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AXEL RÜTH (Köln) Narrativität in der wissenschaftlichen Geschichtsschreibung 1. Eine Problematik zwischen den Disziplinen Der Anteil des Erzählens an der wissenschaftlichen Erkenntnis von Geschichte und am wissenschaftlichen Schreiben über Geschichte wird in verschiedenen Disziplinen auf unterschiedliche Weise eingeschätzt. Stammten die frühesten Beiträge zunächst aus dem Bereich der Philosophie, so folgten bald darauf die ersten literaturwissenschaftlichen und schließlich geschichtswissenschaftlichen Beiträge.1 Dass das Verhältnis von Geschichte und Erzählung so heftig debattiert wird, erklärt sich durch den Anspruch einer grundsätzlichen Revision der historischen Erkenntnis, der mit dem Begriff der Erzählung einhergeht. Dessen polemisches Potential trat vollends mit dem Erscheinen von Hayden Whites Metahistory im Jahre 1973 zutage.2 Die Behauptung, historiographische Texte seien narrative Konstrukte, die keinen größeren Anspruch auf Wahrheit hätten als fiktional-literarische Erzählungen, rückte fiktionale Literatur und Geschichte in extreme Nähe zueinander und provozierte einigen Widerstand in der Geschichtswissenschaft.3 Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie (oder Kalküls), dass die radikalen relativistischen Thesen Hayden Whites und anderer gerade zu einer Zeit aufkamen, als sich die Geschichtswissenschaft durch die Entwicklung neuer Forschungsparadigmen so weit wie nie zuvor vom Begriff der Literarizität entfernt zu haben glaubte.4 Die Abneigung gegen das Erzählen unter Historikern ging damals so weit, dass sich beispielsweise der französische Historiker Emmanuel Le Roy Ladurie zu der Behauptung verstieg, _____________ 1 2 3 4 Gallie 1964, Danto 1965, Mink 1965, Barthes 1967, Veyne 1990, Koselleck & Stempel 1973, Kocka & Nipperdey 1979, Koselleck, Lutz & Rüsen 1982, Quandt & Süssmuth 1982. Überblicksdarstellungen finden sich vielerorts, unter den neueren Publikationen siehe die einführenden Kapitel bei Jaeger 2009, Müller 2008, Kittstein 2006, Rüth 2005, Süßmann 2000, Scholz Williams 1989, aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive Daniel 2001, 430-443. White 1991. Zum Verhältnis von linguistic turn und Geschichtswissenschaft: Hanisch 1996. Iggers 1996, Daniel 2001. 22 Axel Rüth der Historiker von morgen werde „Programmierer sein oder nicht mehr sein“.5 Die Geschichtswissenschaft produzierte immer weniger politische narrative Ereignisgeschichte und brachte stattdessen, v. a. unter dem Einfluss der Soziologie, vermehrt Strukturgeschichten, Mentalitätsgeschichten und Wirtschaftsgeschichten hervor. Zu diesem Zeitpunkt galten die literarischen Ursprünge der eigenen Disziplin für die meisten Historiker als überwunden: Sie produzierten keine Erzählungen, sondern Wissen nach wissenschaftlichen Standards. Das Schreiben der Geschichte ist nach dieser auch heute noch unter Historiker weit verbreiteten Auffassung allein eine Frage des Stils und daher von sekundärer Bedeutung.6 Wissenschaftsgeschichtlich handelt es sich also um einen extrem konfliktfreudigen Zufall. Für die Geschichtswissenschaft bestand kein Anlass, auf Konfrontationskurs zu gehen, steht für sie Sprachlichkeit doch nicht im Zentrum ihrer methodischen Selbstreflexion. Die vom linguistic turn ergriffenen Philologien aber wurden zunehmend von der Überzeugung getragen, ein kritischer Begleitdiskurs für alle sprachlich verfassten Wissenschaften zu sein, auch und vor allem für die wahren Erzählungen der Geschichtswissenschaft.7 Dabei ist die literaturwissenschaftliche Beschäftigung mit historiographischen Texten in mehrfacher Hinsicht sinnvoll. Abgesehen davon, dass historiographische Texte einen klassischen Gegenstand der Literaturwissenschaft darstellen, lassen sich etwa die Kategorien der literarischen Erzähltheorie an nicht-fiktionalen Textsorten erproben und der Austausch zwischen fiktionalen und nicht-fiktionalen Diskursen über Geschichte erforschen. Aber auch für die Geschichtswissenschaft gibt es einen unbestreitbaren Nutzen: So verständlich es ist, dass aus ihrer Perspektive Forschung und Methode im Vordergrund stehen müssen, so evident ist auch die Tatsache, dass die textuelle Gestalt, in der Historiker ihre Ergebnisse vermitteln, eine implizite Geschichtstheorie enthält. Der französische Historiker Roger Chartier geht davon aus, dass „die Wahlen, die zwischen den verschiedenen möglichen Weisen, Geschichte zu schreiben – welche samt und sonders narrativer Art sind – getroffen werden, zu verschiedenen Erkenntnisweisen von verschieden gedachten historischen Realitäten“ führen.8 Konzepte, Fragestellungen, Überzeugungen (durchaus auch ideologisch-weltanschaulicher Art) beeinflussen sowohl das Forschen als auch das Schreiben von Historikern. Ein Historiker, der Geschichte als das _____________ 5 6 7 8 „[L]’historien de demain sera programmateur ou il ne sera pas“ (Le Roy Ladurie 1973, 13). Z. B. Evans 1997, 70 f. Besonders polemisch: Windshuttle 2000. Der Anspruch auf Erklärungshoheit der Literaturtheorie und die Defensivhaltung der Geschichtswissenschaft sind nicht zuletzt an Publikationstiteln ablesbar: Whites Metahistory und Evans’ In Defence of History sprechen eine deutliche Sprache. Chartier 1992, 36. Narrativität in der wissenschaftlichen Geschichtsschreibung 23 Ergebnis der Handlungen der ‚großen Männer‘ betrachtet, wird auch sein Material dementsprechend anordnen und aufschreiben, und zwar auf signifikant andere Weise als dies ein Historiker tun wird, für den Menschen Gefangene von Strukturen sind, welche sie nicht im geringsten intentional beeinflussen können. Betrachtet man diese Tatsache nicht aus der Produktions- sondern aus der Rezeptionsperspektive, so wird deutlich, worin das Erkenntnisinteresse und die Funktion einer literaturwissenschaftlichen Beschäftigung mit Historiographie liegt: Die Art und Weise, auf die historiographische Texte geschrieben sind, gibt Aufschluss darüber, wie Geschichte gedacht wird. Mittlerweile ist zu beobachten, dass Historiker in ihren Texten mehr als nur die Vermittlung vorangegangener Forschung sehen. Die wissenschaftliche Geschichtsschreibung ist sicherlich Wissensproduzentin, aber ihre Funktion erschöpft sich nicht darin, muss sie das Wissen doch auch ‚sinnlich‘ veranschaulichen. Umgekehrt hat sich unter Philologen die Erkenntnis durchgesetzt, dass Geschichtsschreibung zwar sprachlich verfasst ist, dass sie sich aber nicht darin erschöpft,9 und nur die wenigsten folgen White noch in der These, dass die unbewussten ‚präkognitiven‘ sprachlichen Entscheidungen grundsätzlicher und wesentlicher sind als die bewusst stattfindende methodische Reflexion des Historikers, dass die Geschichte also keine Historik, sondern nur eine Poetik habe. Die folgenden Ausführungen wollen einen Überblick über die verschiedenen Aspekte geschichtswissenschaftlicher Narrativität geben. Der erste Abschnitt ist dem ‚geschichtslogischen‘ Erzählbegriff gewidmet, mit dem in Philosophie und Geschichtstheorie das Spezifische der historischen Erkenntnis in Abgrenzung zu anderen Wissensdiskursen zu fassen versucht wird. Es wird insbesondere danach zu fragen sein, wie berechtigt sein Universalanspruch ist und ob er sich nicht in letzter Konsequenz als literarischer entpuppt. Daran schließen sich ein Plädoyer für eine Definition der geschichtswissenschaftlichen Erzählung als ‚kontrollierte Einbildungskraft‘ und die Erörterung der Besonderheiten des historiographischen Erzählens auf der Vermittlungsebene an, bevor in einem letzten Abschnitt die Narrativität ‚der‘ Geschichte zum Thema wird. Dass literaturwissenschaftliche Begrifflichkeiten die Struktur der Argumentation bestimmen, versteht sich keineswegs als Plädoyer für die Einebnung des Unterschieds zwischen Literatur und Geschichtsschreibung. _____________ 9 Z. B. Klein & Martínez 2009. 