I
Zentrum für Interdisziplinäre
frauen- und Geschlechterforschung
Technische Universität Berlin
m Rahmen des Vorhabens GENDER TECHNIK
MUSEUM wurden Geschlechterwissen und
-politiken in technischen Museen untersucht. Die
Publikation versammelt die Ergebnisse der Auftaktkonferenz, der Mitarbeiter*innenbefragung
in fünf verschiedenen Institutionen sowie der
kuratorischen Beratung einer Ausstellung.
Über die Bestandsaufnahme in Technikmuseen
hinaus, eröffnen die Beiträge interdisziplinäre
Ansätze für eine relexive und gendergerechte
Museumspraxis.
Daniela Döring · HannaH FitscH
isbn
978-3-00-053782-0
{genDer;
tecHnik;
MuseuM;
}
STRATEGIEN fÜR
EINE GESCHlECHTERGERECHTE
MUSEUMSPRAxIS
Herausgegeben von
Daniela Döring
unD HannaH FitscH
GENDER TECHNIK MUSEUM
Strategien für eine
geschlechtergerechte
Museumspraxis
Daniela Döring und Hannah fitsch ( Hg.)
Zentrum für Interdisziplinäre
frauen- und Geschlechterforschung
Technische Universität Berlin
{genDer;
tecHnik;
MuseuM;
}
STRATEGIEN fÜR
EINE GESCHlECHTERGERECHTE
MUSEUMSPRAxIS
Herausgegeben von
Daniela Döring
unD HannaH FitscH
Impressum
Das dieser Publikation zugrundeliegende Vorhaben wurde mit Mitteln des Bundes-
Inhaltsverzeichnis
Einführung
Daniela Döring, Hannah Fitsch, Sabine Hark
7
ministeriums für Bildung und forschung unter dem förderkennzeichen 01fP1502 gefördert.
Die Verantwortung für den Inhalt dieses Informationsangebotes liegt bei den Autorinnen.
Das Vorhaben wurde vom 1. 10. 2015 bis 30. 9. 2016 realisiert.
Wir danken allen Kooperationspartner*innen, dem Nationalen Pakt für frauen in MINT Berufen sowie den Mitarbeiter*innen der Stiftung Deutsches Technikmuseum Berlin,
des Deutschen Museums München, des Militärhistorischen Museums Dresden, des Technischen
Museums Wien und des Museums der Arbeit in Hamburg, die zum Gelingen dieser Untersuchung beigetragen haben.
1. Auflage 2016
© Zentrum für Interdisziplinäre frauen- und Geschlechterforschung
Technische Universität Berlin
Marchstraße 23, 10587 Berlin
Redaktion, Herausgabe : Daniela Döring, Hannah fitsch
Kontakt :
info@gendertechnikmuseum.de
Website :
www.gendertechnikmuseum.de
Autorinnen :
lisa Bor, Jülide Çakan, Daniela Döring, Smilla Ebeling, Hannah
Das Öffnen der black box. Perspektiven der Genderforschung
auf Technikgeschichte Martina Heßler
19
»Rin in die Bude mit der frau !« — Die Geschlechterfrage im
Berliner Technikmuseum 1980–2006 Gabriele Wohlauf
39
Technologien der Geschlechter. Ansätze für eine gendergerechte
und relexive Museumspraxis
Daniela Döring, Hannah Fitsch, Lisa Bor, Jülide Çakan
55
fragebogen der Untersuchung »GENDER TECHNIK MUSEUM.
Strategien für eine geschlechtergerechte Museumspraxis«
Daniela Döring, Hannah Fitsch
Dinge neu gebrauchen — Zum Umgang mit Sammlungen
von gegenderten »Dingen von Belang« Roswitha Muttenthaler
103
115
fitsch, Martina Griesser, Sabine Hark, Martina Heßler, Roswitha
Muttenthaler, Elke Smodics, Nora Sternfeld, Gabriele Wohlauf,
Regina Wonisch
lektorat :
Pia Volk
Korrektorat :
Mareike Giertler
Gestaltung :
Hagen Verleger, Berlin · www.hagenverleger.com
Druck :
druckhaus köthen Gmbh & Co. KG
Umsetzung Website :
dfacts Puell & Partner
fremdKörper — Geschlechterbilder in Migrationsausstellungen
Regina Wonisch
131
»Duty, Guilt, Indifference, Awe, fatigue, Nostalgia, Ecstasy, fear, Panic«.
Unzeitgemäßes Kuratieren als dissidente Treue zum Material
Martina Griesser, Nora Sternfeld ( schnittpunkt )
145
Museum & Gender : Ein leitfaden für gendergerechte Museen
Smilla Ebeling
159
In Normalitäten intervenieren und Regeln dekonstruieren.
Perspektiven einer emanzipatorischen Kunst- und Kulturvermittlung
Elke Smodics
literatur
173
183
Daniela Döring,
HannaH FitscH,
sabine Hark
EINfÜHRUNG
t
1
echnikmuseen sind Bildungsinstitutionen, sie bewahren und zeigen
historische Exponate und sind so beteiligt an der Deinition kultureller Wertvorstellungen, Vorbilder und gesellschaftlicher Wahrheiten. Als Ort der Repräsentation generieren sie Identitätskonzepte und sind auf allen Ebenen — von der
Personalpolitik über Sammlungsstrategien bis hin zur Ausstellungsinszenierung
und den Vermittlungsangeboten — komplex von der Kategorie Geschlecht durchdrungen. Die feministische frauen- und Genderforschung hat in zahlreichen
Studien zur Repräsentanz von frauen in den Technik- und Naturwissenschaften nicht nur auf die Ausschlüsse von frauen aus den großen Geschichtserzählungen verwiesen, sondern auch tiefgreifende strukturelle und symbolische
Ungleichheiten in Wissenschaft und Gesellschaft herausgearbeitet.1 Dabei ist
die frage, was zum kulturellen Erbe wird, an ein
Vgl. u. a. Cockburn / Ormrod 1993 ; Scheich
1993 ; Wajcman 1994 ; Götschel / Daduna 2001 ;
Wissenschaftsverständnis geknüpft, das sich über
Schmitz / Schinzel 2004.
die Geschichte großer technologischer Erindungen legitimiert. Den männlichen Protagonisten dieses fortschrittgedankens
stehen zumeist weibliche Randiguren gegenüber : frauen werden in technikgeschichtlichen Ausstellungen als Ehefrau und Begleitung, als Arbeiterin in weiblich stigmatisierten Sphären, als Konsumentin, im Haushalt oder als Exotin und
Ausnahmefall dargestellt. In der Ausstellungsgestaltung kommt die patriarchale Geschlechterordnung auch insofern symbolisch zum Ausdruck, als dass auf
weibliche Allegorien, unbenannte, dekorative und funktionslose Hintergrundbilder, stellvertretende Bezeichnungen durch frauennamen oder auf Metaphern
zurückgegriffen wird. Die Sammlungen und Repräsentationen in technischen
Museen konzentrieren sich vornehmlich auf große Maschinen, Apparate und Original-Objekte mit technischen Daten. Eisenbahnen, Webstühle, flugzeuge, fahrräder, Computer, Radio- und fernsehapparate verobjektivieren so die technische
Geschichte und vernachlässigen notwendige kulturgeschichtliche, gesellschaftliche und geschlechtspolitische lebensbedingungen und Kontexte. Geschichte
und Geschlecht sind indessen nicht gegeben, sondern gemacht und so mehrdeutig interpretierbar.
9
{ Daniela Döring · Hannah fitsch · Sabine Hark }
Bislang haben diese Einsichten nur partiell Eingang in die Museumspraxis
gefunden. Einen einführenden Überblick über die museale Repräsentation von
frauen- und Geschlechtergeschichte legten Muttenthaler und Wonisch mit ihrem
Buch Rollenbilder im Museum vor ( Muttenthaler / Wonisch 2010 ). Die Autorinnen entwickelten zudem die Kategorien Gender und Race als Analyseinstrument
anhand exemplarischer Studien in kunst- und naturhistorischen sowie ethnologischen Museen ( Muttenthaler / Wonisch 2006 ).2 leitfäden für die geschlechterspeziische Analyse und Überarbeitung von Ausstellungen wurden für das
Kunstmuseum ( vgl. Unger 2009 ) und museumsübergreifend ( vgl. Ebeling 2016 )
publiziert. Aktuell ist eine erste systematische Untersuchung von geschlechtsbezogenen Ungleichheiten in Technikmuseen, ihren Ursachen sowie Vorschläge zur Veränderung der Museumspraxis erschienen 2 Zur Analysekategorie Sexualität siehe levin
( vgl. Döpfner 2016 ). Daran anknüpfend bedarf es
2010 ; Tyburczy 2016. Zur frauen- und geschlechweiterer, intensiver Diskussionen und Strategien, tergeschichtlichen Repräsentationsformen in historischen Museen vgl. Hinterberger 2008.
um die Geschlechtergerechtigkeit als Querschnittsaufgabe in der Sammlungs-, Ausstellungs-, Vermittlungs- sowie in der Personalpolitik von technischen Museen strukturell zu verankern und zu verwirklichen.
Zwischen den Ergebnissen geschlechterwissenschaftlicher forschung und der
gegenwärtigen wissenschaftlichen und gestaltenden Arbeit in Technikmuseen
besteht eine immense Kluft. Dabei kann gerade die Genderforschung breite
Innovationspotentiale für ein Museum zur Verfügung stellen, das sich derzeit
nicht zuletzt unter dem Druck knapper Budgets sowie den Möglichkeiten des
Digitalen neu erindet.
Einen ersten, breit rezipierten, feministischen Vorstoß in die Museumspraxis gab es bereits in den siebziger und achtziger Jahren des zwanzigsten
Jahrhunderts, allerdings hauptsächlich auf Kunst- und Kulturmuseen ausgerichtet. In dieser Zeit wurden auch die ersten frauenmuseen gegründet, um
bisher wenig beachtete weibliche Kunst, Erfahrungen und Tätigkeiten zu würdigen und ihnen einen eigenen Raum zu geben ( vgl. Kraszny 2013 ). Das Konzept
wird indessen ambivalent diskutiert, da frauenmuseen abseits des historischen
Kanons einen speziellen Ort erhalten, der wiederum den unveränderten fortbestand der männlichen Kultur in traditionellen Museen legitimiert ( vgl. Hauer u. a.
1997 ). Weitere Strategien waren und sind das Kuratieren von speziischen Sonderausstellungen und Interventionen in Dauerausstellungen ( vgl. z. B. Wonisch
10
{ Einführung }
2013 ). Die Thematisierung und Sichtbarmachung von Geschlecht steht dabei
immer vor der Herausforderung, den Sonderstatus des ›Anderen‹ ( nicht ) zu
reproduzieren und gegen den Widerstand der etablierten Ausstellungspraxis
anzukämpfen ( vgl. Döring / John 2015 ). So kann es nicht allein um die Integration von weiblichen leistungen und Erfahrungen in die museale Repräsentation gehen, sondern um eine andere Art der Darstellung und Inszenierung
von Technik.
Die museale und wissenschaftliche Arbeit in Technikmuseen basiert traditionell auf einem engen und apparativen Technikbegriff. In den Ausstellungen
und Sammlungen wird das als weiß und männlich bestimmte Wesen der Technologie materialisiert ( vgl. Saupe 2003 ; Bösl 2015 ). Es wird zu einer Norm, die
geschlechtsgebundene, aber auch schichten- und klassenspeziische sowie ethnisch kodierte Ausschlüsse und Ungleichheiten produziert. Gegenwärtig wenden sich jedoch viele Museen einer Kulturgeschichte der Technik zu, die auch
die ›gelebten Realitäten‹ der Menschen, denen im Verlauf der Geschichte unterschiedliche Möglichkeiten zur Gestaltung von Berufs- und lebensentwürfen zur
Verfügung standen, zeigen möchte. Dabei kann die Genderforschung, insbesondere die Erkenntnisse der feministischen Technik- und Naturwissenschaftskritik,
dazu beitragen, neue Perspektiven auf das Museum zu entwickeln. Die feministische Kritik an der als allgemeingültig inszenierten, letztlich aber eurozentrischen, männlichen Geschichtsschreibung erhält auch von anderen Disziplinen
Zuspruch. So beschäftigt sich die Ethnologie seit geraumer Zeit mit hegemonialen Repräsentationsformen des ›Anderen‹ sowie mit den ( neo- )kolonialen Politiken der musealen Institution ( vgl. Bose u. a. 2012 ). Die Museumswissenschaft
selbst entwirf kritische Thesen für die Öffnung und Erweiterung der Institution,
etwa durch die Befragung von Machtverhältnissen, Hierarchien und Ordnungen
bezüglich Objekt, Autor*innenschaft, Publikum und Institution ( vgl. Macdonald 2010 ). Dieser Kritik wird in der Museumslandschaft mit unterschiedlichen
Ansätzen des relexiven Sammelns, Kuratierens und Vermittelns begegnet ; ob
diese indes bereits als »relexive turn« ( ARGE 2013 : 9 ) postuliert werden können, muss sich zeigen.
Die Institution Museum beindet sich kurzum, wenn nicht gar in einer Krise,
so im Ringen um eine Neudeinition. Diese Befragung und Erweiterung bietet freilich die Chance, Impulse der Genderstudies einzubringen und eine gemeinsame
11
{ Daniela Döring · Hannah fitsch · Sabine Hark }
Diskussion zwischen wissenschaftlicher forschung *
und musealer Praxis zu eröffnen. Die Relexion von
sozialen und kulturellen Vorannahmen, Abhängigkeiten und Machtverhältnissen hat das große Potential,
das Museum zu einer gendergerechteren Bildungsinstitution zu machen, vielfältigere Identiikationsangebote bereitzustellen und somit die Partizipation
von frauen* und anderen marginalisierten Gruppen
zu ermöglichen.
Die Untersuchung GENDER TECHNIK MUSEUM.
Strategien für eine geschlechtergerechte Museumspraxis setzt sich kritisch mit Geschlechterstereotypen auseinander. Dies indet auch auf der
sprachlichen Ebene Eingang in die Publikation. Wir verwenden den Stern, um Geschlechtervielfalt jenseits von Binarität zu betonen.
Die Begriffe ›Männer‹ und ›frauen‹ verstehen
wir ebenfalls als soziale Konstrukte, weisen
sie jedoch nicht mit einem Stern aus, da es uns
darum geht, die Begrenztheit der Geschlechterkategorien im feld aufzuzeigen.
Zur Untersuchung GENDER TECHNIK MUSEUM
Das vom Bundesministerium für Bildung und forschung ( BMBf ) geförderte
Vorhaben GENDER TECHNIK MUSEUM . Strategien für Geschlechtergerechtigkeit in der Sammlungs-, Ausstellungs-, Vermittlungs- und Personalpolitik technischer Museen initiierte im deutschsprachigen Raum einen Erfahrungsaustausch
und die Vernetzung zwischen Technikmuseen, der Geschlechterforschung sowie
förderprogrammen für frauen in Naturwissenschaft und Technik. Dabei ging
es einerseits darum, das Innovationspotential der Genderforschung in die museale Praxis einzubringen, und andererseits, Aspekte der materiellen Kultur, kuratorische und ästhetische Praktiken für die angewandte forschung produktiv zu
machen. Die Zusammenarbeit zwischen wissenschaftstheoretischen Ansätzen
und Erfahrungen in der Bildungsarbeit wurde gestärkt und ein WissenschaftsPraxis-Dialog auf den Weg gebracht.
Auftakt des Projektes bildete die Konferenz Techno|logien der Geschlechter ? Strategien für eine gendergerechte Museumspraxis, die am Deutschen Technikmuseum Berlin vom 10. bis 11. Dezember 2015 stattfand. Vertreter*innen
aus verschiedenen Disziplinen, Kurator*innen und Museumsmitarbeiter*innen
diskutierten hier geschlechtsbedingte Ungleichheiten und Praxisbeispiele sowie
Ansätze für mehr Geschlechtergerechtigkeit. Die Konferenzbeiträge inden sich
mehrheitlich in diesem Band ; sie geben einen breiten Überblick über aktuelle
fragen, Handlungsfelder und Instrumente für das Museumfeld.
Der Schwerpunkt des Vorhabens war eine empirische Untersuchung in fünf
technischen Museen. Untersucht werden sollte, welches Genderwissen, welche
12
{ Einführung }
Kompetenzen und Diskussionen in der Sammlungs-, Ausstellungs-, Vermittlungsund Personalpolitik vorhanden sind. Mithilfe der Methode des Gendermapping
wurden 40 Expert*inneninterviews in folgenden Institutionen geführt :
— Deutsches Museum München
— Technisches Museum Wien
— Deutsches Technikmuseum Berlin
— Militärhistorisches Museum Dresden
— Museum der Arbeit Hamburg
Zudem wurde am Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte in Potsdam
die Sonderausstellung uni-form? Körper, Mode und Arbeit nach Maß kuratorisch
und konzeptionell beraten. Die Befragung sowie die Begleitung eines konkreten
Ausstellungsprojektes zielten darauf ab, Best Practices und Kompetenzen, aber
auch Problematiken und Bedarfe für die Durchsetzung von Geschlechtergerechtigkeit in der Museumsarbeit herauszuarbeiten.
Zum Inhalt dieses Bandes
Die vorliegende Publikation versammelt sowohl die Beiträge der Konferenz als
auch die wissenschaftliche Auswertung des Gendermapping. Die Analysen liefern eine Bestandsaufnahme quer durch die verschiedenen Arbeitsbereiche des
Museums und blicken gleichsam über Technikmuseen hinaus auf Ansätze einer
relexiven und gendergerechten Museumspraxis.
Der einführende Aufsatz von Martina Hessler Das Öffnen der black box.
Perspektiven der Genderforschung auf Technikgeschichte gibt einen Überblick
über die Geschichte und Methoden der akademischen Auseinandersetzungen :
von den Versuchen, zunächst die Abwesenheit von frauen in der Technikgeschichtsschreibung zu problematisieren, hin zu den Bemühungen, den Anteil
ihrer Arbeiten in der Technikentwicklung sichtbar zu machen, bis zur Etablierung der sozialen Kategorie Geschlecht in der neugedachten Kulturgeschichte
der Technik. Damit rückt der scheinbar natürliche Zusammenhang zwischen
Männlichkeit und Technik sowie die Ko-Konstruktion von Geschlecht und Technik in den Blick. Die Verankerung konstruktivistischer Gendertheorien in der
Geschichtswissenschaft macht die Analyse der vielschichtigen Vergeschlechtlichung von Technik erst möglich.
13
{ Daniela Döring · Hannah fitsch · Sabine Hark }
gabriele WoHlauF liefert den Bericht einer Zeitzeugin, die sich als ehe-
{ Einführung }
malige Mitarbeiterin des heutigen Deutschen Technikmuseums in Berlin lange
Zeit für feministische Belange eingesetzt hat. Ausgehend vom damaligen Berliner Museum für Verkehr und Technik gibt sie einen Einblick in die Anfänge
und Geschichte feministischer Vernetzung und Kämpfe. Mit der Etablierung der
Haushaltstechnik als Sammlungsgebiet fand eine wichtige Umwertung des Technikverständnisses des Museums statt. Das Deutsche Technikmuseum beherbergt
heute zahlreiche Archivalien dieser Aktivitäten und außeruniversitärer frauenverbände, die eine reiche Ressource zukünftiger forschungsarbeiten darstellen.
Daniela Döring , HannaH FitscH , lisa bor und JüliDe Çakan werten
in ihrem Aufsatz Technologien der Geschlechter die empirische Evaluation in
den Kooperationsmuseen aus. Nach der Methode des Gendermapping wurden
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgewählter technischer Museen nach ihren
Erfahrungen und Umgangsweisen mit der Kategorie Geschlecht befragt. Dabei
ging es nicht um einen Vergleich der Institutionen, sondern darum, auf der
Ebene der Sammlungs-, Ausstellungs- und Vermittlungs- sowie der Personalpolitik Kompetenzen, Strategien und Herausforderungen für eine gendergerechte Museumspraxis sichtbar zu machen. Der fragebogen, der für die einzelnen
Arbeitsbereiche speziiziert wurde, indet sich im Anschluss an den Beitrag. Um
die Wissensbestände, aber auch die unterschiedlichen Ansätze in den Museen
abzubilden, wurde ein Querschnitt durch die Antworten der Expert*innen ausgewählt und exemplarisch den fragen zugeordnet.
rosWitHa MuttentHaler skizziert in ihrem Beitrag Dinge neu gebrauchen anhand exemplarischer Haushaltsobjekte aus der Sammlung des Technischen
Museums in Wien geschlechtsspeziische Zuschreibungen und Aushandlungen.
Mit ihrem fokus auf Gebrauchsgeschichten schlägt sie neue Strategien des Sammelns vor, um das Thema Geschlechtergerechtigkeit und -relexivität in der Museumspraxis zu fördern. Nicht nur die Entwicklung und der intendierte Nutzen
bestimmter Technologien sollten im fokus stehen, sondern die Aneignung der
Objekte durch die Nutzenden, die tatsächliche Verwendung der Dinge im Alltag
und letztlich die frage nach dem Gebrauch des Exponates durch das Museum.
Dabei wird nicht nur die frage nach dem ›Museumsding‹ neu gestellt, sondern
auch gefragt, welches Wissen über das Objekt wie entsteht und welche Politiken der Sammlung selbst zugrunde liegen.
In ihrem Beitrag FremdKörper — Geschlechterbilder in Migrationsausstellungen betrachtet regina WoniscH die Verknüpfung von Migration und
Geschlecht und deren Darstellung in der Analyse verschiedener Ausstellungen,
u. a. Gastarbajteri und Romane Thana im Wien Museum sowie Avusturya ! Österreich ! und Auspacken. Kritisch hinterfragt sie die Möglichkeiten und Grenzen
von Repräsentieren und Präsentieren minorisierter Gruppen im Museum. Sie
problematisiert dabei, dass Differenz aufzuzeigen als Effekt von Herrschaftsverhältnissen immer auch das erneute Markieren und Stigmatisieren des ›Anderen‹ impliziert. So kann es nicht allein um das Sichtbarmachen von Migration
oder Geschlecht gehen, sondern um das Ausloten neuer Erzählstrategien, welche die Konstruktion von Differenz selbst zum Thema machen.
Martina griesser und nora sternFelD widmen sich in ihrem Aufsatz
der frage, wie machtspeziische Ungleichheiten in Ausstellungen thematisiert
werden können, ohne sie zu reproduzieren. Dafür schlagen sie ein »unzeitgemäßes
Kuratieren als dissidente Treue zum Material« vor. Ausgehend von einer Wanduhr der Künstler*innen Raqs Media Collective, mit der koloniale und kapitalistische Ordnungen durchkreuzt werden sollen, entwickeln sie die Strategie des
Verlernens. Zu verlernen wären demnach nicht nur Techniken der Disziplinierung, sondern auch binäre logiken schlechthin. Dies exempliizieren sie anhand
zweier Sammlungsobjekte — einem Schminkspiegel und einem Tandem — des
Technischen Museums Wien, die geschlechtsbezogene Stereotypisierungen aufweisen und diese zugleich unterwandern.
Ein konkretes Instrument für die Analyse von Geschlechterfragen in der
Museumspraxis liefert sMilla ebeling mit ihrem soeben erschienenen leitfaden Gender & Museum ( Ebeling 2016 ). In ihrem Beitrag fasst sie die Möglichkeiten, aber auch die Herausforderungen und Grenzen einer solchen Handreichung
zusammen. Die Broschüre soll Museumsmitarbeiter*innen bei der Relexion der
eigenen Tätigkeit und der Er- und Überarbeitung vorhandener oder neuer Ausstellungen unterstützen. Dabei vereint sie theoretisches, komplexes Wissen über
Geschlecht mit den Routinen und Alltagspraxen der konkreten Anwendung in
der Museumarbeit.
Abschließend stellt elke sMoDics in ihrem Beitrag In Normalitäten intervenieren und Regeln dekonstruieren eine emanzipatorische Vermittlungsstrategie am Beispiel des transdisziplinären Projekts Flic Flac* vor. Gemeinsam mit
14
15
{ Daniela Döring · Hannah fitsch · Sabine Hark }
{ Einführung }
dem Verein trafo.K in Wien entwickelte sie feministische Inhalte samt Tasche,
die Unterrichtsmaterialien, politische Statements und Artefakte enthält. In Projekttagen mit Schüler*innen in österreichischen Berufsschulklassen wird mithilfe dieses Materials deren vorhandenes Wissen über Geschlecht ergänzt oder
konfrontiert. Die methodischen und strategischen Herangehensweisen emanzipatorischer Kunst- und Kulturvermittlung können dabei auch für technische
Museen fruchtbar gemacht werden.
Die Aufsätze liefern einen breiten Überblick über die frage, wie die Relexion der Kategorie Geschlecht Eingang in die verschiedenen Arbeitsbereiche
und Museumsgattungen inden kann. Neben ersten Analysen und Antworten
eröffnen sie viele weitere fragen und laden dazu ein, diverse Ansätze weiterzudenken. Die Beiträge der Publikation sowie weiterführende Materialien können
auf der Webseite www.gendertechnikmuseum.de abgerufen werden. Dies möge
ein guter Ausgangspunkt für weitere fachgebiets- und museumsübergreifende
Kooperationen, Vernetzungen und relexive Strategien sein.
München, die an der Befragung teilnahmen und das Vorhaben mit großem Engagement bereicherten. Das Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte
unterstützte das Vorhaben durch eine ungewöhnliche Offenheit und Experimentierfreude. Mit dem Netzwerk Komm, mach MINT und der Einbettung in das
Wissenschaftsjahr 2015 Zukunftsstadt fand unser Projekt eine bildungspolitische Vernetzung und Veröffentlichung über das akademische fach- und Museumspersonal hinaus.
Ohne die hilfreiche und freundliche Zusammenarbeit vieler weiterer Menschen ist ein solches Vorhaben nicht zu realisieren. Daher danken wir dem Buchgestalter Hagen Verleger, der lektorin Pia Volk, für das Korrektorat Mareike
Giertler und schließlich all jenen, die das Projekt mit Begeisterung und Interesse unterstützt haben.
Dank
Das einjährige forschungs- und Vernetzungsvorhaben GENDER TECHNIK
MUSEUM . Strategien für Geschlechtergerechtigkeit in der Sammlungs-, Ausstellungs-, Vermittlungs- und Personalpolitik technischer Museen wurde vom
Bundesministerium für Bildung und forschung gefördert und am Zentrum für
Interdisziplinäre frauen- und Geschlechterforschung ( ZIfG ) der Technischen
Universität Berlin realisiert. Als Projektverantwortliche möchten wir — Daniela
Döring und Hannah fitsch — uns besonders herzlich für die institutionelle Anbindung am ZIfG bedanken. Das Team des Zentrums hat uns mit vielen produktiven
Diskussionen und Anregungen geholfen, Hildegard Hantel übernahm dankenswerterweise alle administrativen Belange und unsere Mitarbeiterinnen lisa Bor
und Jülide Çakan organisatorische wie inhaltliche Arbeiten. Vor allem Sabine
Hark hat das Projekt mit großem Rückhalt gestärkt. Vielen Dank dafür !
Sehr herzlich danken wir allen beteiligten Kooperationspartner*innen,
vor allem den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Deutschen Technikmuseums Berlin, des Technischen Museums Wien, des Museums der Arbeit in Hamburg, des Militärhistorischen Museums Dresden und des Deutschen Museums
16
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18
Westfälisches Dampfboot
Martina
Hessler
DAS ÖffNEN
DER BlACK BOx
PersPektiven
Der genDerForscHung auF
tecHnikgescHicHte
A BSTRACT
Die technikgeschichtliche genderforschung stellt mittlerweile
ein etabliertes und ausdifferenziertes Feld dar. Der text
skizziert die wichtigsten stationen der genderforschung seit
den 1970er Jahren. Dazu gehört die frühe Frauenforschung,
die den ausschluss und die Diskriminierung von Frauen
in technischen berufen und Feldern aufzeigte und die gleichsetzung von technik mit Männlichkeit problematisierte.
entsprechend entwickelte sich seit den 1980er Jahren langsam
eine Forschungsrichtung, die sich mit Männlichkeitskonzepten befasst. in diesem Zusammenhang wurde auch die
scheinbar natürliche verbindung Männlichkeit und technik
befragt. Die genderforschung erweiterte schließlich die
Frauenforschung und zeigte die ko-konstruktion von geschlecht
und technik in vielen studien auf. Der artikel endet mit
einem blick auf den gegenwärtigen stand der technikgeschichtlichen genderforschung. Dabei wird die meist unhinterfragte Prämisse des binären Fragens aufgezeigt und nach
alternativen gesucht.
D
er Begriff der black box verweist auf eine nichteinsehbare, verschlossene Kiste. Ihr Inneres ist nicht mehr zu erkennen, ihre Entstehung nicht mehr
nachvollziehbar. Metaphorisch wird damit auf Dinge, Erkenntnisse oder Tatsachen aufmerksam gemacht, die etabliert sind, gleichsam natürlich erscheinen
und daher nicht mehr hinterfragt werden. Der Begriff der black box stammt aus
der Wissenschafts- und Technikforschung. Hier beschreibt er das Unsichtbarwerden wissenschaftlicher und technischer Tätigkeiten und Prozesse im Moment
ihrer erfolgreichen Etablierung. Es handelt sich um eine Stabilisierung : Ein
sozialer Prozess wird zu etwas Dinghaftem, zu etwas funktionierendem verfestigt und nicht mehr verhandelt. Wie latour schreibt : »Wenn eine Maschine
reibungslos läuft, wenn eine wissenschaftliche Tatsache feststeht, wird sie zu
einer black box, die funktioniert, die etabliert ist« ( latour 2002 : 373 ). Sie wird
nicht mehr als das Ergebnis der Aushandlung von Interessen und Konlikten,
nicht mehr als Ergebnis einer Machtkonstellation und auch nicht mehr als etwas
Vorläuiges oder etwas Veränderbares wahrgenommen. Eine black box enthält,
was nicht länger beachtet werden muss, etwas, was akzeptiert ist und allzu häuig die Norm darstellt. Untrennbar verbunden mit einer kritischen forschung
ist daher die forderung nach ihrer Öffnung, um die vermeintlichen Selbstverständlichkeiten in frage zu stellen und etwas nicht als gegeben oder ›natürlich‹
zu nehmen. Es geht darum, die sozialen, politischen, ökonomischen und kulturellen Einlüsse aufzuzeigen, die die vermeintliche Normalität überhaupt erst
zu einer Normalität gemacht haben.
Der Begriff der black box wird zumeist auf Dinge oder »wissenschaftliche Tatsachen« bezogen. Aber auch gesellschaftliche Konzepte, Normen, Vorstellungen, Bilder wurden und werden immer wieder zu einer undurchsichtigen
black box, die nicht mehr hinterfragt wurde. Dies galt und gilt insbesondere
für Gendervorstellungen und -konzepte, für Bilder von Weiblichkeit und Männlichkeit genauso wie für die Vorstellung einer klaren Dualität der Geschlechter
selbst. Das Öffnen der black box Gender meint daher, die Prozesse des blackboxing aufzuzeigen. Das bedeutet, die Akteure, die Strategien, die Strukturen
21
{ Martina Heßler }
{ Das Öffnen der black box }
und Interessen, die historisch wirkmächtige Gendervorstellungen erzeugten,
zu analysieren. Die frühe frauenforschung hatte begonnen, diese black box im
Hinblick auf Geschlechtervorstellungen und Technik zu öffnen. Weitere Schritte, kleinere und größere, folgten mit der Genderforschung, die die frühe frauenforschung ablöste. Immer mehr scheinbare Selbstverständlichkeiten wurden
hinterfragt. Sichtbar wurden gesellschaftliche Prozesse, Interessen sowie Hierarchien und Machtverhältnisse, die jeweils bestimmte Bilder von Weiblichkeit
und Männlichkeit erzeugten, sowie deren Gemachtheit und Veränderbarkeit. Verschiedene Stationen des Öffnens der black box Gender und Technik sollen im
folgenden dargestellt werden. Allerdings ist die Arbeit des Öffnens der black
box noch nicht abgeschlossen, wie am Ende des Beitrags zu thematisieren ist.
chung von Technik und des Ausschlusses von frauen aufzuzeigen, was — wenig
überraschend — von frauen geleistet wurde.
Männliche Technikgeschichtsschreibung und
die Vorstellung männlicher Technik
Die interdisziplinäre Genderforschung, inklusive der Technikgeschichtsschreibung, hat zweifellos viel geleistet, besser gesagt, sie musste sehr viel leisten, um in
Technik eingelagerte Geschlechterverhältnisse sichtbar zu machen. Denn gerade
Technik, sowohl als Objekt als auch als technische Handlungen, wurde und wird
teilweise noch immer männlich konnotiert, eine Vorstellung, die lange Zeit, wie
so viele andere Gender-Klischees, den Status von etwas scheinbar ›Natürlichem‹
einnehmen konnte. Dies traf nicht nur auf ein unrelektiertes Alltagsverständnis zu. Vielmehr war auch die Technikgeschichtsschreibung selbst geschlechterblind. Dies lag erstens daran, dass sie bis in die 1970er und 1980er Jahre fast
ausschließlich von Männern betrieben wurde ( vgl. Bösl 2015 ). Zweitens war die
forschung auf unhinterfragt als männlich geltende felder wie Handwerk, Produktion, industrielle Arbeit, auf Erinder und Technikentwickler konzentriert.
Die technikhistorischen Studien waren mit Männern und mit männlich konnotierter Technik befasst, ohne dass dies relektiert wurde. Ein homogener Zirkel,
der alles selbstverständlich erscheinen ließ: forschen- 1 Die Mechanismen der Genderblindheit der früde Männer erforschten die Technik sowie die Techni- hen Technikgeschichte wären freilich über diese lapidaren Bemerkungen hinaus historisch zu
ker, Ingenieure und Wissenschaftler früherer Zeiten.1
untersuchen. Vgl. dazu auch die forderung von
Hier musste also die black box geöffnet werden, um
Bösl ( 2015 ) zu einer gendersensiblen Wissendie sozialen und kulturellen Prozesse der Vermännli- schaftsgeschichte.
22
Historische frauenforschung :
Die Sichtbarmachung marginalisierter frauen ?
Wie in der interdisziplinären forschung und der Geschichtsschreibung generell
entstand auch innerhalb der Technikgeschichte in den 1970er und 1980er Jahren zuerst eine feministisch orientierte »frauengeschichte«. Sie hatte ein dreifaches Ziel : erstens, frauen innerhalb der Technikgeschichte überhaupt erst
sichtbar zu machen ; zweitens, ihre Diskriminierung und ihren Ausschluss aus
bestimmten feldern aufzuzeigen und auch anzuprangern ; drittens sollte dieser
Ausschluss historisch erklärt werden.
Der erste Schritt, um dieses politische Anliegen zu erreichen, war es, frauen als technisch Handelnde aufzuspüren, um die Vorstellung, Technik sei eine
ausschließlich männliche Angelegenheit, zu destruieren. Seit den späten 1970er
bis in die 1990er Jahre hinein entstanden beispielsweise Arbeiten zu Erinderinnen, Ingenieurinnen, Technikerinnen, Pilotinnen oder frauen in der Produktion ( Hausen 1993 ; Trescott 1979 ; Schmucki 1996 ; Gundler 1996 ).
Insgesamt kamen frauen in dieser Phase als Übersehene, Exkludierte
und Unterdrückte in den Blick. Die angebliche Technikferne von frauen wurde
als Effekt sozialer, politischer und kultureller Machtpolitiken und Mechanismen
sichtbar gemacht und damit die black box männliche Technik geöffnet. Ungleichheiten und Geschlechterhierarchien wurden aufgezeigt, Technik als Mittel der
männlichen Herrschaft, des Patriarchats, interpretiert ( vgl. Cockburn 1983 ).
Der Anspruch der Technikgeschichtsschreibung war dabei eminent politisch,
und die politischen Implikationen der frühen forschung waren weitreichend :
Denn es wurde nicht nur aufgezeigt, welche Konsequenzen dieser Ausschluss
für frauen hatte, nämlich die Stabilisierung überlieferter, binärer Geschlechterbilder, -hierarchien und -ungleichheiten. Darüber hinaus wurde konstatiert, so
zum Beispiel von Karin Hausen, dass diese Geschlechterungleichheiten negative gesellschaftliche Konsequenzen habe, bis hin zur Schlussfolgerung, dass das
»zivilisatorische Projekt Technik« zukünftig nicht mehr allein Männern überlassen werden könne und solle ( Hausen 1993 : 236f ).
23
{ Martina Heßler }
Rückblickend können die Verdienste der frühen frauenforschung nicht
überschätzt werden. Gleichwohl ist ein Punkt zu erwähnen, auf den zurückzukommen sein wird. Spätere Autorinnen stellten kritisch fest, dass die frühe technikhistorische frauenforschung selbst zu oft von der Vorstellung der »separated
spheres« ausgegangen war. Judith McGaw monierte, die technikhistorische feministische forschung habe häuig historische Aussagen, die Männlichkeit als techniknah und Weiblichkeit als technikfern deinierten, als Ausgangspunkt ihrer
Untersuchungen genommen, um Erklärungen dafür zu suchen (McGaw 1989 ).
Die historische Zuschreibung der Technikfeindlichkeit oder -unfähigkeit von
frauen wurde nicht in frage gestellt, sondern war der Startpunkt, um dann
mit der genauen Analyse von Ausschluss- und Machtmechanismen als historisch
gemacht erklärt zu werden. Spätere forschungen versuchten in einem nächsten
Schritt, das Stereotyp der Technikferne von frauen und der Technikafinität
von Männern selbst zu hinterfragen. Wie lerman / Oldenziel / Mohun zusammenfassten, lautete die forderung nun : »The common identiication of technology as
a masculine pursuit — technology is what women don’t do — has to come under
scrutiny« ( lerman / Mohun / Oldenziel 1997 : 2 ).2 Die 2 Auch Schmidt / Zachmann stellten Mitte der
forschung begnügte sich nicht mehr mit der Erklä- 1990er Jahre rückblickend fest, dass die Technikgeschichte lange Zeit die »heimliche Prämisse«
rung der angeblich weiblichen Technikferne, sondern
der grundsätzlichen Technikferne von frauen
sie begann diese Setzung in frage zu stellen.
enthalten habe ( Schmidt / Zachmann 1995 : 87 ).
{ Das Öffnen der black box }
Ein wichtiger Ansatzpunkt war die Relexion des Begriffs Technik. Bis dahin hatte der Technikbegriff vor allem Maschinen gemeint, die mit Männlichkeit assoziiert wurden. Gegen diesen männlich konnotierten Technikbegriff wurden nun
beispielsweise Haushaltsgeräte, Babylaschen oder Kinderwagen als technische
Objekte deiniert und deren Geschichte erforscht — Geräte also, mit denen frauen hantierten und die zuvor aufgrund ihrer weiblichen Konnotierung schlichtweg nicht als Technik wahrgenommen worden waren ( vgl. Horowitz / Mohun
1998 ). Die Strategie, den männlich konnotierten Technikbegriff zu hinterfragen,
bestand also darin, den Begriff von Technik mit Objekten zu erweitern, die als
weiblich wahrgenommen wurden. Dies war ein zentraler Angriff auf männli-
che Hegemonien und Dominanz im Technikbereich. Dieser Schritt war für die
technikhistorische Genderforschung sehr wichtig. Denn damit verschoben sich
zugleich die Themenbereiche. Es wurden Themen bearbeitet, die zuvor innerhalb des faches undenkbar waren, da sie in der männlichen Vorstellungswelt als
nicht relevant erachtet wurden. Es folgte z. B. eine Reihe von Arbeiten zu Haushaltsgeräten, Hausarbeit und Wohnen. Zudem gerieten nun frauen als Nutzerinnen von Technik und damit, so die Betonung, als technische Akteurinnen in
den Blick. Zu erwähnen ist hier insbesondere Ruth Schwartz Cowan mit ihren
Arbeiten ( vgl. Schwartz Cowan 1983 , 1987 ) oder auch das 1979 herausgegebene
Buch von Martha Trescott Dynamos and Virgins Revisited, das Aufsätze unter
der Überschrift »Women as Active Participants in Technological Change« versammelte und frauen als Produzentinnen, vor allem in fabriken, aber auch als
Konsumentinnen von Technik erforschte ( Trescott 1979 ).
Auch wenn diese Strategie der Erweiterung des Technikbegriffs mit sogenannten weiblichen Techniken ein wichtiger Schritt war, zeigt es doch aus heutiger Sicht, wie viele kleine Schritte zu gehen waren. Denn die Erweiterung eines
männlich konnotierten Technikbegriffs mit Objekten, die dem Stereotyp des
Weiblichen entsprachen, argumentierte nicht nur auf der Basis klarer Dichotomien, sondern letztlich auch auf der Basis zeitgenössischer Stereotypen. Traditionelle Vorstellungen von typisch männlichen und typisch weiblichen Bereichen
und Tätigkeiten wurden auf diese Weise reproduziert. Auch hier zeigt sich die
Kleinschrittigkeit der technikhistorischen Genderforschung, die step by step
verschiedene black boxen öffnete, dabei jedoch häuig wiederum andere black
boxen bestehen ließ oder gar reproduzierte — ein Problem, das sich bis heute
durch die Gendergeschichte zieht.
Hatten die frühen Arbeiten also die Tür geöffnet, um frauen als technische
Akteurinnen zu fassen und den Technikbegriff überhaupt erst mit Weiblichkeit
zu verbinden, so wurden, wie bereits ausgeführt, zum einen duale Stereotypen
reproduziert. Zum anderen kamen frauen noch immer vor allem als Nutzerinnen von Technik in den Blick. In den 1990er Jahren verschob sich die Perspektive erneut. Dieses Mal wurde die in der frühen frauenforschung scheinbar
selbstverständliche Vorstellung hinterfragt, frauen seien das Opfer männlicher
Technisierungsstrategien, selbst aber an der Technikentwicklung nicht beteiligt.
Diese Annahme beruhte auf einer dichotomen Denkweise von technikentwickeln-
24
25
frauen als technische Akteurinnen und
die ›weibliche Technik‹
{ Martina Heßler }
{ Das Öffnen der black box }
den Männern und techniknutzenden frauen. Nun wurde aber aufgezeigt, dass
frauen häuig an Technisierungsprozessen beteiligt waren, beispielsweise bei
der Technisierung des Haushalts. Historische Studien zeigten auf, dass frauen
sich als souveräne Techniknutzerinnen und auch -gestalterinnen im Haushaltsbereich interpretierten. Dabei hinterfragten die zumeist bürgerlichen frauen, die
sich für eine Technisierung des Haushalts einsetzten, selbstbewusst Klischees
wie die der Technik als Bedrohung von Weiblichkeit sowie die Vorstellung einer
natürlichen Technikferne der frau. Gleichzeitig stabilisierten sie jedoch eine
binäre Geschlechterordnung, in der männliche und weibliche Zuständigkeiten
klar getrennt waren und in traditionellen Vorstellungen verblieben, indem der
( nun technisierte ) Haushalt als Sphäre der frauen galt ( vgl. Heßler 2001 ).
Auch die Geschichte von Ingenieurinnen oder Mathematikerinnen, die in
der frühen Computergeschichte eine wichtige Rolle spielten, waren Thema der
forschung ( vgl. Oldenziel 1997 ; Abbate 2012 ; light 1999 ). Es ging nun nicht
mehr, wie in den Anfängen der frauengeschichte, darum, die wenigen frauen
in Männerdomänen überhaupt zu suchen, sondern deren Status als Akteurinnen herauszuarbeiten : »Women engineers were never only victims nor heroines
in the struggle against male oppression. Rather they were active agents of history, facing real issues and dilemmas« ( Canel / Oldenziel / Zachmann 2003 : 9 ).
So hatte Ruth Oldenziel kritisiert, dass die Stimmen und die Haltungen von
frauen selbst zu wenig beachtet worden waren. Sie untersuchte die Strategien
weiblicher Ingenieurinnen in einem männlich geprägten Arbeitsumfeld. Dabei
arbeitete sie heraus, dass sich viele frauen einer Strategie der Überqualiikation und des Stoizismus bedienten, jedoch selten offensiv für ihre Rechte kämpften ( Oldenziel 1997 ). Diese Haltung der frauen zu verstehen war nicht möglich,
ohne zugleich auf Männlichkeitskonzepte und männlich geprägte Technikkulturen zu schauen.
Mit Blick auf die frauenforschung und deren fokus auf das Verhältnis von frauen und Technik hatte Judith McGaw 1989 kritisch festgestellt : »We lack a history
of men« ( McGaw 1989 : 176 ) — und damit die Erforschung von Männlichkeitskonzepten eingefordert. Aber noch 2004 konstatierten Maria lohan und Wendy faul-
kner in einem Themenheft zu Masculinities and Technologies ( lohan / faulkner
2004 ), dass der Zusammenhang von Männlichkeit und Technik kaum erforscht
sei. Mittlerweile hat der Prozess des Öffnens der black box der angeblichen
Männerwelt Technik jedoch begonnen. Die Konstruktionen von Männlichkeit
und die Entstehung und Stabilisierung von Männlichkeitskulturen waren das
Thema der forschung. Ruth Oldenziel untersuchte beispielsweise die amerikanische Ingenieurkultur von 1870 bis 1950 ( Oldenziel 1999 ). Sie analysierte, wie
das feld als männliches hergestellt und etabliert wurde, wie mittels Institutionen, formalen Regelungen und kulturellen Wertungen eine Männerkultur entstand, die frauen ausschloss. Tanja Paulitz wiederum arbeitete heraus, dass sich
Professionalisierung und Vergeschlechtlichung der Technikwissenschaften um
1900 gegenseitig bedingten. Sie unterstrich die Verbindung von Männlichkeit
und Professionalisierung ( vgl. Paulitz 2012 ). Christian Kehrt beschrieb in seiner Studie zu Militärpiloten im Ersten und Zweiten Weltkrieg, wie diese einen
stark inszenierten männlichen Habitus plegten. Dies reichte von der Körperhaltung über die ( Selbst- )Beschreibungen bis in die Bildinszenierungen hinein.
Die männlichen Piloten und Kommentatoren nutzten dichotome Gegensätze von
männlich und weiblich sowie ein klischeehaftes Männlichkeitskonzept des erfolgreichen und siegesgewissen fliegers, der sein flugzeug bezwingt. Dabei fand
eine doppelte Abgrenzung statt, einmal zur, wie die flieger betonten, »ängstlichen« und »nervösen«, »abgeschlafften Weiblichkeit von frauen« ( Kehrt 2010 :
83 und 89 ). Aber gleichzeitig auch zu einem als verweichlicht beschriebenen
lebensstil der gesamten Gesellschaft, die insgesamt — im negativen Sinne — als
verweiblicht galt. Dies ging so weit, dass beispielsweise Ernst Jünger behauptete, der flieger als männliches Ideal verkörpere einen neuen Menschen des 20.
Jahrhunderts, der — und nur er — den Herausforderungen und Widersprüchen
der Moderne gewachsen sei. Männlichkeitskonstruktionen gingen häuig mit solchen Abgrenzungen vom ›Anderen‹, nämlich dem Weiblichen, und mit dessen
Abwertungen einher. Gleichzeitig indet sich eine Universalisierung des männlichen Konzepts. Dies bediente die historisch hartnäckige und implizite Gleichsetzung von Mensch und Männlichkeit, die im übrigen auch die Pluralität von
Männlichkeitskonzepten missachtete.
