischen
Verhältnisse besitzen, an denen Migrationsbewegungen zum einen aktiv
ϮϬϭϰ͕ĂŶĚϮ͕,ĞŌϯ
Hess / Lebuhn
ϭϯ
beteiligt sind – wie an der Herbeiführung postnationaler Gesellschaftlichkeit
– und in deren Rahmen sie andererseits auch zum Gegenstand von Kontrolle
und ökonomischer Verwertung werden (vgl. u. a. Mezzadra/Neilson 2013).
In diesem Sinn liegt unserem Artikel einerseits ein konstruktivistisches Verständnis von Migration als sozial, politisch und wissenschaftlich
hergestelltes Phänomen zugrunde. Andererseits knüpfen wir an neuere
Konzeptualisierungen an, die Deutschland wie wohl die meisten Gesellschaften dieser Welt als postmigrantisch verstehen. Die historischen sowie die gegenwärtigen Migrationsprozesse haben Deutschland unumkehrbar zu einem Einwanderungsland gemacht und die Erfahrungen und
'\QDPLNHQGHU0LJUDWLRQZLUNHQDXFKMHQVHLWVNRQNUHWHU6XEMHNWHPLW
Migrationserfahrungen.
Ein international viel diskutiertes Konzept, das es dezidiert möglich macht,
0LJUDWLRQXQG6WDGWMHQVHLWVGHV(WKQL]LWlWVSDUDGLJPDV]XVDPPHQ]XGHQken, ist das Urban-Citizenship-Konzept, welches auf die Frage nach Teilhabe,
nach dem Zugang zu Ressourcen und nach Rechten sowie der Entstehung
neuer Rechtsregime auf lokaler Ebene fokussiert. Die Debatte um urban citizenship bzw. Stadtbürgerschaft, die – wie wir unten zeigen werden – in der
angloamerikanischen Literatur bereits seit Anfang der 1990er Jahre intensiv
geführt wird, ist im deutschsprachigen Raum bislang nur wenig rezipiert worGHQ YJO/HEXKQ 6LHHUVFKHLQWXQVMHGRFKIUGLH:HLWHUHQWZLFNOXQJ
migrationswissenschaftlich-stadtforscherischer Ansätze besonders innovativ, da sie einerseits die Perspektive des städtischen Regierens der Migration
aufwirft, dabei gleichzeitig aber in der Lage ist, migrantische Akteure und
PLJUDQWLVFKH+DQGOXQJVPDFKWMHQVHLWVHWKQLVLHUHQGHUXQGNXOWXUDOLVWLVFKHU
Paradigmen zu thematisieren (vgl. das Plädoyer von Glick Schiller 2006).
Mit dieser doppelten Perspektivierung auf macht- und akteurstheoretische
)UDJHQMHQVHLWVYRQÃ.XOWXU‘ und ‚Ethnizität‘ als Hauptinterpretamente unterscheidet sich das Urban-Citizenship-Konzept auch deutlich von klassischen Arbeiten der Integrationsϯ- und Exklusionsforschung sowie von
Multikulturalismus- und Diversity-Ansätzen, die Migration weiterhin vor
allem als kulturell-ethnische Differenzerfahrung mal im negativen, mal im
positiveren, bereichernden Sinne konzeptualisieren.
Im Folgenden werden wir die städtische Dimension von Citizenship-Politiken diskutieren und sie zu den konzeptionellen Entwicklungen und Debatten
der neueren (kritischen) Citizenship-Forschung in Bezug setzen. Dabei
interessieren uns insbesondere die im Kontext von migrationspolitischen
Fragestellungen relevanten theoretischen Brüche und Weiterentwicklungen.
Zunächst diskutieren wir den Übertrag des ursprünglich von T. H. Marshall
(1950) geprägten Citizenship-Begriffs auf die Ebene der Stadt ab den 1990er
Jahren und kommen auf forcierte Fragmentierungsprozesse von citizenship zu sprechen. Im Anschluss daran geht es um die Dynamisierungen
des (Urban-)Citizenship-Konzepts, wie es vor allem im Rahmen des stark
wachsenden Forschungsfeldes der critical citizenship studies im anglophonen Raum praktiziert wird (u. a. Isin 2008a, Rygiel 2010). Diese neueren
Ansätze, die aus der Kritik an statischen und staatszentrierten Deutungen
heraus entstanden sind, fassen citizenship als Prozess und Praxis. Damit
rücken verstärkt auch soziale Bewegungen, migrantische Selbstorganisation
und städtische Aneignungspraxen ‚von unten‘ in den Blick. Abschließend
14
ƐƵďͰ u r b a n
stellen wir einige Überlegungen speziell im Kontext neoliberaler Stadtpolitik
DQGLHDXVXQVHUHU6LFKW]XDPELYDOHQWHQ3UR]HVVHQGHU6XEMHNWLYLHUXQJ
und Fragmentierung von citizenship claims führen. Im Schlussteil werfen
wir eine Reihe von Fragen auf, die – wie wir hoffen – zu einer produktiven
Debatte um Konzepte und Perspektiven an der Schnittstelle zwischen Stadt,
Migration und citizenship beitragen können, wie sie in den nachfolgenden
Beiträgen dieser s u b \ u r b a n-Ausgabe vertieft am Beispiel unterschiedlicher Themenfelder geführt wird.
Citizenship als umkämpftes Konzept
Die Citizenship-Debatte wird bis heute stark von T. H. Marshalls 1950 veröffentlichtem Essay „Citizenship and Social Class“ (Marshall 1950) geprägt.
Während der Begriff im Deutschen meist (ungenau) mit „Staatsbürgerschaft“
übersetzt wird, bezog Marshall ihn in seinem historischen Essay vor allem auf
die Frage gesellschaftlicher Teilhabe. Er unterschied zwischen der formalen
Zugehörigkeit zu einer politischen Gemeinschaft einerseits und den damit
verbundenen Rechten auf gesellschaftliche Teilhabe andererseits. Dabei wies
Marshall darauf hin, dass Bürgerrechte ab dem 18. Jahrhundert erst nach
und nach durchgesetzt wurden bzw. werden mussten: „The story of civil
rights in their formative period is one of the gradual addition of new rights
to a status that already existed“ (Marshall 2006 [1950]: 31).
So war die Konzeption des Staatsbürgers und das damit verbundene
6HWDQ5HFKWHQ XQG3ÀLFKWHQ YRQ%HJLQQDQXPNlPSIW1XU]ZHL-DKUH
nach der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte in der Französischen
Revolution 1789 wies Olympe de Gouges mit ihrer „Erklärung der Rechte
der Frau und Bürgerin“ (1792; Holland Cunz 2003: 18ff.) auf den Kampf von
Frauen um eine ebenbürtige politische Anerkennung und gleiche Rechte hin.
Köster-Eiserfunke, Reichhold und Schwiertz (2014) zeigen darüber hinaus,
wie die westliche Konstitution der Staatsbürgerschaft von Anfang an ebenso
GXUFKGLH+\SRWKHNGHV.RORQLDOLVPXVXQGGHV$XVVFKOXVVHVUDVVL¿]LHUWHU
‚Anderer‘ geprägt ist, wobei bereits Ende des 18. Jahrhunderts mit der haitianischen Revolution ein Zyklus von Kämpfen gegen diesen rechtlichen und
politischen Ausschluss begann. Köster-Eiserfunke et al. (2014: 178) folgern:
„Citizenship ist aus unserer Perspektive daher von Beginn an mit politischen
Kämpfen um Rechte verbunden und ist nach wie vor umfochten.“ Darüber
hinaus ist citizenship, so wie sie sich als Staatsbürgerschaft des nationalen
Staats konstituiert hat, ontologisch eng mit Fragen der Mobilitätskontrolle
verbunden und priorisiert bzw. erzwingt ein gewisses Maß an Sesshaftigkeit
– ein Zusammenhang, der in den derzeitigen internationalen Protesten
von Migrant_innen und Flüchtenden um Bewegungsfreiheit, Sicherheit
und Teilhabe zentral herausgefordert wird (vgl. Nyers/Rygiel 2012: 7,
Hindess 2000). Barry Hindess sieht denn auch eine primäre Funktion der
Institution der Staatsbürgerschaft darin, im biopolitischen Sinne „international management of populations“ zu betreiben.
In eine ähnliche Richtung weist Marshalls damalige Argumentation. So
untersuchte er neben dem Recht auf politische Teilhabe – vor allem dem aktiven und dem passiven Wahlrecht – die historische Durchsetzung von zivilen
und sozialen Rechten. Zudem unterschied Marshall systematisch zwischen
ϮϬϭϰ͕ĂŶĚϮ͕,ĞŌϯ
Hess / Lebuhn
15
den unterschiedlichen Dimensionen von Zugehörigkeiten einerseits und der
gesellschaftlichen Teilhabe andererseits und argumentierte, dass die formale
(Staats-)Bürgerschaft keinesfalls mit der Vergabe substanzieller Rechte in
allen gesellschaftlichen Bereichen einhergehen muss. In diesem Sinne lässt
sich auch nur dann von full citizenship sprechen, wenn eine umfassende
Teilhabe in allen gesellschaftlichen Bereichen gewährleistet ist. Marshalls
Unterscheidung zwischen formalen und substanziellen Rechten hilft somit
zum einen bei der Formulierung eines dynamischen und prozessorientierten
Citizenship-Konzepts, das – wie wir weiter unten zeigen werden – ein wichtiges Fundament für die Perspektive auf Citizenship-Kämpfe bildet. Zudem
erlaubt seine Unterscheidung, aktuelle Transformationen von citizenship im
Kontext neoliberaler Regierungslogiken sowie die Aushöhlung sozialstaatlicher und demokratischer Teilhaberechte zu konzeptualisieren.
So stellen etwa Holston und Appadurai (1999: 4) fest, dass formale
Staatsangehörigkeit („membership in a nation-state“) heute immer weniger als notwendige oder ausreichende Bedingung dafür gelten kann, dass
man auch alle gesellschaftlichen Teilhaberechte („substantive citizenship“)
genießt. Diese Dynamik betrifft nicht nur Migrant_innen, die vielfach in
unterschiedlichen Graden bereits aus der (formalen) Staatsbürgerschaft ausgeschlossen sind. Vielmehr ist die Frage nach gesellschaftlicher Teilhabe und
dem substanziellen Gehalt von Rechten ebenso zentral für Staatsbürger_innen, die entlang verschiedener Machtverhältnisse und Kategorisierungs- und
Rasterungsprozesse von Rassismus, Sexismus, Ableismus, Homophobie
und Transphobie betroffen sind und dadurch von der Nutzung und Inanspruchnahme ihrer formalen Rechte abgehalten werden. So geht es hierbei
auch um soziales und Bildungskapital im Bourdieu’schen Sinne, welches
zunehmend mitentscheidet, ob Akteure beispielsweise im Dickicht der Bürokratisierung sozialer Rechte diese auch für sich durchsetzen können (bspw.
in der Auseinandersetzung mit Arbeits- und Sozialämtern).
*HQDXGLHVHEHUHLWVEHL0DUVKDOODQJHOHJWH)RNXVVLHUXQJMHQVHLWVYRQ
ethnischen Zuschreibungen – ironischerweise eine migrationspolitische
Leerstelle in seiner Arbeit – macht den Citizenship-Begriff im heutigen Kontext für die kritische Migrationsforschung besonders produktiv.