24 Axel Rüth 2. Erzählen als Erkenntnisoperation 2.1. Erzählen als kulturelle Praxis In der Debatte um die angebliche Fiktionalität des historiographischen Erzählens scheint immer wieder ins Vergessen zu geraten, dass das Erzählen zu den grundsätzlichsten kulturellen Praktiken gehört, die sich überhaupt denken lassen. Sie ist älter und grundsätzlicher als die Unterscheidung von Fakt und Fiktion, von Faktualität und Fiktionalität. Die Begriffe, mit denen in jüngeren kulturwissenschaftlichen Essays die kulturelle Funktion des Erzählens beschrieben wird, bringen im Grunde keine neuen Aspekte in die Diskussion ein, unterstreichen aber gerade dadurch die transhistorische Relevanz des Erzählens als kulturelle kognitive Kompetenz. Stellvertretend sei Mieke Bal zitiert, für die die Erzählung „keine Gattung, sondern ein Modus, eine aktive und lebendige kulturelle Kraft“ und „ein vorrangiges Reservoir unseres kulturellen Gepäcks, welches uns dazu befähigt, aus einer chaotischen Welt und den in ihr stattfindenden unverständlichen Ereignissen Sinn herauszuholen“,10 darstellt. Das sind Umschreibungen dessen, was auch die Theoretiker des historiographischen Erzählens als narrative Erklärung betrachten: ‚Erzählung‘ bezeichnet eine kognitive Operation, mittels derer Geschehen aus dem Kontinuum der Zeit herausgelöst und in eine verständliche, abgeschlossene Geschichte mit Anfang und Ende überführt wird – eine Operation, bei der heterogenes Material selektiert und perspektivisch angeordnet wird. Das bedeutet Reduktion von Komplexität: Der Prozess der narrativen Verkleinerung (um eine Formulierung von Claude Lévi-Strauss aufzugreifen11) ermöglicht es dem Menschen, sich in der Welt zu orientieren und handlungsfähig zu sein. Die Frage der Angemessenheit oder Zuverlässigkeit von Erzählungen ist damit noch nicht berührt. Das Moment der narrativen Verkleinerung gilt gleichermaßen für religiöse und kulturelle Mythen, Alltagserzählungen, autobiographisches Erzählen, Propaganda, Verbrechensrekonstruktionen vor Gericht und eben Geschichtsschreibung in all ihren Ausführungen. Das geschichtswissenschaftliche Erzählen stellt also nur einen besonderen Fall von historischer Erkenntnis in Textform dar.12 Nicht jede Historiographie unterliegt der strengen Pflicht zum Beleg, man denke nur an populärwissenschaftliche und tendenziöse Darstellungen oder an für das _____________ 10 11 12 Bal 2002, 9. Schon Mink nennt das Erzählen „a cognitive instrument“ (Mink 1978). Lévi-Strauss 1968. „Kontrollierter empirischer Bezug, Diskursivität und Zusammenhangsorientierung konstituieren Geschichtswissenschaft als Wissenschaft und setzen sie von anderen nichtwissenschaftlichen Umgangsweisen mit der Geschichte ab“ (Kocka 1990, 26). Narrativität in der wissenschaftlichen Geschichtsschreibung 25 Fernsehen aufbereitete Ereignisgeschichte, in der oft kontextfremd verwendete zeitgenössische Filmaufnahmen einen effet de réel erzeugen sollen. Historiographie ist synchron wie diachron ein sehr heterogenes Phänomen. Die folgenden Ausführungen beziehen sich ausschließlich auf die moderne wissenschaftliche Historiographie, wie sie sich im 19. und im 20. Jahrhundert herausgebildet hat. 2.2. Der geschichtslogische Erzählbegriff Der grundsätzlichste narrative Aspekt der Geschichtsschreibung, der so genannte geschichtslogische Erzählbegriff, bezieht sich sowohl auf die historische Erkenntnis als auch auf die Erklärungsstruktur historiographischer Texte. Das Bestreben der ‚Narrativisten‘, den Nachweis der konstitutiven Relevanz von Narrativität für alle Formen der historischen Erkenntnis und damit für alle Formen der Geschichtsschreibung zu führen, ist als Versuch zu verstehen, das Spezifische der historischen Erkenntnis zu erfassen. Die Eigenart der historischen Forschung besteht, in Abgrenzung zu affinen wissenschaftlichen Disziplinen wie Soziologie und Ethnologie, darin, Phänomene und Ereignisse unter dem Aspekt der Zeitlichkeit zu erfassen. Ohne auf die (mitunter beträchtlichen) Unterschiede zwischen Arthur C. Danto, Paul Ricœur, Paul Veyne, Hans Michael Baumgartner, Jörn Rüsen und anderen einzugehen, soll an dieser Stelle unter besonderer Betonung Ricœurs das zentrale, allen Positionen gemeinsame Kriterium hervorgehoben werden, das immanente Erklärungspotential der Erzählung. Hermann Lübbes Definition der Erzählung aus dem Jahre 1973 bringt den Kern der narrativistischen Argumentation präzis auf den Punkt: Einer historischen Erklärung ist bedürftig, was weder handlungsrational noch systemfunktional erklärt werden kann, und auch aus kausalen oder statistischen Ereignisfolge-Regeln nicht ableitbar ist. Die historische Erklärung in dieser Charakteristik erklärt weder durch Rekurs auf Sinn, noch erklärt sie nomologisch. Sie erklärt, was sie erklärt, durch Erzählen einer Geschichte. 13 Der französische Althistoriker Paul Veyne spitzt diese Beobachtung noch zu: „[…] was man Erklärung nennt, ist kaum mehr als die Eigenschaft der Erzählung, sich in Form einer verständlichen Fabel zu organisieren.“14 Geschichte sei „nichts anderes als eine wahrheitsgetreue Erzählung“,15 ein _____________ 13 14 15 Lübbe 1973, 544. Veyne 1990, 69. Veyne 1990, 13. 26 Axel Rüth „wahrer Roman“.16 Etwas historisch zu erklären bedeutet demnach nichts anderes als das Anordnen von Ereignissen innerhalb einer Geschichte: [E]rklären heißt für einen Historiker: „die Entwicklung der Fabel zeigen, sie verständlich zu machen“. Das also ist die historische Erklärung: etwas völlig Profanes und überhaupt nicht wissenschaftlich; wir werden ihr den Namen Verstehen vorbehalten.17 Eine Folge von Geschehnissen ergibt nicht aus sich heraus einen Sinn, sondern erst dadurch, dass sie zu einer Geschichte zusammengefügt wird. Erst die Integration in eine Erzählung entreißt eine Okkurenz dem Bereich des Kontingenten und gibt ihm eine Bedeutung, d. h. macht sie zum Ereignis. Diese Bedeutung beruht auf der Positionierung des einzelnen Elements im narrativen Syntagma zwischen Anfang und Ende.18 Eine Geschichte unterscheidet sich von einer chronikalischen Serie dadurch, dass zum zeitlichen Moment des Aufeinanderfolgens ein Bedeutungsverhältnis der einzelnen Elemente untereinander hinzukommt. So ist das Ende nur das Ende im Hinblick auf den Anfang der Geschichte. Die Geschichte setzt damit einen Schnitt in das zeitliche Kontinuum des Geschehens voraus. Anfang und Ende gibt es nur auf der Ebene der erzählten Geschichte, während es im Geschehen nur Zeit ohne absoluten Anfang und Ende gibt. Die konstitutive Voraussetzung jedes Erzählens ist daher seine Retrospektivität,19 welche es allererst ermöglicht, die Bedeutung eines Ereignisses für die Entwicklung der Fabel zu bestimmen – als Anfang, Ende oder Wendepunkt. Ein und dieselbe Okkurenz kann dementsprechend in verschiedenen Erzählungen, je nach Erkenntnisinteresse und Erzählperspek_____________ 16 17 18 19 Veyne 1990, 10. Veyne 1990, 70. Besonders prägnant formuliert bei Stierle 1973. Die Tatsache, dass der Text des Historikers eine solche aus der Gegenwart eines Forschungskontexts geschriebene retrospektive Erzählung ist, bringt eine inversion scriptuaire mit sich, eine „scripturale Umkehrung“, wie Michel de Certeau (1991, 112–115) es nennt, zwischen Forschung und Rede: Die Forschung beginnt – konzeptuell wie institutionell – in der Gegenwart des Historikers, während die Darstellung dem Zwang zur Chronologie unterworfen ist. Sodann kann die Forschung prinzipiell ohne Ende sein, während der Text Anfang und Ende hat und ein Ganzes „als stabile Architektur aus Elementen, Regeln und historischen Konzepten“ darstellt (de Certeau 1991, 113). Und schließlich ist die Erzählung ‚voll‘, sie schließt Lücken, und sei es nur, indem sie diese Lücken zum Vorteil des problemlos Erforschbaren zurückstellt. Hans Robert Jauß’ Ausführungen über die drei konstitutiven Funktionen des Fiktiven in der Historiographie des 19. Jahrhunderts lesen sich ähnlich, stehen allerdings im Zeichen einer problematischen Gleichsetzung von Erzählung und Fiktion: Erstens sei der Historiker in Ermangelung eines ‚absoluten‘ Anfangs gezwungen, einen Anfang und ein Ende zu setzen, zweitens perspektiviere er eine „faktisch ins Unübersehbare anwachsende Fülle des Vergangenen“, und drittens fülle er Informationslücken auf, um der Vergangenheit die Form eines konsistenten Verlaufs zu verleihen (Jauß 1982, 422-425). Narrativität in der wissenschaftlichen