»elendig vs. »liab« – Gender in der Fankultur
Eine Analyse von Forumsbeiträgen zu den Fußball-Europameisterschaften 2016 und 2017
Anna Winkler
Sonderdruck aus: Wiener Linguistische Gazette (WLG) 93 (2023): 105–
151
Universität Wien · Institut für Sprachwissenschaft · 2023
Eigentümer und Verleger:
Universität Wien, Institut für Sprachwissenschaft
Sensengasse 3a
1090 Wien
Österreich
Herausgeberschaft:
Mi-Cha Flubacher, Florian Grosser & Carina Lozo (Angewandte Sprachwissenschaft)
Erweiterte Redaktion:
Markus Pöchtrager (Allgemeine Sprachwissenschaft)
Stefan Schumacher (Allgemeine und Historische Sprachwissenschaft)
Kontakt:
wlg@univie.ac.at
Homepage: http://www.wlg.univie.ac.at
ISSN: 2224-1876
NBN: BI,078,1063
Dieser Beitrag wurde einem Peer-Review-Verfahren unterzogen.
Die Wiener Linguistische Gazette erscheint in loser Folge im Open-Access-Format.
Alle Ausgaben ab Nr. 72 (2005) sind online verfügbar.
Dieses Werk unterliegt der Creative-Commons-Lizenz CC BY-NC-ND 4.0
(Namensnennung – Nicht kommerziell – Keine Bearbeitungen)
»elendig« vs. »liab« – Gender in der Fankultur
Eine Analyse von Forumsbeiträgen zu den Fußball-Europameisterschaften 2016 und 2017
Anna Winkler ∗
Wiener Linguistische Gazette (WLG)
Institut für Sprachwissenschaft
Universität Wien
Ausgabe 93 (2023): 105–151
Abstract
This article investigates differences in nominations and predications in the
discourse of men’s and women’s football. 5241 postings have been analysed following the Discourse-Historical Approach and studied with respect
to linguistic discrimination on the basis of gender identity. The postings
show differences in the reception of football-related incidents. They relate
less to the actors’ gender than to the relationship users experience when
dealing with the actors. This discrepancy may link to the respective distance or closeness to the referenced object. Strong utterances of critique, insults and abusive language are rather used if the subject is a popular male
player, and they are becoming more frequent with the popularity of female
players. Apart from that, males and females are treated similarly.
Schlagwörter: Kritische
Diskursanalyse,
Fußball-Europameisterschaft,
Genderstereotypen
Genderlinguistik,
Social
Media,
* Anna Winkler, annawinklerx@gmail.com.
http://wlg.univie.ac.at/fileadmin/user_upload/p_wlg/942023/Winkler-Gender-in-Fankultur.pdf
Publiziert am 11.09.2023
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Winkler
1 Einleitung 1
Die Domäne des Sports zeigt sich bis heute als stark männlich dominierter Bereich des Lebens, in dem Frauen weder aktiv, als Sportlerinnen, noch passiv, als Fans, viel Platz zu finden scheinen. Die zentralen
Werte im Sport sind »Kraft, Stärke, physische Leistungsfähigkeit und
Wettkampf« (Dorer 2007: 25), also solche, die mit stereotyp männlichen
Zuschreibungen in Verbindung gebracht werden. Dies gilt auch für den
Fußballdiskurs, der als Bühne zur Konstruktion und Demonstration
von Männlichkeit fungiert. In diesem Kontext gilt es als Norm, dass vor
allem Männer mit anderen Männern interagieren und die Leistungen
weiterer, nicht anwesender Männer diskutieren. Dabei nehmen
Stereotype, traditionelle Rollenbilder, Klischees und Vorurteile wichtige Rollen ein, wobei auf diesem Spielplatz der Männlichkeit auch
Humor, Spott und – wider Erwarten – Emotionen und deren Ausdruck
große Bedeutung zukommt. Wegen der vielen Personen mit männlicher
Geschlechtsidentität in diesem Handlungsfeld steht die Konstruktion
und Inszenierung von Männlichkeit im Fokus. Sie manifestiert sich
nicht nur im äußeren Erscheinungsbild, z. B. in einem bestimmten
Kleidungsstil, einer speziellen Frisur und in einem Sprachstil (Kotthoff & Nübling 2018: 46, Agha 2006: 14). Sie bezieht sich darüber hinaus
auch auf typisch männliche Attributionen wie Gewaltbereitschaft,
Risikofreude oder Sexismus und auf Mittel der Selbstdarstellung und
Erhöhung sowie Vergrößerung der eigenen Männlichkeit durch die
Erniedrigung anderer, vor allem anderer Männer (Meuser 2017: 183–
188, Retraite 2007). So hat sich im (Männer-)Fußballdiskurs in Österreich bereits im 20. Jahrhundert eine bestimmte Diskurstradition entwickelt, das sogenannte »Männer-Bashing«. Es besteht im Diskreditieren, Erniedrigen und Herabwürdigen männlicher Sportler, Trainer und
1
Dieser Artikel basiert auf meiner Masterarbeit (Winkler 2020).
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Schiedsrichter. Durch unterschiedliche Fördermaßnahmen hat sich die
Zahl von Frauen im Sport in den letzten Jahren erhöht und ist der
Einfluss von Frauen in diesem sozialen Feld gestiegen (Cooky 2018: 81–
82). Interessant ist dabei jedoch, wie Personen mit weiblicher Geschlechtsidentität von Fans, die sich männlich präsentieren, rezipiert
werden. Was bedeutet die steigende Präsenz weiblicher Spielerinnen für
die überkommene Diskurstradition? Verbinden sich die negativen
Konnotationen von Frauen im Fußball, nämlich deren mangelnde Akzeptanz und traditionelle Erniedrigungspraxis, oder heben sie sich möglicherweise auf, was im Vergleich zu den »gebashten« Männern zu
einer positiven Behandlung der Akteurinnen führen würde? Diese
Fragen werden im vorliegenden Artikel näher beleuchtet.
Die Auseinandersetzung von Menschen mit Fußball in einem dazugehörigen Diskurs ist in vielen Fällen mit starker emotionaler Involviertheit verbunden (Meier 2019). Vor allem während eines Spiels, aber
auch davor und danach, fiebert man mit, was nach Meier im Hinblick
auf die Sprache und deren Verwendung bedeutet, dass »entsprechende
Äußerungen und Texte produzier[t]« werden (Meier 2019: 156). Untrennbar damit verbunden sind explizite Bewertungen des Geschehens,
die typischerweise zu den zentralen Aussagen in Diskursen über Fußball
und besonders unter Fans gehören (Meier 2019: 164). Aber es gibt auch
spezielle sprachliche Merkmale, die in Verbindung mit Fußball immer
wieder auftreten.
Meier, der sich mit den sprachlichen Besonderheiten des Fußballkontextes beschäftigt, zeigt in einer umfangreichen Korpusanalyse die
typischen Charakteristika der Sprache im Fußball anhand eines Korpus
von Fußball-Livetickern und Live-Tweets auf. Obwohl er sich auf das
Medium Twitter bezieht, weisen die dort getätigten Äußerungen starke
Ähnlichkeiten mit Forenbeiträgen auf, weshalb angenommen wird, dass
die bestimmenden Merkmale auch im Korpus der vorliegenden Studie
zu finden sind. Zu diesen spezifischen Eigenheiten gehören laut Meier
(2019: 162–171) die Wiederholung von Zeichen, Interjektionen, Reduplikationen, Exklamativsätze, in denen das finite Verb an erster Stelle
steht (Meier 2019: 162), der Ausdruck von Emotionen (Meier 2019: 165-
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166), auch unter Verwendung von Emojis (Meier 2019: 169), die Positionierung im Diskurs im Sinne einer Solidarisierung oder Distanzierung (Meier 2019: 167–168), Kontextsensitivität (Meier 2019: 169),
Analepsen (Meier 2019: 169), Demonstrativpronomina mit deiktischer
Funktion, im Allgemeinen eine plastische Sprache, homophobe, rassistische und sexistische Äußerungen (Meier 2019: 170), (negative) Bewertungen oder Beschimpfungen ohne Begründung (Meier 2019: 170–172),
subjektive Formulierungen aus Sicht der ersten Person, ein spontaner
Äußerungscharakter (Meier 2019: 171) und konzeptionelle Mündlichkeit (Meier 2019: 169). Beispiele dieser Spezifika sind in den Tabellen 5,
6, 7 und 8 aufgelistet.
2 Methode
2.1 Der diskurshistorische Ansatz
Der diskurshistorische Ansatz nach Reisigl und Wodak (2016) stellt den
methodischen Rahmen zur Auseinandersetzung mit dem ausgewählten
Datenkorpus dar. Es handelt sich dabei um einen interdisziplinären
Ansatz, der neben der sprachlichen Seite auch weitere semiotische
Aspekte in der Analyse berücksichtigt und Perspektiven unterschiedlicher Disziplinen mittels Triangulation, speziell auf den Untersuchungsgegenstand zugeschnitten, miteinbezieht (Reisigl & Wodak 2016:
26). Zusätzlich dazu wurden die untersuchten Beiträge auch aus quantitativer Perspektive betrachtet.
Der diskurshistorische Ansatz analysiert drei sprachliche Dimensionen, nämlich Inhalte, diskursive Strategien und sprachliche Mittel. In
der Analyse werden zuerst der Inhalt beziehungsweise die Themen des
gegenständlichen Diskurses dargelegt, dann die Strategien der Aushandlung der thematischen Inhalte untersucht und zuletzt die sprachlichen Mittel sowie deren kontextabhängige sprachliche Realisierungen
behandelt (Reisigl & Wodak 2016: 32). Um dem diskursanalytischen Anspruch gerecht zu werden, gibt es unterschiedliche Strategien der methodischen Herangehensweise. Zu ihnen gehören die Untersuchung der
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Benennung und sprachlichen Bezugnahme auf Akteur*innen (Nominationen) und die Analyse von diskursiv zugeschriebenen Merkmalen und
Eigenschaften von Personen, Dingen, Phänomenen, Ereignissen, Prozessen oder Handlungen (Prädikationen).
Nominationen zielen auf die Konstruktion von sozialen
Akteur*innen, Dingen, Phänomenen, Ereignissen, Prozessen und Handlungen im Diskurs ab. Sie werden im Rahmen von Sprechhandlungen
durch Mittel der Kategorisierung von Zugehörigkeit, Anthroponyme,
deiktische Mittel, bildliche Ausdrücke wie Metaphern, Metonymien
und Synekdochen sowie Verben und Nomina, die bestimmte Prozesse
oder Handlungen bezeichnen, vollzogen (Reisigl & Wodak 2016: 33).
Die Analyse der Prädikationen befasst sich mit der diskursiven Kennzeichnung und Bewertung von sozialen Akteur*innen, Dingen,
Phänomenen, Ereignissen, Prozessen und Handlungen sowohl in
positiver als auch negativer Hinsicht. Realisiert werden Prädikationen
durch wertende Attributionen von Eigenschaften oder Stereotypen und
deren spezifische lexikalische oder syntaktische Struktur, Kollokationen, Vergleiche, Metaphern, Metonymien, Übertreibungen,
Euphemismen, Litotes, Präsuppositionen, Implikationen oder Anspielungen (Reisigl & Wodak 2016: 33). Auch Dysphemismen fallen – als
Pendant zu Euphemismen – in diese Gruppe prädikativer Mittel.
2.2 Material
Das zur Analyse herangezogene Korpus besteht aus Forenbeiträgen zur
Fußballeuropameisterschaft 2016 und Frauenfußballeuropameisterschaft
2017, die auf der Plattform austriansoccerboard.at veröffentlicht wurden.
Insgesamt gibt es zu beiden Themen 27.600 Beiträge, darunter 25.948
zur Fußballeuropameisterschaft der Männer 2016 und 1652 zur Fußballeuropameisterschaft der Frauen 2017. Die Beiträge zu den Männerspielen verteilen sich auf elf Foren, die wiederum in 209 Themen gegliedert werden können. Im Fall der Fußballeuropameisterschaft der Frauen findet sich kein eigenes Forum, da sich die Diskussion über die
Frauenfußballspiele lediglich auf ein Unterthema innerhalb des Forums
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Winkler
»Frauenfußball« beschränkt. Das gesamte Forum zum Frauenfußball
beinhaltet 215 Themen, also minimal mehr als die Diskussion zur
einzelnen Europameisterschaft der Männer. Insgesamt beträgt der Umfang der Beiträge zu den Spielen der Frauen etwa 6% des Umfangs der
Beiträge zu den Spielen der Männer.