Judith Wajcman hatte Mitte der 1990er Jahre darauf hingewiesen, dass
es zeitgenössisch jeweils eine Vielzahl verschiedener kultureller Ausdrucksfor-
26
27
Technikgeschichtliche Männlichkeitsforschung
{ Martina Heßler }
men von Männlichkeit gibt. Wajcman bezog sich auf die Arbeiten von Connell
und betonte entsprechend die Pluralität und Heterogenität von Männlichkeit im
technischen Bereich ( vgl. Wajcman 1994 ). Bereits Mitte der 1980er Jahre hatte
Brian Easlea herausgearbeitet, dass zum Beispiel Männer, die im Bereich von
Umwelttechnologien arbeiten, gegenüber einer hegemonialen Männlichkeitskultur im Bereich von Groß- und Risikotechnologien abgewertet werden ( vgl. Easlea 1986 : 161 ).
Die Männlichkeitsforschung der 1990er und 2000er Jahre hat also die
black box der vermeintlich männlichen Technik in einem weiteren Schritt mit
dem Blick auf die Männlichkeitskonzepte selbst geöffnet. Die unhinterfragte,
vermeintliche Selbstverständlichkeit, Technik sei männlich, wurde genauso destruiert wie die damit verbundenen Klischees von männlicher Beherrschung und
Bezwingung von Technik, von Heroentum und Überlegenheit. Dabei wurde auch
die damit verbundene Strategie der Abwertung von Weiblichkeit, die dieses
Männlichkeitsbild überhaupt erst stabilisieren konnte, deutlich. Weiter hat die
forschung gegen universalistische und essentialistische Vorstellungen Differenzierungen eingezogen, indem sie die historische und zeitgenössische Vielfalt von
Männlichkeitskonzepten betonte. Damit war die Rede von ›dem Mann‹ oder ›der
Männlichkeit‹ nicht nur historisiert, sondern vor allem pluralisiert und zugleich in
ihren machtpolitischen Strategien analysiert. Indem die Verbindung von Männlichkeit und Technik als historisch wandelbar sowie Männlichkeitskonzepte als
plural und heterogen aufgezeigt wurden, war ein weiterer Schritt unternommen,
um gesellschaftlichen und kulturellen Geschlechtervorstellungen ihre Natürlichkeit und Selbstverständlichkeit zu nehmen.
Interessanterweise gerieten mittlerweile Männlichkeitskulturen und unterschiedliche Konzepte von Männlichkeit stärker in den Blick als die der Weiblichkeit. Weitere Untersuchungen zu verschiedenen Weiblichkeitskonzepten ( vgl.
Hertling 2013 ), zu formen hegemonialer Weiblichkeit und der Konkurrenz verschiedener Weiblichkeitskulturen wären wichtig. Dies verweist zugleich auf die
wechselseitige Bezogenheit von Weiblichkeits- und Männlichkeitskonzepten.
28
{ Das Öffnen der black box }
Die Bedeutung binärer Geschlechterordnungen
in der Technikgeschichtsschreibung
Nachdem im Vorhergehenden recht schematisch Männer- und frauenforschung
nacheinander betrachtet wurden, gilt es im folgenden die forschungen zur Kategorie Gender zu resümieren. Ende der 1980er bzw. in den 1990er Jahren erfolgte
in der Technikgeschichtsschreibung eine entscheidende Wende zur Genderforschung und damit zu einer konsequent konstruktivistischen Perspektive ( vgl.
Rothschild 1989 ). Kurz zusammengefasst, wurden erstens die Konzepte von
Weiblichkeit und Männlichkeit als konstruiert und damit als wandelbar aufgezeigt. Zweitens wurden sie in ihrer Wechselwirkung untersucht und beschrieben, wie sie sich gegenseitig bedingen. Mit der Kategorie Gender wurde nun
nach den ideologies gefragt, »that have attributed certain characteristics to men
and others to women«. Insbesondere geriet nun in den fokus, wie diese »gender
assumptions have shaped technology historically« ( Mc Gaw 1989 : 173 ).
1993 arbeiteten beispielsweise Cynthia Cockburn und Susan Omrod am
Beispiel der Mikrowelle die Vergeschlechtlichung von Technik heraus ( Cockburn / Ormrod 1993 ). Die Mikrowelle war von den Herstellern zuerst als männliche Technik konzipiert worden, als sogenanntes »brown good«, neben fernseher,
Radio und Hii-Anlage. Entsprechend wurde sie als High-Tech-Gerät für nicht
kochende Männer vermarktet. Diese Strategie funktionierte jedoch nicht, weshalb
die Mikrowelle geschlechtlich umcodiert wurde. Sie wurde zu einem technischen
Objekt für frauen — und damit zu einem »white good«, also einem Haushaltsgerät, mit dem man kochen konnte. Cockburn und Omrod zeigten eindrucksvoll eine ausgesprochen stereotype Umcodierung von Technik von männlich in
weiblich. Die Genderkonzepte der Hersteller spiegelten gängige Klischees von
technikinteressierten, nicht kochenden Männern und kochenden, nicht technikinteressierten frauen. Die Vergeschlechtlichung von Technik und deren Wandelbarkeit wurden überdeutlich.
Inzwischen liegen einige Studien zur Vergeschlechtlichung von Objekten
vor, von Victoria des Grazias Sex of Things über die immer wieder zitierten Studien zu männlichen und weiblichen Rasierern und zu Handys ( de Grazia 1996 ;
van Oost 2004 ) bis hin zu Penny Sparks Buch As Long as It’s Pink ( Sparks 1995 ).
Der Studie von Cockburn und Omrod wurde später vorgeworfen, dass sie den
29
{ Martina Heßler }
{ Das Öffnen der black box }
Blick nur auf die Vergeschlechtlichung der Technik gerichtet hatte. Sie hatte
jedoch nicht untersucht, wie Technik Gender mitkonstruierte. Wie Gill / Grint
problematisierten, birgt die Analyse des Genderings von Technik genau diese Gefahr, dass Gender als analytische Kategorie zu einer erklärenden black
box wird, die selbst wiederum nicht befragt wird. Gender wird dann zu einem
ixen Element, das die Technikentwicklung erklärt, ohne selbst erklärt zu werden ( vgl. Gill / Grint 1995 : 20 ). Um dem zu entgehen, ist es unabdingbar zu fragen, welche Rolle Technik im doing gender spielt. Damit geriet der Blick darauf,
dass Technik einen zentralen Anteil an der Herstellung und Stabilisierung von
Weiblichkeit und Männlichkeit und an der Herstellung und Stabilisierung von
Geschlechterordnungen hat.
Ein gern zitiertes Beispiel sind Handys, die Teil einer vergeschlechtlichenden Selbstinszenierung von Nutzern und Nutzerinnen sind, sei es die farbe, seien es Handys als weiblich empfundene Accessoires oder auch die Geste
des Zuklappens der Klapphandys, deren »handling« als besonders weiblich empfunden wurde. Eindrücklich ist die Studie von Nelly Oudshoorn zur Verhütung.
Oudshoorn beschreibt im Rekurs auf Judith Butler, wie der Umgang mit Verhütungsmitteln, insbesondere der Pille, Teil weiblicher und männlicher Performanz
wurde. Mit der Pille sei Verhütung nicht nur wie scheinbar selbstverständlich in
die Verantwortung von frauen gefallen, sondern auch zu einem Teil von Weiblichkeit geworden. Es gilt als Teil weiblicher Sexualität, eine Pille zu schlucken.
Die Pille wurde damit Teil des doing gender. Entscheidend ist zugleich, dass die
Einnahme von Kontrazeptiva Männern wiederum als mit männlichen Praktiken
und Selbstbildern nicht vereinbar gilt : »The ›feminization‹ of contraceptive technologies created a strong cultural and social alignment of contraceptive technologies with women and feminity and not with men and masculinity, which brings
the development of new contraceptives for men into conlict with hegemonic masculinity. The development of new contraceptives for men thus requires the destabilization of these conventionalized performances of masculinity« ( Oudshoorn
2003 : 213 ). Anke Hertling wiederum zeigte auf, wie in den 1920er Jahren neue
formen der Weiblichkeit mittels des Autofahrens eingeübt wurden ( vgl. Hertling 2013 ). Das Automobil, zu dieser Zeit deutlich männlich konnotiert, war Teil
eines intentionalen doing gender, das zwar Weiblichkeit hervorbrachte, aber, so
die Intention der Zeitgenossinnen, eine andere Weiblichkeit.
Mittlerweile gelten also sowohl Gender als auch Technik als sozial und kulturell konstruiert. Keine der beiden Kategorien ist ohne Betrachtung der anderen zu verstehen. Mutual shaping of technology and gender und co-evolution oder
co- production / co-construction of technology and gender waren und sind die zentralen Kategorien. Sie zeigen an, dass weder Technik noch Geschlecht als ixe,
unveränderbare, biologisch oder technisch determinierte Kategorien zu verstehen sind, sondern vielmehr als permanent Veränderung unterliegend und sich
gegenseitig konstituierend. Gendervorstellungen beeinlussen, so wurde historisch in vielen Studien aufgezeigt, die Entwicklung und Nutzung der Technik,
wie auch umgekehrt Technik, technische Objekte und technisches Handeln Teil
des doing gender sind.
Technikgeschichte hat mithin in den letzten Jahrzehnten vielfach gezeigt,
wie ( auch ) mittels Technik eine binäre und hierarchische Geschlechterordnung
entworfen und immer wieder stabilisiert wurde. Dabei wurde sowohl offensichtlich, dass Technik Teil der Konstruktion von Genderkonzepten, von doing gender
ist, als auch, dass technische Objekte immer auch das Ergebnis von impliziten
oder expliziten Genderkonzepten sind. Die genderorientierten Argumentationsund legitimationsmuster von Technik, die Mechanismen des Ausschlusses von
frauen aus technischen Bereichen, die Konstruktion männlicher Technikkulturen, weiter die mittels Technik erzeugten fremd- und Selbstbilder, die Stabilisierungsprozesse und die Wirkmächtigkeit von Genderkonzepten sowie die
historische Gemachtheit einer binären Geschlechterordnung und die Bedeutung
von Technik für diese Prozesse — all das wurde vielfach analysiert.
30
31
Auswege aus der Binarität ?
Resümiert man die Genderforschung, so lässt sich eine immer weitere Infragestellung zuvor stabiler und etablierter Kategorien beobachten. Innerhalb der
Technikgeschichte meinte dies zuerst das Hinterfragen von Biologismen, von
vielfach kolportierten, vermeintlichen Selbstverständlichkeiten und scheinbar
Natürlichem. Viele dieser Konzepte haben ihren Ursprung im 19. Jahrhundert,
wie etwa die Behauptung der Technikferne von frauen oder die angebliche
Bedrohung der Weiblichkeit durch Technik. Mit Referenz auf den vielfach rezipierten Aufsatz von Joan Scott Gender : A Useful Category of Historical Ana-
{ Martina Heßler }
lysis ( vgl. Scott 1986 ) wurde Gender — unterschieden von Sex — schließlich in
den 1980er und 1990er Jahren zu einer selbstverständlichen Kategorie der Technikgeschichtsforschung. Interessanterweise beeinlussten die Debatten um die
Kategorie Sex, insbesondere in folge von Judith Butlers Gender Trouble ( vgl.
Butler 1990 ), die technikgeschichtliche Genderforschung nicht nachhaltig. Gleichermaßen kann man feststellen, dass auch fragen und Anregungen der queer
studies kaum rezipiert werden. Vor diesem Hintergrund gilt es abschließend,
nach dem gegenwärtigen Stand und Perspektiven der technikhistorischen Genderforschung zu fragen. Zwei Punkte gilt es zu betrachten : erstens, eine auffällige Renaissance der Beschäftigung mit einer frauengeschichte ; zweitens, die
Prämisse der binären Geschlechterordnung.
Die Beschäftigung mit der Geschichte von frauen und der frage nach
ihrem Ausschluss aus technischen Bereichen in den 1970er Jahren war der Beginn
einer inzwischen differenzierten und etablierten Genderforschung, die sich auch
als Überwindung einer nur auf frauen fokussierten forschung verstand. Bemerkenswert ist daher, dass gerade in jüngster Zeit erneut Arbeiten entstehen, die
die Geschichte von bislang übersehenen frauen in den Mittelpunkt stellen. Dies
gilt in auffälliger Weise für den Museumsbereich. Das Computermuseum in
Paderborn, das Heinz Nixdorf Museumsforum, zeigte von September 2015 bis
Juli 2016 eine Ausstellung zu frauen in der Computergeschichte, die von Ada
lovelace ausgehend »zahlreiche weitere Pionierinnen präsentiert, die bis heute die Entwicklung der Informationstechnik wesentlich vorangebracht haben«
( HNf 2016 ). Der Begleitband von Sybille Krämer nimmt das Thema auf und
spannt den Bogen vom 18. Jahrhundert bis zur Informatik der Gegenwart ( Krämer 2015 ). Es wird zwar betont, dass es nicht nur um das Sichtbarmachen von
frauen geht, sondern um die Mechanismen des Unsichtbarmachens, des Ausschließens, oder um die Mechanismen des Vergessens in der fachgeschichtsschreibung ( vgl. Paulitz 2015 ). Dies verweist zum einen sicherlich darauf, dass
in der Tat noch viele Technikfelder nicht unter einem Genderaspekt oder, noch
viel basaler, im Hinblick auf die Rolle und Bedeutung von frauen hin untersucht
wurden. Gleichwohl erscheint der Ansatz, erneut auf frauen zu fokussieren, vor
dem Hintergrund des Standes der Genderforschung fragwürdig. Zu schnell treten die »Pionierinnen«, wie im Heinz Nixdorf Museumsforum, neben die »Pioniere«. Zu schnell erscheint das Etikett »anders«. Eher wären die Mechanismen
32
{ Das Öffnen der black box }
3
der Mythisierungen von Pionier*innen zu untersuchen und das komplexe strukturelle und kulturelle Gelecht des Genderings und seiner gesellschaftlichen Konsequenzen in den Blick zu nehmen.
Wie zu Beginn bereits erwähnt, kritisierte die Genderforschung die frühe frauenforschung, sie sei zu sehr in den historisch beobachteten Phänomenen steckengeblieben und habe beispielsweise die angebliche Technikferne der
frau zum Ausgangspunkt des fragens gemacht, um diese historisch zu erklären, ohne sie selbst zu hinterfragen. Dabei reproduzierte die fragestellung, so
der Vorwurf, zugleich ein Stereotyp, auch wenn es als Effekt gesellschaftlicher
Mechanismen aufgezeigt wurde.
In diesem Sinne muss sich die Technikgeschichtsschreibung heute überlegen, ob die noch immer vorhandene, grundsätzlich binäre Prämisse des fragens
problematisiert werden muss. Historische Studien gehen üblicherweise von der
Dichotomie von Männlichkeit und Weiblichkeit aus, um deren jeweilige Konstruiertheit und Wandelbarkeit aufzuzeigen. Sie entlarven diese als gemacht und
zeigen ihre Wirkmächtigkeit auf. Untersucht wird, wie binäre Geschlechterordnungen hergestellt und immer wieder stabilisiert wurden und werden, welche
Rolle Technik dabei spielte und wie dies die lebenswirklichkeit von Männern
und frauen prägte.
Aus Sicht von Historiker*innen ist dies zuerst einmal unabdingbar. Es
gehört zu einer kritischen Geschichtsschreibung, die Gemachtheit der Geschlechterordnungen sowie ihre gesellschaftlichen Konsequenzen aufzuzeigen. Denn diese Dichotomien waren und sind ausgesprochen wirkmächtig. Gleichwohl : Die
Prämisse des fragens wird nicht hinterfragt. Historische Arbeiten zeigen die
Wirkmächtigkeit dualistischer Konzepte auf und verharren damit gleichzeitig in
ihnen. Studien, die nach den binären Geschlechterkonstruktionen suchen, zeigen
diese in der Regel auch auf. Ansätze und Impulse aus den queer studies sind bislang in der Geschichtsschreibung kaum aufgenomVgl. Hark 2013 ; Degele 2008 ; landström 2007.
Einen Versuch, queer studies in science and techmen worden.3 Eine Debatte um die grundsätzliche
nology studies fruchtbar zu machen, unternimmt
Problematik von Kategorien, um das »Elend der
auch die Arbeitsgruppe Queer Science and TechDualismen«, wurde bislang nicht geführt. Die Hisnology Studies am Interdisziplinären forschungszentrum für Technik, Arbeit und Kultur ( IfZ ) der
torikerinnen Heinsohn und Kemper begründen dies
Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, vgl. URl :
in einem Überblicksartikel zur historischen Genderhttp://tinyurl.com/QueerSTS ( 8. 8. 2016 ) ; vgl.
forschung mit der historischen Realität :
zudem Michaelis u. a. 2012.
33
{ Martina Heßler }
»Die Deinition von [Joan M. H.] Scott bleibt trotz der geäußerten Kritik für die historische forschung jedoch sehr ertragreich, weil diese die gesellschaftlichen Machtverhältnisse und ihre Reproduktion in Diskursen über Männlichkeit oder Weiblichkeit ins
{ Das Öffnen der black box }
indem sie von Assemblagen ausgeht, der steten Rekoniguration verschiedener
Elemente. »Doing gender« ist dann, schreibt sie,
»an on-going movement, where associations with bodies, norms, knowledge, interpret-
Zentrum stellt und kritisch relektiert. Doch wird zugleich der Abstand zwischen den
ations, identities, technologies, and so on, are made and unmade in a complex way. Thus,
geschlechterhistorischen Arbeiten einerseits und der neueren theoretischen feministi-
gender is luid and lexible because new associations are established, while old ones are
schen Diskussion andererseits immer größer. Die quellengestützte historische Erzählung
dissolved« ( lagesen 2012 : 444 ).
kann zwar heteronormative Vorgaben und Zurichtungen vergangener Epochen historisieren und problematisieren, aber sie kann kaum gleichzeitig den politischen Ansatz
›queerer‹ Theorien operationalisieren, um diejenigen Kategorien aufzulösen, die sie historisch untersuchen will« ( Heinsohn / Kemper 2012 ).
Zweifellos ist es aus historischer Sicht nicht möglich, die Kategorien von männlich und weiblich sowie die duale Geschlechterordnung für die historische Arbeit
zu ignorieren. Zu wenig wird jedoch die frage nach dem Durchlöchern dieser
binären Ordnungen, nach Vermischungen, Uneindeutigkeiten und Zwischenräumen gestellt. Statt vorrangig auf die Stabilisierungen und die Wirkmächtigkeit
polarer Gendervorstellungen zu schauen, wäre innerhalb der Technikgeschichte gleichermaßen nach Krisen der Genderkonzepte, nach Erosionen, nach dem
Verletzen von Normen und gesellschaftlichen Erwartungen, vor allem aber nach
nicht eindeutigen Zuschreibungen oder Praktiken zu fragen. Zu stark, könnte
man sagen, leitete die Empörung über die Wirkmächtigkeit von hierarchischen,
binären Geschlechterordnungen die historische forschung an. Dabei verschwanden diejenigen Menschen, Praktiken, Objekte, die nicht mit diesen Kategorien
zu fassen sind, aus dem fokus der forschung.
Historisch wirkmächtige Kategorien sollten jedoch nicht den Blick auf
das versperren, was historisch nicht in die Kategorien passt. D. h., es gilt eine
weitere black box zu öffnen : die der dualen Geschlechterordnung. Eine Verwunderung über binäre Codierung täte not, um sie als Grundkategorien stärker in
Zweifel zu ziehen.
Während innerhalb der Technikgeschichtsschreibung binäre Hierarchisierungen von Mensch und Maschine mittlerweile kritisch kommentiert werden
und hier beispielsweise auf die Actor-Network-Theorie referiert wird, geschieht
dies nicht im Hinblick auf Genderaspekte. Vivian Annette lagesen diskutierte
in diesem Sinne, ob die Akteur-Netzwerk-Theorie einen Beitrag leisten könne,
34
Gender wird in dieser logik nicht mehr als binäre Konstruktion untersucht. Stattdessen geraten verschiedene Geschlechter, die sich stets verändern, neu kombinieren und komplex zusammenwirken, in den Blick. Geschlecht wird dabei nicht
in einem engen Gelecht verschiedenster Merkmale betrachtet.
Hier sind theoretische Herausforderungen zu bewältigen, die für die (Technik- )Geschichtsschreibung schwieriger zu beantworten sind als beispielsweise
für soziologische oder auch ethnologische forschungen. Denn die Geschichtswissenschaft ist auf die Überlieferung vergangener Dokumente, Objekte und Bilder angewiesen. lediglich mittels Oral History kann sie sich für die jüngere Zeit
selbst empirische Daten beschaffen. Viele wichtige forschungsfragen stoßen an
die Grenzen der Überlieferung. Vieles zeigt sich nur aus der Perspektive des für
die Zeitgenossen Problematischen, indem etwas kriminalisiert, problematisiert,
beschimpft wird, eine zweifellos für gesellschaftliche Normierungsprozesse aufschlussreiche, jedoch zugleich enge Perspektive. Die Ebene der Erfahrungen,
Wahrnehmungen und Praktiken sowie der Selbstdeutungen ist schwieriger zu
erforschen. Gleichwohl : Dies kann kein Grund sein, die Herausforderung nicht
anzugehen und den nächsten Schritt nicht zu tun.
Martina Hessler , Professur für Neuere Sozial-, Wirtschafts- und Technikge-
schichte an der Helmut-Schmidt-Universität, Universität der Bundeswehr Hamburg. forschungsschwerpunkte sind die Stadt- und Technikgeschichte des 20.
Jahrhunderts, insbesondere das Mensch-Maschinen-Verhältnis.
35
{ Martina Heßler }
{ Das Öffnen der black box }
lANDSTRÖM, Catharina ( 2007 ) : Queering feminist Technol-
In : Krämer, Sybille ( Hg. ) : Ada lovelace. Die Pionierin
lATOUR, Bruno ( 2002/1999 ) : Die Hoffnung der Pandora.
der Computertechnik und ihre Nachfolgerinnen. Pader-
Untersuchungen zur Wirklichkeit der Wissenschaft.
literaturnachweis
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37
gabriele
WoHlauF1
»RIN IN DIE BUDE
MIT DER fRAU!«
die GeschlechTerFraGe und das
berliner TechnikMuseuM 1985–2006
1 für ihre Unterstützung und kritische lektüre danke
ich Helga Satzinger ( london, Berlin ), Astrid Venn,
Claudia Schuster, Dagmar Heymann ( alle Berlin ),
Marion Tichomirowa ( freiberg ) und Ilona Scheidle
( Mannheim ). für ihre Hilfe bei meinen Recherchen
im Archiv und in der Bibliothek des DTMB danke ich
Elisabeth Schares, Jörg Schmalfuß, Andreas Curtius
und Clemens Kirchner.
A BSTRACT
der Text zeigt die anfänge geschlechtergeschichtlicher
arbeiten im Museum für verkehr und Technik ( MvT ) berlin
im rückblick. 1985 wurde hausarbeit als eigenständiges
sammlungsgebiet gleichberechtigt neben der Produktionstechnik etabliert. diese erweiterung gelang durch vielfältige
kooperationen und kontakte mit Frauen aus nationalen
und internationalen Museen und außeruniversitären Frauenforschungsprojekten. ausgehend von dieser autonomen
Frauenforschung vernetzten sich naturwissenschaftlerinnen,
Technikerinnen und Gesellschaftswissenschaftlerinnen
in arbeitskreisen, informellen Printmedien, kongressen sowie
in neu gegründeten vereinen. das MvT ermöglichte in
seiner Gastgeberrolle Tagungen / Workshops und war ein
wichtiger knotenpunkt dieses netzes und persönlicher
kontakte. außerdem sammelt das Museumsarchiv zahlreiche
archivalien dieser aktivitäten und außeruniversitärer
Frauenverbände, die heute eine reiche ressource zukünftiger
Forschungsarbeiten sind.
r
»
in in die Dinger mit der frau !« lautete Claire Waldoffs musikalischer Schlachtruf der 1920er Jahre, mit dem sie die aktive Präsenz von frauen
in öffentlichen Räumen wie dem Parlament einforderte. Es sei dem Anliegen
vorangestellt, von den vielfältigen Aktivitäten zu berichten, die seit Beginn der
1980er Jahre dazu beitragen, das Thema frauen, Geschlechterverhältnisse und
Technik als ein relevantes Arbeitsfeld im Berliner Technikmuseum und anderen bundesweiten Institutionen zu entwickeln. Allerdings konnte das Thema
nicht dauerhaft und systematisch in der gegenwärtigen Museumsarbeit verankert werden. Bei meinem Zeitzeuginnenbericht stehen theoretische Analysen
dieser Geschichte nicht im Vordergrund. Es geht vielmehr darum, im Hinblick
auf ihre künftige historische Erforschung Eckpunkte dieser Entwicklung, der
Akteurinnen und der schwer zugänglichen Spuren darzustellen, die wesentlich
durch personelle — und lediglich temporäre institutionelle — Zusammenhänge
der frauenbewegung getragen wurde.
Institution Berliner Technikmuseum
Das Berliner Technikmuseum wurde 1982 als Museum für Verkehr und Technik
( MVT ) gegründet, 1996 in Deutsches Technikmuseum Berlin ( DTMB ) umbenannt,
2001 in die Stiftung Deutsches Technikmuseum Berlin ( SDTB ) überführt und
heißt heute Deutsches Technikmuseum ( DTM ). Ein Museum ist ein sehr eigener Ort der Wissensproduktion und -vermittlung. Die für das Publikum sichtbaren Ausstellungen sind nur ein wesentlicher Arbeitsbereich. Sie stehen am
Ende einer langen Kette von Aktivitäten, die zum größten Teil unsichtbar bleiben.
Bevor Ausstellungen konzipiert werden können, sind Entscheidungen zu fällen :
Was wird gesammelt, was ist relevant, was kann in Zukunft von Bedeutung sein ?
In den frühen 1980er Jahren waren frauen und ihre Arbeit, die geschlechtsspeziische Entwicklung und Nutzung von Technik und deren folgen kein Thema,
weder an Universitäten noch an Museen. Es bedurfte neuer forschungsarbeit und
vielfältiger politischer Aktivitäten. Es ging um Grundsätzliches, was durchaus
41
{ Gabriele Wohlauf }
als Paradigmenwechsel bezeichnet werden kann : die Kritik an der Geschlechterhierarchie, an der geschlechtsspeziischen Arbeitsteilung und dem Verständnis von Technik als männlich geprägtem Terrain.
Das MVT wollte sich als Neugründung gegenüber dem etablierten Deutschen Museum in München mit einem eigenständigen Proil positionieren. Dazu
gehörte insbesondere die Abkehr von einem unhinterfragten Zelebrieren technischen fortschritts durch die Aktivitäten genialer Wissenschaftler und Ingenieure.
Dadurch ergaben sich Handlungsräume, um alltags- und geschlechtergeschichtliche fragestellungen in die Museumsarbeit einzubringen.
feministische Debatten um Produktion und Reproduktion
Zentraler Ansatzpunkt war die damals übliche Trennung der Arbeit in ( weibliche, unbezahlte ) Reproduktion und ( männliche, bezahlte ) Produktion. Der Blick
auf Hausarbeit und Haushaltstechnik ermöglichte es, die Reproduktionsarbeit
und die damit verbundenen Techniken als relevant für ein Technikmuseum zu
behaupten und gleichrangig neben die Produktionstechnik zu stellen. Hierfür war
ein langwieriger und umkämpfter Umwertungsprozess nötig, um die als weiblich
konnotierten Arbeitsbereiche aufzuwerten und als wichtig anzuerkennen. Dabei
arbeiteten Museumsfrauen auf nationaler und internationaler Ebene zusammen.
Das Industriemuseum Nürnberg stellte 1983 ein für die BRD neuartiges Sammlungskonzept vor, zu dem der Bereich Hauswirtschaft gehörte. Die Exponate
wurden gemeinsam mit den Berichten der frauen über die Nutzung der Geräte
präsentiert. Im Historischen Museum frankfurt zeigten die Kuratorinnen 1985
ebenfalls eine Ausstellung Küchen und Puppenküchen 1800-1980, womit sie den
Bedeutungsverlust der frau und ihrer Arbeit im ökonomischen Bereich Haus
illustrierten. Im selben Jahr öffnete in Wiesbaden das erste frauenmuseum in
Deutschland seine Tore mit der Ausstellung Leben in Bewegung — Frauen in
Wiesbaden 1850 bis heute, die zu einem großen Publikumserfolg wurde. Der Hamburger Arbeitskreis Frauen entwickelte 1985 eine Ausstellung zur Hausarbeit
mit dem Schwerpunkt Große Wäsche anlässlich der Eröffnung des Museums der
Arbeit. Elisabeth von Dücker gelang es, in dem nicht rein technikgeschichtlich
ausgerichteten Museum der Arbeit in Hamburg die bundesweit einzige Dauerausstellung Frauen und Männer, Arbeits- und Bilderwelten von 1997 bis 2009 zu
42
{ »Rin in die Bude mit der frau !« }
etablieren. Hier wurden die Arbeitsbereiche von Männern und frauen als gleichwertig präsentiert und geschlechtsspeziische
Zuständigkeiten, insbesondere in Bezug
auf Kinder, aufgehoben ( vgl. von Dücker
2013 : 269ff. ).
In den 1980er Jahren war es für die
Aufwertung des Themas frauen und Technik bei der Berliner Museumsleitung von
zentraler Bedeutung, an die internationalen Aktivitäten von Wissenschaftshistorikerinnen in der Commission on the History
abb. 1 | küchenausstellung unter der Treppe im MvT
of Women in Science, Technology and Medi( »Treppenwitz« ). berlin 1985. © stiftung deutsches Technikcine der International Union of the Histomuseum. Foto : clemens kirchner
ry and Philosophy of Science anknüpfen zu
können : Éva Vámos ( 1950–2015 ) am Budapester Nationalmuseum der Naturwissenschaften und Technologie, Brigitte Hoppe am Deutschen Museum München
und Margaret Rossiter in den USA , die bahnbrechende Studien zur Geschichte
der frauen in den Naturwissenschaften der USA vorlegte.
Éva Vámos vermittelte uns frauen im MVT Kontakte zu Kolleginnen in
Technikmuseen in Dänemark und Schweden, die ebenfalls an der Platzierung
des Themas und Sammlungsgebietes Hausarbeit arbeiteten. Wir planten mit
Éva Vámos am Budapester Museum in diesem Zeitraum eine Wechselausstellung
zum Thema Industrielle Revolution im Haushalt, die 1990/1991 in ihrer Weiterentwicklung allerdings nur kurze Zeit in Budapest gezeigt wurde.
Die vielfältigen Kooperationen mit diesen frauen aus nationalen und internationalen Museen, die durch die Aktivitäten der Neuen Frauenbewegung ermöglicht wurden, waren entscheidend, um im MVT eine neue Sammlungskonzeption
zu erarbeiten, in der die Produktions- durch die Haushaltstechnik erweitert wurde ( vgl. Wohlauf 1987 : 142ff. ).
Eine Ausstellung zur Haushaltstechnik am MVT wurde 1985 unter der
Treppe im Eingangsbereich gezeigt und daher als Treppenwitz der Technikgeschichte berüchtigt.↑ abb. 1 Es misslang, einen der Relevanz des Themas adäquaten Platz im Ausstellungsbereich eingeräumt zu bekommen. Themenfelder (z. B.
43
{ Gabriele Wohlauf }
Auto, Motorrad, Eisenbahn, flugzeug, Druck- und Papiertechnik ) wurden regelmäßig als männlich und daher als wichtiger erachtet. Die Küche unter der Treppe fristete bis auf Weiteres ein Schattendasein und wurde zeitweise sogar durch
ein großes Wasserrad verdeckt ; Platzmangel wurde immer als Argument für
die Prioritätensetzung genutzt.
Um die Sammlung der Haushaltstechnik weiter ausbauen und vor allem
auch öffentlich präsentieren zu können, waren Kontakte zu außeruniversitären
frauenforschungsprojekten in West-Berlin äußerst hilfreich, darunter das frauen-forschungs-Bildungs-Informationszentrum ( ffBIZ ) und die Berliner frauen-Kultur-Initiative ( BfKI ). Gemeinsam gelang es, das Thema frauenarbeit mit
dem Schwerpunkt Hausarbeit im Rahmen der Ausstellung Kein Ort Nirgends
im Künstlerhaus Bethanien in Berlin-Kreuzberg anlässlich der 750-Jahr-feier
Berlins 1987 zu präsentieren ( vgl. Wohlauf 1987 : 142ff. ). Mit großem Engagement versuchten bundesweit fachfrauen, das Thema frauenarbeit in weiteren
industrie-, sozial- und technikgeschichtlichen Museen zu etablieren. Sie scheiterten allerdings ( bis auf Hamburg ) langfristig an fehlender finanzierung.
Aufgrund dieser Erfahrungen hatten von Anfang an der Arbeitskreis Frauen und Elisabeth von Dücker im Museum der Arbeit Hamburg eine Quotierung
von Ausstellungs- und Depotlächen sowie Personal gefordert, um eine gleichberechtigte, dauerhafte Präsenz von frauen und ihren Arbeitsbezügen in der
Erwerbs- und Hausarbeit zu erreichen. Damit wurde eine grundlegende Debatte in der Museumslandschaft angestoßen.
Am MVT war es in den späten 1980er Jahren möglich, Haushaltstechnik
kurzfristig auszustellen, aber nur unter produktionstechnischen Aspekten, womit
das Thema Geschlecht verschwand. Dennoch gelang es, Geräte und Informationen zur Haushaltstechnik langfristig und nachhaltig zu sammeln. In einer kleinen, temporären Sonderausstellung zur Geschichte des Wäschewaschens wurden
am MVT zum ersten Mal mit Waschmaschinen solche Maschinen, die nicht zur
klassischen Gruppe der Werkzeugmaschinen gehören, Bestandteil einer Technikausstellung und somit häusliche frauenarbeit mit männlicher Produktionsarbeit gleichgestellt. Männliche Besucher und Kollegen waren von der großen
Vielfalt maschinengestützter Waschverfahren überrascht, die sie sonst nur im
Bereich der klassischen technischen Produkte der Verkehrsmobilität kannten
und bewunderten. Diese Vielfalt zeugte in ihren Augen von einer hochentwi44
{ »Rin in die Bude mit der frau !« }
ckelten, männlichen Ingenieursarbeit und
half ironischerweise bei der Entscheidung
des Museums, in Zukunft der Sammlung
Haushaltstechnik im Depot den erforderlichen Platz einzuräumen.
Thematisch unproblematisch war es
danach, die Kofferproduktion mit Material
einer Coburger Kofferfabrik als erste Ausstellungseinheit zum Thema Alltagsleben,
Produktionstechniken und geschlechtsspezifische Arbeitsteilung aufzubauen.
Die Kofferherstellung ist ein Beispiel
für einen gesellschaftlich unhinterfragabb. 2 | einrichtung der Maschinen zur kofferherstellung.
vermittlung des erfahrungswissens der Firmeninhaberin
ten geschlechtsspeziischen Umgang mit
charlotte könig an Gabriele Wohlauf ( MvT ). berlin 1987.
Technik, wonach Männer die Maschinen
© stiftung deutsches Technikmuseum. Foto : clemens kirchner
einrichten und frauen die Maschinen lediglich bedienen. Allerdings war es von entscheidender Bedeutung für den Aufbau
der Ausstellung, dass eine frau, nämlich die letzte firmeninhaberin, das notwendige Erfahrungswissen über die Produktionsverfahren übermitteln konnte.↑ abb. 2 Die bis heute zu sehende Ausstellung Kofferproduktion dokumentiert das
übliche Wirtschaften mit der Geschlechterordnung ( vgl. Hausen 1993 ), wonach
frauen bei gleicher Arbeit an den Maschinen 20 bis 30 Prozent weniger lohn
als Männer erhielten und sich selbst als Zuverdienerinnen zum familieneinkommen verstanden.
10 Jahre später stellte ich die frankfurter Küche, entworfen von der
Architektin Margarete Schütte-lihotzky, erstmals in einem Technikmuseum aus.
Anstatt die Architektin als vergessene, frühe Pionierin aus dem avantgardistischen Bauhaus-Umfeld zu heroisieren, stellte ich ihren Rationalisierungsentwurf
aus feministischer Perspektive in frage. In meiner Interpretation normierte
die frankfurter Küche Hausarbeit und zementierte weibliche Zuständigkeit im
Zuge der Rationalisierungsdiskussion der 1920er Jahre — oder, wie es Barbara Orland formulierte : »Die Hausfrau […] wurde […] zu ihrer eigenen Betriebsleiterin […] mit der Stoppuhr […] in der Hand […]« ( Orland 1983 : 222 ) ; die
geschlechtsspeziische Arbeitsteilung wird nicht hinterfragt, im Gegenteil, sie
45
{ Gabriele Wohlauf }
wird sogar in die Architektur eingeschrieben. Die Geschichte der Haushaltstechnik
erwies sich im lauf der 1990er Jahre als
ein höchst produktiver forschungszweig
in den unterschiedlichsten universitären
fachdisziplinen. Bis heute wird die Technik- und Geschlechterforschung am Beispiel der Hausarbeit / Haushaltstechnik von
fast allen namhaften forscherinnen international auf kreative und höchst spannende Weise weiterentwickelt. Ein besonders
eindrückliches Beispiel hierfür stellt die
Arbeit Cold War Kitchen dar, die die Entwicklung der Haushaltstechnik nach 1945
als zentralen Austragungsort der Ost-WestKonkurrenz im Kalten Krieg untersucht
( Oldenziel / Zachmann 2008 ). Hausarbeit
war und ist keine weiblich / häusliche Privatangelegenheit, sondern immer gesellschaftlich, politisch und technologisch
verfasst.
{ »Rin in die Bude mit der frau !« }
Seit den späten 1970er Jahren organisierten Naturwissenschaftlerinnen und
Technikerinnen unter dem Namen fiNuT bundesweite Kongresse und öffentlichkeitswirksame Aktionen zu ihrer Situation im Beruf und zur Auseinandersetzung
mit der Entwicklung von Naturwissenschaft und Technik. Diese Aktivitäten lieferten Grundlagen für heutige frauenfördermaßnahmen in naturwissenschaftlichen und technischen Berufen ( z. B. MINT ).
Ein typisches Beispiel ist die Klo-Aktion auf dem fiNuT-Kongress 1981 in
Hannover.↑ abb. 3 frauen aus technischen Berufen machten öffentlichkeitswirksam
darauf aufmerksam, dass die gesetzliche Vorschrift, in Betrieben geschlechtlich
getrennte Toiletten haben zu müssen, dazu führte, dass frauen in von Männern
dominierten Berufen und Betrieben lediglich wegen mangelnder Toiletten gar
nicht erst eingestellt wurden. Diese Aktion gab der Historikerin Karin Hausen
und späteren Gründerin des ZIfG ( Zentrum für Interdisziplinäre frauen- und
Geschlechterforschung ) an der TU Berlin den Anlass, die Geschichte der gesetzlichen Regelungen für Arbeitsplätze zu untersuchen. Sie förderte ein über mehr
als 100 Jahre wirksames Ausschlussverfahren von frauen aus technischen Berufen zutage ( vgl. Hausen 1992 ). Zur »Wahrung der Sittlichkeit« in fabriken wurde eine vormals gemeinsame Arbeit von Männern und frauen auf verschiedene
Räumlichkeiten, inklusive der Sanitäranlagen, aufgeteilt. Das hatte zur folge,
dass Männer und frauen für die gleiche Arbeit unterschiedlich bezahlt werden
konnten und ein neues Selbstverständnis entstand, wonach frauenarbeit und
Technik unvereinbar sei. Die historische Aufarbeitung zeigte nur zu deutlich, wie
scheinbar natürliche Geschlechterdifferenz durch arbeitsrechtliche Regelungen
hergestellt und Technik als männliches Terrain stabilisiert wurde.
Seit Beginn der 1980er Jahre wurde Technikentwicklung, -nutzung, -umgestaltung und Technikfolgen in Beziehung zur jeweiligen Geschlechterordnung
ihrer Zeit untersucht. Ein wesentliches Merkmal dabei war eine synergetische
Vernetzung der Akteurinnen. Ingenieurinnen, Soziologinnen, Historikerinnen,
Naturwissenschaftlerinnen, Aktivistinnen, Politikerinnen arbeiteten national,
international und interdisziplinär zusammen.
Erste Veröffentlichungen von feministinnen zum Themenfeld frauen,
Naturwissenschaft, Technik und Berufsarbeit förderten völlig neue Erkenntnisse über die historische Rolle von frauenarbeit und Technikentwicklung zutage.
Das zeigt zum Beispiel die Geschichte weiblicher Angestellter im Kaiserreich,
die eigenständige frauenberufsorganisationen schufen, im Umfeld der damals
modernen Technikbereiche Telefon, Telegraph, Schreibmaschine und Diktaphon ( vgl. Nienhaus 1982 ). Erfahrungsberichte von zeitgenössischen Naturwissenschaftlerinnen und Technikerinnen verdeutlichten die verschiedensten
Ausgrenzungsmechanismen, mit denen sie in ihren Berufen konfrontiert waren
( vgl. Berghahn u. a. 1984 ). Ingenieurinnen in der BRD vernetzten sich in eigenen Berufsverbänden und sagten dem Slogan »Technik ist doch reine Männersache« den Kampf an. Wissenschaftlerinnen rebellierten in den Hochschulen
mit der damals provokanten frage Wie männlich ist die Wissenschaft ? ( Hausen / Nowotny 1986 ).
46
47
abb. 3 | »klo-aktion« anlässlich des FinuT-kongresses in
hannover. 1981. © dagmar heymann
frauenaktivitäten und frauennetzwerke
{ Gabriele Wohlauf }
{ »Rin in die Bude mit der frau !« }
Die historische frauenforschung und feministische Wissenschaftskritik
gewann an Momentum, was sich zunächst in Tagungen an Museen niederschlug.
Das Deutsche Museum München präsentierte sich in seinen Pressemitteilungen
als Hochburg männlicher Intelligenz. Ausgerechnet dort untersuchte 1986 der
Kongress Naturwissenschaften und Technik — doch Frauensache ? den Zusammenhang zwischen der systematischen Nichtbeteiligung von frauen an der Wissenschafts- und Technikentwicklung und der Qualität von ebendieser Technik
sowie der Art des daraus hergestellten Wissens. Im Einleitungsvortrag formulierte Erika Hickel diesen Sachverhalt streitlustig und klar: Entstellt männliches
Denken die Naturwissenschaft ? Kritik und Gegenentwurf aus der Sicht der Frauenforschung ( Hickel 1987 ). Die Herausgabe des Tagungsbandes verlangte eine
einjährige, zähe Arbeit von der Tagungsorganisatorin Margot fuchs, die letztlich ernüchtert feststellen musste : »Der Verwirklichung des im Abschluß-Plenum geäußerten Wunsches, im Deutschen Museum historische frauenforschung
im Bereich der Naturwissenschaften und Technik zu etablieren, stehen unüberwindbare Schwierigkeiten entgegen«, die auf einer frauen diskriminierenden
Geschlechterordnung basieren ( fuchs 1987 ). Es erforderte einen langen Atem
und Innovationsfreude, um außerinstitutionellen Aktivitäten und forschungen
Zugang zu den Universitäten zu ermöglichen und über diesen Weg das Thema
Technik und Geschlecht wieder in die Museumsarbeit einzubringen.
Ebenfalls in den 1980er Jahren entwickelte Karin Hausen mit ihren forschungen zu Ingenieuren, technischem Wandel und Geschlechterbeziehung die
historische Wissenschafts- und Technikforschung als interdisziplinäre Geschlechterforschung an der Technischen Universität Berlin. Gleichzeitig sorgte sie
gemeinsam mit anderen dafür, mit Hilfe des besonderen förderungsinstruments
der Kommission frauenforschung, angesiedelt bei der Senatorin für familie,
Jugend, frauen des Westberliner Senats, außeruniversitäre, selbst geschaffene
Arbeitszusammenhänge der frauenforschung in Verbindung mit der Neuen Frauenbewegung inanziell abzusichern. Seit 1988 wurden ›freischwebende‹ wissenschaftlich und künstlerisch tätige frauen, ihre forschungszusammenhänge sowie
innovative forschungsvorhaben gefördert ( vgl. Senatsverwaltung 1989 ). Von den
Antragstellerinnen hatten über 80 Prozent einen Hochschulabschluss, aber keine Stellen an Universitäten. Ihr kreatives und analytisches Potential sowie ihre
vielfältigen lebenserfahrungen sollten mit Hilfe des förderprogramms der uni-
versitären forschung neue Ansätze und Arbeitsfelder eröffnen. Hierzu gehörte
auch die feministische Wissenschafts- und Technikkritik.
Ein von der Kommission gefördertes, erstes internationales Kolloquium
Science and Gender fand 1990 an der Technischen Universität Berlin statt. Im
gleichen Jahr organisierte der Arbeitskreis Interdisziplinäre Frauenstudien zu
Naturwissenschafts- und Technikforschung eine weitere Tagung mit dem Thema Männertechnik und Frauenwelt in Dortmund. Als höchst produktiv erwies
sich die Zusammenarbeit mit Gerda Tornieporth, die seit den 1970er Jahren an
der Technischen Universität Berlin die Rollenklischees in der Schulausbildung
am Beispiel der Arbeitslehre in den fächern Haushalt, Technik, Wirtschaft und
Textil erforschte ( vgl. Tornieporth / Bigga 1994 ). 1994 forderte sie gemeinsam
mit Regina Bigga eine »integrierte Arbeitswissenschaft« unter Einbeziehung
kritischer Ansätze aus der frauenforschung ( ebd ). Gleiches gilt für die Arbeiten
von Hedwig Rudolph und Doris Janshen an der Technischen Universität Berlin
zum Habitus von Ingenieurinnen ( vgl. Janshen / Rudolph 1987 ).
Die gemeinsamen Aktivitäten von Naturwissenschaftlerinnen, Ingenieurinnen und Technikerinnen, Historikerinnen und Soziologinnen, beginnend in
den 1980er und ausgeprägt in den 1990er Jahren, entwickelten eine beträchtliche Dynamik. Es gab eine Reihe von Printmedien, die nicht an universitäre
Disziplinen gebunden waren und einen schnellen Informationsaustausch ermöglichten. Dazu gehörten :
— Hypathia : Zeitschrift des Arbeitskreises historische frauen- und
Geschlechterforschung der frauen-Anstiftung ( 1990 bis 1999 )
— Koryphäe : Medium für feministische Naturwissenschaft und Technik
( 1986 bis 2009 )
— Wechselwirkung : Zeitschrift für Technik, Naturwissenschaft und
Gesellschaft ( 1978 bis 2009 )
— Beiträge zur feministischen Theorie und Praxis ( 1978 bis 2008 )
— feministische Studien ( 1982 bis heute )
— Geschichtswerkstatt ( 1983 bis 1992 ) und WerkstattGeschichte
( 1992 bis heute )
Sozial-, Alltags-, Wirtschafts- und Technikgeschichte, frauen- und Geschlechtergeschichte, Geschichte der Erwerbsarbeit im Zuge der Industrialisierung sowie
Arbeitswissenschaften und Arbeitslehre wurden zu neuen forschungsgebieten
48
49
{ Gabriele Wohlauf }
{ »Rin in die Bude mit der frau !« }
für die Klärung des Zusammenhanges Wissenschaft, Technik und Geschlecht ;
das Thema wurde zunehmend ein seriöses akademisches forschungsgebiet. Das
MVT ermöglichte mir als Aktivistin der frauenbewegung und Museums-Vertreterin die aktive Teilnahme an diesen Netzwerken.
Das Museum diente häuig als Knotenpunkt dieses produktiven Netzes. Eine erste Bibliotheks- und Archivsystematik zum Thema frauen in Naturwissenschaft
und Technik wurde bereits ab 1978 in autonomen frauenforschungseinrichtungen
und -archiven entwickelt, darunter im Berliner ffBIZ . Durch meine Vermittlung
wurde diese Systematik in der Bibliothekssystematik des MVT aufgenommen.