Geschichtsschreibung 27 tive, verschiedene Bedeutungen erhalten. Wenn man von einem Ereignis spricht und nicht mehr von einem reinen Vorkommnis, hat bereits eine narrative Integration stattgefunden. Da also die Fabel erst das Ereignis konstituiert, kann es streng genommen keine verschiedenen Erzählungen über dasselbe Ereignis geben, sondern nur verschiedene Erzählungen über eine gleichwohl identische „Materialität der Tatsachen“.20 Der Historiker löst also die vielfältigen Bestandteile eines Geschehens (handelnde und erleidende Menschen, Situationen, Intentionen, Zufälle, Begegnungen, Ausbleibendes) aus der unüberschaubaren synchronen und diachronen Verflechtung ihres Wirklichkeitszusammenhangs und stellt sie in einen neuen, überschaubaren narrativen Zusammenhang mit Anfang und Ende. Das offene, chronikalisch gedachte Kontinuum der Zeit wird in eine geschlossene Form der Zeitlichkeit überführt, diejenige der Erzählung. Dabei wird die reine Abfolge der natürlichen Diachronie in eine neue, konzeptuell geordnete Diachronie übersetzt. Erzähllogisch betrachtet kann man von einer Erzählung sprechen, sobald eine sich zwischen zwei Zeitpunkten ablaufende Veränderung beschrieben wird. Arthur C. Dantos Analytischer Philosophie der Geschichte21 lässt sich ein Erzählbegriff entnehmen, der eine narrativen Erklärungen individuellen Geschehens zugrunde liegende Skizze darstellt. Darin kommt dem Ereignis als Mitte der Erzählung die Funktion eines explanans zu. Es erklärt die Veränderung eines identischen Subjekts zwischen einem Zeitpunkt t-1 und einem Zeitpunkt t-3 (das explanandum) zu einem Zeitpunkt t-2. Ein bekannter Beispielsatz Dantos lautet: „Der Autor von Rameaus Neffe wurde 1715 geboren“.22 Da niemand im Jahre 1715 wissen konnte, was einmal aus Denis Diderot werden würde, verdeutlicht der Satz, dass es der Geschichtsschreibung nicht darum geht, „von Handlungen solche Kenntnis zu haben, wie sie unmittelbaren Zeugen möglich ist, sondern sie [die Handlungen] als Historiker in Verbindung mit späteren Ereignissen und als Teilstücke zeitlicher Ganzheit zu sehen“.23 Narrative Sätze verfolgen also das Ziel einer „rückwirkenden Neugliederung der Vergangenheit“.24 Ungewollte Konsequenzen spielen dabei eine größere Rolle als die Intentionen der Handelnden. _____________ 20 21 22 23 24 Ricœur 1986, 13 f. Es handelt sich bei diesem Text um die Übersetzung eines Vortrags, der – abgesehen von kleinen Abweichungen und einer unglücklichen Übersetzung des Titels – Ricœur 1986a entspricht. Danto 1974, 371 ff. Danto selbst erhebt für die narrativen Sätze nicht den Anspruch, dass sie allein kennzeichnend für die historische Erkenntnis wären. Danto 1974, 29. Danto 1974, 294. Danto 1974, 270. 28 Axel Rüth Eine Konsequenz der Relationierung von Ereignis und Erzählung besteht darin, dass ein Ereignis nicht punktuell, plötzlich und spektakulär sein muss. Es ist vielmehr eine Variable der Fabel. Befasst sich eine Erzählung mit einem Phänomen in der longue durée, so können langsam sich vollziehende Entwicklungen ebenso gut wie ‚herkömmliche‘ Ereignisse (Schlachten, Entscheidungen politischer Individuen, Begegnungen etc.) den erzähllogischen Status eines Ereignisses erhalten. Auch so genannte Strukturgeschichten sind in der Regel dem geschichtslogischen Erzählbegriff verpflichtet, wenn sie Veränderungen erklären wollen. Diese Proportionalitätsregel gilt auch für die Akteure, die Quasi-Figuren (quasipersonnages), wie Ricœur sie in seiner Analyse von Fernand Braudels nur vordergründig nicht-narrativem Hauptwerk La Méditerranée et le monde méditerranéen à l’époque de Philippe II nennt,25 und für die Kategorie des Ereignisses und den der Fabel selbst: So ist die Geburt des Fegefeuers in Jacques Le Goffs gleichnamigem Buch26 alles andere als kurz und punktuell, sondern ein sich über mehr als tausend Jahre erstreckender Prozess. Dennoch handelt es sich erzähllogisch um ein Ereignis, das die Entwicklung von einem binären Jenseits mit Himmel und Hölle zu einem um das Fegefeuer ergänzten ternären Jenseits erklärt.27 2.3. Der Universalanspruch des geschichtslogischen Erzählbegriffs Der universale Erklärungsanspruch der Narrativisten wirft zwei Gegenfragen auf: Erstens, ob der geschichtslogische Erzählbegriff denn wirklich auch für die so genannte Strukturgeschichte gilt, welche nicht erklären will‚ wie es zu etwas gekommen ist, sondern synchrone Zusammenhänge beschreiben, analysieren, erklären will; und zweitens, ob sich historischer Wandel nicht auch durch andere Formen der Kausalität erklären lässt. Die Frage nach der Relevanz des Erzählens für die Strukturgeschichte impliziert eine Unterscheidung von zwei idealtypischen Textsorten, Erzählung und Tableau. Nur erstere will Veränderung in der Zeit erklären, während letztere Zusammenhänge (also synchrone Strukturen und keine Veränderungen) innerhalb eines Ausschnitts erklären und beschreiben will. Die Erzählung liefert eine Antwort auf die Frage, warum dieses oder jenes passiert ist, das Tableau auf die Frage, wie etwas war.28 _____________ 25 26 27 28 Eine Quasi-Figur, so Ricœur, muss allerdings noch die Verbindung zu konkreten Handlungsträgern erkennen lassen. Dies ist der Fall bei Nationen, Institutionen, Kulturen und sozialen Gruppen. Le Goff 1990. Siehe Rüth 2005, 124-157. Prost 1996, 207 f., 241. Narrativität in der wissenschaftlichen Geschichtsschreibung 29 Bei genauerer Betrachtung sieht sich indes jeder Historiker mit der Notwendigkeit konfrontiert, seinen Gegenstand sowohl von der Sache her als auch räumlich und zeitlich einzugrenzen. Er wird entscheiden müssen, was er erklären will und wer seine Akteure sind (etwa Strukturen, soziale Gruppen oder Individuen), und er wird sich auf einen geographischen Raum und einen Zeitabschnitt festlegen müssen.29 So geht es Malte Zierenberg in seiner Studie Stadt der Schieber. Der Berliner Schwarzmarkt 1939195030 um die Beschreibung von „Erfahrungsräumen“, „Tauschsemantiken“, „Tauschnetzwerken“, Tauschräumen“, „Verteilungslogiken“ und „Bewegungsmustern“ des Schwarzmarkts in einer bestimmten Stadt innerhalb eines bestimmten Zeitsegments. Keiner der genannten Begriffe impliziert Zeitlichkeit, doch die Erforschung des Themas setzt Einschnitte in das unendliche Kontinuum des Geschehens voraus, Einschnitte, die selbst schon durch die Logik einer Fragestellung gekennzeichnet sind. Diese Fragestellung ist insofern narrativ, als sie auf einer Fabel beruht, deren Eckpunkte das 1939 zwar schon existente, aber mit Kriegsbeginn wieder besonders relevant werdende Phänomen Schwarzmarkt (mit einer 1918 beginnenden Vorgeschichte) und sein Verschwinden in der Nachkriegszeit durch die Etablierung der sozialen Marktwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland sind. Die Unvermeidbarkeit des Einschneidens in die Zeit gilt auch für Studien, in denen Gesetze zur Erklärung von Veränderungen herangezogen werden, sowie für solche, die auf quantitativen Methoden beruhen. Die Auswertung serialisierbarer Quellen zwecks Rekonstruktion einer Entwicklung kann zu einer Abfolge von Phasen führen, die selbst nicht narrativ organisiert ist: In seiner Studie Les paysans de Languedoc (1966) erklärt E. Le Roy Ladurie die Bevölkerungsentwicklung auf der Grundlage serialisierbarer Katastereinträge und mittels der malthusianischen Bevölkerungstheorie (also gesetzmäßig).31 Bei näherer Betrachtung erweist sich aber auch diese Studie als narrativ konfiguriert, da der Einschnitt ins zeitliche Kontinuum sehr wohl mit Veränderungen des Erzählgegenstands (die Bauern des Languedoc) begründet wird. Die Zu- und Abnahme der Bevölkerung in vier Phasen innerhalb des untersuchten Zeitraums (Niedrigstand – Aufschwung – Reife – Rücklauf vom Ende des 15. Jahrhunderts bis zur ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts) lässt sich zwar mittels des malthusianischen Dilemmas erklären, aber erstens erschöpft sich die Studie nicht in dieser Erklärung, sondern erzählt auch von Lebensbedingungen, kulturellen Faktoren, Mentalitäten und politischen Unruhen, und zweitens _____________ 29 30 31 Prost 1996, 243 f. Zierenberg 2008. Siehe Rüth 2005, 86-123. 