Denn die Frage nach dem Spannungsfeld zwischen Zugehörigkeit zu einer politischen Gemeinschaft einerseits und der damit einhergehenden
gesellschaftlichen Teilhabe anderseits eignet sich hervorragend dazu, eine Gegenperspektive zum hegemonialen Integrationsdiskurs zu eröffnen.
6FKOLHOLFKLGHQWL¿]LHUWGLHVHUJHUDGH nicht den gesellschaftlichen Ausschluss
und die Diskriminierung von Migrant_innen als Problem, sondern konstruiert vielmehr die Migrant_innen selbst als Problem für ‚die Gesellschaft‘,
wie wir oben ausgeführt haben.
=XJOHLFKKDW0DUVKDOOV(VVD\DEHUDXFKHLQHVWDUNKLVWRULVFKVSH]L¿VFKH
Dimension und bedarf daher einer Aktualisierung.[4] Migrationspolitische
$VSHNWHRGHUDXFK)UDJHQNXOWXUHOOHURGHUJHQGHUVSH]L¿VFKHU5HFKWH¿QGHW
man in Marshalls Essay bestenfalls in Ansätzen. Der neoliberale Abbau bzw.
die Aushöhlung von Rechten lag vermutlich fernab seiner Vorstellungskraft.
Selbst die kapitalistischen Zentren mussten sich nach dem Zweiten Weltkrieg
in der Konkurrenz zum Ostblock als die besseren, das heißt nicht zuletzt
auch die sozialeren Systeme beweisen. Heute hat sich der Kontext und die
16
ƐƵďͰ u r b a n
Stoßrichtung der Citizenship-Debatte daher in mindestens dreierlei Hinsicht geändert: Erstens muss die Frage gesellschaftlicher Teilhabe vor dem
Hintergrund der neoliberalen Umstrukturierung des Wohlfahrtsstaates
und starker, sozial höchst differenzierter Ausgrenzungsprozesse diskutiert
werden – aktuell vor allem auch im Kontext der globalen „Vielfachkrise“
(Demirovic et al. 2011). Zweitens stellen sich mit den aktuellen Dynamiken
internationaler bzw. transnationaler Migration auch neue Fragen von postnationaler Zugehörigkeit und Teilhabe. Drittens verschieben sich im Prozess
der ökonomischen und politischen Globalisierung die Ebenen, auf denen politische, soziale und kulturelle Rechte bereitgestellt werden. Es verändern sich
die Kompetenzen und Machtverhältnisse zwischen nationalen Regierungen,
supranationalen Institutionen/Regimen und der lokalen Ebene: ein Prozess,
der vor allem im Zuge der Debatten um urban neoliberalism (Brenner/
Theodore 2002, Jessop 2002), urban post-fordism (Mayer 1994, Roth 1998)
und die politics of scale (Brenner 1997, Swyngedouw 1997) diskutiert wurde.
Vor allem dieser dritte Aspekt – der Bedeutungsgewinn des Städtischen im
Zuge des neoliberalen Globalisierungsprozesses – bildet den politischen
Kontext, in dem ab den frühen 1990er Jahren eine Neulektüre Marshalls,
ein innovativer Übertrag auf die Ebene der Stadt und eine konzeptionelle
Weiterentwicklung im Rahmen der Urban-Citizenship-Debatte stattfanden
(vgl. etwa Garcia 1996, Holston 1999, Lustiger-Thaler 1993, Vertovec 1998).
Urban citizenship und die Herausforderung der Migration
Die sich seit einigen Jahren intensivierende Debatte um das Urban-Citizenship-Konzept ist insbesondere als Versuch zu verstehen, Konzepte von
Bürgerschaft und Teilhabe vor dem Hintergrund eines downscaling von
Macht- und Herrschaftsverhältnissen und der neoliberalen Restrukturierung
des städtischen Raums neu zu formulieren. Als scales werden in diesem Zusammenhang politisch konstruierte, räumliche Maßstabsebenen wie Stadt,
Nation, Region oder Weltmarkt bezeichnet. Autoren wie Eric Swyngedouw
XQG1HLO%UHQQHUDUJXPHQWLHUHQGDVVÄGDVMHZHLOVJOWLJH6\VWHPUlXPlicher Maßstabsebenen der sozialen Welt das Ergebnis umkämpfter sozialer Prozesse darstellt“ (Belina 2014: 42). Im Zuge des Übergangs vom
Fordismus zum Postfordismus haben Strategien der Neoliberalisierung vor
allem auch zu einer Verlagerung von ökonomischem Wettbewerb, Konkurrenz und Marktförmigkeit auf die subnationale und lokale Ebene geführt
(Brenner 2004). Migrationsdynamiken spielen dabei eine doppelte Rolle,
ZLH1LQD*OLFN6FKLOOHUXQG$\úHdD÷ODULQLKUHQ$UEHLWHQ]X0LJUDWLRQXQG
den politics of scale bzw. Reskalierungsprozessen zeigen. Denn einerseits
haben sich die policies und die politischen Rahmenbedingungen verändert, unter denen sowohl städtische Migrationspolitik als auch migrantiVFKH,QNRUSRUDWLRQVWDWW¿QGHQ$QGHUHUVHLWVVLQG0LJUDQWBLQQHQVHOEVW
angesichts ihrer transnationalen Netzwerke und ökonomischen Ressourcen
wichtige Akteure im Rescaling-Prozess und im neoliberalen Wettbewerb der
Städte gegeneinander (*OLFN6FKLOOHUdD÷ODUYJODXFK*OLFN6FKLOOHU
dD÷ODU).
Vor diesem Hintergrund interessieren sich Arbeiten, die sich auf den
Spuren von T. H. Marshall auf städtisches Terrain begeben, vor allem für
ϮϬϭϰ͕ĂŶĚϮ͕,ĞŌϯ
Hess / Lebuhn
17
)UDJHQQDFKGHP=XJDQJ]XXQG.RQÀLNWHQXPXUEDQH5HVVRXUFHQXQG
5HFKWHVRZLHLKUHU$QHUNHQQXQJXQG.RGL¿]LHUXQJDXIGHU(EHQHGHU6WDGW
Oder um es mit den Worten von Marisol García (2006: 754) zu formulieren:
„Urban and regional forms of citizenship develop when: policy instruments are introduced locally and regionally in order to maintain and/or
create social entitlements as a result of citizens’ demands or as a result
of local institutions’ innovative practices; and when the mechanisms
for political integration provide an open sphere for participation and
contestation not only for established citizens, but also for denizens.“
Darüber hinaus wird in der Literatur verstärkt wieder die historische Rolle
betont, die Städte für die Entwicklung von Bürgerrechten gespielt haben
(Isin 2008a). Die beiden zentralen Figuren in diesem Kontext sind der
‚Stadtbürger‘ des antiken Athens, dessen Status vor allem vom männlichen
Geschlecht und von seinem Besitzstand abhing, sowie der ‚freie Stadtbürger‘
im mittelalterlichen Feudalismus, der die Stadt als Bollwerk gegen das
Feudalsystem des Adels in Stellung brachte. Die Stadt ist dabei nicht etwa nur
GHUJHRJUD¿VFKH2UWDQGHPVR]LDOHXQGSROLWLVFKH$XVHLQDQGHUVHW]XQJHQ
VWDWW¿QGHQVRQGHUQZXUGH]XUPHWDSKRULVFKHQ)LJXUÄWKHEDWWOHJURXQG
through which JURXSVGH¿QHWKHLULGHQWLWLHVVWDNHWKHLUFODLPVZDJHWKHLU
battles and articulate citizenship rights and obligations“ (Isin 2002: 50, zitiert nach Bauböck 2003: 139, kursiv im Original). Stadtbürgerschaft selbst
wiederum unterlag im historischen Rückblick ganz unterschiedlichen Konstitutionsbedingungen – vom ökonomischen Erwerb über die räumliche
3UlVHQ]ELVKLQ]XGLYHUVHQUDVVL¿]LHUWHQUHOLJL|VLVLHUWHQ6WUDWL¿]LHUXQJHQ
XQG$XVVFKOVVHQ6LHLVWGDKHUVWHWVDOVNRQWLQJHQWHV(UJHEQLVYRQ.RQÀLN
ten um Zugehörigkeit zu bzw. den Ausschluss aus der politischen (städtischen) Gemeinschaft zu verstehen.
Angesichts der voranschreitenden Reskalierungsprozesse kommt den
Städten heute ebenfalls eine neue große Bedeutung für soziale Verortungsund Teilhabeprozesse zu. So demonstrieren Thomas Faist und Hartmut
Häußermann in ihrer Studie von 1996 über „Immigration, Social Citizenship
and Housing in Germany“, dass viele sozialstaatliche Leistungen auf lokaler
oder regionaler Ebene reguliert werden und sich ihre Qualität daher von
Ort zu Ort stark unterscheiden kann (Faist/Häußermann 1996). Die Frage
nach dem Status als (Stadt-)Bürger_in und den damit verbundenen bzw.
umkämpften Rechten wird nicht zuletzt dann hochrelevant, wenn es um
migrantische Praktiken des Rechteforderns und -nehmens und Fragen der
Inklusion und Exklusion von Migrant_innen geht. So unterscheiden etwa
Faist und Häußermann in ihrer Forschungsarbeit zwischen sechs verschiedenen migrantischen Statusgruppen. Regina Römhild und Steven Vertovec
kommen in ihrer Studie über Vielfaltsprozesse in Frankfurt am Main Ende
der 2000er Jahre insgesamt auf 17 verschiedene rechtliche Statusgruppen
(vgl. Stadt Frankfurt 2009: 46). Faist und Häußermann (1996) stellen darüber
hinaus erhebliche Unterschiede bezüglich des daraus ableitbaren Zugangs zu
Einbürgerung, Arbeitslosenversicherung, Sozialhilfe, Kinderbetreuung und
sozialem Wohnungsbau fest. So wird auch der Anspruch auf öffentlich subventionierte Integrations- bzw. Sprachkurse oder auf eine staatlich geförderte
Kinderbetreuung und viele andere Leistungen kommunal unterschiedlich
18
ƐƵďͰ u r b a n
gehandhabt. Auch Anträge auf Kinder- und Elterngeld, das Migrant_innen
mit einem gesicherten Aufenthalt beanspruchen können, werden in der Regel
auf lokaler Ebene bearbeitet. Die Kommunen haben darüber hinaus einen
deutlichen Spielraum bezüglich Duldungs- und Entkriminalisierungspolitiken gegenüber Migrant_innen ohne Papiere, womit in Deutschland auch
in diesem ganz basalen Sinne eine höchst fragmentierte Rechtslandschaft
geschaffen und sozial praktizierte Formen ‚irregulärer Bürgerschaft‘ hervorgebracht werden (vgl. u. a. Anderson 2003; vgl. dazu auch Nyers 2008 und
2011 zur Bewegung der sanctuary cities in Kanada). In diesem Sinne zeigt die
Perspektive auf urban citizenship eine allgemein feststellbare Tendenz einer
erhöhten Fragmentierung und Hierarchisierung von Citizenship-Rechten in
aller Deutlichkeit. Darauf wollen wir im Folgenden weiter eingehen.