Dieses Datenmaterial wurde gesichtet und für die Analyse eingeschränkt, indem aus den Beiträgen zur Europameisterschaft der
Männer jene ausgewählt wurden, die live zu den Spielen verfasst wurden, da bei diesen der Ausdruck des größten Affekts und der höchsten
emotionalen Involviertheit und infolgedessen der geringsten Zurückhaltung zu erwarten ist. Auf diese Weise ergeben sich 3596 Beiträge zu
den Spielen der Männer. Im Fall der Beiträge zur Fußballeuropameisterschaft der Frauen 2017 mussten die Beiträge aufgrund ihrer geringeren Anzahl nicht wesentlich gefiltert werden. Es wurden lediglich
vereinzelt Beiträge nicht verwendet, die aufgrund ihres Charakters
nicht mit den übrigen Postings vergleichbar sind (weil es sich bei ihnen
um unkommentierte Screenshots von Medienberichten handelt), sodass
schließlich 1645 Postings zur Fußballeuropameisterschaft der Frauen in
das Korpus miteinbezogen wurden. Insgesamt besteht das tatsächliche
Analysekorpus also aus 5241 Forenbeiträgen.
Diese Beiträge wurden in moderierten Foren auf der Plattform
austriansoccerboard.at veröffentlicht und sind offen zugänglich (Stand:
25. Jänner 2023). Um einen Beitrag zu hinterlassen, muss man sich als
User oder Userin registrieren. Einen Beitrag mittels Meldebutton melden können jedoch auch nichtregistrierte Besucher*innen. Bei den registrierten User*innen handelt es sich laut dem Betreiber zu 85% um
männliche Personen (persönliche Korrespondenz des Betreibers der
Plattform, 4.2.2021). Es herrscht also ein starkes Gender-Ungleichgewicht innerhalb des Diskurses.
3 Analyse und Diskussion
Die Foren, in denen die hier zur Analyse herangezogenen Beiträge
erschienen sind, entstammen derselben Plattform wie die, die sich als
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Mittel zum Austausch für »Fußballfreunde«, »Fußballfans« und
»Fußballverrückte« charakterisiert (austriansoccerboard.at 2021).
Um die Themen, die in den Foren behandelt werden, analysieren und
veranschaulichen zu können, wurden die einzelnen Postings anhand
ihrer Themen in Gruppen zusammengefasst. Die unten folgenden
Überbegriffe wurden als Themen für die unterschiedlichen Gruppen
festgelegt (Tabelle 1 liefert einen Überblick).
In den Postings, die in die Themenkategorie der Leistung fallen, wird
im Speziellen die Leistung des Teams oder einzelner Spieler oder
Spielerinnen diskutiert, wie beispielsweise in dem Post »Schlechtestes
Spiel der bisherigen EM. Mit so einer Leistung verdienen es beide
rauszufliegen. Unpackbar!« (Post 521).
Unter der Kategorie »Ergebnis« werden Beiträge zusammengefasst,
die die Ergebnisse der Spiele behandeln, zum Beispiel »Hochverdienter
Sieg von Ungarn […]« (Post 981).
Eine weitere Kategorie beinhaltet die Gründe für die Leistungen und
Ergebnisse – als Attribuierung von Erfolg und Misserfolg. In diese
Kategorie fallen unter anderem die folgenden beiden Beiträge. 2
»also die Mentaltrainerin der Damen, sollte trotzdem mal kurz bei
unseren Burschen vor den Spielen vorbeischauen. Selten so eine
mental gefestigten Underdog gesehen. Das letzte Mal war wohl
Dänemark 1992 bei den Herren« (Post 4455)
2
Die Tipp-, Schreib-, Grammatik- und Interpunktionsfehler in den wiedergegebenen Auszügen aus den Postings werden in den Zitaten unkommentiert übernommen.
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Tab. 1: Themen der Posts
Thema
Leistung
Ergebnis
Attribuierung von Erfolg und
Misserfolg
Lösungsansätze
Subjektive Bewertung / Bashing /
Spott
Emotionsthematisierung
Distanz und Nähe zu den
Akteur*innen
Zukunft
Aktuelle Situation des Fußballs
Transfer auf die außersportliche
Alltagswelt und andere
Sportarten
Hierarchisches Verhältnis von
Männer- und Frauenfußball
Beispiele
Post 521
Post 981
Post 4455 bzw. Post 802
Post 211
Posts 988 / 354 / 570 /
632
Post 1446, 417
Posts 2300, 8
Posts 3480, 5227
Post 4613
Posts 4757, 1183
Posts 5162, 5165, 5166,
5172, 5174
Hier wird die Ursache für den Erfolg des Frauenteams in der mentalen
Stärke der Spielerinnen gesehen. Dagegen enthält das folgende Post eine
Sammlung von Gründen für den Misserfolg des Spielers, der
stellvertretend für das gesamte Männerteam gerügt wird:
»Alaba grandioser Fehlpass. Da fragst dich schon, was machen die
den ganzen Tag? Außer die Brokkolilockerln eindrehen und Snapchatten und beten? Ein Witz. Da zeigt sich halt, wer ein Mann ist und
wer ein Bub. Unglaublich, so werden uns die Portugiesen zerstören«
(Post 802)
Eine weitere Kategorie stellen Lösungsansätze dar, mit denen versucht
wird, Lösungen für die Probleme des jeweiligen Teams zu finden. Ein
Beispiel dafür ist Post 211: »Harnik bitte zur Pause raus.« Hier wird die
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Auswechslung eines Spielers gefordert, wodurch eine Leistungsverbesserung des gesamten Teams erwartet wird.
Die Kategorie »Subjektive Bewertungen / Bashing / Spott« fasst all
jene Beiträge zusammen, die eine subjektive Wertung eines Spielers,
einer Person aus dem Schiedsgericht, einer Spielaktion, eines Trainers
oder eines sonstigen Ereignisses enthalten, wozu auch Bashing, Beleidigungen und Verspottungen bestimmter Personen gezählt werden.
Beispielsweise wird eine subjektive Bewertung eines Spiels folgendermaßen ausgedrückt: »[…] Ich fande eher die ersten 10 Minuten der
zweiten Halbzeit ansprechend, den Rest viel zu lethargisch« (Post 988).
Beleidigende Bewertungen, beziehungsweise Bashing oder Spott, finden sich unter anderem in den Beiträgen »Harnik is so sinnlos« (Post
354), »[…] genauso gschissen wie die testspiele« (Post 570) oder »der
französische froschficker ist ein witz, wtf, geh scheißen« (Post 632).
Auch Beiträge, in denen die Thematisierung der eigenen Emotionen
im Vordergrund steht, wurden in einer Kategorie zusammengefasst,
nämlich als Emotionsthematisierung. In diese Kategorie sind beispielsweise Beiträge wie »ich hab Angst vor Standardsituationen« (Post 1446)
oder »Ich habe Angst und schwitze hier schon Blut« (Post 417) einzuordnen.
Postings, die die Positionierung gegenüber dem Spielgeschehen und
die Darstellung von Distanz und Nähe der eigenen Person zu den
Akteur*innen der beiden Nationalteams behandeln, werden ebenfalls in
einer Kategorie zusammengefasst. Ein Beispiel für den Ausdruck von
Distanz zum Geschehen findet sich in »Bin ich froh dass mir das Team
relativ wurscht ist. […]« (Post 2300). Der User stellt sich hier distanziert
dar, indem er betont, wie wenig ihn das Geschehen berühre. Nähe wird
beispielsweise darin ausgedrückt, dass die Akteur*innen nicht in der
dritten Person angesprochen werden, sondern die User*innen sich auch
selbst als dazugehörig positionieren, wie in »Erst wenn wir den Pokal
haben« (Post 8).
Einige Beiträge behandeln auch zukünftige Entwicklungen, weshalb
die Themenkategorie »Zukunft« erstellt wurde. In dieser Kategorie
werden beispielsweise Perspektiven einzelner Spieler und Spielerinnen
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thematisiert, wie in dem Beitrag »Das Thema Real, wenn es jemals ein
ernsthaftes war, ist jedenfalls erledigt« (Post 3480). Oder es wird die
Entwicklung des gesamten Frauenfußballs in Österreich angesprochen,
wie zum Beispiel hier:
»[…] interessant wird nun was die Zukunft bringt, denn underdog
sind sie mit dem Erfolg nun nicht mehr und eine Gewisse Erwartungshaltung ist nun gegeben, werden sie weiterhin so locker bleiben
können oder müssen sie nun erst mit diesen neuen (Erwartungs)
Druck zurechtkommen? Bin gespannt wie die WM Quali sein wird
(leider mit zwei langzeitausfällen), und wäre wirklich toll hier mal
Qualispiele im Fernsehen zu sehen(mit ordendlicher Ankündigung
und nicht durch zufall sehen das auf einen Spartensender ein Spiel
übertragen wird). […]« (Post 5227).
Neben der Zukunft steht auch die aktuelle Situation des Fußballsports
in einigen Beiträgen im Zentrum, wie beispielsweise in folgendem
Beitrag:
»ich hab echt null ahnung von frauenfußball, in österreich ist der
stellenwert ja wirklich niedrig und wird nach einiger zeit auch
wieder niedrig werden, da hast recht. ist das in deutschland anders?
also da kann man ja zumindest gut davon leben, als profi.« (Post
4613).
Durch Vergleiche wird vielfach ein Transfer auf die außersportliche
Alltagswelt oder andere Sportarten hergestellt, wodurch sich eine
weitere Themenkategorie ergibt. In ihr finden sich Postings wie »ist
doch im richtigen Leben nicht anders« (Post 4757) oder »Der erste
Fieldgoal-Versuch war schon mal daneben« (Post 1183), wo Bezug auf
die Sportart American Football genommen wird.
Die letzte und bedeutendste Kategorie beinhaltet alle Beiträge, die
das hierarchische Verhältnis zwischen Männer- und Frauenfußball abbilden. Postings dieser Kategorie realisieren und reproduzieren die Unterschiede zwischen Männer- und Frauenfußball und stellen Frauenfußball durch ständige Vergleiche und Bezugnahmen in den Schatten
des Männerfußballs. Beispiele dafür finden sich in den folgenden Bei-
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trägen: »Der ORF ist so ein Scheissverein. Altach führt 1:0 und die
machen seelenruhig die Analyse« (Post 5162), wobei Unmut über die
Fernsehübertragung der Analyse eines Spiels der Europameisterschaft
des österreichischen Nationalteams der Frauen geäußert wird, ein
internationales Spiel einer österreichischen Vereinsmannschaft der
Männer jedoch zugunsten des Frauenteams nicht gezeigt wird. Auch die
Antworten auf dieses Posting bilden die Hierarchie weitgehend ab: »Ich
bin auch gerade auf 180« (Post 5165), »Analyse schön und gut. Aber
dann noch Werbung? Wtf« (Post 5166), »Es ist Altach... « (Post 5172) und
»Es ist die Frauen EM... « (Post 5174).
Ein wesentlicher Unterschied in Bezug auf die behandelten Themen
liegt jedoch auch darin, dass in den behandelten Foren zu den Spielen
der Männer ausnahmslos die tatsächlichen Spiele thematisiert wurden,
während in den Beiträgen zu den Frauenspielen der thematische Fokus
oftmals in andere Lebensbereiche abglitt, ohne dass jemand zur Refokussierung aufgerufen hätte. So wird zum Beispiel während des Spiels
der Frauen ausführlich über die Herkunft der Farbkombination rot–
weiß–rot diskutiert, in den Beiträgen zu den Spielen der Männer entsteht jedoch augenblicklich ein Aufschrei, wenn jemand eine Äußerung
postet, die leicht vom Thema des Nationalteams der Männer abweicht,
wie beispielsweise in »[…] Haltets die Goschn und schleichts eich ins
Beisl mit dem Scheiß.. Könnts eure unbedeutenden Dreckskicker dann
im urschönen Wien wieder anfeuern.. « (Post 3464).
Um nun detaillierter auf den Inhalt der Postings einzugehen, werden
die Kommentare im Folgenden auf Nominationen und Prädikationen
hin untersucht.