30 Axel Rüth verdankt sich das Ende des untersuchten Zeitraums einer grundlegenden Veränderung der Bauern des Languedoc: Sie werden im Laufe des 18. Jahrhunderts zu modernen Winzern und repräsentieren damit nicht mehr den vormodernen Typus von Landwirtschaft, für den das Malthusianische Gesetz Relevanz besitzt. Die gesetzmäßige Erklärung selbst wird historisiert, d. h. in eine Fabel integriert: Le Roy Ladurie erzählt am Beispiel der Bauern des Languedoc, wie es dazu kam, dass die Malthusianischen Gesetze nicht mehr aussagekräftig waren, ja schon zum Zeitpunkt ihrer Formulierung als überholt gelten durften.32 Bleibt die Frage nach der grundsätzlichen Bedeutung von Erklärungen durch Gesetzmäßigkeiten in der Geschichtswissenschaft.33 Aufgrund ihrer konstitutiven Retrospektivität können geschichtswissenschaftliche Erzählungen erklären, was einen historischen Wandel bewirkt oder verursacht hat, aber sie können dies, wollen sie ihrem Gegenstand gerecht werden, nicht durch alleinigen Rekurs auf Gesetze. Das bedeutet gleichwohl nicht, dass in der Geschichtswissenschaft keine Erklärungen durch Gesetze zur Anwendung kommen würden, nur sind diese der Erklärung durch Erzählung untergeordnet. Sie helfen dabei, die Komplexität des einmaligen Geschehens zu verstehen, aber sie können es nicht restlos erklären. Ihre Funktion kann nur darin bestehen, die Plausibilität der Erzählung zu erhöhen. Wäre die restlose Erklärung eines historischen Falls durch eine Gesetzmäßigkeit möglich, so verlöre er dadurch die Eigenschaft, die ihn zu einem Gegenstand der historischen Erkenntnis macht, denn dann wäre er deckungsgleich mit einem Allgemeinen. Aus ebendiesem Grunde können Historiker erklären, aber nicht vorhersagen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass alle historiographischen Studien, die einen Wandel zwischen zwei Zeitpunkten erklären wollen, dem geschichtslogischen Erzählbegriff verpflichtet sind. Dies gilt ebenso, wenn auch in geringerem Maße, für Studien, die eher dem Typus Tableau entsprechen, da auch sie einen auf der Logik einer Fabel beruhenden Anfang und ein Ende setzen müssen. _____________ 32 33 Die entsprechende Passage am Ende von Le Roy Laduries umfangreicher Studie, die auf Deutsch nur in einer stark gekürzten Version zugänglich ist, lautet: „Les malédictions malthusiennes avaient dominé le Languedoc, aux XVIe et XVIIe siècles, tout comme elles dominent aujourd’hui encore, en dépit d’une situation bien différente, certains peuplement du Tiers Monde. Aux temps modernes (et sans doute aussi, lors d’une période précédente, au Moyen Age) elles avaient donné à un grand cycle agraire, après une phase initiale conquérante, son caractère de fluctuation inexorable. Mais ces malédictions s’effacent lentement au XVIIIe siècle, avant même qu’elles soient formulées, en 1798, par l’homme dont elles portent le nom. Malthus est un théoricien lucide des sociétés traditionnelles. Mais c’est un prophète du passé; et il est né trop tard, dans un monde trop neuf“ (Le Roy Ladurie 1966, 654). Siehe Frings 2008. Narrativität in der wissenschaftlichen Geschichtsschreibung 31 Offen bleiben muss hier die Frage, ob auch solche historischen Darstellungen, in denen menschliche Handlungen nicht einmal als von QuasiFiguren ausgeführte Handlungen eine Rolle spielen, etwa in neueren ideengeschichtlichen Darstellungen wie Foucaults Les mots et les choses, narrativ konfiguriert sind.34 Es steht zu vermuten, dass die Relevanz der Erzählung letztendlich von der Frage abhängt, ob es in irgendeiner Weise noch um das Verständnis von Veränderungen geht, die in Verbindung zu menschlichem Handeln stehen. 2.4. Die Frage nach der ‚Poetizität‘ des geschichtslogischen Erzählbegriffs Ricœur entwickelt die Synthese des Heterogenen explizit aus dem mythos der aristotelischen Poetik, und auch Veynes Erzählbegriff stammt letztendlich dorther. Hayden White differenziert das emplotment sogar nach literarischen Gattungen, bei den meisten Narrativisten wird der Begriff der Fabel als ‚in sich schlüssige Geschichte‘ begriffen.35 Es stellt sich daher die Frage, ob der geschichtslogische Erzählbegriff nicht ein poetischer bzw. ‚ästhetischer‘ und damit letztendlich inakzeptabel für einen Wissensdiskurs ist. Als besonders zentral für eine positive Beantwortung dieser Frage ist immer wieder der Bezug einiger Theoretiker der Erzählung auf den mythos der aristotelischen Poetik angeführt worden. Ebendieser Bezug erweist sich bei näherer Betrachtung indes durchaus nicht als Indikator für ‚Poetizität‘, was ich im Folgenden kurz erläutern möchte. Vorausgeschickt sei, dass Aristoteles trotz seiner Popularität in der modernen Diskussion um das historische Erzählen aus mehreren Gründen eigentlich ein prekärer Gewährsmann ist: Die begrifflich bisweilen unscharfe Poetik befasst sich vornehmlich mit der Tragödie, eine allgemeine Erzähltheorie besitzt sie nur als abgeleitete. Zudem befasst sie sich nur an einer Stelle, im 9. Kapitel, mit der Geschichtsschreibung, und dort wohl auch nur, um die Funktion des mythos für die Dichtung in Abgrenzung zur Geschichtsschreibung hervorzuheben. Wenn Aristoteles der Dichtung attestiert, sie handele vom Allgemeinen, dann ist damit nicht nur gemeint, dass die handelnden Figuren wiedererkennbare Typen sind, sondern auch, dass die einheitliche Handlung über diese Form der Allgemeinheit verfügen muss: der Zuschauer muss _____________ 34 35 Frings 2008, 149 f. Die Diagnose lässt sich auch historisieren: Moderne Geschichtsschreibung ist narrativ, weil sie (bis an den heutigen Tag) konstitutiv von den literarischen Erzählkonventionen ihrer Entstehungszeit geprägt sei, der Sattelzeit zwischen 1750 und 1850 (Fulda 1996 und 1999). Forderung nach Modernisierung nach dem Vorbild der Literatur finden sich bei Fulda 1996, Kocka 1990, White 1986, 36-63, und Koselleck & Stempel 1973. 32 Axel Rüth das Handlungsmuster der Komödie oder der Tragödie erkennen können. Ist dies nicht der Fall, bleibt die Wirkung aus.36 Die Geschichtsschreibung befasst sich mit dem Besonderen,37 woraus abzuleiten ist, dass sie aufgrund ihrer Wirklichkeitsreferenz nicht der Kompositionskunst der geschlossenen Handlung verpflichtet ist.38 Die modernen Theoretiker der historischen Erzählung beziehen sich nun aber gerade nicht auf die Äußerungen des Stagiriten über die Geschichtsschreibung. Die Diskussion über Geschichte und Erzählung dreht sich im Gegenteil gerade darum, dass auch die historische Sinnbildung die Form eines mythos habe. Der aber ist bei Aristoteles dichtungstypisch und zeichnet sich v. a. durch die enge Verquickung des Kompositions- und des Wirkungsaspekts aus. Im 9. und 10. Kapitel ergänzt Aristoteles seine Ausführungen über die Komposition des tragischen mythos aus den Kapiteln 7 und 8, in welchen zu lesen ist, dass die Fabel aus einem Anfang, einer Mitte und einem Ende zu bestehen hat, und dass diese Komposition so kunstfertig gestaltet sein muss, dass das Umstellen eines einzelnen Elements sofort eine Veränderung des ganzen Handlungsgefüges mit sich bringen würde. Auch darf kein Element überflüssig sein. In Kapitel 9 fügt er dem Kompositionsaspekt einen wirkungsästhetischen hinzu: Die Nachahmung hat nicht nur eine in sich geschlossene Handlung zum Gegenstand, sondern auch Schaudererregendes und Jammervolles. Diese Wirkungen kommen vor allem dann zustande, wenn die Ergebnisse wider Erwarten eintreten und gleichwohl folgerichtig auseinander hervorgehen. So haben sie nämlich mehr den Charakter des Wunderbaren, als wenn sie in wechselseitiger Unabhängigkeit und durch Zufall vonstatten gehen. […] Hieraus folgt, daß Fabeln von dieser Art die besseren sind.39 Und in Kapitel 10: _____________ 36 37 38 39 So auch Fuhrmann in Aristoteles 1982, 171. In diesem Aspekt tritt auch deutlich Aristoteles’ Relevanz für Hayden White zutage, der ja, wie Northrop Frye, das Verstehen einer Geschichte mit der Identifizierung ihres emplotment gleichsetzt. Die Behauptung Kittsteins (2006, 26), nach Aristoteles besäßen Dichtung und Geschichtsschreibung „eine identische Grundstruktur, nämlich eine erzählende“ und beide würden also „,eine