Infolgedessen verfügt das MVT bzw. das heutige Deutsche Technikmuseum über
eine umfangreiche literatursammlung zum Thema frauen / Gender und Technik, die in der Bibliothek unter dem Schlagwort Gender / frauen ausgewiesen ist.
Die Umsetzung des forschungsstandes in entsprechende Ausstellungen
erwies sich weiterhin als Problem. »Die Kategorie ›Geschlecht‹ [meint] keinen
Sonderfall — nämlich frau […, sondern eine] grundlegende Kategorie sozialer,
kultureller, historischer Realität, Wahrnehmung und forschung« ( Bock zit. n.
Wohlauf 1993 : 25 ). Trotz Gisela Bocks Diktum war Anfang der 1990er Jahre in
der üblichen Museumspraxis die Tendenz zu verzeichnen, dass nur »Teilaspekte
von frauengeschichte zu der bisher dargestellten Geschichte hinzugefügt oder
die ständige Ausstellung um den ›frauenaspekt‹ punktuell erweitert wurden«
( ebd. ). Die Technikgeschichte war, wie Doris Janshen feststellte, fest in Männerhand ( vgl. Janshen 1990 ). Das übliche »Bild der frau in der Arbeitswelt«, so
Karin Hausen, war eindeutig charakterisiert : Es entsprach der im 19. Jahrhundert entwickelten und noch gegenwärtigen »Polarisierung der Geschlechtscharaktere« ( Hausen 1993 ). Es war noch ein weiter Weg »zu einem Museum, das die
strukturelle Geschlechterdifferenz zur Grundlage einer Konzeption von Sammlung und Präsentation nimmt« ( Wohlauf 1993 : 27 ).
Auf diesem Weg spielte das Berliner Museum eine wichtige Gastgeberrolle im wörtlichen Sinne und unterstützte mit seinen Ressourcen und Gästezimmern die Organisation und Durchführung von Workshops und Konferenzen,
die dem nationalen und internationalen Austausch von forschungsansätzen und
-ergebnissen dienten.
Dazu gehörte 1990 die erste innerdeutsche Ost-West-Begegnung über das
Institut für Wissenschafts-, Technik- und Wirtschaftsgeschichte der Technischen
Universität Dresden und das Institut für Wirtschaftsgeschichte der Akademie der
Wissenschaften der DDR ( Berlin ) sowie das Institut für Geschichtswissenschaft
an der Technischen Universität Berlin, aus der letztlich drei Buchpublikationen
hervorgingen. Das Hauptthema war frauenarbeit im 19. und 20. Jahrhundert
am Beispiel Textilindustrie, Post, Transportwesen, Metallindustrie ( BRD ), Produktionsarbeit ( DDR ), Berufswahl von Arbeitertöchtern, Sozialpolitik und frauenerwerbsarbeit ( vgl. Institut für Wirtschaftsgeschichte 1990 ; Hausen 1993 ;
Hausen / Krell 1993 ). Das MVT konnte in diesen Zusammenhängen seine Ausstellungskonzeptionen für den Bereich Produktions- und Haushaltstechniken
einbringen und erweitern. Die Problematik der geschlechtsspeziischen Arbeitsteilung und deren Sichtbarmachung wurden 1994 in alle Ausstellungsbereiche der
industriellen und handwerklichen Produktion sowie in der unbezahlten Hausarbeit integriert ( vgl. Wohlauf 1994 ). Diese erweiterte Ausstellungskonzeption für
den Sammlungsbereich Produktions- und Haushaltstechniken wurde im Rahmen
des Museumsausbaus Ladestraße jedoch nicht umgesetzt. Die neue Konzeption
für den Museumsausbau ( heute : Technoversum ) sieht sammlungsübergreifende
Ausstellungen vor ; dort wird die Geschlechterfrage nicht aufgegriffen.
Am MVT / an der SDTB fanden von 1994-1998 die ersten Workshops des
Arbeitskreises Frau und Technik der neu gegründeten Gesellschaft für Technikgeschichte ( GTG ) statt. Mit Karin Zachmann ging es uns darum, »Geschlecht
als eine nützliche Kategorie historischer Analyse im Sinne von J. W. Scott […]
fruchtbar zu machen« und seine zentrale Rolle in historischen Prozessen der
Technikentwicklung und -nutzung aufzuzeigen ( GTG 2016 ). Der Arbeitskreis
förderte zudem erfolgreich die dringend nötige Vernetzung von forscherinnen im wissenschaftlichen und musealen Umfeld. In den Workshops ging es um
Berufsfeldanalysen und Berufskonstruktionen, berufliche Identitätsbildung und
Körperlichkeit, Geschlechterdimensionen von Technikkompetenz sowie formen
technischen Wissens in Vermittlung und Erwerb ( ebd. ).
Eine weitere Dimension zum Verständnis des Zusammenhanges von
Geschlecht und Technik eröffnete vor allem Karin Zachmann ( damals noch Dres-
50
51
Das Berliner Technikmuseum als Knotenpunkt
und Überlieferungsort
{ Gabriele Wohlauf }
den ) mit ihren Studien über Ingenieurinnen in der DDR ( vgl. Zachmann 2004 ).
Sie baute gemeinsam mit Annie Canel ( Paris ) und Ruth Oldenziel ( Amsterdam )
das Europäische Netzwerk Frauen in der Technikgeschichte auf. Dieses Netzwerk führte 1999 in Zusammenarbeit mit der Konrad-Adenauer-Stiftung und
unterstützt vom SDTB in Berlin eine erste große internationale Tagung Frauen( t )raum Technik — Ingenieurinnen zwischen Geschichte und Zukunftsberuf
durch. Über 150 fachfrauen, darunter viele Pionierinnen aus der internationalen, feministischen Technik- und Wissenschaftskritik nahmen teil. Sie räumten in ihren Beiträgen noch einmal gründlich mit allen bisherigen weiblichen
Geschlechtsstereotypen auf, die mit dem Ingenieursberuf verbunden sind. Der
Tagungsband Crossing boundaries, building bridges, comparing the histories of
women engineers, 1870s–1990s dokumentiert diesen Sachverhalt höchst überzeugend ( vgl. Canel u. a. 2000 ).
Im Jahr 2006 agierte das SDTB als Gastgeber der von Regina Buhr organisierten und vom BMBf geförderten Konferenz Innovationen — Technikwelten,
Frauenwelten. Chancen für einen geschlechtergerechten Wandel des Innovationssystems in Deutschland ( vgl. Buhr 2006 ). Vertreter und Vertreterinnen aus
Politik und Gewerkschaften, Sozialwissenschaftlerinnen und Ingenieurinnen
behandelten die Bedingungen für frauen am technischen Arbeitsplatz im Hinblick auf ihre gleichberechtigte Präsenz. Die Tagung hat für das Museum und
sein Archiv nachhaltig eine besondere Bedeutung erlangt, da frauen in technischen Berufen, technische frauenberufsverbände und Technikforscherinnen dem
Archiv seitdem ihre Archivalien überlassen : Dazu gehört das durch ein 500 Seiten langes findbuch erfasste Archivmaterial von fiNut, die Original-Interviews
und die sozialwissenschaftlichen Untersuchungen von Habitus, Berufswahl von
Ingenieurinnen durch Hedwig Rudolph und Doris Janshen, die Dokumente und
Vereinsunterlagen vom Deutschen Ingenieurinnen Bund ( dib ) und die gesamte
Schriftenreihe sowie verschiedene Materialien von NUT e. V.2 Damit beherbergt
das heutige Deutsche Technikmuseum eine reiche Ressource für zukünftige
forschungsarbeiten. Mittels solcher Quellenbestän- 2 Archiv Stiftung Deutsches Technikmuseum Berde wird es möglich sein, die Geschichte des Themas
lin, Nl I.4 Nachlass Rudolph, VV I.3 Vereine und
Verbände, fiNut 11, Dib 12.
frauen, Geschlechterverhältnisse, Technik der letz3 Die Quellen zu den hier vorgestellten Aktivitäten vierzig Jahre zu bearbeiten und für weitere for- ten werden derzeit in der SDTB mit Verweis auf
Gender archiviert.
schung und Aktivitäten nutzbar zu machen.3
52
{ »Rin in die Bude mit der frau !« }
Gabriele WohlauF , Dr. phil 1950 ; 1975 bis 1983 Mitaufbau der Disziplin Tech-
nikgeschichte im Institut für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der Universität
Hamburg ; 1983 bis 1985 Kustodin für Produktionstechniken am landesmuseum
für Technik und Arbeit ( Mannheim ) ; 1985 bis 2015 Sammlungsleiterin für Produktionstechniken-Haushaltstechniken im Deutschen Technikmuseum Berlin ; Mitbegründerin : frauenarbeit in der Geschichte e. V. 1980 ( Hamburg ) ; Gesprächskreis
Technik in Geschichte und Gesellschaft 1982 ; Netzwerk Miss Marples Schwestern ( MMS ) 1990 ; Gesellschaft für Technikgeschichte e. V. 1992 ; Arbeitskreis
Frau und Technik 1992 in der Gesellschaft für Technikgeschichte ( GTG ) ; Mitund Vorstandsfrau ffBIZ e. V. ; Publikationen u. a. : Ulrich Troitzsch / Gabriele Wohlauf ( 1980 ) : Technikgeschichte. Historische Beiträge und neue Ansätze.
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54
daniela dörinG,
hannah FiTsch,
lisa bor,
Jülide Çakan
TECHNOlOGIEN
DER
GESCHlECHTER
ansäTZe Für eine
GenderGerechTe
und reFlexive
MuseuMsPraxis
A BSTRACT
der beitrag versammelt die ergebnisse des Forschungs- und
vernetzungsvorhabens »Gender Technik MuseuM.
strategien für Geschlechtergerechtigkeit in der sammlungs-,
ausstellungs-, vermittlungs- und Personalpolitik technischer
Museen«, das Geschlechterwissen und -politiken in technischen Museen untersuchte. in sechs kooperationsinstitutionen
wurden 40 expert*inneninterviews in den bereichen der
sammlungs-, ausstellungs-, vermittlungs- und Personalpolitik
geführt, um kompetenzen, strategien und herausforderungen für eine gendergerechte Museumspraxis sichtbar zu
machen. Wird Technik als kulturgeschichte von Technologien
verstanden, so zeigt sich verstärkt die Möglichkeit, geschlechtsgebundene und soziale kontexte und ungleichheiten zu
thematisieren. Geschlecht findet so nicht nur als punktuelle,
sondern als strukturelle kategorie eingang in die Museen
und bereichert die antworten auf die Frage, was für ein ort das
Technikmuseum heute sein kann.
d
ie Geschichte technischer Museen ist stark mit einer männlich dominierten fachkultur aus Ingenieuren, Wissenschaftlern, Experten, Pionieren und
Genies verbunden ( vgl. Paulitz 2012 ). Seit Anbeginn suchen technikhistorische
Sammlungen, funktionen, Meilensteine, Entwicklungen und leistungen von
Technologien zu dokumentieren, und sind so einem linearen fortschritts- und
Innovationsglauben verplichtet, der sich bis heute in den Museen — wenngleich
auf unterschiedliche Weise — meist als Verkörperung von Männlichkeit ausdrückt.
Trotz zahlreicher Studien der feministischen Technikforschung sowie bildungspolitischen Programmen und Maßnahmen für Inklusion und Chancengleichheit
hat sich daran bis heute kaum etwas verändert. In technischen Studienfächern,
Berufen und führungspositionen bilden frauen noch immer eine Minderheit
und auch die Repräsentation der Geschlechter in Technikmuseen hat sich nur
marginal gewandelt. Das Museum ist indessen nicht nur ein Ort der ( Re- )Produktion von Geschlechterverhältnissen, sondern kann diese zur Disposition stellen und neu verhandeln.
Das forschungs- und Vernetzungsvorhaben GENDER TECHNIK MUSEUM
untersuchte Geschlechterwissen und -politiken in technischen Museen. Es zielte
darauf ab, Wissensbestände, Kompetenzen, Best Practices und Bedarf hinsichtlich der Geschlechtergerechtigkeit in der Museumspraxis zu ermitteln. Durch
die Methode des Gendermapping, einer qualitativen Erhebung zur Kartierung
von Geschlechterverhältnissen, wurde der Status quo der Auseinandersetzungen, Handlungsfelder und Umgangsweisen mit der Kategorie Geschlecht in der
Sammlungs-, Ausstellungs- und Vermittlungstätigkeit sowie in der Personalpolitik in den ausgewählten Institutionen sichtbar gemacht. 40 Expert*innen in
fünf technischen Museen wurden interviewt und eine konkrete Ausstellung von
der Planung bis zur Realisierung kuratorisch und konzeptionell beraten. Zu den
Kooperationspartner*innen zählten das Deutsche Museum ( München ), das Technische Museum Wien, das Deutsche Technikmuseum ( Berlin ), das Militärhistorische Museum ( Dresden ), das Museum der Arbeit ( Hamburg ) und das Haus
der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte ( Potsdam ).
57
{ Döring · fitsch · Bor · Çakan }
{ Technologien der Geschlechter }
Werkzeugkasten
Es gibt weder das Museum noch die Museumspraxis. Museen sind institutionalisierte Orte, die von Individuen geschaffen und gestaltet werden. Museale
Praktiken müssen deshalb mehrschichtig und multiperspektivisch untersucht
werden, wobei institutionelle Strukturen, ebenso wie die Handlungsstrategien einzelner Akteur*innen, berücksichtigt werden sollten. Um den Untersuchungsgegenstand operationalisieren und analysieren zu können, sind detaillierte
Beschreibungen der verschiedenen Praktiken, Strukturen und Ebenen notwendig. Ziel der Untersuchung war es jedoch nicht, nach allgemeingültigen Gesetzen
zu suchen. Vielmehr lag der fokus der Analyse darauf, Bedeutungen zu eruieren und zu interpretieren. Die Methode des Gendermapping ist nicht als universelle Kartographie zu verstehen, sondern widmet sich der Sichtbarmachung
von geschlechtsbedingten Wissens- und Spannungsfeldern, fragen, Diskussionen und Herausforderungen.
Geschlecht als Analysekategorie
Seit den 1980er Jahren hat sich die frauen- und Geschlechterforschung verstärkt
dem Gegenstand der Technik und Naturwissenschaft zugewandt und sowohl
die ›Männermonokultur‹ als auch die Abwesenheit und Diskriminierung von
frauen problematisiert ( vgl. Ebeling / Schmitz 2006 ). Naturwissenschaftliches
Wissen versteht sich als positivistisch und wertneutral und führt instrumentelle und standardisierte Verfahren als Belege an. Dieser Objektivitätsmythos ist
jedoch durch gesellschaftliche, historische und geschlechtertheoretische Analysen dekonstruiert worden : Experimentelle und empirische Studien unterliegen
sozialen, kulturellen, geschlechtsspeziischen und ökonomischen Vorannahmen.
Die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Geschlechterforschung und Naturwissenschaft ist jedoch nicht nur spannungsreich, sondern für beide Seiten
gewinnbringend. Natur- und technikwissenschaftliche Disziplinen können durch
relexive und gesellschaftskritische Perspektiven auf Bedingungen und Effekte
der eigenen Wissensproduktion bereichert werden. Umgekehrt sind naturwissenschaftliche und technikhistorische Konzepte maßgeblich an theoretischen und
kulturellen Deinitionen von Geschlecht beteiligt. Um dieses weite feld methodisch zu erschließen, hat die Wissenschaftshistorikerin und Biologin Evelyn fox
58
1
Keller eine systematische Strukturierung der geschlechtsspeziischen Analysen
vorgeschlagen ( Keller 1995 ). Die Differenzierung der Ebenen Woman in Science,
Science of Gender und Gender in Science ist mittlerweile ein viel erprobtes Instrumentarium der feministischen Naturwissenschaftskritik und kann auch in
technikgeschichtlichen Museen produktiv gemacht werden, weil die Genese von
Technikmuseen stark mit der Disziplinen- sowie Sammlungsgeschichte verwoben
ist. Die Differenzierung der drei Dimensionen von Geschlechteranalysen trägt
der historischen Entwicklung der frauen- und Geschlechterforschung Rechnung und vermag, die verschiedenen und z. T. widerstreitenden Deinitionen des
Geschlechterbegriffs, die gerade in der musealen Praxis zur Anwendung kommen, konstruktiv miteinander zu verbinden. Eröffnet werden zahlreiche Untersuchungsfragen, die auf unterschiedlichen Ebenen im laufe der empirischen
Untersuchung diskutiert wurden.
1. Frauen iM MuseuM : Auf der Analyseebene Woman in Science werden sowohl die unterschiedliche Repräsentanz von frauen und Männern in der
Naturwissenschaft, in Berufs- und Studienfächern als auch die Bedingungen,
Barrieren und Mechanismen der In- und Exklusion erforscht. Der historische
und strukturelle Ausschluss von frauen aus der Wissenschaft und Geschichtsschreibung spiegelt sich auch in der musealen Institution wirkmächtig wieder.
In den Sammlungen inden sich kaum Zeugnisse und Quellen von ( Natur- )Wissenschaftlerinnen, Erinderinnen, Technikerinnen, Autorinnen und weiblichen
leistungen. Die historische ›Realität‹ wird durch die Sammlung der vorrangigen, technischen Erindungen und der Erfassung in Inventarlisten und Datenbanken verobjektiviert und zur ›Tatsache‹ gemacht. Die historischen Kontexte,
die zu sozialen und geschlechtsspeziischen Ungleichheiten und Unsichtbarkeiten geführt haben, rücken dabei in den Hintergrund. Dass die Sichtbarmachung
von frauen nach wie vor eine hohe Relevanz hat, zeigen zahlreiche Studien und
Ausstellungen. So erforscht etwa die ausstellungsbegleitende Publikation Ada
Lovelace. Die Pionierin der Computergeschichte und ihre Nachfolgerinnen die
Biograie der Programmiererin und strukturelle
Am Anfang war Ada. Frauen in der Computergeschichte. Sonderausstellung im Heinz Nixdorf
folgen und Bedingungen digitaler Technologien
Museumsforum, Paderborn 2. 9. 2015–10. 7. 2016.
( Krämer 2015 ). Die Ausstellung1 selbst steht exemplarisch für einen biograischen Zugang, dem ein identitäts- und differenztheoretisches Verständnis von Geschlecht zugrunde liegt. Mittels Biograieforschung und
59
{ Döring · fitsch · Bor · Çakan }
{ Technologien der Geschlechter }
intensiven Exponat-Recherchen lassen sich verborgene Geschichten von frauen sowie weitere marginalisierte Themen und Gruppen erschließen. Neben der
frage, wie vergessene und ausgeblendete Anteile von frauen in ( Natur- )Wissenschaft, Technik und Gesellschaft sichtbar gemacht werden können, ist zu erforschen, wie und auf welche Weise sie im Museum unsichtbar werden.
2. GeschlechT iM MuseuM : Die feministische Naturwissenschaftskritik auf der Ebene Science of Gender beschäftigt sich mit der wissenschaftlichen
Konstruktion von Geschlechterwissen, das etwa durch die Biologie oder die
Medizin hervorgebracht wird. Kritische Analysen verweisen darauf, dass das
vermeintlich neutrale biologische Wissen kulturell bedingt ist und Geschlecht
häuig naturalisiert und in einer bipolaren, heteronormativen Ordnung festgeschrieben wird ( vgl. Ebeling / Schmitz 2006 : 19 ). In technischen Museen werden oft auch naturwissenschaftliche Grundlagen ausgestellt, in denen wiederum
gesellschaftliche Machtverhältnisse und geschlechtsgebundene Normen eingelagert sind. Darüber hinaus inden sich neben den Apparaturen und Maschinen zahlreiche Darstellungen von Menschen — sei es als Schaufensteriguren,
Miniaturpuppen oder Modelle —, die als Erinder*innen, Nutzer*innen, Konsument*innen, Berufsmöglichkeiten oder Identiikationsfolien die technischen
Erzählungen verlebendigen. Hier lässt sich fragen, welche Geschlechterverhältnisse sich im musealen Display zeigen : Wo und wie wird über Geschlecht,
Rollen und Zuschreibungen gesprochen ? Welche geschlechtlichen Identitäten
werden gewählt ? Welche Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit inden sich in den Ausstellungen ?
3. das GeschlechT des MuseuMs : Naturwissenschaftliches Wissen
weist häuig nicht explizit Aussagen über Geschlecht auf, sondern wirkt implizit als strukturierendes Element. Diesem Ansatz folgt die Untersuchung von
Gender in Science. Geschlechterideologien in Wissenschaft und Museum werden umso wirkmächtiger und naturalisierter, je unsichtbarer sie sind. Auf den
ersten Blick scheinen die ausgestellten Exponate und Geräte in Technikmuseen
›geschlechterneutrale‹ Erzählungen zu sein. Ein technischer Apparat ist per se
weder weiblich noch männlich. Doch wird über Zuschreibungen, Benennungen
und dem Gebrauch des generischen Maskulinum eine symbolische Geschlechterordnung materialisiert, die etwa Erindungsreichtum, Muskelkraft, Bastlertum etc. mit dem männlichen Subjekt verbindet und demgegenüber die Nutzung
und Anwendung der Technik als weiblich angenommenes Objekt verkörpert. Die
dichotome Geschlechterordnung Subjekt / Objekt hat sich historisch in weitere
Binaritäten wie etwa Geist / Körper, Kultur / Natur, Aktivität / Passivität oder Produktion / Reproduktion eingeschrieben. Geschlechtsspeziische Machtverhältnisse sind zu untersuchen, jene etwa, die durch Metaphern, Repräsentations- und
Inszenierungsformen, Allegorien oder symbolische und visuelle Zuschreibungen ausgedrückt werden. Beispielhaft sind die allegorischen Darstellungen von
technologischen Errungenschaften durch den weiblichen, meist nackten Körper
( z. B. Elektrizität ) oder die weibliche Bezeichnung von technischen Geräten und
Maschinen ( z. B. bei Hochseeschiffen oder Kriegsgerätschaften, etwa die mittelalterliche Steinbüchse Die faule Magd ). Welche Annahmen über Geschlecht materialisieren sich in der und durch die Institution auf welche Weise ? Wer spricht,
wer ist Subjekt und wer oder was ist Objekt ? Daran ließe sich auch die intersektionale Betrachtung weiterer Differenzkategorien — Ethnizität, Nation, Klasse,
Sexualität, Alter, Ability etc. — anschließen.
60
Kritik der Objektivität
2
In diesem Sinne zielt die feministische Naturwissenschaftskritik auf die Entmythologisierung von Objektivität ab, die im Museum besonders wirkmächtig
wird. Denn museale Erzählungen erscheinen meist als universales Wissen, das
durch institutionelle Standardisierungen ( etwa eine neutrale Sprache, Verobjektivierungen in Datenbanken oder Verhaltensregeln )
Siehe den Beitrag von Martina Heßler in diesem
Band, S. 19 ff.
unterstützt wird. Die black box Technik2 trifft so
gewissermaßen auf den musealen White Cube. Auch wenn in technischen Museen die neutralisierende, weiße Repräsentationsform von Kunstmuseen nicht so
stark ausgeprägt ist, wird dennoch die Institution — die Autor*innenschaft, die
Ökonomien und gesellschaftspolitischen Zusammenhänge — zum Verschwinden
gebracht und das Exponat auratisiert. Die letzte Analysekategorie Geschlecht
des Museums fragt daher nach den eigenen institutionellen Strukturen, Hierarchien und Objektivierungsweisen.
Diese drei Analyseebenen dienen als Ausgangspunkt der empirischen Studie. Sie operieren mit verschiedenen Geschlechterbegriffen entsprechend den
unterschiedlichen Bereichen und Praktiken des Museums und bringen diverse
Strategien, Befunde und weitere zu erforschende fragestellungen hervor. Die
61
{ Döring · fitsch · Bor · Çakan }
{ Technologien der Geschlechter }
Kategorie Geschlecht ist dabei sowohl Gegenstand als auch Mittel der Erkenntnis. In den Blick rückt einerseits die Analyse der Strukturen von Geschlechterverhältnissen und -arrangements, vergeschlechtlichte und vergeschlechtlichende
symbolische Codierungen und Ordnungen sowie Prozesse der interaktiven Herstellung von Geschlecht. Andererseits geht es um die frage, wie mit Rückgriff
auf Geschlecht gesellschaftliche Beziehungen konstruiert und legitimiert werden.
wird von den untersuchten Technikmuseen auf unterschiedliche Art und Weisen verfolgt.
Mehrdimensionale Technologien
Teresa de lauretis konzeptionalisierte in ihrem für die feministische Theorie bis
heute wegweisenden Aufsatz The Technology of Gender ( lauretis 1987 ) Geschlecht
erstmals als Effekt und Produkt verschiedener Technologien. Geschlecht, so
de lauretis, sei keine Eigenschaft von Körpern oder etwas ursprünglich im
Menschen Existierendes, sondern ein Ensemble von Auswirkungen, die in den
Körpern, den Verhaltensweisen, den gesellschaftlichen Beziehungen durch das
Dispositiv einer komplexen politischen Technologie herbeigeführt werden. Wird
das Museum ebenfalls als Technologie verstanden, kann gezeigt werden, wie
Sammlungs-, Ausstellungs-, Vermittlungs- und Personalpolitiken in den formen musealer Vermittlung von Wissen und Geschichte, z. B. der Art und Weise, wie Erindung und Nutzung technischer Artefakte im Museum erzählt wird,
Geschlecht mit hervorbringen. Dabei ist Gender auch selbst eine Technologie,
die etwa die Narrationen über Technik formt und regelt. Aus dieser kritischen,
feministischen Perspektive wird Geschlecht als wissens- und wirklichkeitskonstituierender Modus, als eine regulierende, Gesellschaft teilende und ordnende
Konstruktion beweglicher Machtverhältnisse verstanden.
Aber nicht nur die Kategorie Geschlecht, sondern auch die Technik selbst
lässt sich als Technologie verstehen. Der Begriff wird in technischen Museen sehr
unterschiedlich aufgefasst, etwa als technisches Artefakt, welches das Ergebnis
eines Erindungsprozesses sein kann oder aber auch als Teil von Handlungen,
Praktiken und Wahrnehmungen gedacht wird. Die Erweiterung des apparativen Technikverständnisses hin zu einer Kulturgeschichte der Technik ( vgl. Heßler 2012 ) stellt einen weiteren Ausgangspunkt der vorliegenden Untersuchung
dar. Techniken als Technologien zu begreifen öffnet den Blick auf Herstellungs-,
funktions- und Aneignungsweisen von Techniken und damit auch auf facetten
der frauen- und Geschlechtergeschichte. Dieser kulturwissenschaftliche Turn
62
Untersuchungsfeld
Die ausgewählten Institutionen haben die Kategorie Geschlecht in diverse Prozesse der Museumsarbeit integriert. Von der Auseinandersetzung mit Inklusion,
Diversity und Gender in der Bildungs- und Vermittlungspraxis über Sonderausstellungen und Veranstaltungen bis hin zur konzeptionellen Integration von
Geschlechterfragen in Gründungs- und Visionspapieren nehmen die Institutionen auf verschiedenen Ebenen Vorreiterrollen ein.
Deutsches Museum
Die Institution wurde 1903 als Deutsches Museum von Meisterwerken der Naturwissenschaft und Technik in München gegründet und ist heute das größte und
älteste Museum für Technik in Deutschland. Die Ausrichtung auf das Erforschen der »historische[n] Entwicklung der Naturwissenschaft, der Technik und
der Industrie«, um »deren Wechselwirkung und kulturelle Bedeutung zu zeigen
und ihre wichtigsten Stufen durch belehrende und anregende Darstellungen,
insbesondere aber durch hervorragende und typische Meisterwerke, zu veranschaulichen und zu dokumentieren« ( Deutsches Museum 2011 : 3 ), ist gegenwärtig zentrale Aufgabe des Museums. Die Ausstellungsbereiche sind in circa 50
Themengebiete unterteilt, die von den traditionellen ingenieurswissenschaftlichen Anwendungsbereichen Bergbau, Kraft- und Werkzeugmaschinen und Verkehr bis zu neueren Technologien reichen und Objekte aus der Sammlung der
»hervorragenden Werke« zeigen. Institutioneller Bestandteil des Museums ist
darüber hinaus das forschungsinstitut für Wissenschafts- und Technikgeschichte : Es verankert die enge Zusammenarbeit mit den fachlich ähnlichen Instituten
der drei Münchener Universitäten und dem Münchener Zentrum für Wissenschafts- und Technikgeschichte ( MZWTG ). Seit seiner Gründung gilt das Deutsche Museum vielen Technikmuseen im deutschsprachigen Raum — sei es als
Vorbild oder Gegenentwurf — als Maßstab und Referenz für die Repräsentation von Technikgeschichte.
63
{ Döring · fitsch · Bor · Çakan }
Technisches Museum Wien
Das Technische Museum Wien wurde als »Präsentationsort der technischen leistungen und innovativen Kräfte eines sehr großen landes, das sich als Reich und
Großmacht verstand« ( lackner / Jesswein / Zuna-Kratky 2009 : 9 ), gegründet. Mit
der Grundsteinlegung 1909 begann der Bau des Museumsgebäudes, 1912 wurde mithilfe des von 329 Männern gegründeten Vereins Technisches Museum für
Industrie und Gewerbe bestehende Sammlungen technischer, naturwissenschaftlicher und industrieller Objekte in die Sammlung des Hauses übernommen und
1918 zum ersten Mal dem Publikum präsentiert. Der Bruch mit jenem Bild von
technischer Entwicklung als industriellem und nationalem fortschritt gelang
dem Haus vor allem durch die Schließung 1992 infolge der wirtschaftlichen und
strukturellen Krise der Bundesmuseen in Österreich. Nach der Neukonzeption
und -eröffnung 1999 sind neben den klassisch-technikhistorischen Bereichen wie
der Schwerindustrie oder dem LOK .erlebnis auch ständige Ausstellungen wie
etwa Alltag — eine Gebrauchsanweisung, IN ARBEIT oder Mobilität zu sehen.
für das Vorhaben GENDER TECHNIK MUSEUM war vor allem relevant, dass
die Kategorie Geschlecht jenseits von Sonderausstellungen, beispielsweise durch
kritische Interventionen sowie die Einbindung in die Sammlungsstrategie und
dem Bildungsangebot Gender goes Technik, deutlich als Zugang für die Museumsarbeit erkennbar war.
{ Technologien der Geschlechter }
ums zur Umsetzung von Brandschutzauflagen stellte sich die leitung auch der
inhaltlichen Neuausrichtung : Die baulichen Maßnahmen gestaltete der Architekt Daniel libeskind in form eines überragenden, in das bestehende historische Gebäude eingefügten Keils aus Beton. Der Keil wurde ein Symbol für die
Geschichte der Stadt Dresden, steht aber auch für den Bruch mit der üblichen
Ausstellungspraxis, die nun weg von einer rein militärisch-technischen, objektzentrierten Ausstellung hin zu einer kulturhistorischen Erzählung von Krieg
und Gewalt führte. Geplant ist außerdem eine Sonderausstellung zum Thema
Geschlecht und Gewalt ( Arbeitstitel ). Sowohl die ungewöhnliche Auseinandersetzung mit ( deutscher ) Militärgeschichte als auch die Einbeziehung der Kategorie Geschlecht in Ausstellung und Sammlung machten das Museum für die
Befragung relevant.
Deutsches Technikmuseum
Das Militärhistorische Museum in Dresden blickt auf eine lange Geschichte militaristischer und militärischer Organisierung zurück. Eröffnet wurde es 1897
als Königliche Arsenalsammlung zu einer Zeit, in der die Armee weiter ausgebaut wurde und sich als Identiikationsigur einer sich immer nationaler orientierenden Bevölkerung aufschwang. Die Museumsgeschichte ist aber auch durch
zahlreiche Schließungen und Neueröffnungen gekennzeichnet. So wurde die Institution nach dem ersten Weltkrieg als sächsisches Armeemuseum 1923 und nach
dem zweiten Weltkrieg als Armeemuseum der DDR im Jahr 1972 konsolidiert.
1990 wurde der Standort und das Gebäude mit seinem großen Depotbestand
von der Bundeswehr übernommen, in Militärhistorisches Museum umbenannt
und als leitmuseum der Bundeswehr auserwählt. Mit der Schließung des Muse-
Die Institution wurde 1983 als Museum für Verkehr und Technik eröffnet und
bewahrt auch zahlreiche ältere technikhistorische Sammlungen, wie z. B. Bestände des um die Jahrhundertwende gegründeten Meereskunde-Museums sowie des
Verkehrs- und Baumuseums. Das heute unter dem Namen irmierende Deutsche
Technikmuseum gehört zu den großen Institutionen in Deutschland und präsentiert eine »Kulturgeschichte der Technik«. Die sukzessive Eröffnungsstrategie
zeigt sich unter anderem in der Architektur : Das Museum hatte zunächst nur
ein Gebäude zur Verfügung und wurde schrittweise um neue Bauten erweitert.
Auf dem Museumsgelände verteilen sich die 18 thematischen Dauerausstellungen in einem architektonischen Mix von Altbauten des ehemaligen Güterbahnhofs und neuen, eigenen Museumsgebäuden. Die relativ junge Institution ist mit
dem Ausstellungskonzept angetreten, die bereits vorhandene Sammlung der
Eisenbahn und der Bierbraukunst durch alltagsrelevante Geschichten zu bereichern. Gegenwärtig reichen die ständigen Präsentationen u. a. vom Schienenverkehr, der luft- und Schifffahrt über foto-, film-, Textil- und Drucktechniken,
Chemie- und Pharmaindustrie bis hin zu thematischen Dauerausstellungen zu
Alles Zucker oder Das Netz. Im Mittelpunkt stehen der Mensch und das Zusammenspiel zwischen Technik und Gesellschaft ( vgl. Koesling / Schülke 2013 ). Daneben verfolgt das Museum den Schwerpunkt der geschlechtlichen Inklusion in der
Bildungs- und Vermittlungsarbeit.
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Militärhistorisches Museum
{ Döring · fitsch · Bor · Çakan }
Museum der Arbeit
Das Museum der Arbeit in Hamburg entstand aus einem großen, seit den 1970er
Jahren währenden Engagement, das von der forderung nach demokratischeren
Museen und einer ›Geschichte von unten‹ getragen wurde. 1990 wurde es als
selbstständige Institution gegründet, die sieben Jahre später ihre erste ständige
Schausammlung in der ehemaligen fabrikanlage der New-York Hamburger Gummi-Waaren Compagnie eröffnete. Die bis dahin weitestgehend marginalisierte
Sozial- und Alltagsgeschichte der Arbeit erhielt angesichts der hohen Technisierung und Rationalisierung der Produktionsprozesse eine neue Relevanz. Technische Großgeräte, die durch diese Entwicklung obsolet geworden waren — z. B.
aus dem Graischen Gewerbe oder der Hamburger Schifffahrt —, wurden nicht
nur gesammelt und bewahrt, sondern von ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen
vorgeführt. Die funktionsfähigen Exponate stehen bis heute für die Idee eines
›arbeitenden Museums‹. Obgleich sich das Museum der Arbeit explizit nicht als
Technikmuseum versteht, liefert es für den sozialwissenschaftlichen Turn, den
viele technische Museen derzeit beschreiten, historisch wie gegenwärtig eine
Referenz. Als ein forum der kritischen Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen, technologischen und politischen Entwicklungen nimmt es die Perspektive
der Arbeitenden ein und berücksichtigt soziale Ungleichheiten, Geschlechterverhältnisse und Migrationsgeschichte. Die Beschäftigung mit den Kategorien
Gender, Race und Class ist konzeptionell im leitbild des Museums verankert.
So reicht ein Sammlungsgebiet von der frauenerwerbsarbeit, frauenbewegungen über familien- und Reproduktionsarbeit bis hin zur Arbeitsmigration. Als
eine von sechs Ausstellungseinheiten wurde die Abteilung Frauen und Männer — Arbeits- und Bilderwelten gezeigt, die im Jahr 2012 durch die Neukonzeption ABC der Arbeit ersetzt wurde.
{ Technologien der Geschlechter }
stellung und regelmäßigen Sonderausstellungen ein breites wissenschaftliches
Vermittlungsprogramm realisiert, arbeitet eng mit wissenschaftlichen Einrichtungen und zivilgesellschaftlichen Initiativen zusammen. Es widmet sich dabei
historischen und zeitgeschichtlichen Themen, insbesondere aus der Perspektive einer kritischen und emanzipatorischen Geschichtsvermittlung.
Die Sonderausstellung, die im Rahmen des Themenjahres 2016 Kulturland
Brandenburg. Handwerk zwischen gestern & übermorgen stattfand, thematisierte
die Geschichte und Gegenwart der Kleidergrößen und der Textilproduktion vom
Handwerk über die serielle und industrielle Herstellung bis hin zur gegenwärtigen Globalisierung. Unter dem Titel uni-form? Körper, Mode und Arbeit nach Maß
wurde nach den Technologien der Vermessung und den Auswirkungen auf Körper und Arbeit gefragt. Die Planung und Realisierung der Ausstellung wurde vom
Zentrum für Interdisziplinäre frauen- und Geschlechterforschung konzeptionell
begleitet. Die Ausstellungsarchitektur entstand in Kooperation mit dem Interdisziplinären Raumlabor des Masterstudienganges Bühnenbild_Szenischer Raum der
Technischen Universität Berlin. Diese Zusammenarbeit ermöglichte es, Gestaltung
und Kuratierung eng miteinander zu verzahnen und den Prozess der Ausstellungsproduktion von der Idee bis zur konkreten Umsetzung theoretisch zu relektieren.
Erprobt wurden so nicht nur neue, experimentelle Ausstellungsformen, sondern
auch relexive Raumelemente und multiperspektivische Erzählungen.
Auswertung des Gendermapping
Neben den fünf Technikmuseen, in denen Expert*innen-Interviews durchgeführt
wurden, wurde eine konkrete Ausstellung am Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte in Potsdam kuratorisch beraten. Die Institution wurde 2003
gegründet und versteht sich als Bildungsforum für die Geschichte und kulturelle Gegenwart Brandenburgs. Das Ausstellungshaus, das neben einer Daueraus-
Die Arbeitsbereiche und Tätigkeiten in technischen Museen sind divers und
greifen auf unterschiedliche Begriffe, Strukturen, Ziele und Strategien zurück.
Bei der Entwicklung des fragebogens für die Expert*inneninterviews wurden
daher die einzelnen Museumspraktiken — Sammeln, Kuratieren, Vermittlung
und Personalpolitik — beleuchtet und vor dem Hintergrund des jeweiligen Technik- und Museumsverständnisses behandelt. Allgemeine, begriffliche fragen
und konkrete Beispiele aus dem eigenen Arbeitsalltag wurden in dieser qualitativen und narrativen Befragung miteinander kombiniert. Der vollständige fragebogen, der für die einzelnen Interviews entsprechend der Tätigkeitsbereiche
der Mitarbeiter*innen speziiziert wurde, ist im Anschluss an diesen Beitrag im
vorliegenden Band einsehbar.
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Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte
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Das Selbstverständnis und die Ausgestaltung von Technikmuseen haben
sich in den letzten dreißig Jahren maßgeblich verändert. Dieser Wandel zeigt sich
anhand des verwendeten Technikbegriffs. Daran schließen sich notwendigerweise folgende Eingangsfragen an : Welches Konzept von Technik wird in den jeweiligen Technikmuseen verfolgt und kann überhaupt eine Verständigung über einen
einheitlichen Technikbegriff für die Verwendung im Museum gefunden werden ?
Zweifelsfrei lässt sich sagen, dass Technik immer stärker als Kulturgeschichte verstanden wird und es häuiger zum Bruch mit dem vorherigen Modell,
der Erzählung von Ingenieurs- und Meisterwerken im Dienste von und zum Nutzen für Wirtschaft und Staat, kommt. Auf der einen Seite sollen die technischen
Meisterwerke vor allem faszinieren und die
»nationale Geschichtsschreibung versuchen wir
Objekte als fortschrittsgeschichte inszeeher zu ironisieren, obwohl es auch eine starniert werden, die mit national gedachten
ke Tradition der nationalen TechnikgeschichtsWirtschaftsinteressen einhergehen. Auf
schreibung gibt.« ( interview nr. 33/2016 )
der anderen Seite wird versucht, die reine Bewunderung von Technik durch kritische Kontextualisierung aufzubrechen
und zu erweitern. Die höchst unterschiedlichen Technikbegriffe inden auch verschiedene Ausprägungen in den Sammlungen und Ausstellungen. Neben den
klassischen, apparativen Präsentationen steht nahezu konträr der Wunsch, sich
gänzlich von eben diesem engen Technikverständnis zu verabschieden, um neue
Themenfelder zu öffnen, innerhalb derer sich fragestellungen anders formulieren und Objekte anders inszenieren lassen. Dabei muss das Spannungsfeld
austariert werden, das zwischen den klassischen Technikthemen und kulturhistorischen Erzählungen bzw. zwischen dem auratischen Exponat und dem beschreibenden Kontext entsteht.
Je offener und weiter die Museen den Technikbegriff fassen, desto leichter lassen sich auch gesellschaftliche und geschlechterspeziische fragestellungen aufgreifen. Wie dieser Herausforderung in den einzelnen Arbeitsbereichen
der Museumspraxis begegnet wird, zeigen nachfolgende Ausführungen. Es geht
dabei nicht um einen Vergleich der Museumspraktiken einzelner Einrichtungen,
sondern darum, unterschiedliche Strategien hinsichtlich Geschlechterfragen herauszuarbeiten und deren Nebeneinander aufzuzeigen.
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{ Technologien der Geschlechter }
1. Ökonomien des Sammelns
Die Sammlung gilt als Herzstück und fundament jedes Museums. Hier wird über
die Aufnahme in oder den Ausschluss aus dem kollektiven Gedächtnis entschieden
und so Bedeutung produziert und materialisiert. Praktiken des Sammelns sind
geprägt von kulturellen, institutionellen und politischen Bestimmungen, Dynamiken und Motivationen und somit stets im Wandel. Dennoch erheben museale
Sammlungen meist den Anspruch, historische Wirklichkeiten adäquat abzubilden und Geschichte zu verobjektivieren.
Das Sammlungsobjekt wird aus dem ehemaligen Gebrauchszusammenhang herausgenommen und in einen neuen, institutionellen Kontext eingebettet.
Durch Prozesse der Reinigung und Restaurierung, Stillstellung und lagerung,
Inventarisierung und Erfassung wird es zum auratischen und bezeugenden
Exponat. Dabei sind nicht nur die Sammlungspolitiken historisch wandelbar,
sondern auch die medialen Praktiken der Dokumentation. Historisch verschiedene Aufzeichnungsmedien des Inventars — wie Eingangsbuch, Zettelkästen,
Karteikarten, findbuch oder digitale Datenbanken — stellen höchst unterschiedliche Arten und Weisen sowie Möglichkeiten der Wissensspeicherung, der ( An- )
Ordnung und Systematisierung, Verschlagwortung, des Zugriffs und Zugangs
zur Verfügung. Mit der Speicherung werden Dinge nicht nur bewahrt, sondern
zugleich auch neu erfunden ( vgl. Heesen 2007 : 96 ; Döring 2010 ). Indessen scheinen diese historischen, politischen und medialen Bedingungen des Sammelns
in der Alltagspraxis des Museums zurückzutreten und hinter der verobjektivierten und standardisierten Sprache zu verschwinden. Einer Diskussion über
Geschlechterfragen müsste die Relexion über Sammlungsgrundlagen und die
Auswirkungen auf Ausstellen und Vermitteln von Geschichten vorausgehen, für
die jedoch im Alltagsgeschehen kaum Zeit bleibt. Welche Debatten werden in
den Museen über Selbstverständnis, Ziele und Ausrichtung der Sammlungen
geführt und an welchen Orten ? Wie wird
»ein damenfahrrad ist nicht automatisch Gendie Kategorie Geschlecht dabei diskutiert
der, nur weil es rosa ist.« ( interview nr. 38/2016 )
und verhandelt ? Welchen Einluss haben
Sammlungspolitiken auf die Repräsentation von frauen- und Geschlechtergeschichte in technischen Museen ? Wie entstehen geschlechtsspeziische Ein- und
Ausschlüsse, Zuschreibungen sowie neue Aushandlungsräume ?
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Anlässlich des 100. Geburtstages legte das Technische Museum Wien einen
umfangreichen Band zur Geschichte der Sammlungen vor, die weit vor der Gründung des Museums beginnt ( vgl. lackner / Jesswein / Zuna-Kratky 2009 ). Von der
Kunst- und Wunderkammer der Habsburger über Modell- und Mustersammlungen bis hin zur Sicherung von traditionellen Techniken sowie die Repräsentation
von fortschritt auf Gewerbe- und Industrieausstellungen wurden und werden
Objekte zu unterschiedlichen Zwecken gesammelt. Die frühe Sammlungspraxis ist davon gekennzeichnet, ganze Objektreihen und Serien zu erwerben, welche die technologischen Entwicklungen möglichst lückenlos zu dokumentieren
vermögen. Sowohl Sammlungsweisen als auch -objekte erfahren dabei unterschiedliche Wertschätzung. Sie werden mit geschlechtsbedingten, stereotypen
Zuschreibungen verbunden. So steht etwa die in literarischen Texten und wissenschaftlichen Zusammenhängen stilisierte figur des männlichen Sammlers
dem archaischen Typus der Sammlerin von vergänglichen, milieubezogenen oder
ästhetischen Dingen gegenüber ( vgl. Muttenthaler / Wonisch 2010 : 18f ).3 Ausschließlich jene Sammlungspraxis, die dem taxonomischen und seriellen Prinzip folgt, konnte sich als wissenschaftlich etablieren und Geschichtsschreibung
als »männliche Institution« verfestigen ( Opitz-Belakhal 2010 : 149 ). Die großen
Meistererzählungen sind von zahlreichen Studien der frauen- und Geschlechterforschung problematisiert worden ( vgl.
»Wir haben oft das Problem, dass der Mensch
z. B. Bock 2014 ). Die Sammlungen in den
in den ausstellungen zu kurz kommt.«
Museen stehen diesbezüglich vor zwei Her( interview nr. 5/2016 )
ausforderungen : Erstens verschwindet der
Mensch schlechterdings hinter den apparativen, technischen Objektreihen und
Daten.4 Technische Exponate und Apparate erscheinen zunächst geschlechterneutral, sind jedoch auf der Text-, Bild- und Symbolebene mit namentlich benannten
Erindern, Entdeckern und Wissenschaftlern verkop- 3 Zur Kritik an ›steinzeitlichen‹ Geschlechterrolpelt. Geschlecht wird hier unsichtbar, weil die Männ- len siehe Röder 2014.
lichkeit das Menschliche schlechthin repräsentiert 4 Auf diesen Befund reagierte das Museum der
Arbeit in Hamburg, das explizit die Effekte von
und eine universale Menschheitsgeschichte verkör- Industrialisierung und Technologien auf den arpert. Zweitens sind in den Sammlungen technischer
beitenden Menschen zur zentralen Referenz der
Gründungskonzeption machte und Aspekte der
Museen kaum Zeugnisse von weiblichen leistungen
frauen- und Geschlechtergeschichte integrierte.
und Werken erhalten — sei es, weil die historischen
Vgl. Planungskommission Museum der Arbeit
Bedingungen den frauen keinen Zugang zu Wissen- 1986 ; Museum der Arbeit 1997.