3.1 Nominationen
Insgesamt konnten im untersuchten Korpus 1.816 Nominationen mit
Bezug auf Akteure und 748 Nominationen mit Bezug auf Akteurinnen
gefunden werden. In der Gegenüberstellung der Nominationen von
Männern und Frauen zeigt sich auf der morphologischen Ebene ein
erstaunlich geringer Unterschied. Sowohl Spielerinnen als auch Spieler
116
Winkler
werden entweder unter Verwendung ihres Namens benannt – seien es
nur der Vorname, nur der Nachname, der Vor- und Nachname, der
Nachname mit Artikel oder einem Spitznamen – oder sie werden durch
die Referenz auf eine Zuschreibung bezeichnet. Schiedsrichter*innen
sowie Mitarbeiter*innen der Medien werden auf ähnliche Weise behandelt, wobei bei den Mitgliedern des Schiedsgerichts die Namen den
User*innen nicht bekannt sind und daher nicht verwendet werden. Die
Nomination von Akteur*innen bedient sich in diesem Diskurs also der
Strategien (a) der Gruppierung, (b) der Inklusion, (c) der Namensnennung, (d) der Beschreibung und (e) der Wertung beziehungsweise
Beleidigung. Tabelle 2 zeigt die unterschiedlichen Nominationsstrategien in den Forenbeiträgen zu den Spielen der Männer im Vergleich mit
Postings zu den Spielen der Frauen.
Tab. 2: Nominationsstrategien und Beispiele
Strategie
Männer
Frauen
die Mannschaft
das Team
Götter in Rot
Team des Jahres
wir, uns
wir, uns
Infantilisierung
Buberlpartie
unsere Mädchen
Neutraler
Eigenname
die Puntigam, die
(der) Arnautovic, Arno,
Zinsbergerin, Miley
Alessandro, Jules, Herr
Zinsberger Sarah, Laura
Fuchs, Herr Hinteregger
Wolfgangsdottir
Diminutivum
Arni’s Schopferl
Neutrale
Gruppenbezeichnung
Positive
Gruppenbezeichnung
Inklusive Deixis
die mani
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Possessivierung
unsere zentrale
unsere Frauen
Nennung
idiosynkratischer
Merkmale
Brokkoli Dave, NullSchüsse-Janko und
Dusel-Martin
Teddybär Prohaska, die
Abwehrchef, der weibliche
Prödl
Ironisierung
Beleidigung
Tragödovic, Sabinixer,
Ihr TöchterSöhne, Herbert
Weltstars
Trottel, du kuh, elendige
Versagerpartie, (absolute) Volldeppen, unsere
Oaschhundstruppen,
Arschlöcher, elendiges
Hurenkind
3.1.1 Gruppenbezeichnungen in neutraler oder positiver Form
Vielfach wird nicht nur auf eine individuelle Person referiert, sondern
Bezug auf eine ganze Gruppe von Individuen genommen, beispielsweise
auf ein gesamtes Team. Dies geschieht sowohl in neutraler, positiver als
auch negativer Form, wobei sich bei neutralen Bezeichnungen kaum
Unterschiede zwischen den Geschlechtern zeigen. Die Akteur*innen
werden in beiden Fällen sowohl als »Mannschaft« (z.B. Post 235, Post
3688) und »Team« (z.B. Post 254, Post 3601) wie auch als »Männer« (z.B.
Post 3654) beziehungsweise »Frauen« (z. B. Post 3626) benannt. Doch
bereits hier lässt sich erkennen, dass das Geschlecht bei den Frauen zum
Beispiel in den Nominationen »das Damen-Team« (Post 4087), »ÖFBDamen« (Post 5222) oder »Frauenteam« (Post 4624) explizit markiert
wird, während eine derartige Markierung bei den Männern im Diskurs
über deren Europameisterschaft nie erfolgte. Lediglich im Diskurs über
die Europameisterschaft der Frauen, in dem das Männerteam häufig als
Vergleichsgröße herangezogen wird, wird die Unterscheidung mit Hilfe
der Bezeichnung »Herrenteam« (Post 5224) explizit getroffen. Außerdem konnte festgestellt werden, dass in den Beiträgen zu den Spielen
der Männer sowohl die Bezeichnungen »Team« als auch »Mannschaft«
118
Winkler
mit geringerer Häufigkeit (Vorkommen in 3,9% bzw. 2,5% aller männerbezogenen Nominationen) verwendet wurden als in den Beiträgen zu
den Spielen der Frauen (Vorkommen in 11,5% bzw. 4,8% aller frauenbezogenen Nominationen). Darin zeigt sich auch, dass die Frauen öfter
als »Team« bezeichnet wurden als mit dem Begriff »Mannschaft«.
3.1.2 Inklusion, Identifikation und Possessivierung
Sowohl das Team der Männer als auch jenes der Frauen wird in den
Beiträgen deiktisch als »wir« (z.B. Post 8, Post 3609) bezeichnet, wodurch sich zeigt, dass die hauptsächlich männlichen Diskursteilnehmer
sich mit beiden Teams ähnlich identifizieren können, obwohl es sich bei
ersterem um Akteure mit männlicher Geschlechtsidentität handelt,
während das zweite Team weiblich ist. Das heißt, es wird hier mit dem
deiktischen Ausdruck »wir« eine nationale Zugehörigkeit indiziert. Im
Gegensatz dazu findet sich sowohl im Kontext der Männerspiele als
auch in Bezug auf die Frauenspiele die unpersönliche Formulierung mit
»man« (z. B. in Post 10 und Post 3610), durch die eine distanzierte und
unpersönliche Sichtweise auf das Geschehen impliziert wird. Dem
inklusiven »wir«, das ein sehr großes Nahverhältnis abbildet, steht ein
»die« gegenüber, das große Distanz ausdrückt und sowohl in den
Beiträgen zu den Spielen der Männer als auch in jenen zu den Spielen
der Frauen verwendet wird. Das Pronomen »unser« wird zwar bei den
Gruppenbezeichnungen »Mannschaft« und »Team« sowohl bei Akteuren als auch Akteurinnen verwendet, tritt jedoch im Fall von
Geschlechterspezifität nur in Kombination mit »Frauen« auf. Es wird
also sehr wohl von »unseren Frauen« (z.B. Post 5227) gesprochen, nicht
aber von »unseren Männern«. In Verbindung mit anderen Bezeichnungen findet das Possessivpronomen sowohl in Bezug auf Männer als
auch auf Frauen Verwendung. Dies stellt eine Possessivierung der bezeichneten Akteur*innen dar und drückt unter anderem Nähe zu ihnen
aus.
Das Gendern der Akteur*innen spielt also für die überwiegend
männlichen User anscheinend keine Rolle. Möglicherweise ist es das
Gender in der Fankultur
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geringe Bewusstsein vom weiblichen Gender der Spielerinnen, das dazu
führt, dass sie nicht nur mit weiblich markierten Formen, zum Beispiel
als »Österreicherinnen« (z.B. Post 3788), sondern auch als »Österreicher« (z.B. Post 4740) oder ganz allgemein als »Fußballer« (Post 3879),
also mit dem vermeintlich generischen Maskulinum oder einer generell
nicht gegenderten Form bezeichnet werden, die möglicherweise eine
Sprachgewohnheit der Diskursteilnehmer*innen darstellt. Zudem zeigen sich auch Wortbildungen, die das Verharren auf der männlichen
Norm indizieren, wie »die Abwehrchef« (Post 4602), was im Deutschen
durchaus eine sperrige Formulierung darstellt, ähnlich wie auch die
Bezeichnung »der nächste Gegner\in« (Post 4059). Anscheinend widerstrebt es den mit der normativen Männlichkeit im Fußball vertrauten
Diskursteilnehmern und gegebenenfalls auch Diskursteilnehmerinnen
bis zu einem gewissen Grad, unter anderem positionsspezifische Bezeichnungen gendergerecht abzuändern. Das Pendant zum »Abwehrchef« bei den Männern ist damit »die Abwehrchef« (Post 4602) bei den
Frauen, wobei schon allein bemerkenswert ist, dass die Weiblichkeit der
benannten Person beziehungsweise Personen überhaupt in einer Form
berücksichtigt und sprachlich realisiert wird. Dabei handelt es sich
nämlich um eine Kenntlichmachung, die einer Frau, die als »Torhüter«
(Post 4435) bezeichnet wird, nicht zukommt. Im Vergleich dazu wird
bei der Bezugnahme auf einen Medienmitarbeiter deutlich, der den
Diskursteilnehmer*innen wohlbekannt ist, was passiert, wenn dieser
Mitarbeiter sprachlich verweiblicht wird: Durch das weibliche Genus
wird dem Mitarbeiter sein Status als Mann aberkannt. Das zeigt sich
unter anderem in den folgenden beiden abwertenden Postings:
Post 3756: »Die blonde Hackfresse is ja auch im Studio Hätt sich
schon schminken können bitte«
Post 4481: »Am ehesten noch die Hackmair«
Im Gegensatz zu der Herabwürdigung eines Mannes durch das Absprechen seiner Männlichkeit oder durch sein Framing als Frau, was
deutlich als sexistische Diskriminierung angesehen werden kann, steht
eine potentielle »Aufwertung« der weiblichen Spielerinnen, wenn sie
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Winkler
sprachlich nicht durchgehend über Anthroponyme mit weiblichem Genus benannt werden.
3.1.3 Bezugnahme auf Eigenschaften
Die Nomination über die Bezugnahme auf Eigenschaften der benannten
Individuen variiert zwischen den Sportler*innen. Die Männer scheinen
bekannter zu sein, daher werden bei ihnen insgesamt mehr
Eigenschaften bzw. Merkmale genannt. Die Spielerinnen werden
dagegen oft mit den männlichen Akteuren in Beziehung gesetzt, indem
Ähnlichkeiten der Spielerinnen mit den Spielern hervorgehoben
werden, beispielsweise auch in Bezug auf Nachnamen, Verwandtschaftsverhältnisse oder auch nur entfernte Ähnlichkeiten im Spielstil
oder Spielverhalten. Außerdem werden auch äußere Merkmale bei den
Akteur*innen angesprochen, jedoch in geringerem Ausmaß als sportliche Aspekte. Anstelle der Namen werden beispielsweise Trikotnummern oder Positionsbezeichnungen verwendet und Assoziationen zum
Aussehen oder Verhalten hergestellt. So wird beispielsweise David Alaba »Brokkoli-Dave« genannt (Post 231), oder es wird die Ad-hocBenennung »Null-Schüsse-Janko« (Post 985) gebildet. Im Fall der
Nomination »Brokkoli-Dave« wird Bezug auf die Frisur des Spielers
genommen, die mehreren User*innen zufolge optisch einem Brokkoli
ähneln solle. Derselbe Spieler wird auch »brokkoli kopf« genannt (Post
1274). Die Benennung »Null-Schüsse-Janko« bezieht sich auf den
Vorwurf, dem Spieler würden zu wenige oder, wie hier behauptet, gar
keine Torschüsse gelingen.
Zusätzlich zu diesen Benennungsformen finden sich bei den Nominationen der Spielerinnen auch Strategien der Bezugnahme auf andere
Akteur*innen oder des assoziativen Spiels mit ihren Namen. So wird
eine Spielerin durch ihre vermeintliche Ähnlichkeit zu der Sängerin
Miley Cyrus mit dem Spitznamen »Miley« (z.B. Post 3734) versehen,
während eine andere Spielerin, nämliche Nadine Prohaska, durch den
gleichen Nachnamen als »Herbert« (Post 4784) mit Bezugnahme auf
Herbert Prohaska bezeichnet wird. Die Nomination verdeutlicht zudem
Gender in der Fankultur
121
den Vergleich mit der Männermannschaft, indem eine Spielerin unter
Verweis auf den ehemaligen Kapitän des Männerteams »eine Christiane
Fuchs« (Post 4693) genannt wird, oder es werden Kreationen wie
»Laura Arnautovic« (Post 4865) gebildet, um den Vergleich einer
Akteurin des Frauenteams mit einem Akteur des Männerteams zu
realisieren. Eben diese Spielerin wird auch als »Laura Wolfgangsdottir«
(Post 4039) bezeichnet, was einerseits auf die Namensgebung bei den
Isländerinnen anspielt, andererseits aber auch auf ihren in der Welt des
Fußballs bekannten Vater verweist. Eine andere Spielerin wird auch als
»das bierige Bier« (Post 5133) bezeichnet, wodurch Bezug auf einen
Bierhersteller aus einem gleichnamigen Stadtteil genommen wird.