Nachahmung von Handlung‘ durch die Konstruktion eines ‚Mythos‘ betreiben“, trifft m. E. nicht zu. Aristoteles benutzt in Kap. 9 lediglich das sehr allgemeine Verb ‚λέγειν’ (‚mitteilen‘, ‚reden‘, ‚sagen‘, ‚sprechen‘). Die in Kap. 7 der Poetik dargelegte „Zusammenfügung der Geschehnisse“ (Aristoteles 1982, 29) wird an keiner Stelle mit der Geschichtsschreibung in Verbindung gebracht, wohl aber als „der erste und wichtigste Teil der Tragödie“ (Aristoteles 1982, 29) bezeichnet. Rätselhaft bleibt, ob sich Aristoteles überhaupt auf existente historiographische Texte bezieht. Gerecht würde er ihnen mit seiner knappen Definition jedenfalls nicht (so auch Fuhrmann im Kommentar zu Kap. 9, Aristoteles 1982, 113, Anm. 2). Dies spricht dafür, dass es Aristoteles an dieser Stelle lediglich darum geht, einen Oppositionsbegriff zur geschlossenen Handlung zu etablieren. So auch Fuhrmann in Aristoteles 1982, 113, Anm. 1. Aristoteles 1982, 33. Narrativität in der wissenschaftlichen Geschichtsschreibung 33 Die Fabeln sind teils einfach, teils kompliziert. Denn die Handlungen, deren Nachahmungen Fabeln sind, sind schon von sich aus so beschaffen. Ich bezeichne die Handlung als einfach, die in dem angegebenen Sinne in sich zusammenhängt und eine Einheit bildet und deren Wende sich ohne Peripetie oder Wiedererkennung vollzieht, und diejenigen als kompliziert, deren Wende mit einer Wiedererkennung oder Peripetie oder beidem verbunden ist. Peripetie und Wiedererkennung müssen sich aus der Zusammensetzung der Fabel selbst ergeben, d. h. sie müssen mit Notwendigkeit oder nach der Wahrscheinlichkeit aus den früheren Ereignissen hervorgehen.40 Für die Tragödie gilt nun, dass die komplizierten Handlungen die einzig akzeptablen sind, was sich dadurch erklärt, dass die einfache Handlung keine Wirkung hervorrufen würde. Der mythos ist damit ohne Zweifel als dichtungsspezifische Struktur ausgewiesen. Was nun aber auffällt, ist, dass die Theoretiker des geschichtslogischen Erzählbegriffs (verständlicherweise) nur den Kompositionsaspekt aufnehmen: Ob die vom Historiker rekonstruierte Geschichte in irgendeiner Weise die Affekte anspricht, ist völlig irrelevant.41 Die Trennung des Kompositionsaspekts vom Wirkungsaspekt ist zunächst einmal ein starkes Argument gegen die angebliche Poetizität des geschichtslogischen Erzählbegriffs. Sie wirft aber auch die Frage auf, ob diese bei Aristoteles nicht vorgesehene Trennung legitim ist. Zwei Aspekte sprechen meines Erachtens für die Legitimität. Zum einen lässt sich der geschichtslogische Erzählbegriff mit der einfachen (nicht die Affekte ansprechenden) Handlung, die Aristoteles für die Dichtung ablehnt, identifizieren. Das Erklären durch Erzählen benötigt kein plötzliches, den Leser in Staunen versetzendes Umschlagen der Handlung. Zum anderen liegt der Grund für die enge Verbindung von Kompositions- und Wirkungsaspekt bei Aristoteles darin, dass der mythos nicht aus Ereignissen, sondern aus Handlungen zusammengesetzt ist, was die Voraussetzung für die Katharsis ist. Der geschichtslogische Erzählbegriff hingegen bezieht sich auf Ereignisse, die Intentionen der Handelnden sind sekundär. Peripetien interessieren in der geschichtslogischen Erzählung nicht als Umschlag einer Handlungsintention in ihr Gegenteil, sondern als Moment der Veränderung und als widerständige, aber narrativ integrierbare Kontingenz. Das bedeutet auch, dass der in Kap. 10 der _____________ 40 41 Ebd. 33 f. Vgl. Veyne 1990, 19: „Nehmen wir an, man erzählt mir von einem Aufruhr und ich weiß, daß man mir damit etwas Historisches berichten will und dieser Aufruhr wirklich stattgefunden hat. Ich werde ihn als etwas betrachten, das zu einem bestimmten Zeitpunkt bei einem bestimmten Volk geschehen ist. Diese antike Nation, die mir vor einer Minute noch unbekannt war, wird für mich nun zur Heldin, zum Zentrum der Erzählung, oder vielmehr zu ihrem unerläßlichen Träger. Analoges spielt sich auch beim Leser eines Romans ab. Nur ist hier der Roman wahr, daher muß er nicht packend sein. Die Geschichte des Aufruhrs kann durchaus langweilig sein, ohne dadurch an Wert zu verlieren“. 34 Axel Rüth Poetik angesprochene Aspekt des Wunderbaren (thaumaston), der eine nicht unwesentliche Rolle für die Katharsis spielt, für den geschichtslogischen Erzählbegriff bedeutungslos ist. Aristoteles schreibt, die Ereignisse sollten „wider Erwarten eintreten und gleichwohl folgerichtig auseinander hervorgehen“.42 Wie lässt sich dieses Paradox erklären? Das thaumaston bei Aristoteles ist wohl so zu verstehen, dass sich eine Peripetie zunächst als widerständig gegen die Gebote der Notwendigkeit und der Wahrscheinlichkeit erweist, sich aber retrospektiv, also mit dem Wissen um die weitere Entwicklung der Handlung, mit dem Gebot der Notwendigkeit und Wahrscheinlichkeit vereinbaren lässt. Ein Handlungselement kann nur dann zugleich wahrscheinlich und unwahrscheinlich sein, wenn man die zeitliche Dimension der Rezeption berücksichtigt: Das zunächst Widerständige wird schließlich akzeptabel. Die wissenschaftliche Geschichtsschreibung aber versucht das ‚Wunderbare‘ durch permanentes explizites Plausibilisieren der erzählten Geschichte gerade zu beseitigen, was uns zum nächsten Punkt führt: Der Selbstreflexivität der geschichtswissenschaftlichen Erzählung. 2.5. Kontrollierte Einbildungskraft Die bisherigen Ausführungen galten allein dem Erzählen als Erkenntnisoperation. Die geschichtswissenschaftliche Praxis produziert narrativ gebundenes Wissen. Die gesellschaftliche und kulturelle Funktion der Historiographie besteht aber im Erzählen von Geschichten mit Wahrheitsanspruch nach den Standards einer wissenschaftlichen Diskursgemeinschaft. Um diesem Wahrheitsanspruch gerecht zu werden, darf sich die Geschichtswissenschaft nicht darauf beschränken, in sich schlüssige Geschichten zu produzieren. Sie muss darüber hinaus erklären, warum ihre Geschichten plausibel sind. Rufen wir uns noch einmal Paul Veynes Bestimmung des Narrativen der historischen Erklärung ins Gedächtnis: „Erklären heißt für einen Historiker: ‚die Entwicklung der Fabel zeigen, sie verständlich machen‘“. Die Geschichten der Historiker sind also nicht nur aus sich heraus überzeugend, sondern der Historiker muss auch explizit erklären, warum sie einen bestimmten Verlauf und nicht einen anderen nehmen. So gesellt sich zur Geschichte an sich eine sie permanent begleitende erläuternde Rede über Methode, Theorien, Fragestellungen, Quellen und Begriffe. Während in der entpragmatisierten fiktionalen Erzählung die Einbildungskraft i. d. R. allein der dichterischen Wahrscheinlichkeit folgt, ist die geschichtswissenschaftliche Erzählung dem Rationalitätsgebot wis_____________ 42 Aristoteles 1982, 33. Narrativität in der wissenschaftlichen Geschichtsschreibung 35 senschaftlicher Selbstreflexion unterworfen. In der Produktion von Wissen ist sie intersubjektiv, erkenntnisgeleitet und quellenbasiert. Jede Erzählung ist daher selbstverständlich revidierbar, falsifizierbar, vorläufig und von partialem Erklärungsanspruch. Ricœur unterscheidet in Zeit und Erzählung und anderen Publikationen eine Intelligibilität der Erzählung von einer Rationalität der Erzählung.43 Mit der Intelligibilität meint er die Eigenschaft der Erzählung, aus sich selbst heraus verständlich und schlüssig zu sein. Die Rationalität der Erzählung findet sich hingegen in den erklärenden Rekonstruktionen des Historikers: Sie stellen einen ‚Diskurs zweiten Grades‘44 dar, in dem die geschichtswissenschaftliche Erzählung ihren narrativen Erklärungsprozess gleich mehrfach zu ihrer eigenen Problematik macht: in der Begriffsbildung, im Streben nach Objektivität und in der kritischen Reflexion. Dabei greift der Historiker auf eine Fachsprache mit erkenntnisleitenden Begrifflichkeiten zurück.45 Geschichtswissenschaftliches Erzählen, dieser Schluss lässt sich sowohl aus Ricœurs Philosophie der Erzählung als auch empirisch ziehen, beruht auf dem Gebrauch einer kontrollierten Einbildungskraft. Sie hat zwar strukturelle Gemeinsamkeiten mit der allgemeinen kulturellen Praxis des Erzählens, ihre Eigenarten erfasst man aber erst dann, wenn man ihren gesellschaftlichen Ort (eine wissenschaftliche Institution), ihren kommunikativen Zusammenhang (einen wissenschaftlicher Diskurs) und die damit einhergehenden Regeln und Standards berücksichtigt. 