Forcierte Fragmentierung von citizenship
Seit geraumer Zeit beobachten Migrationsforscher_innen eine zunehmende
6WUDWL¿]LHUXQJXQG+LHUDUFKLVLHUXQJYRQ%HY|ONHUXQJHQGXUFK=XZHLVXQJ
unterschiedlicher Status und Rechte. Lydia Morris (2002) hat in diesem
Kontext den Begriff der „civic stratification“ entwickelt, also der (staatlich) intendierten Abstufung von Rechten und der damit einhergehenden
6WUDWL¿]LHUXQJGHU QLFKWQXUPLJUDQWLVFKHQ %HY|ONHUXQJ6DQGUR0H]]DGUD
und Brett Neilson (2013) sprechen von der „differentiellen Inklusion“, um
deutlich zu machen, dass selbst ein illegalisierter Status ein Status ist, der
]ZDUZHLWJHKHQGH(QWUHFKWXQJEHGHXWHWMHGRFKQLFKWGLH1LFKWYHUZHUWEDU
keit und den totalen Ausschluss der illegalisierten Arbeitskraft intendiert.
So demonstrierten zum Beispiel die sans-papiers[5] in Frankreich, dass sie
über Jahrzehnte hinweg zwar in Frankreich lebten und arbeiteten und ihre
Kinder auf Schulen gingen, dass sie in gewissem Sinne also durchaus inkluGLHUWZDUHQGLHVMHGRFKLP=XVWDQGGHU5HFKWORVLJNHLW1HXHUH6WXGLHQ]X
Migration und Staatsbürgerschaftspraktiken wie die von Sandro Mezzadra
und Brett Neilson (2013) weisen in diesem Kontext auf eine Tendenz zur
Ökonomisierung von Staatbürgerschaftsrechten hin, beispielsweise im
Rahmen von Punkteverfahren (wie es das multikulturelle ‚Vorzeigeland‘
Kanada praktiziert). Die Arbeiten von Aihwa Ong (2005: 301; auch 1999)
zu Gesellschaften Südostasiens zeigen ferner, dass das „System differenzierter Staatsbürgerschaft“ im Zuge neoliberaler Restrukturierungspolitiken
zu einer forcierten Fragmentierung und Zonierung des einst als homogen
angenommenen nationalen Rechtsraums führt, was wiederum auch die
vermeintlich einheimische Arbeiterschaft trifft (vgl. auch Hess 2012). So
werden Migrant_innen in den meisten Ländern einer immer komplexeren Hierarchie an Aufenthaltstiteln unterworfen, auf deren Basis ihnen ein
Status zugewiesen wird. Dieser kann von der völligen Rechtlosigkeit (De
Genova (2002) spricht von „deportability“) über einen prekarisierten Status
(der temporären Aussetzung der Abschiebung) bis zur fast vollständigen
Bürgerschaft (der unbefristeten Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis) reichen.
Doch selbst der fast vollständige Aufenthaltsstatus wird in zunehmendem
Maße wieder unter Vorbehalt gestellt, wie beispielsweise im Kontext des
‚Kriegs gegen den Terror‘, wenn Aufenthaltstitel entzogen und Verdächtige
in Flüchtlingswohnheime verbannt oder gar ausgewiesen werden. Auch im
ϮϬϭϰ͕ĂŶĚϮ͕,ĞŌϯ
Hess / Lebuhn
19
Zusammenhang mit der Einführung biometrischer Grenzkontrollverfahren
LVWHLQH]XQHKPHQGH6WUDWL¿]LHUXQJYRQ 0RELOLWlWV 5HFKWHQLPJOREDOHQ
Maßstab sowie innerhalb von Ländern zu befürchten, da die Verfahren auf
der Produktion verschiedener Klassen von Reisenden und Pässen basieren
ÄERQD¿GHWUDYHOOHUV³XQGDQGHUH 1\HUV5\JLHO 'LH)UDJHZLH
ODQJHVLFKMHPDQGLQHLQHP/DQGDXIKDOWHQXQGREHURGHUVLHGDEHLDUEHLWHQ
darf, stellt also nur das offensichtlichste Set der im Rahmen von Citizenship3ROLWLNHQYHUOLHKHQHQ5HFKWHXQG3ÀLFKWHQGDU-HGHU$XIHQWKDOWVWLWHOLVW
darüber hinaus mit einer Vielzahl an Erlaubnissen und Einschränkungen verbunden. Zum anderen kann die kritische Migrationsforschung aber zeigen,
ZLH0LJUDQWBLQQHQVHOEVWVLFKÀXLGHXQGNHQQWQLVUHLFK]ZLVFKHQYHUVFKLHGHnen Status bewegen, was eine simple binäre und statische Gegenüberstellung
von legal versus illegal, citizen versus non-citizen problematisch macht (vgl.
Hess/Karakayali 2007; auch Squire 2011).
Untersucht man die Abstufung und Fragmentierung von Rechten, so
wird darüber hinaus deutlich, dass – wie auch oben schon an der Studie von
Häußermann und Faist gezeigt wurde – gerade die Institutionen des „lokalen
6WDDWHV³ .UlWNH6FKPROO HLQH]HQWUDOH5ROOHEHLGHU6WUDWL¿]LHUXQJ
der migrantischen Bevölkerung spielen und sich Strategien von Kontrolle
und Ausgrenzung mit Politiken der Gewährung und der Teilhabe systematisch verschränken. Alana Lentin und Gavan Titley (2011) sprechen in
diesem Zusammenhang von racial neoliberalism. Dies reicht mittlerweile
hin zu proaktiven städtischen Anwerbe- und weitreichenden kommunalen
Anerkennungspolitiken im Kontext von Reskalierungsprozessen und einer forcierten Standortkonkurrenz um Humankapital und Investitionen,
wie es Glick Schiller (2012) beispielsweise in Manchester untersucht hat.
Sie zeigt, wie Manchester in seinen Restrukturierungsmaßnahmen zwar
spät, doch dann um so nachhaltiger vor allem auf in der Stadt lang ansäsVLJHMHGRFKELVGDWRPDUJLQDOLVLHUWHSDNLVWDQLVFKH1HW]ZHUNHJHVHW]WKDW
– und dies zu einer Zeit, als die nationale Einwanderungspolitik unter dem
Eindruck des internationalen Kampfes gegen den Terrorismus gerade gegenüber Migrationsbewegungen aus dieser Weltregion zu restriktiven Politiken
griff. Ähnliche Paradigmenwechsel in städtischen Migrationspolitiken können Mathias Rodatz (2012) oder Stephan Lanz (2009) für bundesdeutsche
Metropolen wie Frankfurt am Main und Berlin nachweisen. Dabei erfordert
die Abstufung von Rechten ein engmaschiges Monitoring der unterschiedlichen ausländerrechtlichen Statusgruppen und die Herstellung permanenter ‚Grenzsituationen‘. Städtische Ämter und Behörden, aber auch private
Dienstleister in den Städten und Nachbarschaften werden dazu angehalten,
Ausweis- und Aufenthaltspapiere permanent zu überprüfen, um festzustellen, wer welche Leistungen und Güter in Anspruch nehmen darf und wer
nicht; citizenship und (Grenz-)Kontrolle werden untrennbar miteinander
verknüpft (Lebuhn 2012).
Status und Kontrolle werden also auch im städtischen Kontext nicht einfach in einem Top-down-Prozess praktiziert, sondern konstituieren sich in
$XVKDQGOXQJVSUR]HVVHQGXUFKDXVNRQÀLNWLY /HEXKQ 'DUEHUKLQaus kommt der kommunalen Ebene oft eine Art Vorreiterrolle bei Citizenship-Kämpfen zu. So demonstriert Isin in „The city as the site of the social“ (2008b), wie neben dem historischen Zusammenspiel von Stadt und
20
ƐƵďͰ u r b a n
citizenship der städtische Raum auch gegenwärtig der primäre Schauplatz und
$GUHVVDWYRQ.RQÀLNWHQXP$QHUNHQQXQJ=XJDQJ]X5HVVRXUFHQXQGEDVDOHU
Infrastruktur sowie Sicherheit bleibt bzw. in seiner Bedeutung noch zunimmt
(ebd.: 272). In diesem Sinne ist es sicherlich kein Zufall, dass in den 1970er
Jahren auch auf städtischer Ebene zunächst Ausländerbeiräte als Antwort
auf migrantische Forderungen nach rechtlicher Teilhabe und später das kommunale Wahlrecht für EU-Bürger_innen durchgesetzt wurden, während auf
der nationalen Ebene erst 2007 unter der christdemokratischen Regierung
von Angela Merkel ein Integrationsplan verabschiedet wurde und politische
Teilhabeforderungen nach Wahlrecht weiterhin abgeschmettert werden.
Die Kluft zwischen Ideal und Ausschluss:
citizenship aus der Perspektive der Kämpfe
Auch wenn die zentrale Rolle von Bottom-up-Dynamiken für die Konstitution von (urban) citizenship bereits bei Marshall angedeutet und in den
frühen Arbeiten zur städtischen Dimension von citizenship durchaus präsent war, erfolgte eine systematische Dynamisierung des Konzepts und eine
praxeologische Perspektivierung erst ab Ende der 1990er und in den 2000er
Jahren. Wegweisend für diese neueren Konzeptualisierungen, die sich auf
organisierte und unorganisierte alltägliche Politiken des Rechtenehmens
und des Zugehörigmachens konzentrieren (vgl. Nyers/Rygiel 2012), waren
unter anderem das Konzept der insurgent citizenship von Holston und Isins
Konzept der acts of citizenship. Isin und Turner (2002: 4) beschreiben die
neue konstruktivistische Perspektivierung dann auch folgend: „Rather than
merely focusing on citizenship as legal rights, there is now an agreement that
FLWL]HQVKLSPXVWDOVREHGH¿QHGDVDVRFLDOSURFHVVWKURXJKZKLFKLQGLYLGXDOV
and social groups engage in claiming, expanding and losing rights.“
'DPLWNRPPHQQLFKWQXUYHUPHKUWVR]LDOH%HZHJXQJHQXQG.RQÀLNWH
um Teilhabe und Rechte in den Blick, sondern die Perspektive wird ganz im
6LQQHYRQ+DQQDK$UHQGWV5HGHYRPÄ5HFKW5HFKWH]XKDEHQ³DXI6XEMHNWH
und Kämpfe um Rechte ausgedehnt, in denen sich die Akteure unabhängig
vom ihnen zugeschriebenen Status Rechte als Bürger_innen nehmen. Isin
F EHVFKUHLEWGLHVH0RPHQWHDOVÄDFWV³LQGHQHQVLFK6XEMHNWH
selbst faktisch zu Bürger_innen machen, und stellt fest: „To investigate acts
of citizenship […] requires a focus on those moments when, regardless of
VWDWXVRUVXEVWDQFHVXEMHFWVFRQVWLWXWHWKHPVHOYHVDVFLWL]HQV±RUEHWWHUVWLOO
as those to whom the right to have rights is due.“ Dabei enthält der Begriff
der „acts“ eine doppelte konstruktivistische Volte bzw. die Zuschreibung
einer immanenten produktiven transformatorischen Kraft: Denn es sind die
Akte der Bürgerschaft selbst, die ‚Bürger_innen‘ und ihre ‚Gegenüber‘ erst
KHUYRUEULQJHQXQGGDPLWSROLWLVFKH6XEMHNWLYLWlWEHJUQGHQ YJOHEG
Nyers und Rygiel (2012: 17) sprechen in diesem Zusammenhang denn auch
von „citizenship from below“.