Derartiges Spielen mit den Namen der Männer wird nicht praktiziert,
was darauf schließen lässt, dass dem Frauenfußball keine ähnlich große
Ernsthaftigkeit zugeschrieben wird wie dem Männerfußball. Dies verdeutlicht sich auch darin, wie auf negative Ergebnisse reagiert wird. Wie
im Folgenden näher beschrieben, werden die Männer bei Unzufriedenheit wüst beschimpft, während bei den Frauen eher Akzeptanz
herrscht und der Unmut sich in Grenzen hält oder zumindest nicht in
derartigen Nominationen ausgedrückt wird.
Im Verzicht auf die Verwendung von Namen manifestiert sich eine
weitere Möglichkeit, um noch größere Distanz auszudrücken. Anstelle
von Namen werden andere Nominationen verwendet, wie zum Beispiel
in »[…] dieser Herr sollte sich jetzt hinterfragen« oder »Dieser scheiss
Schneckenfresser ist ein elendiges Hurenkind« (Post 646). Das zuletzt
zitierte Beispiel zeigt eine geringere Distanz zum Geschehen als das vorletzte, da mit der Beschimpfung ein deutlicher Ausdruck von emotionaler Involviertheit einhergeht. Zudem steckt in dieser Bezeichnung
eine Beleidigung der benannten Person, worauf im nächsten Abschnitt
näher eingegangen wird.
122
Winkler
3.1.4 Infantilisierungen, Diminuierungen, ironische Bezeichnungen und Beleidigungen
Neben den bisher beschriebenen Nominationsstrategien lässt sich auch
die Infantilisierung als weitverbreitete Strategie im hier untersuchten
Korpus identifizieren. Es zeigt sich also eine infantile Darstellung von
Männern ebenso wie Frauen als Kinder, was vor allem in der wiederkehrenden Bezeichnung der Athletinnen als »Mäd(e)ls« (z. B. Post 4550,
Post 4559) oder in den Benennungen der Athleten als »Jungs« (z. B. Post
903), »Burschen« (Post 381) oder »buberlpartie« (Post 2827) realisiert
wird. Sowohl das Kind-Sein als auch das Mädel-Sein werden im hier
betrachteten Diskurs über Frauenfußball zumindest nicht als
Beleidigungen verwendet. Sie sind dahingehend als Abwertung zu
sehen, dass die Athletinnen weniger als erwachsene Frauen angesehen
werden, als wenn sie als »Frauen« bezeichnet werden.
Infantilisierungen der Sportler beinhalten mitunter auch sehr negative
Konnotationen. Durch Infantilisierungen werden beispielsweise die
Ursachen für einen spielerischen Misserfolg beziehungsweise die der
Erwartungshaltung nicht entsprechenden Leistungen des österreichischen Männerteams herabsetzend versprachlicht, z. B. so, dass die
Spieler als »Buben« geframed werden. Dies geschieht etwa in folgendem
Beitrag:
»weil das Bubi kein Führungsspieler ist. der kann nur in die Kamera
lächeln, aber Eier hat der keine. Keine Ahnung wieso die Medien
immer meinen, der könnte eine Mannschaft packen und führen«
(Post 2719).
Die Bezeichnung »das Bubi« enthält neben der Infantilisierung
zusätzlich das Diminutivsuffix »-i« und eine Versächlichung, wodurch
die Abwertung des Spielers zweifach verstärkt wird. Eine weitaus
größere Abwertung als die Bezeichnung als »Bubi« oder »Jungs« (z.B.
Post 903) manifestiert sich für männliche Individuen jedoch offenbar im
Vergleich mit einem weiblichen Kind, also einem Mädchen, da auf diese
Art die Diskreditierung des Mannes zum Kind mit jener zum weiblichen
Individuum kombiniert wird. Kind-Sein wird also bei männlicher
Gender in der Fankultur
123
Geschlechtsidentität negativ bewertet, während es bei weiblicher Geschlechtsidentität anscheinend als Normalzustand oder im Sport sogar
als ungeschriebene Norm für weibliche Individuen angesehen wird.
Eine weitere, als normal geltende Praxis im Sport beziehungsweise
im Besonderen in der Rezeption von Sportereignissen stellt die emotionsgeladene Äußerung subjektiver Einschätzungen des Geschehens
dar. So werden von den User*innen im Forum Bewertungen und
Einschätzungen der Geschehnisse formuliert, die sich von neutralen
Beschreibungen über ironische Bemerkungen bis hin zu heftigen
Beleidigungen der Akteurinnen und Akteure durch Nomination erstrecken. Vergleicht man die Beiträge zu den Spielen der Männer mit
jenen zu den Spielen der Frauen, wird deutlich, dass ironische Formulierungen in den Beiträgen zu den Männerspielen zum Teil andere
Funktionen erfüllen als in den Beiträgen zu den Frauenspielen. Ironische Nominationen zu den Spielen der Männer dienen dazu, die Leistungen der Akteure zu bewerten und Missfallen auszudrücken sowie
die Spieler zu verspotten. Diese Funktionen werden beispielsweise in
den folgenden Beiträgen realisiert: In dem Post »passt Jungs! Jedem das
Handy bitte wegnehmen, den Weltstars... « (Post 903) wird die Bezeichnung »Weltstars« verwendet, um auf ironische Weise Missfallen
auszudrücken. Ähnlich verhält es sich mit dem Posting »Sabitzer ›Flankengott‹, Eh schon 66 min. Harnik nun rein« (Post 3131), bei dem die
ironische Ernennung zum »Flankengott« mit der Forderung nach der
Auswechslung des genannten Spielers kombiniert wird. Im Gegensatz
zu dieser Funktion werden ironische Nominationen in den Beiträgen
zu den Frauenspielen vorrangig verwendet, um damit umzugehen, dass
es sich bei den beobachteten Akteurinnen um weibliche Individuen
handelt, was allem Anschein nach von manchen Usern als etwas Ungewöhnliches wahrgenommen wird. Ironische Nominationen nehmen
hier also Bezug auf die Praxis des Genderns und das gegenseitige
Hinweisen auf diesbezügliche Konventionen. So werden die Akteurinnen beispielsweise als »TöchterSöhne« (Post 4150) bezeichnet, wodurch Bezug auf die fraueninklusive Abänderung des Textes der österreichischen Nationalhymne von »Söhne« auf »Töchter und Söhne«
124
Winkler
genommen wird. Dadurch wird zusätzlich der Versuch der sprachlichen
Inklusion von Frauen in den Text der Nationalhymne ironisiert. Ein
weiteres Beispiel findet sich in folgendem Beitrag, in dem mehr oder
weniger ernst gemeint auf das Geschlecht der Schiedsrichterin hingewiesen wird: »SchiriIn muss es korrekt heißen!« (Post 4902). Die Bezeichnung »Schiri« für einer männlichen Schiedsrichter wurde hierbei
sprachlich inkorrekt gegendert, weil das Diminutivsuffix »-i« nicht auf
männliches oder weibliches Geschlecht festgelegt ist. Ähnliche Ironie
wird in folgendem Beitrag realisiert: »Torhüterin!!! du macho du!!! �«
(Post 4438). Abwertende ironische Benennungen finden sich bei der
Referenz auf den ORF-Mitarbeiter Peter Hackmair, der unter anderem
als »die Hackmair« (Post 4481) oder »Frau Hackmair« (Post 4554) bezeichnet wird. Die Verwendung von Ironie bildet also gewissermaßen
einen Stellenwert des Frauenfußballs als belächelte Sportart ab, die
keiner ernsthaften Auseinandersetzung im Hinblick auf korrektes Gendern bedarf.
Auch verspottende oder beschimpfende Nominationen sind sehr viel
öfter auf Männer als auf Frauen bezogen. In 4,5% aller Nominationen
des Korpus beziehen sie sich auf Männer, während bei den Frauen
lediglich das gegnerische Team der Französinnen als »Froschfrauen«
(Post 3908) bezeichnet wird, sodass eine Beleidigung in 0,2% aller frauenbezogenen Nominationen auftritt. Dies lässt sich als Solidarisierung
mit dem österreichischen Frauennationalteam gegen einen gemeinsamen Feind auffassen. Die Bezeichnung der männlichen Sportler und des
Schiedsrichters unter Verwendung von Schimpfwörtern, Beleidigungen und herabwürdigenden Bezeichnungen bietet den männlichen
Usern dagegen eine Möglichkeit, ihrer eigenen Männlichkeit Raum zu
geben und sich gegenüber der herabgesetzten und mitunter sogar abgesprochenen Männlichkeit anderer Personen mit männlicher Geschlechtsidentität im Diskurs selbstbewusst zu präsentieren und zu
profilieren (vgl. Meuser 2017: 183). Das Bashing der Spieler und die
damit verbundene enthemmte Dynamik im Austausch zwischen den
Fans haben sich als Diskurstradition etabliert. Dabei stehen Beleidigungen und Beschimpfungen an der Tagesordnung, sind in der Community
Gender in der Fankultur
125
weitgehend akzeptiert und werden vielfach noch verstärkt. So wird der
Schiedsrichter beispielsweise in einem Post unter Verwendung einer
animalisierenden Metapher als »schirisau« (Post 643) beschimpft und
im nächsten auf ihn bezogenen Beitrag als »scheiss Schneckenfresser«
und »elendiges Hurenkind« (Post 646). Im Vergleich dazu gibt es im
Austausch zu den Spielen der Frauen keine derart beleidigenden Nominationen, was wiederum dadurch erklärt werden kann, dass »FrauenBashing« keine identitätsstiftende Funktion für die Männer im Diskurs
darstellt und der Anteil an Frauen in der Community zu klein ist, um
eine vergleichbare Dynamik zu erreichen. Denkbar wäre an dieser Stelle
auch, dass für Männer den Akteurinnen gegenüber Beschimpfungshemmungen bestehen, die sie davon abhalten, von solchen Formulierungen
Gebrauch zu machen. Distanz und Nähe zu den genannten Akteuren
oder Akteurinnen können hier nicht als Ursache angeführt werden, da
kaum anzunehmen ist, dass die User*innen in den Foren beispielsweise
in einem Verhältnis der Nähe zum französischen Schiedsrichter stehen,
der das erste Spiel des österreichischen Männerteams bei der
Europameisterschaft leitete. Ein weiterer Faktor, der hier beachtet
werden muss, ist der Nationalismus, der sich hier implizit dadurch zeigt,
dass Personen sehr stereotyp auf ihre Nationalität, die nicht der eigenen
entspricht, reduziert und auf deren Basis beschimpft werden. Zudem
lässt sich beobachten, dass in den Beiträgen zu den Spielen der Frauen
keine derartigen Nominationen vorkommen, also auch nicht nach einer
ersten Gewöhnungsphase, nach der in anderen Bereichen schon
Zeichen eines Nahverhältnisses ersichtlich werden.
3.1.5 Markierung von Gender – Männliche Norm
In den Beiträgen zu den Frauenspielen werden immer wieder das vermeintlich generische Maskulinum oder maskuline beziehungsweise
nicht-gegenderte Positionsbezeichnungen verwendet. Auch darin zeigt
sich, dass das fußballspielende Individuum männlich normiert ist. Andererseits lässt sich in den Nominationen der Beiträge zu den Frauenspielen feststellen, dass durch das Bekannterwerden des Frauenfußballs
126
Winkler
in Österreich und des österreichischen Frauenfußballnationalteams in
der Frauenfußball(fan)community ein Umdenken einsetzt. Während
des Turniers zeigt sich als Konkurrenzphänomen zu maskulinen
Bezeichnungen immer wieder ein gegenseitiges Hinweisen auf
gendergerechte Sprachverwendung, die zwar nicht von allen
Diskursteilnehmer*innen eingehalten wird, aber dennoch auf eine
Entwicklung in Richtung Gendern in der Fußballcommunity hindeutet.
So treten Bezeichnungen wie »Keeperin« (z. B. Post 4086) oder
»Schirin« (z. B. Post 4936) für die aus dem Männerfußball bekannten
Begriffe »Keeper« und »Schiri« auf. Dabei soll nicht unerwähnt bleiben,
dass sowohl der Terminus »Keeper« als auch die Kurzform »Schiri«
eigentlich keine Gendermarkierung enthalten, die deutsche Sprachpraxis jedoch nach einer expliziten Markierung zu verlangen scheint. Im
Fall von »Keeperin« wird diese Markierung auch von der Institution der
Dudenredaktion (Dudenredaktion 2021a) vorgeschrieben, die Bezeichnung »Schiri« gilt jedoch als Kurzform sowohl für »Schiedsrichter« als
auch für »Schiedsrichterin« (Dudenredaktion 2021b). Zudem findet
man in diesen Beiträgen zu den Spielen der Frauen eine gänzlich neue,
explizite Markierung auch des männlichen Geschlechts beziehungswiese Genders an der Positionsbezeichnung »Männergoalies« (Post 3982),
wenn Vergleiche mit der männlichen Leistungsnorm gezogen werden.