3. Darstellungskonventionen des geschichtswissenschaftlichen Erzählens 3.1. Geschichtsschreibung und Literatur Die oben beschriebene Eigenart des geschichtswissenschaftlichen Erzählens führt zu spezifischen Erzählweisen. Diese sind historisch variabel, man kann an historiographischen Texten die Entwicklung der Geschichte zur Wissenschaft regelrecht ablesen: Einerseits bleibt sie narrativ, andererseits nehmen explizite Erklärungen an Bedeutung und Umfang immer mehr zu. Da sich der narrativistischen Argumentation zufolge nicht ohne weiteres eine narrative von einer nicht narrativen Geschichtsschreibung unterscheiden lässt, lässt sich Narrativität nicht auf die ‚traditionelle‘ poli_____________ 43 44 45 Ricœur 1986, 20 ff. Ricœur 1986, 20 ff. Ricœur 1988, 263-345. Auch das von Koselleck so genannte ‚Vetorecht der Quellen‘ gehört hierher: „Streng genommen kann uns eine Quelle nie sagen, was wir sagen sollen. Wohl aber hindert sie uns, Aussagen zu machen, die aufgrund der Quellen nicht machen dürfen“ (Koselleck 1977, 45 f., siehe auch Koselleck 1995, 153). 36 Axel Rüth tische Ereignisgeschichte historistischer oder positivistischer Prägung reduzieren. Damit kommt ein konkreter Erzählbegriff ins Spiel, der die historiographiespezifischen Erzählkonventionen und somit die Gestalt historiographischer Texte betrifft. Bis in die achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts litt die Diskussion um Geschichte und Erzählung darunter, dass diese zwei Formen von Narrativität nicht sauber von einander getrennt worden sind: der geschichtslogische Erzählbegriff einerseits und die Erzählverfahren der politischen Ereignisgeschichte als eine spezifische, den Erzähltechniken des 19. Jahrhunderts verpflichtete Variante des historiographischen Schreibens andererseits. Dieses Missverständnis erklärt sich gerade durch die historiographischen Innovationen ab dem späten 19., vor allem aber ab dem frühen 20. Jahrhundert: Neue Erkenntnisinteressen führten zwangsläufig zu einer immer stärkeren Skepsis gegenüber der politischen Ereignisgeschichte. Die Kritik der französischen AnnalesHistoriker an einer traditionellen Ereignisgeschichte, sei sie nun romantisch oder positivistisch, ist bekannt.46 Schon Fernand Braudel bezeichnete Ereignisgeschichte als „vom Strom der Gezeiten heftig erregte Wellen“ und warnte: „Misstrauen wir dieser Geschichte, deren Glut noch nicht abgekühlt ist, der Geschichte, wie sie die Zeitgenossen im Rhythmus ihres _____________ 46 Das Etikett ‚neu‘ impliziert seit jeher eine Abkehr von bestimmten Erzählformen, die als überkommen abqualifiziert werden. Das gilt für die die nouvelle histoire nicht weniger als für den nouveau roman und die nouvelle vague. Die Kritik am ‚traditionellen‘ Erzählen gehört zu den klassischen Topoi solcher Bewegungen. Gerade im französischen Kontext fällt besonders die Analogie zwischen Alain Robbe-Grillets Kritik an Balzac (Robbe-Grillet 1963) und derjenigen der Annales-Historiker an der politischen Ereignisgeschichte auf. Neben fragmentierenden Erzähltechniken spielt in der Poetik des nouveau roman vor allem die Selbstreflexivität eine große Rolle. Die Forderung nach einer Modernisierung der Geschichtsschreibung nach dem Vorbild der Literatur, verstanden als Emanzipation von den Erzählkonventionen 19. Jahrhunderts, ist aber wohl zurückzuweisen: Fragmentieren kann der Historiker nicht, da seine Texte im Unterschied zu fiktionalen Texten nicht verrätselt sein dürfen, sondern die Form einer verständlichen, diskutierbaren Aussage haben müssen. Illusionsbrechung ist für die Geschichtswissenschaft ohnehin kein Thema, da Selbstreflexivität eine Selbstverständlichkeit darstellt und sinnlich erfahrbare Beschreibungen, wie oben ausgeführt, immer von Aussagen über die Konstruktion der Vergangenheit begleitet sind (siehe auch Droysens Metapher von der „Zubereitung der Speise“). An dieser Stelle sei ein Problem wenigstens kurz angesprochen: die spätmoderne Kritik an der Erzählung impliziert, dass die ‚geschlossene‘ Form der Erzählung der Wirklichkeit unangemessen ist, weil diese nämlich per definitionem ungeordnet und chaotisch sei. Zwar trifft es ohne Zweifel zu, dass wir uns Geschehen als semantisch offen und die Erzählung als semantisch geschlossen vorzustellen haben, aber schon die gelebte Wirklichkeit ist durchaus semantisch strukturiert, nicht zuletzt durch Geschichten. Erzählungen bestehen aus Handlungen, aber umgekehrt haben Handlungen immer schon ein narratives Sinnpotential bzw. eine narrative Prägung (Ricœur 1988, 90-104, Süßmann 2000, 264, Anm. 11, Schapp 42004, Rüth 2011). Die oben zitierte Passage aus Kap. 10 der Poetik enthält ebenfalls eine in dieser Hinsicht bemerkenswerte Formulierung: „Die Fabeln sind teils einfach, teils kompliziert. Denn die Handlungen, deren Nachahmungen Fabeln sind, sind schon von sich aus so beschaffen“ (Aristoteles 1982, 33 [Hervorhebung A. R.]). Narrativität in der wissenschaftlichen Geschichtsschreibung 37 Lebens – das kurz war wie das unsere – empfunden, beschrieben, erlebt haben“,47 während sich die wesentlichen Veränderungen in der Tiefe der longue durée abspielten. Doch schon lange bevor die Geschichtswissenschaft ihr Faible für longue durée und Strukturen entdeckte, kritisierte Droysen in seiner Historik ‚literarisch‘ schreibende Historiker dafür, die Phantasie ihrer Leser mit Vorstellungen zu erfüllen, „die von der breiten, harten, zäh langsamen Wirklichkeit nur die glänzend beleuchteten Spitzen zusammenfassen“.48 Sie böten nur die leichte Kost der ästhetischen Illusion, während die moderne Wissenschaft von der Geschichte dem Leser „die Zubereitung der Speise statt der Speise“49 anbieten solle. Die Kritik an der Ereignisgeschichte hat also nichts mit der Frage nach der konstitutiven Narrativität der Geschichtsschreibung zu tun, sondern wendet sich gegen eine bestimmte Vorstellung von Geschichte, in der Entwicklungen vornehmlich auf der Ebene der menschlichen Handlungen erklärt werden und in der Geschichte als Resultat menschlicher Handlungen aufgefasst wird. Historiographiegeschichtlich erklärt sich das seitdem immer mehr verblassende Prestige der Geschichten großer Individuen und Nationen durch die wachsende Bedeutung von Begriffsbildung, Methode und Theorie. Die Geschichtsforschung hat sich zu einem wissenschaftlichen Kommunikationsmodell entwickelt, das die Geschichte endgültig von Rhetorik und Poetik unterscheidbar macht. Hinzu kommt, dass sich die geschichtsphilosophische Überzeugung, die Geschichte trage ihr Ziel in sich, überlebt hat. So erklärt sich die Abwesenheit von Theorie in Michelets Histoire de France durch den quasi religiösen Glauben an Vernunft, Volk und Republik als die Kräfte, die die Geschichte vorantreiben, im Grunde eine säkularisierte Heilsgeschichte. Trotz aller sicherlich berechtigten Kritik an der Ereignisgeschichte steht die Geschichtswissenschaft weiter vor dem Problem, dass ihre Texte jenseits des Wissens die Vergangenheit auch ‚sinnlich‘ veranschaulichen müssen, ist sie doch als Sinnentwurf nicht auf Zahlen, Statistiken oder Gesetzmäßigkeiten reduzierbar. Die Vermittlung von vergangenen menschlichen Handlungen und Erfahrungen macht Erzählen notwendig, nicht nur im Sinne des geschichtslogischen Erzählbegriffs, sondern auch bezüglich der narrativen Pragmatik. Historiographiegeschichtlich beschreiben lässt sich die zunehmende Verwissenschaftlichung daher nicht als Abkehr vom Erzählen, sondern als Suche nach neuen, adäquaten Erzählweisen. Dabei hat sich die wissenschaftliche Historiographie von den Entwicklungen des fiktionalen Erzählens immer stärker entkoppelt. Von _____________ 47 48 49 Braudel 1990, 20 f. Droysen 1977, 419. Droysen 1977, 418. 38 Axel Rüth einem Austausch oder Dialog zwischen den beiden Diskursen kann heute schon lange keine Rede mehr sein.50 Im Folgenden seien zwei zentrale Problematiken, das Autor-Erzähler-Verhältnis und das perspektivische Erzählen eingehender untersucht. 