Isin unterscheidet darüber hinaus acts von action: Eine erfahrbare
Handlung, etwas was getan wird, bezeichnet er als action. Dahingegen haben
acts eine transzendente Qualität und weisen über die konkrete Erscheinung
HLQHU+DQGOXQJKLQDXVN|QQHQMHGRFKQXULQGHQactions analysiert werGHQÄ'DV6SH]L¿VFKHGHV.RQ]HSWVYRQDFWV³VR.|VWHU(LVHUIXQNHHWDO
ϮϬϭϰ͕ĂŶĚϮ͕,ĞŌϯ
Hess / Lebuhn
21
(2014: 187) in ihrer Rezeption von Isins Ansatz, „ist hierbei der Bruch mit
dem Bestehenden: To act bedeutet nicht von dem Skript einer bestimmten
Szene auszugehen, aber auch nicht gänzlich von dieser zu verschwinden, to
act bedeutet eine neue Szene mitsamt einer eigenen Rolle zu konstituieren“.
Ein ‚activist citizen‘ zu werden, meint – im Unterscheid zur bürgerlich-liberalen Vorstellung des aktiven Bürgers – Gesetze zu brechen, die den formalen Status als Bürger_in verwehren (Nyers/Rygiel 2012: 17, Isin 2009: 380).
Gerade dieser Bruch mit dem Bestehenden, die Herausforderung und das
Messen des Bestehenden am Ideal der Bürgerschaft ist es, dem ferner eine intrinsisch transformative Kraft der Institution citizenship selbst zugeschrieben wird. In diesem Sinne lenkt diese Konzeption den Blick vor
allem auf die Lücke, die Kluft zwischen Ideal und empirisch feststellbarem
$XVVFKOXVV'DEHLLVWHVGLH.OXIWZHOFKHSROLWLVFKH6XEMHNWLYLWlWKHUYRUbringt und acts of citizenship begründet. In Anschluss an Jacques Rancière
GHU3ROLWLNDOV'LVVHQVGH¿QLHUWVFKUHLEHQ3HWHU1\HUVXQG.LP
Rygiel (2012: 20): „As Rancière notes, politics is mobilised in the ‚gap‘ or
discrepancy between the desire and belief of a ‚right to have rights‘ and the
absence of the materialization of those rights where certain groups of people
fail to have ,the rights that they have‘.“
Diese Konzeptualisierung erlaubt es, auch dort politischen Protagonismus
XQGSROLWLVFKH6XEMHNWLYLWlWHQ]XHUNHQQHQZRGLHIRUVFKHULVFKH%HREDFK
tungsperspektive bislang vor allem Ausschluss und ‚Opfer‘ wahrgenommen
hat, und dies ins Verhältnis zum gesellschaftlichen Allgemeinen zu setzen.
+LHU]XVFKUHLEW5XWYLFD$QGULMDVHYLF Ä(PHUJLQJPLJUDQWFROOHFWLYHVXEMHFWLYLWLHVWKURXJKSROLWLFDOPRELOLVDWLRQVKDYHGLUHFWEHDULQJRQ
our understanding and conceptualization of citizenship. Migrants’ claims
IRUMXVWLFHDQGWKHFRQWHVWDWLRQRIDVFULEHGSUHVFULEHGFDWHJRULHVFKDOOHQge the presupposition that citizenship cannot be enacted by non-citizens.“
Migrantische Akte des Rechtenehmens und des Zugehörigmachens sind
dann nicht länger im Gegensatz zu citizen subjects zu setzen, sondern als
ko-konstitutiv zu verstehen, wobei dies – wie wir später noch ausführen
werden – nicht dazu führen darf, den Unterschied gänzlich zu negieren und
die Formalisierung von Rechten politisch oder normativ abzuwerten.
Jedoch können nun auch Räume wie Lager und Abschiebegefängnisse
±ÄVSDFHVRIDEMHFWLRQ³ ,VLQ5\JLHO ±GLHEOLFKHUZHLVHDOV2UWH
der Internierung bzw. des FRQ¿QHPHQW und der ‚totalen Kontrolle‘ (Erving
Goffman) imaginiert werden oder im Sinne Giorgios Agambens als ‚Orte des
Ausnahmezustands‘ gelten, als Orte politischen Aktivismus und als Räume
GHU0RELOLVLHUXQJYRQ.lPSIHQXQGQHXHQSROLWLVFKHQ6XEMHNWLYLWlWHQXQtersucht und rekonzeptualisiert werden. So etwa im Fall der immer wiederkehrenden Kämpfe der Transitmigration – sei es in den israelischen
Internierungslagern, in den griechischen oder ungarischen Abschiebezentren oder vor und hinter den hohen Zäunen der militärisch gesicherten
spanischen Enklaven Ceuta und Melilla (vgl. Heimeshoff et al. 2014). Peter
Nyers und Kim Rygiel (2012: 16) sehen denn auch genau dies als entscheidenden Gewinn einer kritischen Citizenship-Perspektive: „Migrant activism in its diverse forms […] opens up the possibility of transforming our
WKLQNLQJDERXWFLWL]HQVKLSVXEMHFWLYLWLHVDQGVSDFHV³,P*HJHQVDW]]XU
OLEHUDOHQ'H¿QLWLRQYRQ6WDDWVEUJHUVFKDIWPLWLKUHU%HJUQGXQJLQOHJDOHP
22
ƐƵďͰ u r b a n
Status, Sesshaftigkeit und Statik, der Nachweisbarkeit durch Dokumente
und ihrem intrinsisch angelegten Ausschluss würden neue migrantische
Kampagnen und Kämpfe wie Kein Mensch ist illegal oder Don’t ask don’t
tell neue post-nationale Visionen entwickeln, „in which notions of belonging
and entitlement to rights are founded on criteria of residence, participation
in community, and social relations developed in space and in relation to ‚the
commons‘“ (ebd.). In diesem Sinne weisen acts of citizenship oftmals nicht
nur über die engen Grenzen der formalisierten Staatsbürgerschaft hinaus,
sondern repolitisieren die Grenzziehung selbst.
Neuere Perspektivierungen des Citizenship-Konzepts rücken aber nicht
nur migrantische Kämpfe in den forscherischen Blick, sondern auch vom
wissenschaftlichen Mainstream oft vernachlässigte Orte, an denen diese
Kämpfe ausgetragen werden. So interessieren sie sich unter anderem (aufs
1HXH IU.RQÀLNWHXP7HLOKDEHLQGHQ6WlGWHQGHV*OREDOHQ6GHQV YJO
etwa Holston 1999, Alsayyad/Roy 2006, Ren 2012). James Holston prägte
in diesem Zusammenhang den oben bereits erwähnten Begriff der insurgent
citizenship. Er untersucht Citizenship-Kämpfe in den informellen Siedlungen
an den Peripherien der brasilianischen Megastädte, vor allem in São Paulo
(+ROVWRQ 'DEHLVWHOOWHUIHVWGDVVGLH.RQÀLNWHVLFKGRUWHLQHUVHLWVXP
das ‚Recht auf Stadt‘ im Sinne Lefebvres entwickeln, also um reproduktive
Funktionen im urbanen Alltagsleben: um Eigentumstitel an Land und den
Schutz vor Vertreibung aus den informellen Siedlungen, um den Zugang zu
städtischer Infrastruktur wie Straßen, Wasser, Elektrizität und Schulen und
um politische Mitbestimmung in der Stadtplanung. Andererseits spielen die
dynamischen Kämpfe in den urbanen Peripherien auch eine zentrale Rolle für
den Demokratisierungsprozess auf nationaler Ebene, so Holston (2009: 258):
„The neighborhood associations also forged new horizontal confederaWLRQVRIFLWL]HQVFRQFHUQHGZLWKKRXVLQJODQGFRQÀLFWVLQIUDVWUXFWXUH
human rights, and urban administration that became city-wide and
HYHQQDWLRQDOPRYHPHQWV7KHPRVWVLJQL¿FDQWZDVWKHLUPDVVLYHSDUticipation in framing the 1988 Constitution at the end of military rule.
This movement turned the insurgent citizens of the urban peripheries
into key protagonists in a national struggle over the democratic imagination of a new charter for Brazilian society.“
Im Hinblick auf die Zusammenführung von Migrations- und Stadtforschung
sind hier gleich mehrere Aspekte hochrelevant: Angesichts der Tatsache,
dass es sich bei der Mehrheit der Bewohner_innen der urbanen Peripherien
Brasiliens um Binnenmigrant_innen aus ländlichen Regionen handelt, löst
Holstons Ansatz einer insurgent citizenship die notorische Unterscheidung
zwischen internationalen und nationalen Migrant_innen (Glick Schiller/
Wimmer 2002) zugunsten der Frage nach Rechten, Ressourcen und kollektiver Handlungsmacht auf. Deutlich wird darüber hinaus, dass urbane
.RQÀLNWHXPcitizenship eine Dynamik entfalten können, die weit über die
Grenzen der Stadt hinaus reicht – ‚urban‘ oder ‚städtisch‘ wird hier also
nicht einfach nur als ‚lokal‘JHGDFKWVRQGHUQEHQHQQWYLHOPHKUVSH]L¿VFKH
räumliche, soziale, rechtliche und andere Bedingungen und Praxen für
.RQÀLNWHXP7HLOKDEH'DUEHUKLQDXVEULQJW+ROVWRQPLWVHLQHP)RNXV
auf urbane soziale Bewegungen die Urban-Citizenship-Debatte und die
ϮϬϭϰ͕ĂŶĚϮ͕,ĞŌϯ
Ϯϯ
Hess / Lebuhn
Recht-auf-Stadt-Debatte zusammen (vgl. dazu vor allem auch Smith/
McQuarrie 2012). Schließlich beteiligt er sich mit seiner Forschung an der
‚Entkolonisierung‘ der bislang vor allem angloamerikanisch und europäisch
dominierten Stadtforschungsdebatte und wird damit anschlussfähig an die
Debatten um subaltern urbanism und die postkoloniale Kritik am GlobalCity-Ansatz (vgl. etwa Roy 2011, Robinson 2006).
Regieren durch citizenship in der neoliberalen Stadt
Die praxeologische Wende in der Citizenship-Forschung hat eine ganze Reihe
von interessanten empirischen Arbeiten hervorgebracht, die aktivistische
Praktiken und Formen im Sinne von activist citizenshipORNDOVSH]L¿VFKXQtersuchen und damit insbesondere die Lücke zwischen Ideal und Ausschluss
politisieren. Ein weiteres Set an Forschungen deutet auf grundlegende strukturelle Transformations- und Erosionsprozesse der (klassischen, bisher
staatstragenden) Figur des ‚aktiven Bürgers‘ und der Institution von citizenship im Zuge der neoliberalen Restrukturierungsprozesse hin.