Dies macht wiederum deutlich, dass das soziale Geschlecht eines Individuums, das den Sport Fußball ausübt, mittlerweile nicht immer per
Default männlich ist. Während einer intensiven Auseinandersetzung
mit Frauenfußball und den darin erzielten Erfolgen des österreichischen Teams entsteht also bei österreichischen Fans ein Umdenken,
nach dem die Norm im (Frauen-)Fußball nicht mehr ausschließlich
Männern und Männlichkeit vorbehalten ist. Es bleibt jedoch offen, ob
dieses Umdenken anhält oder lediglich eine Momentaufnahme darstellt,
die nach dem »Hype« der Europameisterschaft 2017 wieder in den Hintergrund tritt.
Die Unterschiede zwischen Nominationen von Männern und Frauen manifestieren sich also vor allem in der Nomination durch Beschimpfungen, die in Bezug auf Frauen nicht vorkommen. Neben
Gender in der Fankultur
127
Schimpfwörtern, die vor allem in emotionsgeladenen Situationen verwendet wurden, werden die Spieler auch äußerst häufig mit ihrem
Namen, Teilen davon oder einem darauf basierenden Spitznamen
benannt, während bei Frauen vor allem zu Beginn des Turniers auf
Benennungen zurückgegriffen wird, die Beschreibungen der jeweiligen
Spielerinnen beinhalten, wie z. B. eine Rückennummer oder eine
Position (siehe Tab. 3). Erst im weiteren Verlauf der Europameisterschaft gewöhnt man sich, so scheint es, an die Verwendung der Namen
und kreiert sogar Spitznamen für Spielerinnen, was in Tabelle 3 auch an
der fortlaufenden Nummerierung der Beispielposts abzulesen ist.
Tab. 3: Unterschiedliche Nominationsstrategien mit Bezug auf Frauen
Nomination
Beispiel
Rückennummer Nr. 22
Beschreibung
Position
Spitzname
unsere
Kapitänin
Torfrau
Zinsi
Beitrag
Anteil an allen
frauenbezogenen
Nominationen
Post 3782
0,50%
Post 3911
1%
Post 3947
Post 5105
7,30%
4,40%
Außerdem kann festgestellt werden, dass Frauen weitaus häufiger als
Gruppe (61,6% aller Nominationen mit Frauenbezug) benannt wurden
denn als Einzelpersonen (33,8% aller Nominationen mit Frauenbezug).
Für die Männer lässt sich das Gegenteil beobachten; diese wurden
nämlich in 75,2% aller Nominationen mit Männerbezug als Einzelpersonen benannt und nur in 19,6% als Gruppe. Die restlichen 4,6% bzw.
5,2% entfallen auf Verwendungen von Pronomina, die hier nicht
gewertet wurden.
Somit zeigen sich bestimmte Verhältnisse zwischen Spieler*innen
und den Akteur*innen in den Foren: Spieler scheinen, wohl aufgrund
ihrer Popularität, den Personen in den Foren wesentlich näher zu stehen
128
Winkler
als Spielerinnen, denen gegenüber man sich vor allem zu Beginn der
Europameisterschaft aus großer Distanz positioniert. Beleidigende
Nominationen stehen jedoch in keiner Verbindung zu den Nähe- und
Distanzverhältnissen, sondern spiegeln lediglich das Phänomen des
»Männer-Bashings« und der damit verbundenen Diskurstradition
wider und stehen im Zeichen der Inszenierung der eigenen
Männlichkeit durch die Diskreditierung anderer Personen mit
männlicher Geschlechtsidentität.
3.2 Prädikationen
Im analysierten Diskurs über Fußball, oder genauer gesagt, über
Männer- und Frauenfußball, wurden insgesamt 1752 Prädikationen
identifiziert, davon 1155 mit Bezug auf Männer und 597 mit Bezug auf
Frauen. Die Prädikationen dienen vor allem zum Ausdruck einer positiven oder negativen Haltung bestimmten Akteur*innen gegenüber.
Entweder man realisiert mit ihnen Lob und Wohlgefallen, oder man
äußert Kritik, Missfallen und sogar Abscheu. In der Verteilung der
Häufigkeiten gibt es hier große Unterschiede zwischen den auf Frauen
und Männer bezogenen Prädikationen, wie Tabelle 4 zeigt. Neutrale
Prädikationen treten nur sehr selten auf. Bei den Subjekten, denen die
Prädikationen zugeschrieben werden, handelt es sich hauptsächlich um
Spielerinnen und Spieler sowie in selteneren Fällen auch um Schiedsrichter und Schiedsrichterinnen. Als zentrale Motive der Prädikationen
im Diskurs erweisen sich die Bewertung der gezeigten Leistung
während des Spiels und die Beurteilung des Verhaltens abseits des
Spielfeldes sowie des äußerlichen Erscheinungsbildes. Diese Funktionen werden vor allem durch Vergleiche mit anderen Akteur*innen,
durch Metaphern sowie auch Spott und durch die Reproduktion von
Stereotypen realisiert. Auch die Bezugnahme auf die jeweilige Vereinszugehörigkeit eines Akteurs oder einer Akteurin zählt zu den in den
Prädikationen als wichtig erscheinenden Merkmalen.
Gender in der Fankultur
129
Tab. 4: Positive und negative Prädikationsformen 1 (Prozentangaben
zeigen den Anteil an positiven und negativen Prädikationen im
Verhältnis zu allen Gender-Prädikationen im Korpus)
PrädikationsVorkommen Männer
formen
Positiv
Negativ
Frauen
Sehr brav,
Baumgartlinger
Frauen: 87,6%
sensationelles Erals einziger bisher
Männern:
gebnis und unin Topform. (Post
17,1%
fassbarer Kampf278)
geist! (Post 3890)
Frauen: 9%
Männern:
80,1%
Eine katastrophale Leistung. Leider
waren die aufmunternden Worte nach dem Hollandspiel nur
Wie schlecht der
Durchhalteparogeschossen war.
len. Zum kotzen.
(Post 4871)
Alle ausnahmslos
scheiße. Wie man
gegen Ungarn so
schwach sein
kann. Unglaublich
ist das. (Post 753)
3.2.1 Positive und negative Prädikationen
Eine Trennung des Korpus nach dem Geschlecht der aktiven Akteur*innen, beziehungsweise nach dem Bewerb, also eine gesonderte
Betrachtung der Männerfußball-EM und der Frauenfußball-EM, zeigt,
130
Winkler
dass in beiden Gruppen sowohl positive als auch negative Prädikationen
zu finden sind. Dabei treten in Bezug auf Männer weitaus häufiger
negative Prädikationen auf als in Bezug auf Frauen, während sich das
gegenteilige Bild bei positiven Prädikationen zeigt. So findet sich in den
Beiträgen zu den Männerspielen eine viel umfangreichere Sammlung an
negativen Zuschreibungen als bei den Beiträgen zu den Spielen der
Frauen. Es lässt sich dennoch beobachten, dass sowohl Männer als auch
Frauen bezüglich ihrer sportlichen Leistung und ihres Verhaltens durch
Prädikationen positiv sowie negativ bewertet werden, wobei die Bewertung des Verhaltens der Frauen um ein Vielfaches positiver ausfällt als
das der Männer. Ein ähnliches Bild zeigt sich auch bei der Leistungsbewertung, jedoch weitaus weniger deutlich. So verhalten sich Frauen
beispielsweise »charismatischer als die Herren-Bande« (Post 3943) oder
wird ihr spielerische Performance mit einem gewissen ironischen Beigeschmack als »so richtig Frau« (Post 4840) charakterisiert, während bei
Männern Formulierungen wie »arrogant« (Post 400) oder »lustlos«
(Post 994) zu finden sind. Auch das Küren einer »Lieblingsspielerin«
(Post 4033) tritt nur in Beiträgen zu den Frauenspielen auf und bleibt
ohne vergleichbare Postings bei den Männerspielen. Bezüglich der
Leistungsbewertung zeigen sich, wie bereits erwähnt, geringere
Unterschiede in qualitativem Sinn. So findet man zum Beispiel die Beschreibung als »lächerlich« (z.B. Post 822, Post 5116) sowohl als Bewertung der Leistung der Männer als auch jener der Frauen. Die umfangreichen negativen Bewertungen der Männer zeigen sich in abwertenden
Beschreibungen wie »katastrophale Mannschaftsleistung« (Post 778),
»sinnlos« (Post 354), »grandioser Fehlpass« (Post 802), »unglaubliche
Schweinsleistung« (Post 856), »hodenlos« (Post 2506), »spielen wie
angeschissen« (Post 814), »kompletter Witz, von allen, ausnahmslos«
(Post 994), »Debakel scheisse« (Post 908), »so unterirdisch« (Post 1610)
oder »komplett wertlos« (Post 400). Negative Bewertungen in dieser
Härte sind bei den Bewertungen der Frauen nicht vorhanden Womöglich wollen sich die Autoren und gegebenenfalls Autorinnen der
Beiträge als »Frauenversteher« und nicht als konservative MachoMänner positionieren. Eine solche Selbstdarstellung bringt nach
Gender in der Fankultur
131
Kotthoff & Nübling (2018: 292) Vorteile bei der heterosexuellen
Partnerinnensuche für Männer mit sich, da Männer durch die Betonung
eines verständnisvollen, toleranten Charakters ohne Drang danach, die
Männlichkeit ständig in den Vordergrund zu stellen, auf Frauen sympathischer wirken sollen. Andererseits zeigt sich jedoch im Verlauf des
Turniers, dass auch die Frauen schärfer kritisiert werden, wenn auch
nicht in einem mit den Männern vergleichbaren Ausmaß. Dies lässt
darauf schließen, dass, nach einer kurzen Phase der Gewöhnung an die
Tatsache der Weiblichkeit der Sportlerinnen, dieses Bewusstsein wieder
in den Hintergrund tritt oder zumindest weniger Bedeutung innerhalb
des Diskurses bekommt. Die sozusagen vornehme Distanz zu den
Spielerinnen wird immer geringer, wodurch auch die Hemmungen
davor, starke Kritik zu äußern, immer mehr fallen.
Neben den sportlichen Leistungen wird auch Bezug auf das Äußere
der Sportler*innen genommen. Hier zeigen sich positive Prädikationen
ausschließlich in Bezug auf die Akteurinnen. Allerdings sind die
Fußballerinnen teilweise auch mit sexistischen Zuschreibungen
konfrontiert, wie zum Beispiel in dem Beitrag »is ned so schorf wie
andere, aber sie schaut einfach liab aus und man mag sie an ganzen Tag
knuddeln« (Post 4492). Bei den Akteuren sind keine explizit positiven
Prädikationen in Bezug auf ihr Aussehen zu finden. Auch lässt sich
festhalten, dass Herz-Emojis zum unironischen Ausdruck einer
positiven Haltung gegenüber einem Spieler oder einer Spielerin
häufiger in Bezug auf Frauen auftreten.
Zur weiteren Veranschaulichung der Realisierung der Unterschiede
in der Rezeption des Männer- und des Frauenteams zeigen die folgenden Beispiele erstens Reaktionen auf einen Torerfolg (Tab. 5) und
zweitens Redaktionen auf einen verschossenen Strafstoß (Tab. 6). Das
einzige Tor des Männerteams wurde beispielsweise auf folgende Weise
kommentiert (siehe auch die Beiträge 3027-3100):
132
Winkler
Tab. 5: Reaktionen auf das Tor der Männer
Nr.
3027
3029
3030
3031
3032
3033
3034
3035
3036
3037
Beitrag
Jaaaaa
Wow. Nach 230 Minuten haben sie endlich ihre
Gue
Eier gefunden. Gemma!
rahzel
YESSSSS
RapidWien07 JAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAA
AngeldiMaria Schöpf genial gemacht.
Dansch10
jaaaaaaaaaaaaaaa
patierich
JAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAA
Lichtgestalt
geiles tor!