3.2. Autor und Erzähler Welchen Sinn soll es haben, vom ‚Erzähler‘ in Michelets Histoire de la Révolution Française zu sprechen, fragt Gérard Genette in Fiktion und Diktion, und schlußfolgert: „wenn A = N, exit N, denn es ist ganz einfach der Autor, der erzählt“.51 Zeichnen sich fiktionale Texte durch die willing suspension of disbelief aus, so gilt für geschichtswissenschaftliche Texte das Gegenteil: Der Äußerungsakt ist nicht fiktional, sondern vom Autor selbst in jeder Hinsicht zu verantworten. In Anlehnung an Patrick Lejeunes autobiographischen Pakt ließe sich von einem historiographischen Pakt sprechen, wenn auch mit einem wesentlichen Unterschied: Genettes Formel gilt zwar für die Autobiographie wie für die Historiographie, doch anders als beim autobiographischen Pakt geht die Verpflichtung des Historikers zur Wahrheit im Falle der wissenschaftlichen Geschichtsschreibung mit einer Verpflichtung zum Beweis einher. Dem autobiographischen Autor tritt der Leser gutgläubig gegenüber. Man vertraut dem Erinnerungsvermögen, Skepsis kommt erst auf, wenn sich Widersprüche ergeben, wie im Fall der belgischen Autorin Misha Defonseca, die in ihrer ‚Autobiographie‘ behauptet, den Holocaust als Kind in der schützenden Gemeinschaft eines Wolfsrudels überlebt zu haben.52 Dem Historiker steht ein solches Wohlwollen in der fachinternen Auseinandersetzung nicht zu, er muss von der ersten Seite an Beweise liefern und sein Vorgehen plausibel machen. _____________ 50 51 52 Diese Behauptung hinsichtlich der Unterscheidbarkeit von fiktionaler und faktualer Erzählung ist wohlgemerkt nicht essentialistisch zu verstehen. Sie meint lediglich, dass das imaginativ freie Erzählen einerseits und das an intersubjektive Überprüfung gebundene wissenschaftliche Erzählen von Geschichte verschiedene Schreibkonventionen hervorgebracht haben. Doch bleibt es einem Fiktionsautor selbstverständlich unbenommen, wissenschaftliche Schreibkonventionen zu imitieren (als wohl bekanntester Fall darf Wolfgang Hildesheimers fiktive Biographie Marbot gelten), wie auch Historiker gegen die Konventionen ihrer Disziplin verstoßen können, etwa wenn sie in Alterswerken oder in Büchern, die ein breites Publikum erreichen sollen, mehr auf ihre Autorität und ihr über die Jahrzehnte erworbenes Wissen als auf methodische Reflexion, Empirie und Fußnoten setzen, um das Erzählte zu beglaubigen. Siehe auch Anm. 46 zu den Modernisierungsgrenzen der Geschichtsschreibung. Genette 1991, 88. (A = Autor, N = Erzähler). Defonseca 1997. Narrativität in der wissenschaftlichen Geschichtsschreibung 39 Doch auch in anderer Hinsicht bedarf Genettes Beobachtung einer Ergänzung: Bei aller Plausibilität der These von der Autor-ErzählerIdentität darf nicht vergessen werden, dass auch ein realer historiographischer Autor gleichwohl die stilistische Wahl zwischen vielen verschiedenen Erzählstimmen hat, wie sich an einer beliebigen Auswahl historiographischer Texte demonstrieren ließe. So kann der Historiker beispielsweise als Feldforscher auftreten, der den Leser an seinen Fortschritten und Rückschlägen teilhaben lässt, als nüchterner Interpret empirischer Daten, oder als wissenschaftliche Kapazität, die ihre institutionelle Autorität dazu nutzt, die dargestellte Vergangenheit in der Art eines Mystagogen als eine eigentlich verborgene, von ihm allererst sichtbar gemachte zu präsentieren, ohne sich groß um Fußnoten und Belege zu kümmern. Diese verschiedenen Möglichkeiten, den Erzähler textimmanent zu inszenieren, ändern natürlich nichts an der qua Diskurskonvention festgelegten Identität von Autor und Erzähler. Die Ambiguität des Verhältnisses von Autor und Erzähler in der Historiographie hat Konsequenzen für die Narration. So lässt sich an konkreten Texten ablesen, dass die nach heutigen Maßstäben mangelnde Wissenschaftlichkeit der Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts in der Tat mit einer starken Literarizität einhergeht. Michelets Histoire de France (1833 ff.) erscheint dem heutigen Leser nicht nur sehr tendenziös, sondern auch sehr nah an literarischen Schreibweisen wie derjenigen Balzacs. Nicht nur der Hang zum pittoresken Detail verbindet die beiden, sondern auch der pathetische Erzählgestus des Mystagogen: Verspricht Balzac seinem Leser Einblicke in eigentlich verborgene Welten und Abgründe, so inszeniert sich Michelet als Hohepriester der résurrection, der in seinen Büchern die Menschen der Vergangenheit wieder zum Leben erweckt.53 Eine solche Inszenierung des Erzählers ist nur einem Autor möglich, der sich des Vertrauens seiner Leser sicher sein kann und der sich seine Autorität und Legitimation nicht durch die Beachtung wissenschaftlicher Standards erst erwerben muss. Doch gibt es auch das Gegenstück zu diesem romantischen Stratum: einen Realismus, der – ganz im Sinne eines effet de réel – auf einem verborgenen Erzähler aufbaut. Beispielhaft sei hier auf Michelets Zeitgenosse Augustin Thierry hingewiesen, der in seinen Lettres sur l’Histoire de France (1820-27) ankündigt, ganz hinter der Darstellung verschwinden zu wollen, um die Fakten für sich allein sprechen zu lassen.54 _____________ 53 54 Michelet 1974, 613 f. „Je voulais mettre en évidence le caractère démocratique de l’établissement des communes, et j’ai pensé que j’y réussirais mieux en quittant la dissertation pour le récit, en m’effaçant moi-même et en laissant parler les faits“ (Thierry o. J., 5). Vgl. auch: „[...] les personnages et les époques doivent paraître en scène dans le récit; ils doivent s’y montrer en quelque sorte tout vivants comme sur un théâtre [...]“. (Lettres sur l’Histoire de France (Ve lettre), zitiert 40 Axel Rüth Während diese Form der Objektivität ein rein rhetorisches Phänomen darstellt, ist der Erzähler bei Michelet zwar sehr präsent, nutzt dies aber nicht dazu, die Geschichte rational und intersubjektiv überprüfbar zu plausibilisieren.55 Es liegt auf der Hand, dass sich diese beiden Idealtypen vorwissenschaftlicher moderner Historiographie nicht mit moderner Wissenschaftlichkeit in Einklang bringen lassen. Diese setzt voraus, dass der AutorErzähler präsent (overt) ist, und dies ausschließlich zum Zwecke der rationalen Plausibilisierung seiner Erzählung. 3.3. Perspektivisches Erzählen Interne Fokalisierungen (verstanden als das Privileg eines auktorialen Erzählers) gelten als prekär in der wissenschaftlichen Historiographie. Zum einen gibt es in der Regel keine Quellen, die zuverlässig Aufschluss darüber geben, was ein individueller Mensch in einer gegebenen Situation – sagen wir Napoleon während der Überfahrt von Elba nach Antibes 1814 – empfunden hat.56 Doch würde auch eine außerordentlich günstige Quellenlage nichts daran ändern, dass das Erleben mit den Figuren wie auch der Blick in die Figuren eher unkonventionell ist. Denn das perspektivische Erzählen gilt als ein Privileg des fiktionalen Erzählens, ja als Fiktionssignal. Nur wer die Menschen, deren Handlungen er erzählt, erfunden hat, kann ohne Erkenntnisgrenzen ihre Empfindungen schildern. Dennoch kommt es gelegentlich vor, dass auch wissenschaftlich anerkannte Historiker die Perspektive von Figuren einnehmen. Allerdings geschieht dies _____________ 55 56 nach Massmann 1972, 84). Damit entspricht Thierry idealtypisch dem Temporalsystem der histoire im Sinne Benvenistes: „Niemand spricht hier, die Ereignisse scheinen sich von selbst zu erzählen“ (Benveniste 1966, 241 [meine Übersetzung]). Der Topos vom Verschwinden-Wollen hinter der Darstellung kann sich auch auf die ‚große‘ Geschichte selbst beziehen, so bei Ranke: „Ich wünschte, mein Selbst gleichsam auszulöschen, und nur die Dinge reden, nur die mächtigen Kräfte erscheinen zu lassen“ (Ranke 1870, 103). Abgesehen von der Frage, ob der Text die singuläre programmatische Äußerung überhaupt bestätigt: Am Ende verweist der Wunsch nach dem Verschwinden des Äußerungssubjekts, wohinter auch immer, nur auf eines, die dem Text implizit zugrunde liegende Geschichtsphilosophie. Im Grunde kann man Michelet nicht einmal den Vorwurf machen, statt Konzepten und Begriffen die reine Phantasie walten zu