So führen die eingangs skizzierten Rescaling-Prozesse, die im Zuge
der neoliberalen Globalisierung ab den 1980er Jahren einsetzten, nicht
nur zu einem Bedeutungsgewinn der Stadt gegenüber anderen politischen
und polit-ökonomischen scales. Sie gehen auch mit einer fundamentalen Restrukturierung des städtischen Raums selbst und des städtischen
Regierens einher. Susanne Heeg und Marit Rosol (2007) argumentieren,
dass die Neoliberalisierung in den Städten des globalen Nordens im Kern
zwei Regierungsstrategien zusammengebracht hat: eine unternehmerische
Strategie (Harvey 1989), die sich an den Bedingungen von verschärftem
Standortwettbewerb und Städtekonkurrenz orientiert und darauf mit einer
Aufwertung und einem Ausbau vor allem der ökonomischen Potenziale in
der Stadt reagiert, sowie eine Strategie des „weichen Neoliberalismus“ –
von Nikolas Rose (1996) als „governing through community“ bezeichnet
–, die auf der „Anrufung der Zivilgesellschaft und lokaler Gemeinschaften,
der Aufwertung von Drittem Sektor und ehrenamtlichem Engagement“
basiert (Heeg/Rosol 2007: 496). Gerade die Kombination dieser beiden
Strategien hat erhebliche, höchst ambivalente Auswirkungen für gegenwärtige Citizenship-Politiken (nicht nur in der Stadt) und speziell für die Rolle
migrantischer Kämpfe um Rechte und Anerkennung, wie es Mathias Rodatz
und Vassilis Tsianos auch in dieser Ausgabe von s u b \ u r b a n ausführen.
Bereits 2000 wies Nikolas Rose in seinem Aufsatz „Governing cities, governing citizens“ darauf hin, dass die neuen neoliberalen Formen städtischen
Regierens Aktivismus, zivilgesellschaftliches Engagement und in diesem Zusammenhang auch citizenship im Kontext expliziter Aktivierungspolitiken
recodieren. Dabei beschreibt der Begriff des ‚Regierens‘ im Gegensatz zur
klassischen und staatspositivistischen Terminologie der ‚Regierung‘ (government) eher einen netzwerkförmigen Prozess, in dem institutionalisierte Politik und Verwaltung in stärker dialogischen und partizipativen Verfahren mit
QLFKWVWDDWOLFKHQ$NWHXUHQZLHSULYDWHQ8QWHUQHKPHQ%HUDWXQJV¿UPHQXQG
1RQ3UR¿W2UJDQLVDWLRQHQXQG,QLWLDWLYHQ]XVDPPHQZLUNHQ*HUDGHLQGHU
Stadtpolitik war in den vergangenen Jahrzehnten ein deutlicher Wandel hin
zu neuen Formen von urban governance zu beobachten (Sack 2014), welche
24
ƐƵďͰ u r b a n
oft mit Strategien der Aktivierung und Einbindung der Stadtbewohner_innen/Bürger_innen auf der Ebene der Nachbarschaft oder des Quartiers
einhergehen (Holm/Lebuhn 2013).
Rose (2000: 108) spricht in diesem Zusammenhang kritisch von „postpolitical games of citizenship“, wobei diese von einer doppelten Dezentrierung
gekennzeichnet seien: „At its most general, in contemporary games of citizenship, citizenship is no longer primarily realized in relation with the state“;
zum anderen seien sie heute charakterisiert durch ein „set of dispersed and
non-totalized practices“, „from working to shopping“. Er zeigt, dass auch die
‚weiche‘ neoliberale Regierungsweise von den Logiken des Marktes geprägt
LVWXQG,QGLYLGXHQGD]XDQKlOWDNWLYXQG|NRQRPLVFKHI¿]LHQWLKU/HEHQXQG
ihre Bedürfnisse zu regieren. Darüber hinaus macht er deutlich, dass die Idee
von citizenship selbst transformiert wird und nicht länger nur als Besitz von
Rechten, sondern vielmehr als Fähigkeit bzw. als Leistung und Vermögen konVWLWXLHUWLVW±XQGGDPLW]XU3ÀLFKWXQGDEYHUODQJWHQ$NWLYLWlWHUKREHQZLUG
„This transformation from citizenship as possession to citizenship as
capacity is embodied in the image of the active entrepreneurial citizen
who seeks to maximize his or her lifestyle through acts of choice, linked
QRWVRPXFKLQWRDKRPRJHQHRXVVRFLDO¿HOGDVLQWRRYHUODSSLQJEXW
incommensurate communities of allegiance and moral obligation.“
(Rose 2000: 99)
Damit werden neue Formen der An- sowie der Aberkennung als ‚Bürger‘
produziert und es entstehen neue Dynamiken der Exklusion, wobei die
Performance, der Wille, sich aktiv und verantwortlich ins ‚Gemeinwesen‘
einzubringen, zunehmend entscheidend wird: So werden beispielsweise
aufenthaltsrechtliche Fragen zunehmend an die Erfüllung von Integrations]LHOYHUHLQEDUXQJHQJHNQSIWGLHVSH]L¿VFKH9HUKDOWHQVZHLVHQ ZLHHLQH
reguläre Arbeitsaufnahme) als ‚Integrationsleistungen‘ abverlangen. Mit den
Worten von Rose: „Citizenship has to be earned by certain types of conduct.“
(Ebd.: 98) Zugleich werden damit neue Gruppen von ‚anti-citizens‘ produ]LHUWGLHDOV%HGURKXQJGHV3URMHNWVÃcitizenship‘ selbst konstruiert werden
(ebd.: 103): So werden etwa in Deutschland seit einigen Jahren im Kontext
des antimuslimischen Rassismus insbesondere muslimische Migrant_innen
DOVLQWHJUDWLRQVXQIlKLJGH¿QLHUWXQGLKQHQGDPLWGDV9HUP|JHQDEJHVSURchen, sich bürgerschaftliche Rechte verdienen zu können, wie Tsianos und
Rodatz in dieser Ausgabe demonstrieren.
'LHVEHLQKDOWHWMHGRFKDXFKGLH0|JOLFKNHLWGDVVVLFKHKHPDOVYHUZRUIHQH
6XEMHNWH]XÃ%UJHUQ‘ ‚hocharbeiten‘ können, indem sie ihren Willen und ihre
Leistungsbereitschaft unter Beweis stellen. In diesem Sinne beschreibt Rose
die neuen neoliberalen städtischen Regierungsweisen auch nicht einfach als
homogenisierende und totalisierende Verschlechterung, sondern als einen
K|FKVWNRQÀLNWLYHQ3UR]HVVPLWRIIHQHP$XVJDQJÄ>7@KH\DOVRPXOWLSO\WKH
MXQFWXUHVZKHUHWKHVHJDPHVDUHRSHQHGXSWRXQFHUWDLQW\DQGULVNDQGWR
contestation and redirection.“ (ebd.)
ϮϬϭϰ͕ĂŶĚϮ͕,ĞŌϯ
Hess / Lebuhn
25
Racial neoliberalism: Vielfalt der Zivilgesellschaft statt
Recht auf Stadt
Dieser Perspektivenwechsel von citizenship als Recht hin zu citizenship als
Aktivitätszwang im Kontext der neoliberalen städtischen AktivierungspolitiNHQXQGQHROLEHUDOHU$QUXIXQJHQ]XU6HOEVWRSWLPLHUXQJ¿QGHWVHLQ3HQGDQW
in einem in den letzten Jahren zu konstatierenden Paradigmenwechsel kommunaler Integrationspolitiken in den von Migration geprägten Großstädten.
So stellt Rodatz (2012: 79) fest, dass aktuelle Integrationskonzepte in Städten
ZLH%HUOLQRGHU)UDQNIXUWDP0DLQÄLP8QWHUVFKLHG]XUODQJMlKULJGH¿]LWRrientierten Integrationspolitik […] das Leitbild einer ‚Stadt der Vielfalt‘ [entwerfen] […], das Migration nicht mehr als (Integrations-)Problem, sondern
als grundsätzliches Potential der Städte auffasst.“ Der Paradigmenwechsel
wird dabei von zwei polit-ökonomischen Rationalitäten angetrieben, die die
3RWHQ]LDOHXQG.UlIWHGHU0LJUDWLRQDXIVSH]L¿VFKH:HLVHDQUXIHQXQGLQ
Wert zu setzen versuchen: Zum einen versuchen Städte, sich im Wettbewerb
um Richard Floridas creative class als kosmopolitisch zu ‚branden‘. In diesem Kontext fungieren Migrant_innen als ‚multikulturelles Ornament‘, die
einer Stadt Attraktivität und kosmopolitisches Flair verleihen. Zum anderen
werden die sogenannten Migrantenökonomien oder auch ,ethnic businesses‘
als eine wichtige ökonomische Nische für die marginalisierte migrantische
,underclass‘ entdeckt.
Dennoch wirft Rodatz (2012: 91) die Frage auf, ob sich hierdurch nicht
DXFKSROLWLVFKQHXH6SLHOUlXPHHU|IIQHQXQGQHXHSROLWLVFKH6XEMHNWSR
VLWLRQHQHQWVWHKHQGDÄPLJUDQWLVFKH9LHUWHONHLQHUREMHNWLYLHUHQGHQXQG
restriktiven Raumordnungspolitik“ mehr ausgesetzt würden, was „es
deutschen Verwaltungen erstmals rational erscheinen lassen könnte, alle
(LQZRKQHUBLQQHQMHQVHLWVGHU)UDJHLKUHU6WDDWVEUJHUVFKDIWRGHULKUHV
‚Migrationshintergrunds‘DOVOHJLWLPHSROLWLVFKH6XEMHNWHGHU6WDGWSROLWLN
anzusprechen“. Lanz (2009) kann in seiner Studie zu Berlin dagegen zeigen,
dass dieser Paradigmenwechsel von einer hohen Selektivität gekennzeichnet
ist, die nicht goutierbare und nicht verwertbare Gruppen umso radikaleren
Zwangsmaßnahmen und Kontrollpolitiken unterwirft. Ähnliche Dynamiken
LGHQWL¿]LHUHQ/HQWLQXQG7LWOH\ IUGLH86$LP6LQQHHLQHU3ROLWLNGHV
racial neoliberalism. Auch können migrationsbezogene Stadtforschungen in
kleineren Städten deutlich machen, dass ein derartiger Paradigmenwechsel
von Integrations- zu Vielfaltspolitiken lange noch nicht überall angekommen
ist (Pasch im Erscheinen). In diesem Sinne wird es eine Aufgabe von lokalen,
empirischen migrationsbezogenen Stadtforschungen sein, die Effekte eines
derartigen Paradigmenwechsels und die damit einhergehenden neuen kommunalen migrationspolitischen Regime detaillierter zu untersuchen. Dabei
zeichnet sich ab, dass Migrationsstudien ihren Untersuchungsgegenstand
zunehmend nur noch intersektional erfassen können, da dieser von verstärkten Differenzierungslinien (wieder vor allem entlang von Klasse und
Geschlecht) durchzogen ist.
Doch die neoliberale Restrukturierung der Städte zeitigt noch in anderer
Hinsicht weitreichende und höchst ambivalente Effekte für CitizenshipPolitiken: So hat die Verlagerung ehemals sozialstaatlicher Funktionen in den
Dritten Sektor zu einer dezidierten Privatisierung von wohlfahrtsstaatlichen
26
ƐƵďͰ u r b a n
Leistungen geführt. Gerade migrantische Organisationen erhalten dadurch
sowohl die Möglichkeit als auch die Pflicht (denn wer nicht mitmacht,
wird bei der nächsten Vergaberunde abgestraft und nicht mehr bedacht),
Ressourcen eigenständig zu verwalten und zu verteilen. Damit werden
migrantische Selbstorganisationen tendenziell aufgewertet und erhalten
eine neue Mächtigkeit, auch dem institutionellen Rassismus staatlicher
Bürokratien entgegenzuwirken. So betont Els de Graauw (2012) am Beispiel von San Francisco, wo dieser Prozess besonders stark fortgeschritten
ist, die inkludierenden Effekte dichter Netzwerke zivilgesellschaftlicher
Organisationen für Migrant_innen. Andererseits stellt sich die Frage, ob die
UHFKWOLFKNDXPDEJHVLFKHUWHXQG¿QDQ]LHOOVWHWVXQWHU9RUEHKDOWJHVWHOOWH
NGOisierung sozialer Infrastruktur die Initiativen und Organisationen nicht
überproportional in Abhängigkeit von gewährten Geldern bringt. In der Folge
ZHUGHQVLHGHUVWDDWOLFKHQ5DWLRQDOLWlWXQGHLQHU3URMHNWORJLNXQWHUZRUIHQ
was einer Instrumentalisierung und Kooptation im Kontext von Migrationsund Grenzregimen Vorschub leistet (vgl. u. a. Hess/Karakayali 2007). Migrantische Organisationen bewegen sich unter diesen Bedingungen auf
einem schmalen Grat zwischen den beschriebenen Polen und müssen einen
kontinuierlichen Balanceakt praktizieren.