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{ Technologien der Geschlechter }
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schaft und Geschichte gewährten, weil weibliche Arbeiten traditionell im Bereich
des Privaten, der Reproduktion, dem Alltag und Konsum oder der Anwendung
angesiedelt sind und damit unsichtbarer und schwerer konservierbar sind oder
schließlich, weil ihre Stimmen selbst in der Geschichtsschreibung hinter der
öffentlichen, von Männern geführten Rede zurückstanden.
für diesen Befund konnten wir in den untersuchten Museen zahlreiche
Strategien herausarbeiten. Zunächst wird der Mensch selbst stärker in den Vordergrund gerückt. Die Neuausrichtung der musealen Repräsentation von Technik als Kulturgeschichte stellt den menschlichen Umgang mit Technologien, ihren
Bedingungen, Effekten und folgen in den Mittelpunkt der Erzählung. für die
Sammlungen bedeutet dies, nicht mehr auf vollständige Reihen abzuzielen, sondern bestimmte inhaltliche wie strategische Kriterien für den Erwerb zu konzipieren. So stellt das Technische Museum Wien beispielsweise als einen von vier
Grundsätzen den »Mut zur lücke«5 auf. Konzeption und leitbild der Sammlungen werden in den Museen diskutiert und in
Weitere Grundsätze sind : 1. »Qualität statt Quantität«, 2. »lust statt last« und 3. »Agieren statt
regelmäßigen Abständen überarbeitet. Um ›den
Reagieren« ( Zuna-Kratky 2015 : 5 ).
Menschen‹ möglichst multiperspektivisch und vielfältig zu denken, bedarf es — wie von einigen Museen bereits praktiziert — der
festen Verankerung von fragen nach geschlechtsspeziischen und sozialen Differenzen in der Sammlungskonzeption. Kulturgeschichte lässt sich nicht ohne
die Kategorie Geschlecht denken, da Technologien immer auch mit Alltagspraxen, Institutions- und Wissenschaftsgeschichte, wirtschaftlichen und sozialen
Ordnungen und Hierarchien verwoben sind. Der kulturwissenschaftliche Turn
der Technikmuseen fokussiert stärker den Kontext als das Objekt selbst. Dem
muss die historisch gewachsene Sammlung ›nachziehen‹ und sucht sich ebenfalls
umzuwerten. Das Deutsche Technikmuseum Berlin verfolgt seit Anbeginn eine
stark kontextualisierende Sammlungsstrategie, indem nach der funktion, der
Herstellung, dem Zweck und den folgen des Exponats gefragt wird ( vgl. Döpfner 2016 : 138 ; Böndel 2003 ). Nicht allein die Singularität des Objektes zählt, sondern die Vielschichtigkeit, die durch ausdifferenzierte Befragungen etwa der
Spender*innen angelegt werden kann. Im Technischen Museum Wien wird derzeit intensiv darüber nachgedacht, wie — entgegen dem männlich konnotierten
Sammlungsfokus auf die funktion und Erindung — verstärkt Nutzungs- und
Gebrauchsgeschichten gesammelt werden können.6 → Wie lassen sich nicht nur
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Objekte, sondern auch Praktiken, Haltungen und fra- 6 Siehe dazu auch den Beitrag von Roswitha Muttenthaler in diesem Band, S. 113 ff.
gestellungen bewahren und in der Inventarisierung
sichtbar machen ? Wie kann die Klassiizierung vornehmlich technischer Daten
in der Objekterfassung geöffnet und mit Thematiken, forschungen und weiteren Quellenbeständen verknüpft werden ? Wie kann eine erneute Polarisierung
von scheinbar festgeschriebenen Interessengebieten ›männlich = funktion‹ und
›weiblich = Nutzung‹ durchbrochen werden ?
Aus dieser Perspektive erscheint es notwendig, bestehende Sammlungen
neu zu sichten und zu ergänzen. Die befragten Museen sind bestrebt, Erindungen von frauen ›nachzusammeln‹. Obwohl sie meist nicht tradiert sind, hat es
diese durchaus gegeben. Sammlungen sind stets fragmentarisch und lückenhaft.
Daran lassen sich ausstellungs- und the»es kann keine ausrede sein, bestimmte Themenbezogene Recherchen und eine aktive
men auszusparen, wenn es etwas im depot
Sammlungspolitik anschließen. Gleichwohl
nicht gibt : Wenn zu einem Phänomen nichts
läuft das ›Nachsammeln‹ von weiblichen
da ist, dann ist die sammlung desiderat.«
Biograien und Quellen Gefahr, die beste( interview nr. 11/2016 )
hende Geschlechterordnung zu reproduzieren. Der männlich gedachte Kanon wird punktuell ergänzt und als Maßstab
fortgeschrieben, ohne ihn grundsätzlich in frage zu stellen. Dem Dilemma kann
womöglich nur durch eine generelle Absage an Erindergeschichten und -biograien entkommen werden. Statt eines Gleichziehens oder der Umkehrung der
Geschlechterordnung ginge es dann vielmehr darum, neue Geschichten zu erinden, etwa geschlechtsgebundene Materialisierungen und Einschreibungen am
Objekt zu relektieren. Damit fände der enge apparative Technikbegriff, der
dem Mythos der singulären Erindung verplichtet ist, eine kulturgeschichtliche Erweiterung und Umwertung.
Die ( Un- )Sichtbarkeit von weiblich verfassten Quellen liegt freilich nicht
nur in der Sammlungsgeschichte, sondern auch in den sprachlichen und medialen Strukturen des Inventars begründet. Die Art der Inventarisierung determiniert wesentlich das gespeicherte Wissen über das Sammlungsobjekt. Historische
fachbegriffe, Bezeichnungen in der männlichen Sprachform oder ungenaue
Verschlagwortungen erschweren das Recherchieren von Objekten von Akteurinnen oder mit Bezügen zur frauen- und Geschlechtergeschichte. Wird etwa
die Brille einer Pilotin als Fliegerbrille inventarisiert, so ist diese nur aufind72
{ Technologien der Geschlechter }
»Wenn da Geschlechterkonstruktion drin steht,
bar, wenn ihr Name bereits bekannt ist. In
ist es schon mehr wert als Gender. Man muss
der Datenbank erfolgt so die Ausblendung
es spezifizieren.« ( interview nr. 38/2016 )
oder die Markierung der Geschlechterdifferenz. Die Objekte selbst ›haben‹ kein Geschlecht, vielmehr werden sie mit Zuund Einschreibungen auf mehreren Ebenen vergeschlechtlicht. Dinge werden
durch Handlungspraxen, Markierungen, farb- und Symbolsysteme, Vorannahmen und Interpretationen zu Gendered Objects ( vgl. ZtG 2012, bes. Bath 2012 ).
Wie kommt es zu Verweiblichungen und Vermännlichungen von Objekten? Neben
der biograischen Zuordnung trägt vor allem der ökonomische Kontext entscheidend zur Reformulierung einer heteronormativen, bipolaren Geschlechterordnung bei. Denn originale Bezeichnungen — wie etwa das Damenfahrrad oder
der Damenrasierer — überführen Marke»auch wenn das nur die stereotypen widertingstrategien für geschlechtsspeziisch
spiegelt, ich muss schon die realität erfassen.
verschiedene Gruppen in die universale
der Punkt ist : Wie kann ich darüber in eine
Sprache der Datenbank. Einerseits werdiskussion kommen?« ( interview nr. 39/2016 )
den damit Geschlechterstereotype verfestigt und reproduziert. Andererseits werden diese lokalisierbar und können durch
umfassende Recherchen kontextualisiert und auf Brüche oder querliegende Verwendungsweisen hin erforscht werden. Die Ambivalenz des bezeichnenden Sammelns kann dabei nicht abschließend aufgelöst werden. Vielmehr verweist sie auf
die Notwendigkeit einer relexiven und kritischen Diskussion von Sammlungskonzeptionen sowie einer differenzierten, geschlechtergerechten Verschlagwortung und dem entsprechenden Vokabular. Angesichts verschiedener disziplinärer
Herkünfte der Museumsmitarbeiter*innen bedarf es einer Auseinandersetzung
und der Erarbeitung gemeinsamer Begriffsverständnisse gerade etwa in der
Kategorie Geschlecht, soll diese nicht auf frauen und Männer reduziert werden.
Um diese Relexion über die konzeptionellen Grundlagen der Sammlungspolitik zu unterstützen, erproben die Technikmuseen derzeit verschiedene Strategien und Praktiken. Zum einen ist zu beobachten, dass die Sammlungen selbst
umstrukturiert werden und von apparativen, disziplinären Gattungen und Genres ( z. B. Schienenverkehr, Raumfahrt oder Rundfunk ) hin zu übergreifenden
Themenbereichen ( z. B. Umwelt, Kommunikation, Produktion ) konzipiert werden.
Der Vorteil von offenen und weiten Begriffen ist dabei, dass weniger selbstverständlich herrschende, disziplinäre Vorannahmen die Grundlage für das Sammeln
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bilden und stattdessen die Begriffe eigener, interdisziplinärer Deinitionen und
fragestellungen bedürfen. So lassen sich neue kontextorientierte Perspektiven
entwickeln und Neuinterpretationen der Sammlungen verfolgen ( vgl. Deutsches
Museum 1999 : 6 ). Der Bereich Mobilität etwa wendet sich von Verkehrsapparaten ab und eröffnet das feld für Prozesse der Bewegung und Beweglichkeit,
für freiwillige und unfreiwillige Migrationen. Damit rücken eher Praktiken in
den fokus des Interesses. Zum zweiten wird auch das klassische Objekt hinterfragt und erweitert. Das Technische Museum Wien will verstärkt aktivistische
Objekte sammeln, Dinge also, die sich jenseits von festen Institutionen, Beständigkeiten und engen Technikkonzepten aufhalten. Ein weiteres Beispiel hierfür
ist die Sammlung der Waffenspielzeuge, die im Militärhistorischen Museum mit
einem leicht gekrümmten Ast, einem gängigen Exemplar aus dem Bereich Kinderspielzeug, erweitert wurde. Eine aktive Erwerbspolitik für konkrete Ausstellungen bereichert die Sammlung um neue, aktuelle Themen.
Doch müssten für solche zeitaufwendigen Recherchen in allen Museen mehr
Ressourcen bereitgestellt werden. Zudem sind technikhistorische Sammlungen
heute mehr denn je in aktuelle Ökonomi»da müsste man die objekte auftreiben von
en und Abhängigkeiten verwoben. Neue
den erfinderinnen ; gegeben hat es sie ja, aber
digitale Technologien, Robotik, Medialabs
wo sind sie?« ( interview nr. 38/2016 )
und Experimentalanordnungen sind überaus kostenintensiv und inden kaum Eingang in die Sammlung, es sei denn als
Schenkung oder Werbung.
Generell liegt ein starkes Bedürfnis vor, mehr forschung, d. h. sammlungsübergreifende Themen und fragestellungen oder die Untersuchung der eigenen Sammlungs- und Institutionsgeschichte zu ermöglichen. Die Öffnung und
das Transparentmachen der eigenen institutionellen Bedingungen, der Datenbank und des Sammelns ist ein großes Anliegen der Museen. Partizipative und
relexive Sammlungskonzepte, die den Begriff der Expert*innen erweitern, das
Hinterfragen der Hierarchisierung von Ausstellung und Depot oder etwa eine
liste der abgelehnten Sammlungsobjekte ( Technischen Museum Wien ) sind erste Schritte in diese Richtung. Statt der vermeintlichen Objektivität eines repräsentativen Sammelns tritt die politische Dimension in den Vordergrund und
damit Möglichkeiten einer emanzipativen, kritischen und diversen Auseinandersetzung. Ziel kann es dabei nicht sein, möglichst alle marginalisierten Gruppen
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{ Technologien der Geschlechter }
und Themen aufzunehmen, sondern diese Ein- und Ausschlüsse sowie Grenzziehungen selbst zum Thema zu machen.
2. Ausstellen zwischen Technikfaszination und -kritik
Der Bereich des Ausstellens ist der öffentlichkeitswirksamste Teil des Museums.
An den Dauer- und Sonderausstellungen müssen sich Museen messen lassen ;
hier zeigt sich die Arbeit des Museums, dessen Großteil sich hinter den Kulissen abspielt. Besucher*innen reagieren auf die Ausstellungen und tragen ihr
feedback zurück zu den Kurator*innen.
Bei der Ausstellung von Objekten geht es immer auch um ein Sichtbarmachen von Geschichte( n ) bzw. einer speziischen Erzählung. Das museale Präsentieren technischer Objekte in einer Ausstellung setzt verschiedene Vorannahmen
voraus, die sich auf diese Erzählung und die Rezeption des Gezeigten auswirken. Dabei spielt das Technikverständnis, das einer Ausstellung zugrunde liegt,
ebenso eine Rolle wie das Sammlungskonzept, die museale Inszenierung und
das Verhältnis zum Technikobjekt sowie zum Publikum. Neben der frage, wie
Geschlecht in Ausstellungen zur Technikgeschichte sichtbar ( gemacht ) wird,
stellen sich generelle fragen zur konzeptionellen Herangehensweise an das Zeigen von Technik.
Technikmuseen gehen davon aus, dass ihre Hauptklientel, also Menschen,
die aus individueller Motivation ins Museum gehen, neben den prozentual am
stärksten vertretenen Gruppen — Schulklassen und Eltern mit Kindern — vor
allem technikafine, meist männlich sozialisierte Menschen mit faszination für
technische Objekte sind. faszination wird hier zum Schlüsselbegriff für die
Auseinandersetzung mit Technik und für
»Meist werden objekte von Männern angebodas dem Museum entgegengebrachte Inteten, oder Frauen bieten objekte von Männern
resse. Die Museen beließen es lange Zeit
an. und es ist schwierig, objektgeschichten
dabei, Technikobjekte auszustellen und
gezielt zu sammeln, wo Frauen überhaupt drin
wenn möglich ihre funktionsweisen zu
vorkommen.« ( interview nr. 32/2016 )
erklären. Seit der kulturhistorischen Wende sieht die Strategie einiger Institutionen vor, diese faszination technischer
Objekte zu hinterfragen. Doch warum wird die Technikfaszination, zumindest
im Museum, nur einer bestimmten Gruppe, meist weißen Männern, zugeschrieben ? Ist die faszination selbst geschlechtsspeziisch ?
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{ Döring · fitsch · Bor · Çakan }
Die Schwierigkeit besteht nun darin, einerseits die Bedürfnisse dieser
Klientel zu bedienen und andererseits auch andere Gruppen für Technik zu
begeistern. Dieses Unterfangen bleibt der dichotomen Gegenüberstellung von
männlicher Technikafinität und weiblicher Technikferne verhaftet. Und auch
wenn es gelingt, frauen ins Museum zu holen, wird ihnen eine Technikgeschichte zu sehen gegeben, die genau jenen traditionellen Rollen verplichtet ist. Die
Museen haben daher ganz unterschiedliche Möglichkeiten entwickelt, die im folgenden exemplarisch aufgeführt werden.
Im Museum der Arbeit in Hamburg werden Exponate zu Anschauungsobjekten, die ihre funktion in wiederholt praktizierten Vorführungen offenbaren, wie etwa Setz- und Druckmaschinen,
»die [stillgestellte Maschine] sieht nur toll aus
Stickautomaten oder Bagger. Durch die
und vermittelt ein bisschen atmosphäre und
Vorführung kann die historische Technik
ästhetik, aber ich glaube, das bringt nicht
im Kontext gezeigt werden, um so z. B.
viel, weil die so allein steht. das bringt nur
etwas über den Beruf zu vermitteln, der
was, wenn’s vorgeführt wird, aber ohne kontext
mit den Maschinen ausgeübt wurde. Darkann man sich darunter gar nichts vorstellen.«
über hinaus lassen sich über die Anwen( interview nr. 30/2016 )
der*innen- und Nutzer*innenperspektive
auch andere gesellschaftlich relevante Diskriminierungskategorien aufzeigen,
wie etwa der Zusammenhang von Geschlecht und Klassenverhältnissen in den
Arbeiter*innenkämpfen. Die Öffnung des zeigenden Ausstellens hin zum Interagieren zwischen Maschine, Vorführer*innen und Publikum wird in vielen technischen Museen aufgegriffen.
Die wohl am häuigsten genutzte Strategie, um Geschlecht zu thematisieren,
ist die Hinwendung zu Nutzer*innen und Konsument*innen von Technologien
durch biograische Erzählungen von und über frauen und ihr Wirken. Oftmals
werden dabei der Ge- und Verbrauch nicht nur historisch als genuin weibliche
Domäne, sondern auch als gegenwärtiges Interessengebiet und fähigkeit angenommen. In den Ausstellungen werden mit dem Hinweis auf die Berücksichtigung
der Kategorie Geschlecht einzelne ausgewählte weibliche Biograien der Wissenschafts- oder Technikgeschichte erzählt, als eine Nachbesserung oder Ergänzung der Dauerausstellung, die traditionell meist männliche Akteure umfasst.
Wenn dann aber der fokus auf der Verwendung von Technik liegt, wird wiederum die traditionelle Rollenverteilung von aktiver Erindung und passiver Nut76
{ Technologien der Geschlechter }
zung reproduziert. Um diese binäre logik
zu durchkreuzen, wäre zu fragen, wie historische und gegenwärtige Geschlechterkonstruktionen zustande kommen. So werden
etwa im Deutschen Technikmuseum in
der Ausstellung Das Netz ! Userinnen und
User gezeigt, die sich ein Blatt Papier mit
ihrem Codenamen vor das Gesicht halten
und somit eine eindeutige Identiikation
der Identität und des Geschlechtes verhindern.← abb. 1 Auch neu geschaffene Identiikationsiguren, z. B. comichafte Heldinnen,
werden zu Sprecherinnen der Ausstellung.
Dabei ist immer wieder neu auszuloten,
inwiefern auf erkennbare geschlechtliche
Zuschreibungen zurückgegriffen werden
muss oder wie offen solche Darstellungen
sein können.
abb. 1 | ausstellungsansicht »das netz. Menschen, kabel,
Der Bruch mit Stereotypen und verdatenströme«. dauerausstellung deutsches Technikmuseum.
meintlich eindeutigen Differenzen wird auf
Foto : © daniela döring
vielerlei Weise erprobt. So arbeitet das
Militärhistorische Museum z. B. mit doppelten Biograien. Dabei werden als
repräsentative Zeitzeug*innen aus der Kategorie Geschlecht und Schicht / Klasse
figuren und Quellen gesucht, die nicht den vordergründigen Erwartungen entsprechen. Damit können Objekte multiperspektivisch beleuchtet und scheinbar
neutrale lesarten der Kriegstechnologie aufgebrochen werden. Sie ermöglichen
es, geschlechterstereotype Zuschreibungen von Anwender*in / Agressor*in und
Betroffene*r / leidtragende*r mehrstim»es geht darum, wie der soldat — nicht vormig zu beleuchten. Der Bruch ist in dieser
dergründig der Mann — durch uniformierung
Institution bereits architektonisch angelegt
usw. [weiteren Technologien] erst entsteht.«
und wird konzeptionell ausbuchstabiert.
( interview nr. 9/2016 )
Wie der Keil im historischen Gebäude werden auch Exponate quer durch den Ausstellungsraum positioniert, so dass mehrere Blickwinkel auf das Objekt ( etwa bei der sogenannten »V 2«-Rakete von
77
{ Döring · fitsch · Bor · Çakan }
drei Ausstellungsetagen aus ) eingenommen werden können. Das kritische Aufbrechen einer Technikfaszination ist — unterstützt durch die Museumsarchitektur — die konzeptionelle leitidee der Institution ( vgl. Müller-Toovey 2012 : 8 ). In
diesem licht steht auch die Platzierung des militärischen fuhrparks, d. h. der
größten und imposantesten Kriegstechnologien, nicht vor, sondern neben und
hinter dem Museumsgebäude. Erst wenn die Ausstellung durchschritten wurde,
in der auf die Gefahren und die politischen Hintergründe von Krieg eingegangen
wird, können die so kontextualisierten fahrzeuge, die sich in eine kriegerische
logik einfügen, angesehen werden. Diese eindeutig kritische Positionierung zu
Technik ermöglicht andere formen der Erzählung.
Eine solche relexive und kritische kuratorische Arbeit ist ein wichtiger
Schritt, um die vormals als objektiv angesehene Vorstellung von Technik als
männliche Eigenschaft zu hinterfragen. Nach vielen Jahren Kritik an einer objektzentrierten Ausstellungskonzeption und
»dabei ist es sicherlich schwer, die gesellschaftder damit immer wieder hervorgebrachlichen implikationen zu vermitteln, wenn man
ten Erzählung von Technik als Produkt
dazu mit Texten gegen monströse exponavon Erindergenies für faszinierte Mänte ankämpfen muss.« ( interview nr. 22/2016 )
ner stellt sich heute die frage : Wie können andere Narrationen aufgerufen werden, ohne das immer gleiche Bild von
Männern als Erindern und frauen als Nutzerinnen zu verfestigen ? Die Suche
abseits von Stereotypen hat die Technikmuseen erreicht, doch kann dies nicht
allein über eine reine Präsentation von Objekten bewerkstelligt werden. Die Kulturgeschichte der Technik indet Einzug in die Museen und erzeugt ein Spannungsfeld : Wie viel Sozial- und Kulturgeschichte geht in ein Technikmuseum ?
Allein der Versuch, frauenbiograien und Ausnahmeingenieurinnen ins
Technikmuseum aufzunehmen, das zeigt
»Jede*r weiß automatisch, was Gender sein
die Praxis der letzten Jahre, reicht nicht
soll, also Frauen und Männer. Man müsste was
aus, um Technikerzählungen weniger
dagegen tun, dass die meisten immer das Gemännlich zu konnotieren. Sichtbarkeit ist
fühl haben, sie wissen’s eh, aber ohne zu überdemzufolge nicht das einzige Ziel, das femilegen, was es denn wirklich ist.«
nistische Kritik im Technikmuseum ver( interview nr. 39/2016 )
folgen sollte. So zeigt Johanna Schaffer in
ihrem Buch Ambivalenzen der Sichtbarkeit, dass Sichtbarkeit kein Garant für
Ansehen oder Aufwertung bedeutet, und veranschaulicht dies am Beispiel visu78
{ Technologien der Geschlechter }
eller Repräsentation : »Denn wenn der Zusammenhang zwischen visueller Repräsentiertheit und politischer Macht so kausal wäre, wie es diese Annahme nahe
legt, folgte daraus, […] dass [sie] in den Händen junger, weißer, halbbekleideter
frauen liegen müsste« ( Schaffer 2008 : 15 ). Die mediale Repräsentanz junger,
weißer, halbbekleideter frauen führt also nicht direkt zu politischer Macht und
noch weniger dazu, die Vorstellungen von gelebten frauenalltagen zu öffnen oder
gar zu verändern. Um gesellschaftliche lesarten von frauen- und Männerstereotypen zu durchbrechen, braucht es auch einen Kampf gegen die strukturellen und symbolischen Geschlechterordnungen.
Vor allem feministische, repräsentationskritische Arbeiten haben herausgearbeitet, dass »Wissen und Repräsentation notwendig als positioniert, situiert
und nicht absolut zu betrachten ist ; das Wissen/Repräsentation darüber hinaus immer in Macht- und Herrschaftsprozesse involviert und an der Produktion
und Reproduktion von Gesellschaft betei»Technik ist einfach a priori männlich konnoligt ist« ( ebd. : 17 ). Dies gilt gleichermaßen
tiert. dagegen lässt sich erst mal schwer anfür das Museum, in dem die Objekte eine
kommen.« ( interview nr. 32/2016 )
eigene Objektbiograie mitbringen, diese
aber meist in der herkömmlichen Erzählung ›Wer hat’s erfunden ?‹ eingebettet
sind. Angesichts der Dominanz der männlichen Erindungen erscheinen Objekte mit anderen Urheber*innen oder Nutzer*innen marginal. Den Heerscharen
an männlichen Ingenieuren, Erindern, Technikern und Wissenschaftlern einige
wenige Ausnahmen an die Seite zu stellen gewährleistet nicht das Aufbrechen
geschlechtlicher Zuschreibungen, sondern verfestigt den Kanon. Der Kritik an
der Technikfaszination und den Repräsentationslogiken müssen daher weitere
selbstrelexive, ausstellungsstrategische Ansätze folgen ( vgl. Döring / John 2015 ).
Einer dieser Schritte ist die Auseinandersetzung mit den tiefer liegenden
Ordnungs- und Diskursbildungsstrukturen des Museums. Das Technische Museum Wien liefert hierfür bereits wichtige Impulse, etwa durch die thematische
Öffnung der Abteilung für Verkehr hin zu einer Ausstellung über Mobilität. Es
verschiebt damit den fokus von der faszination technischer Objekte zu fragen
nach formen und Arten der Bewegung und dessen Veränderung : Wer kann mobil
sein, wer muss mobil sein und wer wird daran gehindert, mobil zu sein ? Durch
die Öffnung wird es möglich, die Prämissen, die der museumseigenen Verkehrssammlung zugrunde liegt, zu benennen : lange Zeit wurden nur die fahrzeuge
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{ Döring · fitsch · Bor · Çakan }
gesammelt, die sich in einem bestimmten
Bereich als die besten herausstellten, meist
die schnellsten Autos oder die ersten, neuesten Anfertigungen. »Erste( r ) sein« heißt
auch eine Überschrift auf einer Infotafel
in der Mobilitätsausstellung, die sich mit
den eigenen Prämissen des Sammelns und
Ausstellens befasst und besagt : »Die frage,
wer der ( viel seltener die ) Erste war, der
etwas entwickelte, herstellte und gebrauchte, beherrschte lange Zeit das Sammeln
und Ausstellen in Technikmuseen. Die Museen konkurrierten darum, als Erste die
ersten fahrzeuge zu präsentieren. Dabei
ging manchmal sogar der Blick für die fakten verloren. […] Sie erzählen aber auch
was über uns : Wenn wir die Ersten feiern, abb. 2 | Miriam bajtala: intervention »ohne namen«,
sagt dies immer auch etwas über unsere zum Jubiläum 100 Jahre Technisches Museum Wien.
eigenen Prioritäten und Maßstäbe« ( Aus- © Miriam bajtala
stellungstext, Technisches Museum Wien ). Exponiert sind hier vier Highlights
der Automobil-Sammlung, die jeweils für sich beanspruchen, Erster zu sein ;
zugleich wird die Sammlungspolitik selbst zur Disposition gestellt.
Auch in der Abteilung Provenienzforschung widmet sich das Technische
Museum Wien den politischen Bedingungen und Machtverhältnissen des musealen Ausstellens. Sie sucht, die Herkunft und Eigentumsrechte von Museumsobjekten aus der Zeit des Nationalsozialismus zu klären. Die als Intervention in die
Alltagsgeschichte angelegte Ausstellung Inventarnummer 1938 verweist dabei
nicht nur auf gewaltsame und unrechtmäßige Ent- und Aneignungen durch die
Institution, sondern auch auf die eigene Praxis des Sammelns und Inventarisierens, auf ihre blinden flecke, lücken und leerstellen. Sie stellt der scheinbar
neutralen Erzählung von Geschichte einen selbstkritischen Blick und Revision
entgegen. Diese Kritik, die maßgeblich mit der ständigen Sammlungs- und Ausstellungspolitik verknüpft ist, ließe sich gleichsam für die ganze Institution weiterdenken.
80
{ Technologien der Geschlechter }
Ebenfalls in Wien zeigt das Werk der ungarischen Künstlerin Miriam Bajtala, wie man durch eine ständige Intervention die eigenen politischen, institutionellen Bedingungen relektieren kann.← abb. 2 Sie versieht die in den Museumsbau
eingelassene Ehrentafel mit der Inschrift »Den Vorfahren zur Ehre / Der Jugend
zur lehre / Der Wirtschaft zum Nutzen« mit einer Spiegelwand. Das halbdurchlässige Element ist in einem Abstand zur Wand angebracht, so dass man sowohl
den Inhalt der Tafel lesen als auch sich selbst sehen kann. Die originale Platte,
die anlässlich der Museumsgründung u. a. die Namen des jüdischen Industriellen Bernhardt Wetzler und des Bankhauses Rothschild trug, wurde 1942 ausgetauscht. Damit verweist die Künstlerin auf nationalsozialistische Gewalt- und
Herrschaftsformen, in die das Museum einbettet war. Es geht aber nicht nur
um eine Rehabilitierung der Geschichte, sondern um die Eröffnung von relexiven Perspektiven auf die politischen Rahmenbedingungen, Machtstrukturen,
Geschichte und Repräsentationsformen der Institution. Der zirkuläre Kreis der
Aufklärung, Bildung und Begeisterung eines männlich gedachten Publikums
durch die Gründungsväter und Ahnen der Technik wird gespiegelt, aufgebrochen und erweitert. Künstlerische Interventionen eignen sich in besonderer Weise, geschlechtsbedingte und soziale Ungleichheiten zu hinterfragen.
Das kuratorische Konzept der Ausstellung uni-form ? Körper, Mode und
Arbeit nach Maß setzte auf den Bruch als konstitutives Element des relexiven
Ausstellens, das inhaltlich, architektonisch und durch künstlerische Interventionen umgesetzt worden ist ( vgl. Döring 2016 ). Thema der Ausstellung war die
Geschichte des Maßnehmens für die serielle Bekleidungsproduktion. Statt apparative Techniken wie Messgeräte, Zuschnittverfahren oder Nähmaschinen in der
Weiterentwicklung auszustellen, ging es um die historisch verschiedenen Praktiken des Vermessens sowie die Effekte und Auswirkungen auf Körper und Arbeit.
Durch das Hinauszoomen aus den jeweili»Gendergeschichten stecken in allen erfindungen Domänen wie ›dem Handwerk‹, ›der
gen drin.« ( interview nr. 17/2016 )
Schneider‹ oder ›die Mode‹ konnten weitläuige Korrelationen geschaffen werden, die darauf hinweisen, wie geschlechter- und klassenspeziische Ordnungen in die Narration von Mode und Körper
hineingelangen und sich gegenseitig bedingen. In der Ausstellung wurden die oft
als biologisch oder natürlich verstandenen Zuschreibungen hinterfragt, indem
sie historisch kontextualisiert und in Zusammenhang oder aber Widerstreit
81
{ Döring · fitsch · Bor · Çakan }
{ Technologien der Geschlechter }
bipolare Geschlechterordnung zu reproduzieren. Die heteronormative Geschlechterordnung kann jedoch durch vielfältige und geschlechterübergreifende Strategien des Bruches geöffnet werden. Eine Perspektivverschiebung der Kategorie
Geschlecht ist dabei unabdingbar : Wird Geschlecht nicht auf frauen oder auf
die Differenz von frauen und Männer redu»es lohnt sich, bestehende sammlungen nach
ziert, sondern als strukturelle Kategorie
weiblichen Geschichten zu durchforsten.«
verstanden, werden Konstruktionen von
( interview nr. 38/2016 )
Weiblichkeiten und Männlichkeiten als historisch dynamisch analysierbar. Damit fänden auch die bis dato wenig beachteten Konstruktionen von Männlichkeit als ( unsichtbarer ) Maßstab und Norm
weitere Aufmerksamkeit.
3. Vermittlung als Öffnung der Institution
abb. 3 | ausstellungsansicht »uni-form? körper, Mode und arbeit nach Maß«.
sonderausstellung haus der brandenburgisch-Preußischen Geschichte. © christoph leip
gebracht wurden. Beispielsweise wurde eine Rüstung in Vorderansicht und eine
Schnürbrust in Rückenansicht nebeneinandergestellt, um auf die geschlechtsspeziischen Unterschiede der Körpernormen, aber auch ihrer Verhandlung und
Beweglichkeit zu verweisen.↑ abb. 3 Dabei war die Kultur- und Technikgeschichte des Maßnehmens zwar chronologisch angelegt, die vermeintliche linearität
wurde aber immer wieder durch architektonische Sichtachsen und Einschübe,
vor allem aber durch künstlerische Interventionen gebrochen und aufgefächert.
Wie die Beispiele aus den verschiedenen Museen zeigen, gelingt geschlechtergerechtes Ausstellen durch eine breite Auswahl weiblicher und männlicher
Biograien und Portraits sowie von Artefakten, die Erwartungen an geschlechtsspeziischen Technikgebrauch, Arbeitsteilung, entsprechende Berufe, Aussehen
und damit festgeschriebene soziale Rollen irritieren. Versuche, die Kategorie
Geschlecht sichtbar zu machen, laufen dennoch — wie etwa an der geschlechtsspeziischen Zuweisung von Nutzung und Erindung — immer auch Gefahr, die
82
Technikmuseen haben sich in den letzten Jahren stark gewandelt. Zu Beginn
stand der dokumentierende und archivierende Charakter der Museen im Vordergrund ; dies zeigt sich besonders bei den ältesten Einrichtungen. Heute sind
Technikmuseen zu Bildungsinstitutionen geworden, in denen der fokus auf edukativen und instruktiven Aufgaben liegt.
»das Museum gehört den besucher*innen.«
Sie fungieren einerseits als Bildungsinsti( interview nr. 9/2016 )
tutionen, gleichzeitig sollen sie als ›Event
für die ganze familie‹ und als Edutainment — also lernen, ohne es zu bemerken —
inszeniert werden. Die »kulturpolitische Aufwertung« ( Mörsch 2009 : 13 ) verlangt
daher verstärkte Aktivitäten der Museen im Bereich der Vermittlung. Prozesse
der Ökonomisierung erreichen auch die Museen und zeigen sich zuvorderst im
Vermittlungsbereich, was dazu führt, dass führungen und Events vermehrt in
Abhängigkeit von einem zahlenden Publikum angeboten werden.
Vermittlung in Technikmuseen ist in der Vielfalt, wie sie aus heutigen
Museen bekannt ist, eine recht neue Entwicklung. lange Zeit gab es ( Vor- )
führungen, die sich auf die Erklärung von funktionsweisen der Objekte
beschränkten. Das hat sich in den letzten Jahren durch verschiedene Vermittlungskonzepte erweitert, die hier kurz aufgeführt werden sollen. Die älteste
und gängigste Vermittlungsstrategie ist sicherlich die auf Technikfakten ausgerichtete Operationalisierung von Gegenständen. Pierangelo Maset erklärt
die Auswirkungen dieser Instrumentalisierung am Beispiel eines Gemäldes :
83
{ Döring · fitsch · Bor · Çakan }
»An diesem Gegenstand kann man dann beispielsweise lernen, welche farbverhältnisse er aufweist oder welche Art der Perspektive […] angewandt wurde.
Das sind fakten, fakten, fakten, die man im Unterricht später leicht abfragen
kann. Doch das, was den ›Gegenstand‹ zur Kunst macht, ist damit nur peripher
berührt« ( Maset 2001 : 15 ). Objekte werden »zu einem Instrument für bestimmte Zwecke zugerichtet und zum ›Gegenstand‹ verkürzt« ( ebd. ). Dadurch kann
der Gegenstand auf fakten reduziert werden, die dem Objekt dem Anschein
nach innewohnen.
Mit Carmen Mörsch lässt sich dieser instrumentelle Ansatz als afirmatives
Vermittlungskonzept charakterisieren. Es zeichnet sich durch additive Zusatzprogramme aus, die von autorisierten Sprecher*innen durchgeführt und erstellt werden, wie Vorträge und andere Begleitveranstaltungen, Expert*innenführungen
oder Ausstellungskataloge. Daneben klassiiziert die Autorin für die Kunst- und
Kulturvermittlung einen reproduktiven, dekonstruktiven und transformatorischen Diskurs ( Mörsch 2009 : 9ff. ). Diese unterschiedlichen funktionen von Vermittlungsstrategien lassen sich auch auf technische Museen übertragen, da sie
grundsätzliche Konzeptionen der Wissensvermittlung und Bildung diskutieren.
Der reproduktive Vermittlungsansatz übernimmt »die funktion, das Publikum von morgen heranzubilden und Personen, die nicht von alleine kommen,
an die Kunst heranzuführen« ( ebd. : 9 ). Die Vermittlung soll dazu beitragen, Kulturgüter einem möglichst breiten Publikum zugänglich zu machen. Barrieren,
auch auf theoretischer und symbolischer Ebene, sollen dabei abgebaut werden.
Dieser Ansatz wirbt durch Workshops für Schulklassen und Weiterbildungen
für Multiplikator*innen, familienprogramme und Angebote für Menschen mit
besonderen Bedürfnissen und Dispositionen. In technischen Museen kommt diese Strategie zum Tragen, wenn insbesondere frauen oder Menschen, die normalerweise nicht ins Museum kommen, mit speziellen Angeboten angesprochen
werden sollen.
Der dekonstruktive Kunstvermittlungsansatz arbeitet mit und durch Interventionen und ist eng verbunden mit der Kritik am Museum, die sich seit den
1960er Jahren auch in der Museumstheorie und -landschaft widerspiegelt. Dabei
wird das Museum als Institution und als Kulturpraxis sowie die darin ausgestellten Objekte, ebenso wie die »Bildungs- und Kanonisierungsprozesse, die in
diesem Kontext stattinden, gemeinsam mit dem Publikum« befragt ( ebd. : 10 ).
84
{ Technologien der Geschlechter }
Dieser Diskurs greift — ebenso wie der transformatorische Diskurs — die Utopie
eines Museums auf, das sich nicht nur als Ort der Wissensproduktion versteht.
Der letzte, bislang am seltensten vorgefun»es muss auch Platz sein, wo vielstimmigkeit
dene Ansatz gibt sich selbst »die Aufgabe,
möglich ist, nicht nur eine stimme, die spricht.
die funktionen der Ausstellungsinstitution
[…] vielschichtigkeit ist ja auch durch die soziazu erweitern und sie politisch, als Akteulen bewegungen des letzten Jahrhunderts inirin gesellschaftlicher Mitgestaltung, zu vertiiert worden ; die Museen sollten sich dort öffzeichnen« ( ebd. ). Er erfordert Strategien,
nen, haben es aber nur unzureichend getan.«
die die Unterscheidung von kuratorischer
( interview nr. 29/2016 )
Arbeit und Vermittlung auflösen und das
Museum selbst verändern. Die funktionen des Museums sollen durch die Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Interessengruppen oder speziisch gesellschaftlichen Akteur*innen ergänzt und erweitert werden.
In den vier oben beschriebenen Diskursen wird nicht nur die frage nach
Vermittlungsstrategien gestellt, sondern implizit auch formen der Bildung diskutiert. Bevor Wissen vermittelt werden kann, muss geklärt werden, was als
›richtiges‹ Wissen anerkannt wird und wer von wem lernen soll. Die Erweiterung der Vermittlungsangebote führt zu einer verstärkten Präsenz von frauen
im Museum, denn die Vermittlungs- und Erziehungsarbeit wird hauptsächlich,
bis auf wenige Ausnahmen, von frauen übernommen. Dies ist auch in der Personalpolitik der untersuchten Museen ablesbar. Das Geschlechterverhältnis in den
meisten Vermittlungsabteilungen steht konträr zu der Männerdomäne, die in
den anderen Abteilungen der technischen Museen noch immer herrscht; es zeigt
sich daran eine geschlechterspeziische Aufgabenverteilung sowie ein Macht- und
Gehaltsgefälle. Bildung als Erziehung ist heute mehr denn je ein weiblich konnotierter Beruf, auch im Museum. leicht kann dabei das Bild der Museumspädagogin zur Bestätigung stereotyper Vorstellungen von Technik und Geschlecht
werden, wenn sie mit ihrem fokus auf ansprechende Vermittlung nicht das technische faktenwissen liefert, sondern in einfacher Sprache Grundlagen vermittelt, die mit wenig Vorwissen verstanden werden können.
Die meisten von uns vorgefundenen Vermittlungskonzepte sind dem afirmativen und reproduktiven Diskurs verhaftet. Dabei geht es darum, gleichzeitig Menschen von Technik zu begeistern und ebendiese faszination von Technik
durch Kontextualisierung zu brechen. Biograische und/oder historische Kon85
{ Döring · fitsch · Bor · Çakan }
textualisierungen des Objekts sollen andere Zugänge zum Gegenstand ermöglichen. Auf faktenwissen liegt nicht mehr der Hauptfokus der Vermittlung, mit
Ausnahme einiger Anschauungsvideos,
»Wir haben die kulturvermittler*innen dazu
die zur Erklärung neben Objekte positiosensibilisiert, dass sie auch Frauen- und Genniert werden. Bei Präsentationen, die stark
derthemen in den Führungen verarbeiten, und
objektzentriert konzipiert sind, kommt der
das passiert vor allem über biografien.«
Vermittlung hauptsächlich eine kompensa( interview nr. 35/2016 )
torische funktion zu. Durch sie werden
Geschichten und Hintergründe der Objekte in die Ausstellung eingebracht, die
sonst den Besucher*innen nicht zugänglich wären.
Damit sich Menschen für Objekte interessieren, brauchen sie Identiikationsmöglichkeiten. In den meisten Technikmuseen wird selbstverständlich davon
ausgegangen, dass männlich sozialisierte Menschen quasi natürlicherweise eine
faszination und Begeisterung für Technik mitbringen, Mädchen diese faszination
aber erst vermittelt beziehungsweise anerzogen werden muss. Wenn diese implizite Verbindung von Technik und Männlichkeit nicht hinterfragt wird, wird die
vermeintlich fehlende weibliche Technikfaszination als Ursache für die geringere
Zahl der Besucherinnen angenommen. Um die Besucherinnenquote zu steigern,
setzen die Museen auf die Thematisierung weiblicher Nutzer*innenperspektiven.
Sie bieten spezielle Vermittlungsangebote an, die sich an frauen und Mädchen
richten, etwa den girls day oder den Mutter-Tochter-Tag. Zudem werden in den
Ausstellungen und museumspädagogischen führungen Rolemodels für Mädchen
erfunden, etwa weibliche, starke, frische und technikafine Identiikationsiguren. Sie leiten durch die Ausstellung oder erklären die Hands On-Apparaturen.
Gern wird ihnen auch noch eine jüngere Person ( meist männlich ) an die Seite
gestellt, was die beiden geschlechtsspeziischen figuren jedoch in einer gewissen Konkurrenz zueinander erscheinen lässt. Über den Museumsbesuch hinaus
sollen speziell Mädchen und frauen für die MINT -fächer interessiert und als
zukünftige fachkräfte angesprochen werden. Doch läuft die Suche nach männlichen und weiblichen Identiikationsiguren Gefahr, stereotype Geschlechterdifferenzen zu verfestigen. In Sonderführungen wird die Begeisterung von frauen
und Mädchen etwa zum angenommenen Deizit und Sonderfall. Unter dem ökonomischen Druck werden zwar weitere Zielgruppen identiiziert und mit speziell
auf sie zugeschnittenen Programmen angesprochen, dabei werden diese jedoch
86
{ Technologien der Geschlechter }
wiederum als einheitliche Kohorten enger deiniert. Die Mitarbeiter*innen der
Museen beschreiben die Arbeit mit den eigenen Vorannahmen, Überraschungen und dem Offenhalten von Kategorisierungen als zentrale Herausforderung.
So hat sich etwa das Berliner Technikmuseum dem Ansatz verschrieben, statt Inhalte vielmehr Methoden zur eigenen Aneignung von Kenntnissen
zu vermitteln. Wissensvermittlung wird
»Methoden zu vermitteln, wie man sich das Musomit nicht linear — von lehrenden zu lerseum aneignen kann und welche Fragen ich an
nenden — verstanden, sondern die Annädas objekt stellen kann.« ( interview nr. 1/2016 )
herung an Objekte und ihre Geschichten
soll möglichst offen gestaltet sein. Das Museum möchte die Besucher*innen
nicht mit faktenwissen konfrontieren, sondern über die Vermittlungsangebote in die lage versetzen, eigene fragestellungen ans Museum und an die Ausstellungen zu entwickeln.
Das Einbeziehen von vielfältigen Besucher*innenperspektiven kann früh
beginnen. So wurde etwa der Entwicklung der Dauerausstellung Das Netz ! ein
Jugendrat beratend zur Seite gestellt, der die Kurator*innen in der Konzeption und Ansprache der Ausstellung unterstützte. Der Wunsch nach verstärkten
Kooperationen mit außermusealen Initiativen und Gruppen wurde, ebenso wie
das Bedürfnis nach engerer Zusammenarbeit zwischen den Kurator*innen und
Vermittler*innen, häuiger formuliert. Das Beispiel zeigt, dass Technikmuseen
in der Öffnung begriffen sind und verstärkt überlegen, wer ihr Publikum ist und
welches Wissen sie vermitteln wollen. Hierfür bedarf es eines breiter angelegten Bildungskonzepts als bisher.
In verschiedenen Institutionen wird überlegt, wie man die »Demutshaltung zum Artefakt brechen« kann ( Interview Nr. 35/2016 ), um das Verhältnis
von Expert*innen und lernendem zu hinterfragen und neue Perspektiven der
Aneignung zu entwickeln. Im Militärhistorischen Museum werden beispielsweise durch interaktive Hands On verschiedene Rollenbilder der frau thematisiert.
Eine der sich durch die Ausstellung ziehenden museumspädagogischen Stationen versammelt zahlreiche historische und technische Objekte, die — hinter
kleinen Türen verborgen — selbst entdeckt werden können. Durch das Öffnen
und Schließen der Türchen werden z. B. medizinische Geräte für den Schwangerschaftsabbruch oder das Mutterkreuz sichtbar. Dabei werden nicht nur verschiedene, sich zum Teil wiedersprechende Ideale aufgegriffen, sondern auch
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{ Döring · fitsch · Bor · Çakan }
auf das Einlagern und Selbstverständlichwerden solcher Ideale in gesellschaftlichen Ordnungen verwiesen.
In Hamburg indet sich ein Beispiel für den transformatorischen Vermittlungsansatz. Das Museum der Arbeit beherbergt gelüchtete frauen und bietet,
neben vielen anderen täglich stattindenden Vorführungen, einmal die Woche
Workshops für sie an. Dafür stellt das Museum Räumlichkeiten und Techniken
zur Verfügung, die sich die frauen aneignen. Die frauen können so selbst herausinden, welche Techniken für sie zum einen von Interesse sind und zum anderen wie sie diese erlernen und verwenden können. Gleichzeitig ermächtigt diese
Strategie die frauen, sich Wissen selbst anzueignen, anstatt darüber belehrt
zu werden.
Die Vermittlungsstrategien in technischen Museen erproben viele partizipative Ansätze, bleiben jedoch mehrheitlich der reproduktiven funktion verplichtet. für die Entwicklung von emanzipatorischen Vermittlungsansätzen besteht
hingegen ein großes Potential. Dabei ist eine verstärkte und frühzeitige Zusammenarbeit mit der Sammlungsabteilung und den Kurator*innen sowie weiteren
Kooperationspartner*innen nötig. Oftmals wird die Thematisierung von frauen- und Geschlechterforschung als etwas gesehen, dass weniger die Ausstellung
selbst als die Vermittlung leisten kann und soll. Die Kategorie Geschlecht wird
in diesem Arbeitsbereich jedoch vornehmlich als identiizierbare Zielgruppe,
als Differenz und Unterscheidbarkeit und zuweilen auch Konkurrenz zwischen
Mädchen und Jungen, frauen und Männern verstanden. Indessen weisen gerade auch Vermittler*innen in ihrer täglichen Arbeit eine hohe Kenntnis und eine
immense Offenheit gegenüber dem Publikum aus. Neben experimentellen und
partizipativen formaten kann gerade eine Debatte um die funktionen, Grundannahmen und Ziele bzw. Zielgruppen der Museumspädagogik neue Zugänge
zum Technikmuseum öffnen.
4. Personalpolitik : Arbeiten im Museum
Die Befragung in den Museen zielte auch darauf ab, herauszuarbeiten, welche Relevanz die Kategorie Geschlecht in der Personal- und Einstellungspolitik,
der Mitarbeiter*innenführung und der Arbeitskultur hat. Welches Begriffsverständnis liegt der Arbeitspraxis zugrunde, wie werden Chancengleichheit und
Geschlechtervielfalt gezielt gefördert, welche Instrumente oder Maßnahmen
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{ Technologien der Geschlechter }
kommen zur Anwendung und welche Herausforderungen, Problematiken und
Möglichkeiten lassen sich feststellen ?
