Wenn man die vielen Ausdrucksformen des Selbstverständnisses berücksichtigt, die das zeitgenössische philosophische Denken auf verschiedene Weise und in weitläufigen Bereichen zeigt, scheint es nicht unangebracht, die zentrale Rolle, die...
moreWenn man die vielen Ausdrucksformen des Selbstverständnisses berücksichtigt, die das zeitgenössische philosophische Denken auf verschiedene Weise und in weitläufigen Bereichen zeigt, scheint es nicht unangebracht, die zentrale Rolle, die das Thema der Andersheit in der aktuellen Debatte spielt, zu unterstreichen. Und bei dieser Bedeutung ist es ebenso offensichtlich, welche die kritische Absicht und das polemische Hauptziel der heutigen Diskussionen über die Andersheit sind (ich beziehe mich dabei, zum Beispiel, auf Ricoeur und Levinas, aber in gewisser Hinsicht auch auf Foucault, Deleuze und Adorno). Die Figur Hegels wird von diesen Autoren programmatisch zur Veranschaulichung jenes philosophischen Standpunktes angenommen, der sich auf vollständigste Weise als totaler „Übergriff“ des Selbst auf das Andere bildet und denkt, d.h., mit den Worten von Levinas ausgedrückt, als „Tätigkeit des Denkens, das die Oberhand über jede Andersheit behält“.
Von diesem Gesichtspunkt aus wird eine kritische Untersuchung des „Anderen“ im Hegelschen Denken von einem Interesse herausgefordert, das alles andere als müßig oder „veraltet“ oder rein philologischer Natur ist. Sie ist, ganz im Gegenteil, eine starke Frage nicht nur nach der typischen Hegelschen Art, die Andersheit zu denken, sondern zugleich auch nach der „Konsistenz“ selbst des zeitgenössischen Verständnisses des „Anderen“, da das Hegelsche Denken wie eine Gedankenbewegung erscheint, die dazu zwingt, die Plausibilität und den Sinn selbst jeglicher Kategorisierung der Andersheit in Bezug auf Ungreifbarkeit, Unsagbarkeit und Transzendenz abzuwägen.
Das Werk von A. Bellan reiht sich in diese hermeneutische Ordnung ein und füllt so – mit Ausnahme einiger weniger schon existierender Abhandlungen über dieses Thema – eine einzigartige Lücke über diesen problematischen Kernpunkt in den Hegelstudien.
[...] Der erste Teil ist dem Verhältnis zwischen Logik und Andersheit gewidmet. Zur Debatte stehen, auf der einen Seite, die Möglichkeit der Logik, eine „Darstellung“ der Andersheit zu liefern, und, auf der anderen Seite, die Rolle der letzteren in der selbstdarstellenden Bewegung der Logik selbst. [...]
Der zweite Teil erforscht das Problem dessen, was die „Semantik“ der Andersheit genannt werden könnte, d.h. die Arten und die Ausführbarkeit einer Diskussion des Anderen. Gegenstand der Untersuchung des vorliegenden Essays ist, wie ausdrücklich von Bellan in der Einleitung erklärt, die Thematisierung der „Sagbarkeit“ der Andersheit, ausgehend von der logischen Dimension in Hegel und nur innerhalb ihrer wesentlichen Koordinaten. Es wird also nicht absichtlich das Problem, beispielsweise, des Anderen in der Naturphilosophie gestellt, die selbstverständlich eine enge Bindung zur Logik unterhält. Diesem Zweck gemäß werden die drei wesentlichen „metakategorischen“ Dimensionen der Logik bestimmt und untersucht, die die innere Bewegung der entsprechenden Lehren leiten, d.h. die Transitivität, die Reflexivität und die Entwicklung.
Im dritten Abschnitt wird ein Themenbereich entworfen, der, unter Rücksichtnahme auf den aktuellsten Stand der Hegel-Forschung und von der inneren Verbindung zwischen Logik und Andersheit ausgehend, nach Möglichkeitsbedingungen für eine „logische“ Anerkennungsform sucht, die so die Hegelsche Logik selbst zu einer „spekulativen Theorie der Freiheit“ macht. Unter diesem Gesichtspunkt wird die Bedeutung gezeigt, die das „logische“ Problem der Andersheit in Bezug auf die ethisch-sozialen Entwicklungen der spekulativen Dialektik einnimmt.
Das wesentliche Problem [...] kann man in der Frage zusammenfassen, um welche Andersheit es in der Hegelschen Logik geht, und, vor allem, welches Verhältnis zwischen der Andersheit und dem sie denkenden logisch-spekulativen Wissen besteht. Mit anderen Worten besteht das Problem aus dem Resultat, zu dem der spekulative Gedanke des Anderen führt: ob also die Andersheit dazu bestimmt ist, im Begriff aufgelöst zu werden – d.h. ob sie im logischen Ablauf nur aufgrund einer Notwendigkeit aufgenommen wird, die dem Selbstentfaltungsprozeß des absoluten Subjektes eigen ist, das wiederum strategisch für seine Selbstbestimmung eine konstante Bindung zur Andersheit unterhält (deren einziger Zweck im Ausdruck der Struktur selbst liegt, aus der die absolute Idee besteht) –, oder ob, im Gegenteil, die Andersheit am Ende des logischen Prozesses in ihrer Unterschiedlichkeit erhalten wird: in anderen Worten, ob man interpretativ die noch radikalere Meinung vertreten kann, daß die Andersheit sich nur innerhalb und dank der Logik authentisch geben kann.