Fraglich ist schließlich auch, ob die privatisierten und NGOisierten soziaOHQ,QIUDVWUXNWXUHQEHUKDXSWQRFKLQGHQ%HJULIÀLFKNHLWHQGHUCitizenshipForschung beschrieben werden können. Schließlich wird der Zugang zu
Ressourcen in diesen Figurationen zunehmend prekarisiert und verschiebt
sich im Sinne Nikolas Roses von einem Rechtsanspruch hin zu einer Frage
der Performanz, des Wissens und von Netzwerkbeziehungen: Ausschlüsse
sind dann keine Frage einer ungerechten Verteilungspolitik mehr, sondern
VLQGGHQ6XEMHNWHQVHOEVWXQGLKUHP9HUKDOWHQ]X]XVFKUHLEHQ,QSROLWLVFKHU
Hinsicht stellt sich vor diesem Hintergrund verstärkt die Frage, ob es aus der
Perspektive einer an Kämpfen orientierten Citizenship-Konzeption nicht gerade darum gehen müsste, Forderungen vor allem marginalisierter Gruppen
auch wirklich in einem formalen rechtlichen Status abzusichern – nicht
zuletzt, um so die Basis für weitergehende Kämpfe um Rechte und Anerkennung zu legen. Der aktivistischen Citizenship-Perspektive droht sonst, sich
mit einem Fokus auf das claim-making und auf den Akt des Rechteforderns
zufrieden zu geben und die konkreten Ergebnisse der Proteste und des politischen Protagonismus aus den Augen zu verlieren.
Nicht zuletzt ist es gerade die mit Nikolas Rose beschriebene Aktivierungspolitik, die in Kombination mit der neoliberalen Umverteilung, Verknappung
und Privatisierung von Ressourcen zur Fragmentierung von citizenship claims
beiträgt und die Stadt in einen Schauplatz aktivierter Akteure und rivalisieUHQGHU.RQÀLNWHYHUZDQGHOW,QGLHVHP.RQWH[WHWZDVLQGDNWXHOOHORNDOH
Koalitionsbildungen um städtische Aufwertungs- und Erneuerungsprozesse
zu verstehen, in denen die neue alternative Mittelschicht als ‚aktive Bürger‘
für sich, ihre Kinder und mittlerweile auch die gay community Sicherheit
und Schutz einfordert – und dabei gekonnt die Klaviatur des antimuslimischen Rassismus bespielt, wie Vassilis Tsianos in dieser s u b \ u r b a n-Ausgabe zeigt. Es zeigt sich, dass das Recht auf Stadt höchst kontingent ist und
gerade die neuen Formen städtischen Regierens über die Anrufung ‚aktiver
Bürger‘ auch neue Macht-Claims, neue Legitimationen und neue mächtige
ϮϬϭϰ͕ĂŶĚϮ͕,ĞŌϯ
Hess / Lebuhn
27
6XEMHNWSRVLWLRQHQSURGX]LHUWZHOFKHDXI$QWLCitizenship-Politiken und
Bottom-up-Verdrängungsstrategien hinauszulaufen drohen (für eine kritische Diskussion der Recht-auf-Stadt-Bewegung vgl. auch Mayer 2011).
Schlussbemerkungen
Wie wir versucht haben zu zeigen, birgt das Citizenship-Konzept für die kritische Migrationsforschung ein kaum zu unterschätzendes analytisches wie
auch politisches Potenzial. Dabei scheint uns eine der Stärken des Begriffs
gerade darin zu liegen, dass er nicht ausschließlich auf Migrant_innen fokussiert. Er verweigert sich somit der – vor allem auch im deutschsprachigen Raum – vorherrschenden Perspektive auf Migration als Problem sowie
einer differenztheoretischen Logik ethnischer Gegenstandskonstruktionen.
Er vermeidet ethnisierende und kulturalisierende Interpretamente und fokussiert stattdessen auf materielle Ungleichheiten zwischen Individuen mit
unterschiedlichen Status und auf die strukturellen Bedingungen der Teilhabe
DPXQGGHV$XVVFKOXVVHVYRPJHVHOOVFKDIWOLFKHQ/HEHQ*HUDGHLQGHQMQgeren Debatten spielt dabei die Frage der Handlungsmacht (kollektiver)
$NWHXUHMHQVHLWVYRQ6WDDWXQG5HJLHUXQJHLQH]HQWUDOH5ROOHCitizenship
wird also nicht einfach als statisches bzw. staatliches Rechtsregime konzipiert,
VRQGHUQDOV3UD[LVDOVSROLWLVFKHV.RQÀLNWIHOGXQG$XVKDQGOXQJVSUR]HVV
welches/r gerade in der und durch die Lücke entsteht, die die Nichteinlösung
des Versprechens, welches diskursiv mit citizenship verbunden ist, geneULHUW'DEHLLVW9RUVLFKWZDOWHQ]XODVVHQQLFKWDOOH.RQÀLNWHXQG.lPSIHXP
Teilhabe sofort in der Sprache von citizenship auszudeklinieren – ein Punkt,
vor dem auch De Genova (2010) in seiner Analyse migrantischer Proteste
in den USA warnt. Denn nicht alle Forderungen richten sich primär an den
nationalen oder lokalen Staat. Und wie das oben angeführte Beispiel aus San
Francisco zeigt, führt der Citizenship-Begriff möglicherweise in die Irre, wenn
ehemals staatlich gewährte Rechte in den Dritten Sektor überführt werden.
Jedoch eröffnet die kritische Citizenship-Forschung den Blick auf ein weites
)HOGSROLWLVFKHU6XEMHNWLYLHUXQJXQGGHVSROLWLVFKHQ3URWDJRQLVPXVYRQ
Akteuren, denen bislang in vielen Forschungen, wenn überhaupt, vor allem
GLH5ROOHDOV2SIHUE]ZDOV2EMHNWHUHJXODWLYHU$EVLFKWHQ]XJHVWDQGHQZLUG
Mit der Perspektive auf die spezifisch städtischen Bedingungen für
Citizenship-Politiken trägt die Urban-Citizenship-Debatte zudem der im
Zuge von neoliberalen Restrukturierungs- und Rescaling-Prozessen zu beobachtenden Veränderung der politischen Arena auf nationaler, regionaler
und lokaler Ebene Rechnung und adressiert die Fragmentierung von Rechten
und das Ineinandergreifen von citizenship, Kontrolle und Aktivierung on
the ground. Gerade die Ambivalenzen von Citizenship-Politiken in der neoliberalen Stadt stellen zugleich eine große Herausforderung für die kritische
Stadt- und Migrationsforschung dar. Denn aus einer gesellschaftstheoretischen – und das heißt für uns vor allem gesellschaftskritischen – Perspektive
gilt es, Citizenship-Regime auch in ihren urban-kosmopolitischen und postnationalen Varianten als Bestandteile des sich wandelnden globalen Kapitalismus zu entschlüsseln und ein tieferes Verständnis für die Dynamiken
und Widersprüche zwischen Teilhabe, Recht, Ordnung und Regierung zu
entwickeln. Ein normativ aufgeladener oder gar (staats-)affirmierender
28
ƐƵďͰ u r b a n
Citizenship-Begriff steht einer an emanzipativen Veränderungen interessierten Wissensproduktion dabei tendenziell im Weg. Stattdessen gilt es, die
Anregungen der kritischen Citizenship)RUVFKXQJUHÀHNWLHUWDXI]XQHKPHQ
und die Frage nach den Zusammenhängen zwischen Migration, Stadt und
agencyMHQVHLWVGHU3UlPLVVHQYRQ0LJUDWLRQVVWHXHUXQJXQG,QWHJUDWLRQV
dispositiv zu formulieren. Der politische Balanceakt besteht dann freilich darin, für die legalistische Einschreibung von Forderungen nach Anerkennung
und Teilhabe in formale Rechtsregime zu kämpfen, das Recht zugleich aber
auch als Recht auf soziale Gerechtigkeit, politische Autonomie und kollektive
Selbstbestimmung zu verstehen. Oder, wie David Harvey (2003: 939) es im
Kontext der Recht-auf-Stadt-Debatte formuliert hat: „The right to the city
is not merely a right of access to what already exists, but a right to change it
after our heart’s desire.“
Endnoten
[1] Nina Glick Schiller (2012) zeigt, dass – obwohl mit Max Weber und der Chicagoer Stadtsoziologie Migrationsprozesse und Urbanisierungsprozesse als intrinsisch miteinander
verbunden gedacht und untersucht wurden – dieser Zusammenhang in den nachfolgenden Generationen von Stadtforscher_innen zunehmend wieder aus dem Blick geriet.
[2] Umgekehrt lässt sich auch von der ‚Wiederentdeckung‘ der Migration im Rahmen der
6WDGWIRUVFKXQJVSUHFKHQGLHLQMQJHUHU=HLWZLHGHUGLHKLVWRULVFKWUDJHQGH5ROOHYRQ
Migrationsprozessen für Stadtentwicklung und Urbanisierungsprozesse im Allgemeinen
zu thematisieren beginnt (vgl. u. a. Glick Schiller/Çaglar 2010).
[3] Kritiken am mittlerweile die deutsche Migrationsforschung und -debatte dominierenden
Integrationsparadigma heben vor allem die dem Konzept zugrundeliegenden ethnokulturellen Leitvorstellungen hervor: Kultur wird immer noch als persistenter, nach innen
homogener und sozialdeterminierender ‚Container‘ gedacht. So wurde der anfänglich
noch um sozialpolitische Maßnahmen kreisende Integrationsdiskurs mittlerweile ein
QDKH]XY|OOLJNXOWXUDOLVWLVFKDUJXPHQWLHUHQGHU'H¿]LWGLVNXUVGHU0LJUDQWBLQQHQYRU
DOOHPDOV.OLHQWHODOV2EMHNWYRQ2ULHQWLHUXQJVXQG,QWHJUDWLRQVPDQDKPHQVLHKW YJO
Hess et al. 2009).
[4] „It was concerned with Britain (or indeed more narrowly with England) as a more or less
homogeneous society, in the immediate post-war period“, wie Tom Bottomore (1992: 65)
feststellt.
[5] Also illegalisierte Migrant_innen; wörtlich: ,ohne Papiere‘.