War die Personalstruktur in klassischen Technikmuseen lange Zeit eine
ausschließliche Männerdomäne aus Ingenieuren und Technikern, so rücken
frauen nunmehr auf. Gegenwärtig ist das
»der blick in den rückspiegel ist irrsinnig wichGeschlechterverhältnis in den befragten
tig, wenn du überholen willst.«
Museen ausgeglichen ; frauen und Män( interview nr. 34/2016 )
ner bekleiden gleichermaßen Positionen
7
in der Institution. In zwei der Museen führen Direktorinnen den Betrieb, die
jedoch allgemeinhin auf der leitungsebene in kulturellen Institutionen in der
Minorität sind. frauen werden als Ausnahme von
7 Im Rahmen der Untersuchung wurden keine
quantitativen Daten erhoben. Nach Selbsteinder Regel an der männlichen Norm oder Normalschätzung der Museen liegt der Anteil von fraubiograie gemessen. Die jüngst erschienene Stuen insgesamt leicht über 50 Prozent.
die Frauen in Kultur und Medien des Deutschen
Kulturrates befasst sich mit Ausbildung, Erwerbstätigkeit, leitungsfunktionen,
Einkommen und Künstlerinnen-förderung und stellt noch immer gravierende
geschlechtsspeziische Unterschiede fest ( vgl. Schulz / Ries / Zimmermann 2016 ).
Unsere Expert*innen-Interviews zeigen, dass Geschlecht — verstanden
als Gleichstellung — in der Einstellungspolitik angekommen ist. Das leitbild
der Chancengleichheit und Geschlechterdemokratie ist zum selbstverständlich
gültigen Konsens geworden. Die Annahme, dass gleichstellungspolitische Maßnahmen damit erschöpfend ausgereizt sind, erweist sich jedoch als unzutreffend,
denn frauen- und Gleichstellungsbeauftragte sind institutionell und in Entscheidungsprozesse unterschiedlich eingebunden sowie kaum mit Ressourcen ausgestattet. Die Aufgaben, Rechte und Entlastungen der Beauftragten variieren je
nach Bundesland und werden in der Praxis unterschiedlich ausgelegt. Von Reduzierungen der Arbeitszeit, die jedoch den Mehraufwand nicht immer decken, bis
hin zu ehrenamtlicher Tätigkeit reicht das Spektrum. Sie sind in den Institutionen meist auf sich allein gestellt, mit wenig
»Wichtig wäre es, innerhalb des hauses
Diskussions- oder Austauschmöglichkeiten.
eine diskussionsbasis über die kategorie GeMitunter müssen teils schematisch Anforschlecht zu schaffen.« ( interview nr. 32/2016 )
derungskataloge abgearbeitet werden, die
mit einem enorm hohen Verwaltungsaufwand einhergehen. Die Teilnahme an
Vorstellungsgesprächen neuer Mitarbeiter*innen erfolgt z. T. freiwillig oder ist
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{ Döring · fitsch · Bor · Çakan }
von der Zustimmung der Bewerber*innen abhängig. Es besteht zwar ein Einspruchs- bzw. Beanstandungsrecht, jedoch wird zumeist in Einstellungs- oder
Beförderungsverfahren das entscheidende Gremium beraten. Die Tätigkeit ist
allgemeinhin wenig anerkannt und geriert ohne Befugnisse und Einlusskraft
zum »zahnlosen Tiger« ( Interview Nr. 21/2016 ).
Gleichwohl ist es auch der langjährigen frauen- und Gleichstellungspolitik zu verdanken, dass sich der Anteil der frauenerwerbsarbeit in technischen
Museen erhöht hat. Die Beauftragten sind Ansprechpartnerinnen für Alltagsdiskriminierungen und Vorurteile ( z. B. Annahme eingeschränkter leistungsfähigkeit durch familiäre Verplichtungen, Absprache der Kompetenz etc. ) oder setzen
die geschlechtergerechte Ertüchtigung von Arbeitsplätzen durch ( z. B. Einrichtung von Umkleiden und Sanitäranlagen für beide Geschlechter in den Werkstätten ). Die Museen verfolgen gegenwärtig mit Nachdruck zahlreiche Maßnahmen
zur förderung und Realisierung von familienfreundlichen Arbeitsbedingungen,
die mehrheitlich von frauen genutzt und nachgefragt werden.
Ein weiterer Grund für das Aufholen von frauen liegt in der kulturgeschichtlichen ( Neu- )Ausrichtung einiger Institutionen, wodurch es in den letzten Jahren vermehrt zur Einstellung von Sozial- und Kulturwissenschaftlerinnen
kam — ein Gebiet, in dem frauen traditionellerweise stärker vertreten sind als
in den Naturwissenschaften. Diese junge
»ich habe nicht das Gefühl, dass ich für GenGeneration hat in ihrer eigenen Sozialisaderdebatten kämpfe, weil ich das hier nicht
tion bisher keine Benachteiligung wahrunbedingt als notwendig ansehe.«
genommen, so dass Kenntnisse von und
( interview nr. 36/2016 )
ein Bewusstsein für historische, aktivistische und wissenschaftliche Debatten um den Einschluss und Anerkennung von
frauen in technischen Berufen und feldern schwinden. Vor dem Hintergrund
guter kollegialer Zusammenarbeiten sowie dem eigenen, emanzipierten Selbstverständnis wird ›der feminismus‹ von ihnen teilweise als ›überholt‹ betrachtet
( vgl. Hark 2014 ). Mit dem aktuellen Ausscheiden einer frauenbewegten Generation von Mitarbeiterinnen droht das Wissen über die historischen Kämpfe sowie
die Wertschätzung und Sicherung bereits erzielter Erfolge verlorenzugehen.
Der Blick in den Rückspiegel ist indessen nicht nur für das Auf- und Überholen
wichtig, sondern auch unabdingbar, um die meist implizit wirkenden strukturellen Ungleichheiten aufzudecken.
90
{ Technologien der Geschlechter }
Bei genauerer Betrachtung der Stellenpläne8 zeigt sich, dass das Geschlechterverhältnis in den einzelnen Arbeitsbereichen und Hierarchieebenen der traditionellen Verteilungsordnung entspricht: frauen
8 Aussagen über Gehaltsverteilung können aufgrund von mangelnden Daten nicht gemacht
sind v. a. in den Abteilungen der Museumspädagowerden.
gik und Vermittlung sowie als Kuratorinnen tätig,
die mit symbolischen, bis heute wirkmächtigen Weiblichkeitszuschreibungen
kodiert sind ( lat. curare : ›sorgen‹, ›plegen‹ ). Demgegenüber sind führungspositionen, Stellen als Ingenieur, in den Werkstätten, als Hausmeister und im
Sicherheitsdienst mehrheitlich von Männern besetzt. frauen bilden in diesen
Bereichen immer noch die Ausnahme und durchbrechen nur vereinzelt die ›gläserne Decke‹ ( vgl. Beaufaÿs 2012 : 91f ). Die strukturelle Ungleichheit spiegelt sich
in den unterschiedlichen Begründungen für den generellen Mangel an Technikerund Naturwissenschaftler*innen in Museumspositionen. So sei es schon schwierig,
männliche Mathematiker, Physiker oder
»Wir haben jede Woche leitungsrunde, da sitIngenieure einzustellen, da sie in anderen
zen am Tisch von den leitungspositionen zwei
Bereichen weitaus größere VerdienstmögFrauen, der rest sind Männer.«
lichkeiten als im Museum vorfänden. frau( interview nr. 14/2016 )
en sind hingegen in MINT -Berufen immer
noch unterdurchschnittlich repräsentiert ( vgl. Bundesagentur für Arbeit 2016 ).
Volontär*innen und freie Mitarbeiter*innen unterliegen prekären Arbeitsbedingungen und Abhängigkeitsverhältnissen, insbesondere mit männlichen Vorgesetzten. Die zunehmende Präsenz von frauen in technischen Museen ist weniger
als Aulösung der traditionellen Rollenverteilung zu verstehen, sondern reproduziert gleichermaßen die konventionelle Geschlechterordnung auf verschiedenen Ebenen.
In den Befragungen wurde deutlich, dass es der frauenförderungs- und
Gleichstellungspolitik an Ansehen mangelt ; interne und öffentliche Diskussionen inden kaum statt. Es gibt weder Steuerungsgruppen noch ( in- )formelle
Netzwerke, in denen geschlechtsspeziische Themen und Problematiken erörtert werden können. Was bedeutet eigentlich Gleichstellung gegenwärtig ? In
welchem Verhältnis steht frauenförderung und Gleichstellungspolitik ? Welches Verständnis des Geschlechterbegriffs liegt vor ? Welchen eigenen Vorannahmen und Prämissen unterliegt die Gleichstellungsarbeit ? Wie können in
der Institution nicht nur Maßnahmen, sondern Diagnosen und qualitative Aus91
{ Döring · fitsch · Bor · Çakan }
einandersetzungen umgesetzt werden ? Das Ausfüllen dieser komplexen Aufgabe ist — wie in anderen Museumsbereichen auch — stark vom individuellen
Vorwissen, Engagement, der Arbeitsauslastung und der Position der Stelleninhaberinnen abhängig. Produktiv iel dabei die Verschränkung mit öffentlichkeitswirksamen oder gestalterischen Tätigkeiten auf, z. B. in der Bildauswahl
oder der Verwendung einer geschlechterneutralen Sprache in presse- und öffentlichkeitswirksamen Medien. Gleichstellung wird so nicht nur nach innen, sondern auch nach außen verfolgt.
Bei den Mitarbeiter*innen der Museen waren, bis auf die geschlechterneutrale Stellenausschreibung und Chancengleichheit bei Besetzungsverfahren,
keine weiteren Maßnahmen oder politische Vorgaben bekannt. Die Verwendung
einer geschlechtersensiblen Sprache wurde unterschiedlich praktiziert. Während
sie in Ausschreibungen konsequent verfolgt wird, inden sich im Ausstellungs-,
Sammlungs- und Vermittlungsbereich diverse Ausprägungen, vom generischen
Maskulin über punktuelle Anwendungen bis hin zum Nebeneinander verschiedener formen. Das Thema wird selten übergreifend diskutiert. Dort, wo Diskussionen stattinden, kann eine latente Abwehrhaltung und Ermüdung gegenüber
der geschlechtersensiblen Sprache diagnostiziert werden. Gleichzeitig war der
Wunsch nach einer einheitlichen Vorgabe zu verzeichnen. Somit indet in den
Museen zwar vordergründig ein Perspektivwechsel statt, er bleibt allerdings auf
die Einstellungspolitik des Gender Mainstreaming beschränkt. für die nachhaltige und institutionelle Verankerung in der Organisationsstruktur besteht großes Potential. Gleichwohl sind die Strategien des Gender Mainstreaming nicht
unumstritten. Das als Gemeinschaftsaufgabe verstandene Ziel der Geschlechterdemokratie wird gewissermaßen auf den Verwaltungsposten der frauen- und
Gleichstellungsbeauftragten ausgelagert. Debattiert wird ferner, welche Effekte die Ablösung von klassischen frauenförderungen durch Gleichstellung nach
sich zieht. Geschlechtsspeziische Benachteiligungen werden verstärkt in Konkurrenz zueinander gedacht, die knappen Ressourcen etwa in Beratungen unterschiedlich stark in Anspruch genommen. Ambivalent erscheint nicht zuletzt die
Ökonomisierung von gleichstellungspolitischen und feministischen Zielen durch
neoliberale Nutzbarmachung des Humankapitals. Das ›Selbstverständlichwerden‹ der Kategorie Geschlecht birgt so auch die Gefahr, alte Geschlechterrollen
durch eine neue Rhetorik zu verkleiden.
92
{ Technologien der Geschlechter }
Generell lässt sich herausstellen, dass die Einstellungspolitik und Arbeitskultur stark von der Haltung der Direktion sowie inneren und äußeren institutionellen Strukturen abhängig sind. Politische Vorgaben / Impulse, eine Sensibilität
für die historische wie gegenwärtige Minorität von frauen in MINT -fächern
sowie ein Interesse an sozialen und strukturellen Ungleichheiten unterstützen
kritische Auseinandersetzungen mit der Kategorie Geschlecht und weiteren
Differenzen. Eine strategische förderung von frauen im Museum im Zusammenhang mit inhaltlich konzipierten Stellenproilen und Einstellungsvoraussetzungen münden in eine produktive Arbeitsatmosphäre auf Augenhöhe. Spürbar
produktiv sind nicht nur geschlechtlich gemischte, sondern auch interdisziplinäre Teams und freiräume. Doch für interne sowie externe Kooperationen,
etwa mit dem Jugendrat, wissenschaftli»alle sind immer an der kapazitätsgrenze. die
chen Beiräten und Kolloquien, studentivorgabe müsste sein, wir lassen was weg und
schen Projekten oder mit aktivistischen
dann wird diskutiert.« ( interview nr. 39/2016 )
Institutionen, die als sehr bereichernd
empfunden werden, müssen extra Zeit- und Arbeitsressourcen bereitgestellt
werden. Kuratorische Beratungen, Diskussionen oder fortbildungsveranstaltungen zu übergeordneten und querliegenden Themen, wie geschlechtsspeziischen
und sozialen Ungleichheiten, wurden als unterstützend und notwendig erachtet,
denn gerade der Austausch über verschiedene Disziplinen, Methoden, Sprachen
und Vorannahmen hinweg ermöglicht eine offene und relexive Kultur der Kritik. In jenen Museen, die während einer längeren Schließzeit die Neukonzeption der Institution realisieren konnten, lag eine äußerst fruchtbare Arbeits- und
Diskussionskultur sowie abteilungsübergreifende Zusammenarbeiten zwischen
Kuratieren, Sammlung und Vermittlung vor, für die es in der alltäglichen Museumspraxis an Zeit mangelt.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das vordergründige Aufholen
von frauen auf Museumsposten nicht automatisch eine breitere Geschlechterdiversität oder den Abbau von sozialen Ungleichheiten sichert. Die Kategorie
Geschlecht erschöpft sich keineswegs in gleichstellungspolitischen Maßnahmen,
sondern entfaltet als querliegende fragestellung und relexive Kritik ein breites Handlungsspektrum.
93
{ Döring · fitsch · Bor · Çakan }
fazit : Ansätze einer gendergerechten, relexiven
Museumspraxis
Museumsprozesse verändern sich nur langsam. Die Institution weist nicht nur
einen ausdifferenzierten Verwaltungsapparat und etablierte Arbeitsabläufe auf,
die in Behörden wie Naturgesetze anmuten (vgl. Tyradellis 2014). Vielmehr lagern
im Inneren des Museums verschiedene his»das Museum ist schon ein Wahnsinnstanker
torische Konzepte, Vorstellungen und funkund wenn der Fahrt aufgenommen hat, ist es
tionen seiner institutionellen Entwicklung,
schwer, das ruder rumzureißen.«
die weniger relektiert als tradiert wer( interview nr. 32/2016 )
den. Gleichwohl es Kritik am Museum seit
Anbeginn seiner Genese gegeben hat und die Institutionen sehr unterschiedlich
geführt und ausgestaltet werden, scheint ein Grundverständnis konsensual. Demnach sind Museen den vom Internationalen Museumsrat festgelegten klassischen
Aufgaben der Bewahrung, dem Zeigen, Vermitteln und fördern des kulturellen Erbes — dem gesellschaftlichen Verständnis, Nutzen, fortschritt, Wissensgewinn und Wertschätzung — verplichtet ( vgl. ICOM 2006 ).9 Das Museum ist
jedoch historisch höchst unterschiedlich konzipiert worden ( vgl. Vedder 2005 ) :
als antike Kult- und forschungsstätten der Künste 9 Die ethischen Richtlinien wurden am 4. Novemund Wissenschaften ( museion ), als gelehrte Kunst- ber 1986 auf der 15. ICOM -Vollversammlung in
und Wunderkammern, fürstliche Raritätenkabinette, Buenos Aires, Argentinien, einstimmig angenommen, am 6. Juli 2001 auf der 20. ICOM -Vollverals Vergnügungsparks, bürgerliche Privatsammlun- sammlung in Barcelona, Spanien, ergänzt und
gen, Bildungsstätten nationaler Identitäten oder als
am 8. Oktober 2004 auf der 21. ICOM -Vollversammlung in Seoul, Südkorea, revidiert.
Repräsentationen von fortschritt auf Weltausstellungen. Gegenwärtig sollen technische Museen — so die Vorstellung vieler Mitarbeiter*innen — im Gegensatz zu den weitaus elitäreren Kunstmuseen vor allem
niedrigschwellig und barrierefrei sein. Sie werden als »Ort, wo sich alle wohl und
eingeladen fühlen« ( Interview Nr. 4/2016 ), gesehen, ein Ort, an dem als »volksnahe Bildungsshow« ( Interview Nr. 17/2016 ) populäres Wissen jenseits des akademischen Elfenbeinturms oder der schulischen Institution bereitgestellt wird.
Richtig ist sicherlich, dass die Institution mit ihrer Adressierung aller Klassen und
Schichten, die disziplinierenden Verhaltens- und Normierungsstrategien des White
Cubes zumindest teilweise aufzubrechen vermag. Doch auch technische Museen
sind — als Hort einer Experten- und fachkultur — bis heute von Ausschlüssen
94
{ Technologien der Geschlechter }
»Zweimal im leben gehst du ins Technikmugeprägt. Den Mythos der ›Männerbastion‹
seum : das erste Mal an der hand deines vazu brechen ist erklärtes Ziel aller befragters, das zweite Mal mit deinem sohn an der
ten Museen. Der Repräsentation der klashand.« ( interview nr. 34/2016 )
sischen Meisterwerke werden zunehmend
Konzepte gegenübergestellt, die das Museum als offenen Ort verstehen, der es
ermöglicht, fragen aufzuwerfen, Impulse zu setzen und Argumente für eine kritische und demokratische Identitätsbildung zu liefern. Dabei zieht die Institution
immer auch Grenzlinien darüber, welche und wessen Identität präsentiert wird.
Wer spricht über was ? Und wie ? Museen sind also Orte der Deinitionsmacht,
gekennzeichnet durch Ein- und Ausschlüsse, die bestimmten Herrschaftsstrukturen unterliegen.
Das Anliegen des vorliegenden Vorhabens war es, zum einen die Ein- und
Ausschlüsse von Geschlecht in der Museumsarbeit zu untersuchen und vorhandenes Wissen und Praktiken sichtbar zu machen. Zum anderen ging es darum,
auch die konzeptionellen Grundannahmen, Selbstverständnisse, Ideale und Strukturen der Institution herauszuarbeiten, um implizite Deinitionen und Ansatzpunkte für die weitere fahrtrichtung zu eruieren. Denn die museale Erzählung
ist immer von den ineinander verwobenen Technologien des Museums, der Technik und von Geschlecht geprägt. Die Untersuchung folgte diesem Gelecht ; ihre
Ergebnisse werden im folgenden kurz zusammengefasst.
1. Technik : Grundlegend konnte festgestellt werden, dass der Technikbegriff in den Museen sehr unterschiedlich deiniert und ausgefüllt wird. Die
verschiedenen Vorstellungen stehen sich zuweilen konträr gegenüber, erzeugen
aber auch ein produktives Spannungsfeld. Die Erweiterung des apparativen Technikbegriffs hin zu einer Kulturgeschichte der Technik realisieren die Institutionen mit Öffnungen traditioneller Konzepte in den einzelnen Arbeitsbereichen.
In der Sammlung wird das ›klassische‹ Objekt erweitert gedacht, thematische
Recherchen ausgedehnt und die eigenen institutionellen Gebräuche und Politiken befragt. Partizipative Ansätze werden hier — ebenso wie im Bereich des
Ausstellens und Vermittelns — entworfen, um traditionelle Anordnungen etwa
von lai*innen und Expert*innen aufzubrechen. In den untersuchten Konzepten und Praxen des Museumsalltags fanden sich viele Beispiele für notwendige
änderungen oder bereits bestehende Best Practices. Die Vorstellung, Technik
als Kulturgeschichte zu verstehen, öffnet dabei nicht nur den Blick auf frauen95
{ Döring · fitsch · Bor · Çakan }
und Geschlechtergeschichte, sondern auch umgekehrt können genderbezogene
Perspektiven für das Weiterentwickeln und Erproben neuer Narrationen und
Displays bereichern. So erscheinen ›klassische‹ Technikthemen wie Autos, Tunnel, Brücken, Schienen, aber auch Apparate und große Maschinen als Paradigmen eines engen Technikbegriffs, der nicht nur historisch als Männerdomäne
ausgemacht worden ist, sondern auch gegenwärtig immer wieder neu vergeschlechtlicht als vermeintlich natürliches, männliches Interesse verfestigt wird.
Zugleich wird der Nutzen und Gebrauch von Technik als weibliches Interessengebiet essentialisiert. Die frage nach den geschlechtsbedingten Zuschreibungen und Annahmen kann so dichotome Grundannahmen etwa über Techniknähe,
-ferne und -faszination aufbrechen und neue Zugänge eröffnen.
2. GeschlechT : In der Museumspraxis wurden ganz unterschiedliche
Begriffsverständnisse von Geschlecht vorgefunden, die zu weiteren und intensiveren Auseinandersetzungen einladen. Unabhängig davon, wie stark genderspeziische Ansätze offensichtlich wurden, waren meist Alltagswissen oder
personenbezogene Kompetenzen zu dieser Thematik vorhanden. In den verschiedenen Arbeitsbereichen der Museen zeigte sich überwiegend ein binäres und differenztheoretisches Verständnis von Geschlecht, das heißt, dass zwischen frauen
und Männern unterschieden wird. Die Idee beinhaltet auch die Annahme, dass
Männer sich häuig für Technik interessieren, während frauen explizit dafür
begeistert werden müssen. Als Kategorie Geschlecht werden oft nur frauen (nicht
aber Männer) gesehen und zwar meist in drei Rollen: frauen, deren Geschichte im
Museum gezeigt wird ( oder fehlt ), frauen, die im Museum arbeiten und frauen,
die das Museum besuchen. Dieser fokus entspricht der ersten Analysedimension
Frauen im Museum, welcher die Vorstellung einer bestimmbaren Geschlechteridentität zugrunde liegt. Damit können einerseits weibliche Biograien, Objekte
und Zeugnisse erforscht werden, anderer»die weibliche Geschichte ist nicht als ergänseits bleibt dieser Ansatz der traditionellen
zung notwendig, sondern als sensibilisierung
Geschlechterordnung verplichtet. für die
für Geschlechterkonstruktionen anhand von
weitere Untersuchung, wie explizite und
technischen objekten.« ( interview nr. 38/2016 )
implizite Vergeschlechtlichungen im Museum aufgegriffen und thematisiert werden können, besteht weiterhin großes Potential. Die Ebenen Geschlecht im Museum und Das Geschlecht des Museums liefern
dabei gute Zugänge. Sichtbar wird, dass es in der Museumspraxis nicht darum
96
{ Technologien der Geschlechter }
gehen kann, die Differenzen unterschiedlicher Geschlechterbegriffe aufzulösen,
sondern vielmehr produktive Umgangsweisen damit zu suchen.
3. sTraTeGien der öFFnunG : Eine zentrale Strategie zur Abkehr von
der männlich konnotierten Technik ist der fokus auf Multiperspektivität und
Vielstimmigkeit. Diese wird von den Museen zunächst auf der Ebene des Exponats verfolgt. Es besteht der Wunsch, Objekte mit ihren Vielschichtigkeiten,
Gebrauchsweisen und Kontexten zu sammeln und auszustellen. Zum Erwerb
und zur Inventarisierung neuer Technikobjekte gehört deren Kontextualisierung mit kulturgeschichtlichen Aspekten. Dazu braucht es eine interdisziplinäre
Arbeitsweise, die genderspeziische wie auch andere soziale Differenzkategorien berücksichtigt. Damit können funktion, Herstellungsweise, Gebrauch und
Zweck des Objekts auf unterschiedlichen Ebenen analysiert werden. Um den
Bestand dementsprechend aufzunehmen und aufindbar zu machen, müssen
Datenbanken aktualisiert werden, die durch ein speziisches Vokabular die nötige Verschlagwortung ermöglichen und je nach Diskurs erweiterbar sein sollten.
Nicht nur Datenbanken benötigen treffende Kategorien und Beschreibungen, auch in Ausstellungstexten gilt es, die neue Priorisierung der Erweiterungen
konsequent umzusetzen. Um die Reproduktion der männlichen Konnotation zu
brechen, muss deshalb eine geschlechtergerechte Sprache genutzt werden. Dafür
ist der Wunsch nach einer einheitlichen Vorgabe und Regelung geäußert worden.
Das Gendern der Sprache wird meist als formalie in Konkurrenz zum Inhalt verstanden und in den Museen oftmals zugunsten einer semantischen Optimierung
vernachlässigt. Sprache ist indessen wirklichkeitskonstituierend und verhandelt
geschlechtsspeziische Inhalte. Die Vermittlung beginnt bereits bei der Gestaltung
der Ausstellungstexte, geht aber weit darüber hinaus. Ansprachen und Metaphern
im ergänzenden Informationsmaterial und auch in der gesprochenen Sprache
von Museumsführungen sollten möglichst offen sein. Die Herausforderung liegt
darin, auf verschiedenen Ebenen die Reproduktion von Stereotypen zu vermeiden, sowohl in sprachlichen Bildern und den angesprochenen Themen, der Art
der Ansprache des Publikums als bestimmte Zielgruppe und ebenso in der Performance der Vermittelnden in Bezug auf Wissensgebiete und Aufgabenbereich.
Die museale Erklärung der funktionsweise von Technik, das »Schauen
unter die Oberläche« ( Interview Nr. 3/2016 ), ist der faszination, dem Staunen und dem Begreifen verplichtet und trennt die wissenden Expert*innen
97
{ Döring · fitsch · Bor · Çakan }
von den laienhaften Besucher*innen. Dieser Hierarchisierung kann nicht nur
durch möglichst diverse Rolemodels begegnet werden. Vielmehr müssen die
Zuschreibungen von männlich und weiblich selbst hinterfragt werden. Die Strategie der Inklusion nimmt bestimmte Zielgruppen mit speziischen Charakteristika an und markiert diese mit einer festen Identität. Immer wieder geht es
dabei um die Herbeiführung eines Bruchs als radikale Absage an eine universale Wahrheit, an geltende Geschlechterstereotypen, feste Identitäten und an eine
lineare fortschrittsgeschichte. Offen bleibt indes, inwieweit das Museum an seine eigenen institutionellen und politischen
»da sind dem Museum auch Grenzen gesetzt,
Grenzen gerät. Denn wenn das Technikmuda muss sich von außen was ändern, damit das
seum als ›wertneutraler‹ Repräsentant und
anders wird.« ( interview nr. 5/2016 )
Abbild von historischen wie gegenwärtigen
Wirklichkeiten begriffen wird, können Kritiken und Debatten gezeigt, nicht aber
geübt werden. Wie kritisch ›darf‹ ein Technikmuseum heute sein ? Wie lässt es
sich stärker als »Ort der Kontroversen etablieren« ( Interview Nr. 19/2016 ) ? Diese fragen werden derzeit in den Technikmuseen ausgelotet und lassen sich freilich nicht abschließend beantworten.
Das Einbringen der Genderforschung in die Arbeit technischer Museen regt nicht nur zur Relexion von sozialen und kulturellen Vorannahmen,
Dependenzen und Machtverhältnissen an, sondern bietet auch Möglichkeiten
zur Intervention und Umgestaltung derselben. Dabei kann es nicht allein um
ein ›Mehr‹ an Geschlecht gehen, sondern um die Relexion von Machtverhältnissen und vermeintlich objektiver Erzählungen im Museum, denn : Neutrale
Technologien existieren nicht. Objekte, ihre Geschichten, Nutzungs- und Herstellungsweisen müssen kontextualisiert
»ich finde es wichtig für die Museumsarbeit,
werden, um Zuschreibungen aufzubrechen
dass sie interdisziplinärer wird und dass man
und zu unterminieren. Besonders vielverdie kategorien von Technik, naturwissenschaft
sprechend ist eine solche interdisziplinäre
und kunst sprengt.« ( interview nr. 19/2016 )
Arbeit vor dem Hintergrund der zukünftigen Konzeption der Museen. Neuerdings verstehen sich Technikmuseen nicht
mehr nur als Hort vergangenen Wissens, sondern auch als Gestalter zukünftiger Gegenwarten, wie die leitvisionen des Deutschen Technikmuseums Berlin
( für 2030 ) sowie das Technische Museum Wien ( für 2015–2020 )10 → zeigen. Damit
erweitern die Museen ihren Wirksamkeitsradius, geben Prognosen und erstellen
98
{ Technologien der Geschlechter }
Modelle für die Zukunft. Welche Objekte werden in 100 Jahren Bedeutung haben?
Welche Meilensteine und fortschrittsgeschichten sind denkbar ? Welche fragen
sind zukünftig relevant ? Museen liefern so institu10 Siehe auch die Dauerausstellung Die Zukunft der
Stadt. weiter_gedacht_ im Technischen Museum
tionalisiertes und gesichertes Wissen über die VerWien. URl : http://tinyurl.com/weitergedacht
gangenheit und Gegenwart hinaus. Sie müssen sich
( 22. 7. 2016 ).
an diesen Visionen, Innovationen und Wertschöpfungen dereinst messen lassen, können aber gleichzeitig verstärkt zum Ort der
Debatte, des Konlikts und der Aushandlung werden. Hierbei sollen weniger Wissen und Antworten als Methoden der Aneignung und Kritikfähigkeit vermittelt
werden. Wie unterscheiden sich etwa natur- und geisteswissenschaftliche Ansätze darin, Zukünfte zu visionieren ? Wie können ingenieurwissenschaftliches und
kulturwissenschaftliches Denken zusammengebracht werden ? Kann das Technikmuseum als »forum, wo es keine Tabus gibt« ( Interview Nr. 15/2016 ), realisiert
werden ? Um diesen fragen nachzugehen, erscheint es unabdingbar, zunächst
die Tabuisierungen, die Grenzen und Markierungen der Institution, der Genese, der impliziten Grundannahmen, Maßgaben und Normierungen zu ergründen.
Im Verlauf der Untersuchung rückte vor allem die geschlechtsbezogene
Annahme der Technikfaszination als vermeintlich männliche Eigenschaft in den
fokus. Als lineare, objekt- und faktenzentrierte Perspektive der Superlative —
›Erster sein, stärker sein, besser sein‹ — scheint sie ein Überbleibsel alter Technikvorstellungen und -museen zu sein, in dem nur Erinder und ihre Meisterwerke
Platz haben. Will man die black box Technik aufbrechen, um ihre geschlechterimmanenten logiken zu entziffern, muss danach gefragt werden, warum die faszination von mathematischen Berechnungen, mechanischen Abläufen, elektrischen
Zusammenhängen und computergesteuer»es gibt ja keine per se männlichen und weibter Digitalisierung allein dem männlichen
lichen objekte, wir machen sie ja so.«
Geschlecht zugeschrieben wird und dem
( interview nr. 38/2016 )
weiblichen Geschlecht die Nutzung, Kontexte und folgen von Technik. Dem afirmativen Staunen wird dabei eine kritische Betrachtung entgegengesetzt. Wird faszination jedoch als ein Bedürfnis
verstanden, dem sich gerne hingegeben wird, das durchdrungen und verstanden
werden möchte, dann sollten beide Pole nicht gegeneinander ausgespielt, sondern stärker miteinander verbunden werden. Kritische faszination setzt dann
ein Verstehen voraus, dass Veränderung bedingt, aber kein blindes Vertrauen.
99
{ Döring · fitsch · Bor · Çakan }
{ Technologien der Geschlechter }
daniela dörinG ist Kulturwissenschaftlerin und leitet seit Oktober 2015
Jülide Çakan ist Studentin des Masterstudienganges Soziologie technikwis-
gemeinsam mit Hannah fitsch das vom BMBf geförderte Vorhaben GENDER
senschaftlicher Richtung an der TU Berlin. Ihr Studienschwerpunkt ist die Tech-
TECHNIK MUSEUM. Strategien für Geschlechtergerechtigkeit in der Samm-
niksoziologie. Seit Oktober 2015 ist sie studentische Mitarbeiterin am Zentrum
lungs-, Ausstellungs-, Vermittlungs- und Personalpolitik technischer Museen am
für Interdisziplinäre frauen- und Geschlechterforschung im Rahmen des vom
Zentrum für Interdisziplinäre frauen- und Geschlechterforschung der TU Berlin.
BMBf geförderten Vorhabens GENDER TECHNIK MUSEUM. Strategien für
Seit 2010 lehrt sie am Institut für Künste und Medien der Universität Potsdam
Geschlechtergerechtigkeit in der Sammlungs-, Ausstellungs-, Vermittlungs- und
im Bachelor- und Masterstudiengang Europäische Medienwissenschaft. Zuvor
Personalpolitik technischer Museen.
war sie am Braunschweiger Zentrum für Gender Studies tätig und langjährige
Mitarbeiterin der Stiftung Stadtmuseum Berlin. Promotion mit der Studie Zeugende Zahlen. Mittelmaß und Durchschnittstypen in Proportion, Statistik und
Konfektion ( Berlin, Kadmos 2011 ).
hannah FiTsch ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Interdis-
ziplinäre frauen- und Geschlechterforschung der TU Berlin. Seit Oktober 2015
leitet sie gemeinsam mit Daniela Döring das vom BMBf geförderte Vorhaben
GENDER TECHNIK MUSEUM. Strategien für Geschlechtergerechtigkeit in der
Sammlungs-, Ausstellungs-, Vermittlungs- und Personalpolitik technischer Museen. Ihre Arbeit zeichnet sich durch das Zusammendenken von künstlerischen,
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Seit Oktober 2015 arbeitet sie als studentische Mitarbeiterin am Zentrum für
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daniela dörinG,
hannah FiTsch
fRAGEBOGEN DER
UNTERSUCHUNG
»Gender Technik
MuseuM.
sTraTeGien Für
eine GeschlechTerGerechTe
MuseuMsPraxis«
d
er vorliegende fragebogen bildet die Grundlage der Expert*inneninterviews in den ausgewählten Museen: Deutsches Museum in München, Deutsches
Technikmuseum in Berlin, Militärhistorisches Museum in Dresden, Museum
der Arbeit in Hamburg und Technisches Museum Wien. In dieser qualitativen
und narrativen Befragung wurden die einzelnen Museumspraktiken — Sammeln, Kuratieren, Vermittlung sowie die Personalpolitik — untersucht und vor
dem Hintergrund des jeweiligen Technik- und Museumsverständnisses beleuchtet. Es ging dabei nicht um einen Vergleich der Institutionen, sondern um das
Sichtbarmachen des Status quo und verschiedener Strategien. Die hier abgedruckten Antworten stellen einen exemplarischen Querschnitt durch die Interviews dar. Es handelt sich dabei nicht um direkte Zitate, sie wurden aber eng
am Originalton gehalten. Sie bieten einen Einblick in das vielstimmige Material, machen die zugrunde gelegte forschungsmethode transparent und würdigen
das vorgefundene Praxiswissen.
Daten zur Person
name ?
Anonymisiert.
Was ist ihre aufgabe am Museum ?
Als Kustod*in, Kurator*in, wissenschaftliche Mitarbeiter*in oder leitung tätig in der
Ausstellungs- oder Vermittlungsabteilung, in der Sammlung, Verwaltung, Direktion
sowie im Personalrat oder als frauen- bzw. Gleichstellungsbeauftragte.
seit wann arbeiten sie hier ?
Zwischen ein paar Monaten und 20 Jahren.
Wie ist ihr Werdegang ? ausbildung, studium ? berufstätigkeiten ?
Geschichte, Elektrotechnik oder Ethnologie studiert, abgeschlossen, auf lehramt oder
105
{ Daniela Döring · Hannah fitsch }
{ fragebogen }
Magister, promoviert, Volontariat im Technikmuseum gemacht, ›reingerutscht‹, hier im
den können, warum und mit welchen folgen es diese Technik gibt. Es soll den Nach-
Technikmuseum gefunden, was ich gesucht habe, über Drittmittelprojekte.
wuchs für die MINT -fächer inspirieren, also die Jugend für Technik begeistern. Mein
Anliegen wäre es, das Museum als einen Ort der Kontroverse über Technik zu etablieren,
Welche berührungspunkte hatten sie bisher mit der kategorie Geschlecht ?
also auch mal die negativen folgen bestimmter technischer Entwicklungen zu zeigen.
für mich persönlich war das kein Thema. Ja, die, die man eben hat, wenn man eine frau
in dieser Gesellschaft ist. Im Studium. Habe nie speziell Seminare dazu belegt, aber es
war einfach oft Thema. Natürlich ! Als feministin.
Was verbinden sie mit ihrer Museumstätigkeit ?
Kategorie Geschlecht
Welche rolle spielt die kategorie Geschlecht in ihrem Museum ?
Das Museum zugänglich machen für viele unterschiedliche Menschen. Die Ergebnisse
Keine. Das Thema Geschlecht ist noch gar nicht richtig angekommen. In den inhaltli-
kulturhistorischer forschung zu Technik sollen über den Elfenbeinturm der Wissen-
chen Meetings wird Geschlecht immer im Rahmen der frage »Wie können Männer und
schaft hinaus ein breites Publikum erreichen. Man muss die Besucher*innen klar abho-
frauen gleichwertig angesprochen werden ?« thematisiert. Diesbezüglich gibt es Richt-
len und ernst nehmen, dass sie vielleicht nicht das gleiche Vorwissen haben, aber nicht
linien von der leitungsebene. Es ist sehr unterschiedlich. In den neueren Ausstellun-
unterschätzen, dass sie intelligent sind. Die leute sollen ein bisschen mehr verstehen,
gen mehr als in den alten. Zu hundert Prozent, aber : Männlichkeit und Technik, das ist
wie die Welt funktioniert. Es ist wichtig, dass das Museum einen Raum bietet, in dem
so normal für den Blick, dass da Geschlecht unsichtbar bleibt. Überall da, wo die Nut-
es keine Tabus gibt, wo Menschen erleben, dass sie ihn mitgestalten können. Als Bei-
zer*innenperspektive gezeigt wird.
trag zur demokratischen Identitätsbildung.
Gibt es geschlechterthematische schwerpunkte in der Museumsarbeit ?
Ja, allein schon deshalb, weil die leitungsebene männlich geprägt ist. Wir müssen erst
mal ein wirkliches Problembewusstsein entwickeln, weil das als inhaltlicher Schwer-
Allgemeine fragen
punkt hier noch nicht etabliert ist. Meist sind es dann Sonderausstellungen, die einen
frauenspeziischen Schwerpunkt setzen.
Konzept Technik
Gibt es diskussionen, arbeitsgruppen, netzwerke ?
Wie wird Technikgeschichte in ihrem Museum konzeptionell gefasst ?
früher mehr. Es gibt feedbackrunden und kuratorische, interdisziplinäre Teams, die
Erinder- und objektlastig. Wir verfolgen eine kulturgeschichtliche Betrachtung von Tech-
zusammen an einer Ausstellung arbeiten. Bei uns unterstützen sich viele frauen auf-
nik, die auch die Art und Weise der Ausstellung einschließt. Möglicherweise weicht das
grund ihrer ähnlichen Situation im Arbeitsleben gegenseitig ; das ist aber ein informel-
von dem Konzept ab, auf das hier im Haus traditionell zurückgegriffen wird. Die faszina-
ler Kreis. Nein, keine.
tion von Technik soll angesprochen, faszinierende Dinge ausgestellt werden. Technikfaszination soll thematisiert und gebrochen werden, indem man die Objekte kontextualisiert.
Wann und mit welchen Zielen wird Gender relevant ?
In der Kooperation mit anderen Initiativen, die frauen und Mädchen für die MINT -
Welche aufgabe / Potential hat die Präsentation von Technik im Museum ?
fächer interessieren wollen. Mit Vermittlungsangeboten sollen frauen als Zielgruppe
Was können oder sollen Technikdarstellungen im Museum leisten ?
erreicht werden. Da, wo der Anteil von frauen an der Entwicklung von Technik gezeigt
Derzeit ist es ein Ort, wo Technik gezeigt wird und wo Menschen Antworten darauf in-
106
wird und auch die gesellschaftlichen Umstände, die dazu führen, dass sie als Erinderin-
107
{ Daniela Döring · Hannah fitsch }
{ fragebogen }
nen und Naturwissenschaftlerinnen im Allgemeinen weniger bekannt ( geworden ) sind.
Wenn ja, mit welchen Themen ( Frauengeschichte, Männlichkeitsforschung,
Bei der kulturhistorischen Betrachtung von Technik. In der Technikfolgenabschätzung.
feministische / postkoloniale Theorien ) ?
frauengeschichte, Männlichkeitsforschung, feministisch postkoloniale Theorie ist ein
Welche strategien der inklusion / diversity verfolgt das Museum und auf welchen ebenen ?
Gibt es Projektbeispiele ?
bisschen hochgegriffen, so ist es nicht, aber wir sprechen beide Geschlechter an und
achten darauf, dass nicht nur Männer und Jungen vorkommen. Alle wollen das natür-
Keine. Durch die fördergelder und damit verbundene Vorgaben für neue Ausstellun-
lich, aber so richtig ein Werkzeug oder eine Checkliste gibt es nicht. In den forschungs-
gen kümmern wir uns um barrierearmen Zugang. Das gilt für die räumliche Gestaltung
anträgen wird es ja oft verlangt und da taucht es dann auch auf.
der Ausstellung und die lesbarkeit der Texte. Ja, viele.
Wenn ja, wie ? können sie ein beispiel nennen, wie und wann mit
Gibt es Gleichstellungsmaßnahmen ( Gender Mainstreaming / icoM / geschlechtergerechte
sprache ), die diskutiert oder umgesetzt werden ?
der kategorie Geschlecht gearbeitet wird ?
Im förderprogramm zu frauen und Technik, in Projekten, speziellen führungen für
Weiß nicht, was gibt es denn da so ? Was die Sprache angeht, da wird immer wieder dis-
frauen oder zu frauenrollen oder Sonderausstellungen. Außerdem ist es in inhaltli-
kutiert, wie alle angesprochen werden können : mit Besucher und Besucherinnen oder
chen Diskussionen in manchen Bereichen Thema und bei der frage, wie leute ange-
mit neutraler Sprache, die Zuschreibungen vermeidet ? Oder mit Binnen-I, Unterstrich …
sprochen werden können.
Eine einheitliche Regelung gibt es da nicht. Es gibt eine Gleichstellungsbeauftragte. In
Bewerbungen werden sowohl frauen wie auch Männer angesprochen, sich zu bewer-
Werden neben dem Fokus auf Frauen und Männer auch konzepte von
ben. In manchen Bereichen, wo lange Zeit nur Männer gearbeitet haben, musste so lan-
Weiblichkeit und Männlichkeit diskutiert ?
ge die richtige frau für die Position gesucht werden, bis sie gefunden war. leider gibt
In der forschung ist das ein Thema, aber es ist schwer, dass in die Ausstellung zu über-
es in der Bezahlung noch immer Unterschiede, im Haus für die gleichen Aufgaben, aber
setzen. Es wäre wichtig, die Vorstellung zu brechen, dass ›Gender‹ gleichbedeutend ist
auch im Vergleich Museum und Wirtschaft.
mit ›frauen‹ und mit einer bestimmten farbe oder einer bestimmten Technik, zum Beispiel der Haushaltstechnik. Es wird versucht, überraschende Objekte zu wählen, die eine
Erwartung irritieren. Und eine Bandbreite aufzuzeigen : frauen und Männer in ganz
Geschlecht in der täglichen Museumspraxis
unterschiedlichen sozialen Positionen und verschiedenen Berufen zu verschiedenen Zeiten.
Wie stark kommen aspekte der Frauen- und Geschlechterforschung
in ausstellungen / sammlungen / vermittlung vor ?
Es schwingt mit, wird aber selten explizit, am ehesten in Ausstellungen zu besonderen
Themen. Es hängt auch von den leuten ab, die die Ausstellung machen. Die Ansätze
fragen zu den Arbeitsbereichen Ausstellen / Sammeln /
Vermitteln / Personalpolitik
zu diesem Thema sind noch ausbaufähig. Wenn die Vorgaben sind, jetzt auch mal was
zu frauen zu machen, dann mache ich lieber gar nichts. In Zahlen : fünf Prozent. Es
Ausstellen / Kuratieren
kommt schon überall vor : im pädagogischen Programm, in Sonderausstellungen, in der
Welchen anteil bilden Frauen- und Geschlechteraspekte in den dauer- und
Personalpolitik.
sonderausstellungen ?
Wenn man die Vermittlung mitrechnet ? Es ist nicht viel, aber auch nicht irrelevant.
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{ Daniela Döring · Hannah fitsch }
Wie kann man ergebnisse der Frauen- und Geschlechterforschung /
{ fragebogen }
Sammeln
feministischen Technikgeschichte in die kuratorische arbeit einbinden ?
Man kann über die Objekte Themen setzen und neu kontextualisieren. Über die Texte.
Wie sieht die derzeitige sammelpolitik aus und wie schlägt sich diese auf
Zum Beispiel, welche Vorstellung von Arbeit bzw. Arbeitsteilung zu einer bestimmten
die Genderthematik ( und andere marginalisierte Gruppen ) nieder ?
Zeit hinter einem bestimmten Gerät steht. Das ist wichtig, denn die Gegenstände sind
Die Sammlungspolitik wird derzeit und immer wieder diskutiert. Traditionell wurden
nicht neutral und sie sprechen nicht für sich.
Bestände in Hinsicht auf die Vollständigkeit einer Produktreihe ergänzt. Heute kommen wir eher über technisch interdisziplinäre Themen darauf, was wir haben und was
Welche Geschlechterordnung spiegelt sich derzeit in den ausstellungen ?
auch fehlt. Die Nutzungsgeschichte spielt eine deutlich größere Rolle. Wir sind offen
In der Dauerausstellung steht die Präsentation der großen, weißen, männlichen Erin-
und auch angewiesen auf Schenkungen. Das ist nicht unproblematisch, denn oft geben
der und deren Geschichte noch immer sehr im Vordergrund.
frauen nicht ihre eigenen Dinge, sondern die Geräte ihrer männlichen Angehörigen
hier ab, um deren Andenken zu bewahren.
Welche rolle spielen Forschung und recherchen für die ausstellungskonzeption
und gibt es darin raum und interesse für Frauen- und Geschlechterfragen ?
Kaum forschung. Wenn von der Sammlung aus gedacht wird, ist das nicht so ein großes
Welche kategorien des inventars sind zentral oder optional
und wie werden sie befüllt ? Wo wird Gender relevant oder ausgeschlossen ?
Problem ; wenn von einem Thema oder von einem Objekt aus gedacht wird, werden die
Gender wird relevant, wenn wir es in der Verschlagwortung als Option haben. Das Sicht-
Wissenslücken und leerstellen deutlicher. für die Suche nach Objekten und Geschichten
barmachen von Geschlechterkategorien in der Sammlung ist wichtig, aber auch sehr
heißt das vor allem : Die unüblichen Objekte inden ! Wenn ich in der Sammlung nichts
ambivalent : Wann ist ein Gegenstand ›männlich‹, wann ›weiblich‹ und was sagt dies über
inde, dann fehlt etwas und sollte ergänzt werden.
seine Nutzung aus ? Na, in den Schlagworten ›frau‹, ›Mann‹, ›unisex‹, ›gender‹ oder ›Vergeschlechtlichung‹. Blöd ist, wenn Dinge, die von allen benutzt wurden, als Dinge ›für
Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit der vermittlungs- / bildungsabteilung ?