Rapidler_1899 Jaaaaaaaaaaa
Joe0023
Jaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa
mrbonheur
Jaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa
3038
Adversus
3039
lovehateheRo
3041
3042
Grün_Weiss
Heikki
3043
Alex011
3028
Username
Vaffanculo
JAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAA
SCHÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖPF WARUM
NICHT GLEICH IHN AUFSTELLEN
scheisse
schööööööööööpf
SCHÖPF; JAAAAAAAAAAA!!!
Unwiderstehlich!
Auf das erste erzielte Tor des Frauenteams wurde im Vergleich dazu
folgendermaßen reagiert:
Tab. 6: Reaktionen auf das erste Tor der Frauen
Nr.
3617
3618
3619
Username
rattlesnake
patierich
Aegis
Beitrag
bravo
verdient, wie ich meine.
Schön gespielt!
Gender in der Fankultur
3620 schimli
Green_White
Anfield Devil
3621
[Antwort auf Post
3617]
133
Feiner Spielzug
Jetzt wo du es sagst, wäre mir gar nicht
aufgefallen
Haben schon in 15min genauso viele
Tore geschossen, wie unsere Herren in
270.
cordoba78
3622 [Antwort auf Post sehe ich bis jetzt auch so...
3618]
3623 xxAltachFanaticsxx spielen eh brav mit, da geht was
Neben der Fülle an unterschiedlichen Beiträgen wird hier deutlich, dass
der Torerfolg des Männerteams weitaus größere und stärkere Emotionsausbrüche nach sich zog. Eine derartige Euphorie ist bei dem
Erfolg des Frauenteams nicht zu finden, da sich die User*innen viel
gelassener und weniger emotional präsentieren. Unterschiede im
emotionalen Erleben lassen sich beispielsweise an der Verwendung von
Großbuchstaben zum Ausdruck einer erhöhten Lautstärke ablesen, als
wären es gesprochene Äußerungen, sie zeigen sich aber auch an »expressive[n] Dehnungen« (Fiehler 2012: 170), also der Wiederholung von
Vokalen und Konsonanten, die im Kontext des Frauenfußballs nicht
auftreten. Auch Interjektionen oder die Verschriftlichung von Jubelschreien und das Zurückgreifen auf Schimpfwörter zum Ausdruck von
Freude und Euphorie finden sich nur in den Beiträgen zu den Männern.
Diese Beobachtungen gelten auch für Situationen des Misserfolgs, was
eine Auswahl an Reaktionen auf einen verschossenen Strafstoß der
Männer in Tabelle 7 und einen verschossenen Strafstoß der Frauen in
Tabelle 8 illustriert:
134
Winkler
Tab. 7: Reaktionen auf verschossenen Strafstoß der Männer
Nr.
2616
2617
2618
Username
Sohnemann
indestructable
quattro0-20
Beitrag
Gehts scheißn.
Oaschloch
Na bist du deppat drago
Aahahahahahaha es seids ja wirklich für
2619 LaDainian
die Fisch.
2621 fenix
ALLE AUSBÜRGERN - JETZT!
2623 Rapidler_1899 AHAHAHAHAHAHAH
2626 Billie
Ihr Dodln.
Dragovic ist eine Witzfigur
2669 bookert
der will Führungsspieler sein?
Wie kann man in so einer Situation da
Dragovic schießen lassen! Wir sind so
2670 ralph26
dermaßen lächerlich das ich kotzen
könnt
Lolnaldo Gedächtniselfer. Danke für
2674 internorm
nichts.
Gehts Scheißen, die können nicht einmal
2675 Douglas
an Elfer verwandeln
Das ist so herrlich - dieses Team ist eine
2699 Rapidler_1899 Parodie von einer Fussballmannschaft
Zumindest hamma noch was zum lachen
2703 Douglas
2704 Elwood
Die ganzen 11 Wappler gehören abgewatscht, frage mich wie sich Österreich
qualifizierte
fahrts heim!
Gender in der Fankultur
135
Tab. 8: Reaktionen auf verschossenen Strafstoß der Frauen
Nr.
Username
4726 Hutz
4727 patierich
Beitrag
na geh
Puntigam drüber
ufff, jetzt den Kopf ned hängen lassen!
Fuuuck!
Wuascht! Weiter! Dann halt so!
TOAAAAAA
4729 Kaiser Soße
...doch nicht
Verschossen. Versteh ned warum ned
4730 semmerl
Burger schießt
Im Halbfinale darfst sowas halt net herm4v3rick_m
4734
schenken. So liabs a san, aber das ist
ts
fahrlässig.
simsala
Aber Österreicher man kommt nicht so
4740 [Antwort auf
einfach aus unsrer Haut
Post 4679]
4728 Aegis
4741 Alex011
Frauen sind Menschen wie wir!
Auch bei negativen Vorkommnissen zeigen sich in der Rezeption der
Spiele der Männer weitaus stärkere Emotionen, was wiederum durch
die Verwendung von Großbuchstaben, Interjektionen, Schimpfwörtern
und vulgären Formulierungen (vgl. Schwarz-Friesel 2013: 152), jedoch
auch durch den schriftlichen Ausdruck von Lachen beziehungsweise
Auslachen realisiert wird (vgl. Fiehler 2012: 169). Dies lässt darauf
schließen, dass die Männerspiele für die User*innen im Diskurs viel
bedeutsamer sind als die Spiele der Frauen, in denen Scheitern nahezu
gelassen hingenommen und viel weniger kommentiert wird. Nach kurzem Ausdruck von Enttäuschung oder Traurigkeit wird die Leistung
der Frauen relativiert und nur kurz von wenigen User*innen verspottet,
136
Winkler
bevor das weitere Geschehen ins Zentrum rückt. Im Gegensatz dazu
müssen die Männer seitenweise Tiraden über sich ergehen lassen, in
denen sie mit Beleidigungen und Beschimpfungen überhäuft werden.
Jedoch sind die Reaktionen auch in positivem Sinn in Bezug auf die
Männer sehr viel stärker (siehe Tabelle 5). Hier zeigen sich wiederholt
der Bedeutungsunterschied und der unterschiedliche Stellenwert des
Frauen- und Männerteams in der Community. Während gewissermaßen die Ehre der gesamten Nation von der Leistung des Männerteams abhängt, ist die Leistung des Frauenteams eine nette Nebensache,
mit der man sich in weiterer Folge wenig beschäftigt.
Die Emotionsausbrüche der User*innen, sowohl positiv als auch negativ, bilden die emotionale Involviertheit des jeweiligen Users oder der
jeweiligen Userin ab. Dieses emotionale Erleben, das Stereotypen zufolge eher Frauen betrifft, ist beim Fußball, wie bereits erwähnt wurde,
auch unter Männern durchaus üblich und akzeptiert. Durch die verwendeten Beschimpfungen wird zudem eine sprachliche Aggressivität
realisiert, die als stereotypisch für Männlichkeit anzusehen ist. So manifestieren sich einige Traditionen des Fußballdiskurses auch in positiven
wie negativen Prädikationen.
Die Emotionsäußerung stellt einen Indikator für eine Positionierung
nah am Geschehen dar. So werden unbändige Freude, Stolz und Liebe
auf der einen Seite genauso ausgedrückt wie Enttäuschung, Trauer, Resignation, Scham und Wut auf der anderen Seite des emotionalen Spektrums:
‒ Freude: »freut mich riesig, sensationell für die mädels!« (Post
3758)
‒ Stolz: »[…] Ich bin so Saustolz auf die Mädels !« (Post 4385)
‒ Liebe: »Wie sehr ich diese Großereignisse liebe« (Post 2211)
‒ Enttäuschung: »Geh leck is des bitter. Da wäre mehr möglich
gewesen. Die EM war für uns ein eine einzige Enttäuschung.
[…]« (Post 3486)
‒ Trauer: »traurig« (Post 3301)
‒ Resignation: »Ich bin bedient. Ich habe fertig. EM ist für mich
erledigt. Mich interessiert es nicht mehr.« (Post 881)
Gender in der Fankultur
137
‒ Scham: »Einfach nur zum schämen« (Post 2396)
‒ Wut: »Bitte geht’s einfach scheißen, was sind das für Profis,
haben in Der vorbereitung genau nichts gemachct bin
brennhaß« (Post 2409)
Alle diese Äußerungen geben kund, wie nah man dem Geschehen steht
und wie groß der emotionale Einfluss ist, den es auf die jeweiligen
Akteur*innen hat. Dem steht die Inszenierung von Distanz gegenüber,
bei der innere Ruhe und eine nüchterne, objektive Sichtweise betont
werden, die sich nicht von Emotionen beeinflussen lassen und alle Geschehnisse mit einem gewissen Abstand beurteilen. So kontrastieren im
Diskurs Äußerungen wie »Ich habe Angst und schwitze hier schon Blut«
(Post 417) mit Äußerungen wie »Bin ich froh dass mir das Team relativ
wurscht ist. […]« (Post 2300) oder »Habe irgendwas läuten gehört das
österreich mit seiner wödtruppe in da pimperlgruppe ausgeschieden
ist« (Post 3586). Wie bereits erwähnt, widerspricht hier das weibliche
Stereotyp der Emotionsäußerung dem im Fußball auch Männern erlaubten Zeigen von Emotionsregungen. Vielleicht auch als Begleiterscheinung der hohen Akzeptanz des Emotionsausdrucks für Männer im
Fußballdiskurs zeigt sich die eigentlich stereotyp weibliche Verhaltensweise des gemeinsamen Leidens im Gegensatz zum typisch männlichen
Suchen nach Lösungen, die zwar in der Forderung nach Auswechslungen ausgedrückt sein mag, aber nicht häufiger als der Ausdruck des
negativen Affekts zu finden sind. Damit lässt sich festhalten, dass es im
Diskurs über Fußball auf beiden Wegen möglich ist, die eigene Männlichkeit zu inszenieren, sei es nun durch betonte Ruhe, Lösungsvorschläge und Distanziertheit oder durch aktive Involviertheit in diesem
abseits des Spielfeldes diskursiv ausgetragenen Kampf um Ruhm und
männliche Ehre, wenn auch durch den Ausdruck von Emotion.
Wie im Vergleich der Beiträge zu Männer- und Frauenspielen beobachtbar wird, findet sich durchwegs eine geringere emotionale Involviertheit bei den Frauenspielen, was wohl wiederum auf deren Popularität und darauf zurückzuführen ist, dass ein großer Teil der
Diskursteilnehmer*innen im Allgemeinen weniger an Frauenfußball
interessiert ist als an Männerfußball. Wie jedoch bereits erwähnt, finden
138
Winkler
sich in den Beiträgen zu den Frauen mit Fortschreiten des Turniers weniger Distanzbekundungen, da ein Nahverhältnis etabliert wird. Damit
scheint laut den Beiträgen auch die emotionale Involvierung zuzunehmen, auch wenn sie immer noch geringer als bei den Männerspielen ist,
was die Beiträge zu deren Spielen erkennen lassen. Das fußballtypische
»Mitfiebern« findet sich allerdings in den Beiträgen zu beiden Europameisterschaften, wenngleich mit unterschiedlicher Ausprägung.
3.2.2 Verhältnis zur Norm
Im Fall der Prädikationen bei Spielerinnen kann auch eine Bezugnahme
auf Männer festgestellt werden, die entweder den gleichen Nachnamen
besitzen oder in einem Verwandtschaftsverhältnis zu der jeweiligen
Spielerin stehen. Dies zeigt sich in Beiträgen wie »Wie der Papa!« (Post
3975), »Spielt bei Bayern, ist die Cousine (glaub ich) vom Prödl und
sowas wie das weibliche Alaba-Pendant (nur in weiß)« (Post 3700), oder
»Prohaska mit einem Schuss wie Herbert heutzutage auch schießen
würde« (Post 4835). Derartige Bezugnahmen gibt es in den Postings zu
den Männerspielen nicht.