Autor_innen
Sabine Hess ist Kulturanthropologin u.a. mit den Arbeitsschwerpunkten Migrations- und
Grenzregimeforschung, Gender und Anthropologie des Politischen.
shess@uni-goettingen.de
Henrik Lebuhn ist Sozialwissenschaftler und arbeitet u.a. zu Migration, Grenzregimen, partizipativer Stadtpolitik und städtischen sozialen Bewegungen
henrik.lebuhn@sowi.hu-berlin.de
Literatur
Alsayyad, Nezar / Roy, Ananya (2006): Medieval modernity. On citizenship and urbanism
in a global era. In: Space and Polity 10/1, 1-20.
ϮϬϭϰ͕ĂŶĚϮ͕,ĞŌϯ
Hess / Lebuhn
29
Anderson, Phillip (2003): „Dass Sie uns nicht vergessen…“ Menschen in der Illegalität in
München. Eine empirische Studie im Auftrag der Landeshauptstadt München. München.
$QGULMDVHYLF 5XWYLFD 6H[ RQ WKH PRYH *HQGHU VXEMHFWLYLW\ DQG GLIIHUHQWLDO
LQFOXVLRQ,Q6XEMHFWLYLW\
Basch, Linda / Glick Schiller, Nina / Szanton Blanc, Cristina (1994): Nations Unbound.
7UDQVQDWLRQDO 3URMHFWV 3RVWFRORQLDO 3UHGLFDPHQWV DQG 'HWHUULWRULDOL]HG 1DWLRQ6WDWHV
Langhorne: Gordon and Breach.
Bauböck, Rainer (2003): Reinventing urban citizenship. In: Citizenship Studies 7/2, 139-160.
Bayer, Natalie / Engl, Andrea / Hess, Sabine (Hg.) (2009): Crossing Munich. Orte, Bilder
und Debatten der Migration. Ausstellungskatalog. München: Silke Schreiber Verlag.
Belina, Bernd (2014): Städte als Scales. In: ders. / Matthias Naumann / Anke Strüver (Hg.):
Handbuch kritische Stadtgeographie. Münster: Westfälisches Dampfboot, 42-47.
Bottomore, Tom (1992): Citizenship and social class, forty years on. In: T. H. Marshall /
ders. (Hg.): Citizenship and Social Class. London/Concorde: Pluto Press, 55-93.
Brenner, Neil (1997): State territorial restructuring and the production of spatial scale.
Urban and regional planning in the Federal Rebublic of Germany, 1960-1990. In: Political
Geography 16/4, 273-306.
Brenner, Neil (2004): New State Spaces. Urban Governance and the Rescaling of Statehood.
Oxford/ New York: Oxford University Press.
Brenner, Neil / Theodore, Nik (2002): Cities and the geographies of “actually existing neoliberalism“. In: Antipode 34/3, 349-379.
De Genova, Nicholas (2002): Migrant “illegality” and deportability in everyday life. In:
Annual Review of Anthropology 31, 419-447.
'H*HQRYD1LFKRODV 7KHTXHHUSROLWLFVRIPLJUDWLRQ5HÀHFWLRQVRQ³LOOHJDOLW\´DQG
incorrigibility. In: Studies in Social Justice 4, 101-126.
Demirovic, Alex / Dück, Julia / Becker, Florian / Bader, Pauline (2011): VielfachKrise. Im
¿QDQ]PDUNWGRPLQLHUWHQ.DSLWDOLVPXV+DPEXUJ96$
Deutscher Städtetag: Positionspapier des Deutschen Städtetages zu den Fragen der Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien. 22.1.2013, verfügbar unter: http://www.staedtetag.
de/imperia/md/content/dst/internet/fachinformationen/2013/positionspapier_zuwanderung_2013.pdf (letzter Zugriff am 18.9.2014).
Faist, Thomas / Häußermann, Hartmut (1996): Immigration, social citizenship and housing
in Germany. In: International Journal for Urban and Regional Research 25/4, 439-459.
García, Marisol (2006): Citizenship practices and urban governance in European cities. In:
Urban Studies 43/4, 745-765.
Garcia, Soledad (1996): Cities and citizenship. In: International Journal for Urban and
Regional Research 20/1, 7-21.
*OLFN 6FKLOOHU 1LQD -HQVHLWV GHU HWKQLVFKHQ *UXSSH DOV 2EMHNW GHV :LVVHQV ,Q
Helmuth Berking (Hg): Die Macht des Lokalen. Frankfurt/Main: Campus, 105-145.
Glick Schiller, Nina (2008): Beyond methodological ethnicity. Willy Brandt Series of Working
Papers in International Migration and Ethnic Relations 2/08, Malmö University Electronic Publishing. Verfügbar unter: http://dspace.mah.se/bitstream/handle/2043/7491/
WB%202_08%20MUEP.pdf?sequence=3 (letzter Zugriff am 18.9.2014).
Glick Schiller, Nina (2012): Transnationality, migrants, and cities. A comparative approach.
In: Anna Amelina / Devrimsel Nergiz / Thomas Faist / Nina Glick Schiller (Hg.): Beyond
Methodological Nationalism. Research Methodologies for Cross-Border Studies. London/
New York: Routledge, 23-40.
*OLFN 6FKLOOHU 1LQD dD÷ODU $\úH 7RZDUGV D FRPSDUDWLYH WKHRU\ RI ORFDOLW\ LQ
migration studies. Migrant incorporation and city scale. In: Journal of Ethnic and
Migration Studies 35/2, 177-202.
*OLFN6FKLOOHU1LQDdD÷ODU$\úH +J /RFDWLQJ0LJUDWLRQ5HVFDOLQJ&LWLHVDQG
Migrants. Ithaca: Cornell University Press.
Glick Schiller, Nina / Wimmer, Andreas (2002): Methodological nationalism and beyond.
Nation-state building, migration and the social sciences. In: Global Networks 2/4, 301-334.
Graauw, Els de (2012): The inclusive city. Public-private partnerships and immigrant rights
in San Francisco. In: Michael Peter Smith / Michael McQuarrie (Hg.): Remaking Urban
Citizenship. Organizations, Institutions, and the Right to the City. New Brunswick/New
Jersey: Transaction Publisher.
ϯϬ
ƐƵďͰ u r b a n
Ha, Kien Nghi (2009): The White German’s Burden. Multikulturalismus und Migrationspolitik aus postkolonialer Perspektive. In: Sabine Hess / Jana Binder / Johannes Moser
(Hg.): No integration?! Kulturwissenschaftliche Beiträge zur Integrationsdebatte in
Europa. Bielefeld: transcript, 51-72.
Harvey, David (1989): From managerialism to entrepreneurialism. The tranformation in
XUEDQJRYHUQDQFHLQODWHFDSLWDOLVP,Q*HRJUD¿VND$QQDOHU6HULHV%+XPDQ*HRJUDSK\
71/1, 3-18.
Harvey, David (2003). The right to the city. In: International Journal of Urban and Regional
Research 27/4, 939-941.
Häußermann, Hartmut / Kronauer, Martin / Siebel, Walter (Hg.) (2004): An den Rändern
der Städte. Frankfurt/Main: Suhrkamp.
Heeg, Susanne / Rosol, Marit (2007): Neoliberale Stadtpolitik im globalen Kontext. Ein
Überblick. In: Prokla – Zeitschrift für kritische Sozialforschung 149, 491-509.
Heimeshoff, Lisa-Marie / Hess, Sabine / Kron, Stefanie / Schwenken, Helen (2014): Grenzregime II. Migration – Kontrolle – Wissen. Transnationale Perspektiven. Berlin: Assoziation A.
Heitmeyer, Wilhelm / Dollase, Rainer / Backes, Otto (Hg.) (1998): Die Krise der Städte.
Analysen zu den Folgen desintegrierender Stadtentwicklung für das ethnisch-kulturelle
Zusammenleben. Frankfurt/Main: Suhrkamp.
Hess, Sabine (2004): Transnationalisierung und kulturanthropologische Migrationsforschung. In: Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 15/4, 145-155.
Hess, Sabine (2012): Gefangen in der Mobilität. Prekäre Zonierungsprozesse an den
Rändern Europas. In: Behemoth 5/1, 8-29. Verfügbar unter: KWWSRMVXEXQLIUHLEXUJ
de/behemoth/article/download/652/587 (letzter Zugriff am 18.9.2014).
Hess, Sabine (2013a): Die Beharrlichkeit der Migration. Eine historische Relektüre von
Migrationsdiskursen und Integrationspraktiken. In: Heinz Ulrich Brinkmann / HaciHalil Uslucan (Hg.): Wer gehört dazu? Integration in Deutschland. Wiesbaden: Springer
VS, 65-82.
Hess, Sabine (2013b): Wider den methodologischen Kulturalismus in der Migrationsforschung. Für eine Perspektive der Migration. In: Reiner Johler / Christian Marchetti /
Bernhard Tschofen / Carmen Weith (Hg.): Kultur_Kultur. Denken. Forschen. Darstellen.
Tagungsband des 38. dgv-Kongresses 2011. Münster/New York: Waxmann, 194-203.
Hess, Sabine / Binder, Jana / Moser, Johannes (Hg.) (2009): No integration?! Kulturwissenschaftliche Beiträge zur Integrationsdebatte in Europa. Bielefeld: transcript.
Hess, Sabine / Karakayali, Serhat (2007): New Governance oder: Die imperiale Kunst
des Regierens. Asyldiskurs und Menschenrechtsdispositiv im neuen EU-Migrationsmanagement. In: TRANSIT MIGRATION Forschungsgruppe (Hg.): Turbulente Ränder.
Neue Perspektiven auf Migration an den Rändern Europas. Bielefeld: transcript, 39-56.
Hillmann, Felicitas (Hg.) (2011): Marginale Urbanität. Migrantisches Unternehmertum und
Stadtentwicklung. Bielefeld: transcript.
Hindess, Barry (2000): Citizenship in the international management of populations. In:
American Behavioral Scientist 43/9, 1486-1497.
Holland-Cunz, Barbara (2003): Die alte neue Frauenfrage. Frankfurt/Main: Suhrkamp.
+ROP$QGUHM/HEXKQ+HQULN 'LH6WDGWSROLWLVLHUHQ)UDJPHQWLHUXQJ.RKlUHQ]
und soziale Bewegungen in der ,Sozialen Stadt‘. In: Martin Kronauer / Walter Siebel
(Hg.): Polarisierte Städte. Soziale Ungleichheit als Herausforderung für die Stadtpolitik.
Frankfurt a.M./New York: Campus, 194-215.
Holston, James (Hg.) (1999): Cities and Citizenship. Durham/London: Duke University
Press.
Holston, James (2007): Insurgent Citizenship. Princeton: Princeton University Press.
Holston, James (2009): Insurgent citizenship in an era of global urban peripheries. In: City
& Society 21/2, 245-267.
+ROVWRQ-DPHV$SSDGXUDL$UMXQ ,QWURGXFWLRQ,Q-DPHV+ROVWRQ +J &LWLHV
and Citizenship. Durham/London: Duke University Press, 1-18.
Isin, Engin (2002): Being Political. Minneapolis: Minnesota University Press.
Isin, Engin (Hg.) (2008a): Recasting the Social in Citizenship. Toronto: University of
Toronto Press.
Isin, Engin (2008b): The city as the site of the social. In: ders. (Hg.): Recasting the Social in
Citizenship. Toronto: University of Toronto Press, 261-280.