Bei dem Versuch, auf diese Frage zu antworten, führt der Autor nacheinander eine Reihe einleitender [...] Fragen ein und zeichnet gleichzeitig ein historisch-kritisches Bild der diskutierten Problematik. Er verweilt zu allererst bei der Vielfältigkeit der Bedeutungen und der Verwendungen des Wortes „Andere“ in der Wissenschaft der Logik. Er zeigt die fruchtbare und unbeugsame Mehrdeutigkeit des Begriffs des „Anderen“ auf, der seine radikale Unumgehbarkeit und zentrale Stellung im Inneren der Logik selbst demonstriert, indem er hinter einer Reihe Begriffsbestimmungen auftaucht, in denen sich die Logik entfaltet. Die Logik wird wie der Bereich betrachtet, in dem alle Formen und Arten, in denen es möglich ist, die Andersheit zu denken, eine vollständige und systematische Form finden: im Übergang des Seins, in der Reflexion des Wesens und in der (Selbst)Entwicklung des Begriffs wird im Wesentlichen, je nach erreichter Vermittlungsart, das Verhältnis zwischen dem Selbst und dem Anderen gedacht, d.h. die verschiedenen Ausdrucksformen vom spekulativen „Verständnis“ des Anderen, nicht als Anderes eines Anderen, sondern als Anderes seiner selbst.
Ebenfalls in der Einleitung überdenkt und diskutiert der Autor kurz in einem angebrachten Exkursus die interessantesten Standpunkte in der kritischen Debatte über die Wissenschaft der Logik und, im Allgemeinen, in Bezug auf die Rolle und die Bedeutung der Dialektik im Hegelschen Denken. In einer weitläufigen und aktuellen Analyse der Sekundärliteratur und mit einem immer wachsamen kritischen Auge behandelt Bellan die „klassischen“ Kritiken an Hegel und die neuesten Standpunkte der Interpreten der Hegelschen Logik, in dem Versuch, gleichzeitig die theoretischen Voraussetzungen jener Standpunkte und die Bedeutsamkeit des Themas der Andersheit aufzuzeigen, und sie dabei kritisch zu diskutieren und die Verbindung zwischen Andersheit und Anerkennungstheorie zu umreißen. Auf diese Weise überdenkt er, wenn auch nur in kurzen Andeutungen, die Betrachtungen Adornos über die Dialektik, die Standpunkte von Interpreten wie Theunissen und Schnädelbach, den hermeneutischen Vorschlag von Apel und Habermas, bis hin zur Interpretation der Logik als „écriture de l'autre“ von Seiten G. Jarczyks.
Der Hauptteil des Bandes, quantitativ am umfangreichsten und theoretisch am reichhaltigsten, nimmt direkt die Knotenpunkte der internen Architektur der Logik in Angriff und zeigt anhand genauer und passender Bezüge auf den Hegelschen Text – worüber hier nur rasch und kursorisch Rechenschaft abgelegt werden kann – das Vorhandensein des unausweichlichen begrifflichen Problems, das auf jeder Höhe des logischen Ablaufs mit der Andersheit verbunden ist. Zwei Aspekte sind besonders interessant: die Diskussion der Verbindung zwischen Andersheit und Negativität der Grenze, bei der sich der Autor auf die Jenaer Ausarbeitung der Dialektik der Grenze bezieht, und der große Teil, der der Bewegung im Inneren der reflexiven Negativität des Wesens und, allgemeiner, der Vielfalt an Konnotationen des Begriffs selbst der Reflexion gewidmet ist [...].
Es lohnt sich, noch auf einen anderen der vielen interessanten Punkte hinzuweisen. Die Thematisierung der „Unruhe“ des Anderen, d.h. dessen unüberwindliche Bestimmtheit, ermöglicht es, selbst den Hegelschen Begriff des Absoluten in neuem Licht zu betrachten und die so viel diskutierte Frage der Subjektivität neu zu überdenken. Die Einbeziehung des Anderen, d.h. der Grenze, der Verschiedenheit, der Bestimmtheit, ins Innere der Logik selbst macht es unmöglich, die absolute Idee weiterhin als abstrakte Identität, als intellektualistische Sichselbstgleichheit, zu denken. Die „Präsenz“ des Anderen im Inneren der Logik hervorzuheben entspricht der Annahme einer dezentralisierenden Perspektive, die dazu zwingt, das Andere wie eine nicht zu entfernende Bedingung zu denken, damit das Absolute wirklich das sein kann, d.h. ungebunden und frei von jeglicher Form von Anhängigkeit. Nur ein komplett negativer Prozeß, in dem die Andersheit einer unumgehbaren und nicht zerstreuenden Negativität entspricht, garantiert das Erreichen der Selbstdurchsichtigkeit des absoluten Wissens, das schließlich nichts anderes als Selbstbewußtsein der Bewegung ist.
Gleichzeitig wird die Andersheit nur im Inneren der Logik vor den verschiedenen Formen der Verdinglichung geschützt, die vor oder außerhalb der Logik handeln. Diese "schlechten" Verständnisformen können die Andersheit nur als Gegebenheit, Vorhandensein oder Darstellung denken. Anhand der Akzentuierung dieses Knotenpunktes zeigt Bellan die Verbindung zwischen Andersheit und Logik und, nachfolgend, die im Wesentlichen praktische Dimension des Logischen. Von hier ausgehend baut der Autor das Thema der Logik der Anerkennung und der Andersheit als Intersubjektivität auf. Die theoretische Voraussetzung für diese thematische Entwicklung liegt vor allem in der Idee, daß das Spekulative eine polyzentrische Dimension öffnet, die dank einer „logischen Umstrukturierung des Anders-sein“ die Rolle des Anderen in der sozialen Interaktion ausdrückt."