lassen, denn sein Geschichtsbild verfügt sehr wohl über im Erzähldiskurs explizit gemachte Aspekte, denen man den Status von Konzepten zusprechen muss, etwa die geschichtsphilosophische Überzeugung, dass Geschichte eine Richtung hat, den Kampf der Freiheit gegen das Schicksal, der Republik gegen autoritäre Regierungsformen. Was seine Bücher aus wissenschaftlicher Perspektive prekär macht, sind die spezifischen Eigenschaften dieser Konzepte. Hinzu kommt, dass man sich, wenn der Fokus so stark auf einer Person liegt, im Bereich der verpönten Ereignisgeschichte bewegen würde. Narrativität in der wissenschaftlichen Geschichtsschreibung 41 häufig auf andere Weise als in fiktionalen Erzählungen: Die Fokalisierungsinstanz ist entweder ein typisches Individuum oder aber kollektiv (eine soziale Gruppe). Wenn es sich tatsächlich um ein Individuum handelt, das zur Fokalisierungsinstanz gemacht wird, dann verbirgt sich bei näherer Betrachtung in der Fokalisierung oft ein allgemeines Wissen, das auf den individuellen Fall übertragen wird. Dieses konzeptuelle Wissen muss i. d. R. als solches gekennzeichnet werden.57 Interne Fokalisierungen sind somit sicherlich eine eher unübliche stilistische Freiheit in der wissenschaftlichen Geschichtsschreibung, sie sind aber mitnichten per se ein Hinweis auf eine unkontrollierte Einbildungskraft.58 Es lässt sich auf diese Weise eine typische, repräsentative Einstellung anschaulich zur Darstellung bringen: Berücksichtigt man diesen Verwendungszweck, dann wird deutlich, dass das Phänomen der internen Fokalisierung zwar ohne Zweifel ein fiktionstypisches Erzählverfahren ist, jedoch keinen Hinweis auf eine ‚Fiktionalisierung‘ der Geschichte gibt. 4. Geschichte als kollektiver Text Eine letzte Ebene, auf der die Geschichtswissenschaft narrativ ist, betrifft das, was man den „kommunikativen Text des Geschichtenerzählens“ genannt hat. Darunter ist „ein zeitlicher Prozeß, der den Anderen mit sprachlichen Mitteln in einen gemeinsamen Text ‚verwebt‘“59, zu verste_____________ 57 58 59 Dies ist der Fall in der Beschreibung des langen Sterbens der Titelfigur in Georges Dubys fußnotenfreier, für ein breites Publikum geschriebener Studie Guillaume le Maréchal oder der beste aller Ritter: „Der Graf Maréchal kann nicht mehr. Die Last erdrückt ihn jetzt. Vor drei Jahren, als man ihn drängte, die Regentschaft zu übernehmen, als er nach langem Sträuben einwilligte, ‚Herr und Hüter‘ des jungen Königs und des ganzen Königreichs England zu werden, hatte er es doch gesagt, und nicht nur einmal: ‚Ich bin zu alt, zu schwach und ganz zerschlagen‘. Über achtzig Jahre, so sagte er. Ein wenig übertrieb er, er wusste nämlich nicht genau, wie alt er war. Aber wer wusste das damals schon? Im Leben waren andere Daten wichtiger als die Geburt. Den Geburtstag vergaß man. Und betagte Männer von hohem Ansehen waren so selten, dass man sie älter machte, dass sie selbst sich noch älter machen. Aber auch wir wissen nicht genau, wann Guillaume le Maréchal geboren wurde. Die Historiker haben überschlagen, nachgerechnet; ihr Vorschlag: um das Jahr 1145“ (Duby 1997, 5). Vgl. dazu auch Süßmann (2000), der in seiner Lektüre Rankes auf sehr überzeugende Weise deutlich macht, dass der Ranke immer wieder gemachte Vorwurf einer ungezügelten Literarisierung der Geschichte unbegründet ist: Die erlebte Rede behält „trotz ihrer Form den Status einer Erörterung. Der Erzähler reflektiert auf die politische Lage seiner Protagonisten, personalisiert seine Ergebnisse und verwandelt sie in eine Hypothese darüber, was [Ludovico] Sforza empfunden haben müsste“ (Süßmann 2000, 240). Es handelt sich also um „methodisch gewonnene Mutmaßungen […]: idealtypische Rekonstruktionen im Sinne Max Webers“ und „das Analogon zu einer begrifflichen Konstruktion“ (Süßmann 2000, 258). Zur Fokalisierung siehe auch Rüth 2005, 81 f., 110, Jaeger 2009, 125 f. Röttgers 1982, 33. 42 Axel Rüth hen. Dieser kommunikative Text, so ließe sich ergänzen, verweist auch auf ein kollektives textuelles Produkt, eine Erzählung, die nirgends existiert, die aber als heuristische Fiktion den äußersten Horizont der historischen Erkenntnis darstellt. Die Texte, die Historiker schreiben, sind im Gegensatz zu fiktionalen Texten per definitionem partial, da sie stets im Kontext eines kollektiven Erzählprojekts stehen, eines virtuellen Texts, an dem alle Historiker beteiligt sind. Partialität impliziert Revidierbarkeit, aber auch die Vorstellung einer Anschließbarkeit und einer idealen Komplementarität.60 Hinsichtlich der Innovationen des Erzählens in der fiktionalen Literatur sei abschließend der Gedanke geäußert, dass sich diese kollektive Erzählung mit einem Großteil der Entwicklungen des modernen Erzählens vereinbaren lässt. Die Entwicklung weg von der Vorstellung einer kontinuierlichen Geschichte hin zu einer multiperspektivischen, in Grenzen fragmentarisierten Geschichte mit verschiedenen Ebenen und Geschwindigkeiten ist geradezu Ausweis einer adäquaten Modernisierung des historischen Denkens. Wirtschaftsgeschichten, Mentalitätsgeschichten, und politische Geschichten schließen sich gegenseitig ebenso wenig aus wie Strukturen, longue durée und Ereignisse. Die Geschichte der wissenschaftlichen Geschichtsschreibung kennt einerseits eine Konstante, die Erzählung, aber sie ist andererseits durch eine Zunahme an Komplexität gekennzeichnet: Neue Fragen und damit einhergehende neue Methoden haben auch den kollektiven kommunikativen Text der Geschichte vielschichtiger und komplexer werden lassen. _____________ 60 Vgl. Ricœur 1988, 264: „Während es keinen Sinn macht, Märchen, Romane und Theaterstücke zusammenzustückeln, ist es eine legitime Frage, wie die Geschichte dieser oder jener Periode sich an die einer anderen Periode, wie die Geschichte Frankreichs sich an die Englands anschließt usw., oder wie sich die politische oder militärische Geschichte dieses oder jenes Landes zu dieser oder jener Zeit an seine Wirtschafts-, Sozial-, Kulturgeschichte usw. anschließt. Dem historischen Unternehmen liegt ein geheimer Kartographen- oder Diamantschneidertraum zugrunde. Selbst wenn die Idee der Universalgeschichte für immer eine Idee im Kantischen Sinne bleiben muß und kein Geometral im Leibnizschen Sinne bilden kann, so ist doch die Arbeit der Annäherung, die die konkreten Ergebnisse der individuellen oder gemeinschaftlichen Forschung jener Idee näher bringen kann, weder leer noch sinnlos. Diesem Wunsch nach Anschluß seitens der historischen Tatsache entspricht die Hoffnung, daß sich die Resultate verschiedener Forscher aufgrund von Komplementarität und wechselseitiger Berichtigung kumulieren lassen.“ – Zwar zeichnen sich alle Wissenschaften durch Diskursivität aus und implizieren deshalb die Vorstellung eines partialen, revidierbaren Wissens und insofern könnte man zu Recht behaupten, dass jede Wissenschaft in einen virtuellen kollektiven Wissenstext mündet. Aber im Unterschied zu den Naturwissenschaften oder zur Psychologie ist der kollektive Text der historischen Disziplinen weder gesetzförmig noch systematisch strukturiert. Er bezieht sich auf ein zeitliches Kontinuum und ist deshalb selbst narrativ. Narrativität in der wissenschaftlichen Geschichtsschreibung 43 Literatur Bal, M. (2002). Kulturanalyse. Frankfurt a. M. Barthes, R. (1967). Le discours de l’histoire. Social Science Information 6, 6575. Benveniste, E. (1966). Problèmes de linguistique générale. Paris. Braudel, F. (1990). Das Mittelmeer und die mediterrane Welt in der Epoche Philipps II. Bd. 1. Frankfurt a. M. [1949]. Certeau, M. de (1991). Das Schreiben der Geschichte. Frankfurt/New York [1975]. Chartier, R. (1992). Die unvollendete Vergangenheit. Geschichte und die Macht der Weltauslegung. Frankfurt a. M. Daniel, U. (2001). Kompendium Kulturgeschichte. Theorien, Praxis, Schlüsselwörter. Frankfurt a. M. Danto, A. C. (1974). Analytische Philosophie der Geschichte, Frankfurt a. M. [1965]. Defonseca, M. (1997). Survivre avec les loups. Paris. Droysen, J. G. (1977). Historik. Vorlesungen über Enzyklopädie und Methodologie in der Geschichte. 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