ϮϬϭϰ͕ĂŶĚϮ͕,ĞŌϯ
Hess / Lebuhn
ϯϭ
Isin, Engin (2008c): Theorizing acts of citizenship. In: ders. / Greg Marc Nielsen (Hg.): Acts
of Citizenship. London: Zed Books, 15-43.
,VLQ (QJLQ 5\JLHO .LP $EMHFW VSDFHV )URQWLHUV ]RQHV FDPSV ,Q (OL]DEHWK
Dauphinee / Cristina Masters (Hg.): The Logics of Biopower and the War on Terror.
Living, Dying, Surviving. London: Palgrave Macmillan, 181-203.
Isin, Engin / Turner, Bryan S. (2002): Citizenship studies. An introduction. In: dies. (Hg.):
Handbook of Citizenship Studies. London: Sage, 1-10.
Jessop, Bob (2002): Liberalism, neoliberalism and urban governance. A state-theoretical
perspective. In: Antipode 34/2, 452-472.
Kaschuba, Wolfgang (1995): Kulturalismus. Vom Verschwinden des Sozialen im gesellschaftlichen Diskurs. In: Zeitschrift für Volkskunde 91, 27-46.
Köster-Eiserfunke, Anna / Reichhold, Clemens / Schwiertz, Helge (2014): Citizenship
im Werden. Rechte, Habitus und Acts of Citizenship im Spiegel antirassistischer und
migrantischer Kämpfe. In: Lisa-Marie Heimeshoff / Sabine Hess / Stefanie Kron / Helen
Schwenken (Hg.): Grenzregime II. Globale Politiken der Kontrolle – transnationale
Kämpfe der Migration. Berlin: Assoziation A.
Krätke, Stefan / Schmoll, Fritz (1987): Der lokale Staat. „Ausführungsorgan“ oder „Gegenmacht“? In: Prokla – Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft 68, 30-72.
Kronauer, Martin (2002): Exklusion. Die Gefährdung des Sozialen im hochentwickelten
Kapitalismus. Frankfurt/Main: Campus.
Lanz, Stephan (2007): Berlin aufgemischt: abendländisch, multikulturell, kosmopolitisch?
Die politische Konstruktion einer Einwanderungsstadt. Bielefeld: transcript.
/DQ]6WHSKDQ ,QXQWHUQHKPHULVFKH6XEMHNWHLQYHVWLHUHQ,QWHJUDWLRQVNRQ]HSWHLP
Workfare-Staat. Das Beispiel Berlin. In: Sabine Hess / Jana Binder / Johannes Moser
(Hg.): No integration?! Kulturwissenschaftliche Beiträge zur Integrationsdebatte in
Europa. Bielefeld: transcript, 105-122.
Lebuhn, Henrik (2012): Bürgerschaft und Grenzpolitik in den Städten Europas. Perspektiven auf die Stadt als Grenzraum. In: Peripherie. Zeitschrift für Politik und Ökonomie in
der Dritten Welt 126/127, 350-362.
Lebuhn, Henrik (2013): Migration, Recht, Citizenship. Ambivalenzen eines Diskurses.
In: Paul Mecheril / Oscar Thomas-Olalde / Claus Melter / Susanne Arens / Elisabeth
Romaner (Hg.) (2013): Migrationsforschung als Kritik? Konturen einer Forschungsperspektive. Wiesbaden: Springer VS, 231-244.
/HEXKQ +HQULN ,OOHJDOLVLHUXQJ /RNDOH .RQÀLNWH XP .RQWUROOHQ 5HFKWH XQG
Ressourcen. In: Bernd Belina / Matthias Naumann / Anke Strüver (Hg.): Handbuch
kritische Stadtgeographie. Münster: Westfälisches Dampfboot, 228-233.
Lentin, Alana / Titley, Gavan (2011): The Crisis of Multiculturalism. Racism in a Neoliberal
Age. London/New York: Zed Books.
Lustiger-Thaler, Henri (1993): Social citizenship and urban citizenship. The composition of
local practices. In: Canadian Journal of Urban Research 2/2, 115-129.
Marshall, Thomas H. (1950): Citizenship and Social Class and Other Essays. Cambridge:
Cambridge University Press.
Marshall, Thomas H. (2006 [1950]): Citizenship and social class. In: Christopher Pierson
(Hg.): The Welfare State Reader. Cambridge/Malden: Polity Press, 30-39.
Mayer, Margit (1994): Post-fordist city politics. In: Ash Amin (Hg.): Post-Fordism. A Reader.
Oxford: Basil Blackwell, 316-337.
Mayer, Margit (2011): Recht auf die Stadt-Bewegungen in historisch und räumlich vergleiFKHQGHU3HUVSHNWLYH,Q'LUN*HEKDUW$QGUHM+ROP +J ,QLWLDWLYHQIUHLQ5HFKWDXI
Stadt. Hamburg: VSA, 53-78.
Mecheril, Paul / Thomas-Olalde, Oscar / Melter, Claus / Arens, Susanne / Romaner,
Elisabeth (Hg.) (2013): Migrationsforschung als Kritik? Konturen einer Forschungsperspektive. Wiesbaden: Springer VS.
Mezzadra, Sandro / Neilson, Brett (2013): Border as Method. Or, the Multiplication of
Labor. Durham/London: Duke University Press.
0RUULV /\GLD 0DQDJLQJ 0LJUDWLRQ &LYLF 6WUDWL¿FDWLRQ DQG 0LJUDQWV¶ 5LJKWV
London: Routledge.
Nyers, Peter (2008): No one is illegal. Between city and nation. In: Engin Isin / Greg Nielsen
(Hg.): Acts of Citizenship. London: Palgrave Macmillan, 160-181.
Nyers, Peter (2011): Irregular forms of citizenship. In: Vicky Squire (Hg.): The Contested
Politics of Mobility. Borderzones and Irregularity. London: Routledge.
ϯϮ
ƐƵďͰ u r b a n
Nyers, Peter / Rygiel, Kim (2012): Introdution. In: dies. (Hg.): Citizenship, Migrant Activism
and the Politics of Movement. Abingdon: Routledge, 1-19.
Ong, Aihwa (1999): Flexible Citizenship. Durham: Duke University Press.
Ong, Aihwa (2005): Graduated sovereignty in South-East Asia. In: Jonathan X. Inda (Hg.):
Anthropologies of Modernity. Malden: Blackwell, 83-104.
Pasch, Jana (im Erscheinen): Management der Ausgrenzung. Problematisierungen von
Migration durch das Programm „Soziale Stadt“ am Beispiel der Göttinger Weststadt. In:
Sabine Hess / Torsten Näser (Hg.): Movements of Migration. Neue Positionen im Feld
von Stadt, Migration, Repräsentation. Berlin: Panama Verlag.
Pott, Andreas (2001): Der räumliche Blick. Zum Zusammenhang von Raum und städtischer Segregation von Migranten. In: Norbert Gestring / Herbert Glasauer / Christine
Hannemann (Hg.): Jahrbuch StadtRegion 2001. Schwerpunkt: Einwanderungsstadt.
Opladen: Leske + Budrich, 57-74.
Pries, Ludger (Hg.) (1997): Transnationale Migration. Baden-Baden: Nomos.
5DQFLqUH -DFTXHV :KR LV WKH VXEMHFW RI WKH ULJKWV RI PDQ" ,Q 6RXWK $WODQWLF
Quarterly 103/2-3, 297-310.
Ren, Xuefei (2012): Dancing with the state. Migrant workers, NGOs, and the remaking of
urban citizenship in China. In: Michael Peter Smith / Michael McQuarrie (Hg.): Remaking
Urban Citizenship. Organizations, Institutions, and the Right to the City. New Brunswick/
New Jersey: Transaction Publisher, 99-108.
Robinson, Jennifer (2006): Ordinary Cities. Between Modernity and Development. London:
Routledge.
Rodatz, Mathias (2012): Produktive „Parallelgesellschaften“. Migration und Ordnung in der
(neoliberalen) „Stadt der Vielfalt“. In: Behemoth 5/1, 70-103.
Ronneberger, Klaus / Tsianos, Vassilis (2009): Panische Räume. In: Sabine Hess / Jana
Binder / Johannes Moser (Hg.): No integration?! Kulturwissenschaftliche Beiträge zur
Integrationsdebatte in Europa. Bielefeld: transcript, 137-152.
5RVH1LNRODV 7KHGHDWKRIWKHVRFLDO"5H¿JXULQJWKHWHUULWRU\RIJRYHUQPHQW,Q
Economy and Society 25/3, 327-356.
Roth, Roland (1998): Postfordistische Politik. Regulationstheoretische Perspektiven zur
Zukunft des Politischen. In: Christoph Görg / Roland Roth (Hg.): Kein Staat zu machen.
Zur Kritik der Sozialwissenschaften. Münster: Westphälisches Dampfboot, 95-118.
Roy, Ananya (2011): Slumdog cities. Rethinking subaltern urbanism. In: International
Journal for Urban and Regional Research 35/2, 223-238.
Rygiel, Kim (2010): Globalizing Citizenship. Vancouver: University of British Columbia
Press.
Sack, Detlef (2014): Governance in lokalen Räumen. In: Bernd Belina / Matthias Naumann /
Anke Strüver (Hg.): Handbuch kritische Stadtgeographie. Münster: Westfälisches
Dampfboot, 92-97.
Smith, Michael Peter (2001): Transnational Urbanism. Oxford/Cambridge: Blackwell
Publishers.
Smith, Michael Peter / McQuarrie, Michael (Hg.) (2012): Remaking Urban Citizenship.
Organizations, Institutions, and the Right to the City. New Brunswick/New Jersey:
Transaction Publisher.
Sökefeld, Martin (2004): Jenseits des Paradigmas kultureller Differenz. Bielefeld: transcript.
Squire, Vicki (Hg.) (2011): The Contested Politics of Mobility. Borderzones and Irregularity.
London: Routledge.
Stadt Frankfurt (2009): Entwurf eines Integrations- und Diversitätskonzepts für die Stadt
Frankfurt am Main. Frankfurt am Main.
Swyngedouw, Erik (1997): Neither global nor local. Glocalization and the politics of scale.
In: Kevin R. Cox (Hg.): Spaces of Globalization. Reasserting the Power of the Local. New
York: The Guilford Press, 137-166.
Tezcan, Levent (2011): Spielarten der Kulturalisierung. In: Zeitschrift für Kulturphilosophie
5/2, 357-376.
Vertovec, Steven (1998): Multicultural policies and modes of citizenship in European cities.
In: International Social Science Journal 50/156, 187-199.
Znaniecki, Florian / Thomas, William I. (1984 [1918-1920]): The Polish Peasant in Europe
and America. Edited and abridged by Eli Zaretsky. Urbana: University of Illinois Press.
ϮϬϭϰ͕ĂŶĚϮ͕,ĞŌϯ
ϯϯ
Hess / Lebuhn
Politics of Citizenship: On Migration, Cities and Citizenship
The article provides an extensive review of the mostly Anglo-American literature on urban citizenship and discusses its potentials for critical urban
and migration studies. The concept of urban citizenship is presented as
particularly innovative as it focuses on urban forms of governing migration while at the same time paying attention to migrant actors and agency
beyond ethnicizing and culturalizing paradigms. In the context of neoliberal politics of subjectivization in the city, the article emphasizes a focus
RQSURFHVVDQGFRQÀLFWRIFLWL]HQVKLSG\QDPLFVRQWKHIUDJPHQWDWLRQRI
claims among various interest groups, and on new constellations among
urban actors.