Spielerinnen werden wohl auch wegen ihrer mangelnden Bekanntheit vor der Europameisterschaft 2017 durch (vermeintliche) Verwandtschaft zu männlichen Akteuren des Sports charakterisiert. Dies
zeigt sich beispielsweise in dem Beitrag »feiersinger, prohaska,.. von den
namen kommt das schon mal recht vertraut rüber« (Post 3634). Die
große Bedeutung des In-Beziehung-Setzens der Spielerinnen mit
Männern über entsprechende Prädikationen spiegelt die Hierarchie und
Dominanz von Männlichkeit im Fußball wider. Es scheint beinahe so,
als könne eine weibliche Athletin sich nicht selbst einen Namen machen,
sondern müsse sie darauf hoffen, dass ein Mann mit gleichem Nachnamen in der Gesellschaft bereits bekannt ist und sie daran anknüpfen
kann, um anerkannt zu werden. An dieser patriarchalen Praxis zeigt
sich einmal mehr, dass Frauenfußball einen geringeren Stellenwert
besitzt als Männerfußball.
Gender in der Fankultur
139
3.2.3 Ironie
Bei der Verwendung von Ironie in Prädikationen zeigen sich ebenfalls
Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Ironische Prädikationen
drücken bei den Spielen der Frauen sexistische Anspielungen über das
einzige männliche Mitglied des ORF-Teams in der Berichterstattung
aus. Diese Prädikationen setzen die Spielerinnen mit männlichen Spielern in Beziehung, hinterfragen die Leistung der Frauen oder zeigen
den nachrangigen Stellenwert des Frauenfußballs in der Gesellschaft an.
Dagegen liegt der Hauptinhalt ironischer Prädikationen bei den Beiträgen zu Männerspielen darin, die Spieler selbst zu verspotten und
lächerlich zu machen. So werden männlichen Spielern beispielsweise
folgende Eigenschaften zugeschrieben: »Alaba grandioser Fehlpass. Da
fragst dich schon, was machen die den ganzen Tag? Außer die
Brokkolilockerln eindrehen und Snapchatten und beten? Ein Witz. […]«
(Post 802), »sensationelle flanke von baumgartlinger. selbst wenn den
jemand kriegt, was soll der da draußen mit dem ball anfangen.« (Post
883), »Ja aber im Ernstfall sind sie super. Wir sind ja eine Turniermannschaft. Testspiele sind wurscht.« (Post 931) oder »toll koller..wer
braucht schon wechsel« (Post 1717). So werden Kritik und Missfallen
an den Geschehnissen auf dem Feld ausgedrückt und gleichzeitig die
betroffenen Akteure diskreditiert, wodurch wiederum die eigene
Männlichkeit inszeniert, reproduziert und verstärkt dargestellt wird.
Auch die Inszenierung des eigenen Expertentums und das Sich-überden-Trainer-Stellen fungieren als Möglichkeiten zur Darstellung der
eigenen Männlichkeit und können als stereotyp männliche Verhaltensweisen angesehen werden (vgl. Leet-Pellegrini 1980: 97). Wie bereits
dargelegt wurde, erfüllen ähnliche Praktiken in Bezug auf die Akteurinnen keine derartigen Funktionen, weshalb sie auch im Hinblick auf
ironische Prädikationen nicht in vergleichbarer Weise auftreten.
Zusammenfassend lassen sich als Prädikationsstrategien also die
Bewertungen von Leistungen, Verhalten und Aussehen, die Positionierung innerhalb der Fanszene, die Auf- und Abwertung der Akteur*innen und der Spott feststellen. Als zentrale Motive von Prädikationen
140
Winkler
zeigen sich hier zum einen die starke Kritik bis hin zur Diskriminierung
der Spieler aufgrund ihrer sportlichen Leistung, ihres Verhaltens und
vor allem auch ihrer Freizeitaktivitäten. Auch im Fall von Ironie werden
die Männer des Sports viel häufiger zum Opfer oder Gegenstand einer
ironischen Bemerkung als Akteurinnen. Laut Meuser (2017: 183) lässt
sich festhalten, dass in der Praxis des Verspottens und Verschmähens
anderer Männer für Männer eine Möglichkeit und ein Weg liegen, um
ihre eigene Männlichkeit deutlich zu machen und innerhalb des
Fußballkontexts hervorzuheben. Die sportlichen Fähigkeiten anderer
Männer anzuzweifeln, ihre Männlichkeit durch den Vergleich von
Männern mit einem Kind in Frage zu stellen oder Männer gar als Frau
zu bezeichnen, was in der diskursinternen Auffassung als klare
Degradierung angesehen wird, soll die eigene Männlichkeit stärken.
Auch das ironische Betonen der Männlichkeit eines anderen Akteurs
scheint zur Inszenierung von Männlichkeit verwendet zu werden, was
folgendes Beispiel zeigt: »[…] Mit Hinteregger würde ich mich nicht
anlegen. Der weiß wie man Lebewesen umbringt« (Post 436). Frauen zu
verspotten, erfüllt die Funktion einer derartigen Inszenierung von
Männlichkeit nicht, weshalb eine vergleichbare Auseinandersetzung
mit den Frauenspielen im Diskurs keine identitätsstiftende Wirkung für
Männer darstellt und daher auch kaum zu finden ist. Anders verhält es
sich jedoch mit der Bewertung des Aussehens und dem Bekunden eines
heterosexuellen Interesses an den Spielerinnen. Diese Praxis stellt einen
weiteren zentralen Aspekt von Männlichkeitskonstruktion im
untersuchten Textkorpus dar, weshalb die Forumsbeiträge zu den
Frauenspielen wohl auch nicht ohne Andeutungen in diese Richtung
auskommen. Bei den Männerspielen wird männlichen Spielern die
Männlichkeit abgesprochen und werden Fußballer in die passive Rolle
gedrängt, die als weiblich gilt (vgl. Bourdieu 2020: 41), wodurch eine
Abwertung der Akteure vollzogen wird. Des Weiteren wird eine
metaphorische Prädikation von Gewalt (»Bitte vernichtet sie jetzt«, Post
3098) vorgenommen, die zum einen der Darstellung der eigenen
Männlichkeit dient, zum anderen wird über die Prädikationen auch
(toxische) Männlichkeit der Spieler inszeniert (»UND JEZ
Gender in der Fankultur
141
ZERFICKEN!!!!!!!!«, Post 3080), was im Gegensatz zum Absprechen des
männlichen Status in anderen Beiträgen (z.B. »Mein Gott Arnautovic,
wie ein Mädchen benimmt der sich.«, Post 266) steht. Lediglich die
Darstellung als nicht-männlich bei den Spielerinnen manifestiert sich
nahezu als Konstante. Es bleibt damit festzuhalten, dass Diskriminierung im Fußballdiskurs nicht nur Frauen, sondern auch Männer betrifft. Sie tritt in Form von Sexismus, Objektifizierung, Infantilisierung
und Bashing auf. Jede Diskriminierung, die in dem hier untersuchten
Korpus zu finden war, stellt eine indirekte Diskriminierung dar, weil die
Betroffenen nicht anwesend sind. Der nächste Abschnitt befasst sich
eingehender mit Diskriminierungsphänomenen im vorliegenden Korpus.
3.3 Diskriminierung
Wie bereits erwähnt, sind es die User*innen in den Foren, welche verbale Diskriminierungen begehen, während es sich bei den Opfern oder
Begünstigten weitgehend um Personen handelt, die im Forum nicht anwesend sind, also um Spieler*innen, Trainer oder andere Personen, die
im Fernsehen zu sehen sind. Es wird in dem untersuchten Korpus
hauptsächlich aufgrund der erbrachten Leistung diskriminiert und eine
gute Leistung als Normerwartung vorausgesetzt. Akteur*innen, die
dieser Norm nicht entsprechen, werden aufgrund eines mitunter subjektiven Eindrucks benachteiligt, was sich im Besonderen in Nominationen und Prädikationen zeigt, beispielsweise in Posting 400 (»[…] Gott
sei dank muss ich Arnautovic nicht jede Woche sehen so ein arroganter
Haberer... Harnik komplett wertlos... Der Rest sehr bemüht leider noch
etwas ungenau....«) und in Posting 635 (»Bist deppert, der Schiri ist echt
behindert«). So werden vor allem Männer negativ diskriminiert, während Frauen begünstigt werden. Diese Begünstigung wird unter anderem auch in Vergleichen mit Männern realisiert. Der Faktor des
(sozialen) Geschlechts spielt auf den ersten Blick eine geringere Rolle als
die Leistung, da keine Akteure oder Akteurinnen explizit lediglich
aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert werden. Die deutliche nega-
142
Winkler
tive Zuschreibung von Unvermögen oder Ungenügen, die in der Zuschreibung von Weiblichkeit an Männer besteht, stellt jedoch eine klare
Diskriminierung von Frauen im Kontext einer expliziten Diskriminierung männlicher Individuen dar, deren Leistung als ungenügend angesehen wird. Zudem liegt bei der fortwährenden Hervorhebung der
Weiblichkeit der Spielerinnen insofern eine Diskriminierung vor, als
das Geschlecht der Akteurinnen als relevanter Aspekt für die Bewertung
ihrer Leistung einbezogen wird. Auch das Messen an der männlichen
Norm stellt eine Diskriminierung der weiblichen Sportlerinnen dar.
Diese Diskriminierung zeigt sich bei Männern viel häufiger in aktiver und expliziter Form, was als Teil des traditionellen Männer-Bashings gesehen werden kann. Bei Frauen findet die Diskriminierung vielfach passiv und implizit statt, indem die Norm- und Wertvorstellungen
der User*innen im Diskurs reproduziert werden und damit deutlich gemacht wird, wo eine Sportlerin in der angenommenen Geschlechterhierarchie steht. Den User*innen soll jedoch im Hinblick auf die
Diskriminierung der Frauen keine Absicht unterstellt werden, zumal
Frauenfußball für sie vielfach ein neues Terrain ist, was sich unter
anderem im expliziten Aufzeigen des weiblichen Geschlechts der Spielerinnen manifestiert. Im Fall der Männer findet jedoch sehr wohl absichtlich Diskriminierung statt, eben als Teil der Diskurstradition des
Männer-Bashings. Die Tabellen 10 und 11 zeigen die unterschiedlichen
Diskriminierungsphänomene im Korpus. Obwohl die negative Diskriminierung von Männern größere Ausmaße annimmt, tritt sie in weniger vielfältiger Form auf als bei den Frauen, die zudem auch in abgeschwächter Form und, wie bereits erwähnt, eher implizit und passiv diskriminiert werden.
Gender in der Fankultur
143
Tab. 9: Diskriminierung von Frauen
Frauenbezogene
Diskriminierungsphänomene
Infantilisierung
Verspottung
Bezug auf Männer mit gleichem Nachnamen
Genderstereotype
Vergleich mit der männlichen Norm
Beispiel
Post 3674
Post 4909
Post 3975
Post 4840
Posts 4753,
4757, 4761
So werden Frauen, beispielsweise in Post 3674, als »Mädels« bezeichnet.
Durch diese Infantilisierung des weiblichen Geschlechts wird von den
männlichen Usern im Forum diskriminierend kindliche Unterlegenheit
der Spielerinnen versprachlicht. In Beiträgen wie »Also ›Laufen‹ würde
ich das Fortbewegen von Prohaska auch nicht nennen« (Post 4909) werden die weiblichen Athletinnen ähnlich wie die Männer verspottet, es
gibt hier also keine deutlichen Unterschiede zwischen Frauen und
Männern. Eine weitere Form der Diskriminierung besteht in der Bezugnahme auf Männer mit gleichem Nachnamen, die nur mit Bezug auf
Frauen vorkommt, wie in »Wie der Papa!« (Post 3975). Auch Genderstereotype werden nur in Bezug auf Frauen realisiert und diskriminierend verwendet, wie etwa in dem Beitrag »Das zurückschnauzen von
Puntigam war gerade so richtig Frau. Alles okay? JA!!« (Post 4840). Der
Hauptanteil an diskriminierenden Äußerungen in Bezug auf Frauen
besteht jedoch im Vergleich mit der männlichen Norm, wie in Post 4753
und den Antworten darauf:
»Frauenfussball ist voller Überraschungen, viele Aktionen die im
Männerfussball absolut keine Gefahr wären, sind die Frauenfussball
total chaotisch. Alle hohen Schüsse aufs Tor etc.« (Post 4753)
»ist doch im richtigen Leben nicht anders« (Post 4757)
»Ja eh, Gurkengläser oder der Straßenverkehr« (Post 4761)
144
Winkler
Diese Beispiele illustrieren Bereiche der Alltagswelt, wo den User*innen
zufolge eine Unterlegenheit von Frauen bestehe, und stellen Bezüge
zum Fußball her, um auch hier eine angebliche weibliche Unterlegenheit zu unterstreichen und die betreffenden Akteurinnen zu diskriminieren.