Die Zusammenarbeit fängt meist viel zu spät an. Wenn es sie gibt, gut. Kaum vorhanden.
frauen‹ verschlagwortet werden oder andersrum. Die Inventarisierung stammt ja zum
Teil noch aus der Gründungszeit ; die zu aktualisieren, ist eine riesige und zeitaufwändige Sache, die erst mal einer Diskussion bedarf.
Wird in der ausstellung eine geschlechtergerechte sprache verwendet ?
Kommt drauf an. In den neueren Ausstellungen wird schon eher gegendert, als es in
Was braucht es konkret, um nicht angelegte Positionen im Museum
den älteren der fall ist. Es gibt die Vorgabe für kurze Texte, maximal 300 Zeichen, und
in die sammlungs- und ausstellungspraxis aufzunehmen ?
im Zweifelsfall fällt das dann raus. Wir versuchen, die Texte so zu schreiben, dass nie-
Kapazitäten, Wissen und Diskussion, am besten jemand, der oder die fest dafür zustän-
mand vor den Kopf gestoßen oder ausgeschlossen wird.
dig ist. Vernetzungsräume wären hilfreich.
Welches konzept liegt neuerwerbungen zugrunde ?
Die generelle Idee ist, Meilensteine zu sammeln. Auch sollte die Nutzungsgeschichte
miteinbezogen werden, also so was, wie den Kaufbeleg mitsammeln. Welche Neuerwerbungen ? Wie nehmen nur, was uns geschenkt wird.
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{ Daniela Döring · Hannah fitsch }
Vermitteln
{ fragebogen }
Personalpolitik
Welche rolle spielen Facetten der Frauen- und Geschlechtergeschichte
Welche Positionen bekleiden Männer und Frauen im Museum ?
in der bildungs- und vermittlungsarbeit ?
Gibt es statistiken darüber ?
Wir haben Rolemodels für Kinder und Jugendliche, weibliche und männliche, die durch
Insgesamt sind es zur Hälfte frauen. In der Vermittlung gibt es mehr frauen ; in der
die Ausstellung führen und als Identiikationsiguren Interesse wecken sollen. Es gibt
leitung und in den Technik- und Werkstattbereichen sind es mehr Männer.
führungen für Gruppen oder auch nur für frauen. Über die Vermittlung kann man
auch andere Geschichten erzählen, als die, die über die Ausstellung allein transportiert
sind sie mit Problemen der Gleichstellung bzw. ungleichstellung konfrontiert ?
werden. Ganz klar, es ist nicht mehr zeitgemäß, aber es ist das, was die leute hören
Wenn ja, mit welchen ?
wollen : Biograien.
Sicherlich hat es auch ökonomische Gründe, dass hier mittlerweile mehr Technikerinnen und Naturwissenschaftlerinnen arbeiten. Ich würde gern mehr Naturwissenschaft-
Wie ist das verhältnis zu der ausstellungspraxis und sammlungspolitik ?
lerinnen einstellen, wenn ich welche inden würde, die für das Geld arbeiten.
Welches Verhältnis ? Mit den Kurator*innen wird es besser. Gut.
Gab oder gibt es die Forderung »mehr Frauen ins Museum« ?
Was waren und sind die schwerpunkte, Gefahren / herausforderungen und
Potentiale der Museumspädagogik ?
Gab es besonders gute Zeiten / Phasen ?
Es gab Zeiten, da war es wichtig, die Weichen für mehr frauen im Museum zu stellen.
Es ist leicht, ein Rolemodel für Mädchen zu erinden, eine starke, freche figur und damit
Das haben frauen forciert und auch durchgesetzt. Heutzutage gibt es die Vorgabe, frau-
ansprechend und ungewöhnlich ; aber deutlich schwieriger ist es, welche für Jungen zu
en in Stellenausschreibungen explizit anzusprechen.
inden, die sie auch annehmen wollen. Es bleibt oft in der Zweigeschlechtlichkeit verhangen. Die Vermittlung muss mit der Ausstellung arbeiten, ohne inhaltlich an ihrer Ent-
Welche haltung hat die leitungsebene zu Genderfragen
stehung beteiligt gewesen zu sein. Mit dem Publikum des Museums zu arbeiten bietet
und wie beeinflusst dies die arbeit ?
das Potential, die eigenen Stereotype zu überdenken und aufzubrechen.
Es hängt viel von oben ab, ob das Bewusstsein und die Anerkennung da ist. Es muss
aber auch von unten kommen.
Welche strategien der inklusion gibt es ? Gibt es weitere soziale ungleichheiten,
hat das Personal vorkenntnisse oder erfahrungen mit Gender ?
die im Mittelpunkt ihrer arbeit stehen ?
Aktuell befassen sich die Museen viel mit Migration. Und es gibt Vorgaben in der för-
Gibt es Weiterbildungen ?
derung, Barrieren für Menschen mit Behinderung abzubauen ; das machen wir entspre-
Ein junger Kollege, der ist auch mit einer feministin verheiratet. Die jungen Mit arbei-
chend dieser Richtlinien.
ter*innen sind da schon sensibel, eher als die, die schon länger hier arbeiten. Bei Workshops, die wir uns zur Weiterbildung organisiert haben, kam auch manchmal raus, dass
verwenden sie geschlechtergerechte / einfache sprache
viele ihre Kenntnisse überschätzt haben und dachten, ›Gender‹ bedeute einfach ›Män-
( Webauftritt, Flyer, ausstellungstexte etc. ) ?
ner und frauen‹. Ich ärgere und wundere mich über junge frauen, die so tun, als wäre
Wir sprechen Männer und frauen an oder vermeiden genderspeziische Ansprache.
›feministin‹ ein Schimpfwort, mit dem sie nichts zu tun haben wollen, weil sie denken,
es sei schon alles erreicht.
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{ Daniela Döring · Hannah fitsch }
Weiterführende fragen
Welche Praktiken oder positiven beispiele sind für sie richtungsweisend ?
…
Wie kann man dem dilemma beikommen, gender- oder machtspezifische ungleichheiten
darzustellen, ohne sie zu reproduzieren ?
Indem man nicht einfach Biograien zeigt, sondern die gesellschaftlichen Umstände, die
zur Vergeschlechtlichung von Arbeitsbereichen und damit auch von Technik geführt
haben. Unbedingt die klassische fortschrittsgeschichte hinterfragen und kritisieren.
Alle Erindungen sind Zeichen von Gendergeschichte. Wir versuchen zu zeigen, dass
frauen selbstverständlich dazugehören.
Welche art von unterstützung wünschen sie sich, um an dem Thema weiterzuarbeiten ?
Es wäre hilfreich, wenn es bei der Arbeit an der Sammlung und beim Ausstellen mehr
Zeit für Selbstrelexion oder mehr kritisches feedback von Dritten geben würde. Im
Alltag geht das oft unter. Personal, Geld und mehr Zeit könnten wir auf allen Ebenen
gebrauchen. Kooperationspartner, die uns mit ihrem Wissen beraten könnten, feste
Zuständigkeiten oder verbindliche Richtlinien wären gut. Ich wünsche mir Diskussion,
natürlich am besten ›von unten‹.
Warum wird auf einer Technikgeschichte als apparative erfindergeschichte beharrt
und warum gibt es einen so großen Widerstand gegenüber einer kritischen,
gender- und wissenschaftstheoretischen diskussion, erweiterung und überarbeitung
der Technikgeschichte ?
…
Interviewsituation
datum und ort des interviews :
dauer des interviews ( von … bis ) :
stimmung / atmosphäre :
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rosWiTha
MuTTenThaler
DINGE NEU
GEBRAUCHEN
ZuM uMGanG MiT
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von GeGenderTen
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belanG «
A BSTRACT
haus- und reproduktionsarbeit war historisch Frauen zugewiesen
und auch heute noch ist ihr arbeitsanteil höher als jener
der Männer. solange solche Zuweisungen bestehen, haben die
im haushalt verwendeten und im Technikmuseum gesammelten Geräte auch eine sonderrolle als das andere zum standard
der als männlich konnotierten Technik. Festschreibungen
zu benennen ruft zwar Geschlechterstereotypen auf, doch eine
nichtmarkierung in der sammel- und dokumentationspraxis
führt dazu, diese unsichtbar zu halten und der reflexion zu
entziehen. anhand exemplarischer haushaltsobjekte aus dem
Technischen Museum Wien werden Genderaspekte skizziert.
der Fokus liegt dabei auf Gebrauchsgeschichten. daran knüpfen
sich die offenen Fragen : Welche chancen bieten diese beziehungsreichen dinge, um Geschlechterrollen nicht nur zu
dokumentieren, sondern ebenso zu reflektieren? Wie kann
in anlehnung an bruno latour das Wirksamwerden von dingen
in seiner geschlechtsspezifischen dimension in sammlungen
eingang finden und dort neu und den konflikt nicht scheuend
verhandelt werden?
b
runo latour prägte den Begriff »Dinge von Belang«, der in den Museumsdiskurs aufgenommen wurde. »Das ›Museumsding von Belang‹ kann nicht
mehr Zeuge der Vergangenheit, als eine abgeschlossene, vom Betrachter unabhängige Entität angesehen werden, sondern es muss […] als ein Konglomerat
von Handlungen und Beziehungen gedacht werden : […] ›we need to show how
the things that people make, makes people.‹ Ein Museum, das für sich eine kritische Position reklamiert, müsste seine Aufgabe laut latour daher vor allem
im Einberufen und Moderieren von Versammlungen sehen« (Jannelli 2012 : 330 ).
Mit diesem Bezugspunkt versuche ich, geschlechtsspeziische Aspekte des Sammelns von Haushaltstechnik im Technischen Museum Wien auszuloten und mir
relevant erscheinende fragestellungen zu umreißen.
In den 1990er Jahren unternahm das Technische Museum Wien einen
Paradigmenwechsel. Das funktionsorientierte, ingenieurswissenschaftliche
Technikverständnis sollte nun zugunsten eines handlungsorientierten, kulturgeschichtlichen Technikbegriffs in den Hintergrund treten. Genese, funktion
und Anwendung von Technik sollten im komplexen Verhältnis von gesellschaftlichen Bedürfnissen, Kulturentwicklungen, Aneignungsformen, Projektionen
auf und Setzungen durch Technik verortet werden. Das zunehmende Interesse
an Erfahrungsräumen mit Technik hatte zur folge, dass Alltagstechniken eine
Aufwertung erfuhren. Damit ging eine Neuordnung der Sammlungen einher,
u. a. wurde Haushaltstechnik als eigene Sammlungsgruppe etabliert. Haushaltsgeräte wurden zwar schon seit der Museumsgründung 1908 gesammelt, galten
aber als Produkte der Energie- oder Produktionstechnik. Nunmehr erlangten sie
eine eigenständige Sichtbarkeit in der Sammlungsstruktur und -politik, gleichzeitig änderte sich die Wahrnehmung. Mit dem Haushalt als Bezugspunkt rückt
der Einsatz der Geräte in den Vordergrund. Da dieser historisch der Zuständigkeit von frauen zugeschrieben war und dies vielfach auch heute noch wird, werden im Gegensatz zu allen anderen Sammlungsgruppen nicht nur die einzelnen
Geräte, sondern die Sammlungsgruppe selbst geschlechtsspeziisch konnotiert —
sowohl in der Außenwahrnehmung als auch im Museum. Dies ist also nicht der
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{ Roswitha Muttenthaler }
Technikentwicklung geschuldet, sondern der Nutzung. Es bleibt die ungelöste
frage, inwieweit die Sammlungsgruppe Haushaltstechnik als Ausdruck eines
dichotomisierenden Modells des Technik entwickelnden Mannes und der Technik nutzenden frau zu sehen ist — und damit einer festschreibung als Hausfrauentechnik Vorschub leistet. Dem Dilemma ist bislang nicht zu entkommen,
dass jede Benennung von ( historisch bedingten ) Geschlechterordnungen samt
ihren Arbeitsteilungen auch reproduzierend wirkt. Es bleibt das paradoxe Verwenden des Genderkonzepts im Sinne von »using gender to undo gender« ( Döpfner 2016 : 13 ).
Wie äußert sich dies nun im Sammeln von Haushaltstechnik im Technischen Museum Wien ? Haushaltsgeräte wurden bis zur Gründung einer eigenen
Sammlungsgruppe in der Regel kontextlos gesammelt — die technische Materialität genügte. Wenn dokumentiert wurde, dann Materialien von produzie118
{ Dinge neu gebrauchen }
renden firmen. Diese gelten nach wie vor
als aussagekräftige Quellen, auch im Hinblick auf Geschlechterrollen. Denn die mit
dem Objekt mitgesammelten bedruckten
Verpackungen, Gebrauchsanweisungen,
Prospekte und Werbemittel zeugen von
intendierten Aneignungsweisen und Technikversprechungen. Insbesondere aus der
Zeit der ersten Einführung bis zur Durchsetzung technischer Geräte sind Anleitungen voll von geschlechtsspeziischen
Projektionen. Beliebt ist hier das Sujet
der technikbeglückten oder ihre familie
beglückenden Hausfrau — oder des kompetenten Technikfachmannes. Ein Beispiel
stereotyper Zuweisungen bietet die reich
bebilderte Gebrauchsanweisung zum Universalgerät Piccolo aus den 1950er Jahren,
abb. 1 + 2 + 3 | »Piccolo hilft der hausfrau«. hamburg o. J.
bei dem ein Motor samt entsprechendem
( 1950er Jahre ). bilder aus der Gebrauchsanweisung.
Zubehör zu Küchenmaschine, Staubsau© Technisches Museum Wien
ger, Sprühgerät oder Werkzeug wird. Die
fotograien zeigen frauen, die die verschiedenen Geräte vorführen — nur beim
Werkzeug verlagert sich die demonstrierte Nutzung auf den Mann.←↑ abb. 1 + 2 + 3
Auch Benennungen können geschlechtsspeziische Vorstellungen bergen.
In der Zeit der Haushaltselektriizierung geraten z. B. Namen häuig zu Wünschen, wenn sich etwa verschiedene Männlichkeitsbilder in Staubsaugernamen
spiegeln : Hausboy, Tiger Bob oder Electro Titan. Ebenso verweisen Materialität
und Ausführung eines Geräts auf intendierte Geschlechterrollen. Ein Beispiel
für differenzschaffende Merkmale des Designs sind elektrische Rasierapparate ; farbgebung und form von Herren- und Damenrasierer machen eine gleichbleibende technische funktionalität zu geschlechtsspeziischen Geräten : »Als
auch frauen begannen, vermehrt Rasierapparate zu benutzen, entstand als
zweite Klasse von Rasierern die weibliche Produktlinie« ( Kipp 2015 : 102 ). Meiner Ansicht nach verlief diese Entwicklung nicht derart linear. Die Differenzie119
{ Roswitha Muttenthaler }
{ Dinge neu gebrauchen }
den häuig unspeziisch als Rasierapparate bezeichnet, jene für frauen dagegen
explizit als Damenrasierer. Diese Unterschiede in der Bezeichnung wurden vielfach in die museale Praxis übernommen. Um die Geschlechterzuordnung nicht
nur bei frauen auszuweisen, verfolgte ich erst die Strategie, bei der Bezeichnung und Verschlagwortung den Begriff Damenrasierer nicht zu verwenden. Der
geschlechtsspeziische Gebrauch sollte lediglich im Beschreibungsfeld dargelegt
werden. Doch zunehmend setzte sich die Erkenntnis fest, dass die geschlechtsspeziischen Zuweisungen — etwa durch das Design und die Benennung — so auch
tendenziell unsichtbar gehalten werden — und dies in einer Zeit, in der Rasierapparate im Alltag fast immer für frauen oder Männer konzipiert sind. Zuweisungen werden somit in den Köpfen mitgedacht. Um damit offensiver umzugehen,
werden nun im Thesaurus der museumseigenen Datenbank die Bezeichnungen
Herren-, Damen- oder Unisexrasierer eingeführt. Wenn zukünftig nach Rasierapparaten gesucht wird, können sowohl beim Schlagwort Damenrasierer als auch
beim Herrenrasierer immer auch die Unisexmodelle gefunden werden. letztere
würden ohne diese Bezeichnung gedanklich wohl zumeist automatisch Männern
zugewiesen werden. Damit ergibt sich die Option für eine Relexion, die durch
entsprechende Informationen im Beschreibungsfeld gestärkt werden können.
Beziehungsreiche Dinge
rung erfolgte nicht allein durch eine Etablierung von frauenrasierern, sondern
gleichzeitig mit einer verweiblichten form wurde auch erst eine vermännlichte
geschaffen. frühe elektrische Rasierapparate waren vielfach geschlechtsneutral gestaltet. In den Gebrauchsanweisungen wird häuig eine Nutzung gleichermaßen durch Männer und frauen sichtbar. Mit der massenhaften Verbreitung
von elektrischen Rasierapparaten erhielten sie zunehmend geschlechtsspeziisch
zu konnotierende formen.↑ abb. 4
Anhand der Rasierapparate lassen sich auch Problematiken der Verschlagwortung und Beschreibung der inventarisierten Objekte aufwerfen. Es ist eine
gängige Praxis von Herstellerirmen und Handelsunternehmen, den Gebrauch
durch Männer und frauen auszuweisen. Jene, die für Männer gedacht sind, wur-
für eine kulturgeschichtlich und handlungsorientiert ausgerichtete Darstellung
von Technik sind nutzungsorientierte Erfahrungsräume eine wichtige zu sammelnde Quelle. Als wesentlich für das Sammeln von Mensch-Technik-Bezügen
gelten nicht nur die seitens der Technikgenese und firmenwerbungen nahegelegten Gebrauchsweisen, sondern die konkreten, individuellen Aneignungen. Auch
hier geben sowohl die materielle Ebene, u. a. die Gebrauchsspuren am Gerät, als
auch die mitdokumentierten Kontexte Einblicke in Geschlechterrollen. Veränderungen und Umnutzungen können etwa auf unterschiedlich gelagerte Technikkompetenzen und Bedürfnisanpassungen verweisen. Bei Reparaturen und
Umbauten kommen bislang entsprechend der gängigen Geschlechterrollen vielfach Männer ins Spiel : Männer bildeten und bilden in ihrer Sozialisierung weit
häuiger gestaltende Technikkompetenzen aus als frauen. Ein Beispiel ist der
zum Gefrierschrank umgebaute Kühlschrank Frigidaire General Motors ca. 1936-
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abb. 4 | vico rasierer Gebrauchsanweisung. Wien o. J. ( um 1940 ). © Technisches Museum Wien
{ Roswitha Muttenthaler }
{ Dinge neu gebrauchen }
1938. Der Spender des Objektes beschreibt in einem Brief seine Arbeiten, das
Anbringen einer Isolierung, die Veränderung der Temperatureinstellung, den
Einbau von Wannen. Über Adaptierungen hinaus zeigt sich bei der Erhebung
von Gebrauchskontexten, dass die vorhandene oder vermutete männliche Technikkompetenz häuig bei der Kaufentscheidung eine zentrale Rolle spielt. Doch
um solche Rollen dokumentieren zu können, muss ich danach fragen.
Zu Haushaltsgeräten gibt es nur selten schriftliche und visuelle Aufzeichnungen, die den alltäglichen Gebrauch durch die Nutzer*innen dokumentieren,
solange das Gerät im Einsatz steht. Erst wenn das Gerät entsorgt werden soll und
einem Museum angeboten wird, beginnt das Erzeugen von aufgezeichneten Informationen. Spender*innen preisen etwa in der Korrespondenz mit dem Museum
das abzugebende Gerät an, betonen seinen ( historischen) Wert, damit das Museum
es in seine Sammlung aufnimmt. Gezielter, v. a. in Bezug auf die Geschlechterkonzeptionen, sind Aufzeichnungen, die das Museum erstellt, indem es Nutzer*innen befragt und eventuell auch den Einsatz des Gerätes vor Ort dokumentiert.
für die Sammlungsgruppe Haushaltstechnik werden Gebrauchsgeschichten in der Regel nur als Verschriftlichung von Gesprächen erfasst, nicht wortwörtlich und nicht audio-visuell. Es gibt einen anleitenden fragebogen, wer
beim Erwerb welche Rolle spielte, warum dieses Gerät angeschafft wurde, wer
es nutzte und plegte, wie die Handhabung war, wofür das Gerät stand, was es
verändert hat etc. Aus den erhobenen Erzählungen stelle ich fünf Beispiele vor,
die im Rahmen der erwartbaren stereotypen Geschlechterrollen auch Handlungsspielräume aufzeigen.
Die Spenderin der elektrischen lockenwickler Carmen Curlers ( 1964/65 )
berichtete, dass in den 1960er Jahren für den Beruf der Sekretärin ein bestimmtes Aussehen wesentlich war, eine perfekte frisur eingeschlossen. Diese garantierte nur ein friseur, zu dem sie zweimal pro Woche ging — eine zeitaufwändige
Prozedur, wobei in der Zeit zwischen den Besuchen die frisur zudem leiden
konnte. Die elektrischen lockenwickler waren das ideale Mittel, um eine gute
frisur auch ohne Waschen, mit trockenen Haaren zu machen, egal zu welcher
Zeit, auch auf Reisen. Die Spenderin bezeichnete sie als »echte Erleichterung«,
sie »gaben Sicherheit«, denn : »Ich habe Carmen curlers, mir kann nichts passieren.« Aufgrund dieser zentralen Bedeutung hat sie die lockenwickler auch
aufbewahrt, als sie sie nicht mehr brauchte. Nun — im Jahre 2006 — hat sie mit
ihrem Sohn entrümpelt, wollte sie aber nicht wegwerfen und fragte im Museum an, da sie beide die Ausstellung Alltag — eine Gebrauchsanweisung gesehen
hatten, die ihnen gut gefallen hat.
Ein Mann schrieb 2013, dass er seine letzte flasche Pitralon mit der Originalrezeptur, die zu seinem größten Bedauern nicht mehr am Markt ist, aufgebraucht hat. Er hatte beim Auslaufen des Produkts vor 10 Jahren Restbestände
aufgekauft. Die letzte, geleerte flasche wollte er nicht wegwerfen, sondern sie
dem Museum geben. Beim folgenden Gespräch war auch seine frau anwesend
und es wurde deutlich, dass sie bezweifelt hatte, dass das Museum an einer Aufnahme interessiert ist. Während der Mann die Bekanntheit der Marke und die
Vorzüge der antiseptischen Wirkung betonte, sprach die frau vom Geruch. Der
Mann gestand ein, dass Pitralon einen eigentümlichen Geruch hatte, und er verwendete seit seiner Ehe ein anderes Rasierwasser. Gleichzeitig hielt er 50 Jahre lang an Pitralon fest, allerdings als antiseptisches Mittel bei kleinen Wunden,
Hautunreinheiten, entzündeten Barthaaren, vorbeugend gegen Schweißfüße, als
fußplege bei Wanderungen.
Die Spenderin der Mikrowelle Siemens Meisterkoch ( 1971 ) erzählte, dass
sie und ihr Mann die ihnen bis dahin unbekannte Mikrowelle bei freunden
kennenlernten. Bei einer Einladung hatten sie die Wahl, entweder Apfel- oder
Topfenstrudel warm zu essen. Durch die Mikrowelle konnte beides schnell und
unaufwändig angeboten werden. Die Spenderin war von diesen Optionen angetan.
Sie und ihr Mann waren technischen Neuerungen gegenüber immer aufgeschlossen. Auch jetzt mit über 70 Jahren hat sie sich zum Kauf einer Induktionskochplatte entschlossen, mit der sie höchst zufrieden ist. Die frau empfand die
Mikrowelle als großen Gewinn, als lebenswichtig, beinahe wie ein familienmitglied. Sie gewöhnte sich so sehr an das tägliche Verwenden, dass sie sie im Urlaub
vermisste. Das Gerät verwendete sie nicht nur zum Erwärmen selbst gekochter Speisen, damit jedes familienmitglied zu unterschiedlichen Zeiten schnell
warmes Essen haben konnte. Sie testete auch aus, ob manche Gerichte mit der
Mikrowelle praktischer zu kochen waren oder besser schmeckten. So fand sie
heraus, dass fleischlaibchen saftiger bleiben. Sie machte auch fehler — etwa als
ihr Eier explodierten —, denn das Austesten erfolgte, ohne die umfangreichen
Bedienungsanweisungen am Gerät zu beachten. Da sie das Gerät beim bevorstehenden Umzug nicht wegwerfen wollte, rief sie im Technischen Museum Wien an.
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{ Roswitha Muttenthaler }
{ Dinge neu gebrauchen }
Den elektrischen Griller Infrarot Grillfix ( ca. 1955 ) hatte die Mutter des
Spenders, eine bekannte Pädagogin und Schriftstellerin, erworben, als der
fleischkonsum in der Nachkriegszeit wieder zugenommen hatte. Gegrilltes war
ein beliebtes Essen in der familie. Gekocht hat eine Haushaltshilfe, nicht die
Mutter. Als der Spender heiratete, schenkte ihm die Mutter das Grillgerät. Seine frau war nicht berufstätig, sondern Hausfrau. Der Spender verwendete das
Grillgerät einige Male notgedrungen : Zu den Weihnachtsfeiern seiner Arbeitsstelle kochte traditionell ein Abteilungsleiter. Im Gegensatz zu seinem Kollegen
konnte er nicht kochen und nahm daher das Gerät mit, um ein Stück Roastbeef
zu grillen. Anders war und ist dies beim großen Gartengrill zu Hause. Diesen
bedient er, während seine frau für das Grillen in der Küche zuständig ist. Dafür
gibt es seit Jahrzehnten einen Herd mit Grillfunktion. Den Griller hat der Spender aufbewahrt. Da er in Aufsichtsräten von Museen war, sind ihm fragen der
Sammlungswürdigkeit geläuig. Diese sieht er beim Griller v. a. auch durch den
Bezug zu seiner bekannten Mutter gegeben.
Das Ehepaar, das dem Museum ihren ersten Kühlschrank — einen Bosch
( 1961 ) — spendete, erzählte, wie dieser das Bevorraten und die Ernährung grundlegend veränderte. Nunmehr musste leicht Verderbliches nicht mehr in kleinsten, pro Tag zu verbrauchenden Einheiten eingekauft werden. Das Paar sah ihn
als kleines Wunder, an das sie sich aber bald gewöhnten. Die Wahl einer Sonderform war der sehr kleinen Küche geschuldet. Die Suche nach einem Gerät
oblag dem Mann, denn er arbeitete bei der Kühlanlagenirma Alfa laval. Dort
sah er in einem Prospekt diesen Kühlschrank, der wie ein Oberschrank an der
Wand aufgehängt wird. Das Paar entschied gemeinsam, den viel höheren Preis
in Kauf zu nehmen. Da die frau spät von der Arbeit kam und der Mann früh,
übernahm er das Kochen und sie das Einkaufen und Geschirrspülen. Nach 42
Jahren gestalteten sie nun ihre Küche neu. Der zugezogene Verkäufer fand die
Sonderform bemerkenswert und regte die Übergabe an das Museum an. Das
Paar betonte, froh zu sein, dass der Kühlschrank im Museum weiterlebt und
wollte ihn besuchen, falls er ausgestellt werden sollte.
Bei der Befragung zum Gebrauch bildet nicht die lebensgeschichte der
Person per se den dominanten Bezugspunkt, sondern jene Aspekte, die auf das
Objekt bezogen sind. Dabei interessiert mich immer auch, warum das Ding als
sammlungswürdig angesehen wird und wie der Weg ins Museum angeleitet
war. Im fall des Kühlschranks nahm der Verkäufer der neuen Küche die Rolle des ›rational‹ beurteilenden fachmanns an. Bei allen ehemaligen Nutzer*innen kommen die affektive Besetzung, der Wert im individuellen leben und die
Erinnerungsfunktion zum Ausdruck. Beim Spender des Grillers gibt es beide
Ebenen. Der Spender des Rasierwassers versuchte seine affektive Besetzung
durch die sachliche Beschreibung der guten Wirksamkeit zu begründen. Dabei
kannte er den historischen Kontext nicht. Pitralon ist neben Odol ein zentrales
chemisches Produkt der Hygienebewegung, entwickelt von Karl August lingner,
dem Begründer des Hygienemuseums in Dresden. Die frage der Sammlungswürdigkeit von Pitralon speiste sich beim Ehepaar aus der persönlichen Wertschätzung oder eben deren Mangel. Die Art der Verwendung war gut gelebter
Kompromiss. Die vom Mann geschätzte Marke erhielt einen Platz im leben und
nach der Einstellung des Produkts auch im Museum.
Die museale form des Aufhebens von Dingen ermöglicht es den Spender*innen vielfach, sich in gesellschaftlich anerkannter form aus den mit den
Dingen verbundenen Beziehungen zu lösen und dabei die ihnen eingeschriebene Geschichte unsichtbar zu bewahren. laut dem Museologen Gottfried fliedl
gehöre es zum Charakter musealer Objekte, transitionale Dinge zu sein, die
es erlauben, Trauerarbeit zu leisten — etwa in Bezug auf Techniken, Produkte,
Arbeits- und lebensweisen, die verschwinden. Museumsdinge können gleichzeitig in der vergangenen und gegenwärtigen Welt sein. Beziehungsgelechte, in
die technische Dinge und Menschen verwoben sind, und Erwartungen an den
Ort Museum verbinden sich. loslassen und festhalten stehen in einem ambivalenten Verhältnis zueinander. Durch das Gespräch mit den Nutzer*innen können nun einige der im Objekt eingeschriebenen Beziehungen und Projektionen,
etwa in Bezug auf Wertschätzung und Erinnerung, sichtbar werden. Objektkontexte führen so zum Kern des Sammelns, zur funktion von Musealisierung
und erfordern eine Relexion ihrer geschlechtsspeziischen Implikationen. Hier
eröffnet sich ein noch zu bearbeitendes forschungsfeld. Denn einige Untersuchungen zum Sammeln zeigten bereits auf, dass dieses bislang von ausgeprägten Geschlechterrollen geprägt ist ( vgl. Muttenthaler 2010 : 16ff. ).
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{ Roswitha Muttenthaler }
{ Dinge neu gebrauchen }
Auch wenn manche Erzählungen sehr persönliche Momente beinhalten, geht es
meines Erachtens vor allem darum, wie viel Verhandlungspotential eröffnet wird
in Bezug auf historische Geschlechterrollen und welche gegenwärtigen gesellschaftlichen Verfasstheiten die Geschichten attraktiv machen. Die in den Gesprächen sichtbar gewordenen Mensch-Technik-Gender-Bezüge bestätigen vielfach
die gängigen Rollenzuschreibungen, etwa die forderung nach einem in bestimmter Weise geplegten äußeren, die für die Nahrungsversorgung zuständige frau
etc. Was ist also der Mehrwert zu bereits Bekanntem, abgesehen vom konkreten Beleg ? Auch wenn das Rollenverhalten generell bekannt sein mag, kommen
nun Agierende in ihren Handlungen ins Spiel. Sie sind nicht einfach Repräsentant*innen von Geschlechterbeziehungen, sondern mit ihrem Tun reproduzieren oder verschieben sie Geschlechterrollen. So bedarf die Zuständigkeit des
Mannes nur für den Gartengrill, nicht für das Kochen und Grillen im Haus, der
ständigen Wiederholung, um wie selbstverständlich zu wirken.
Gleichzeitig werden in den Nutzungsgeschichten auch Abweichungen von
stereotypen Aneignungsweisen sichtbar, die auf Gestaltungsspielräume verweisen : die nicht kochende Mutter ( Griller ), der kochende Mann ( Kühlschrank ) und
die in der Technikaneignung experimentierende frau ( Mikrowelle ). Die am Beispiel des Kühlschranks erzählte Aufteilung der Hausarbeit zwischen dem Ehepaar wurde dabei auch durch die Technisierung des Kühlens begünstigt. Denn
wenn nicht jeden Tag verderbliche frischware gekauft werden muss, diese gelagert werden kann, können Einkaufen und Kochen besser getrennt werden. Die
frau kann beliebig einkaufen, der Mann vor ihrer Heimkehr kochen.
Kühlschrank, Mikrowelle und lockenwickler verbindet, dass die Geräte überaus positiv besetzt sind, sie werden euphorisch als Sicherheit gebende
»echte Erleichterung«, als »kleines Wunder«, als »lebenswichtig, beinahe wie ein
familienmitglied« umschrieben. Doch korrespondieren diese Erleichterungen
auch mit meist nicht relektierten geschlechtsspeziischen Anforderungen. In
der Erzählung zum lockenwickler wird der Druck deutlich, stets die herrschende Vorstellung einer guten weiblichen frisur zu erfüllen. Gefragt werden könnte auch, warum der Zeitfaktor ein Problem darstellte. Die frau könnte nicht
gern Zeit beim friseur verbringen, weil sie ihre freizeit anderweitig gestal-
ten möchte. Sie könnte aber auch lockenwickler bevorzugen, weil sie mit ihnen
die Hausarbeiten besser bewältigen kann. Und die Mikrowelle ermöglichte, die
internalisierte Anforderung zu erfüllen, Gäste und familie mit möglichst breitem, selbst gekochtem Angebot zu umsorgen, bei gleichzeitiger Anpassung an
die veränderten Essgewohnheiten : familienmitglieder essen nur mehr partiell
gemeinsam. Die an die Nutzungsgeschichten zu stellenden fragen und Relexionen ließen sich fortführen. Doch ich möchte nun darauf zurückkommen, wie
Nutzungsgeschichten mit einem Museumsverständnis korrespondieren, das auf
vielstimmige, dialogische und den Konlikt nicht scheuende Kommunikation setzt.
In der aktuellen Auseinandersetzung um das Museum spielt der zurzeit
boomende Diskurs um Dinge eine wesentliche Rolle. Das Ding wird nun weniger
in seinem Objektstatus gesehen, das zeichenhaft für Entwicklungen, Ereignisse,
Personen steht, sondern die Mensch-Ding-Beziehungen werden verhandelt. Da
im Reden über Dinge in form von Ausstellen und Vermitteln ein großes soziales Potential von Museen liegt, wirkt sich ein veränderter Ding-Begriff auf die
Museumsarbeit aus und erfordert ein neues Objektverständnis. Statt mit Geräten repräsentativ auf den Sachverhalt von Technik- und Geschlechterkonstruktionen zu verweisen, soll ihre verhandelbare Seite in den Vordergrund kommen. Um
kein Missverständnis aufkommen zu lassen : Natürlich kann das technische Gerät
und seine geschlechtsspeziischen Implikationen auch ohne Nutzungsgeschichte
zur relexiven Disposition gestellt werden ; auf Design, Benennung, Materialien
wie Gebrauchsanweisungen etc. habe ich verwiesen. Doch das gesammelte Sprechen der Nutzer*innen über ihre Aneignungsweisen von technischen Geräten
bringt individuelle Aspekte ins Spiel. Persönliches gilt in der Regel als attraktiv,
an Erlebtem lässt sich gut anknüpfen, egal ob empathisch oder kritisch. Technische Geräte waren in ihrem vormusealen leben in gegenderte Handlungsräume
eingebunden, doch diese Wirksamkeit zwischen Mensch und Technik geht in der
Sammlung verloren. Es kann nur vermittelt erkannt werden, da die Geräte nicht
mehr gebraucht werden. Doch können Objekte über die Dokumentation dieser
ursprünglichen Mensch-Technik-Geschlecht-Beziehungen auch anregend sein für
ein erneutes Wirksamwerden. Das samt seinem Beziehungsgelecht gesammelte
Objekt birgt das Potential, jene, die sich mit dem Objekt beschäftigen, affektiv
und relexiv anzusprechen. Als Anknüpfungspunkt für fragen, Assoziationen,
Erinnerungen und Projektionen zu Genderfragen können die durch den Nicht-
126
127
Wirksame Dinge
{ Roswitha Muttenthaler }
{ Dinge neu gebrauchen }
mehrgebrauch unterbrochenen Beziehungen und Bezüge neu geknüpft werden.
Geschichten können fortgesetzt werden, wobei sich Geschlechterkonzeptionen
verschieben könnten. Durch ihre Eigenschaft, gleichzeitig der Vergangenheit und
Gegenwart anzugehören, bieten die Museumsdinge die Möglichkeit von Nähe
und Distanz und schaffen in diesem Spannungsfeld Möglichkeiten für soziale und
narrative Räume, um etwa Geschlechterverhandlungen zu eröffnen.
Begreife ich das Museum nicht nur als Bewahrungs- und Repräsentationsort, sondern als Kommunikations-, Erfahrungs- und Handlungsort, dann tragen Objekte —
verstanden als Zeichen — nicht nur repräsentativ und verweisend Bedeutungen.
Stattdessen werden sie zu wirksamen Objekten, zu handlungs- und erfahrungsauslösenden Bezugspunkten, gerade auch in ihrer Differenzen schaffenden funktion. Doch wie gelingt es, dass Objekte im Sinne von latour nicht nur »Dinge an
sich« sind ? Wie verlassen sie den Status von repräsentativen Zeugnissen und
Studienmaterial bzw. fakten, die auf abstrakte Sachverhalte, auf Geschlechterkonstruktionen verweisen ? Wie entfalten sie Wirkungen, die über das Vermitteln von Bedeutungen hinausgehen, Beziehungen stiften, Wissen um Geschlecht
und Technik zirkulieren lassen und Material für Erzählungen liefern ?
Und wie verhält sich dabei die autoritative Stimme des Museums ? Wie
sollen etwa die Aneignungsweisen und Projektionen der Nutzer*innen eines
Objektes in Datenbanken eingehen ? Soll das Museum die dokumentierten, vielfach geschlechterstereotypen Beziehungsgelechte in ihrer Vielfalt kommentarlos sammeln oder als problematische festschreibungen kennzeichnen und mit
einem didaktischen oder offenen relexiven Rahmen ausstatten ? Kann es auch
darauf vertrauen, dass sich in einer aktuellen Auseinandersetzung mit konkreten Aneignungsweisen nicht allein Übereinstimmungen, sondern auch Diskrepanzen zu heutigen Erfahrungswelten bilden und sich damit auf einer affektiven
als auch einer relexiven Ebene Verhandlungsräume eröffnen ?
Inwiefern ist es dabei wünschenswert, das von Museumsfachleuten verantwortete Sammeln und Dokumentieren zu ›demokratisieren‹, um nicht nur
vielfältigen Perspektiven Raum zu geben, sondern auch Deutungsmacht abzugeben ? Wie wäre der Dokumentations- und Interpretationsprozess zum Gesammel-
ten — die Resemiotisierung ( Gottfried Korff ) als kulturelles Erbe — vielstimmig
und kontrovers fortzuführen ? Wie lassen sich Potentiale der kritischen Relexion eröffnen, die ein Reproduzieren von Geschlechterstereotypen unterlaufen ? Zum einen bedeuten formen der Teilhabe kontroverse Ansichten und sind
damit konlikthaft, gerade wenn sie gesellschaftliche Verfasstheiten, Selbstauslegungen und Identitätsentwürfe — wie etwa die Differenzen entlang von Gender,
Race, Class etc. — berühren. Zum anderen ist das Erkunden mit dem fokus auf
Gender immer auch ein Benennen — mit dem Dilemma, zwischen Sichtbarkeit
und dem reproduzierenden Aufrufen von Geschlechterkonzepten zu changieren.
Eine Vision wäre, dass Personen unter kontrollierten Bedingungen
mit Objekten arbeiten, ihre Beziehungen, Erfahrungen und Erkenntnissen
zu den Geräten einbringen und so Wissen und Erzählungen gerade auch zu
Geschlechterverfasstheiten anlagern können. Das Ziel wäre, den individuellen
und gesellschaftlichen Verankerungen technischer Dinge nicht nur in vergangenen Gebrauchskontexten samt ihren Geschlechterordnungen, sondern auch in
musealen Erinnerungsräumen und zeitgemäßen Bezügen nachzuspüren und sich
dabei in Aushandlungen zu verstricken — und zwar in vergänglichen Ausstellungen und laborhaften Projekten als auch in der bleibenden Sammlungsdokumentation. Dazu wären in Depots und im virtuellen Netz formate einzurichten, die
verhandeln, wie Dinge laut latour wirksam werden — »make people« — und wie
sich das als ein Konglomerat von Handlungen und Beziehungen gedachte Ding
verändern könnte, formate also, die das Erkunden von Objekten durch unterschiedliche Öffentlichkeiten und Gemeinschaften fördern und deren Erkenntnisse ( ver- )sammeln.
Erste Schritte entlang dieser Ideen gibt es bereits. In Großbritannien wurde z. B. das Programm Revisiting Collections entwickelt. Es soll museumsexterne
Personen zu Diskussionen um Objekte anregen. Ihre Assoziationen, Erfahrungen,
fragen und Expertisen zum Objekt sollen als relevanter Teil der Wissensherstellung die fachwissenschaftliche und museologische Deutungsmacht ergänzen.
Über Netzwerke und Multiplikator*innen werden verschiedene fokusgruppen
gebildet, in denen gesammelte Dinge und das Wissen um sie relektiert werden.
Zum einen will man dadurch vielschichtige Bedeutungen und Bedeutsamkeiten erhalten und zum anderen Sammlungen für verschiedene Öffentlichkeiten
zugänglich machen. Dabei kann auch das Sammeln selbst zur Disposition stehen.
128
129
Dinge neu gebrauchen
{ Roswitha Muttenthaler }
rosWiTha MuTTenThaler arbeitet als Kustodin der Sammlungsgruppe Haus-
haltstechnik und Kuratorin im Technischen Museum Wien. Daneben ist sie museologisch tätig, etwa zu den Schwerpunkten Ausstellungsanalyse, Repräsentationen
von Differenzen ( Schwerpunkt : Gender ) im Sammeln und Ausstellen sowie Interventionen. Sie ist Dozentin der Studiengänge MAE ausstellen / vermitteln an
der Zürcher Hochschule der Künste und Museum und Ausstellung an der Carl
von Ossietzky Universität Oldenburg. Publikationen u. a. : Beredsam und wirkungsvoll — Dimensionen der Dinge aus museologischer Perspektive. In : Martina Griesser u. a. ( Hg. ) ( 2015 ) : Gegen den Stand der Dinge. Berlin, De Gruyter,
S. 35–47 sowie Beziehungsreich und dingfest. Gedanken um Dinge und ihre Lektüren. In : Museumsblätter. Mitteilungen des Museumsverbandes Brandenburg.
Bd. 26 ( 2015 ), S. 6–15.
literaturnachweis
COllECTIONS TRUST : What is Revisiting Collections ?
URl : http://tinyurl.com/what-is-revisiting ( 5. 7. 2016 )
DÖPfNER, Anna ( 2016 ) : Frauen im Technikmuseum.
Ursachen und Lösungen für gendergerechtes Sammeln
und Ausstellen. Bielefeld, transcript
flIEDl, Gottfried ( o. J. ) : Baldramsdorf. Objekte des Über-
gangs. Unveröffentlichtes Skript
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des Amateurmuseums. Bielefeld, transcript
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und was haben sie zu sagen ? Historische Objektforschung
in den Sammlungen des Deutschen Museums München.
In : Technikgeschichte. Jg. 79, H. 2, S. 81–108
KORff, Gottfried ( 2005 ) : Betörung durch Reflexion. Sechs
um Exkurse ergänzte Bemerkungen zur epistemischen
Anordnung von Dingen. In : Heesen, Anke te / lutz, Petra
( Hg. ) : Dingwelten. Das Museum als Erkenntnisort. Köln,
Böhlau, S. 89–107
MUTTENTHAlER, Roswitha / Wonisch, Regina ( 2010 ) :
Rollenbilder im Museum. Was erzählen Museen über
Frauen und Männer. Schwalbach, Wochenschau-Verlag
130
reGina
Wonisch
fREMDKÖRPER
GeschlechTerbilder in
MiGraTionsaussTellunGen
A BSTRACT
bei Fremdkörpern handelt es sich um objekte, die in einem je
spezifischen kontext als nicht dazugehörig und daher meist
als störend betrachtet werden. Migrant*innen werden jedoch
nicht als Fremdkörper wahrgenommen, weil sie nationale
Grenzen überschritten haben, sondern weil ihnen differenzen
zugeschrieben werden. daher werden manche Menschen
nie als Migrant*innen wahrgenommen, während es andere aufgrund ihrer körperlichen erscheinung und/oder ihres prekären sozialen und politischen status immer bleiben. vor dem
hintergrund der musealen Privilegierung des blicks stehen die
kurator*innen vielfach vor dem Problem : um Migrationsobjekte ebenso wie Migrationssubjekte als solche sichtbar zu
machen, müssen sie sich unterscheiden und bestätigen auf
diese Weise die alterität der Zugewanderten. das betrifft männliche wie weibliche subjekte der Migration, wobei die repräsentationsformen unterschiedlich sind. so unsichtbar Frauen
in Migrationsdarstellungen oft bleiben, das bild des verschleierten weiblichen körpers avancierte geradezu zum inbegriff des anderen.
i
st in aktuellen Diskursen von fremdheit die Rede, so geht es meist um
das Thema Migration. Gibt man den Begriff »fremdkörper« in die Internet-Suchmaschine ein, erhält man im Standardnachschlagewerk Der Duden neben der
medizinischen Deinition die Umschreibung : »Sache oder Person, die in ihrer
Umgebung fremd wirkt, nicht in sie hineinpasst«. Da stellt sich eine Reihe von
fragen : Wann passt eine Person warum nicht an einen Ort ? Wer bestimmt das ?
Von welcher Position aus wird hier gesprochen ? Der aktuelle Integrationsimperativ fordert eine Umkehrung des Blicks : Nicht die ansässigen Personen müssen
lernen, sich das fremde vertraut zu machen, sondern die fremden sollen sich
an Vertrautes anpassen, um keine fremdheitserfahrungen auszulösen.
Doch selbst wenn das fremde positiv gewendet als Bereicherung verstanden wird — wenn es um Diversität geht, ist meist ethnisch-kulturelle Vielfalt
gemeint. Diese form der Kulturalisierung bedeutet, dass viele Herausforderungen und Probleme heterogener Gesellschaften nicht auf soziale, ökonomische
und politische Implikationen, sondern auf kulturelle Unterschiede zurückgeführt werden. Soziale, ökonomische oder politische faktoren werden als veränderbar wahrgenommen, Kultur hingegen wird oftmals essentialisiert und dem
Körper angehaftet. Kulturelle Praktiken mögen einen Menschen prägen, aber
Kulturen sind genauso in Bewegung wie die Menschen, die als Kulturträger fungieren. Und auch die ansässige Bevölkerung ist nicht so homogen, wie sie aus
einer nationalistischen Perspektive gerne entworfen wird. Dies zeigt sich nicht
zuletzt daran, dass die Deinition einer nationalen leitkultur, an der sich Zugewanderte orientieren sollen, in globalisierten Gesellschaften gar nicht so einfach
ist. Denn moderne Gesellschaften kennzeichnet, dass die Bürger*innen zwischen
unterschiedlichen Weltanschauungen und lebensstilen im Rahmen ihrer Möglichkeiten wählen können.
In der aktuellen Wertedebatte wird neben der Demokratie oftmals die
Gleichberechtigung zwischen Männern und frauen ins Treffen geführt. Die bestehenden Rechte sind allerdings auch in einer demokratischen Gesellschaft nicht
selbstverständlich. Sie mussten von frauen, lesben, Schwulen, Transgender133
{ Regina Wonisch }
Personen und People of Colour eingefordert und erkämpft werden. Viele grundlegende forderungen, wie gleicher lohn für gleiche Arbeit, gelten für frauen
nach wie vor nicht. Und auch auf der Metaebene indet die Kategorie Geschlecht
in wissenschaftlichen wie in gesellschaftlichen Diskursen keine durchgängige
Berücksichtigung. Im Museum ist es noch immer keine Selbstverständlichkeit,
dass die Kategorie Geschlecht als eine zentrale Differenzkategorie in allen Ausstellungen mitgedacht wird.
Welche Differenzen als fremd wahrgenommen werden, liegt im Auge der
Betrachter*innen. In den 1970er Jahren gab die Aktion Mitmensch der österreichischen Werbewirtschaft eine Plakatkampagne in Auftrag. Sie nahm darauf
Bezug, dass viele Menschen zur Zeit der Habsburger Monarchie aus denselben
Gebieten nach Wien kamen, wie die in den 1960er Jahren zugewanderten Arbeitsmigrant*innen. Auf dem Plakat bringt es ein kleiner Bub mit seiner frage, die
er an einen als Gastarbeiter markierten Mann richtet, auf den Punkt : »I haaß
Kolaric, du haaßt Kolaric, warum sogns’ zu dir Tschusch ?« Denn letztlich geht
es nicht um Kultur, Sprache oder Religion, sondern um soziale Zuschreibungen
und Markierungen. Manche Menschen werden nie als Migrant*innen wahrgenommen, während es andere immer bleiben, egal, wie lange sie schon an einem
Ort leben oder welche Staatsbürgerschaft sie haben. Migrant*innen sind Menschen in Bewegung, deren Status wirtschaftlich oder politisch prekär ist. Darin
unterscheiden sie sich von mobilen Menschen aus den Bereichen Kunst, Wissenschaft oder Wirtschaftsmanagement, die meist aus beruflichen Gründen Auslandserfahrungen suchen und dadurch einen Prestigegewinn verzeichnen ( vgl.
Wonisch 2012 : 12 ).
Während Zuwander*innen aus Deutschland bislang nicht als Migrant*innen wahrgenommen werden, haftet Personen mit schwarzer Hautfarbe stets
der Makel der fremdheit an. Dementsprechend beklagen Vertreter*innen der
Black Community wie Simon Inou und Clara Akinyosoye, dass jenen Zugewanderten, die sich vom äußeren Erscheinungsbild von der Mehrheitsbevölkerung
unterscheiden, vor allem der Migrationsvordergrund zu schaffen macht ( vgl. Der
Standard, 10. 6. 2010 ).
134
{ fremdKörper }
Migrationsausstellungen als Orte des Befremdens ?
Welche funktion also haben Migrationsausstellungen ? Das Sichtbarmachen von
marginalisierten Gruppen in Museen und Ausstellungen wird meist als eine
Strategie der Ermächtigung betrachtet, handelt es sich dabei doch um Institutionen von hohem Prestige. Das Dilemma des visuellen Mediums Ausstellung
besteht jedoch darin, dass Migrant*innen nur dann sichtbar werden, wenn sie
als solche markiert sind.
Auf dem Werbeplakat für das neu eingerichtete Museum für Deutsche
Migrationsgeschichte in München war ein landwirtschaftlicher Betrieb zu sehen.
Es ist vor allem eine frau mit Kopftuch, die eine schnelle Einordnung der abgebildeten Personen in einen Migrationskontext erlaubt. Denn es handelte sich
nicht um das ortsübliche zu einem Dreieck gefaltete Kopftuch, sondern um die
in islamisch geprägten Kulturen gebräuchliche Kopfbedeckung. Durch Darstellungen wie diese werden nicht nur gängige Klischeebilder bestätigt, der Blick
wird dabei auch auf die wie auch immer deinierte Kultur der Migrant*innen
gelenkt. Museen und Ausstellungen sind als Teil des Kulturbetriebs besonders
herausgefordert, der Tendenz zur Kulturalisierung in der Darstellung von Migrationsgeschichten zu widerstehen, nicht zuletzt da ein zu enger Blick auf die
Kultur der Migrant*innen zu jenen exotisierenden Darstellungsformen neigt,
wie sie für ethnograische Museen und Ausstellungen lange Zeit kennzeichnend
waren. für frauen fremder Herkunft bedeutet dies, in patriarchalen Gesellschaften in zweifacher Hinsicht als anders markiert zu sein. Es ist kein Zufall, dass
die verschleierte frau geradezu zum Sinnbild fremder Kulturen geworden ist.
Um dem Problem der Kulturalisierung zu entgehen, vermied es die Ausstellung Gastarbajteri. 40 Jahre Arbeitsmigration der Initiative Minderheiten
im Wien Museum ( 2004 ) eine wie auch immer deinierte Kultur von Migrant*innen zu thematisieren. Das Kurator*innenteam weigerte sich, dreidimensionale
Objekte zu verwenden, um nicht Gefahr zu laufen, Kopftücher, Gebetsteppiche
und Dönerspieße zeigen zu müssen. Die Geschichte der Arbeitsmigration wurde vielmehr entlang von Orten wie der Anwerbestation Narmanlı Han Istanbul,
der fremdenpolizei, einer fischfabrik, dem Islamischen friedhof, einem Arbeiterwohnheim etc. erzählt. Dieser Herangehensweise lag die Beobachtung des
Politikwissenschaftlers Hakan Gürses zugrunde, wonach die »Rede über Mig135
{ Regina Wonisch }
ration« zu einer nicht enden wollenden Rede über fremdheit, über kulturelle
Differenzen, über notwendige, doch unmögliche Integration geworden sei ( Gürses 2004 : 25 ).
Obwohl das Kurator*innenteam einen hohen politischen Anspruch hatte,
war die Ausstellung im Hinblick auf die Geschlechterdifferenz relativ konventionell. Die Kategorie Geschlecht wurde nicht durchgängig in den Repräsentationen
berücksichtigt. Die fischfabrik Warhanek wurde zwar als typischer Arbeitsplatz
für Arbeitsmigrantinnen seit den 1960er Jahren thematisiert, aber es wurde
nicht gefragt, inwieweit sich männliche und weibliche Migrationserfahrungen
aufgrund divergierender gesellschaftlicher Zuschreibungen und Markierungen
unterscheiden. So hätte beispielsweise anhand der medial sehr präsenten Anwerbestation in Istanbul thematisiert werden können, dass Migration als vornehmlich männliches Phänomen vermittelt wird. Damit blieben die Arbeitsverhältnisse
der frauen in der fischfabrik ein Sonderbereich innerhalb der Geschichte der
Arbeitsmigration und unterlagen damit einer zweifachen Marginalisierung.
Wichtig dabei ist, nicht nur Geschichten von Migrantinnen sichtbar zu
machen, sondern vor allem die Interdependenzen von Rassismus und Sexismus
im Umgang mit Zugewanderten aufzuzeigen. Im öffentlichen Diskurs werden
oft sexistische Unterdrückungsmechanismen nur bei Migranten festgemacht und
der eigenen Gesellschaft attestiert, dass frauen gleichgestellt wären. Auf diese Weise wird Sexismus ethnisiert und als Mittel gegen Migrant*innen genutzt.
Sexistische Übergriffe seitens der einheimischen Bevölkerung der Aufnahmegesellschaft geraten dabei ebenso wie deren patriarchalen Strukturen aus dem Blick.
Migration als männliches Phänomen
Migrationsbewegungen waren nach 1945 — obwohl in der Zeit des Nationalsozialismus durch Verschleppungen und Kriegsereignisse Millionen von Menschen
ihre Herkunftsorte verließen — lange Zeit weder in der Sozialforschung noch in
der Geschichtswissenschaft ein Thema. Erst als die Zuwanderung aufgrund der
Anwerbeabkommen mit Jugoslawien und der Türkei ab Mitte der 1960er Jahren
erneut größere Dimensionen annahm, rückte die Migration in den fokus der Wissenschaften. Allerdings wurde Migration in der forschung wie in der Medienberichterstattung zunächst als männliches Phänomen betrachtet : junge Männer, die
136
{ fremdKörper }
sich aufmachen, um nach neuen lebensperspektiven zu suchen. Im Unterschied dazu
wurden Migrantinnen vor allem im Kontext des familiennachzugs wahrgenommen. Dabei wurden sie zumeist — zerrissen
zwischen den rassistischen Gesellschaftsstrukturen einerseits und den traditionellen patriarchalen familienstrukturen
anderseits — als Opfer und nicht als handelnde Subjekte gesehen. frauen, die selbständig eingewandert waren, wurden dabei
vernachlässigt. Anfang der 1970er Jahre
waren es jedoch 37 Prozent frauen, die aus
eigenem Antrieb alleine aus Jugoslawien
nach Österreich migrierten. Der Anteil der
abb. 1 | Geldbörse von Mustafa soytarıoğlu auf dem
aus der Türkei kommenden frauen betrug
cover des ausstellungskatalogs : hakan Gürses /
immerhin 10 Prozent. Das Bild der männlicornelia kogoj / silvia Mattl ( hg. ) ( 2004 ) : Gastarbajteri.
chen Migration hat sich so verfestigt, dass
40 Jahre arbeitsmigration. Wien, Mandelbaum
es auch in Migrationsausstellungen immer
wieder reproduziert wurde. Indem vielfach auf die Bilder der Medienberichterstattung zurückgegriffen wurde, dominierten auch in den Ausstellungen fotos
von Migranten auf Bahnhöfen und Baustellen die Displays.
Das Plakat, das vom Wien Museum für die Ausstellung Gastarbajteri. 40
Jahre Arbeitsmigration produziert wurde, zeigte eine Gruppe von Arbeitsmigranten bei einem Busbahnhof in Istanbul und bediente damit die klassische Gastarbeiter-Ikonograie. Auf den ersten Blick reproduzierte die Ausstellung daher
gängige Klischees. Doch das vom Ausstellungsteam gestaltete Cover des Ausstellungskatalogs ↑ abb. 1 zeigt ein Objekt, das auf den ersten Blick keine eindeutig
geschlechtsspeziische Zuordnung erlaubt : »Geldbörse von Mustafa Soytarıoğlu,
gekauft 1970 in Wien, verwendet bis zu seiner Rückkehr nach Adatepe / Türkei
1981 ; selber zugenäht, noch in Verwendung zur Aufbewahrung von Rechnungen
als Erinnerung an die Wiener Zeit«, so lautet der Objekttext im Ausstellungskatalog ( Gürses / Kogoj / Mattl 2004 ). Das Design lässt an einen männlichen Besitzer
denken, aber auch die traditionell weiblich konnotierten Nähstiche stammen von
137
{ Regina Wonisch }
Mustafa Soytarıoğlu. Die Brieftasche auf dem Katalogumschlag bestätigt jedenfalls nicht gängige ( Geschlechter- )Bilder, sondern wirft eher fragen zu Kommen,
Gehen und Bleiben sowie der Rolle der materiellen Kultur in diesem Prozess auf.
In der Wanderausstellung Avusturya ! Österreich ! 50 Jahre türkische Gastarbeit in Österreich ( 2015 ) verwendete das Kurator*innenteam auf den Ausstellungstafeln zu den Themen Anreise, Ankommen und Wohnsituation gängige
Bilder der Medienberichterstattung, wie Männer auf Bahnhöfen, in Wohnheimen etc. Damit wurde auf der visuellen Ebene die Botschaft transportiert, dass
Migration ein männliches Phänomen ist, auch wenn sich die Kurator*innen um
eine gendergerechte Sprache in den Texten bemühten. Es gab in der Ausstellung allerdings auch ein foto, das Arbeitsmigrantinnen in einem Wohnheim zeigte und damit belegte, dass auch die Migration von frauen aus der Türkei nicht
nur über den familiennachzug erfolgte. Es wäre ein guter Anknüpfungspunkt
gewesen, die in der öffentlichen Wahrnehmung meist vernachlässigte eigenständig weibliche Migration sichtbar zu machen. In einer Vitrine, unter dem Aspekt
des beengten Wohnraums präsentiert, ging das foto allerdings im Material unter.
Im Bereichstext wurde zudem auf die besondere soziale funktion von Gaststätten infolge der schlechten Wohnverhältnisse verwiesen. Auf dem Gasthaus-foto
waren nur Männer zu sehen. Unmittelbar daneben war ein foto hinzugefügt, das
eine Migrantin in einer kleinen Küche zeigte. Auf diese Weise reproduzierte die
Bildkombination die klassischen Geschlechterrollen, wonach sich vor allem Männer im öffentlichen Raum bewegen, während frauen die häusliche Sphäre vorbehalten ist, ohne dies zu relektieren und zum Thema zu machen. Denn es geht
nicht nur darum, die lücken zu schließen, indem Geschichten und Bilder von
Migrantinnen hinzugefügt werden, sondern die Geschlechterverhältnisse ebenso wie geschlechtsspeziische Bildproduktionen zu hinterfragen.
Vor diesem Hintergrund ist es sinnvoll, den bislang unterbelichteten
Geschichten der Migrantinnen eigene Ausstellungen zu widmen, wie es Verena
lorber im Hinblick auf die slowenischen Gastarbeiterinnen in der Steiermark
gemacht hat ( Arlt / lorber 2015 ). Die Ausstellung unterscheidet sich in ihrem
Erzählduktus zwar nicht wesentlich von anderen Ausstellungen zur Arbeitsmigration, aber allein die Tatsache, dass die Dimension weiblicher Migration und
die speziischen lebenszusammenhänge von Migrantinnen sichtbar gemacht
wurden, stellt eine wichtige Korrektur dar. Dennoch kann es nicht das Ziel sein,
138
{ fremdKörper }
der Migrationsgeschichte, die selbst bislang nicht als Teil der Nationalgeschichtsschreibung begriffen wird, eine weitere Sondergeschichte hinzuzufügen.
Gegenentwürfe — frauenbilder in Migrationsausstellungen ?
Im Unterschied zu jenen Migrationsausstellungen, in denen Migration als männliches Phänomen — vielfach unbewusst — weitertradiert wurde, berücksichtigte
das Kurator*innenteam bei der Ausstellung Auspacken. Dinge und Geschichten
von Zuwanderern ( 2009 ) in Reutlingen die Genderperspektive gleichsam schon
auf dem Werbeplakat und dem Katalogcover ( Stadtarchiv Reutlingen 2009 ).
Aber auch hier wurden die gängigen Klischeebilder nicht gebrochen : Während
die Migrantin mit einem Kind vor einem Privathaus zu sehen war, wurden die
Migranten bei ihrer Erwerbsarbeit auf einer lokomotive gezeigt. Derart traditionelle Geschlechterbilder zogen sich durch die gesamte Ausstellung.
In der Eingangssituation waren ein Boxsack und eine portugiesische frauentracht ausgestellt. Das Boxen — so der Ausstellungstext — half einem jungen
Iraner, seine Aggressionen angesichts seiner schwierigen Situation als Zuwanderer besser kanalisieren zu können. Die portugiesische Zuwanderin fand in einem
Trachtenverein, der sich aus einer Kindertanzgruppe entwickelt hatte, emotionalen Halt in der portugiesischen Community und Anerkennung seitens der
Aufnahmegesellschaft. Dies war gewissermaßen der Auftakt für jenen Erzählstrang der Ausstellung, der entlang unterschiedlicher Biograien erfolgte. Charakteristisch dabei war, dass es sich dabei um männliche Erfolgs- und weibliche
Dequaliizierungsgeschichten handelte.
Es begann mit der lebensgeschichte eines Mannes, der mit Großmutter
und Mutter aus dem Banat vertrieben wurde. Er brach sein Elektrotechnikstudium zwar wegen der Erkrankung der Großmutter ab, aber es gelang ihm, im
fernmeldewesen fuß zu fassen, was schließlich den Kauf eines Hauses ermöglichte. Als Beispiel für die Arbeitsmigration aus der Türkei wurde die Biograie
eines Mannes gewählt, der bereits vor dem Anwerbeabkommen nach Deutschland kam. Als ihm die Doppelbelastung von Textiltechnikstudium und Arbeit zu
viel wurde, kehrte er in die Türkei zurück, wo er dann den Militärdienst absolvierte. Danach ging er wieder nach Deutschland, wo er bald als selbständiger
139
{ Regina Wonisch }
Übersetzer arbeitete und über diesen Umweg den Aufstieg zum Handelsvertreter für Strickmaschinen schaffte.
Im Unterschied dazu bedeutete die Verlagerung des lebensmittelpunkts
nach Reutlingen für die Migrantinnen eine Dequaliizierung in ihrem Berufsleben. Die Kinderkrankenschwester aus Jugoslawien scheiterte im Kampf um
Anerkennung ihrer Berufsqualiikation — ein Umstand, der mit einem unsicheren
Aufenthaltsstatus einherging. Als sie schließlich arbeitslos wurde, verhinderten
die Jugoslawienkriege eine Rückkehr nach Serbien. Aufgrund der veränderten
politischen lage in ihrem Herkunftsland stellte sie in Deutschland einen Asylantrag. Doch letztlich schaffte erst die Heirat mit einem deutschen Staatsbürger Abhilfe in Bezug auf ihre unsichere lebenslage.
Eine andere Station zeigte die Migrationsgeschichte einer gut ausgebildeten Schneiderin und Krankenschwester, die ihrem Mann aus dem Kongo nach
Reutlingen folgte. Mit Hilfe ihres Mannes, der sie zur Selbständigkeit ermutigte,
schaffte sie schließlich die Ausbildung als Plegeassistentin. Der Berufsabschluss
war jedoch vor allem deshalb für sie von Bedeutung, weil sie ihren Söhnen ein
gutes Vorbild sein wollte.
Interessant bei der Inszenierung war auch, dass bei den Migrationsgeschichten der frauen — anders als bei den Männern — die Koffer fehlten. Damit
unterstrich die Gestaltung den unselbständigen Status der Migrantinnen, der
auch in den Geschichten zum Ausdruck kommt.
Obwohl das Kurator*innenteam bemüht war, die Genderperspektive zu
berücksichtigen, wurden letztlich doch klassische Männer- und frauenbilder
bedient. Denn es genügt nicht, frauen- und Männerbiograien nebeneinanderzustellen, die Genderperspektive eröffnet sich nur dann, wenn die lebensentwürfe
und lebenschancen zueinander in Beziehung gesetzt und in den je speziischen
gesellschaftspolitischen Kontext rückgebunden werden.
Die Ausstellung Romane Thana. Orte der Sinti und Roma ( 2015 )1 im Wien
Museum setzte beim Plakatsujet auf das foto einer
1 Es handelte sich dabei nicht um eine ›klassische‹
emanzipierten jungen frau. Selbstbewusst und etwas
Migrationsausstellung. Viele Angehörige der
kokett blickt Barka Emini in die Kamera. Von allen
Sinti- und Roma-Community leben zwar schon
länger in Österreich und sind als Minderheit anbeteiligten Institutionen, dem Wien Museum, dem
erkannt. Ein großer Teil der Community ist alRomano Centro und der Initiative Minderheit, wurde
lerdings erst aufgrund der Jugoslawienkriege in
das foto als geradezu ideales Plakatsujet befunden
den 1990er Jahren nach Österreich gekommen.
140
{ fremdKörper }
( vgl. Kogoj 2015 : 20 ). Es ist das Bild einer Migrantin, das in der Aufnahmegesellschaft leichter Akzeptanz indet : jung, ein bisschen exotisch, aber urban. Ceija
Stojka, eine prominente Vertreterin der Roma-Community, beschrieb das Unerkannt-Bleiben als das Erfolgsrezept. Es ermöglicht den Sinti und Roma einen
gewissen sozialen Aufstieg und reduziert die Diskriminierung auf jenes Maß,
mit der auch andere Zugewanderte aus Balkanstaaten konfrontiert sind. Dieser
Haltung schien das Plakat Vorschub zu leisten. Die Migrationsgeschichte, die
anhand der Biograie von Barka Emini erzählt wird, ist eine Emanzipationsgeschichte, die doch wieder zu den Wurzeln zurückführt. Emini kam von Mazedonien über die Schweiz nach Österreich. Sie trennte sich von ihren Eltern, die der
Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas beigetreten waren. Nach zwei kurzen Ehen mit Angehörigen der Roma-Community nahm sie ihr leben für sich
und ihren Sohn selbst in die Hand und absolvierte Ausbildungen im Sozial- und
Bildungsbereich. Eine Zeit lang versuchte sie sich in Österreich weitgehend zu
assimilieren, bis sie über die Arbeit ins Romano Centro kam und damit gleichsam wieder zu ihren Wurzeln zurückfand.
So einig das Ausstellungsteam bei der Auswahl des Werbesujets für die
Ausstellung war, so uneinig war es im Hinblick auf den Umgang mit anderen
frauenbildern. Der Industrielle Alfred Ruhmann fotograierte in den 1930er Jahren burgenländische und ungarische Roma-Siedlungen. Sein fotoalbum enthielt
neben empathisch wirkenden Porträtfotos und stereotypen Elendsbildern auch
Abbildungen von nackten frauen. Daran knüpfte sich eine interne Debatte, ob
und wie das Album präsentiert werden könnte. Das Team entschied sich letztlich, die fotos der nackten frauen zwar im Text zu erwähnen, aber die Bilder
nicht zu zeigen. Dies schützte die Protagonistinnen davor, erneut einem voyeuristischen Blick ausgesetzt zu sein. Allerdings leistete die Entscheidung auch
einem verharmlosenden Blick auf das fotoalbum Vorschub. Die grundsätzliche
frage, wie man Gewalt thematisieren kann, ohne den Gewaltakt zu wiederholen,
bleibt virulent. Auch ohne die Bilder zu zeigen, hätte die Verbindung von Rassismus und Sexismus offensiver zum Thema gemacht werden können, insbesondere da sich in der Geschlechterforschung bereits in den 1980er Jahren unter dem
Begriff Intersektionalität eine Perspektive formierte, die die Wechselwirkungen
von Geschlecht, Klasse und Rasse / Ethnizität untersucht ( vgl. Hess / langreiter / Timm 2011 ).
141
{ Regina Wonisch }
{ fremdKörper }
Warum also werden gerade in Migrationsausstellungen diese drei zentralen Differenzkategorien nicht expliziter miteinander verknüpft, und zwar nicht
nur in musealen Repräsentationen, sondern auch in jenen Strategien, die darauf abzielen, das Museum im Hinblick auf neue Besucher*innenschichten zu
öffnen ? Im leitfaden des Deutschen Museumsbunds zu Museen, Migration und
kultureller Vielfalt wird darauf verwiesen, dass für das Interesse an der Institution Museum die sozialen Milieus und die Bildungsstandards entscheidender
sind als der Umstand der Migration. Die Kategorie Geschlecht jedoch indet keine explizite Erwähnung ( vgl. Deutscher Museumsbund 2015 ). Damit wird eine
Geschlechtergleichheit suggeriert, die so nicht gegeben ist — nach wie vor verstärken sich strukturelle Benachteiligungen entlang dieser drei zentralen Differenzkategorien.
suchte das Kurator*innenteam der Ausstellung Projekt Migration den nationalen
Blick zurückzunehmen und die Perspektive der Migration — nicht der Migrant*innen — einzunehmen und Migration als eine zentrale Kraft gesellschaftlicher
Veränderung sichtbar zu machen ( vgl. Eryılmaz u. a. 2005 : 17f. ). »Die Perspektive der Nation macht aus Menschen, die über die Grenze kommen, die Anderen :
fremde, die es zu erforschen und zu verstehen, abzuwehren und zu kontrollieren, zu nutzen und zu integrieren gilt. Ob mit empathischer Zuwendung, ökonomischen Pragmatismus oder rassistischer Ausgrenzung : Die Nation gebraucht
die Anderen, um sich selbst ins Zentrum zu setzen« ( Kölnischer Kunstverein
2016 ). Kehrt man den Blick um, eröffnet die Perspektive der Migration auch
einen neuen Blick auf die stets in Transformation begriffene eigene Gesellschaft.
Es gibt noch viel zu tun, wenn es darum geht, Erzähl- und Repräsentationsmodi
zu inden, die kulturelle und vergeschlechtlichte Differenz nicht als Ausgangspunkt, sondern als Endpunkt eines Differenz produzierenden Prozesses zeigen.
Perspektivenwechsel ?
Sichtbarkeit ist als Zeichen politischer und gesellschaftlicher Präsenz zu einer zentralen Kategorie oppositioneller Rhetorik geworden. Die für Museen und Ausstellungen konstitutive Evidenz der Objekte und Bilder kann allerdings zum Problem
werden, weil es dadurch leicht zu festschreibungen kommt. Viele Migrant*innen
unterscheiden sich aufgrund der zunehmenden Globalisierung in vielen kulturellen Praktiken wie Kleidung, Essen, Wohnungseinrichtung, Musikgeschmack
etc. jedoch nicht von der ansässigen Bevölkerung. Daher greifen Kurator*innen
oftmals auf traditionelle lebensweisen zurück, wenn sie die Kultur von Migrant*innen zum Thema machen wollen : Der Dönerspieß, der Gebetsteppich oder
das Kopftuch wurden zu Sinnbildern für Migrant*innen aus der Türkei. Vor dem
Hintergrund, dass frauen stets damit konfrontiert sind, als das Andere wahrgenommen zu werden, verschärft sich das Problem für Migrant*innen.
Eine Strategie, dem Dilemma der ( Klischee- )Bilder zu entkommen, wäre,
die Bildproduktion selbst zum Thema zu machen. Bleiben hegemoniale Positionen ixer Standort, von dem aus der Blick auf das leben der Migrant*innen und
Minderheiten gerichtet wird, dann haftet dem Phänomen Migration immer etwas
Randständiges an. Doch wie bei der Repräsentation von Arbeiter- oder frauengeschichte geht es auch bei der Migrationsgeschichte nicht um ein Randthema,
sondern um eine zentrale Dimension globalisierter Gesellschaften. Daher ver142
reGina Wonisch , Mag., Historikerin, freiberufliche Ausstellungskuratorin,
Mitarbeiterin des Instituts für Wissenschaftskommunikation und Hochschulforschung der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, leiterin des forschungszentrums
für historische Minderheiten in Wien. forschungsschwerpunkte : Museologie, historische Migrationsforschung.
143
{ Regina Wonisch }
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144
»DUTY, GUIlT,
INDIffERENCE,
AWE, fATIGUE,
NOSTAlGIA,
ECSTASY, fEAR,
PANIC«
unZeiTGeMässes
kuraTieren als
dissidenTe Treue
ZuM MaTerial
A BSTRACT
Wie können machtspezifische ungleichheiten in ausstellungen
thematisiert werden, ohne sie dabei zu reproduzieren?
Wie können wir etwas aufzeigen, ohne es zu zeigen, wie unsichtbar überliefertes dekonstruieren, ohne sichtbar zu rekonstruieren? Wie können wir unseren erlernten blick und den
anderer anders lenken, um künftig anders zu handeln?
Mit diesen ambitionierten Fragen als Motor widmen wir uns in
unserem beitrag strategien des ausstellens, die einladen,
erlerntes zu verlernen, selbstverständlichkeiten in Frage zu
stellen, sogar neue zu erzeugen und binäre logiken zu
durchkreuzen — am beispiel einer Wanduhr des künstler*innenkollektivs raqs Media collective und anhand zweier schminkspiegel und einem Tandem, die sammlungsobjekte des
Technischen Museums Wien sind.
W
ie kann die Kritik am Museum im Museum folgen haben ?« ( Sternfeld 2009 : 73 ) Diese frage steht am Anfang unseres Beitrags, um weitergedacht
zu werden. Sie stellte sich in einem Text unserer Publikationsreihe ausstellungstheorie & praxis. Seither verfolgen wir sie und möchten sie im Hinblick auf die
gesuchte museale Handlungsfähigkeit für diesen Text umformulieren : Wie können wir kritisches Kuratieren denken, das binäre logiken nicht nur erwidert,
sondern auch durchkreuzt ? Wie können wir in der Praxis des Museums erlernte Blicke und Deutungen verlernen, um künftig anders zu handeln? Und wie
können machtspeziische Ungleichheiten in Ausstellungen thematisiert werden,
ohne sie dabei zu reproduzieren ?
Eine Wanduhr
Wir sind auf der Suche nach einer Praxis, die machtvolle Unterscheidungen
unterläuft und dabei mehr will, als bloß dem Zeitgeist zu folgen. Nehmen wir
z. B. eine Wanduhr, ein technisches Ding, Teil einer Serie.↓ abb. 1 Ihre Erscheinung
ist schmucklos und funktional im Design. Sie verfügt über ein weiß emailliertes Zifferblatt, unterschiedlich lange Zeiger — einer schwarz, der andere rot —
und ist umlaufend schlicht gerahmt. Auf den ersten Blick könnte es sich auch
um ein Wetterbarometer handeln. Dieser Eindruck ergibt sich vor allem durch
die Beschriftung mit Wörtern anstatt der für Uhren üblichen zwölf Stundenziffern. Winzige schwarze Keile markieren im Uhrzeigersinn emotional aufgeladene Begriffe : epiphany, anxiety, duty, guilt, indifference, awe, fatigue, nostalgia,
ecstasy, fear, panic, remorse. Bei der Uhr handelt es sich um ein Werk des in
Delhi ansässigen Künstler*innenkollektivs Raqs Media Collective ( Shuddhabrata
Sengupta, Monica Narula und Jeebesh Bagchi ). Sie war Teil ihrer international
rezipierten Solo-Ausstellung Asamayavali / Untimely Calendar in der National
Gallery of Modern Art Delhi ( Dezember 2014 bis März 2015 ). Mit der etwa 3.000
qm großen Schau verfolgte das Raqs Media Collective das Ziel, gängige Vorstellungen von Zeit, ihrer technischen Disziplinierungsmacht im Alltag und ihrer
147
{ Martina Griesser · Nora Sternfeld | schnittpunkt }
kapitalistischen Organisation zu unterwandern ( vgl. Mason 2015 ; feher 2013–
2015 ). Diese erscheint uns nicht nur als immer schon verloren und immer schon
zu kurz. Wir sind vielmehr ständig zur Jetztzeit gezwungen, der wir nachlaufen,
ohne genau zu wissen, wohin. So inden wir uns immer öfter verzweifelt hinter
der Deadline wieder, bereits verschuldet und schon zu spät.
Was die Künstler*innen damit ansprechen, ist ein Effekt, der an der
Schnittstelle von Politik, Ökonomie, Ideologie und Technologieentwicklung entsteht. Zur kapitalistischen fragmentierung des Menschen, unserer Arbeit, unserer Körper und unseres Alltags gehört auch die Privatisierung des Allgemeinen
in der Zeit. Sie ist stets zu knapp und aus dem Morgen wird eine Ware, in die es
zu investieren gilt ( was manche können und andere nicht ). Wenn wir es uns leisten können, werden wir aufgerufen, in unsere Gesundheit zu investieren und in
Versicherungen, die Risiken abfedern sollen. Wir sollen in Kosmetik, Kleidung
und Bildung investieren — in eine glücklichere Zukunft. Die Versprechen technologischen Versprechen für eine zeitgemäße lebensführung sind groß.
Raqs Media Collective bezeichnet sein Projekt als Untimely. Was kann nun
eine Uhr und noch dazu eine, die auf unsere Gegenwart Bezug nimmt, mit der
frage nach dem Verlernen von machtspeziischen Unterscheidungen im Museum zu tun haben ? Geben wir der zunächst verwirrenden Metapher ein bisschen
Zeit. Bevor wir auf ihre Mehrdeutigkeit zurückkommen, sehen wir uns den Stand
der Debatte um die Binarität im Technikmuseum an.
{ Unzeitgemäßes Kuratieren }
abb. 1 | raqs Media collective : »asamayavali / The untimely calendar«. national Gallery of Modern art delhi.
dezember 2014 bis März 2015. url : http://tinyurl.com/asamayavali ( 25. 5. 2016 )
Die Genderdebatte ist auch in den technischen Museen mittlerweile angekommen, zumindest in ein paar ( leider meist unveröffentlichten ) Sammlungsstrategien. In der Ausstellungspraxis präsentiert sich die Auseinandersetzung meist
in form von Gegenüberstellungen und Ergänzungen, die im Prinzip der logik
einer traditionellen Technikgeschichtsschreibung folgen. Den vielen männlichen Erindergeschichten werden einige wenige Biograien weiblicher Erinderinnen gegenübergestellt. Dabei müssen immer dieselben wenigen frauen der
Überzahl an männlichen Erindern entgegenhalten. Marie Curie, Käthe Paulus
oder Ada lovelace bilden beispielsweise das homöopathische vis-à-vis zu einer
fast unüberschaubaren Heerschar an Männern wie Benz, Bessemer, Edison, Jac-
quard, Kaplan, Porsche, Tesla, Wright, um nur einen winzigen Bruchteil willkürlich zu nennen. Interessanterweise reichen bei den berühmten Männern meist
die Nachnamen, während wir bei der Aufzählung der weiblichen Verantwortlichen für technische oder naturwissenschaftliche Meilensteine auch die weiblichen Vornamen inden. Nennen wir diese Strategie das Marie-Curie-Phänomen
in Technikmuseen. Es handelt sich dabei nicht um ein von der Atomphysikerin
untersuchtes Phänomen, sondern um die mal mehr, mal weniger subversive
Strategie der Suche nach frauen in der Technikgeschichte, um zumindest ein
paar wenige Erinderinnen aufs Ausstellungsparkett und damit ins Bewusstsein
der Besucher*innen zu bringen. Das Curie-Phänomen dient im besten fall auch
als Anreiz zur forschung über und Suche nach weiteren Erinderinnen, deren
Biograien und leistungen von der männlich dominierten Technikgeschichtsschreibung vernachlässigt wurden. Das ist zwar sehr wichtig, aber noch keine
feministische oder kritische Intervention in die Technikgeschichtsschreibung. Wo
kann man alternativ ansetzen ? Und welche frage ließe sich an die Sammlungen
in den meist recht großen Depots der Technikmuseen richten, um bisher unbeachtete widerständige Dinge und Geschichten anzusprechen ?
Die Aufgabe klingt spannend und vielversprechend, stellt sich aber im
Alltag als sehr komplex dar. Manchmal scheint es, als holten uns die jahrzehn-
148
149
Das Marie-Curie-Phänomen
{ Martina Griesser · Nora Sternfeld | schnittpunkt }
{ Unzeitgemäßes Kuratieren }
te- oder gar jahrhundertelangen Versäumnisse ein, die in der Dokumentation
feministischer Technikgeschichten und widerständiger Sammlungsobjekte aufgetreten sind. Die kuratorische Arbeit setzt sich dem Risiko aus, eine Nadel im
Heuhaufen aufspüren zu wollen. Wenig hilfreich ist unserer Ansicht nach die
Suche nach weiblichen Sammlungsobjekten. Gäbe es tatsächlich typisch weibliche Objekte, müsste es auch typisch männliche geben ( und nichts dazwischen ? ).
Diese logik entspräche dem althergebrachten Denkmodell vom Männlichem
und Weiblichem in Technikmuseen, dem wir uns in der Strategie des Verlernens bewusst entgegensetzen wollen. Zwar sind Machtverhältnisse und binäre
Geschlechterzuschreibungen den Dingen eingeschrieben, sie können jedoch ebenso dissidente Nutzungen und Dinggeschichten jenseits der Geschlechterordnungen mit sich bringen. Vor diesem Hintergrund schlagen wir vor, kuratorische
Strategien zu entwickeln, um Machtordnungen selbst zu unterlaufen. Wichtig
ist uns dabei, über den feminismus hinaus auch rassistische Unterscheidungen
des Museums zu adressieren.
lierten Instrumente um und messen fortan den fortschritt der Zeit in Emotionen
statt in Minuteneinheiten etc.
Die Ausstellung, zu der die Uhr gehörte, war voller Geschichten, die klassische Unterscheidungen unterliefen. Neben der Infragestellung der Zeit wurde auch die ethnozentrische Sichtweise des Westens auf die Weltordnung neu
ausgehandelt. Die Eigendeinition des Westens als Mittelpunkt der Welt war ein
wesentliches Mittel des Rassismus ethnograischer Erzählungen, die von der
Rückständigkeit der Einwohner eroberter und besetzter Weltgebiete erzählten.
Doch was ist fortschritt und in wessen Zeitrechnung misst man ihn ?
Christian Kravagna referiert die Kritik an der Chronopolitik der Anthropologie und des ethnologischen Museums. Er zitiert aus Johannes fabians 1983
erschienenen Buch Time and The Other : How Anthropology makes its Objects :
»für fabian ist das Verhältnis der Anthropologie zu ihrem Gegenstand seit jeher in signiikanten Korrelationen von Oppositionen wie Here-There und Now-Then organisiert,
die er als Techniken der Distanzierung zwischen Subjekt und Objekt der ethnograischen
Praxis begreift, welche er wiederum in der übergeordneten kolonialen Distanzproduk-
Ordnungen verlernen
tion zwischen dem Westen und dem Rest begründet sieht. Neben der einst dominanten
›evolutionist time‹, die andere Kulturen auf früheren Stufen einer universalen Zeitachse
Inwiefern können wir nun bei der Uhr von Raqs Media Collective von einem Prozess des Verlernens sprechen ? Uhren, in welcher ihrer vielfältigen Ausformungen auch immer, gelten weltweit als Symbol der Disziplinierung und Ordnung
durch Technik. Kaum ein technisches Objekt vermittelt besser die Ambivalenz
des ( post- )modernen Menschen zur Zeit, von der wir immer entweder zu viel
oder zu wenig haben, je nachdem ob wir warten, hasten oder wollen, dass die
Zeit stehenbleibt. Die Zeit aber bleibt unverändert, das suggeriert uns jedenfalls ihr Messinstrument, die Uhr. Dabei gibt es sie eigentlich gar nicht, die Zeit,
nur Tag und Nacht. Die über Jahrhunderte entwickelte Kulturtechnik entspricht
jedoch dem menschlichen Bedürfnis nach kollektiven, messbaren Parametern,
die das Miteinander regeln sollen.
Die Uhr von Raqs Media Collective ersetzt die messbaren Parameter, die
Ziffern, mit emotional beladenen Begriffen. So führen die Künstler*innen einen
neuen Inhalt und eine neue funktion in ein formal tradiertes Objekt ein. Mit
ihrer künstlerischen Intervention nehmen sie sich heraus, die menschliche Konstruktion der Zeit neu zu besetzen. Dazu widmen sie die entwickelten und etab-
Chronopolitik war eines der Mittel, mit dessen Hilfe einem Teil der Weltbevölkerung mit Gewalt Geschichte abgesprochen wurde. Hinter die Gewalt des Kolonialismus gibt es kein Zurück mehr. Es stellt sich deshalb die frage, wie man sich
die Zeit aneignen kann, um Geschichte neu und anders zu schreiben. Denn die
Geschichten, die den Dingen eingeschrieben sind, sind Geschichten des Alltags
und Geschichten von Kämpfen sind Geschichten von Gewalt und Widerstand.
Wenn Raqs Media Collective nun die Zeitrechnung nicht ihrer Zeiger, aber
ihrer Kategorien beraubt, unterbricht es die Selbstverständlichkeit der Berechnung. Es zwingt uns auch dazu, die Kategorie des Zeitgemäßen, ihre Unterscheidungen und ihre Gewalt zu hinterfragen. So öffnet es uns neue Perspektiven auf
150
151
der Entwicklung ansiedelt, deren Spitze die jeweilige Kultur des Anthropologen verkörpert, nennt fabian die ›encapsulated time‹, die er mit funktionalistischen und strukturalistischen Ansätzen der Ethnograie in Verbindung bringt. Beide, wenn auch auf
unterschiedliche Weise, zeichnen sich durch eine ›Verweigerung von Gleichzeitigkeit‹
( ›denial of coevalness‹ ) aus« ( Kravagna 2009 : 133 ).
{ Martina Griesser · Nora Sternfeld | schnittpunkt }
mögliche Verhältnisse zu unserer Zeit. Mit der Intervention stellen die Künstler*innen der scheinbaren technischen Objektivität nicht nur eine subjektive
Emotionalität gegenüber. Sie lassen vielmehr die Zeit für sich arbeiten. Denn
auch wenn es wahrscheinlich keine andere Zeit als jene des globalen ( post- )kolonialen Kapitalismus gibt, kann es doch eine andere geben. Die mögliche andere
Zeitrechnung ist nicht zuletzt das Versprechen der Revolution. Bei der Uhr von
Raqs Media Collective geht es also unter anderem darum, Zeitrechnung im Hinblick auf andere Möglichkeiten zu verlernen. Ihr soll nicht nur etwas entgegengestellt werden, sondern eine neue Sichtweise soll entwickelt werden auf Zeit
und deren Unterscheidungen, auf Geschichte, Sammlungen und Objekte. Diesen
Prozess bezeichnet der Kurator Bonaventure Soh Bejeng Ndikung ( 2016 ) als Verlernen : »Verlernen bedeutet nicht vergessen, ebensowenig löschen, annullieren
oder niederbrennen. Es bedeutet mutiger zu schreiben, von Neuem zu schreiben. Es bedeutet auch neue fußnoten an alte oder andere Narrative zu heften.
Es bedeutet, den Staub wegzuwischen, das Gras zu belüften und den Putz vom
Verdeckten abzuklopfen. Verlernen bedeutet, die Medaille umzudrehen und die
Geister wiederzuerwecken. Verlernen heißt, in den Spiegel zu schauen und die
Welt zu sehen« ( Ndikung 2016 ).
Diese Perspektive scheint uns keinesfalls nur für künstlerische Interventionen relevant. Vielmehr könnte sie als forderung für Museen im Allgemeinen
stehen. Mehr noch als in Kunstmuseen, geht es in kulturhistorischen und technischen Narrativen um die frage, was als Wissen gilt und was dabei überschrieben
und verdeckt wird bzw. ausgespart bleibt. Wie können wir nun ein solches Verständnis von Verlernen ernst nehmen, wenn wir uns technischen Sammlungen
kuratorisch widmen ? Statt die Technikgeschichte intakt zu lassen, wollen wir
also nach Strategien suchen, die Sammlungen anders befragen, um die Bedeutung von Objekten umzuschreiben, zu ergänzen und neu zu deinieren.
Wir schlagen eine zweistuige Vorgehensweise vor. Erstens sollte mit neuen fragen an Sammlungen herangegangen werden. Statt nach Erinder*innenbiograien ließe sich zum Beispiel auch nach Selbstverständnissen von Zeit,
Geschichte und Technik fragen. Und wenn wir nun diese fragen an das Material richten, dann schlagen wir zweitens vor, genau zu schauen und zu arbeiten.
Nicht selten stellen wir dann fest, dass sich klischeehafte Vorstellungen und
Erzählungen nicht mehr so einfach tradieren lassen. Diese Vorgangsweise, die
152
{ Unzeitgemäßes Kuratieren }
nach möglichen verborgenen Geschichten1 und
Remapping Mozart im Wiener Mozartjahr 2006, ku»unterworfenen Wissensarten« ( foucault 1999 )
ratiert von ljubomir Bratic, Araba Johnston-Arthur,
fragt, die quer zu den mächtigen und binären
lisl Ponger, Nora Sternfeld und luisa Ziaja.
Unterscheidungen verlaufen und auf Recherchen basiert, die sich durch Genauigkeit und Dekonstruktionsvermögen auszeichnen, möchten wir als dissidente Treue zum Material beschreiben. Anhand
von zwei Beispielen im Technischen Museum Wien veranschaulichen wir im folgenden, dass die Arbeit am Material Geschichten über Geschlechterbilder und
deren Veränderungen zutage treten lassen kann. Wir interpretieren sie anschließend mit den Mitteln der postkolonialen Ansätze von Raqs Media Collective und
Bonaventure Ndikung. Das kann allerdings nicht überdecken, dass es noch zu
wenige Beispiele in Technikmuseen gibt, die Ausschlüsse und Zuschreibungen
zusammen denken.
1 Vgl. das Ausstellungsprojekt Verborgene Geschichte/n.
fahrer*innenwechsel
Das erste Beispiel bezieht sich auf einen ebenso unscheinbaren wie wichtigen
Gegenstand : die Sonnenblende im Auto. Christian Klösch, Kurator am Technischen Museum Wien, beschäftigte sich mit zwei Sonnenblenden↓ abb. 2 eines
VW -Käfers ( 1960er Jahre-Baureihe ), jeweils mit und ohne Schminkspiegel. Die
Produktion eines Gegenstandes — in unserem fall eines Zubehörs zu einem alltäglichen Gefährt — ermöglicht und verunmöglicht auch hier Handlungen, macht
Alltag aus und schreibt sich in ihn ein. Die Möglichkeit bei runtergeklappter
Sonnenblende den lippenstift im Auto nachzufahren, sich vor der Disco noch
zu schminken oder Pomade ins Haar zu kämmen macht das Auto zu einem intimen Raum, der sowohl fährt als auch der Vorbereitung für den Auftritt im Alltag dienen kann. Das Ding und das, was es kann, bestimmen unseren Alltag
und vielleicht auch die eine oder andere Erinnerung an einen erwartungsvollen
Moment im Auto. Allerdings haben wir es auch hier — ebenso wie bei der Zeitrechnung — mit Zuschreibungen zu tun, die auf wesentlichen binären Vorannahmen basieren. So stellt der Kurator anhand der Schminkspiegel folgende fragen :
Welche Aussage trifft eine Automobilirma, wenn sie den Schminkspiegel — wie
in unserem fall — nur auf der Beifahrerseite anbringt ? Was erzählt uns der
Schminkspiegel über Geschlechterbilder in der Geschichte des Automobilismus ?
153
{ Martina Griesser · Nora Sternfeld | schnittpunkt }
Wie spiegelt sich das Rollenbild der frau
im fahrzeugbau wider ? Mobile Schminkspiegel mit dazugehörigen Schminkkoffern
wurden auf den Pariser Autosalons der
1920er Jahre präsentiert. Abgesehen von
ihnen sind die ersten fahrzeugintegrierten Kombinationen von Schminkspiegeln
und Sonnenblenden auf der Beifahrerinnenseite eine US -amerikanische Einführung zur Mitte der 1930er Jahre. Es sollte
jedoch bis in die 1950er Jahre dauern, bis
auch die fahrerseite mit einem Schminkspiegel versehen wurde. Bis in die Zeit der
westlichen Massenmotorisierung herrschte die Annahme, dass frauen nicht selbst
chaufieren würden. Heute verfügen etwa
80 Prozent der am US -amerikanischen
Markt angebotenen Autos ( für Europa und
Asien liegen keine Zahlen vor ) über einen abb. 2 | Zwei sonnenblenden für einen vW-käfer. 2014.
TMW-inv.-nr. 95.403. © Technisches Museum Wien mit
Schminkspiegel in beiden Sonnenblenden. österreichischer Mediathek
Das belegt entweder den Emanzipations- abb. 3 | Zweisitziges dreirad von coventry Machinists.
prozess der frau als selbstständige fahre- 2014. TMW-inv.-nr. 556. © Technisches Museum Wien mit
österreichischer Mediathek
rin und/oder aber die Annahme, dass alle
Geschlechter sich gerne im Auto schminken. Was hier stark verkürzt dargestellt
wurde, hat Klösch durch den gezielten Ankauf der beiden Objekte für die Sammlung des Technischen Museums ( ebay, 2014 ) und in präziser Neubefragung dieser auf den ersten Blick wenig sinnfälligen Exponate in der 2014 neu errichteten
Dauerausstellung Mobilität nachgezeichnet ( vgl. Klösch 2015 ).
Ebenfalls einen fahrer*innenwechsel thematisiert Anne-Katrin Ebert
( 2015 ), leiterin des Bereichs Mobilität und Verkehr am Technischen Museum
Wien, in der Auseinandersetzung mit einem in der Sammlung beindlichen Tandem.↑ abb. 3 Das Modell der englischen firma Coventry Machinists von 1890 ist ein
typisches Beispiel für zweisitzige Dreiräder, die sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts aufgrund der geringeren Sturzgefahr gegenüber den damals auch üblichen
154
{ Unzeitgemäßes Kuratieren }
Hochrädern in gehobenen Kreisen großer Beliebtheit erfreuten. Tandems galten als gute Mittel zur Anbahnung von ehelichen Verbindungen, boten sie doch
die ansonsten seltene Möglichkeit für ein ungestörtes Miteinander von jungen
frauen und Männern in der freien Natur. Sie ersetzten den sonntäglichen Spaziergang im Park, der meist nur in Anwesenheit einer Anstandsdame stattinden konnte. Ebert machte sich Gedanken über die damalige Radfahrpraxis, die
soziale funktion des fahrrades sowie die damit verbundenen Geschlechterrollen. Auf den Tandems des 19. Jahrhunderts saß die Dame fast immer vorne, in
tradierter Kavaliersmanier zum besseren Sehen und in der Tradition des Sonntagsspaziergangs auch um besser gesehen zu werden. Bei den frühen Modellen
war der Dame auch das Steuern überlassen, eine Verbindungsstange ermöglichte »leichte Korrekturen« durch den Mann. Das änderte sich zu Beginn des 20.