Tab. 10: Diskriminierung von Männern
Männerbezogene
Diskriminierungsphänomene
Infantilisierung
Beschimpfung
Verspottung
Vergleich mit Frauen
Vergleich mit der männlichen Norm
Beispiel
Post 755
Post 3424
Post 3277 und 3285
Post 266
Posts 4753, 4757, 4761
Wie die Frauen werden auch Männer durch Infantilisierung diskriminiert, was sich beispielsweise in Post 755 zeigt: »Gebrochen sind’s, die
Burschen […]«. Im Gegensatz zu den Frauen werden Männer nicht nur
diskriminierend verspottet, wie in »Hinteregger mit sein Hoizschädl
putzt sich ab« (Post 3277) und der Antwort darauf: »wo nix drinnen is,
kann nix weh tun« (Post 3285), sondern auch beleidigt und beschimpft.
Derartige Beschimpfungen, wie zum Beispiel »Es ist immer das gleiche
mit unsere hurenkicker« (Post 3424) diskriminieren die bezeichneten
Männer durch die mit den Beschimpfungen verbundenen negativen
Konnotationen und reproduzieren erniedrigende Wertungen den Personen gegenüber. Ähnlich diskriminierend wirkt jedoch auch der Vergleich mit weiblichen Personen, wie in Beispiel »Mein Gott Arnautovic,
wie ein Mädchen benimmt der sich« (Post 266). Hier werden dem
Spieler seine Männlichkeit und sein Erwachsensein aberkannt, was in
der von Männlichkeit dominierten Fußballdomäne stark diskriminierend wirkt.
Gender in der Fankultur
145
Ebenso lässt sich an derartigen Beispielen die frauendiskriminierende
Hierarchie im Fußballkontext ablesen, also die Unterordnung des weiblichen Geschlechts und des Frauenfußballs unter das männliche Geschlecht und den Männerfußball. Wie bereits dargelegt, wird diese
Hierarchie vor allem in Vergleichen der Frauen mit Männern ausgedrückt und inszeniert, da weibliche Personen und ihre Leistungen im
Fußball ständig an der männlichen Norm gemessen werden, während
man Männer nur mit Frauen vergleicht, um sie zu diskriminieren. Die
Diskriminierung der Spielerinnen, die durch diese Hierarchisierung
und die damit verbundene Ungleichbehandlung begangen wird, ist
jedoch nicht nur durch Vergleiche der Frauen mit der männlichen
Norm realisiert, sondern auch durch Prozesse der Infantilisierung und
Diminuierung sowie durch die abwertende Feminisierung von
Männern (siehe auch Tabelle 12). Darüber hinaus zeigt sich die Hierarchie zwischen Männer- und Frauenfußball am stärksten in der Verteilung der Beiträge, da in den Foren zu den Spielen der Männer beinahe
16 mal mehr Beiträge gepostet wurden als zu den Spielen der Frauen.
146
Winkler
Tab. 11: Ausdrucksformen zur Markierung des hierarchischen Verhältnisses von Männer- und Frauenfußball
Hierarchiemarkierung Beispiel
Beitrag
Vergleich des
Frauenteams mit dem
Männerteam als Norm
Post 3746
Infantilisierung
Diminuierung
Abwertende Feminisierung der Männer
»Die spielen ja noch schlimmer
als die Männer wenns um
Ergebnis halten geht«
»Super gemacht von unseren
Mädels heute […]«
»Hoffentlich nicht so schlimm
jetzt bei der Mani.«
»Mein Gott Arnautovic, wie ein
Mädchen benimmt der sich.«
Post 3781
Post 4944
Post 266
Im hier untersuchten Korpus werden die diskriminierenden Äußerungen vor allem in assertiven und expressiven Sprechakten transportiert, aber auch in direktiven Sprechakten, beispielsweise mit der Forderung nach Auswechslung.
3.4 Zusammenfassung
Männlichkeit wird in der Fußballfanszene als zentrales Motiv inszeniert, sie ist unabdinglich für die am Diskurs teilhabenden Männer und
wird von ihnen, wann immer dies möglich ist, verbal zur Schau gestellt
und auf verschiedene Arten vergrößert und erweitert. Wie Meuser
(2017: 183) bereits festgestellt hat, sind vor allem das Verspotten und die
Abwertung anderer männlicher Individuen identitätsstiftend für das
männliche Gender. Dazu kommen stereotype Verhaltensweisen und
Charakteristika von Männern. Zu ihnen zählen die Verwendung von
Spott und Ironie, die im Diskurs in Form eines nahezu liebevollen
Frotzelns anderer Diskursteilnehmer und möglicherweise Diskursteilnehmerinnen, aber auch der Akteure und Akteurinnen im Sport und in
den Spielen vorkommt. Mitunter kommt es aber auch zu boshaften
Gender in der Fankultur
147
Beleidigungen, bei denen anderen Männern der Status als Mann abzusprechen versucht wird. Es gibt keine vergleichbaren Praktiken gegenüber den Spielerinnen.
Im Gegensatz zu der Erwartung, dass Frauen in der männlich dominierten Welt des Fußballs stark diskriminiert werden, zeigt sich, dass
in Wahrheit, vor allem bei nicht zufriedenstellender Leistung, Männer
viel stärker explizit angegriffen werden. Die Tradition des »MännerBashings« im Fußballdiskurs stellt hierbei eine Diskriminierungsstrategie dar, die sich ausnahmslos gegen Männer richtet und nicht gegenüber
Frauen beobachtbar ist. Abgesehen von den dabei realisierten, umfangreichen Beschimpfungen werden jedoch auch und im Besonderen Frauen sprachlich diskriminiert: Neben den ungleichmäßig verteilten
Nominationsstrategien und der Bezugnahme auf bekannte Akteure mit
gleichem Namen manifestiert sich das Messen an der männlichen Norm
als Faktor der Diskriminierung, der impliziert, dass eine weibliche
Norm im Fußball nicht existiert. Frauen scheinen vordergründig als
Objekt der Begierde interessant, sozusagen als Augenschmaus für
männliche Zuseher, die ihre Heterosexualität betonen wollen, im
Gegensatz zu den männlichen Fußballern, deren Äußeres, sofern es
erwähnt wird, nur zum Spott beiträgt.
Eine Objektifizierung von männlichen Sportlern durch männliche
Individuen allen Alters gilt zudem in der Gesellschaft als weitaus akzeptierter als eine gegengeschlechtliche Objektifizierung, wobei weibliche
Individuen wohl schneller belächelt und nicht ernstgenommen werden,
wenn sie Männer zum Objekt ihres Fandaseins machen und dieses
Dasein ausleben, was sich in dem Terminus »Fangirling« (Chandler &
Munday 2016; Frenchie 2004) widerspiegelt. Obwohl auch erwachsene
Männer in den Postings zu den Männerspielen Äußerungen tätigen, die
deutlich in den Bereich des Fangirling fallen würden, büßen sie dadurch
keine Männlichkeit ein, da das Mitfiebern, das Mitleben mit den
Spielern, mit dem Sport und den anderen Zusehern und Zuseherinnen
auch für Männer im Fußball anerkannt ist und als typisch gilt (vgl. Meier
2019). Es stellt sich also die Frage, ob derartige Verhaltensweisen
akzeptiert werden würden, wenn sie von Frauen im Diskurs vollzogen
148
Winkler
würden. Das konnte in der gegenwärtigen Untersuchung nicht geprüft
werden, da die beiden einzigen am Diskurs teilnehmenden Personen,
die sich als Frauen zu erkennen gaben, keine Äußerungen tätigten, die
hier einzuordnen wären. Dies lässt auf die männliche Dominanz und die
geringe Akzeptanz von Frauen in der Fangemeinschaft und Fanszene
schließen, auch wenn die beiden Frauen keineswegs feindselig oder als
unerwünscht behandelt wurden.
Im Fußball scheint es also besonders wichtig zu sein, nicht nur
männlich, sondern ein Mann zu sein. Während die Frauen in ihrer
ohnehin benachteiligten Position keinerlei Status oder Ansehen im
Diskurs einbüßen, wenn sie infantilisiert werden, stellt eine derartige
Praxis für männliche Individuen, ebenso wie der Vergleich mit Frauen,
eine Degradierung dar. Es stellt sich also die Frage, ob für Männer im
Fußball die größere Degradierung in der Infantilisierung oder in der
Feminisierung liegt. Während eine Bezeichnung als »Schülermannschaft« den Spielern lediglich ihre spielerische Erfahrung und einen Teil
ihres technischen Könnens abspricht, ihnen jedoch gleichzeitig
Perspektiven auf eine bessere Zukunft gibt, wirkt das Zur-FrauMachen im Diskurs eher als ein vollständiges Ins-Lächerliche-Ziehen,
indem gewissermaßen auch impliziert wird, dass der Spieler keinen
Platz im Fußball hat. Dabei spielt es vermutlich keine Rolle, ob ein
männliches Individuum nur feminisiert oder feminisiert und infantilisiert wird, da eine Infantilisierung für Frauen im Fußballdiskurs
keine weiteren Konsequenzen nach sich zu ziehen scheint. Insofern
stellt sich die Hierarchie im Fußball folgendermaßen dar: Männer >
Buben > Frauen und Mädchen. Es ist anzunehmen, dass eine Feminisierung für die männlichen Individuen kränkender wirkt als eine bloße
Infantilisierung.
Abschließend lässt sich festhalten, dass sich Fußball im analysierten
Korpus auch in den Jahren 2016 und 2017 in Österreich als Männerdomäne präsentiert und große Erfolge des österreichischen Frauenteams dieser Sicht kaum entgegenwirken konnten. Erfolg im Frauenfußball garantiert Frauen also keine Akzeptanz im Allgemeinen (männlich bestimmten) Fußballkontext, während die alleinige Präsenz von
Gender in der Fankultur
149
Männern im Männerfußball schon ausreicht, um in der Welt des Fußballs akzeptiert zu werden. Frauen müssen ständig mit Männern verglichen werden, und obwohl die Spielerinnen in diesen Vergleichen
gegenüber den Spielern vorteilhaft abschneiden, handelt es sich bei den
Akteurinnen immer noch um Frauen, die belächelt werden. Spielern
gegenüber werden zahlreiche, äußerst starke Emotionen geäußert,
sowohl positiv als auch negativ. Das passiert Frauen gegenüber nur in
abgeschwächter Form. Möglicherweise ist also die Akzeptanz des
männlichen Emotionsausdrucks gegenüber Männerfußball in der
Gesellschaft weiter verbreitet als im Fall des Frauenfußballs.
Andererseits lässt sich diese Diskrepanz darauf zurückführen, dass
Männerfußball einen mit dem Frauenfußball nicht vergleichbaren
Stellenwert im Leben der Diskursteilnehmer*innen hat. Dies zeigt sich
auch darin, dass Fußball in der männlichen Fan-Community sogar auf
Vereinsebene um Vieles höher in der Hierarchie steht als der
internationale Frauenfußball. Das macht ein User deutlich, ohne auf
eine sexistische Formulierung zu verzichten: »Club before hoes oder
so...« (Post 4618).
4. Schluss
In der Fallstudie wurde herausgearbeitet, dass Spielerinnen im
allgemeinen Fußballdiskurs eine geringere Akzeptanz zukommt und
dass sie durch Infantilisierung, Verspottung, Stereotypisierung und
Vergleiche mit Männern diskriminiert werden. Diese Phänomene treten allerdings auch in Bezug auf männliche Akteure zutage: Männer
werden mitunter sogar deutlich stärker angefeindet und beleidigt.
Gleichwohl zeigt sich sogar noch an den strategischen Herabwürdigungen von Männern, dass Frauen in der Hierarchie des Fußballdiskurses weit unter Männern und infantilisierten Männern stehen,
wobei die diskursive Infantilisierung eine Frau nicht noch tiefer herabsetzen kann, als sie im Feld des Fußballs durch ihren Status als weibliches Individuum bereits herabgesetzt ist. Zudem zeigt sich, dass
Männerfußball auch im Leben von generell am Frauenfußball interes-
150
Winkler
sierten Fans eine weitaus größere Bedeutung hat als Frauenfußball. Für
Männerfußball riskieren Fans mitunter ihre Gesundheit. Sie ordnen
ihm zuweilen enorm viel in ihrem Leben unter, während Frauenfußball
eher eine nette Abendbeschäftigung darstellt, wenn sich Männerfußball
gerade nicht anbietet.
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