Jahrhunderts. Spätestens in den 1950er Jahren — also zur selben Zeit, als im
fahrzeugbau die ersten Schminkspiegel auf beiden Sonnenblenden aufkamen —
saß die frau auf dem Tandem hinten und der Mann steuerte alleine. Wenn man
so will, kann dies als Rückschritt in der Geschichte gelesen werden, allerdings
geriet das Tandem zunehmend aus der Mode und das Einzelfahrrad für Damen
ermöglichte eine endgültige loslösung vom paarweisen Treten und Steuern.
Unzeitgemäßes Kuratieren
Zeitgenössische Rollenbilder fanden in beiden fällen ihre sichtbare technische
Umsetzung und sind den Objekten eingeschrieben. Die Dinge performen diese
Rollenbilder und prägen unseren Umgang mit ihnen, mit unseren Körpern und
unseren Erinnerungen. Allerdings wurden und werden Räder und Autos auf
verschiedene Weisen auch anders genutzt, als von den Herstellern vorgesehen.
Geschichten von ( Um- )Nutzungen prägen wiederum die Veränderung in der Produktion. Unser Vorschlag für ein kritisches Kuratieren besteht nun darin, die
Spuren all jener mikropolitischen und alltäglichen formen der Zuschreibung
und Umschreibung ernst zu nehmen und in der konkreten Auseinandersetzung
mit dem Material zu bearbeiten. Sehr schnell wird dann klar, dass die Dinge im
Museum uns eben auch herausfordern. Alle Exponate, wie die Uhren, Schminkspiegel, Tandemräder, sind in Ordnungen organisiert und organisieren Ordnungen. Gerade in ihrer Materialität und in der Beschäftigung mit ihren Nutzungen
155
{ Martina Griesser · Nora Sternfeld | schnittpunkt }
und Rezeptionen eröffnen sie fragen, die über ihre Ordnungen hinausweisen,
sie durchkreuzen und uns daher einladen, sich ihnen zu widersetzen. Was können wir also von der Wanduhr von Raqs Media Collective lernen bzw. dank ihr
verlernen ? Wir sind von der Zeit zugerichtet, aber wir handeln auch in ihr. Was
wäre, wenn wir dem zeitgemäßen Kuratieren, das immer noch binäre, mächtige Unterscheidungen fortschreibt — und diese in Zeiten des Neoliberalismus
mit Zielgruppen- und Marketingargumenten untermauert — ein »unzeitgemäßes« Handeln im Sinne von Raqs Media Collective entgegensetzen würden ? Was
wäre, wenn wir für eine Museumspraxis, die die kritische Perspektive endlich
nicht mehr als Nische, sondern als Selbstverständnis im Kern der kuratorischen
Arbeit selbst begreift, keine Zeit zu verlieren hätten ?
{ Unzeitgemäßes Kuratieren }
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156
157
sMilla
ebelinG
MUSEUM &
GENDER
ein leiTFaden Für
GenderGerechTe
Museen
M
A BSTRACT
der beitrag stellt einen leitfaden für Museumsmitarbeiter*innen als eines von mehreren instrumenten zur unterstützung
einer geschlechtergerechten Transformation von Museen
vor. er legt die Zielsetzung des leitfadens im spannungsfeld
der vermittlung einer komplexen, theoretisch differenzierten
Thematik und alltagsweltlicher anwendbarkeit in allen Museumstypen dar und schildert den für die Zusammenarbeit von
Museumsforschung und -praxis relevanten entstehungskontext
des leitfadens. neben der beschreibung seiner inhalte und
Gestaltung wird auch das instrument eines leitfadens diskutiert.
1
useen sind nach wie vor »Bewahrer veralteter frauen- und Männerbilder«, konstatiert Petra Unger in einem Arbeitsbuch über Gender- und
Diversitykompetenzen in der Arbeitswelt, der Wirtschaft, den Medien, der Kultur- und Kunstförderung, dem Gesundheitswesen und den Bildungseinrichtungen ( Unger 2008 : 83 ). Dies gilt für die personelle und für die epistemische Ebene
von Museen. Zum einen bekleiden frauen dem forschungsstand zufolge weiterhin nur selten leitende Positionen in Museen, was eine einseitige Perspektive in
der Kuratierung zur folge hat ( vgl. Muttenthaler / Wonisch 2006, 2010 ; Unger
2008 ). Zum anderen erzeugen Museen in der Regel ein Geschlechterwissen, das
tradierte Geschlechterstereotype repräsentiert. Mit unterschiedlichen Präsentationsformen von vergeschlechtlichten Individuen oder abstrakten Objekten werden Genderthemen aufgerufen. Dabei tradieren explizite und implizite museale
Geschlechternarrationen, gewollt oder unbeabsichtigt, bestimmte Geschlechtervorstellungen und Geschlechterverhältnisse, können aber auch deren Relexion
anregen oder brechen.
Obwohl seit den 1980er Jahren fundierte Analysen und Kritiken zu dieser Situation vorgelegt werden, bewegt sich die Museumsarbeit von Ausnahmen
abgesehen ungebrochen im heteronormativen Rahmen, so dass Maßnahmen zur
Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit erforderlich sind.1
Diesen anhaltenden Handlungsbedarf habe
Zur musealen Herstellung von Geschlechter wissen siehe z. B. Ebeling 2015 ; Hauer u. a. 1997 ;
ich zum Anlass genommen, den hier vorgestellten
Krasny 2006 ; levin 2010 ; Muttenthaler / Wonisch
leitfaden zu erarbeiten. Er soll Museen für Gen2006, 2010 ; Porter 1988, 1996 ; Unger 2008, 2009.
derthemen sensibilisieren und über sie informieren,
zur Auseinandersetzung mit ihnen anregen und vor allem die Überarbeitung
der jeweils eigenen Ausstellungen unterstützen. Dafür vermittelt er ein allgemein verständliches Grundlagenwissen über die Kategorie Geschlecht und liefert
Informationen über themenrelevante Nachschlagewerke, Beratungsmöglichkeiten, Sonderausstellungen, Spezialmuseen und Publikationen. Zentral aber ist
seine Hilfestellung zur Überarbeitung von Ausstellungen, die weniger in form
von Antworten oder praktischen Anleitungen, sondern mittels eines fragenka161
{ Smilla Ebeling }
{ Museum & Gender : Ein leitfaden }
talogs erfolgt. Dabei will der leitfaden weniger anleiten als vielmehr eine Hand
reichen, um die thematische Auseinandersetzungen und museale Umsetzungen
zu erleichtern.
Ziel ist es, das Interesse an der Thematik Museum und Gender zu wecken,
ihre Bedeutung für Museen bewusstzumachen und diese darin zu fördern, sich
aktiv mit ihr auseinanderzusetzen und sich in ihrer Museumsarbeit zu aktuellen
Geschlechterdiskursen zu positionieren. Damit Museen in Anlehnung an Korff
( 2005 ) ihrer Aufgabe einer Bildungseinrichtung in einer heterogenen Gesellschaft
gerecht werden, soll der leitfaden anhand der Differenzkategorie Geschlecht
ihre aktive Teilnahme an Vielfaltsdiskursen, einen offenen Umgang mit Differenzen und Widersprüchen sowie das Respektieren von Anderen fördern und
dazu beitragen, sie als Vermittlungs- und Verhandlungsorte für Geschlechterwissen zu verstehen ( vgl. Unger 2008, 2009 ).
In seiner Ausrichtung ist der leitfaden breit angelegt, das heißt er richtet
sich an alle Museumstypen, an kleine wie große Häuser, adressiert alle Museumsakteur*innen ( Mitarbeiter*innen der leitungs- und 2 Zum Beispiel ist er als eine Ergänzung zu anderen leitfäden anzusehen, wie etwa zu dem von
Angestelltenebene sowie Ehrenamtliche ), setzt bei
Petra Unger unter dem Titel Gender im Blick verleser*innen ohne Kenntnisse der Gender Studies
öffentlichten leitfaden, der Kunstmuseen und
an und berücksichtigt gleichzeitig die Perspektive
eine weniger breite und bereits an Genderthevon kenntnisreichen leser*innen. Zu verstehen ist
men interessierte leser*innenschaft adressiert
sowie theoretisch anspruchsvoller erläutert, wie
der leitfaden als einer von mehreren Instrumenten
aus Kunstausstellungen »Wirklichkeits- und Gezur Thematisierung und Aufarbeitung von Gender.2
schlechterkonstruktionen heraus[zu]lesen« sind
( Unger 2009 : 6 ).
Entstehungskontext Museumsforschung und -praxis
Entwickelt wurde der leitfaden im Rahmen des forschungsprojekts Neue Heimatmuseen als Institutionen der Wissensproduktion,3 das mit fünf Kooperationsmuseen — kleineren Häusern in ländlichen Regionen — zusammengearbeitet hat.
für die Erarbeitung des leitfadens erwies sich diese 3 Das forschungsprojekt wurde von 2011-2015 an
Zusammenarbeit als sehr fruchtbar. In einem Work- der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
am Institut für materielle Kultur durchgeführt
shop mit Museumsmitarbeiter*innen aller Ebenen
und von der Volkswagen-Stiftung inanziert.
( Ehrenamtlichen, Angestellten, leitung, Vorstand
des fördervereins ) konnte der leitfaden ausführlich diskutiert und die Museumspraxis stark gemacht werden. Dabei wurden die Perspektiven der akade162
mischen Genderforschung mit der Perspektive der Museumsarbeit konstruktiv
zusammengebracht. Die akademische Ausrichtung des leitfadens erfuhr durch
die Museumsmitarbeiter*innen eine praxisorientierte Korrektur und der leitfaden wurde hinsichtlich grundsätzlicher Schwierigkeiten von leitfäden, wie
etwa der Verständlichkeit, des Umfangs und der Handhabung, für die Museumsarbeit tauglich gemacht.
Die Einstellungen und Interessenslagen der Workshopteilnehmenden an
der Genderthematik divergierten stark und reichten vom sofortigen und unmittelbaren Umsetzungswunsch über ein gewisses Interesse an Genderthemen bis
hin zur expliziten Ablehnung. Sie verdeutlichten die große Bandbreite der potentiellen leser*innen des leitfadens und stellten seine Anwendbarkeit auf die Probe. für den leitfaden hat das eingeschränkte Interesse zur folge, dass er zu
Beginn die Vorteile von geschlechtergerechten Museen verdeutlichen muss. Um
eine Einsicht in die Notwendigkeit der Berücksichtigung und Aufarbeitung von
Genderthemen in der Museumsarbeit herzustellen, erwies es sich außerdem als
hilfreich, die Zielsetzung des leitfadens und die Bedeutung der Genderthematik zu vermitteln, gute Anleitungen zu seiner Handhabung zu geben und seine
grundsätzliche Ergebnisoffenheit herauszustellen.
Herausforderungen
Der Anspruch des leitfadens Museum & Gender, alle Beteiligten der Museumsarbeit anzusprechen, sie zur Überarbeitung ihrer Museen anzuregen und
sie darin zu unterstützen, stellt ihn aufgrund der komplexen Thematik und Verhältnisse vor einige Herausforderungen.
Wie andere leitfäden auch muss er komplexe Themen vereinfachen, verdichten und reduzieren. Er impliziert, die zentralen oder gar wichtigsten Aspekte
seiner Thematik aufzugreifen und geeignete Anleitungen für ihre Aufarbeitung
zu liefern. Doch er behandelt nicht nur einen Themenbereich, der seit den 1980er
Jahren durch die Genderforschung eine akademische Aufarbeitung erfuhr, die
zu theoretisch anspruchsvollen Ausdifferenzierungen führte. Vielmehr geht er
mit einem gesellschaftlich relevanten, aber auch heftig umstrittenen und sensiblen Themengebiet um. Die daraus resultierende Komplexität und Heterogenität der Genderthematik ist nicht auf wenigen Seiten darstellbar, dennoch muss
163
{ Smilla Ebeling }
abb. 1 | ausstellungsführer von carolin krämer ( 2015 ) : entdecken! ein Mitmach- und
nachdenkbuch zur sammlung der heimatstube exten. Gestaltung : Jens oertel
{ Museum & Gender : Ein leitfaden }
Relexion anzuregen. Komplex wird die Aufgabe des leitfadens schließlich auch
dadurch, dass er in einer äußerst vielfältigen Museumslandschaft mit stark variierenden Themen und Ausstellungspraxen anwendbar sein soll. Naturkundliche
und technikhistorische Museen, Kunstmuseen oder themenspeziische Museen
zeigen unterschiedliche und speziische formen von Geschlechterpräsentationen.
Es ist davon auszugehen, dass die unterschiedlichen Museen, ihre Betreiber*innen und ihre Besucher*innen weder das gleiche Geschlechterverständnis
und -wissen teilen noch vorinden oder vermitteln wollen. Vor diesem Hintergrund der Komplexität und Heterogenität versucht der leitfaden die Genderthematik in einer austarierten und einladenden Weise darzustellen.
sie für das Instrument eines leitfadens in extremer Weise kondensiert werden.
Darüber hinaus muss der leitfaden die Komplexität der musealen Wissensproduktion berücksichtigen.
Eine weitere Hausforderung des leitfadens ist die Gruppe seiner Nutzer*innen, denn er will nicht nur bereits interessierte und vorgebildete leser*innen ansprechen, sondern auch bei den potentiellen leser*innen Aufmerksamkeit
erzeugen und Interesse wecken, die Genderthematiken für unwichtig halten. Er
adressiert damit heterogene Anwender*innen, die sich u. a. in ihrem Interesse
an Genderthemen, in ihren Erfahrungen mit den Geschlechterverhältnissen und
in ihrem alltagsweltlichen Geschlechterwissen und Verständnis der Geschlechter
unterscheiden : Dies reicht vom tradierten heteronormativen Geschlechtermodell, den gesellschaftlichen Debatten zur Gleichstellung von frauen und Männern über das Expert*innenwissen sogenannter Gendertrainer*innen bis zu
queeren lebenspraxen. Ein Beispiel für die Bedeutung der Heterogenität der
Adressat*innen bzw. für die Schwierigkeit des leitfadens, den unterschiedlichen
Perspektiven gerecht zu werden, ist eine Abbildung eines Ausstellungsführers,
die mit vielfarbigen Strichmänncheniguren einen Sprachgebrauch veranschaulichen soll, der in mehrerer Hinsicht Vielfalt zulassen will.↑ abb. 1
Im leitfaden wird die Abbildung als ein Beispiel für Versuche abgedruckt,
Museen vielfaltsgerechter zu gestalten. Während einige leser*innen z. B. die
Ausweitung der männlichen Grundigur sowie die farbzuschreibungen problematisieren können, werden andere die verschiedenen farben und Bezeichnungen als Verbesserung wahrnehmen. Wiederum andere könnten den Unterstrich
als übertrieben ablehnen. Der leitfaden empiehlt die Abbildung nicht im Sinne
einer Best Practice zur Nachahmung, sondern um zur Auseinandersetzung und
Um die unterschiedlichen Wissens- und Interessenslagen der potentiellen Anwender*innen so konkret wie möglich zu berücksichtigen und um den leitfaden
kurz, übersichtlich und leicht verständlich sowie einfach handhabbar zu gestalten, hat er eine Struktur, die es seinen Benutzer*innen je nach Bedarf und Kapazität erlaubt, sich mit ihm entweder im vollen Umfang oder nur in Auszügen zu
beschäftigen. Die Bearbeitung seines Herzstücks, des fragenkatalogs, ist wahlweise nach einer vollständigen, teilweisen oder auch ohne lektüre eines vorangestellten Theorieteils möglich. Entscheidungen über den Umfang der Nutzung
und über die Auswahl von Themenbereichen und fragenkomplexen können so
leicht gefällt werden. Zum Beispiel können nur die Geschlechterverhältnisse von
Männern und frauen oder aber auch heteronormativitätskritische Positionen in
ihren musealen Repräsentationen bearbeitet werden. Darüber hinaus machen
weitere Aspekte der Genderthematik, beispielsweise die Vielfalt an geschlechtlichen Identitäten oder rechtliche Grundlagen der Geschlechterordnung, auf sich
aufmerksam und wecken vielleicht weiterführendes Interesse.
Um insbesondere Anwender*innen ohne Vorkenntnisse und ohne ein konkretes Eigeninteresse an Genderthematiken gut anzusprechen, sind dem Theorieteil des leitfadens drei einführende Kapitel vorangestellt. Zunächst zeigt
eine Einladung schlaglichtartig die Vielfalt an Männlich- und Weiblichkeiten,
ihre historische Wandelbarkeit und ihre Kontextabhängigkeit mit anschaulichen
Beispielen, wie z. B. der historischen Veränderungen der Geschlechtscodierung
164
165
Inhalte und Gestaltung
{ Smilla Ebeling }
der farben Rosa und Hellblau, auf. Sie stellt den leitfaden als eine Anregung
zur Auseinandersetzung mit dem Thema Gender in Museen und als eine Orientierungshilfe und praktische Unterstützung zur musealen Aufbereitung von
Genderthemen vor.
Das zweite Kapitel legt die Ziele und Ausgangspunkte des Leitfadens
dar, um den leser*innen den Nutzen seiner Anwendung zu verdeutlichen. Zum
einen soll er darüber informieren, dass und wie Museen — gewollt oder ungewollt — Geschlechterwissen hervorbringen, zur Relexion der Geschlechternarrationen im eigenen Museum anregen, eventuelle Hemmungen vor der komplexen
und sensiblen Thematik ausräumen und lust auf gewinnbringende, anregende,
wahrscheinlich kontroverse, aber auch amüsante Diskussionen über Geschlechterverhältnisse und sexuelle Orientierungen machen. Zum anderen soll sein
fragenkatalog die Analyse von Geschlechternarrationen in Museen praktisch
unterstützen. ferner wird herausgestellt, dass der leitfaden die Unterschiede
der Museumsakteur*innen hinsichtlich ihrer zeitlichen und inanziellen Kapazitäten, ihrer Interessen an der Thematik, ihrer Auseinandersetzung mit den
eigenen und gesellschaftlichen Geschlechterbildern und Geschlechterrollen sowie
ihrer Kenntnisse mit der Geschlechterforschung und den gesellschaftlichen Veränderungen der Geschlechterverhältnisse berücksichtigt. Schließlich empiehlt
eine Gebrauchsanleitung eine gemeinsame Überarbeitung der eigenen Ausstellungen durch alle Museumsmitarbeiter*innen eines Hauses, erklärt die farblichen Orientierungshilfen des leitfadens und erläutert die Handhabung des im
vierten und fünften Kapitel zusammengefassten Geschlechterwissens sowie des
fragenkatalogs im sechsten Kapitel.
Über das ausdifferenzierte Geschlechterwissen informiert das Kleine
ABC der Geschlechtertheorien. Um den unterschiedlichen Kenntnisstand über
und die variierenden Interessenslagen am alltagsweltlichen und wissenschaftlichen Geschlechterwissen zu berücksichtigen, ist dieses vierte Kapitel in die
zwei Abschnitte Basiswissen und Weiterführungen unterteilt. Die Struktur beider Abschnitte erlaubt, sie unabhängig voneinander als eigenständige Texte zu
lesen, Verweise im Basiswissen führen aber auch zu thematisch verbundenen
Weiterführungen einzelner Themenaspekte. Erweitert werden diese Grundlagen
der Geschlechtertheorien durch eine Erläuterung der Verwobenheit von Gender
und Museen im fünften Kapitel Museen machen Geschlecht, das anhand von Aus166
{ Museum & Gender : Ein leitfaden }
4
stellungsbeispielen darlegt, dass und auf welche Art und Weise Museen — direkt
oder indirekt und beabsichtigt oder unbeabsichtigt — Geschlechterwissen produzieren. Dabei verdeutlicht es, dass in der Museumsarbeit entschieden werden
kann, zu welchem Geschlechterwissen die Museen beitragen wollen.
Nach diesem Theorieteil illustriert ein Insert, wie die durch den leitfaden vermittelte Geschlechterperspektive die Wahrnehmung der eigenen Ausstellung verändert und wie die Arbeit mit dem leitfaden zur neuen Wahrnehmung
und Handhabung der Genderthematik in der eigenen Museumsarbeit führt. In
diesem Beispiel aus der Praxis ging eine Mitarbeiterin des landschaftsmuseums Angeln / Unewatt der frage nach, wie und wodurch sich in ihrer Dauerausstellung Viehzucht in Angeln Geschlechtszugehörigkeit und Geschlechterwissen
darstellen und vermitteln. Mit mehreren Bildern veranschaulicht sie, wie in der
musealen Darstellung der Viehzucht Geschlechterstereotype reproduziert werden. So wird die Viehzucht als eine Männerdomäne gezeigt, in der Kühe überwiegend mit männlichen Haltern und als milchgebende Tiere abgebildet werden,
während die männlichen Tiere ausnahmslos in der Rolle des Vererbers erscheinen. frauen sind nur beim Melken, im direkten Körperkontakt mit den Kühen
und im Kontext körperlich-emotionaler Bindungen dargestellt.4
Mit Hilfe von 35 thematisch gruppierten fragen des Fragekatalogs können nun die Museen ihre eigenen Ausstellungen
Zur Produktion von Geschlechterwissen in musealen Tierrepräsentationen siehe auch Ebeling
hinsichtlich der Kategorie Gender analysieren und
2015.
prüfen, was sie in ihren Ausstellungen auf den Ebenen der Inhalte und Themen, der Präsentations- und Vermittlungsformen, der
Akteur*innen, der Zielgruppen und des Budgets ändern wollen. Zur Bearbeitung der fragen wird eine ( idealerweise mehrfache und gemeinsame ) Begehung der Ausstellungen durch die Museumsmitarbeiter*innen empfohlen, deren
Ergebnisse in verschiedenen medialen formen aufgezeichnet werden sollten. Die
Antworten liefern einen Ist-Zustand der Ausstellung zum Zeitpunkt der Begehung ( welches Geschlechterwissen wird vermittelt ? ), der mit einem Soll-Zustand
( welches Geschlechterwissen soll vermittelt werden ? ) abgeglichen werden kann.
Anschließend ist zu entscheiden, welche Präsentationen bzw. welche Aussagen
über Geschlecht verändert werden sollen und welche unverändert bleiben können. Konkrete änderungsvorschläge liefert der leitfaden nicht, vielmehr überlässt er die Erarbeitung des zu vermittelnden Geschlechterwissens als auch die
167
{ Smilla Ebeling }
Präsentationsweisen den Museumsakteur*innen ; Anregungen inden sich aber
im fragenkatalog und in allen Textabschnitten.
für besonders Eilige ist dem leitfaden ein Quickstart in form einer herausnehmbaren Karte beigelegt. Ausgestattet mit selbstklebenden Punkten in
den farben Blau, Rot und Grün werden die Ausstellungen oder -abteilungen dreimal begangen ( im folgenden Ebeling 2016 : beiliegende Postkarte ) :
1}
Gehen Sie durch Ihre Ausstellung und kleben Sie an jedes Objekt / jede Objektgruppe
einen blauen Punkt, in der Männer, männliche Tiere oder Geschichten über Männlichkeiten und Männer vorkommen. Beachten Sie dabei die sprachliche Ebene ( Texte, Namensangaben, Würdigungen, Objektbeschriftungen, Tonband-Texte etc. ), die bildliche Ebene
( Gemälde, Bildtafeln, fotographien, Symbole, farben, etc. ) und die igürliche Ebene
( Menschen, Tiere, Planzen ). Beantworten Sie nach dem Kleben der blauen Punkte folgende fragen :
{ Museum & Gender : Ein leitfaden }
4}
Sind an Ihrem Museum frauen und Männer beschäftigt?
— Wenn ja, in welchen Positionen ( z. B. leitung, Mitarbeiter*in, Ehrenamtliche )?
— Welche monetäre Wertschätzung erfahren Männer und frauen?
5}
Wie hoch ist das Budget, mit dem Sie Ihre Ausstellung hinsichtlich des Themenfeldes
Gender überarbeiten können?
— Können Sie gegebenenfalls inanzielle Mittel für eine solche Überarbeitung einwerben?
Diese fünf Aufgaben behandeln in einer stark kondensierten form die fünf Komplexe des fragenkatalogs ( Inhalte und Themen, Präsentations- und Vermittlungsformen, Akteur*innen, Zielgruppen und Budgets ). Sie können nicht als
Ersatz einer Auseinandersetzung mit den Genderthematiken angesehen werden, sondern liefern nur einen allerersten, sehr oberlächlichen Eindruck über
das Geschlechterwissen der Ausstellungen.
— Wie stark ist Ihre Ausstellung blau gefärbt?
— Mit welchen Themen sind die männlich geprägten Objektgruppen verbunden?
— Welche Objektgruppen und Themen bleiben bestehen, wenn Sie die blau markierten
Objektgruppen gedanklich streichen?
2}
Befragen Sie Ihre Ausstellung ein weiteres Mal, indem Sie an jedes Objekt / jede Objektgruppe einen roten Punkt kleben, in der frauen, weibliche Tiere oder Geschichten über
Weiblichkeiten und frauen vorkommen. Beachten Sie dabei wiederum die sprachliche,
bildliche und igürliche Ebene. Beantworten Sie nach dem Kleben der roten Punkte folgende fragen :
— Wie stark ist Ihre Ausstellung rot gefärbt?
— Mit welchen Themen sind die weiblich geprägten Objektgruppen verbunden?
— Welche Objektgruppen und Themen bleiben bestehen, wenn Sie die rot markierten
Objektgruppen gedanklich streichen?
3}
In einem dritten Durchgang kleben Sie einen grünen Punkt an die Objekte / Objektgruppen, in denen Männer und frauen, Weiblichkeit und Männlichkeit, männliche und
weibliche Tiere auf der sprachlichen, bildlichen und igürlichen Ebene in einem ausgewogenen Verhältnis vorkommen.
— Wie stark ist Ihre Ausstellung grün gefärbt?
168
Perspektiven
Der leitfaden erleichtert erste Schritte zur Aufbereitung von Genderthemen
in Museen und kann langfristige Prozesse anregen. Er ist aber nur als eines
von mehreren Instrumenten für die gendergerechte Museumsarbeit anzusehen,
denn er lässt manches unbehandelt. So geht der leitfaden nicht auf museale
Sammlungen und ihre historischen, disziplinären oder institutionellen Verortungen ein, unterstützt nicht konkret bei der Bestimmung des Soll-Zustandes und
liefert keine direkten Handlungsempfehlungen zur geschlechtergerechten Ausstellungsgestaltung. Die Entwicklung weiterer Instrumente zur Anwendung von
leitfäden ist weiterhin notwendig.
Darüber hinaus behandelt der leitfaden die Geschlechter nicht gleich,
denn er orientiert sich an heteronormativen Strukturen und dominanten Gruppen, indem er z. B. die museale Repräsentation von frauen und Männern in
heterosexuellen Verhältnissen voranstellt und fokussiert. Andere Geschlechtsidentitäten und sexuelle Orientierungen werden nur ergänzend betrachtet. Meine Erfahrungen im Workshop mit den Museumsmitarbeiter*innen haben mich
zu der Einschätzung gebracht, dass eine Gleichbehandlung aller Geschlechter
eine Überforderung für den Großteil der potentiellen leser*innen wäre und
damit der Gefahr einer Ablehnung und Nichtbearbeitung unterläge. Andere
169
{ Smilla Ebeling }
Differenzkategorien, wie zum Beispiel Klasse, Rasse, Ability und Alter werden
nicht einbezogen, so dass es weiterer Instrumente zur Bearbeitung aller Differenzkategorien bedarf, soweit möglich auch aus intersektionaler Perspektive.
Schließlich liefert der leitfaden keine konkrete Hilfestellung für die Vermittlung der Geschlechtervielfalt, was ebenfalls auf einer bewussten Entscheidung beruht. Ein Grund dafür ist die Komplexität und Sensibilität der Themen.
Zum Beispiel bedarf die museale Aufbereitung von Homosexualitäten, Inter*und Trans*themen einer intensiven Beschäftigung, die das komprimierende und
vereinfachende Instrument des leitfadens nicht hinreichend leisten kann. Daher
empiehlt er eine Beratung durch Expert*innen hinzuzuziehen.
Im Workshop mit den Kooperationsmuseen wurde ferner deutlich, dass
es den Museumsakteur*innen grundsätzlich an Zeit und Kapazität zur Anwendung von leitfäden mangelt, was sie von ihrer Nutzung abhält. Auch fällt es
ihnen schwer, Informationen von leitfäden in ihrer Museumsarbeit umzusetzen,
so dass leitfäden als alleiniges Instrument unzureichend und Unterstützungsmaßnahmen für ihre Anwendung sowie weitere Beratungs- und Schulungsinstrumente notwendig sind — denkbar sind Workshops. Der leitfaden versucht
diesen grundsätzlichen Schwierigkeiten von leitfäden mit Hilfestellungen und
mit seiner speziischen Struktur zu begegnen.
Mit dem leitfaden kann aber ein für viele Museen nicht unerheblicher
Schritt in Richtung gendergerechte Museen gegangen werden. Da er keine
bestimmten Museumstypen fokussiert, sondern sich an eine breite Museumslandschaft richtet, ist dies allen Museen möglich. ferner gibt er keine Re-Präsentationsweisen eines bestimmten Geschlechterwissens durch Gender-Expert*innen
vor, sondern eröffnet Möglichkeiten und überlässt die Umsetzung der Kompetenz und Kreativität der Museumsakteur*innen, die mit Blick auf das Verhältnis
von Theorie und Praxis als Aktive einbezogen werden. Der leitfaden ist darüber
hinaus ein Beispiel sowohl für den Nutzen, den die Gender Studies für Museen
haben können, als auch für eine fruchtbare Kooperation zwischen Museumsforschung und Museumspraxis.
170
{ Museum & Gender : Ein leitfaden }
sMilla ebelinG , Biologin und promovierte Wissenschaftshistorikerin, ist wis-
senschaftliche Mitarbeiterin in dem forschungsprojekt Geschlechterwissen in
und zwischen den Disziplinen am Zentrum für interdisziplinäre frauen- und
Geschlechterforschung ( Carl von Ossietzky Universität Oldenburg ). Im Rahmen
des forschungsprojekts Neue Heimatmuseen als Institutionen der Wissensproduktion ( Institut für materielle Kultur, Universität Oldenburg, 2013–2015 ) untersuchte sie Geschlechternarrationen im Kontext musealer Naturrepräsentationen
und erstellte den Leitfaden Museum & Gender. Zuvor lehrte und forschte sie an
verschiedenen Universitäten in Deutschland, Österreich, der Schweiz und in den
USA , z. B. als Juniorprofessorin für Gender, Biotechnologien und Gesellschaft
( Institut für Sozialwissenschaften, Universität Oldenburg ) und als Gastprofessorin an der Universität Salzburg. Im Zusammenhang mit den Gender & Science
Studies forscht Ebeling zur Entstehungsgeschichte des kritischen Geschlechterwissens, zur Musealisierung von Natur und Geschlecht, zu Geschlechterpolitiken
mit Tieren, zur Wissensproduktion in der Biologie.
171
{ Smilla Ebeling }
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( 13. 5. 2016 )
172
elke
sModics
IN NORMAlITäTEN
INTERVENIEREN
UND REGElN DE KONSTRUIEREN
PersPekTiven
einer eManZiPaTorischen kunsTund kulTurverMiTTlunG
W
A BSTRACT
im feministischen, transdisziplinären Projekt Flic Flac* wurden
unterrichtsmaterialien erarbeitet, die verschiedene vermittlungsinstrumentarien versammeln und unterschiedliche
annäherungsformen an das Themenfeld Feminismus und
Queer aufzeigen. anhand dieses beispiels aus der Praxis stellt
dieser Text methodische und strategische herangehensweisen von emanzipatorischer kunst- und kulturvermittlung vor,
für die die infragestellung von vorherrschenden Wissensformen und die selbstermächtigung der Projektbeteiligten
zentral ist.
1
2
as heißt kritische Kunstvermittlung ? Oder : Was heißt Kunst- und
Kulturvermittlung als kritische Praxis ? fragen wir herrschaftskritisch »Wer
spricht ?«1 im Hinblick auf GeschlechterrepräsentaDie Publikation Wer spricht? Autorität und Autorschaft in Ausstellungen ( schnittpunkt u. a. 2005 )
tion in Museen, insbesondere in jenen mit normawidmet sich speziischen Handlungsfeldern der
tiven Zuweisungen und Wertekodierungen wie im
Vermittlung : Wer sind die Akteur*innen der perBereich Naturwissenschaft und Technik, stoßen wir
sonalen und medialen Vermittlung? Wer ist in
den Institutionen für die Produktion von Spraauch hier auf feministische Kämpfe für eine Sichtche verantwortlich?
barkeit von frauen in der Diskursbildung.
Was könnten Strategien sein, um dominanzkulturelle Diskurse und normative Größen zu durchkreuzen ? Wie werden neue Sichtweisen eines mächtigen Wissens herausgefordert und unterlaufen ? Wie können wir in Narrative
und Bilder individueller und gesellschaftlich geteilter Erinnerung eingreifen,
um sie neu zu denken ?
Mit diesen fragen nach der Autorität und Deinitionsmacht in Ausstellungsinstitutionen setzt sich die kritische Kunst- und Kulturvermittlung auseinander.
Sie entwickelte sich aus der künstlerischen Institutionskritik, der Partizipationskunst und der kritischen Museologie der 1990er Jahre (vgl. Mörsch 2009 ).
Ihr Anliegen ist es, den hegemonialen Kanon zu hinterfragen und auf diese Weise dem Übersehen von Ungleichverhältnissen, Ausschlüssen und Normierungen
etwas entgegenzusetzen. Dieser Beitrag beschäftigt sich mit diesen Möglichkeiten des feministischen Eingreifens in die Kanonisierung einer hegemonialen
Museumspraxis. Sie werden vorgestellt anhand des Projekts Flic Flac*. Feministische Arbeitsmaterialien für die Berufsschule des Büros trafo.k.
Büro trafo.K arbeitet an der Schnittstelle von Kunst, Bildung und Wissensproduktion. Wir 2 verhandeln in unseren Projekten Inhalte kritischer
Wissenschaften und setzen dabei Strategien aus zeitgenössischer Kunst und
emanzipatorischer Bildung ein, um so Öffentlichkeiten für alternative Geschichten und Bilder herzustellen. Dazu initiieren wir Prozesse mit Akteur*innen aus
unterschiedlichen gesellschaftlichen und berufliBüro trafo.K sind Ines Garnitschnig, Renate Höllwart, Elke Smodics und Nora Sternfeld.
chen Zusammenhängen. In Workshops indet über
175
{ Elke Smodics }
{ In Normalitäten intervenieren }
einen bestimmten Zeitraum eine Zusammenarbeit mit Künstler*innen, Wissenschaftler*innen, Kunst- und Kulturvermittler*innen und Schüler*innen statt, die
gemeinsam über das Agieren in Machtverhältnissen nachdenken, um alternative Handlungsoptionen zu entwickeln.
se Methode inhaltliche Schließung vermieden und auf die Unabschließbarkeit
von Deutungsprozessen fokussiert wird.
Der Name flic flac* bezeichnet die Akrobatik, die es ermöglicht, die Dinge auf den Kopf zu stellen und wieder auf den füßen zu landen. Darin spiegelt
sich das Begehren, Raum für Prozesse und Utopien zur Verfügung zu stellen.
flic flac* will eine Perspektivenverschiebung herstellen, die Selbstverständlichkeiten in frage stellt, Widersprüche und Brüche sichtbar macht und Strategien des Eingreifens aufzeigt. Dabei ist die Intervention — die performativ oder
installativ sein kann — ein gängiges format zur Befragung und Dekonstruktion
von hegemonialen Verhältnissen.
Warum eingreifen ?
Die Auseinandersetzung mit feminismus und Queer in der Vermittlungsarbeit
heißt, dass viel eher fragen eröffnet, als abschließbare Antworten zur Verfügung
gestellt werden. Es handelt sich um ein vielschichtiges und umkämpftes Themenfeld, das Inhalte, Debatten und Handlungen umfasst, die im Alltag gelebt,
politisch geregelt, aktivistisch erkämpft, theoretisch analysiert und künstlerisch
bearbeitet werden. Das Sprechen über ein Thema, das sich in einer Welt voller Widersprüche ständig neu erindet, wird dabei selbst zur Intervention. Entsprechend neueren Ansätzen in der feministischen forschung beschränkt sich
die Auseinandersetzung nicht nur auf Geschlechterrollen, sondern thematisiert
neben Sexismus, Homo- und Transphobie auch Machtverhältnisse, die mit sozialen fragen und Rassismus verbunden sind.
Die Idee zu feministischen Unterrichtsmaterialien geht aus einem erklärten Anliegen von lehrlingen hervor : Sie stellten die forderung, mit Instrumentarien zum Sprachhandeln in Bezug auf das Thema ausgestattet zu werden. In
der Selbstrelexion bemängelten die Jugendlichen, dass sie über einen eingeschränkten Wortschatz zu dem Themenfeld Geschlecht, Demokratie und feminismus verfügen, allerdings über einen gewissen Erfahrungsschatz sowie über
Meinungen dazu. Eine Recherche über Angebote feministischer Unterrichtsmittel legte eine klare soziale Strukturierung von bestimmten Theorien offen. Eine
Mehrheit an Materialien orientierte sich am Diskurs des Gender Mainstreaming
der neuen frauenbewegung seit der 1970er Jahre. Queer-feministische Unterlagen richteten sich vorwiegend an Akademiker*innen.
Um diese Strukturierung aufzulösen, entwickelten wir das transdisziplinäre Vermittlungsprogramm flic flac*. Es ist ein personales Vermittlungsformat, das inhaltlich und methodisch herrschaftskritisch ausgerichtet ist und die
Mitgestaltung der Teilnehmenden ins Zentrum stellt. Carmen Mörsch ( 2009 )
bezeichnet dieses Vorgehen als dekonstruktiv und transformativ, da durch die-
In einer zweijährigen Pilotphase ( in der sich die Unterrichtsmaterialen von flic
flac* entwickelten ) erprobten wir verschiedene Vermittlungsformate gemeinsam mit Berufsschüler*innen aus unterschiedlichen fachbereichen ( floristik,
Bürokaufleute, Informationstechnik etc. ), Künstler*innen, Aktivist*innen und
Theoretiker*innen aus dem Themenfeld feminismus und Queer Studies. Die
Workshopreihe stellte den Versuch dar, neue Vermittlungsformen mit verschiedenen Ansätzen an der Schnittstelle von zeitgenössischen künstlerischen Strategien, aktuellen queer-feministischen Theorien und jugendlicher Alltagserfahrung
nachzugehen, um in der Zusammenarbeit Handlungsräume für eine gemeinsame Wissensproduktion zu erarbeiten. Das Experimentieren mit und Ausloten
von Vermittlungsmethoden war ein partizipativer Prozess, in dem verschiedene
Erfahrungen, Wissensformen und Kompetenzen in der Verhandlung mit fragen
um Macht, Gleichstellung und Gerechtigkeit aufeinandertrafen.
Als Beispiel aus der Pilotphase möchte ich den Workshop mit Berufsschüler*innen für Informationstechnik in Kooperation mit der Künstlerin Erika Doucette anführen. In dessen Rahmen wurde mit fotograischen Mitteln und Sprache
Schnittstellen zwischen dem leben der Jugendlichen und Themen wie der Repräsentation von Geschlecht hergestellt. Ein Schwerpunkt lag in einer Auseinandersetzung mit Bildproduktionen, die zu einer Sammlung von konzeptuellen
fotograien führten. Dabei entstanden Bildkompositionen, die die Inszenierung
von Geschlechtern und Hierarchien subversiv und humorvoll unterlaufen.↓ abb. 1
176
177
Wie eingreifen ?
{ Elke Smodics }
abb. 1 | Flic Flac* : Workshop mit lehrlingen für
informationstechnik. inszenierung von Geschlecht.
Wien 2009. Foto : © trafo.k
abb. 2 | Flic Flac* : Toolmappe mit feministischen Materialien
für die berufsschule. Wien 2009. Foto : © evi scheller
Die aus diesen Prozessen hervorgegangenen Methoden wurden mit einer
Bedarfserhebung der Sozialwissenschaftlerin Ines Garnitschnig verbunden, die
uns Aufschlüsse und Einsichten über Erfahrungen, Wünsche und Bezüge der
Schüler*innen zum Thema feminismus gegeben hat.
Aus den Workshops der Pilotphase entwickelten wir flic flac*, eine Sammlung von Arbeitsmaterialien für den Unterricht.↑ abb. 2 Die modular angelegte
Mappe beinhaltet u. a. Glossarkarten, die auf Sprachkompetenzen eingehen, aber
auch Bildkarten, die eine Dekonstruktion von Bildpolitiken ermöglichen sowie
Handlungsanweisungen für performative Aneignungen des Themas. Darüber
hinaus eröffnen Videos und Songs neue Diskursebenen und DIY -Elemente laden
zur Entwicklung eigener Materialien ein. Das Train-the-Trainer-Programm für
lehrende bietet einen Rahmen für Erfahrungsaus- 3 Der Beitrag bezieht sich z. T. auf bereits veröftausch. Dabei stehen fragen über Wissensvermitt- fentlichte Passagen, die in einer kollektiven Autorenschaft über die Arbeit von trafo.K entstanlung von Gender Studies / Queer Theory wie auch
den sind.
das Kennenlernen verschiedener Vermittlungsmethoden im Mittelpunkt. flic flac* zielt darauf ab, Aspekte zu verbinden, die in
Unterrichtsmaterialien nur sehr selten zusammengedacht werden : feministische
Geschichten und Kämpfe, queere Theorien und den Alltag in der Berufsschule.3
178
{ In Normalitäten intervenieren }
abb. 3 | Flic Flac* : bildersammlung und Glossar. Wien 2014.
Foto : © trafo.k
abb. 4 | Flic Flac* : beispiel der bildersammlung.
kampagne nein heißt nein. Foto : © trafo.k
Nein heißt Nein
Mit einer Bildersammlung aus künstlerischen Arbeiten, die diskriminierende
Darstellungsformen und Stereotypen unterlaufen, und historischem Quellenmaterial wie flugzetteln und forderungskatalogen eröffnen wir in der Vermittlungsarbeit mit Schüler*innen den thematischen Input.↑ abb. 3 Die Auswahl der
Bildsujets der künstlerischen Arbeiten ist so gewählt, dass sie Wertekodierungen
klischeehafter Vorstellungen ins Wanken bringen können und der Reproduktion
von Normen etwas entgegensetzen. Die Bildkarten dienen als Anknüpfungspunkte für die jeweils eigenen fragen der Jugendlichen, die in einem gemeinsamen
Prozess ausgehandelt werden. In der gemeinsamen Bildbeschreibung und der
Dekonstruktion von Deutungen spiegelt sich die ganze Bandbreite feministischer
Themen über Geschlechtergeschichte, Begehren und gesellschaftliche Ausschlüsse wider. Wir sprechen über Kämpfe um gleiche Rechte, Rollenzuschreibungen,
Gewalt, Selbstermächtigungsstrategien, Identitäten u. v. m. Dabei geht es darum, in hegemoniale Diskurse zu intervenieren, einen Raum und Zeit für Auseinandersetzung mit Diskriminierung und Gewaltverhältnissen sowie für das
Austragen von Konlikten zu schaffen. In den entstehenden Zwischenräumen
des gemeinsamen Handelns inden wir heraus, was uns verbindet.
179
{ Elke Smodics }
Die Bildkarte Nein heißt Nein, die sich gegen sexualisierte und körperliche Gewalt wendet, wird sehr oft wegen ihres einfach verständlichen Slogans
von Jugendlichen gewählt.↑ abb. 4 In der Auseinandersetzung über sie werden
häuig hitzige Debatten über den Wahrheitsgehalt von Zuschreibungspolitiken
und deren Dekonstruktion geführt. Selbstverständlich werden zunächst stereotype Vorannahmen vorgebracht, z. B. glauben u. a. Männer oft, dass frauen nein
sagen, aber ja meinen. In der gemeinsamen Verhandlung über die Bedeutung
von Grenzüberschreitungen kommt es zu Situationen der Selbstbestimmung, in
denen eine Aneignung des Inhalts stattindet und die Jugendlichen jene Zuschreibungen, die sie erfahren, zurückweisen.
In weiterer folge arbeiten wir mit einem Glossar, das wir gemeinsam mit
einem transdisziplinären Team erstellt haben.4 Es enthält Zeichnungen, Begriffe
und Deinitionen von zahlreichen relevanten Begrif- 4 Das Team setzt sich zusammen aus dem lingufen von »Antirassismus« bis »Stereotyp«. Die Jugend- isten Persson Perry Baumgartinger, dem Künstlichen stellen Verbindungen zwischen den Bildern, ler*innenkollektiv ClUB Havera (Sheri Avraham,
Iris Borov nik ), dem Künstler Jannik franzen,
den Begriffen und ihren persönlichen fragen und
der linguistin Vlatka frekti und der Gestalterin Evi Scheller.
Erfahrungen her.
{ In Normalitäten intervenieren }
und interventionistische Vorgangsweise einen zentralen Aspekt unserer Arbeit
dar und zwar nicht nur in einem medialen und thematischen, sondern auch in
einem politischen Sinne.
elke sModics ist Gründungsmitglied von trafo.K. Sie ist Kunst- und Kultur-
vermittlerin mit den Schwerpunkten zeitgenössische Kunst und feminismus.
Ein fokus ist dabei die Entwicklung von Vermittlungstools und Arbeitsmaterialien für emanzipatorische Bildungsprozesse. Die Kulturvermittlungsarbeit mit
lehrlingen stellt ein zentrales Arbeitsfeld dar. Als lehrbeauftragte unterrichtete sie u. a. an der Akademie der bildenden Künste Wien, an der Universität
Salzburg, am Institute for Art Education an der Zürcher Hochschule der Künste sowie an der Pädagogischen Hochschule Wien zu feministischen, transdisziplinären Vermittlungsstrategien in der Schule.
Was verlernen ?
Mit dem Projektbeispiel möchte ich das Aufeinandertreffen und Brüchigwerden von Wissensformen vorstellen und den Blick auf die Verstrickung von Wissen und Macht richten. Nicht der bloße Transfer autorisierten Wissens steht
dabei im Vordergrund, sondern das Anliegen, das eingeübte lernen rund um
Machtverhältnisse, Normen und Wertekodierungen zu verlernen. Dabei geht
es im Wesentlichen um Veränderung der Sprache, aber nicht um das Ersetzen
von Vokabeln, sondern um ein Erschüttern und eine Neuerindung in Richtung
von mehr Gerechtigkeit und dem Wandel von Herrschaftswissen ( vgl. Castro
Varela 2016 ).
Insofern sind unsere Vermittlungsprojekte immer mitten in den gesellschaftlichen Verhältnissen mit all ihren Widersprüchen und Konlikten angesiedelt, aber sie sind auch von diesen mitbestimmt. Es interessiert uns, wie
kollaborative Projekte Möglichkeiten des gemeinsamen Handels eröffnen, um
neue Perspektiven zu entwickeln. In diesem Sinne stellt eine transdisziplinäre
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{ Elke Smodics }
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